Arbeiten in Amerika ein (Alp-)Traum?

Kantonsschule Ausserschwyz Gymnasium | Fachmittelschule Maturaarbeit Oktober 2015 Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum? Stefan Horisberger Heiteri...
Author: Elmar Simen
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Kantonsschule Ausserschwyz Gymnasium | Fachmittelschule

Maturaarbeit Oktober 2015

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

Stefan Horisberger Heiteristrasse 7 8856 Tuggen

Frau lic. iur. Helen Sieber, Fachschaft Wirtschaft und Recht

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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1. Inhaltsverzeichnis

1.

Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. 2

2.

Abstract ..................................................................................................................................... 4

3.

Vorwort ...................................................................................................................................... 5

4.

Einleitung.................................................................................................................................. 6

5.

CH vs. USA – verschiedene Standards ............................................................................ 9 5.1.

Industrialisierung in der Schweiz ........................................................................................ 9

5.2.

Die Arbeitssituation in der Schweiz ab 1945 .................................................................. 11

5.3.

Industrialisierung in den USA............................................................................................ 13

5.4.

Die Arbeitssituation in Amerika ab 1945 ......................................................................... 15 Arbeitsrecht im Vergleich................................................................................................... 18

6. 6.1.

Abschluss des Arbeitsvertrags ......................................................................................... 18

6.2.

Bezahlte Ferien ................................................................................................................... 20

6.3.

Unfall- und Krankentaggeldversicherung ........................................................................ 25

6.4.

Kündigungsschutz .............................................................................................................. 29 Einfluss der Gewerkschaften und ihrer Gesamtarbeitsverträge ............................. 34

7. 7.1.

Gewerkschaften in der Schweiz ....................................................................................... 34

7.2.

Gewerkschaften in Europa – ein Gesamtüberblick ....................................................... 35

7.3.

Gewerkschaften in Amerika .............................................................................................. 36

8.

Republikaner an die Macht – Wie sieht die Zukunft aus? ........................................ 38

9.

Darlegung der Ergebnisse ................................................................................................. 39 9.1.

Beantwortung der Thesen ................................................................................................. 39

9.2.

Ergebnisse der Publikumsumfrage .................................................................................. 42

10.

Persönliche Reflexion ......................................................................................................... 45

11.

Verzeichnisse ........................................................................................................................ 46

11.1. Quellenverzeichnis ............................................................................................................. 46 11.2. Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 48 12.

Eigenständigkeitserklärung............................................................................................... 49

13.

Anhang .................................................................................................................................... 50

13.1. Interview mit Herrn Patrick M. O’Neill vom 12. Mai 2015 ............................................. 50

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13.2. Interview mit Herrn Franco Moretta vom 16. September 2015 ................................... 63 13.3. Interview mit Herrn Markus Imboden vom 6. Juli........................................................... 70 13.4. Arbeitsverträge .................................................................................................................... 75 13.5. Fragebogen für die Publikumsumfrage ......................................................................... 107

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2. Abstract „Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ – doch wie unbegrenzt sind diese Möglichkeiten tatsächlich? Erstmals wanderten im Jahr 2012 mehr als 100'000 Personen aus der Schweiz aus, davon 5854 in die USA1. Die meisten dieser Menschen werden sich in Amerika einen neuen Job suchen, doch wie sieht die rechtliche Situation aus, welche sie antreffen? Ist das Arbeitsrecht ihrer neuen Heimat mit jenem der Schweiz vergleichbar? Dies wird in meiner Arbeit genauer untersucht. Unter Einbezug des Publikums in Form eines Fragebogens und zwei Interviews konnte ich einerseits darstellen, wie die Schweizer Arbeitnehmer zum eigenen Arbeitsrecht

stehen.

Andererseits

wurde

der

Vergleich

mit

Hilfe

von

originalen

Arbeitsverträgen aus Amerika besser veranschaulicht. Auch der Einfluss der Gewerkschaften in Amerika wurde untersucht und sowohl mit jenem in der Schweiz und auch in Europa verglichen. Einige Ergebnisse der Arbeit waren absehbar. Andere Resultate haben mich wiederum sehr überrascht, da ich es mich aus der Schweiz anders gewöhnt bin.

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http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Immer-mehr-Menschen-verlassen-dieSchweiz/story/10332107 Abrufdatum: 27.09.2015

