Denkmalpflege der Stadt Bern,

BAUINVENTAR ALTENBERG-RABBENTAL 1992/96 © 2010 Denkmalpflege der Stadt Bern, www.bern.ch BAUINVENTAR ALTENBERG-RABBENTAL 1994 AUFTRAG DENKMALPFLE...
Author: Hartmut Heintze
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BAUINVENTAR ALTENBERG-RABBENTAL

1992/96

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BAUINVENTAR ALTENBERG-RABBENTAL 1994 AUFTRAG

DENKMALPFLEGE DER STADT BERN

ERSTBEARBEITUNG

GOTIFRIED DEREN DINGER DIPL. ARCHITEKT ETH/SIA UND RAUMPLANER BSP BERN MITARBEIT: NICOLA PIAZZOLl, ARCHITEKTURSTUDENT RETO BRÜNISHOLZ, HOCHBAUZEICHNER SEKRETARIAT: KATHRIN WIDMER, STUD. PHIL. I, BERN HANS-PETER RYSER ARCHITEKTURHISTORIKER ROHRMOOS MITARBEIT: PETER BANNWART, GEOGRAPH, BERN

BEGLEITUNG

BERNHARD FURRER DIPL. ARCHITEKT ETH/SIA/SWB DENKMALPFLEGER DER STADT BERN

DATUM

DEZEMBER 1992

GENEHMIGUNG

KOMMUNALES INVENTAR GEMÄSS ART. 75 DER' BAUORDNUNG DER STADT BERN VON 1981 GENEHMIGT VOM GEMEINDERAT DER STADT BERN AM: 2. JUNI 1993

ÜBERARBEITUNG

1995/96 SIEGFRIED MOERI ARCHITEKTURHISTORIKER BURGDORF MITARBEIT: NADIA RASPE, HOCHBAUZEICHNERIN GARTENDENKMALPFLEGERISCHER HINWEIS: STADTGÄRTNEREI BERN (PASCAL WEBER, ALOIS ZUBER) BEGLEITUNG:

BERNHARD FURRER ANNEMARIE BILAND

JUNI 1996

Legende Titelbild:

Schänzlihalde 7, Lindt & Hofmann, 1910

GENEHMIGUNG ÜBERARBEITETES INVENTAR

GENEHMIGT VOM GEMEINDERAT DER STADT BERN AM: 2. JULI 1997/7. JANUAR 1998

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2 Genehmigungsbeschluss des Kantonalen Amtes für Kultur (nach Art. 13a Abs. 3 und 4 BauV)

Bauinventar Altenberg-Rabbental, Gemeinde Bem

"Objekte des kantonalen Inventars"

®

Die Bauten, die gemäss Art. 13a Abs. 3 Bauverordnung als Objekte des "kantonalen Inventars" gelten, sind im Bauinventar neben der Bewertung mit einem

Veröffentlichung des Entwurfs, Möglichkeit zur Einsichtnahme und zu schriftlichen Äusserungen und Anträgen gemäss Art. 13a Abs. 2 BauV vom 9. Juli 1996 bis 17. August 1996 und vom 3. November 1996 bis zum 3. Dezember 1996 (Änderungen). Anhörung der interessierten Ämter gemäss Art. 13a Abs. 3 BauV (Amt für Gemeinden und Raumordnung, Kant. Hochbauamt und Kant. Tiefbauamt) vom 2. Juli 1996 bis zum 17. August 1996 und vom 3. November 1996 bis zum 3. Dezember 1996 (Änderungen).

®

(für kant. Inventar) gekennzeichnet.

Bei diesen Objekten muss bei einem Bauvorhaben die Baubewilligungsbehörde die kantonalen Fachstellen in jedem Fall anhören (Art. 22 Abs. 3 Bewilligungsdekret). Auf dem Gebiet der Einwohnergemeinde Bem werden die kantonalen Fachstellen durch

Alle mit "schützenswert" und diejenigen mit "erhaltenswert" eingestuften Objekte, welche einer Baugruppe angehören, sowie diejenigen, die formell unter kommunalem, kantonalem oder eidgenössischem Schutz stehen, gelten als Gegenstände des Kantonalen Inventars im Sinne von Art. 13a Abs. 3 BauV und Art. 22 ,il.bs. 3 BewD.

Bem, den 14. Dezember 1997

Kant. Amt für Kultur der Vorsteher

Anton Ryf

die Denkmalpflege der Stadt Bem vertreten.

Objekte des kantonalen Inventars sind:

1.

alle "schützenswert" eingestuften Objekte.

2.

alle "erhaltenswert" eingestuften Objekte, die zu einer Baugruppe, also zu einer Gebäudegruppe oder zu einem Ensemble des BauinvE3ntars gehören.

Mit der Veröffentlichung dieses Beschlusses und dem ungenutzten Ablauf der Beschwerdefrist wird das Bauinventar Altenberg-Rabbental, Gemeinde Bem in Kraft treten.

3.

alle "erhaltenswert" eingestuften Objekte, die sich in einem Schutzperimeter befinden.

Rechtsmittelbelehrung (Art. 13a Abs. 5 BauV): Gemeinden und Personen, die eine Ergänzung des Inventars verlangt haben, können bei der Fachdirektion innert 30 Tagen seit der Veröffentlichung des Genehmigungsbeschlusses schriftlich und begründet Beschwerde führen. Mit der Beschwerde kann nur gerügt werden, das Inventar sei unvollständig. Die Fachdirektion entscheidet endgültig.

4.

alle unter kommunalen, kantonalen (durch Regierungsratsbeschluss) oder eidgenössischen Schutz gestellten Objekte.

Hinweis: Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihr Objekt aus dem Bauinventar streichen lassen wollen, müssen dies im Nutzungsplan- oder im Baubewilligungsverfahren beantragen.

