Berichte aus der Essener Denkmalpflege 2

Die Visualisierung des Werdener Kastells, Das Stadtmodell der Stadt Essen

STADT ESSEN

Berichte aus der Essener Denkmalpflege

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Detlef Hopp für das Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/Stadtarchäologie Cordula Brand, Detlef Hopp, Ralf Roderig und Elke Schneider Detlef Hopp, Elke Schneider, Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/ Stadtarchäologie Essen, Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster, Horst Bühne, Ralf Roderig, Schleßelmann-Fotografie, Essen-Werden Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster 07/2010 1000 Exemplare Stadt Essen, Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/Stadtarchäologie Rathenaustraße 2 45121 Essen

Mit freundlicher Unterstützung des Ministeriums für Bauen und Verkehr und des LVR - Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Inhaltsverzeichnis I.

Einleitung

S. 1

II.

Die ältesten Burgen - Alteburg, Herrenburg und Haus Fuhr

S. 2

III.

Das Kastell

S. 5

IV.

Die Stadtbefestigung und das Werdener Kastell - Die archäologischen Untersuchungen am Kastell 2008

S. 10

V.

Die Visualisierung des Kastells

S. 13

Literaturverzeichnis

S. 18

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I. Einleitung Das Kastell

An das im 15. Jahrhundert entstandene Kastell erinnert in Werden noch der Kastellplatz. Von dem einst wuchtigen Bau sind heute keinerlei Spuren mehr zu sehen. 2008 konnten aber bei archäologischen Untersuchungen noch mehrere Meter hohe Mauern festgestellt werden, die andeuten, dass noch sehr viel mehr Substanz von der einst beeindruckenden Burg im Boden erhalten geblieben ist. Aufgrund der Ausgrabungsergebnisse entstand die Idee, das Kastell wieder mit der Hilfe von computergestützten Systemen zu visualisieren. In einer Zusammenarbeit des Werberings Werden, des Amtes für Geoinformation, Vermessung und Kataster und des Instituts für Denkmalschutz und Denkmalpflege/ der Stadtarchäologie entstand der vorgelegte Rekonstruktionsvorschlag. Dr. Ralf Roderig übernahm dabei die schwierige Aufgabe, die Burg dreidimensional entstehen zu lassen.

Ansicht von Werden nach Braun und Hogenberg (1581, n. Das alte Essen 1975)

Ausschnitt der Ansicht von Werden nach Braun und Hogenberg (1581, n. Das alte Essen 1975)

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Detailansicht von Merian 1645, (Ruhr Museum)

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II. Die ältesten Burgen Alteburg, Herrenburg und Haus Fuhr von Detlef Hopp Alteburg und Herrenburg Als um 799 die Abtei in Werden entstand, war sie nicht schutzlos. Zu dieser Zeit existierte auf dem nahen Pastoratsberg bereits die Alteburg. Auch die so genannte Alteburg an deren Stelle sich heute eine Jugendherberge befindet, bestand vielleicht schon zu dieser Zeit: Es ist eine Vermutung, dass die näher zu Werden liegende Herrenburg der Alteburg zeitlich folgte. Wann dieses aber genau geschah, ist bis heute ungeklärt. Unklar ist auch, ob die Herrenburg im Hochmittelalter den Werdener Einwohnern Schutz bot oder ob es unabhängig von ihr sowie von Kloster und Siedlung eine weitere Befestigung gab.

Alteburg

Herrenburg

Luftbild der Herrenburg (IDD / Stadtarchäologie)

Luftbild von der Alteburg (Horst Bühne)

