Verg W 16/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht VK 54/02 Vergabekammer des Landes Brandenburg

Brandenburgisches Oberlandesgericht Be s c h lu s s In dem Vergabenachprüfungsverfahren

betreffend:

... ... Universität ..., Umbau ehemaliges Lazarett zum Laborgebäude, DDC/Gebäudeautomation Geb. 351 und 210

hier:

Antrag gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB

Beteiligte: 1.

H... AG, vertreten durch den Vorstand ..., ..., Antragstellerin und Beschwerdeführerin - Verfahrensbevollmächtigte:Rechtsanwälte ... -

2.

Landesbauamt B...,

-2vertreten durch den Amtsleiter ..., ..., Auftraggeber, 3.

L... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer ..., ...,

Beigeladene, - Verfahrensbevollmächtigte:Rechtsanwälte ... -

hat der Vergabesenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ...

am 12. November 2002 beschlossen: Der Antrag der Antragstellerin vom 24.10.2002, die aufschiebende Wirkung des Nachprüfungsantrages vom 27.8.2002 bis zur Entscheidung über ihre Beschwerde zu verlängern und dem Auftraggeber bis zur Entscheidung über die Beschwerde vorläufig zu untersagen, den Zuschlag zu erteilen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Der Auftraggeber schrieb u. a. im Ausschreibungsblatt des Landes Brandenburg vom 17.6.2002 (Bl. 334-336 VK 54/02) für die ... ... Universität ... Bauleistungen im Zusammenhang mit dem Umbau des ehemaligen Lazaretts zum Laborgebäude europaweit im offenen

-3Verfahren aus. Die ausgeschriebene Leistung umfaßte die DDC-Automationsstationen zur Regelung RLT- und Wärmeversorgungsanlagen sowie die Aufschaltung auf GLT mit Feldgeräten, Schaltschrank, Verkabelung, Programmsoftware, Inbetriebnahme sowie Aufschaltung von externen Stör- und Betriebsmeldungen, Zählimpulsen von BTA und Aufschaltung. Kriterien für die Auftragserteilung sollten nach dem Schreiben, mit dem der Auftraggeber die Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert hat (Bl. 327 ff. VK 54/02), der Preis und die Qualität sein. Der Auftraggeber ging davon aus, daß die Gesamtkosten für die Baumaßnahme 6.696.161,00 (netto) betragen, die Kosten für den streitgegenständlichen Auftrag wurden auf 172.000 (netto) geschätzt. Der Auftrag sollte in der Zeit vom 5.9.2002 bis zum 31.10.2003 ausgeführt werden. Die Beigeladene gab mit 190.127,16 brutto das günstigste Hauptangebot ab, die Antragste llerin lag auf Platz zwei mit einem Angebotspreis von 201.424,85 brutto. Beigeladene und Antragstellerin gaben auch mehrere Nebenangebote ab. Die Antragstellerin bot als Alternative 1. hinsichtlich der Automationsstationen in den Positionen 1.1, 2.1, 3.1 und 4.1 des Leistungsverzeichnisses eine Pauschale für die DDC-Technik an. Die Alternative 2 hatte eine Pauschalierung für die Elektroinstallation in den Positionen 1.6, 2.4, 3.6 und 4.4. des Leistungsverzeichnisses zum Gegenstand. Die Preisersparnis für das Nebenangebot Nr. 1 beträgt 10.637,90 , d. h. 12.339,96 brutto, diejenige für das Nebenangebot Nr. 2 8.846,08 netto, d. h. 10.261,45 brutto. Die Antragstellerin teilte mit Schreiben vom 7.8.2002 (Bl. 249-250 VK 54/02) auf telefonische Anfrage des Auftraggebers diesem mit, daß sie "sowohl im Hauptangebot als auch in den Alternativen die im Leistungsverzeichnis geforderten Funktionen und Datenpunktmengen erfüllen" werde. Der Auftraggeber schloß die Nebenangebote 1, 2 und 4 der Antragstellerin aus. In seinem Vergabevermerk dazu heißt es: Die Pauschalierung wird abgelehnt. Der Wettbewerb auf Basis der Einheitspreisabfrage ist für den Bereich GLT besonders wichtig, da neben Hardwarekomponenten eine Vielzahl unterschiedlicher ingenieurtechnischer Dienstleistungen auf der DDC- sowie