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INHALTSVERZEICHNIS

Seite VORWORT

5 6

Text Perimeter

7

QUARTIERGSCHICHTE EINZELOBJEKTE

Wertungskriterien I Wertungskategorien Erläuterung zum Objektblatt

25 27

Objekte, alphabetisch geordnet nach Strassennamen, zuerst ungerade, dann gerade Nummern

29

WERTUNGSPLÄNE

Legende Wertungspläne Übersicht Wertungspläne Wertungspläne Einzelobjekte

179 180 181

BAUGRUPPEN

Erläuterungen Baugruppen Ensembles Übersichtsplan Ensembles

185 187 189

1 2 3 4 5

Aargauerstalden Golatentreppe Stürlerspital Kornhaustreppe Brückenkopf Lorraine

190 191 192 193 194

Gebäudegruppen Übersichtsplan Gebäudegruppen

195 197

A B C

198 199 200 201 202 203 204 205 206

D E F G H I REGISTER

Golaten Lerberstrasse Oranienburgstrasse Sonnenberg Altenberbad Schänzlihalde Brauerei Gassner Unteres Rabbentalgut Jurastrasse

Architektinnenregister Gebäuderegister

209 213

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5

VORWORT

Mit Beschluss Nr. 2715 vom 19. Oktober 1991 beauftragte der Gemeinderat der Stadt Bem die Städtische Denkmalpflege, das Quartierinventar Altenberg-Rabbental auszuarbeiten. In der Folge wurde das vorliegende Inventar durch eine private Planungsgruppe in enger Zusammenarbeit mit dem Denkmalpfleger erarbeitet. Das 1980 anlässlich des Quartierinventars Lorraine entwickelte neue Aufnahmeverfahren und Bewertungssystem wurde im wesentlichen für alle weiteren, so auch für das vorliegende Inventar AltenbergRabbental beibehalten und nur in bezug auf die Darstellung leicht modifiziert. Die Arbeiten wurden im November 1991 aufgenommen und im Dezember 1992 zur verwaltungsintemen Vernehmlassung fertiggestellt. Das Inventar wurde vom Gemeinderat der Stadt Bem am 2. Juni 1993 genehmigt. Mit dem auf den 1. Januar 1995 in Kraft getretenen Kantonalen Baugesetz und der Revision der Bauverordnung ist das Inventarisierungswesen neu geregelt worden. Die Entwürfe der Inventare müssen veröffentlicht werden. Die Inventare der Gemeinden bedürfen der Genehmigung durch das Kantonale Fachamt. Die Kantonale DenkfTlalpfiege arbeitet seit einigen Jahren mit einem eigenen Inventarisierungssystem, das sich von den differenziert bewertenden Quartierinventaren der Stadt unterscheidet und sich im Interesse einer klareren Aussage auf die Bewertungen "schützenswert" und "erhaltenswert" beschränkt. Gestützt auf die neuen gesetzlichen Vorschriften des Kantons wurden die Quartierinventare der Stadt Bem in den Jahren 1995/1996 überarbeitet und adaptiert.

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6

PERIMETER

1f'

o~OMU

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7

QUARTIERGESCHICHTE

DER PERIMETER Das Inventar Altenberg-Rabbental umfasst den statistischen Bezirk 24 und einen Teil des Bezirks 28. Der Perimeter schliesst den nördlichen Aarehang zwischen Aargauerstalden und Lorräinebrücke ein. Berücksichtigt wird ferner der westlich der Bahnlinie gelegene Teil des Lorrainequartiers.

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9 PERIMETER

ZUR QUARTIERGESCHICHTE Topografie

Der statistische Bezirk 24, Altenberg-Rabbental, ist durch seine kennzeichnende Topografie definiert. Die von den Gegebenheiten des Geländes abhängigen Hauptverkehrswege bi Iden heute zusammen mit der Aare die sichtbaren Perimeter-Grenzen: Im Osten ist dies der Aargauerstalden auf seiner ganzen Länge, inklusive dem untersten Teil, dem heutigen Klösterlistutz, der die Verbindung zur Untertorbrücke herstellt. Die an der Hangkante verlaufende Schänzlistrasse sowie die Schänzlihalde in ihrem untersten Teil stellen die Trennungslinie zu den Nordquartieren dar, während die Lorrainebrücke das Gebiet nach Nordwesten begrenzt. Unter Einschluss der Kornhausbrücke und des Altenbergstegs bildet die Aare eine natürliche Abgrenzung nach Süden. Zusätzlich zu diesem Gebiet umfasst die vorliegende Dokumentation auch einen Teil des statistischen Bezirks 28: Im Quartierinventar Lorraine ist der schmale Uferstreifen zwischen der Lorrainebrücke im Südosten und dem Lorrainebad im Norden sowie der nördliche Teil der Jurastrasse nicht berücksichtigt worden. Im Sinn der flächendeckenden Inventarisierung wird diese Lücke geschlossen. (Abb.1)

Abb.1: Stadtplan von R.J. Bollin, 1809, Ausschnitt

Der seit mitte des 14. Jahrhunderts bekannte Flurname Altenberg (" in antiqua monte" ) bezeichnet den rechtsufrigen, nach Süden geneigten Aarehang zwischen der Untertorbrücke und dem ehemaligen Rabbentalstutz, dem heutigen Altenbergrain. Einer anderen Deutung folgend würde das lateinische "altus mons" (= hoher Berg) für den Namen verantwortlich sein. Mit rund 60 Meter Differenz zwischen höchstem und tiefstem Punkt (Schänzli, bzw. Wasserspiegel der Aare) ist der "Berg" zwar nicht allzu hoch, doch trägt er seinen Namen als Verkehrshindernis, als Aussichtspunkt und als schwierig zu bewirtschaftendes Gelände zu recht. (Abb.2,3) Der nachmittelalterlichen Bezeichnung "Im Altenberg" , die in einigen Obersichtsplänen auch ein Teilgebiet unmittelbar nördlich des Altenbergstegs lokalisiert, folgte um 1840 der Terminus "Altenbergdrittel". Von diesem so bezeichneten Gebiet, das zusammen mit dem Schosshaldenund dem Brunnaderndrittel Teil des rechts der Aare gelegenen StadtAussenberzirks "Untenaus" war, wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts das Lorrainevierte1 abgetrennt. Seit ca. 1870 wird als "Altenberg" der nach Süden und Südwesten gerichtete Hang zwischen AargauerstaIden und Botanischem Garten bezeichnet. Schwieriger zu deuten und zu lokalisieren ist der bereits seit 1529 belegte Name Rabbental. Vielleicht erinnert er an den früher gepflegten Rebbau, (rnhd. rappe = Traubengrat) . Anderen Deutungen zufolge stammt der Name von den einst ansässigen Waldrappen (Geronticus eremita), bzw. von Raben (Krähen). Wahrscheinlicher erscheint die

Abb.2: Altenberg, östl. Teil. Planvedute von G. Sickinger, (um 1600; verschollen). Umzeichnung von Rodt (1914), Ausschnitt

