BGH, Urteil vom 23. September 1999, BGHSt 45, 211 Versicherungsbetrug

Examinatorium im Strafrecht II: BT Prof. Dr. Heinrich BGH, Urteil vom 23. September 1999, BGHSt 45, 211 – Versicherungsbetrug als „andere Straftat“ S...
Author: Björn Hermann
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BGH, Urteil vom 23. September 1999, BGHSt 45, 211 – Versicherungsbetrug als „andere Straftat“ Sachverhalt: Anton ist mit 50% Anteilen an einer als KG betriebenen Autowerkstatt als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt. Eines Nachts zündet er das in seinem Eigentum stehende, an die KG verpachtete Firmengebäude, in dessen erstem Stock sich die Wohnung seiner Mutter Martha befindet, an, um Geldbeträge aus der Gebäude-, Inventar- und Betriebsunterbrechungsversicherung zu erlangen. Durch das Feuer, das auf den Wohntrakt übergreift, wird das Betriebsgebäude, dessen Dach durchbrennt und einstürzt, zerstört. Die Türanlage zwischen Marthas Wohnzimmer und dem davor befindlichen Wintergarten, der ebenfalls Feuer fängt, verbrennt. Martha bemerkt das Feuer und hat, wie von Anton erwartet, noch genügend Zeit, das Gebäude unverletzt durch das Treppenhaus des Bürotraktes zu verlassen. Anton meldet daraufhin den Brandschaden seinen Versicherungen, die allerdings keine Zahlungen leisten. Wie hat sich Anton strafbar gemacht?

Anmerkungen: Kudlich, JA 2000, 361; Radtke, JR 2000, 428; Martin, JuS 2000, 503; Rönnau, JuS 2001, 328 Thema: § 306b StGB Problemstellung: Ist § 306b II Nr. 2 StGB einschlägig, wenn der Täter einen Versicherungsbetrug ermöglichen will oder ist § 306b II Nr. 2 StGB einschränkend auszulegen, sodass eine spezifische Brandgefahr erforderlich ist? Materialien: –

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Lösungsübersicht: A. Strafbarkeit wegen versuchten Betruges in einem besonders schweren Fall, §§ 263 I, III Nr. 5, 22 StGB I. Nichtvollendung (+); Versuchsstrafbarkeit (+) § 263 II StGB II. Tatentschluss bzgl. Täuschung gegenüber der Versicherung und Irrtum (+) bzgl. Vermögensverfügung und -schaden der Versicherung (+) III. Unmittelbares Ansetzen (+) IV. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) V. „Besonders schwerer Fall des versuchten Betruges“: Abs. 3 Nr. 5 (+) B. Strafbarkeit des Anton wegen Versicherungsmissbrauchs, § 265 I StGB Liegt vor, tritt aber hinter §§ 263, 22 StGB zurück C. Strafbarkeit wegen Brandstiftung, § 306 I Nr. 1 StGB Scheidet aus, da das Gebäude in seinem Eigentum stand D. Strafbarkeit wegen schwerer Brandstiftung, § 306a I Nr. 1 StGB I. Tatbestand 1. Gebäude 2. Der Wohnung von Menschen dienend Problem: Gemischt genutzte Gebäuden; auch Wohnung Problem: Entwidmung: nicht bzgl. Marthas Wohnung 3. In Brand gesetzt bzw. (jedenfalls teilweise) zerstört 4. Vorsatz II. Rechtswidrigkeit/Schuld: Einwilligung nicht möglich E. Strafbarkeit wegen schwerer Brandstiftung, § 306a II StGB I. Tatbestand 1. Werkstatt ist Sache i.S. des § 306 I Nr. 1 StGB (Gebäude) 2. In Brand gesetzt bzw. (jedenfalls teilweise) zerstört 3. Konkrete Gefahr (Gesundheitsbeschädigung für Martha) 4. Spezifischer Gefahrzusammenhang 5. Problem: Vorsatz? II. Rechtswidrigkeit/Schuld: Einwilligung nicht möglich

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F. Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung, § 306b II Nr. 2 I. Tatbestand 1. Fall des § 306a StGB (+) 2. Problem: Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen? Literatur: Teleologische Reduktion und damit (–) BGH: Versicherungsbetrug reicht aus (+) II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)