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3. Vorwort Als im Herbst 2014 die ersten Anlässe und Events für die Maturaarbeit stattfanden, stand ich noch vor einem grossen Fragezeichen und war mir unsicher, in welche Richtung ich mein Thema wählen möchte. Obwohl ich mich auch für andere Fachbereiche stark interessiere, kristallisierte sich langsam Wirtschaft & Recht als passende Grundlage für mein Thema heraus. Da ich bereits als kleines Kind das erste Mal in Kanada war und seither immer wieder Reisen nach Amerika und Kanada unternommen habe und davon hell begeistert bin, war für mich schnell klar, dass ich meine Arbeit mit dem Nordamerikanischen Kontinent verbinden möchte. Da das Amerikanische Rechtssystem sehr komplex ist, war ich als Ergänzung zu meinem Vorwissen auf Kenner des Systems und Sekundärliteratur angewiesen. Da für mich Gerechtigkeit schon seit dem Sandkastenalter ein Thema war, begann ich darüber nachzudenken, mich vertieft mit dem Thema auseinanderzusetzen. Bereits als Kind empfand ich es als ungerecht, wenn Menschen benachteiligt wurden aufgrund des Äusseren, ihrer Herkunft oder des Landes in dem sie leben. Es erschien mir nie gerecht, dass für zwei verschiedenen Kontinente nicht gleiche Bedingungen herrschen. Immer wieder wurde ich mit Artikeln oder Reportagen über das Land der unbegrenzten Möglichkeiten konfrontiert. Ich finde es jetzt an der Zeit, mir selbst ein Bild über die Unbegrenztheit Amerikas zu verschaffen. Ich suchte nach einem Bereich in dem ich diese Überlegung gut darstellen und auch die Unterschiede erkennen kann. Im Grundsatz war für mich eine der Reisen mit meiner Familie im Juli 2013 ausschlaggebend. Während einer Rundfahrt durch Kalifornien erfuhren wir von Einheimischen, dass die Arbeitsrechtlichen Grundlagen vergleichsweise schlecht sind. Aus meiner Sicht sind Arbeitsbedingungen weltweit ein brennendes Thema. Die Medien berichten aktuell immer wieder von Vorkommnissen in Asien und Amerika, seien dies unmenschliche Arbeitsbedingungen in Bangladeschs Textilfabriken oder Lohndumping auf den Baustellen von New Yorks Wolkenkratzern. Auch in der Schweiz wurden in der Vergangenheit mit Initiativen des Volkes immer wieder einschneidende Änderungen verabschiedet. Was offensichtlich zu sein scheint: Die Schweiz hat in den letzten Jahren aufgeholt. Die Regeldichte wächst stetig und neue Bestimmungen verdichten den Rechtsdschungel. Ist es der Schweiz gelungen, von einem praktisch identisch zum amerikanischen System zu einem fortschrittlichen und vollständigen Arbeitsrecht zu kommen? Meine Arbeit soll primär aufzeigen, wie groß die Unterschiede zwischen der Schweiz und den Vereinigten

Staaten

in

Krankentaggeldversicherung

den und

Gebieten

bezahlten

Kündigungsschutz,

Ferien

sind.

Auch

den

Unfall-

und

Einfluss

von

Gewerkschaften und ihren Gesamtarbeitsverträgen möchte ich analysieren und herausfinden, ob und wie die Arbeitnehmenden davon profitieren und die Mitgliedschaft und Unterstützung

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der Gewerkschaften zu ihren Gunsten verwenden können. Ein weiterer Aspekt der mich interessierte, war die vermehrt vernommene Aussage: „ObamaCare wird alles ändern; Amerika wird ein neues Land“. Ich möchte gerne untersuchen, inwiefern das 2010 eingeführte ObamaCare wirklich einen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen hatte und natürlich auch, wie es in Zukunft weitergehen könnte, falls sich die Republikanische Partei die Regierungsmacht zurückholt. Denn eines ist klar: 2016 wird die Neuwahl des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika die Regierung neu formen und somit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für Änderungen im Arbeitsrecht. Wie die möglichen Änderungen aussehen könnten und was von der Seite der Arbeitnehmer zu erwarten ist, möchte ich ansatzweise in meiner Arbeit behandeln. An dieser Stelle möchte ich mich herzlichst bei allen Personen bedanken, die mich auf dem Weg zu meiner Arbeit unterstützt haben und mir mit ihrem Fachwissen weitergeholfen haben: 

Herr Dr. iur. Notarpatent Kt.SO Patrick M. O’Neill, Lanter Rechtsanwälte Zürich



Herr Franco Moretta, UNIA Sektion Rapperswil-Glarus



Herr Markus Imboden, CFO der Oetiker Gruppe



Herr Kurt Zingg, Arbeitsvertrag aus Amerika und der Schweiz



Herr Daryl Jones, Arbeitsvertrag aus Amerika



Herr Daniel Horisberger, Arbeitsvertrag aus der Schweiz

4. Einleitung

Im folgenden Kapitel erläutere ich meine Methoden und erkläre, warum ich mich dafür entschieden habe, mit Interviews und Fragebogen zu arbeiten. Weiter werden die Schwerpunkte aufgegriffen und das Grundproblem dargestellt, um eine Basis für den nachfolgenden Teil zu schaffen. Beinahe jeder Mensch hat in seinem Leben schon einmal Arbeit verrichtet. Allen ist bewusst, dass dabei gewisse Dinge dazugehören, wie beispielsweise eine angemessene Bezahlung oder faire Bedingungen. Dabei wird einerseits der theoretische Aspekt des Rechts wiedergegeben und andererseits werden auch die sozialen Aspekte aus der Gesellschaft aufgegriffen. Um diesen Vergleich ziehen zu können, baue ich die Arbeit auf den folgenden Schwerpunkten auf: 

Kündigung: In Amerika wird vielfach von einem „Hire and fire“-System gesprochen, was so viel bedeutet wie jemanden einzustellen und kurze Zeit später, ohne grossen Papieraufwand, wieder zu entlassen. Die Schweiz dagegen stellt einen weiter

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ausgebauten Kündigungsschutz für Arbeitnehmer dar und jede einzelne Kündigung benötigt einen Haufen schriftliche Arbeit und Beachtung von Fristen, um rechtlich korrekt umgesetzt werden zu können. 

Ferien: Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten erhalten Ferien viel weniger Wichtigkeit als in der Schweiz. Nur wenige Tage werden Amerikanern und Amerikanerinnen im Jahr eingeräumt und trotz einer möglichen Erhöhung der Anzahl bezahlter Ferientage nach einer gewissen Dienstzeit, bleibt ein grosser Unterschied zum Schweizer Massstab.



Unfall- und Krankentaggeldversicherung: Jeder Arbeitnehmer, der in der Schweiz mehr als 8 Stunden in der Wochen arbeitet, ist automatisch vor Betriebsunfällen und prinzipiell auch vor Nicht-Berufsunfällen in verschiedenen Formen geschützt. In Amerika gab es lange kein vergleichbares System.