-4Managementebene erforderlich sind. Für jeden zusätzlichen Datenpunkt werden diese Leistungen notwendig, so daß der Preisvorteil der Pauschalierung schnell aufgebraucht wäre. Gleiches gilt für spätere Nachrüstungen, die sich aus dem Betrieb des Gebäudes oder Nutzungsänderung ergeben können. Der Auftraggeber wertete nur das Nebenangebot 3 der Antragstellerin, unter dessen Berücksichtigung ihr Angebot mit einem Endbetrag von 197.615,77 brutto endete. Aufgrund ihrer gewerteten Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 rangierte die Beigeladene mit einem Angebotsendbetrag von 179.688,53 brutto auf Platz 1. Die Antragstellerin hätte, wenn ihre Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 gewertet worden wären, mit einem Gesamtbetrag von 175.014,36 zum geringsten Preis angeboten. Die Auftraggeberin informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 14.8.2002 (Bl. 251-252 VK 54/02) von der Wertung ihres Nebenangebots 3 und von dem Ausschluß ihrer Nebenangebote 1, 2 und 4 und daß sie beabsichtige, den Zuschlag am 29.8.2002 der Beigeladenen zu erteilen. Mit ihrer mit Schreiben vom 21.8.2002 (Bl. 253-254 VK 54/02) erhobenen Rüge wandte sich die Antragstellerin gegen den Ausschluß ihrer Nebenangebote 1 und 2. Mit Schreiben vom 26.8.2002 teilte der Auftraggeber der Antragstellerin mit, daß sie nach ihrem Einspruch ihr (Haupt-)Angebot als unvollständiges Angebot von der Wertung ausschließe, da sie die geforderten Mengengerüste der einzelnen DDC-AS nicht erfülle. Inhaltsgleich äußerte sich auch die von der Antragstellerin eingeschaltete Vergabeprüfstelle mit Schreiben vom 30.8.2002, die ergänzend erklärte, da die Nebenangebote 1 und 2 keine abweichende technische Lösung beinhalteten, müßten auch sie von der Wertung ausgeschlossen werden. Mit Schriftsatz vom 27.8.2002 stellte die Antragstellerin bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag. Die Antragstellerin trägt vor, in den Nebenangeboten 1 und 2 werde lediglich der Preis pauschaliert, die Leistungen entsprächen denen im Hauptangebot. Es werde lediglich auf ein genaues Aufmaß der Leistungen zu deren Abrechnung verzichtet. Die Begründung für die Vergabeentscheidung sei fehlerhaft. Ihre Nebenangebote seien in die Wertung gelangt und könnten deshalb nicht mangels Gleichwertigkeit noch ausgeschlossen werden. Die seitens der

-5Auftraggeberin befürchteten höheren Preise für echte Nachträge i. S. der § 2 Nr. 5 bzw. § 2 Nr. 6 VOB/B könnten auf Grund der Bindung der Antragstellerin an ihre Urkalkulation nicht eintreten. Soweit die Auftraggeberin später Nachrüstungen oder Nutzungsänderungen vornehme, seien sämtliche Bieter in ihrer Preisgestaltung wieder frei, so daß auch insoweit kein Nachteil durch die Pauschalierung eintreten könne. Im übrigen seien Folgekosten in den Vergabeunterlagen nicht als Vergabekriterien genannt worden. Die Antragstellerin hat beantragt, den Auftraggeber anzuweisen, über den Zuschlag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu entscheiden. Der Auftraggeber und die Beigeladene haben keinen Antrag gestellt. Die Beigeladene hat gemeint, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil zwar für das Gesamtbauvorhaben der Schwellenwert von 5 Mio. überschritten sei, jedoch liege der Au ftragswert für das hier streitgegenständliche Gewerk deutlich unter 1 Mio. . Die Vergabekammer hat mit Beschluß vom 11.10.2002 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Nachprüfungsverfahren sei eröffnet, weil der Auftraggeber den Auftrag europaweit ausgeschrieben habe. Jedoch sei die Vergabeentscheidung nicht zu beanstanden, weil die Nebenangebote 1 und 2 der Antragstellerin von der Wertung auszuschließen gewesen seien. Nach den Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen seien Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, soweit sie Teilleistungen (Positionen) des Leistungsverzeichnisses beeinflußten, "nach Mengenansätzen und Einzelpreisen aufzugliedern (auch bei Vergütung durch Pauschalsumme)." Nebenangebote oder Änderungsvorschläge, die den Nr. 4.1 bis 4.4 nicht entsprächen, könnten von der Wertung ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluß habe hier zu erfolgen, weil die nicht vorliegenden Mengenangaben zu einer so erheblichen Unvollständigkeit der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Antragstellerin führten, daß ihr Ausschluß gerechtfertigt sei. Um das Risiko einer nachträglichen Preisanpassung bei Pauschalangaben auszuschließen, sei in aller Regel Voraussetzung für eine Pauschalvereinbarung, daß der Auftragnehmer die volle Verantwortung für die von ihm erstellten Unterlagen übernehme und vertraglich festgelegt werde,