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Lösungsvorschlag: A. Strafbarkeit des Anton wegen eines versuchten Betruges in einem besonders schweren Fall gem. §§ 263 I, III 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB Indem Anton seinen Versicherungen den Brandschaden meldete, könnte er sich wegen eines versuchten Betruges in einem besonders schweren Fall gem. §§ 263 I, III 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB strafbar gemacht haben. I. Vorprüfung Die Tat wurde nicht vollendet, aber auch der Versuch ist gem. § 263 II StGB strafbar. II. Tatentschluss Anton müsste Tatentschluss, d.h. den auf alle subjektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie die sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale vorzuweisen haben. Anton wollte mittels einer Täuschung – dass er mit dem Brand nichts zu tun hat – die Gebäude-, Inventar- und die Betriebsunterbrechungsversicherung zu einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung – Erbringung von Zahlungen – veranlassen, die sich in einem Vermögensschaden seitens der Versicherungen niederschlagen sollte. Stoffgleich zu dem Schaden wollte sich Anton mit den erwarteten Leistungen der Versicherungen bereichern, wobei er auch wusste, dass er wegen der Selbstherbeiführung des Versicherungsfalls (§ 103 VVG) auf die Leistungen keinen Anspruch hätte, d.h. diese rechtswidrig wären. Tatentschluss hinsichtlich eines versuchten Betruges in einem besonders schweren Fall liegt folglich vor. III. Unmittelbares Ansetzen Anton müsste auch zur Tatbegehung unmittelbar angesetzt haben, § 22 StGB. Für ein unmittelbares Ansetzen muss der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten und objektiv zur tatbe-

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standsmäßigen Angriffshandlung angesetzt haben, d.h. das Verhalten muss nach dem Gesamtplan des Täters so eng mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung verknüpft sein, dass es bei ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Verwirklichung des gesamten Straftatbestandes führen soll oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr steht. Durch das Melden des Brandschadens bei den Versicherungen hat Anton bereits das Tatbestandsmerkmal der Täuschung erfüllt, so dass er zum Betrug unmittelbar angesetzt hat. IV. Rechtswidrigkeit und Schuld Gründe, die Antons Verhalten rechtfertigen oder entschuldigen könnten, sind nicht ersichtlich. V. Besonders schwerer Fall Darüberhinaus hat Anton das Regelbeispiel des § 263 III 2 Nr. 5 StGB erfüllt: Er hat das Firmengebäude – eine Sache von bedeutendem Wert – zum Zwecke des Vortäuschens eines Versicherungsfalls mit sog. Quasi-Vorsatz in Brand gesetzt. Zwar ist der Betrug hier nur versucht, jedoch hat Anton das Regelbeispiel vollständig verwirklicht, so dass es sachgerecht erscheint, ihn auch wegen eines besonders schweren Falls des versuchten Betruges zu bestrafen. Nicht erfüllt ist hingegen § 263 III 2 Nr. 2 StGB, denn für einen Vermögensverlust großen Ausmaßes – etwa ab € 50.000 – genügt die bloße Vermögensgefährdung, wie sie hier vorliegt, nicht. VI. Ergebnis Mithin ist Anton wegen versuchten Betruges in einem besonders schweren Fall gem. §§ 263 I, III 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB zu bestrafen. B. Strafbarkeit wegen Versicherungsmissbrauchs, § 265 I StGB Das Anzünden des Firmengebäudes kann sich zudem als Versicherungsmissbrauch gem. § 265 I StGB darstellen.

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I. Tatbestandsmäßigkeit Sowohl das Inventar als auch das Gebäude waren gegen Untergang und Beschädigung versichert. Durch das Inbrandsetzen hat Anton diese auch zerstört, d. h. auf die Sachen als solche in einer Weise körperlich eingewirkt, dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit vollständig verloren haben. Anton handelte auch wissentlich und willentlich, d.h. vorsätzlich. Zudem wies er die Absicht auf, sich selbst Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann Antons Einwilligung in die Zerstörung nicht rechtfertigend wirken, da durch § 265 StGB das Vermögen der Versicherungsgesellschaft und nicht das des Eigentümers geschützt ist, so dass kein zur Disposition des Hauseigentümers stehendes Rechtsgut vorliegt. III. Ergebnis Anton hat sich folglich auch wegen eines Versicherungsmissbrauchs gem. § 265 I StGB strafbar gemacht. Dieser tritt jedoch wegen formeller Subsidiarität hinter den §§ 263 I, III 2 Nr. 5, 22, 23 I StGB zurück, denn die Subsidiaritätsklausel greift auch beim versuchten Betrug. C. Strafbarkeit wegen Brandstiftung, § 306 I Nr. 1 StGB Eine Strafbarkeit Antons wegen Brandstiftung gem. § 306 I Nr. 1 StGB am Firmengebäude scheitert bereits am objektiven Tatbestand, weil das Firmengebäude Anton gehörte und somit nicht „fremd“ war. Das gleiche gilt für die tatbestandlich ebenfalls nicht verwirklichten §§ 303 I (bezüglich des Gebäudes und Inventars, soweit es Anton gehörte) und 305 I StGB (bezüglich des Gebäudes), da diese Tatbestände ebenfalls die Beschädigung oder Zerstörung fremden Eigentums voraussetzen. Zu denken ist nur an eine Sachbeschädigung – § 303 I StGB – an den Martha gehörenden Sachen. Erforderlich wäre diesbezüglich dann ein Strafantrag, § 303c StGB.