Amerikanisches Arbeitsrecht ist sehr komplex aufgebaut und von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich, was den Überblick erschwert. In meiner Arbeit stützte ich mich darum einerseits auf Literatur und andererseits auf Informationen von verschieden Rechtsanwälten. Meine Arbeit ist auf keinen Bundesstaat begrenzt. In den Millionenstädten treffen verschiedenste Schichten von Menschen täglich aufeinander. Unterschiedlichste Erwartungen schneiden sich und trotzdem muss ein Weg gefunden werden, wie unzählige Arbeitende mit ihren

Arbeitsbedingungen

zufrieden

sind.

Da

von

Bundesstaat

zu

Bundesstaat

unterschiedliche Bedingungen herrschen, werde ich Verträge, unabhängig von ihrem Herkunftsort, vergleichen. Obwohl Amerika in den letzten Jahren beispielsweise durch die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama eine grosse Entwicklung hinter sich hat, ist der Rechtschutz für beide Parteien des Arbeitsvertrags immer noch schwach. Als einen der verschiedenen Gründe dafür ist der Kampf zwischen der demokratischen Partei und der republikanischen Partei zu nennen. Durch Barack Obama, welcher ein Angehöriger der demokratischen Partei ist, konnten nicht die gewünschten Änderungen erzielt werden. Da sich die Republikaner die Macht im Parlament zurückgeholt haben, ist zu erwarten, dass für die nächste Amtsdauer von 20162020 ebenfalls ein Republikaner ins Weisse Haus einziehen wird. Die Frage die sich stellt ist, ob die Republikaner ihre eigenen Reformen effizienter durchsetzen können, als es Obama tat. Dieser Antwort möchte ich ansatzweise auf die Spur kommen. Durch einen Fragebogen möchte ich auch herausfinden, wie wichtig die Arbeitsbedingungen den Schweizern tatsächlich sind. Auch das Wissen der Arbeitnehmer über ihre Rechte ist ein Bestandteil des Fragebogens, weil die Selbstverständlichkeit von guten Arbeitsbedingungen in der Schweiz stark ist und sich viele Arbeitnehmer nicht vorstellen können, wie es anders

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wäre. Dafür spreche ich gezielt Menschen an, die in der Schweiz arbeiten und im Arbeitsverhältnis einer Autoritätsperson unterstellt sind oder selbst als Autoritätsperson angesehen werden. Mir ist es wichtig, die Arbeit nicht nur auf Literatur und einigen Interviews abzustützen, sondern auch die Möglichkeit wahrzunehmen, eine grössere Menge an Menschen miteinzubeziehen. Somit wird durch die Umfrageresultate ein reales und objektives Bild entstehen. Die Interviews mit verschieden Rechtsanwälten und international tätigen Firmen sollen helfen, das Wissen zu vergrössern und auch in Bezug auf die Schwerpunkte Erfahrungen aus dem Alltag zu hören, was die Verknüpfung mit der Arbeitswelt, den Arbeitnehmern und ihrem Leben wiederum vereinfacht. Dafür geeignet sind Juristen und Juristinnen welche auf Arbeitsrecht spezialisiert sind und schon einiges an Erfahrung aus der Praxis gesammelt haben und auch Menschen, welche täglich aufgrund ihres Berufs Verantwortung tragen und mit Arbeitsrecht in Kontakt kommen. Um meine Arbeit zu konkretisieren habe ich Thesen aufgestellt, welche ich zu bestätigen versuche: 1. Für 50 Prozent aller Arbeitsnehmer sind die Ferien wichtiger als der Kündigungsschutz. 2. 80 Prozent der Arbeitnehmer finden den Kündigungsschutz ausreichend und wollen ihn nicht verändern. 3. Die arbeitsrechtliche Veränderung in der Schweiz weg vom Amerikanischen System wird von 80 Prozent der Arbeitnehmer begrüsst. 4. Nur 30 Prozent aller befragten Arbeitnehmer waren jemals im Ausland tätig. Für die genannten Thesen habe ich Annahmen getroffen, die auf meinem persönlichen Umfeld beruhen. Ich habe mich während ungefähr einem Jahr immer wieder auf Aussagen bezüglich Arbeit und Beruf geachtet. Meine Maturaarbeit soll mir nun eine Antwort liefern, inwiefern meine Annahmen realistisch und repräsentativ sind.

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5. CH vs. USA – verschiedene Standards