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Befestigte Anlage

Haus Fuhr

Der heutige Straßenname Haus Fuhr erinnert an eine befestigte Anlage (?), die auf den Ritter Sobbo von Altena zurückgehen soll. Um 1300 berichtet eine Urkunde, dass der von Sobbo unterstützte Kölner Erzbischof und der Graf Everhard von der Mark in Fehde lagen. Eine noch ältere Urkunde aus dem Jahr 1239 bezieht sich vielleicht schon auf das Haus Fuhr. Sie nennt den Sitz eines (Unter-) Vogts in Werden. Aus heutiger Sicht erscheint es jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass diese Burg bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts bestand. In jüngeren Quellen wird das Haus Voir, Vore oder Voer als ein ehemaliges abteiliches Vogtlehen erwähnt. Ein solches blieb es auch bis 1666. Haus Fuhr ist damit älter als das an der Ruhr gelegene Kastell neben dem Brücktor, welches erst seit dem 15. Jahrhundert existierte: Für das Jahr 1372 ist als einzige Befestigung in Werden das Haus Fuhr als Sitz des Vogtes genannt. Lage und Aussehen von Haus Fuhr Die burgähnliche Anlage lag südöstlich des alten Hecktores, das bereits im Jahr 1317 in einer Urkunde erwähnt wird. In diesem Vertrag zwischen dem Abt und dem Vogt sehen viele gleichzeitig die Anfänge der Stadtummauerung in Werden, doch bestanden zu dieser Zeit bereits Tore und das Haus Fuhr. Vermutlich wurde mit dem Bau einer ersten Stadtbefestigung schon früher, möglicherweise Ende des 13. Jahrhunderts begonnen.

Darstellung von Haus Fuhr bei Braun und Hogenberg 1581 (n. Das alte Essen 1975)

Haupthaus und ein Rundturm

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Die Lage von Haus Fuhr, unmittelbar am Hecktor, ist durch die verschiedenen Pläne aus dem 18. und 19. Jahrhundert bekannt. In diesen Darstellungen ist das Haus in den mittelalterlichen Befestigungsring vollständig integriert. Die rechteckige, ummauerte Anlage besaß einen großen Wohnturm, dessen Grundmaße mit etwa 9 x 11 m vermutet werden, davor befand sich ein eher zierlich wirkender Rundturm.

Berichte aus der Essener Denkmalpflege Auf der bekannten Ansicht von Braun und Hogenberg, einem 1581 erschienenen Stich, sind beispielsweise in dem Abschnitt, in dem Haus Fuhr erwartet werden kann, deutlich ein hoher, rechteckiger Turm und daneben ein Rundturm zu erkennen, davor ist wahrscheinlich das Hecktor gezeigt. Auch in der Darstellung bei Merian (1645) sind das Haupthaus und ein Rundturm verzeichnet. Unklarer ist der Plan von Feska (1767): Haus Voir ist hier vollständig ummauert, seine Zugänge liegen zur heutigen Heckstraße und nach Osten. Dafür ist auf einem Plan von 1804 (s.u.) das Areal von Haus Vuhr mit Wohnhaus, einer Turmruine, einem Stall und einem Nebengebäude, sowie im Osten liegendem Graben (!), einer Schmiede und Gärten eingetragen. Diese sind im Westen und Süden ebenfalls durch den Graben begrenzt. Im oben genannten Plan von Feska ist auch nördlich von Haus Fuhr ein Graben zu vermuten. Obwohl das Alter dieser Gräben unbekannt ist, scheint es naheliegend, dass Haus Fuhr ursprünglich vollständig von einer Grabenanlage umgeben gewesen ist. Somit ist anzunehmen, dass es sich bei Haus Fuhr ursprünglich um eine Turmhügelburg (Motte) handelt. Bisher wurden nur wenige archäologische Spuren gefunden, die auf das Haus Fuhr deuten: Ein Artikel in den Werdener Nachrichten aus dem Jahr 1959 berichtet, dass man in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts auf schwere Gewölbe stieß, die anscheinend noch intakt waren.

Plan von Haus Fuhr und der Umgebung um 1804 (Stadtarchiv Essen)

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III. Das Kastell von Elke Schneider

Kastell

Lage und Ursprung Im Südwesten von Werden lag an der Ruhrbrücke das so genannte Kastell. Größer dimensioniert und massiver gebaut als Haus Fuhr schützte es dort den wichtigen Ruhrübergang. Mit Kastell bezeichnete man ursprünglich befestigte römische Heerlager, im Mittelalter dann auch kleinere, meist rechteckige Burganlagen. Wann genau das Werdener Kastell errichtet wurde ist unklar. Schriftquellen, die sich auf diese Befestigung beziehen könnten, finden sich frühestens in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Auch die genaue Größe der Anlage ist weder durch Pläne noch Beschreibungen überliefert. Die Maßangaben reichen hier von 31 bis 40 m für die Gesamtbreite und 45 bis 49 m für die Gesamtlänge. Damit liegen sie im Bereich vergleichbarer, etwa zeitgleicher Kastellanlagen.