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10 Annahme, dass "Rabbental" auf den althochdeutschen Personennamen Rappo (Ratbold) zurückgeht. Während beim Altenberg der "Berg" sichtbar ist, sucht man beim Rabbental vergeblich nach einem "Tal". Ursprünglich war es die Bezeichnung des ganzen Aarehangs vom Lorrainebad bis zum Botanischen Garten. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden zwei kleinere Gutsbetriebe als "RappenthaI " bezeichnet. Während das Obere Rabbental-Gut, das später auch Baurgut hiess, der Bebauung im Bereich der Brückenköpfe und des Botanischen Gartens weichen musste, blieb das Untere Rabbental-Gut erhalten (Uferweg 54-58). Heute heisst die Hangterrasse auf halber Höhe zwischen Aare und Schänzli Rabbental, aber wohl nur weil dort die gleichnamige Strasse liegt. Das Gebiet weist einige topografische Eigenheiten auf, die sowohl für die Bewirtschaftung als auch für die Bebauung zu allen Zeiten ausschlaggebend waren. Die günstigen klimatischen Verhältnisse (Südhang mit vorgelagertem Gewässer) eigneten sich für den Rebbau. Bereits 1293 ist der Hang als Rebbesitzung Berns urkundlich erwähnt, und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurden nachweislich Reben kultiviert. Von einer intensiven Bewirtschaftung blieben die Steilhänge im östlichen Bereich, der sogenannten Sandfluh ausgenommen. Dieses Gebiet hat sich im Lauf der Jahrhunderte stark verändert. Erosion und Steinbrüche schufen einen kleinen Schuttkegel auf dem schon früh ein Siedlungskern entstand. Durch den Bau des Aargauerstaldens in der Mitte des 18. Jahrhunderts erhielt dieser östlichste Hang des Altenbergs sein heutiges Aussehen: Abgrabungen und Aufschüttungen liessen die offen liegende Molasse unter einer gleichmässig geneigten Böschung mit Grasnarbe verschwinden. (Abb.10) , Ein weiteres topografisches Merkmal des Altenbergs bildet der unterschiedlich breite, flache Landstreifen am Hangfuss. Nur wenig über dem

Abb.3: Altenberg, westl. Teil. Planvedute von G. Sickinger, (um 1600; verschollen). Umzeichnung von Rodt (1914), Ausschnitt

Flussniveau liegend, wurde die an ihrer breitesten Stelle ca. 60 Meter messende Ebene früher bei Aarehochwasser regelmässig übe~schwemmt. Mit der Uferkorrektur von 1910 ist diesem Umstand Einhalt geboten worden. Im westlichen Teil des Altenbergs, im Bereich der heutigen Rabbentalstrasse bildet der sonst einheitlich geneigte Hang auf halber Höhe eine gegen Osten auslaufende Geländestufe aus. Auf diesem terrassenartigen Gebiet entstanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts erste Ansätze zur Hangüberbauung. Oberhalb dieser Hangschulter führt die steile sogenannte Gandegghalde zum höchsten Punkt des Altenbergs, dem Schänzli. Dieses hiess im 14. und 15. Jahrhundert Busenhard (= Wald des Buso), dann Thüringhölzli und später Gandegg. Die dort vorgesehene Gandeggschanze für die Aussenverteidigung der 5. Stadtbefestigung wurde nie vollendet. 1814 entstand das Schänzli als Feldschanze nördlich der Stadt. Heute befindet sich auf diesem markanten Geländepunkt der Kursaalkomplex. (Abb. 4) Zwischen Schänzli und Schönburg bildet eine recht ausgeprägte Hangkante die Grenze des Altenbergs nach Norden. Der Reihe nach treffen wir auf Orts- und Flurnamen, die heute mehrheitlich noch als Hausnamen erhalten sind. - Schanzenberg: Im 19.Jh. Areal des heutigen Viktoriaspitals - Sonnenberg:

Ehemalige Villa Schänzlistrasse 51; früher auch Goumoäns-Gut genannt

- Horn:

Hügelvorsprung auf dessen Höhe das Gut Lindeneck stand; bereits im 15.Jh. erwähnt

Abb.4: Kursaal Schänzli. Postkarte um 1914

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11 Lindeneck:

Ehern. Gutsbetrieb; heute Villa Schänzlistrasse 47

- Ulmenberg:

Villa Schänzlistrasse 45

- Blumenberg:

Ehern. Villa Schänzlistrasse 31

- Belvoir:

Ehern. Villa Schänzlistrasse 25, an der Stelle des früheren Oberen Spitalackerguts; heute Pflegeheim

- Schönburg:

Sog. Villa Stein, Schänzlistrasse 19; heute Altersheim Sarepta

- Oranienburg:

Ehern. Villa Schänzlistrasse 15; heute Altersheim

Die Fortsetzung der Altenbergstrasse, der in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegte Rabbentalstutz, der heutige, seit- 1882 offiziell so genannte Altenbergrain, war während langer Zeit der Erschliessungsweg für die Landgüter und Zelgen im westlichen Bereich des heutigen Nordquartiers (Rabbental-, Breit Rain-, Lorraine- und Wy1ergut). Damals führte der Altenbergrain geradlinig an die Breitenrainstrasse, den heutigen Nordring. 1883 erfolgte der Ausbau des Altenbergrains. In den Jahren 1969/70 wurde das oberste Stück des Altenbergrains im Zusammenhang mit dem Neubau der Kunstgewerbeschule (Schänzlihalde 31) neu angelegt. Das alte, direkt auf den Platz mündende Strassenstück wurde zum Fussweg.

Die Erschliessung des Altenbergs erfolgte von der Stadt aus. Die um die Mitte des 13. Jahrhunderts errichtete Untertorbrücke (Abb.5) dürfte den Ausschlag gegeben haben zum Bau des am Hangfuss entlang führenden Wegs, der heutigen Altenbergstrasse. Belegt ist diese allerdings erst seit dem frühen 17. Jahrhundert. Sie endete als Uferweg gegenüber dem Blutturm. 1876 entstand von der Untertorbrücke bis zum Altenbergsteg ein Trottoir. Das bei Hochwasser gelegentlich überschwemmte Stück der Altenbergstrasse vor den Häusern 46 bis 50 wurde 1910 auf einem Damm neu angelegt. (Abb.9)

Eine weitere für das Quartier bedeutende Strasse ist die Schänzlistrasse, eine vermutlich sehr alte Verbindung zwischen der jeweiligen östlichen Hauptausfallstrasse der Stadt (Haspelgasse, bzw. alter und neuer Aargauerstalden) und dem Schänzli. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts verlief die Schänzlistrasse von der Kreuzung der Papiermühle- mit der Laubeggstrasse im Bogen an die Kante des Al tenberghangs, der sie hinter den dortigen, seit dem 16. Jahrhundert belegten Landhäusern bis zum Schänzli folgte. Nach dem Bau der Eisenbahnbrücke, 1858, wurde die Schänzlistrasse hinter dem namens gebenden "Rabbenthalschänzli", dem heutigen Kursaal hindurch bis zum Altenbergrain und mit ihm zur Eisenbahnlinie geführt. Der Name Schänz1istrasse ist seit 1882 offiziell. Mit einer 1884 durchgeführten Korrektur verschwand der doppelte Knick in der Achse der Strasse beim Haus Nr.45. 1897 wurde die Schänzlistrasse auf einer Eisenbrücke über den Einschnitt der Kornhausstrasse geführt, und 1905 wurde das westlichste Stück Schänzlistrasse der Schänzlihalde (der damaligen Schanzenbergstrasse) zugewiesen.