5.1. Industrialisierung in der Schweiz2

Die Schweiz kam um 1850 im Zeitalter der Industrialisierung an. Sie war durch enorm starke Wechsel in verschiedenen Bereichen geprägt, welche sowohl die Wirtschaft wie auch die Gesellschaft und ihre Kultur bis heute nachhaltig geprägt haben. Die Bevölkerungszahl stieg in den Jahren von 1850 bis 1914 um ganze 1.5 Millionen an und blieb schliesslich bei 3.9 Millionen stehen. Bis heute hat sich diese Zahl noch einmal verdoppelt. Grund dafür war im 19. Jahrhundert vor allem das Sinken der Todesrate, denn die Schweiz konnte mehr Menschen ernähren als sie es noch 50 Jahre früher konnte. Erstmals überschritt die Anzahl an Einwanderern diejenige der Auswanderer und die Schweiz befand sich im konjunkturellen und gesellschaftlichen Aufschwung. Sowohl die Uhren- wie auch die Textilindustrie hatten damals schon grosse Wichtigkeit in der Eidgenossenschaft, denn der Handel war durch die Bundesverfassung von 1848 vereinheitlicht und vereinfacht worden. Auch die Orientierung der Arbeitskräfte änderte sich drastisch, arbeiteten 1850 noch 55 Prozent aller Menschen in der Schweiz in der Landwirtschaft, waren es 1910 nur noch 25 Prozent. In derselben Zeitspanne begannen auch die Arbeitsplätze zentralisiert zu werden. Der Anteil an Heimarbeitern, der zu Beginn noch dreimal grösser war als der der Fabrikarbeiter, wurde bis 1910 von den Fabrikarbeitern gleich um das Siebenfache überboten. Diese Beschaffung von riesigen Fabriken zwang die Arbeiter vielfach, von ihrer Heimat wegzuziehen und somit bildeten sich in der Schweiz die ersten Grossstädte. Nicht nur für Fabrikarbeiter dienten die neuen Grossstädte als Magnet, sondern auch das Banken- und Finanzwesen begann zu florieren und gewann in der eigenen Rolle an Wichtigkeit in der Wirtschaft. Jedoch war die Konjunktur nicht nur im Aufschwung. Nachdem in den 1860er Jahren ein starker Einbruch weggesteckt werden konnte, machte sich 1870 eine andauernde Depression breit, die bis in die 80er Jahre Einzug hielt und auch als zweite Revolution bezeichnet wird, weil sie fortschrittliche Veränderungen im Pharma-Wesen, speziell in Basel, brachte. Von hier an, von kleinen Einbrüchen nicht wesentlich geprägt, begann der lange Aufschwung der Schweizer Wirtschaft bis zum ersten Weltkrieg. Als weiteren Nebeneffekt tauchte die Abhängigkeit der Schweiz von der internationalen Konjunktur auf. Da die Wirtschaft primär von Exportgeschäften aufrechterhalten wurde und die inländische Ökonomie nachgezogen wurde, war jede europäische Krise auch in der Schweiz zu spüren. Die Gründung der Eidgenössischen Technische Hochschule 1854 verlieh der Schweiz dann sozusagen das Diplom dazu, eigene 2

Wacker, Jean-Claude. Die Schweiz und ihre Geschichte. Von der Bundesstaatsgründung zum Landesstreik. Zürich, 1998. S. 279-301

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Ingenieure ausbilden zu können und selbstbestimmender zu werden, was die maschinelle Industrie in ihrem enormen Wachstum in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weiter beschleunigte. Nachdem die Arbeit nach und nach immer mehr politisiert wurde, musste der Bundesrat Rahmenbedingungen stellen. Das eidgenössische Obligationenrecht (1883), das Schuld-, Betreibungs- und Konkursrecht (1889) und das Zivilrecht (1912) wurden aus diesem Grunde eingeführt und regelten von da an die Angelegenheiten auf einer einheitlichen Ebene. Obwohl die Voraussetzungen passend zu sein schienen, stellten sich nach und nach Probleme. Der Haushalt wie man ihn früher kannte, wurde in die Fabrik verschoben, da meistens Mann, Frau und halbwüchsige Kinder in derselben Fabrik arbeiteten. Durch die langen Arbeitszeiten wurden die Frauen überfordert, was aufgrund mangelnder Pflege zu einer hohen Kindersterblichkeit in der Schweiz führte. Gleichzeitig entstand die ideale bürgerliche Familie unter den Arbeitern der höheren Schichten und zeichnete sich durch eine sehr starke Rollenverteilung aus. Kinder durften zur Schule, Mütter und Dienstmädchen blieben zu Hause und kümmerten sich um den Haushalt, währendem der Vater arbeitete und die Familie repräsentierte. An den Arbeitsplätzen herrschten disziplinare Regeln vor, trotzdem war die Arbeit von Unfallgefahr und unhygienischen Verhältnissen geprägt. Die 16 stündigen Arbeitstage waren frei von sozialer Absicherung bei Krankheit oder Invalidität, geschweige denn von Altersvorsorge. Arbeitsunfähigkeit bedeutete schnell einmal den finanziellen Ruin. Mit der Zeit verbesserte jedoch die soziale Stellung der Arbeiter durch höhere Reallöhne und Sozialgesetzgebung vor allem in den zuerst industrialisierten Kantonen. Als Beispiel aufzuzählen ist hier das Fabrikgesetz aus dem Jahre 1877, welches in Glarus verabschiedet worden war. Arbeit für unter 14 Jahre alte Kinder wurde verboten, Arbeitszeiten wurden auf maximal 66 Stunden in der Woche begrenzt und Nacht- und Sonntagsarbeit wurde für Frauen und Jugendliche abgeschafft. Damit hat die Glarner Wirtschaft einen Meilenstein des Arbeitsrechts gestellt, der mit seiner Wichtigkeit Einfluss auf die ganze Schweiz gewinnen konnte. Nur wenige Jahre später, 1880, wurde der Schweizer Gewerkschaftsbund gegründet, der im Interesse der Arbeitnehmer versuchte, möglichst günstige Gesamtarbeitsverträge abzuschliessen. Erst 1912 wurde die obligatorische Unfallversicherung beim zweiten Anlauf angenommen, Krankenkassen blieben jedoch weiterhin Privatsache. Auch der Geschlechterunterschied spielte stets eine Rolle, denn Frauen wurden im Durchschnitt mit einem Drittel weniger Lohn bezahlt als die Männer. Entsprechend arbeiteten Frauen nicht aus Zweck zur Selbstverwirklichung sondern aus rein ökonomischen Gründen. Zur Jahrhundertwende pendelten sich regelmässige Streikposten ein, die schliesslich im Generalstreik gipfelten. Die Lohnerhöhung der folgenden Jahre wurde durch die stets vorhandene Teuerung ausgeglichen, wodurch sich die Situation nicht verbesserte. Nach dem