Kastell auf dem Plan von Braun & Hogenberg von 1581 (n. Das alte Essen 1975)

Neuen Burg

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Schriftquellen Noch im Jahre 1372 benennen Urkunden nur das Haus Fuhr als Befestigung im Besitz des Herzogs von Kleve als Vogt, der sich verpflichtete, ohne die Zustimmung des Abtes innerhalb der Stadt keine weitere Burganlage zu errichten. Die nächste Schriftquelle, eine Rechnung aus dem Jahre 1419, berichtet zwar über Bauarbeiten, die an einer Befestigung durchgeführt wurden, jedoch bleibt unklar, auf welche Anlage genau sich diese Angaben beziehen. Erst eine Urkunde von 1434/35 lässt sich relativ sicher mit dem Kastell in Verbindung bringen. Sie berichtet wiederum über Bauarbeiten, diesmal ausdrücklich an der Nyenborch, also einer Neuen Burg.

Berichte aus der Essener Denkmalpflege Somit ist auszuschließen, das hier das bereits länger bestehende Haus Fuhr gemeint sein könnte. Aus der folgenden Zeit sind dann mehrere, sicher das Kastell betreffende schriftliche Quellen erhalten. Nicht überliefert ist, ob tatsächlich gemäß der Vereinbarung aus dem Jahre 1372 vor der Errichtung dieser neuen Befestigungsanlage die Zustimmung des Abtes eingeholt worden ist.

Aktuelles Luftbild von Essen-Werden mit Hinweis zum Standort des Kastells

Zum ehemaligen Aussehen der Befestigungsanlage Sowohl Beschreibungen als auch Abbildungen unterschiedlicher Art geben Auskunft über das ehemalige Aussehen der Befestigungsanlage, die in die Stadtmauer des 15. Jahrhunderts integriert war: Wehrmauer, Ecktürme, Gräben und Zugänge Eine starke, umlaufende Mauer aus Sandstein, ausgestattet mit Zinnen, einem Wehrgang sowie Schießscharten sicherte die rechteckige Anlage. Ursprünglich waren wohl alle vier Ecken durch Türme gesichert, die ganz unterschiedliche Bauweisen zeigten. Die Nordostecke bildete ein Rundturm, im Nordwesten war ein Turm auf die dortige Mauerecke aufgesetzt und an den beiden übrigen Ecken gab es wohl nur vorkragende Holzaufbauten.

rechteckige Anlage

Im Norden, Osten und Süden war die Anlage von einem breiten Graben umgeben. Im Westen, zur Ruhr hin, soll es einen Entwässerungskanal gegeben haben. Nach Aussage der Schriftquellen hat der Graben wohl kein Wasser geführt, allerdings könnte der Bornbach mittels Stadt- und Burggraben in die Ruhr entwässert haben.

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Zugbrücke

Man betrat die Burg über eine Zugbrücke, die den Hauptzugang, etwa mittig in der Nordmauer gelegen, schützte. Zusätzliche Sicherheit sollte ein Wachhäuschen auf der Mauer bieten. Ein weiterer Eingang befand sich zur Ruhr im Westen hin.

Die historische Zeichnung zeigt die Ruhr und das Kastell um 1800 (n. Das alte Essen 1975)

Visualisierung des Kastells und Montage ins Luftbild

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Innenbebauung und Bergfried Eine Quelle des 15. Jahrhunderts nennt mehrere Bauten innerhalb der Wehrmauer: Für das leibliche Wohl sorgten eine Küche, ein Backhaus und ein Brauhaus, außerdem gab es noch ein Badehaus und vor allem einen mächtigen Turm, den Bergfried. Drei Stockwerke hoch und mit quadratischem Grundriss lag er im Südosten der Anlage. Über seine Innenaufteilung und Nutzung unterrichtet uns eine Schriftquelle, wiederum aus dem 15. Jahrhundert: im Erdgeschoss befand sich das Gefängnis, im ersten und zweiten Stock repräsentative Räume, wohl mit schmalen Fensteröffungen an allen Seiten. Eine leicht vorkragende Wehrplattform und ein steiles Dach schlossen den Turm nach oben ab.