Abb.5: Untertorbrücke von Norden. Kolorierte Umrissradierung um 1780

Abb.6: Altenberg-Rabbenta1 von Südosten, 1992

VERKEHRSWEGE

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12

Unmittelbar am Brückenkopf der in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts in Stein ersetzten Untertorbrücke nehmen die den Altenberg nach Osten abschliessenden Staldenstrassen mit dem heutigen Klösterlistutz ihren Ausgang. Die Strasse zwischen der Untertorbrücke und dem Anfang der Haspelgasse hiess schon 1401 nach dem dort seit 1339 sich befindenden Spital Spitalstalden. Nach der Aufhebung des Spitals, 1527, hiessen die Gebäude recht bald Klöster 1 i. Der breite Platz an ihrer Ostsei te diente zum Teil bis 1826 als Friedhof, später, von 1853 an als Viehmarkt. Damit dieser an Markttagen umgangen werden konnte, legte die Stadt oberhalb des Platzes einen Fussweg an, den der Staat in den Jahren 1886-88 zur Strasse ausbaute. Den alten Klösterlistutz trat der Staat damals an die Stadt ab. 1932 ging auch die Umfahrungsstrasse in Gemeindebesitz über. 1954 wurde der Viehmarktplatz zu einem Autoparkplatz umgestaltet. (Abb.13)

Der zwischen seiner Eröffnung bis 1783 als "Neuenweg" bezeichnete AargauerstaIden, der als Gegenpart des Nydeggstaldens auch Äusserer Stalden genannt wurde, ist für das Altenberg-Quartier nicht nur als indirekte Erschliessungsstrasse von grosser Bedeutung, sondern auch per se als eine der vortrefflichsten Avenuen der Schweiz des l8.Jahrhunderts. Der Turiner Ingenieur-Architekt Antonio Mirani verstand es, die delikaten Engineering-Voraussetzungen, die praktischen, sowie die Repräsentations-Anforderungen in einem grossartigen Werk zu vereinigen. Für die 1750-58 gebaute Strasse gilt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im allgemeinen die heutige Bezeichnung. Eine nicht unwichtige Verbindung zwischen der Altstadt und dem Altenberg bildete ab 1823 die Altenbergfähre, die 1834 durch eine etwas flussaufwärts gelegene Holzbrücke ersetzt wurde. (Abb.8) 1857 erhielt die von Friedrich Gustav Gränicher (1820-1879) geleitete Oltner Werkstätte der SCB den Auftrag, einen eisernen Altenbergsteg zu bauen. Niklaus Riggenbach (1817-1899), der als Schweizer Eisenbahnpionier bekannt geworden ist, montierte noch im gleichen Jahr die 57m lange Kettenbrücke, die heute noch erhalten ist. Mit dem Bau der Eisenbahnbrücke über die Aare, die die von Zollikofen kommenden Linie der Schweizerischen Centralbahn (SCB) in die Stadt führte, entstand 1856 die für vier Jahrzehnte wichtigste Verkehrsachse des Altenbergs zur Stadt. SCB-Oberingenieur, Kar1 v.Etzel (1812-1865) erstellte eine Gitterbrücke mit Kastentragwerk - eine Neuheit der damaligen Zeit. Unter der doppelspurigen Bahnlinie verlief im Gitterkasten des Trägers eine Strassenverbindung , die die Schützenmatte mit der Lorraine verband. 1941, nach der Inbetriebnahme des Eisenbahnviadukts , verschwand das Bauwerk mitsamt seinen diversen Übernamen aus dem Stadtbild.

Abb.7: Altenberg von Südwesten, 1992

Abb.8: Der alte Altenbergsteg um 1840. Federzeichnung,Sigmund Wagner zugeschrieben

Das Gebiet des Altenbergs war demnach bis weit ins 18. Jahrhundert hinein von Strassen und Wegen förmlich gerahmt. Den Hang selbst erschlossen lediglich Treppen, Fuss- und Gehwege. Bereits auf dem Sickinger I schen Stadtplan sind solche Feinstrukturen ersichtlich, und ihre Existenz darf bedenkenlos bis auf den Beginn der Bewirtschaftung zurückgeführt werden. Beispielsweise wird im 15. Jahrhundert ein "Krummer Weg" erwähnt, der von der heutigen Rabbentalstrasse in einigen Windungen auf die Höhe des Altenbergs bei den Häusern Schänzlistrasse 45, 47 führte. Eine mit dem Bau des Aargauerstaldens, mitte des 18. Jahrhunderts leider verschwundene Treppe führte dem Nordrand der Sandfluh entlang von der Altenbergstrasse (zwischen den Häusern 28 und 30) auf die Anhöhe, wo sie östlich des heutigen Hauses Schänzlistrasse 7 endete.

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13 Die darauf einsetzende Erschliessung des Altenberghangs mittels Strassen verlief vielfach Hand in Hand mit der Besiedlung. Obwohl in einigen Fällen geplant (Rabbentalstrasse; Sonnenbergrain) haben dabei Durchgangsstrassen Seltenheitswert. Stichstrassen, mit aufgrund des coupierten Geländes häufigen Richtungswechseln bilden ein insgesamt verwinkelt erscheinendes Netz. Die Auswirkungen der beiden Brücken, der Gitterbrücke und des Al tenbergstegs zeigten sich für die Erschliessung des Altenbergs noch im selben Jahrzehnt. Der westliche Teil der Rabbentalstrasse wurde angelegt (etwa bis zur Nummer 67). Gleichzeitig entstanden die Rabbentaltreppe, ein gerader, vermutlich durch Treppenstücke unterbrochener Weg, sowie ein weiter östlich gelegener, weniger steiler. Beide verbanden als Querwege die Rabbentalstrasse mit dem Altenbergsteg bzw. mi t den ältesten Bauten im obersten Bereich des Altenbergs. Beim Bau der Kornhausbrücke wurde die Rabbentaltreppe 1897 mit Steintritten versehen und bis zum nördlichen Brückenkopf hinauf verlängert. Noch vor 1870 wurde die Rabbentalstrasse auf die heutige Länge ausgebaut. Bis 1881 hiess sie "Mittlerer Altenbergweg". Die Verlängerung der Rabbenta1strasse zum Aargauerstalden wurde nur von Osten her und bloss ein Stück weit realisiert (Oranienburgstrasse). Eine weitere Strasse "der ersten Stunde" nach dem Brückenbau ist die heutige Schänzlihalde. 'Damals (und noch bis 1905) inoffiziell Schanzenbergstrasse genannt, verlief der Weg südlich des Rabbenthalschänzlis bis zum "Schanzenberg" (heute in der Achse der Kornhausstrasse) und von dort zum "Sonnenb.erg" (Schänzlistrasse 51), wo er in die Schänzlistrasse mündete. Beim Bau des Hotels "Viktoria" verschwand der östliche Teil des Weges. Offiziell wurde der Name Schanzenbergstrasse

