Lehrstuhl für Energiewirtschaft Prof. Dr. Christoph Weber
Bewertung von Investitionsentscheidungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht RWE/enreg.-Symposium Rahmenbedingungen für Investitionsund Finanzierungssicherheit in der Energiewirtschaft Essen, 13. 01. 2011 Prof. Dr. Christoph Weber Lehrstuhl für Energiewirtschaft Universität Duisburg-Essen
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Investitionsentscheidungen nach dem BWL-Lehrbuch (I) • Statische Verfahren der Investitionsrechnung – – – – –
Kostenvergleichsrechnung Gewinnvergleichsrechnung Rentabilitätsvergleichsrechnung Amortisationsrechnung …
• Dynamische Verfahren der Investitionsrechnung – – – –
Kapitalwertmethode Annuitätenmethode Methode des internen Zinsfusses …
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Investitionsentscheidungen nach dem BWL-Lehrbuch (II) Kapitalwert- oder Discounted-Cash-Flow-Methode NPV = − A0 +
1 (E1 − A1 ) + 1 2 (E2 − A2 ) + ... + 1 T (ET − AT ) 1+ i (1 + i ) (1 + i ) T
= − A0 + ∑ t =1
1
(1 + i )
t
(Et − At )
… so weit, so einfach! Aber: - Wie werden zukünftige Ein- und Auszahlungen Et und At ermittelt? - Wie wird der Kalkulationszinssatz i festgelegt? - Wie werden Unsicherheiten abgebildet?
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Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Entscheidens
Gesellschaftliches Umfeld
Wirtschaftliches Umfeld
Rechtlichinstitutionelles Umfeld
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Rahmenbedingungen energiewirtschaftlichen Entscheidens
Rechtlichinstitutionelles Umfeld
Gesellschaftliches Umfeld Bürgerinitiativen Kapitalmarktkonditionen Brennstoffpreise Zertifikatepreise
Unternehmen
Zertifikatehandel Brennelementsteuer EEG …
Klimaschutz Kernkraftskepsis
Wirtschaftliches Umfeld
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Gesellschaftliche Umfeld - Konzept „Transformation der Energiewirtschaft“ • PWC: Come sun, rain, or high wind: Europe could create a 100% renewable electricity supply by 2050 (Mar 2010) • ECF/McKinsey/…: Roadmap 2050 (Apr. 2010) „By 2050, Europe could achieve an economy-wide reduction of GHG emissions of at least 80% compared to 1990 levels“ • Energiekonzept der Bundesregierung (Okt. 2010) Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80% reduzieren • …
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Investitionen heute und „Transformation der Energiewirtschaft“ (I) 2010
2020
2030
2040
2050
100% 90% Betriebszeitraum 2040 -2050
80% 70% 60% 50% 40%
Übrige Zeit
30% 20%
Relevanz des Zeithorizonts 2040 – 2050 für betriebswirtschaftliche Investitionen heute (2010 – 2020)
10% 0% Anteil Kapitalwert
Annahmen: stationäre Zeitreihen, Lebensdauer 40 J, Kapitalkosten 9 %
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Investitionen heute und „Transformation der Energiewirtschaft“ (II) 2010
2020
2030
2040
2050
100% 90% 80% 70%
Relevanz der Investitionen heute (2010 – 2020) für die Struktur der Energiewirtschaft 2040 – 2050
60%
Übrige
50% 40% 30% Inbetriebnahmen 2010 -2020
20% 10% 0% Kapazitäten Annahmen: stationäre Zeitreihen, Lebensdauer 40 J, Kapitalkosten 9 %
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Inkompatible Perspektiven? 2010
2020
2030
2040
100%
100%
90%
90%
Betriebszeitraum 2040 -2050
80% 70%
80% 70%
60%
60%
50%
50%
40%
40%
Übrige Zeit
30%
Übrige
30%
20%
20%
10%
10%
0%
0%
Anteil Kapitalwert
2050
Inbetriebnahmen 2010 -2020 Kapazitäten
Annahmen: stationäre Zeitreihen, Lebensdauer 40 J, Kapitalkosten 9 %
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Inkompatible Perspektiven? • Politische Perspektive: Zielszenario klar, Negation von Unsicherheit
• Betriebswirtschaftliche Perspektive: Ausgangssituation klar, Extrapolation von Unsicherheit
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Politische Reaktion: • Vorgabe von Rahmenbedingungen um Wirtschaft „auf den Pfad der Tugend“ (Transformation) zu bringen – – – – – –
EEG KWKG CO2-Zertifikatehandel EEWärmeG Energie- und Klimafonds …
• Probleme: „Anmaßung von Wissen“ (v. Hayek) Hü und Hott Mangelnde Verlässlichkeit Interventionsspirale
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Betriebswirtschaftliche Reaktionen: • • • • • •
Einfordern von verlässlichen Rahmenbedingungen Investitions-Attentismus Verlagerungsreaktionen Fokus auf kurzfristig rentable Investitionen Träumen von einer besseren, marktwirtschaftlichen Welt …
• Vertiefte Analysen des Entscheidungsumfelds – – – –
Szenarioanalyse Analyse der Branchen- und Technologiespezifika Analyse von Risikostrukturen und Risikomodellierung …
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Szenarioanalyse – aktuelles Beispiel Priorität Klimaschutz
Fokus auf Regenerative und Energieeffizienz (REGREN)
Priorität Wettbewerb
Effizienter, ökologischer Wettbewerb (WETTÖK)
Heute Priorität Versorgungssicherheit
Vorrang für Versorgungssicherheit (SICHER)
Keine Priorisierung
Ungelöste Zielkonflikte in Europa (KONFLIKT)
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Szenarioanalyse – aktuelles Beispiel 200 180 160 140