Innenaufteilung

Bildmontage mit Blick aus westlicher Richtung

Das Kastell in späterer Zeit Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als das Kastell in den Besitz der Stadt Werden überging, waren viele der Bauten bereits baufällig. In der Nordostecke befand sich ein größeres Gebäude, welches wohl noch als Gefängnis in Gebrauch war. Große Teile des Grabens, mit Ausnahme des nördlichen Abschnittes, hatte man inzwischen verfüllt. Zunächst vermietete die Stadt Werden Flächen und Gebäude der inzwischen militärisch überflüssigen Anlage, später erfolgte eine Aufteilung in Parzellen.

19. Jahrhundert

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Das baufällige Kastell 1847 (n. angemerkt 5)

1832/33 erwarb der Unternehmer Wiese den gesamten nördlichen Bereich und ließ dort alle Bauten abreißen, um Platz für seine neue Tuchfabrik zu schaffen. Der Bergfried blieb noch bis 1847 stehen, musste dann aber einer Erweiterung der Fabrik weichen. Nach Abriss der Wiesen´schen Tuchfabrik im letzten Jahrhundert befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Kastells heute eine Park- bzw. Verkehrsfläche. Oberirdische Reste der einst mächtigen Befestigung haben sich zwar nicht erhalten, aber der Name Kastellplatz erinnert noch ebenso an die Burg, wie auch eine dort installierte Tafel des archäologischen Pfades.

Grundriss des Kastells, Flügge 1886

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Das Kastell bei Feska (1767, n. angemerkt 5)

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IV. Angegraben: Die Stadtbefestigung und das Werdener Kastell - Die archäologischen Untersuchungen am Kastell 2008 von Cordula Brand und Detlef Hopp Die Baumaßnahme am Kastellplatz Nach dem Werdener Kastell, das bis 1847 südwestlich des historischen Ortskernes der ehemals selbständigen Stadt Werden an der Werdener Ruhrbrücke lag, erhielt der Kastellplatz seinen Namen.

Kastellplatz

Luftbild von Essen-Werden mit Rekonstruktion des Kastells aus westlicher Richtung

Bei der Betreuung einer großen Kanalbaumaßnahme der Essener Stadtwerke im Bereich des Kastellplatzes wurden 2008 Leitungsgräben von circa 4 m Breite und 7 m Tiefe ausgehoben. Diese Baumaßnahme berührte auch das Kastell. Heutzutage besteht das Gelände aus einem Parkplatz umgeben von Straßenzügen, von der Burg sind an der Oberfläche keine Spuren mehr erhalten. 1999 wurden bei einer Baumaßnahme erstmals Bruchsteine gefunden, die auf das Kastell deuteten. Bei den umfangreichen Aushubarbeiten für die neue Kanalisation wurden 2008 immer wieder Teile der verschiedenen Befestigungskörper, das heißt Grabensedimente, Stadtmauer und Kastellmauern, freigelegt.

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Diese galt es in kürzester Zeit zu dokumentieren, nicht nur, um den Baubetrieb möglichst wenig zu verzögern, sondern auch, um den Straßenverkehr an diesem sensiblen Knotenpunkt nicht noch zusätzlich zu behindern.

Stadtmauer

Überreste der Stadtmauer Von besonderem Interesse war der Bereich auf Höhe der Ruhrbrücke. Hier wurde die Nahtstelle freigelegt, an der die Stadtmauer an das Kastell anschloss. Dessen Grundmauern waren im 19. Jahrhundert mit der Wiesen'schen Tuchfabrik überbaut worden. Überraschend waren die Überreste der Stadtmauer selbst: Die aus großen Ruhrsandsteinen gebaute Befestigung besaß im Aufgehenden eine Breite von 3,40 m und verbreiterte sich treppenartig zum Sockel auf über 4,50 m, bei einer erhaltenen Gesamthöhe von über 4 m. Zusätzlich wurden ruhrseitig Teile des Grabens, der einst das Kastell umgab, aufgedeckt.