Abb.9: Die Altenbergstrasse (Vordergrund), 1857. Constant de Goumoens

erst 1905 als der östlichste Teil der Schänz1istrasse dazugeschlagen wurde. In der Folge wies der Gemeinderat auch die damals angelegte Strasse südlich des Neubaus des Viktoriaspitals (1905/06) der Schanzenbergstrasse zu. 1931 kam dieses Strassenstück allerdings zur Sonnenbergstrasse. Wegen der häufigen Verwechslung der Schanzenberg- mit der Schanzeneckstrasse wurde jene 1941 in Schänzlihalde umbenannt. Die fortschrei tende Bebauung entlang der Rabbentalstrasse erforderte weitere Nebenstrassen: 1865 folgte die Anlage des Nischenwegs und wenig später des Oberwegs. Beide Strassennamen wurden offiziell 1882 eingeführt. Damals wurde der Nischenweg auch auf seiner Westseite an die Rabbentalstrasse angeschlossen. Sein Name weist auf die 1865 gleichzeitig mit den benachbarten Häusern Rabbentalstrasse 71 bzw. 73, 75 erbaute, halbrunde Brunnen-Nische, eine treffliche Strassenmöblierung aus einer Zeit, in der fliessendes Wasser noch nicht zur obligatorischen Hauseinrichtung gehörten. Der Name Oberweg weist darauf hin, dass er im Gegensatz zum Nischenweg oberhalb der Rabbentalstrasse verläuft . Auch die Sonnenbergstrasse, die vor 1872 als "oberer Altenbergweg" oder gelegentlich als Schänzliweg bezeichnet wurde, zählt zu den frühesten Strassen im Altenberg. Sie führt von der Rabbental- zur Schänzlistrasse. Von 1872 bis 1882 hiess die Strasse nach der Villa "Sonnenberg" (Schänzlistrasse 53) Sonnenbergweg. Seit 1882 lautet der Name Sonnenbergstrasse. 1931 beschloss der Gemeinderat das östlich der Kornhausbrücke liegende Stück der Schänzlihalde zur Sonnenbergstrasse zu schlagen und benannte gleichzeitig den zur Rabbentalstrasse führenden Teil Sonnenbergrain. Der Bau der Kornhausbrücke (1895-1898) brachte die lang ersehnte di-' rekte Verbindung von der Altstadt in die Nordquartiere. Die Brücke von 382m Länge, 48m Höhe, mit Bogen von 115 bzw. 5 mal 36m Spannweite blieb bis 1931 weitgehend unverändert. Damals wurde die Holzpflästerung durch Hartguss-Asphalt ersetzt. Die alten Beleuchtungskandelaber und Gusseisengeländer dienten bis 195:il. Die Eisenteile erhielten bei der Renovation 1982/84 einen graugrünen Anstrich (s. Objektblatt). Das Niveau des nördlichen Brückenkopfs korrespondiert mit demjenigen der Schänzlihalde und der Sonnenbergstrasse. Ein weiterer Anschluss gelang zur Rabbentaltreppe, die durch den nördlichsten Brückenpfeiler führt. Diese minimale Verknüpfung mit dem Strassennetz des Altenbergs hatte umso grössere Auswirkungen: Sowohl die Rabbentalstrasse wie auch der Sonnenbergrain wurden nach Osten verlängert und die damit erschlossenen Grundstücke überbaut. Die an die Kornhausbrücke nach Norden anschliessende Kornhausstrasse verläuft in einem Gelände-Einschnitt. Für die querende Schänzlistrasse wurde deshalb noch 1897 eine Eisenbrücke, die Schänzlibrücke errichtet. Im zweiten und dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts machte sich der Baudruck auch von Osten, vom Aargauersta1den her bemerkbar. Zwei Stichstrassen entstanden auf halber Höhe des Hangs: die Lerberstrasse und die Oranienburgstrasse. Die erstere nimmt Bezug auf die Familie Lerber, die bis ins 19. Jahrhundert Besitzerin des Hangs oberhalb der Häuser Altenbergstrasse 18-30 war. Der Name der 1914 angelegten und offiziell benannten Strasse ehrt heute Theodor von Lerber (1823-1901), den Gründer der Lerberschule, des Freien Gymnasiums. 1918 ging die Lerberstrasse von der "Immobilien-Gesellschaft Al tenberg-Oranienburg" an die Stadt über. (Abb.22) Die Oranienburgstrasse wurde 1924 angelegt. Ihr Name bezieht sich auf die oberhalb von ihr sich befindende, heute abgebrochene Villa "Oranienburg", welcher der aus holländischen Diensten zurückgekehrte Erbauer im 18. Jahrhundert zu Ehren des Prinzen von Oranien diesen Namen gegeben hatte. (Abb.15) Je nach Gesichtspunkt leider oder glückli-

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14 cherweise ist die schon 1892 einmal vorgesehene Verbindung des AargauerstaIdens mit der Rabbenta1strasse, bzw. dem Sonnenbergrain auch 1924 nicht zustandegekommen. Die Oranienburgstrasse stellt lediglich den östlichen Teil davon dar. Dami t präsentierte sich der Altenberg um 1930 mit einem Verkehrsnetz wie wir es heute noch im wesentlichen antreffen.