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ersten Weltkrieg standen die Arbeitnehmer schlecht da und entschieden sich dann, in einem Landesstreik im Jahre 1918, ihre Tätigkeit ganz niederzulegen. Erst als die Armee aufmarschierte, musste man sich ergeben, jedoch nicht ohne Erfolg. Die Proporzwahlen wurden eingeführt und die 48 stündige Arbeitswoche sowie ein Ausbau von Altersvorsorge und Arbeitslosenfürsorge fanden ihren Weg in der gesetzlichen Verwirklichung. Während dem in Deutschland und Italien der Faschismus aufkam, wurden Schweizer Arbeiter weitgehend durch politisch bedingte, kurzfristig eingeführte Spezialsteuern zur Krisenbekämpfung in der Schweiz benutzt, was dem Staat zwar mehr Einnahmen brachte, die Individuen jedoch wirtschaftlich schwächte. Nach Kriegsbeginn litt auch die Eidgenossenschaft unter den wirtschaftlichen Folgen und begann wieder vermehrt, auf Landwirtschaft und Ackerbau zu setzen. Mit neuen Methoden und Nahrungsmittelsorten konnte die Ernährung der Bevölkerung auf effizientere Weise aufrechterhalten werden, was wiederum vielen Menschen Arbeitsplätze im Agrarsektor verschaffte.

5.2. Die Arbeitssituation in der Schweiz ab 19453

Obwohl in der Schweiz nach dem zweiten Weltkrieg eine heftige Krise erwartet wurde, begann ein wirtschaftlicher Boom, welcher sich bis 1973 hinziehen sollte. Die Hauptgründe dafür lagen vor allem in der Neutralität der Schweiz im zweiten Weltkrieg, denn man konnte nun im Vollen aus unzerstörten Industrieanlagen schöpfen. Trotz einiger Streike kurz nach dem Kriegsende profitierte auch der soziale Friede in der Schweiz: Durch die gute wirtschaftliche Lage der Schweizer Bürger erloschen Kämpfe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, genauso wie zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, dafür waren bis 1950 bereits etwa 50% aller Arbeitnehmer unter einem Gesamtarbeitsvertrag angestellt. Natürlich zog die genannte Situation auch Gastarbeiter aus allerlei Ländern an, welche jedoch grösstenteils die schlecht bezahlten Arbeiten auszuführen hatten. Für Schweizer bedeutete dies wiederum, dass sie ihre soziale Stellung verbessern konnten und mit der Zeit wurden auch immer mehr Frauen in den Arbeitsprozess miteingegliedert. Die meisten Arbeiter waren nun im zweiten oder dritten Wirtschaftssektor beschäftigt, der erste Sektor schrumpfte bis 1993 auf einen jämmerlichen Anteil von 4 Prozent aller Arbeitnehmer. Die stabile Währung, und die im Vergleich zu den Nachbarstaaten stabile Lage machte die Schweiz in der Nachkriegszeit, speziell in den Sechzigerjahren zum attraktiven Ort für Investoren. 1990 arbeiteten 60% der Arbeitnehmer im Dienstleistungssektor. Dies zeigt auf, wie sich die Schweiz weg von der Agrar- und

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Wacker, Jean-Claude. Die Schweiz und ihre Geschichte. Die Schweiz seit 1945. Zürich, 1998. S.340-364

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Textilindustrie hin zu einem der Finanzknotenpunkte von Europa entwickelte. In den Siebzigerjahren hielt dann die Rezession Einzug in die Schweiz. Durch die gute Situation vernachlässigte man die Entwicklung von Maschinen und Arbeitsmitteln, da man ohnehin bei Weitem die einzige wettbewerbsfähige Nation war. Sobald die zuvor grossen Nationen sich aus der Nachkriegskrise retten konnten und die wirtschaftliche und politische Macht wieder an sich rissen, kam es zu einem Verlust von acht Prozent aller Arbeitsstellen in der Schweiz, weil die betriebswirtschaftlichen Methoden veraltet waren. Das dauernde Auf und Ab wollte sich auch in den Achtzigerjahren nicht einstellen und führte zu einem wiederholten Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt, der vor allem erreicht wurde, weil man während der jüngsten Rezession viele ausländische Arbeiter hatte, welche gute Arbeit für ausgesprochen tiefe Löhne verrichteten. Schliesslich stieg die Teuerung in der Schweiz auf das Fünffache an. Die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation führte jedoch dazu, dass die Schweiz im Verhältnis zu anderen Währungen ein sehr teures Land wurde. Dies machte sich zu Beginn der Neunzigerjahre bemerkbar, als sich Investoren wie auch der Tourismus plötzlich aus der Schweiz zurückzogen. Im dritten Sektor mussten nun ebenfalls massiv Stellen abgebaut werden. Diesmal wurde die Inflation nicht mehr mit Lohnerhöhungen ausgeglichen, was zu einem Lohnverlust führte. Für die meisten Arbeitnehmer war dies eine überfordernde Situation. Auch heute treffen wir im gesamten gesehen noch eine ähnliche Situation an. Während dem die Europäische Union für die zukünftige finanzielle Sicherheit alles in Bewegung setzen muss, kämpft die Schweiz mit einer im Verhältnis zur Weltwirtschaft überteuerten Währung, welche über Monate hinweg von einer künstlich geschaffenen Euro-Wechselkurs-Untergrenze im Rennen

gehalten

wurde.

Massive

Einnahmenrückgänge

im

Gastronomie-

und

Tourismusbereich sind die Folgen. In der Geschichte der Schweiz seit der Industrialisierung scheint es aus wirtschaftlicher Sicht eine Reihe an Wiederholungen gegeben zu haben, die sich wiederum gegenseitig aufgehoben und ersetzt haben. Das schweizerische Arbeitsrecht erlebte seit 1945 keine grossen Veränderungen mehr. Der Ausländeranteil auf dem Schweizer Arbeitsmarkt wuchs enorm und tiefe Löhne wurden verbreiteter. Frauen emanzipierten sich zwar in Bezug auf ihre Arbeitsstellen, blieben jedoch mit dem Verdienst immer noch weit unter dem Lohn der männlichen Arbeitnehmer. Die grossflächige Einführung der Gesamtarbeitsverträge führte zu einem sozialen Frieden, von dem das Arbeitsverhältnis profitierte. Weiter wurde auch die Motivation und Effizienz gefördert, um eine wirtschaftlich starke Leistung zu erbringen.