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D. Strafbarkeit wegen schwerer Brandstiftung, § 306a I Nr. 1 StGB Indem Anton das Firmengebäude anzündete, könnte er sich jedoch wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit Zu prüfen ist zunächst die Tatbestandsmäßigkeit von Antons Verhalten. 1. Objektiver Tatbestand Anton hat durch das Anzünden des Lokals ein Gebäude in Brand gesetzt. a) Gemischt-genutztes Gebäude Fraglich ist jedoch, ob das Gebäude auch, wie von § 306a I Nr. 1 StGB vorausgesetzt, der Wohnung von Menschen dient. Dieses Merkmal setzt voraus, dass die Räumlichkeit ihrer konkreten Verwendung nach zumindest vorübergehend zum Mittelpunkt des Aufenthalts von Menschen dient. Bezüglich des Firmentrakts wäre diese Voraussetzung zu verneinen. Allerdings befindet sich im ersten Stock die Wohnung Marthas, so dass hier ein sog. gemischt genutztes Gebäude vorliegt. Ob eine schwere Brandstiftung auch dann gegeben sein kann, wenn bei einem sowohl zu Wohnzwecken als auch zu anderen Zwecken dienenden Gebäude ein Gebäudeteil in Brand gesetzt wird, der ausschließlich anderen – hier gewerblichen – Zwecken dient, ist umstritten. Nach der überzeugenden Ansicht genügt bereits das bloße Inbrandsetzen von gewerblich genutzten Räumen, wenn nach natürlicher Auffassung ein einheitliches zusammenhängendes Gebäude vorliegt. Kriterien für diese Beurteilung sind z.B. ein gemeinsames Treppenhaus bzw. sonstige Verbindungen zwischen dem Gewerbe- und dem Wohntrakt, wie sie hier in Form insbesondere einer gemeinsamen Decke vorliegen. Eine nähere Auseinandersetzung mit den weiteren

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Meinungen erübrigt sich jedoch, weil sogar die restriktivste Ansicht, die ein Übergreifen des Feuers auf den Wohntrakt verlangt, hier zu einer Bejahung der Strafbarkeit kommt. b) Entwidmung Möglicherweise scheidet die Strafbarkeit jedoch wegen Entwidmung des Gebäudes aus. Über die Widmung zu Wohnzwecken entscheidet allein die tatsächliche Lage, so dass diese Eigenschaft auch durch bloßen Realakt wieder aufgehoben werden kann. Diese sog. Entwidmung liegt vor, wenn der Wohnungsinhaber – d. h. Eigentümerstellung ist nicht erforderlich – einen auf die dauernde Aufgabe der Wohnung gerichteten Willen aufweist. Über die Wohnräume von Martha konnte Anton jedoch nicht verfügen, so dass diesbezüglich keine Entwidmung vorliegt. Mithin hat Anton den objektiven Tatbestand der schweren Brandstiftung erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand Anton wollte das Firmengebäude in Brand setzen und wusste insbesondere auch, dass das Gebäude zusätzlich zu Wohnzwecken diente. Dass er darauf vertraute, Martha werde sich in Sicherheit bringen, schließt den Vorsatz nicht aus. II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtswidrigkeit und Schuld unterliegen keinen Bedenken. Insbesondere kann die Einwilligung Antons hier mangels Disponibilität des Rechtsguts nicht rechtfertigend wirken, weil § 306a StGB im Gegensatz zu § 306 StGB nicht das Eigentum schützt, sondern die Allgemeinheit vor Brandgefahren. III. Ergebnis Folglich hat sich Anton wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a I Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