Die drei Strassen des in dieser Dokumentation berücksichtigten Teilgebiets des statistischen Bezirks 28 sind alle als Stichstrassen angelegt worden. Die Haldenstrasse wurde allerdings später verlängert und mit dem Strassennetz des Wylerdörflis verbunden. Schon 1753 führte ein Weg von der Altenbergstrasse der Aare entlang zum Unteren Rabbentalgut. Mit der übernahme des nördlichen Teils des Guts, durch die Stadt, 1892, mit der Anlage des Lorrainebades und mit der Korrektion der Aare für das neue Stauwehr (1909/1910) wurde auch der Uferweg, dessen Name seit 1882 offiziell ist, ausgebaut. In seiner heutigen Funktion als Spazierweg hat er einen hohen Grad an Beliebtheit erreicht. Die Jurastrasse verlief in den Lorraine-Planungen von 1864 (noch ohne Namen) wie heute. 1882 wurde der auf eine gleichnamige Baugesellschaft zurückgehende Name offiziell. Der Fussweg zwischen dem nordwestlichen Teil der Lorrainestrasse und der Jurastrasse beGteht seit den 1890er Jahren. Die in den frühen 1870er Jahren angelegte Haldenstrasse am N-Hang des Lorrainelochs hiess von 1882 an offiziell Haldenweg. 1960 erfolgte der Zusammenschluss mit der westlichsten untersten Strasse des Wylerdörfli, der Haldenstrasse.

BAULICHE ENTWICKLUNG Mittelalter Erst mit dem Erwerb von vier Kirchspielen sicherte sich die Stadt Bern am Ende des 13. Jahrhundert die Eigentumsrechte des rechtsufrigen Vorgeländes. Vorher war es trotz verbriefter Allmendrechte mit den bisherigen Grundbesitzern, den Kyburgern, zu Querelen gekommen. Anlass dazu hatte insbesondere der Brückenschlag (Untertorbrücke) geboten. Vermutlich dauerte es dann auch nicht lange, bis die ersten Gebäude entstanden am östlichen Brückenkopf. Bereits im Jahr 1284 dürfte ein Siechenhaus (mittelalterliche Form des Krankenhauses) im Bereich des "Landhauses" gestanden haben. Die Stellung ausserhalb des Wohngebiets entspricht dem auf Absonderung basierenden Präventions-Gedanken. In Verbindung mit solchen auch Leprosorien genannten Anlagen standen nicht seI ten auch sakrale Gebäude. So scheint im 14. Jahrhundert auf dem Schuttkegel unterhalb der Sandsteinbrüche eine kleine Kloster-Anlage "MarienthaI" bestanden zu haben. (Abb.10)

Abb.10: Untere Altstadt und Golaten von Norden, um 1690. ölgemälde von Johannes Dünz.

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15 Frühe Neuzeit Eine eigentliche bauliche Entwicklung ist erst im 16. und vor allem im 17. Jahrhundert festzustellen, nachdem die damals als 11 Blatternhaus11 bezeichnete Institution zunächst etwas weiter aareabwärts und schliesslich ganz aus diesem Gebiet verlegt wurde. Unterhalb der Steinbrüche entstand nach und nach eine frühneuzeitliche Handwerkerund Gewerbesiedlung. Alte Strukturen finden sich unter anderem am Haus Altenbergstrasse 32, dessen Fundamente die Jahrzahl 1531 tragen. Diese Siedlung trägt den heute etwas ungebräuchlich gewordenen Namen Golaten (auch: Golatten, Golätten oder Goleten), der bereits Mitte des 14. Jahrhunderts erstmals in den Akten auftaucht. Die wohl keltische Herkunft des Namens bedeutet Schutt oder Geschiebe, was sich mit den örtlichen Verhältnissen unterhalb der Sandfluh bestens vereinbaren lässt. Der grosse Rest des Altenberghangs blieb dem Rebbau vorbehalten. Vereinzel te kleinere Rebhäuser, Scheunen und Trotten scheinen neben den allgegenwärtigen Rebmäuerchen die einzigen baulichen Akzente gewesen zu sein. Da solche Gebäude im allgemeinen nicht bewohnt werden durften, wurden sie in leichterer Konstruktionsart errichtet. Dies änderte sich erst im 17. Jahrhundert, als das ehemals zinspflichtige Gemeinland nach und nach in Privatbesitz überging. Aus den Trotten und Rebhäusern wurden zum Teil stattliche Landhäuser. Am Hangfuss des Altenbergs haben sich mehrere solcher Bauten erhalten: Das auffälligste unter ihnen ist das heute Stürlerspital genannte Haus (Altenbergstrasse 60), das als eines der repräsentativsten Landhäuser in der Umgebung Berns gilt. Unter Einbezug ,von zwei älteren Rebhäusern wurde es 1659 für die Familie von May errichtet. Zwei ganz in der Nähe liegende Bauten belegen, dass diese neue Art von Land- oder Vorstadthäuser zu je

Abb.11: Altenberg mit Saxergut, Nägeliheim und Stürlerspital, 1676. ölgemälde von Albrecht Kauw

ner Zeit sehr beliebt war. Das eine ist das 1664 erbaute Gebäude Altenbergstrasse 56, ein heute unscheinbares, mit den Nachbarbauten verbundenes, dreigeschossiges Haus, dessen Süd-Zimmer im zweiten Obergeschoss eine hervorragende bemalte Balkendecke mit Porträtmedaillons in Blumen- und Blattmaskenrahmen aufweist, die von Anthoni Schmalz signiert und datiert ist. Das ebenfalls um die Mitte des 17. Jahrhunderts erbaute, sogenannte Saxergut (Altenbergstrasse 29), Hauptbau des ursprüngl ich bedeutendsten Landgutes im Altenberg wurde im Lauf der Jahrhunderte leider mehrfach einschneidend verändert. Seine heutige Erscheinung in bezug auf Substanz und Umgebung ist nurmehr ein Schatten des ursprünglichen Zustandes. Dieser ist festgehalten auf einem Gemälde von Albrecht Kauw, um 1676. (Abb.11) Auf dieser sich im Bernischen Historischen Museums befindlichen Ansicht ist zudem ein weiteres heute noch im wesentlichen erhaltenes Haus dargestellt: das wohl um 1640 errichtete, sogenannte Nägeliheim (Sonnenbergrain 35). Weitere kleinere Gebäude sind zu erkennen, die zum grossen Teil entlang der Al tenbergstrasse aufgereiht sind, und von der Art etwa des heutigen Hauses Nr.102 gewesen sein dürften. Von den meisten dieser Häuser hat sich keine aufgehende Bausubstanz erhalten. Im Gegensatz dazu birgt das Restaurant Altenberg (Uferweg 4) wohl noch Kernsubstanz aus dem 17. Jahrhundert und reiht sich damit in die Reihe der frühen Grossbauten im Altenberg ein. Das Gemälde von Kauw, wie auch ein um 1700 entstandenes ölbild von Johannes Dünz zeigen auf, dass der Altenberg zu jener Zeit hauptsächlich aus Rebhängen bestand, aufgelockert durch Baum- und Buschgruppen und vereinzelt, an schwächer geneigten Stellen, durch Gärten. Ein Hauptmerkmal bilden die senkrecht verlaufenden, durch Hecken akzentuierten Grundstücksgrenzen, die zum Teil während mehrerer Jahrhunderte beste-' hen b1 ieben und selbst auf die spätere Bebauung Auswirkungen zei tigten . ( Abb . 12 )

Abb.12: Altenberg und Rabbental von Süden, um 1690. ölgemälde von Johannes Dünz

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16 18. Jahrhundert

Am Ende des 17.