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5.3. Industrialisierung in den USA4

Die Bevölkerung in den USA entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr schnell in ihrer Grösse und stieg von 1860 bis 1900 von 31 auf rund 76 Millionen an. Durch diese enorme Anzahl an Einwohnern konnte Amerika den grössten Binnenmarkt der Welt sicherstellen. Die schnelle und effiziente Industrialisierung wurde unter anderem durch die hohe Verfügbarkeit von Rohstoffen, in- und ausländische Investoren, Einwanderung (mehr Arbeitskräfte) und technische Innovation begünstigt. Dies führte schliesslich dazu, dass Amerika bis kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts den weltweit grössten Binnenmarkt hatte. Dann jedoch, abgebremst von einer starken Wirtschaftskrise, dauerte es einige Jahre, ehe sich das industrielle Hochland Amerikas durchsetzen konnte. Im Gebiet zwischen Boston, Washington

D.C.

und

Chicago

war

das

Schwergewicht

der

amerikanischen

Industrieproduktion beheimatet, welches bis tief ins 20. Jahrhundert eine Schlüsselrolle spielen sollte. Wie in der Schweiz so brachte die Industrialisierung auch in Amerika eine Verstädterung mit sich. Die grossen Mengen an Arbeitskräften die benötigt wurden, konnten nur in Städten sichergestellt werden. Interessant zu beobachten ist hier, dass die amerikanischen Städte schneller wuchsen, als jene in Europa. Eine mögliche Begründung ist die Auswanderung von etlichen Europäern nach Amerika. Viele Arbeiter zog es in städtische Regionen, wodurch zahlreiche verlassene Farmen und Häuser auf dem Land verfielen. Die Lebensqualität in der Stadt war jedoch bedeutend schlechter. Wer ein niedriges Einkommen hatte, lebte in einer Mietskaserne. Diese kleinen Räumlichkeiten wurden aus ursprünglichen Lagerhäusern und Baubaracken gefertigt. Die hygienischen Bedingungen waren für heutige Verhältnisse unvorstellbar, Fenster und Belüftungen waren ein Luxus, der nicht anzutreffen war. Durch immer wiederkehrende Epidemien war die Sterberate höher als in Europa und auf dem Lande allgemein. Auch die Arbeitsbedingungen liessen zu wünschen übrig. Von Unfallschutz ganz zu schweigen, arbeiteten um 1900 rund 1,7 Millionen Kinder unter unzulässigen Bedingungen. Gewerkschaften setzten sich zwar immer wieder ein, jedoch ohne grossen Erfolg. Trotz dieser rasenden Industrialisierung sank die Arbeitslosenquote nie unter 10 Prozent. In den 1920er Jahren stieg sie sogar bis 21 Prozent an. Eine Arbeitslosenunterstützung gab es damals nicht, obwohl das Existenzminimum von der städtischen Fürsorge alleine gar nicht sichergestellt werden konnte. Die staatliche Zurückhaltung ist durch die bis heute vertretene amerikanische Politik zu begründen, in der das Individuum seine Rechte und sein Leben selber gestalten kann. Der sogenannte Nachtwächterstaat ist nur um die Sicherheit der Bürger besorgt, finanzielle Not sowie

Renz, Rudolf. Wirtschafts- und Sozialgeschichte der USA – Erfolge und Krisen einer freien Marktwirtschaft. Kapital und Arbeit im „langen“ 19. Jahrhundert. Braunschweig, 2010. S. 50-72 4

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Missstände gehörten jedoch in die Verantwortung eines jeden einzelnen und wurden vom Staat weder bekämpft noch verhindert. Bis 1935 existierten in Amerika zwei bedeutende Gewerkschaften, welche sich für die Arbeiterrechte einsetzten. Den Anfang machte die American Federation of Labor, welche weissen Facharbeitern die Chance gab, ihre Rechte zu fordern, jedoch blieb dies bis nach der Jahrhundertwende weitgehend harmlos. Die zweite, radikalere Gewerkschaft, die Industrial Workers of the World, gründete sich im frühen 20. Jahrhundert und schloss neben den weissen Facharbeitern auch ungelernte Arbeiter, Frauen und Schwarze mit ein. Sie versuchte ihre Erwartungen mit Streiks und Protesten durchzusetzen, was oft mit Verwundeten und Verletzten endete, weil auf gesetzlicher Ebene noch keine Vorschriften über Streiks herrschten. Beide Gewerkschaften gewannen an Wichtigkeit und die American Federation of Labor versprach 1932, eine gesetzliche Lösung anzustreben, nachdem während der wirtschaftlichen Depression der 1920er Jahre der Druck der Arbeiterseite gewachsen war. Die starke Konzentration der Landesreichtümer in den Händen einiger wenigen Riesenkonzerne bedrohte die Existenz von kleineren Unternehmen, Farmern und Kleinbürgern in ganz Amerika. Durch die liberale Politik des Staates, welche eine strikte „Laissez-faire“Wirtschaftsordnung beinhaltete, wurde diese monopolistische Veränderung des Marktes jedoch zugelassen. Die entsprechende Opposition wird auch Progressive Movement genannt, jedoch erreichte diese Bewegung gesamthaft gesehen nur mässigen Erfolg. Trotz diesem streng kapitalistischen System blieben die Löhne im Verhältnis zu Europa hoch, was wiederum zur Umsiedlung von vielen Europäern nach Amerika führte. Ebenfalls sehr interessant im Vergleich zur Schweiz ist die Einführung des Frauenstimmrechts mit dem 19. Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Durch die wirtschaftliche Stärke, welche die Frauen während dem ersten Weltkrieg erlangten, erhielten sie schliesslich auch die angemessene politische Kraft im Jahre 1920. Dies führte zu einer allgemeinen Verbesserung der sozialen Stellung des weiblichen Geschlechts. Die Massenkonsumgesellschaft entstand dann in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts, als der einfache Kaufmann durch grosse Organisationen ersetzt wurde und der Versandhandel die Wirtschaft weiterhin stärkte. Bis zum ersten Weltkrieg stieg die Wirtschaftskraft der Amerikaner, von kleineren Rückschlägen unterbrochen, an. Nach dem gewonnenen Krieg begann das Zeitalter des Massenkonsums hingegen richtig zu florieren. Durch weiter verbreitete Werbung und vor allem die Einführung von Ratenzahlungen, konnte sich die breite Mittelschicht der Gesellschaft Möbel und Autos leisten, was zu einem bürgerlichen Lebensstil führte. Die Situation der Arbeiterklasse hingegen blieb unverändert. Die Arbeitszeiten blieben lang und in einzelnen Gebieten wurde auch 1929 noch immer 70 Stunden pro Woche gearbeitet, was heute an Unmenschlichkeit grenzt. Die Löhne lagen besonders in der