-6daß eine Preisanpassung im Sinne von § 2 Nr. 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 VOB/B ausgeschlossen sei. Eine solche Vereinbarung habe die Antragstellerin nicht angeboten. Ohne den Ausschluß dieses Risikos würde eine Wertung der Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 der Antragstellerin gegen § 5 Nr. 1 Buchst. b VOB/A verstoßen. Im übrigen seien die Nebenangebote im Zeitpunkt der Angebotsabgabe in wesentlichen Punkten unvollständig gewesen. Den fehlenden Mengenangaben und Einheitspreisen komme im Zusammenhang mit der Wertung besondere Bedeutung zu. Der Auftraggeber habe ohne diese Angaben die technisch-qualitative Gleichwertigkeit nicht prüfen können. Die Antragstellerin habe das Konzept für die Pauschalierung darlegen und bloße Mengen- und Leistungsreduzierungen ausschließen müssen. Die Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 2 stellten zudem bedingungslose Preisnachlässe i. S. d. § 21 Nr. 4 VOB/A dar. Da sie nicht an der dafür in den Verdingungsunterlagen vorgesehenen Stelle aufgeführt seien, seien sie jedenfalls nach § 25 Nr. 5 S. 2 VOB/A nicht zu werten gewesen. Gegen diesen Beschluß der Vergabekammer, ihr zugestellt am 15.10.2002, richtet sich die mit Schriftsatz vom 24.10.2002 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht vorab per Fax am selben Tag eingegangene sofortige Beschwerde. Die Antragstellerin trägt vor, der Kostenvorteil durch das Nebenangebot sei im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß bei einer pauschalen Abrechnung auf ein Aufmaß verzichtet werde. Sie habe dem Auftraggeber bestätigt, daß auch bei Beauftragung des Nebenangebots alle im Leistungsverzeichnis geforderten Funktionen und Datenpunktmengen erfüllt würden. Die Antragstellerin hat mit Einlegung der sofortigen Beschwerde beantragt, die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern und dem Auftraggeber vorläufig zu untersagen, den Zuschlag zu erteilen. Der Auftraggeber ist diesem Antrag unter Hinweis auf die bereits eingetretene und die durch eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung noch zu erwartende Bauverzögerung entgegengetreten. Die Beigeladene hält die Entscheidung der Vergabekammer für richtig. Sie meint weiter, das Nebenangebot enthalte gerade nicht alle Positionen des Leistungsverzeichnisses. Im übrigen

-7habe der Auftraggeber aus zutreffenden Gründen auch das Hauptangebot der Antragstellerin nicht gewertet.