€/t CO2
120
environment RegRen policy RegRen(2)
100
reference Konflikt security Sicherheit
80
WettÖk technology
60 40 20 0 2010
2020
2030
2040
2050
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Szenarioanalyse – Detail RegRen (2): Residuallast
100000
80000
60000
40000
Dauerlinie 2006
20000
Dauerlinie 2020
0 1
1001
2001
3001
4001
5001
6001
7001
8001 15
-20000
Quelle: eigene Berechnungen
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Branchen- und Technologiespezifika – aktuelle Überlegungen (I) • Empirische Beobachtung: Keine neue Technologie zur Stromerzeugung hat sich ohne staatliche Unterstützung nur im Wettbewerb durchgesetzt – Gilt für: Kernkraft, Erneuerbare, Brennstoffzelle, CCS – Gilt nur eingeschränkt für: Gas-GuD
• Empirische Beobachtung in anderen Märkten: Wettbewerb als Innovationstreiber – z. B. Handys, Computer, Autos, Kunststoffe,…
• Struktureller Unterschied: Bei Stromproduktion keine Produktinnovation möglich, immer reiner Preis-/Gestehungswettbewerb mit etablierten Technologien
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Branchen- und Technologiespezifika – aktuelle Überlegungen (II) • Theoretische Überlegung: Knowledge-Spillover als positive Externalität Anlagenbauer profitieren von Innovationen der Wettbewerber bzw. innovative Unternehmen können Gewinne aus Innovation nicht vollständig für sich selbst behalten
Emissionszertifikatehandel zur Internalisierung der negativen externen Umwelteffekte Zusätzliche F&E- und/oder Produktionsförderung zur Internalisierung der positiven externen Effekte von Knowledge-Spillover (Wissensverbreitung) – F&E-Förderung, wenn vor allem Spillover bei Wissensakkumulation – Produktionsförderung, wenn Spillover bei Erfahrungslernen (Experience curve)
Ökonomische Begründung für spezifische Förderung von Erneuerbaren – Aber eher F&E-Förderung oder Marktprämie als feste Einspeisevergütung
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Risikostrukturen und Risikomodellierung • Abbildung von Risiken im klassischen Kapitalwertverfahren über den Kalkulationszinssatz • Mainstream, insbesondere im angelsächsischen Raum: Bestimmung des Kalkulationszinssatzes aus Marktdaten – Grundlage Capital Asset Pricing Model (CAPM) – Einperiodiges Kapitalmarktmodell mit einheitlichem Preis für systematisches Risiko – Empirische Parameterschätzung aus Aktienkursentwicklung – Fokus auf kurzfristigen Risiken für Aktionäre – Berücksichtigung geschäftsfeldspezifischer Risiken durch Zu-/Abschläge
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Risikostrukturen und Risikomodellierung • Kritik an der Verwendung von CAPM-basierten Kalkulationszinssätzen: – Keine Berücksichtigung von idiosynkratischem, unsystematischen Risiken – Implizite Annahme effizienter, unverzerrter Märkte – Varianz der Unsicherheit steigt implizit linear mit dem zeitlichen Abstand von heute
• Ansätze zur Weiterentwicklung – Berücksichtigung von Portfolioeffekten bei der Investitionsbewertung durch Mean-Variance-Ansatz (Basis: Markowitz 1952) – Anteilige Einbeziehung von unsystematischen Risiken (Basis: Froot et al. 1993, Stulz 1985) – Anwendung von mehrperiodigen Risikomaßen (Basis: Artzner et al. 2001) – Verknüpfung von Szenariotechnik und Risikomodellierung – Zinsstrukturkurve mit abnehmendem Zins für fernere Zukunft (Basis: Gollier 2010)
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Politische Weichenstellungen und Risikostrukturen Verschiedene politische Vorgaben der letzten Jahre haben das Erreichen risikoadäquater Verzinsungen für Energieunternehmen erschwert: • Übergang zur Vollauktionierung von Emissionszertifikaten ab 2013 • Hohe, feste Vergütungssätze für einige Erneuerbare und dadurch induzierte Überinvestitionen • Regulierung der zulässigen Eigenkapitalverzinsung für Netzinvestitionen durch die Bundesnetzagentur • Ausgestaltung der Kostenprüfung und –anerkennung im Rahmen der Netzentgeltregulierung Außerdem ist durch politische Maßnahmen die Ertragskraft der Unternehmen im Vergleich zu europäischen Wettbewerbern geschmälert worden und damit die Finanzierungsfähigkeit für neue Investitionen: • Brennelementesteuer • Energie- und Klimafonds
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Fazit • Investitionsbewertung ist nicht nur Wissenschaft sondern auch Kunst • Standardverfahren der Investitionsbewertung sind transparent, konsistent und passen elegant in theoretischen Rahmen • Allerdings hat Finanzkrise gezeigt, dass elegante theoretische Modelle kritisch zu hinterfragen sind, ob sie die Realität angemessen abbilden • Forschungsbedarf an der Schnittstelle von Theorie und Praxis, um Grenzen und Prämissen der etablierten Methoden besser zu verstehen und ggf. Alternativen aufzuzeigen • Derzeit geringe Investitionsbereitschaft bei konventionellen Kraftwerken liegt nicht primär an betriebswirtschaftlicher Risikoscheu sondern an politischen Markteingriffen • Verlässliche politische Rahmenbedingungen schlagen sich in erhöhter Investitionsbereitschaft nieder und reduzieren die Gefahr von Marktturbulenzen