Jahrhunderts präsentierte sich auch die Handwerkerund Gewerbesiedlung am Fuss der Sandfluh bereits voll entwickelt. Auf einem weiteren Bild von J. Dünz um 1690 (Abb.10) sind um die 20 Bauten zu sehen, die entlang der recht breiten Altenbergstrasse stehen und im rückwärtigen Bereich gegen die Sandfluh eine lockere Gruppe bilden. Zwei Gebäude, die zwischen Strasse und Aare stehen fallen besonders ins Auge. Es sind die sogenannten Fasshäuser - obrigkeitliche Gebäude, die zur Lagerung von Fässern und Fassholz dienten. Ausserdem waren sie Anlegestelle für Weintransporte und Arbeitsstätte der Stadtküferei. Die stattlichen Bauten sind aus einem schon 1543/44 bei der Untertorbrücke erwähnten Fasslager hervorgegangen: Das Welsche Fasshaus vermutlich zuerst im ehemaligen Blatternhaus, 1601, und gegen 1700 in einem Neubau. Das sogenannte Deutschfasshaus entstand zwischen 1635 und 1637 östlich davon. Während das Welschfasshaus 1849 abbrannte, hat sich vom Deutschfasshaus der O-Trakt erhalten im Haus Altenbergstrasse 3. Die Fasshäuser waren wohl ein wesentlicher Anziehungspunkt des regen Handels- und Verkehrsaufkommens in diesem Vorstadtbereich.

Abb.13: "Plan Geometrique de la nouvelle Routte du Stalde", 1752

Die erste Hälfte dieser Centennie brachte vorerst abgesehen von einer geringfügigen Verdichtung der Bebauung entlang der Altenbergstrasse keine wesentlichen Neuerungen. Das Gebiet ungefähr westlich der heutigen Kornhausbrücke zählte zum Altenberg-Gut, dem nachmaligen (Oberen) Rabbental-Gut, dessen Gutsgebäude im 20. Jahrhundert der Bebauung um die Brückenköpfe von Eisenbahn- und Lorrainebrücke weichen mussten. Auf dem schmalen Uferstreifen westlich davon entstand das Untere Rabbentalgut, dessen kleines Gutshaus noch vorhanden ist (Uferweg 58). Bemerkenswert ist der im Verlauf des Jahrhunderts fast vollständige Wechsel in der Bewirtschaftung des Altenberghangs von Rebkul turen zu Weideland. Die nach der Jahrhundertwende in Angriff genommenen Bauwerke - der Altenbergrain und vor allem der Aargauerstalden - lösten eine bescheidene wirtschaftliche Prosperität aus. Der stattliche Riegbau des Landhauses (abgegangen) und eine erstmals erwähnte Manufaktur stellen zugleich zeitliche wie geografische Fixpunkte dieser Entwicklung dar. Am Fuss einer die Anhöhe überwindenden Strasse dürften sie in den l760er Jahren entstanden sein. Im Landhaus vis-A-vis der Untertorbrücke wurde an diesem Verkehrsknotenpunkt eine Fuhrhalterei betrieben, die mit Vorspann-Pferden die Steigungen der drei Stalden zu bewältigen half. Später wurde das Haus zusätzlich als Herberge eingerichtet. Am anderen Ende der Altenbergstrasse befand sich die Fayence-Manufaktur Frisching im heutigen Gebäude Uferweg 4. Sie profitierte nicht zuletzt von den in unmittelbarer Nähe vorkommenden Ton- und Mergelschichten. Die Manufaktur stellt ein frühes Stadium eines gewerblichen Zentrums dar, das 1785 auch eine Badewirtschaft und Brauerei konzessionieren liess. Da-' mit war der Grundstein gelegt für eine bis ins 20. Jahrhundert hinein gepflegte wirtschaftliche Symbiose, die sich auch in der Bebauungsstruktur niederschlug (Gebäudegruppe E). (Abb.14)

Abb.14: Altenbergbad um 1870

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17 Ein Signal besonderer Art setzte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein aus holländischen Diensten Heimgekehrter, indem er zuoberst an der Hangkante im Bereich der Schönburg eine Villa errichten liess, die er zu Ehren des Prinzen von Oranien "Oranienburg" nannte. Der Erbauer nahm typologisch wie stilistisch eine Entwicklung vorweg, die erst viele Jahrzehnte später richtig einsetzte, dann aber quasi zu einem Kennzeichen des Altenbergs geworden ist. (Abb.15)

19. Jahrhundert Dieser, Zei tabschni tt ist gekennzeichnet von einer Entwicklung, deren Tendenzen den städtischen Aussenquartieren gemeinsam sind. Die Ablösung der Agrarwirtschaft zugunsten der Stadtausdehnung ist auch im Altenberg-Quartier festzustellen. Allerdings bestehen im Ablauf der Entwicklung und auch in ihrem Produkt wesentliche Unterschiede gegenüber anderen Quartieren. Während um die Wende vom IB. zum 19. Jahrhundert der letzte noch bewirtschaftete Rebberg zu Weideland umgenutzt wurden und dadurch eine seit dem Mittelalter bestehende Tradition aufgegeben wurde, entstanden entlang der Altenbergstrasse neue bauliche Akzente. Mehrgeschossige, aneinandergereihte Wohnhäuser liessen Ansätze einer städtischen Bebauungsstruktur entstehen. Die heute davon übriggebliebenen Häuser Altenbergstrasse 46 und 48 vermögen noch einen Eindruck des Reizes zu vermi tteln, den diese' Art von Bebauung gehabt hätte - indessen konnte sich eine solche nicht durchsetzen. Die im Vergleich mit anderen Aussenquartieren viel früher vorhandene gewerbliche Bedeutung des Altenbergs erfuhr im 19. Jahrhundert einerseits eine Plafonierung, andererseits eine Verlagerung auf den Dienstleistungs-Sektor. Insbesondere in Verbindung mit dem lokalen Tourismus, und in den letzten beiden Dekaden mit der Gründung von Krankenhäusern.