II. Der Antrag der Antragstellerin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB war zurückzuweisen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keine Erfolgsaussichten. Die von der Antragstellerin abgegebenen Nebenangebote waren gemäß § 25 Nr. 2 VOB/A nicht zu werten. Die Nebenangebote ermöglichen es dem Auftraggeber mangels Eindeutigkeit nicht, eine sachgerechte Bewertung durchzuführen. Nach § 21 Nr. 2 Satz 3 VOB/A ist die Gleichwertigkeit des Nebenangebotes mit der ausgeschriebenen Lösung bereits mit dem Angebot nachzuweisen. Der Bieter muß dazu das Nebenangebot so eindeutig und erschöpfend beschreiben, daß der Auftraggeber in die Lage versetzt wird, es zu prüfen, zu werten und festzustellen, ob es gleichwertig ist (Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB-Kommentar, 2002, § 21 Rz 183). Diesen Anforderungen genügen die beiden ausgeschlossenen Nebenangebote nicht. So hat die Antragstellerin ihren Einleitungssatz zu ihrem Nebenangebot Nr. 1 wie folgt formuliert: Nach Prüfung der Titel "Automationsstationen" des LV's und Einsicht in die Regelungsschemen und Datenpunktlisten bieten wir Ihnen auf dieser Grundlage eine Pauschalierung für die DDC-Technik an. Unter Beibehaltung der Gesamtfunktionalität sind in der Pauschale enthalten: das DDC-System mit abgesetzten E/A -Modulen Typ XL500 LON mit VDI3814 konformen Notbedien-Modulen Typ XFR sowie die Programmierung und Inbetriebnahme mit Honeywell-Software-Makros Typ EUROXFM. Die Pauschalierung bieten wir Ihnen wie folgt an: Titel 1.1. pauschal ... Der Einleitungssatz zu ihrem Nebenangebot Nr. 2 lautet folgendermaßen: Nach Prüfung der Titel "Installation" des LV's und Einsicht in die Regelungsschemen und Datenpunktlisten bieten wir Ihnen auf dieser Grundlage eine Pauschalierung für die Elektroinstallation an. Unter Beibehaltung der Gesamtfunktionalität sind in der Pauschale enthalten: das Verkabeln der beschriebenen Gebäudeautomation. Die Pauschalierung bieten wir Ihnen wie folgt an: Titel 1.6 pauschal

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Mit diesen Einleitungssätzen hat die Antragstellerin nicht unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, was sie nach ihrem Vortrag im Vergabenachprüfungsverfahren hat anbieten wollen, nämlich daß sie alle in ihrem Hauptangebot enthaltenen Leistungen in den in Bezug genommenen Titeln zu den genannten Pauschalpreisen erbringen werde. Eine unzweideutige Aussage diesen Inhalts wäre aber erforderlich gewesen, um es dem Auftraggeber zu ermöglichen, das Angebot zu werten. Daran fehlt es. Der Auftraggeber hatte vielmehr nach den jeweiligen Einleitungssätzen und nach der verhältnismäßig erheblichen Preisersparnis (Hauptangebot 35.044 netto, Nebenangebot Nr. 1 24.460,10 netto; Hauptangebot 41.137,92 netto, Nebenangebot Nr. 2 32.291,84 netto) davon ausgehen müssen, daß das Hauptangebot weiter ging als das Nebenangebot. So hat die Antragstellerin in beiden Einleitungssätzen angegeben, es würden unter "Beibehaltung" der Gesamtfunktionalität Pauschalen angeboten. Dies läßt die Interpretation zu, daß die Antragstellerin nicht die im Leistungsverzeichnis geforderten Mengen, sondern die geforderte Leistung - bei einem möglicherweise anderen Konzept - anbietet. Dies ist eine unzulässige Modifizierung des Leistungsumfangs. Auch nach dem Schreiben der Antragstellerin vom 7.8.2002 konnte der Auftraggeber nicht davon ausgehen, daß die Antragstellerin alle in den Nebenangeboten genannten Positionen des Leistungsverzeichnisses entsprechend ihrem Hauptangebot anbietet. Die Antragstellerin hat nämlich in diesem Schreiben nur bestätigt, "daß wir sowohl im Hauptangebot als auch in den Alternativen die im Leistungsverzeichnis geforderten Funktionen und Datenpunktmengen erfüllen". Daß Nebenangebot und Hauptangebot in den aufgeführten Titeln identisch sind, wird gerade nicht bestätigt. Waren die Nebenangebote schon aus diesem Grunde auszuschließen, kommt es auf die übrigen zwischen den Parteien streitigen Fragen nicht mehr an. Ohne Bedeutung ist auch, ob dem Auftraggeber angesichts der unklaren Formulierungen in den Nebenangeboten überhaupt gestattet war, eine Aufklärung dieser Nebenangebotes zu betreiben, oder ob nicht wegen der in § 24 VOB/A gezogenen Grenzen eine nachträgliche Interpretationsmöglichkeit durch den Bieter ohnehin ausgeschlossen war. ...

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