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Textilindustrie oft unter dem offiziell errechneten Existenzminimum und immer mehr Arbeiter verliessen aufgrund des mangelnden Erfolgs die Gewerkschaften wieder. Als die Grosse Depression Einzug hielt, verschlechterte sich die Wirtschaftslage für alle. Farmer konnten ihre Ware nicht mehr loswerden und städtische Arbeiter verloren ihre Stelle, worauf sie in Baracken leben mussten. Die Grosse Depression wird als eines der am tiefsten einschneidenden Ereignisse der Amerikanischen Geschichte bezeichnet. Als Retter in der Not wird dabei häufig Präsident Franklin D. Roosevelt angegeben, welcher mit seiner wirtschaftlichen Revolution weg vom Nachtwächterstaat hin zum Sozialstaat das Amerikanische System noch vor dem zweiten Weltkrieg grundlegend änderte. Einige Jahre später, im Jahre 1935, wurde der „National Labor Relations Act“ durchgesetzt, welcher laut Peter Hay „das wichtigste amerikanische Normwerk“5 darstellt. Parallel zu diesem Gesetzeserlass wurde eine Bundesbehörde gegründet, welche sich zukünftig einerseits um die Abstimmungen über Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitnehmern und andererseits um Beschwerden bezüglich unfairem Verhalten des Arbeitgebers kümmert. Sie wird „National Labor Relations Board“ genannt. Im Jahre 1938 wurde mit dem Fair Labor Standards Act die Basis für ein nationales Arbeitsrecht gelegt. Mindestlohn und Überstunden wurden geregelt und Kinderarbeit verboten.

5.4. Die Arbeitssituation in Amerika ab 19456

Nach dem zweiten Weltkrieg schien die Wirtschaft in Europa einen Moment still zu stehen, nicht jedoch diejenige der Vereinigten Staaten. Durch den Fakt, dass der Krieg grösstenteils auf europäischem und asiatischem Boden ausgefochten wurde, konnte sich Amerika einem unzerstörten und betriebsfähigen Industriesystem erfreuen – und im Vollen daraus schöpfen. Die vergleichsweise kleinen Verluste im zweiten Weltkrieg konnten durch das erste grossangelegte Migrationsprogramm7 beglichen werden. Mexikaner wurden für jeweils eine Saison in die USA geholt, um dort im Eisenbahnbau oder in der Landwirtschaft tätig zu sein. Rund drei Fünftel aller Industriegüter auf der Welt stammten aus Amerika und weiter waren die Amerikaner die einzige Supermacht, welche eine Atombombe besass. Dies übte natürlich indirekt, trotz der Beendigung des Krieges, Druck auf alle Konkurrenten aus, was den Amerikanern das Leben erleichterte. 1947 wurde trotz des Vetos des Präsidenten Truman der „Labor Management Relations Act“ erlassen, welcher auch „Taft-Harley Act“ genannt wird. Er 5

Hay, Peter. US-Amerikanisches Recht. Arbeits- und Sozialrecht. München, 2011. S. 242-252 http://www.wissen.de/bildwb/die-welt-nach-1945-politik-im-zeichen-des-ost-west-konflikts Abrufdatum: 15.09.15 7 http://www.kas.de/wf/doc/kas_15390-544-1-30.pdf?081229111041 Abrufdatum: 26.09.2015 6

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befasst sich mit unfairen Praktiken von Gewerkschaften und war 1957 der erste Gesetzesvorstoss aus dem Arbeitsrecht, der vom Bundesgericht offiziell als Bundesrecht anerkannt wurde. In der Zeit des Kalten Kriegs begann in Amerika eine neue Ära. Amerika als Land der Kapitalisten und Freiheitsdenker, die Union der sozialistischen Sowjetrepubliken, kurz UdSSR, bekannt für kommunistisches Gedankengut und soziale Gleichheit, standen sich in einem Wettkampf gegenüber. Obwohl dieser Krieg nicht auf dem Schlachtfeld ausgetragen wurde, erregte er die Gemüter innerhalb Amerikas. Nämlich wurden Kommunisten in den Vereinigten Staaten regelrecht verfolgt und verurteilt, vor allem Künstler