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E. Strafbarkeit wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a II StGB Durch das Inbrandsetzen des Firmengebäudes könnte sich Anton außerdem wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a II StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestandsmäßigkeit Zu prüfen ist zuerst die Tatbestandsmäßigkeit von Antons Verhalten. 1. Objektiver Tatbestand In objektiver Hinsicht setzt § 306a II StGB neben der Inbrandsetzung des Firmengebäudes als Gebäude im Sinne des § 306 I Nr. 1 StGB voraus, dass durch den Brand ein anderer Mensch in die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebracht wurde. Als „Anderer“ kommt dabei jede vom Täter verschiedene Person in Betracht, hier also die Martha. Unter der konkreten Gefahr einer Gesundheitsschädigung versteht man eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut: Aufgrund einer nachträglichen Beurteilung muss die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt gewesen sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Allein dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befunden haben, genügt zwar zur Annahme einer konkreten Gefahr einer Gesundheitsschädigung noch nicht, andererseits wird der Eintritt einer Gesundheitsbeschädigung selbst nicht verlangt. Hier ergab sich jedoch eine Gefährdung der Martha insbesondere daraus, dass ihr das Feuer mögliche Fluchtwege abschnitt: Der Wintergarten hatte Feuer gefangen, das Dach stürzte ein, während Martha aus dem ersten Stock ins Freie gelangen musste. Schwerwiegend ist auch, dass Anton das Feuer zur Nachtzeit entfachte, so dass Martha vermutlich schlief und damit in ihrer Wahrnehmungsund (Selbst)Rettungsfähigkeit stark eingeschränkt war. Insofern handelte es sich um einen glücklichen Zufall, dass sie sich unverletzt retten konnte. Eine konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung ist deshalb zu bejahen. Die konkrete Gefährdung beruhte auch auf der spezifischen Gefährlichkeit der Brandlegung.

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2. Subjektiver Tatbestand Fraglich ist allein, ob Anton auch bezüglich der konkreten Gefahr einer Gesundheitsschädigung vorsätzlich, d. h. mit Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung, handelte. Hinsichtlich des Wissenselements bestehen keine Bedenken, denn Anton war bekannt, dass seine Mutter im ersten Stock des Firmengebäudes wohnte. Näher zu begründen ist indes das Wollenselement des Vorsatzes, weil Anton hoffte, dass sich Martha noch rechtzeitig würde retten können. Allerdings war Anton insbesondere wegen der nächtlichen Tatzeit bewusst, dass es zu einer konkreten Gefährdung kommen konnte. Und obwohl er diese nicht wollte, nahm er sie doch zur Durchsetzung seines Planes billigend in Kauf. Dieser bedingte Gefährdungsvorsatz kann nicht durch die vage Hoffnung ausgeschlossen werden, dass Martha tatsächlich nicht verletzt würde. Auch Vorsatz des Anton hinsichtlich der Verwirklichung des § 306a II StGB ist mithin gegeben. II. Rechtswidrigkeit Fraglich ist, ob bei § 306a II StGB die Einwilligung des Eigentümers Antons rechtfertigend wirkt. Dazu müsste Anton über das von dieser Norm geschützte Rechtsgut verfügen können. Für eine solche Disponibilität könnte die Verweisung des § 306a II StGB auf den § 306 I Nr. 1 StGB sprechen, weil bei § 306 StGB eine Einwilligung möglich ist. Gegen eine solche Sichtweise spricht jedoch, dass in diesem Fall ein Verweis auf § 306 StGB genügt hätte, der Gesetzgeber aber explizit auf die in § 306 I Nr. 1 bis 6 StGB genannten Sachen Bezug genommen hat. Das Adjektiv „fremd“ ist indes vor diesen Nummern genannt. Außerdem würde nach der erstgenannten Sichtweise § 306a II StGB kein gemeingefährliches Delikt mehr darstellen, was zu einem systematischen Bruch mit § 306a I StGB führen würde. Insofern ist es überzeugender, eine Einwilligungsmöglichkeit durch den Eigentümer abzulehnen. Mangels Disponibilität des Rechtsguts kann deshalb Antons Einwilligung nicht rechtfertigend wirken.