Abb.15: Ehemalige "Villa Oranienburg", um 1930

Im Einzelnen sind für die erste Jahrhunderthälfte nur wenige Elemente greifbar, die für das wirtschaftliche Wachstum von Bedeutung waren. Zwar wurde mit der 1823 geschaffenen Fährverbindung zwischen dem sogenannten Quai (Langmauerweg ) und dem Altenberg ein erster Schritt getan, aber sowohl die Badewirtschaft, als auch die Brauerei scheinen erst mit dem Bau des hölzernen Stegs, 1834, entscheidende Impulse erhalten zu haben. (Abb.8,14) Damals wurde das "Caf~ du Pont" eröffnet, von dem eines der beiden in Brandversicherungsakten erwähnten TrinkKabinetten als Pavillon (Uferweg 1) überlebt hat. Der Holzsteg selbst war von Zimmermeister Jaussi erstellt worden, zusammen mit einem Zollhäuschen. Der Zoll wurde bereits 1842 aufgehoben; das Zollhaus 1934 abgerissen. Ebenfalls noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts sind die Anfänge der Tuchfärberei Saxer anzusiedeln, die aber, wie die meisten anderen Gewerbe-Betriebe erst nach der Jahrhundertmitte einen merklichen Aufschwung erfuhr. Bemerkenswerterweise sind um 1840 unter den Liegenschaftsbesitzern zwischen Altenbergbad und Golaten bereits eine hohe Anzahl von Beamten und Rentner zu finden, eine Tatsache die spätere Besitzstrukturen vorwegnimmt und wohl eine Folge der schon damals höher bewerteten Standortquali tät ist. Der Bau des neuen Altenbergstegs (1857) und der Eisenbahnbrücke ( 1858), die auch für Fussgänger und kleinere Fuhrwerke begeh- bzw. befahrbar war, leiteten vorerst im Bereich der Brückenköpfe und kurz danach auch in den von dort aus jetzt besser erschlossenen Gebieten bauliche Entwicklungen ein, die nicht nur aus dem bisher hauptsächlich agrarisch genutzten Hang ein bevorzugtes Wohngebiet machten, sondern auch einen neuen, bis heute weitgehend erhaltenen Charakter des Alten-' bergs prägten.

Abb.16: Botanischer Garten und erste Häuser, um 1865

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1S Ein letztesmal expandierten am Hangfuss die gewerblichen Betriebe in grösserem Stil. Das Badhaus, die Brauerei sowie die Gastwirtschaft wurden unter den neuen Besitzern, den Gebrüder Böhlen, mit neuen Gebäuden beträchtlich vergrössert, bzw. erweitert (Boggia-Bahn). Auch die Saxer 'sche Textilfärberei erhielt einen Neubau (im Bereich des heutigen Sportplatzes). Der Spielraum für Entfaltungsmöglichkeiten im wirtschaftl ichen Sektor wurde jedoch schmaler, da der Standort für grössere Betriebe vermehrt im Westen der Stadt und in den durch die Nydeggbrücke (1844) und durch die oben erwähnte Eisenbahnbrücke besser erschlossenen Norden verlegt wurde. Ein bemerkenswerter Vorgang geschah im der Golaten, wo die traditionellen Kleinbetriebe ins Hintertreffen gerieten: Nach der Jahrhundertmi tte kaufte ein gewisser Rudolf Steinegger, dessen Beruf mit Möbelhändler angegeben wird, den Grossteil der Häuser auf, wodurch der Name Steinegger-Dörfli entstand. In noch gewichtigerer Weise ist der Name eines anderen geschäftstüchtigen Mannes mit der baulichen Entwicklung des Altenbergs verbunden der des Baumeisters Johann Carl Dähler (1823-1890). Mehrheitlich in eigener Regie, zum Teil auch zusammen mit seinen Partnern Baumann bzw. Schultz (Architekturbüros Dähler & Baumann, bzw. Dähler & Schultz) überbaute Dähler innerhalb von etwa 15 Jahren praktisch das ganze Gebiet der Rabbentalstrasse inklusive des Nischen- und Oberwegs. (Abb.17) Ober die Person des Baumeisters und Architekten Johann Carl Dähler liegt vieles nO,ch im dunkeln. Der aus Seftigen gebürtige, im Liegenschaftshandel gewieft und wohl auch mit den nötigen Beziehungen agierende Dähler spielt in Bern keineswegs eine unbedeutende Rolle in der Architektenszene. Unter anderem beteiligt er sich am Wettbewerb um das Bundeshaus West von 1850, und sein Büro ist engagiert bei der Erweiterung der Nydeggkirche von 1864/65. Schliesslich hat Dähler auch

den Wettbewerb um das Hauptgebäude des neu an den Altenberghang verlegten Botanischen Gartens gewonnen (1860) und den Bau auch ausgeführt. (Abb. 16) Ein Seitenblick auf die ebenfalls in dieser Dokumentation erfasste Jurastrasse zeigt, dass Johann Carl Dähler auch dort mit einer grossen Anzahl von Bauten vertreten ist. Die Bauten Dählers, ob schlichte, wie an der Jurastrasse oder ob eher repräsentative, wie im Altenberg, tragen die Merkmale des damals vorherrschenden Spätklassizismus I, häufig verbunden mit den zierlichen Gestaltungsmitteln des Schweizer Holzstils. Bei den meisten Häusern handelt es sich um solide, sorgfältig konstruierte Hausteinbauten, die manchmal ein Obergeschoss in Rieg aufweisen. In besonderer Art hat sich Dähler auch der Umgebung der Häuser, insbesondere der Villen angenommen. Weitläufige, gepflegte, in englischer Manier angelegte Gärten, versehen mit sämtl ichen Detai ls, umgeben die Wohnbauten. Unweit des ähnlich angelegten Botanischen Gartens prägten diese Umgebungsstrukturen einst die ganze Hangterrasse des heutigen Rabbentals zwischen Lorraine- und Kornhausbrücke . Unter den Vi lIen ragt besonders der "La Pergola" genannte Landsitz hervor (Rabbentalstrasse 85), das nach dem (abgegangenen) Nachbarbau früheste Herrschaftshaus Dählers und gleichzeitig eines der grossartigsten erhaltenen Ensembles dieser Art in der Stadt Bern. Eine typologische Rarität für jene Jahre schuf Dähler in dem Doppel-Mehrfamilienhaus Rabbentalstrasse 77, 79, das, seiner bevorzugten Lage entsprechend, gehobeneren Wohnansprüchen gerecht wurde. Die Aufmerksamkeit Dählers für die Umgebung zeigt sich nicht nur an dem, auch für diesen Bau grosszügigen Garten, sondern auch an der ihm zugeschriebenen, benachbarten Brunnen-Nische (Nischenweg 4), die das Strassenbild angenehm belebt. (Abb.18)

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