Die bei den Baggerarbeiten durchschnittene Stadtmauer vor den im 19. Jahrhundert überbauten Kastellmauern

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Die Stadtmauer war am Kastell sehr viel breiter ausgeführt, als beispielsweise in der Körholzstraße, wo sie 1997 und 1998 beobachtet werden konnte: Hier war sie nur etwa 0,75 bis 0,80 m breit. Auch an der Brückstraße konnte ihre Breite bei den Ausgrabungen 1998/99 nur mit 0,80 bis 0,90 m gemessen werden. Die Stadtmauer musste zwischen Kastell und Ruhrbrücke besonders stark angelegt werden, weil dieser neuralgische Punkt in Zeiten militärischer Auseinandersetzungen eines besonderen Schutzes bedurfte. Ein auffälliger Fund In diesem Zusammenhang verdient ein besonderer Fund Erwähnung: Bei Baggerarbeiten am Ruhrufer wurden nicht nur zahlreiche Bruchsteine, die auch vom abgerissenen Kastell und der Stadtmauer stammen können, sondern auch eine Steinkugel mit einem Durchmesser von 31 cm gefunden. Der Fund einer solchen Kugel unweit des Kastells legt nahe, dass sie ursprünglich als Munition von Kanonen oder auch von den noch älteren Schleudergeräten, den so genannten Bliden, gedient haben kann. Verwendet wurden diese steinernen Geschützkugeln etwa bis in das 16. Jahrhundert. Erst sehr viel später diente die Steinkugel zusammen mit den gefundenen Bruchsteinen der Burg zur Befestigung des Ruhrufers.

Steinkugel

Der ehrenamtliche Mitarbeiter Andreas Göbel und die entdeckte Steinkugel

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Von den Überresten, die während der Ausgrabungen des Jahres 2008 vom Kastell und der Stadtmauer an der Ruhrbrücke gefunden wurden, ist heute nichts mehr zu sehen.

V. Die Visualisierung des Kastells von Ralf Roderig Rekonstruktionsvorschlag für das Kastell

Der Werbering Werden und die Stadtarchäologie Essen entwickelten die Idee, einen Rekonstruktionsvorschlag für das Kastell auf Grundlage der historischen Darstellungen und der Ausgrabungsergebnisse zu versuchen. Die Basis für einen Rekonstruktionsversuch bildete die Grundrisszeichnung von Flügge aus dem Jahre 1886 (s. Seite 9). Diese zeigt, außer einer mächtigen Umfassungsmauer, in der SO-Ecke den Grundriss eines Turmes mit einem vorgelagerten Bereich, der von Flügge als Treppe bezeichnet wird. Weiterhin ist im Innenbereich an der östlichen Mauer der Grundriss eines Wohnareals und direkt gegenüberliegend im westlichen Bereich ein kleineres Gebäude eingetragen. Sowohl auf der Nordostecke, als auch auf der Nordwestecke sind zwei kleine Ecktürmchen eingezeichnet. Da eine Größe des Kastells von circa 50 x 40 m mit einer Mauerstärke von 4 m angenommen werden kann, lassen sich die anderen Maße in etwa rekonstruieren. Umgeben wird die gesamte Anlage von einem Graben.

Rekonstruktionsvorschlag des Kastells, einpasst in die Karte von Honigmann (1803/06)

Eine weitere Grundlage stellt die Karte von Honigmann dar. Die Katasterpläne von 1848 und 1867 zeigen die gleiche Situation wie bei Flügge, nur dass das Mauerwerk weniger stark, und der „große Turm“, wesentlich kleiner ist. Zudem existieren die bei Flügge als „Ecktürmchen“ bezeichneten Bereiche in den beiden anderen Zeichnungen nicht.

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Auf den Kastellgraben wird in dieser Bearbeitung nicht eingegangen, da es sich um einen Rekonstruktionsversuch des ehemals vorhandenen Kastells handelt, wie es sich wahrscheinlich im 17. Jahrhundert darstellte.