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III. Schuld Gründe, die Antons Verhalten entschuldigen könnten, sind nicht ersichtlich. IV. Ergebnis Folglich hat sich Anton auch wegen schwerer Brandstiftung gem. § 306a II StGB strafbar gemacht. F. Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung, § 306b II Nr. 2 StGB Weiterhin könnte Anton sich wegen besonders schwerer Brandstiftung gem. § 306b II Nr. 2 StGB strafbar gemacht haben, weil er mit der Tat Betrugsabsichten verfolgte. I. Tatbestandsmäßigkeit Neben einem Fall des § 306a StGB – der hier vorliegt – setzt § 306b II Nr. 2 StGB in subjektiver Hinsicht zusätzlich die Absicht voraus, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. Anton beabsichtigte, zu Unrecht die Versicherungssummen zu kassieren, was strafrechtlich als versuchter Betrug in einem besonders schweren Fall zu bewerten ist. Begrifflich ist das Merkmal der Ermöglichungsabsicht damit erfüllt. Die damit einhergehende fünfjährige Mindeststrafe (und damit um das gegenüber § 306a StGB um das Fünffache erhöhte Mindestmaß) wird teilweise als völlig schuldunangemessen angesehen. Deshalb fordern manche eine Restriktion des § 306b II Nr. 2 StGB: Der Täter müsse gerade das Brandereignis und die damit verbundenen spezifischen Gefahren zur Begehung einer weiteren Straftat nutzen. Bei einem geplanten späteren Betrug würden dabei nicht die spezifischen Gefahren eines Brandes ausgenutzt. Argumentieren könne man damit, dass der Wortlaut des § 306b II Nr. 2 StGB zu weit geraten sei und einschränkend ausgelegt werden müsse. Zudem zeige die Absenkung der Strafrahmen in den §§ 263 III 2 Nr. 5, 265 StGB, dass der Gesetzgeber Be-

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trugsfälle nicht härter bestrafen wollte. Schließlich stelle in den Tatsituationen des § 306a StGB speziell die betrügerische Absicht eine typische Begleiterscheinung dar, die den Strafrahmen schwerlich legitimiere. Für die andere Ansicht – dass § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auch dann erfüllt ist, wenn die schwere Brandstiftung zum Zweck eines Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird – spricht indes der Wortlaut, der ebenso wie die Anknüpfung auch an den Absatz 2 des § 306a StGB zeigt, dass § 306b II Nr. 2 StGB eine Steigerung und Ausnutzung der brandbedingten Gemeingefahr nicht voraussetzt. Vielmehr erfordert die Bestimmung nur, dass der Täter bei seiner – in § 306a StGB näher umschriebenen – Tathandlung das Ziel verfolgt, die Begehung der anderen Straftat, für die ihm die Brandstiftung nicht als notwendiges Mittel erscheinen muss, zumindest zu erleichtern. Der besondere Unwert der schweren Brandstiftung in der Ermöglichungsvariante liegt darin, dass sie der Begehung kriminellen Unrechts dienen soll. Die erhöhte Verwerflichkeit ergibt sich aus der Bereitschaft, zur Durchsetzung krimineller Ziele ein abstrakt (§ 306a I StGB) oder konkret (§ 306a II StGB) gefährliches Brandstiftungsdelikt zu begehen, mithin aus der Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter. Dieses Ergebnis wird auch durch die ständige Auslegung der §§ 211 und 315 III Nr. 1b StGB bestätigt, die denselben Wortlaut wie § 306b II Nr. 2 StGB aufweisen. Schließlich spricht für diese Auslegung auch ein systematischer Grund: Das Erfordernis eines nahen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs zwischen der Brandsituation und der anderen Straftat ließe für die gleichrangig in § 306b II Nr. 2 StGB vorgesehene Verdeckungsabsicht nur einen außerordentlich schmalen Anwendungsbereich. Die Anwendung des § 306b II Nr. 2 StGB auf einen Fall wie den hier zu beurteilenden kann auch nicht durch §§ 265 und 263 III 2 Nr. 5 StGB ausgeschlossen werden; ein Vorrang dieser Tatbestände – etwa unter dem Gesichtspunkt der Exklusivität oder einer Gesetzeskonkurrenz – besteht schon deshalb nicht, weil selbst der am schwersten bestrafte Fall – § 263 III 2 Nr. 5: Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren – noch hinter dem Grundtatbestand des § 306a StGB zurückbleibt. Insofern hat Anton den Tatbestand des § 306b II Nr. 2 StGB erfüllt.

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II. Rechtswidrigkeit und Schuld Rechtswidrigkeit und Schuld unterliegen keinen Bedenken. III. Ergebnis Mithin ist Anton auch nach § 306b II Nr. 2 StGB zu bestrafen. G. Konkurrenzen Die Strafbarkeit nach § 306b II Nr. 2 StGB verdrängt alle anderen von Anton verwirklichten Brandstiftungstatbestände. Der versuchte Betrug in einem besonders schweren Fall steht zur besonders schweren Brandstiftung in Tatmehrheit, § 53 StGB.