Kastellgraben

Bei den so genannten Ecktürmchen kann man folgendes erschließen: Da in der Mitte des Rechtecks bei Flügge ein Kreis eingezeichnet ist und die Seiten zum Innenhof abgeschrägt sind (dort setzten dann die Mauern an - bedingt durch diese Schrägen erreichte die Mauerstärke keine 4 m, sondern lag zwischen 2,80 und 3,50 m) handelt es sich um ehemalige Treppentürmchen, die von der Hofseite in den Ecken ihren Zugang besaßen. Über diesen war dann der Wehrgang erreichbar.

Ecktürme

Aus verschiedenen Jahrhunderten erhalten sind verschiedene Abbildungen des Werdener Kastells. Die beiden ältesten sind die von Braun/Hogenberg 1581 und Merian 1645 (s. S. 1). Beide zeigen das Kastell aus Ruhrrichtung. Die Zugangsseite zur Stadt hin besitzt eine Torwarte (Wehrerker), im nordöstlichen Bereich einen stabilen herausragenden, runden Eckturm. Dieser ist allerdings weder in den Katasterplänen noch in Flügges Grundrisszeichnung nachweisbar. Auf der nordwestlichen Ecke sitzt eine rechteckige Eckwarte, in der südwestlichen Ecke eine zweite. Auf dem Mauerwerk läuft ein überdachter Wehrgang um (S. u. a. S. 5). Alles wird überragt von einem mächtigen Bergfried auf der südöstlichen Innenseite.

Braun/Hogenberg 1581

Rekonstruktionsvorschlag: das Kastell von innen mit Wehrgängen und Eckturm. Im Hintergrund die Basilika

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Darstellungen von Kesten (1828)

Bergfriede

Darstellungen von Reutter (1800) und Kesten (1828) s.o. zeigen das Kastell aus südlicher Richtung. Bei ihnen sind keine Wehrgangüberdachung und auch die südwestliche Eckwarte nicht mehr vorhanden. Möglicherweise bilden beide schon ein zerfallenes Gebäude ab. Auf der Abbildung von Oppermann 1847 (s. Seite 9, oben) steht nur noch eine Ruine, der Turm ist zwar noch vorhanden, aber ohne Dach, das Mauerwerk ist zerfallen und schon teils abgetragen. Nördlich davon sind Gebäude der Tuchfabrik wieder gegeben. Die hier dargestellte Turmhöhe könnte zwischen von 20 bis 22 m gelegen haben. Bergfriede sind 12 bis 40 m hoch, im Durchschnitt circa 22 m. „In der Regel besitzt er die doppelte Höhe der Ringmauer und hat einen 'Hocheingang', das heißt der Zugang ist nur im ersten Stockwerk (5 bis 10 m über Erdniveau) mittels einer angelegten Leiter möglich.“ [J. Zeune, Burgen - Symbole der Macht (Regensburg 1996). Es gibt Anhaltspunkte dafür, „... dass im Mittelalter als Richtlinie für die Höhe eines Bergfrieds 'doppelter Durchmesser = Höhe' galt.“ [K.Helfert, Rund um den Bergfried der Burg Tannenberg, Aufgestellt im August 2004 überarbeitet im April 2006 von K. Helfert, J. Winkler].

Rekonstruktionsvorschlag zum Bergfried. Blick von innen

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Dies bedeutet für das Kastell in Werden, dass bei einer Turmhöhe von vermuteten 22 m und einem Durchmesser von rund 11 m die Höhe der Ringmauer bei etwa 12 m lag. Eckwarten Höhen und Durchmesser der Eckwarten und der Torwarte sind nicht mehr eindeutig rekonstruierbar. Diese Maße können nur in etwa anhand der Abbildungen und deren Proportionen erschlossen werden. Auch das verbaute Material ist bei den Warten nicht eindeutig zu erschließen. Auf den Abbildungen erscheint es, als wäre die südwestliche Eckwarte als Fachwerkbau ausgeführt. Türme und Wehrerker über dem Haupteingang bestanden sicherlich aus Stein.

Eckwarten

Rekonstruktion des Kastells mit Blick aus der S-Bahn

Bergfried Der auf der Abbildung von Oppermann 1847 wahrscheinlich dargestellte Eingang zum Turm in dessen Westseite ist vermutlich nicht ursprünglich, da bei Bergfrieden der Eingang in der Regel in der ersten Etage lag. Zu vermuten ist, dass er ursprünglich auf der Nordseite lag, oberhalb des Bereiches, der von Flügge als Treppe bezeichnet wurde. Umfassungsmauer Bedingt durch die unterschiedliche Länge der Eckschrägen im Zugangsbereich der Ecktürmchen, an den Ecken setzte das Mauerwerk der Umfassungsmauer an, ergeben sich unterschiedliche Mauerstärken. Nord- und Ostmauern sind schwächer ausgeführt als die Süd- und Westmauern.

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Das ist logisch, da die Süd- und Westmauern der Feindseite zugekehrt sind und auch außerhalb der Stadtmauer liegen. Alle auf der Mauer aufsitzenden Warten kragen nach außen hin über, vermutlich dann auch nach innen. Die Außenüberkragung diente vermutlich der Flankierung der Seiten. Gestützt wurden die Warten sowohl nach außen als auch nach innen durch so genannte Kragsteine, die die sonst frei hängenden Gebäudeteile sicherten. Wie solche Kragsteine aussahen, zeigen zahlreiche Burgen. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen diese zusätzlichen Tragelemente aus Holz bestehen. Das ist meist dann der Fall, wenn Gebäudeteile ziemlich weit herausragen. Der Unterbau wird durch schräg nach unten zur Wand hin verlaufenden Balken, die dann von Kragsteinen gestützt werden, abgefangen (so bei der Wartburg, s. unten). Alle diese Elemente sind in den Rekonstruktionsvorschlag eingeflossen.

Burg Wartburg: Stützbalken unterhalb der Erker

Rekonstruktion des Kastells und der Basilika auf Basis der DGK5

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Literaturauswahl Allgemeine Literatur zu Werden: Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden (1891-1929); J. Bart, Aus reichsabteilichen Akten. Werden und Kettwig in Bildern und Dokumenten (Kettwig 1966); J. Bart, Die Alte Reichsabtei. Bilder aus Werdens Geschichte (Essen 1963); F. J. Bendel, Die älteren Urkunden der deutschen Herrscher für die ehemalige Benediktinerabtei Werden a.d. Ruhr (Bonn 1908); M. Bötefür/ G. Buchholz/ M. Buhlmann, Bildchronik Werden: 1200 Jahre (Essen 1999); P. Clemen, Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Essen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 2,3 (Düsseldorf 1893); H. Burghard, Rheinischer Städteatlas, Lieferung XIV Nr. 78 (Köln 2001); G. Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen I: Rheinland (Nachdruck Berlin 2005); E. Dickhoff, Essener Straßen. Stadtgeschichte im Spiegel der Straßennamen (1979); W. Effmann, Die karolingisch-ottonischen Bauten zu Werden 1-2 (Straßburg 18991922); V. H. Elbern, St. Liudger und die Abtei Werden (Essen 1962); V. H. Elbern, Die Schatzkammer der Propsteikirche St. Ludgerus in Werden (Essen-Werden 1984); H. Finger, Die Isenberger Fehde und das politische Zusammenwirken des nördlichen Rheinlandes mit Westfalen in der Stauferzeit. Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 197, 1994, 27 ff.; W. Fleischer, Werden - Gebiete erzählen 2 (Essen 2004); W. Flügge, Chronik der Stadt Werden Bd. 1+2 (Düsseldorf 1886+1891/93); J. Gerchow (Hrsg.), KlosterWelt Werden 799 - 1803. Das Jahrtausend der Mönche (Köln 1999); R. Kötzschke, Die älteste Landkarte des Stifts Werden aus Abt Heinrich Dudens Zeit. Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden, 1904, 127 ff.; R. Kötzschke; Die Anfänge der Stadt Werden. Beiträge zur Geschichte des Stiftes Werden, 1904, 3 ff.; F. Laubenthal/ W. Schulze, Denkmal Essen. Führer zu den historischen Sehenswürdigkeiten (Essen 1993); H. Nottarp, Das Ludgerische Eigenkloster Werden im 9. Jahrhundert. Historisches Jahrbuch 37, 1916, 80 ff.; A. Schuncken, Geschichte der Reichsabtei Werden a. d. Ruhr (Köln u.a. 1865); W. Sölter, Die ehemalige Abteikirche Essen-Werden (Neuss 1981); W. Stüwer, Die Reichsabtei Werden an der Ruhr (Germania sacra NF 12) (Berlin 1980); A. Verbeek, Die ottonische Bautengruppe um Essen und Werden: Karolingische und ottonische Kunst (Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie 3) (Wiesbaden 1957); 1200 Jahre Werden 799 - 1999 (Essen 1999).

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege Burgen und das Kastell Alteburg: C. Brand/ D. Hopp, Neue "Ausgrabungen" im Depot - Die Altenburg in Essen -Heidhausen, Archäologie im Rheinland 98 (1999) 96 ff.; D. Hopp, Ausgrabungen auf der Alteburg in Essen-Werden im Frühjahr 1992, in: Essen gräbt. Archäologie 1992 (Essen 1992) 74 ff.; C. Brand/ D. Hopp, Die große Unbekannte auf dem Pastoratsberg: Die Alteburg, in: D. Hopp (Hg.), Unter unseren Füßen (Essen 2005) 26 ff.; D. Hopp, Neue Ausgrabungen auf der Alteburg in Essen-Werden, in: Urgeschichte im Ruhrgebiet. Festschrift Arno Heinrich (Gelsenkirchen 1992) 125 ff.; E. Chr. J. Kahrs, Aus Essens Vor- und Frühgeschichte (Essen 1949) 37 ff.; F. Tischler, Frühmittelalterliche Keramik aus Duisburg. Germania 28, 1944-50, 75 ff. Herrenburg: C. Brand/ D. Hopp, Neue Einblicke in die frühmittelalterliche Herrenburg in Heidhausen. Archäologie im Rheinland 1996 (1997) 98 ff.; D. Hopp, Ein mächtiger Schutz in unruhigen Zeiten: Die Herrenburg, in: D. Hopp (Hg.), Unter unseren Füßen (Essen 2005) 29 ff.; W. Janssen, Die Wikinger im Rheinland, in: Duisburg und die Wikinger (Duisburg 1983) 8 ff.; E. Chr. J. Kahrs, Aus Essens Vor- und Frühgeschichte (Essen 1949) 48 ff.; H. E. Kubach/ A. Verbeek, Romanische Baukunst an Rhein und Maas. Katalog der vorromanischen und romanischen Denkmäler Bd. 1-3 (Berlin 1976). Haus Fuhr: M. Bötefür/ G. Buchholz/ M. Buhlmann, Bildchronik Werden (Essen 1999); H. Burghard, „Zu Werden befindet sich ein altes merkwürdiges Kastell“ (unveröffentlichtes Manuskript); D. Hopp, Nichts Genaues weiß man: Haus Fuhr, in: D. Hopp (Hg.), Unter unseren Füßen (Essen 2005) 32 ff.; K. Lynch, Stadtarchäologie in Essen-Werden, Angemerkt 5, Beiträge zur Geschichte und Denkmalpflege aus dem Lehr- und Forschungsbereich "Denkmalpflege" am Fachbereich Architektur der FH Köln (2001); H. Burghard, Werden, Rheinischer Städteatlas, Lieferung XIV Nr. 78 (Köln 2001) bes. 4. Kastell: H. Burghard, „Zu Werden befindet sich ein altes merkwürdiges Kastell“ (unveröffentlichtes Manuskript); R. Friedrich, Kastellartige Backsteinburgen des 13. und 14. Jahrhunderts im Erzbistum Köln – ein Überblick, in: Burgen kirchlicher Bauherren (Forschungen zu Burgen und Schlössern 6) (München/Berlin 2001) 245 ff.; H. Herzog, Viereckburgen im Rheinland, in: Burgen und Schlösser in den Niederlanden und in Nordwestdeutschland (Forschungen zu Burgen und Schlössern 8) (München/Berlin 2004) 163 ff.; S. Leenen, Das Kastell oder die „Neue Burg“ des Vogts, in: D. Hopp (Hg.), Unter unseren Füßen (Essen 2005) 35 ff.

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