und Intellektuelle. In den

sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts kam in Amerika John F. Kennedy an die Macht. Dieser verfolgte aussenpolitisch weiter die Aufrüstung verschiedenster Bereiche, um mit der UdSSR mithalten zu können. Innerhalb der amerikanischen Grenzen begann jedoch eine Menschenrechtsbewegung wie es keine zweite mehr gegeben hat. Unter dem Anführer Martin Luther King, sahen viele der farbigen Einwohner Amerikas die Möglichkeit, unter Mithilfe von Präsident Kennedy, eine Basis der Gleichheit im Lande zu schaffen. Dies gelang, trotz der Ermordung Kennedys 1963, mit dem „Civil Rights Act“ von 1964. Hiermit wurde die Grundlage für das Diskriminierungsverbot gelegt, was Menschen aller Rassen einen Arbeitsplatz, Bildung und soziale Gleichheit versprach. Die von Unruhen geprägte zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte ihren nächsten Spannungshöhepunkt in den frühen Siebzigern, als sich die amerikanische Armee im Vietnam geschlagen geben musste und mit einem Verlust von 57‘000 Soldaten den Rückzug befahl. Heftige Demonstrationen und Kritik aus dem Volk hatten diesen demütigenden Schritt verlangt, nicht auszudenken, wo es sonst geendet hätte. Aufgrund der Abwesenheit vieler Männer begannen Frauen vermehrt zu arbeiten und die Familien zu versorgen. In den achtziger Jahren begann Präsident Ronald Reagan eine neue ökonomische Richtung einzuschlagen. Nämlich betrachtete er die Wirtschaft von der Angebotsseite her. Seine Idee, beziehungsweise die Idee seiner bevorzugten Ökonomen, besagt, dass man durch eine Senkung der Steuern eine höhere Produktivität erreichen kann, weil Arbeiter härter und länger arbeiten wenn sie mehr von ihrem Verdienst behalten können. Die Fiskalpolitik alleine half in erster Linie den Reichen, jedoch schien Reagan überzeugt, dass auf die ganze Wirtschaft einen positiven Einfluss haben würde. Und er sollte Recht behalten, denn tatsächlich legte sich die Wirtschaftskrise der frühen achtziger Jahre bereits 1983 wieder. Als der Präsident jedoch begann, die vom Vietnamkrieg geschwächte Armee zu stärken und gleichzeitig die Steuern weiter zu senken, ruderte er Amerika direkt in ein Staatsdefizit, dass jenes der letzten Wirtschaftskrise sogar überschritt.8 Auch wenn es dem Individuum nun besser ging, verschuldete sich der Staat weiter. Diese Politik verschärfte sich in den 2000er 8

http://economics.about.com/od/useconomichistory/a/economy_1980s.htm Abrufdatum: 15.09.2015

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Jahren, als Präsident George W. Bush weiter in die Armee investierte und Gelder verbrauchte, welche ohnehin nicht vorhanden waren. Eine bedeutende Veränderung erlebte Amerika erst wieder 2010, als Barack Obama seine Initiative „Obamacare“ im Kongress durchsetzen konnte und damit eine soziale Grundlage für ärmere und ältere Menschen schuf.

Abbildung 1: Unterschrift von Barack Obama zur Verabschiedung des "Patient Protection and Affordable Care Act" (Obamacare) (http://obamacarefacts.com/obamac are-facts/ Abrufdatum:28.09.2015)

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6. Arbeitsrecht im Vergleich 6.1. Abschluss des Arbeitsvertrags

Der erste Vergleich welcher wichtige Unterschiede aufzeigen soll, bezieht sich auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags, also das Anstellen einer Person in einem Unternehmen. Der Vergleich soll sich nicht in erster Linie um die Arbeitssuche oder Arbeitsvermittlung handeln, sondern um die Bewerbung und das anschliessende Erstellen eines gültigen Arbeitsvertrags. Obwohl in beiden Ländern keine spezielle Vertragsform erwartet wird, gehen die Normen auseinander und gewisse Gesellschaftsregeln haben sich eingependelt, welchen in diesem Kapitel auf den Grund gegangen werden soll. Wer sich in der Schweiz bewirbt, muss häufig Zeugnisse und akademische Abschlüsse vorlegen. Dabei wird sowohl auf die nötige Kompetenz in Form von schulischen Leistungen geachtet, als auch ein Auge auf das soziale Verhalten an früheren Arbeitsstellen geworfen. Mit dem Lebenslauf wird ein Einblick in relevante Erlebnisse und Laufbahnen gewährt, welches wiederum eine ausführlichere Analyse einer Person ermöglicht. Das Schwergewicht liegt auf den schulischen Leistungen und Arbeitszeugnissen vergangener Anstellungen. Es hat sich in der Schweiz eingependelt, dass Bewerbungen schriftlich, sauber und vollständig abgegeben werden müssen, um eine realistische Chance auf eine Stelle zu haben, vielfach ist sogar eine Fotografie der Bewerbenden beigelegt. Dies führt zu einem hohen Standard. Um nun zum rechtlichen Teil der Anstellung in einem Unternehmen zu kommen, beziehe ich mich auf Artikel 320 Absatz 1 aus dem Schweizer Obligationenrecht: „Wird es gesetzlich nicht anders bestimmt, so bedarf der Einzelarbeitsvertrag zu seiner Gültigkeit keiner besonderen Form.“9 In der Schweiz kann ein Arbeitsvertrag somit schriftlich, mündlich oder auch stillschweigend abgeschlossen werden, die Ausnahmen wären dabei der Lehrlingsvertrag und der Handelsreisendenvertrag, welche hier vernachlässigt werden können. Stillschweigend würde bedeuten, dass nie sprachlich oder schriftlich darüber kommuniziert wird, sondern dass beide Parteien durch das sogenannte konkludente Verhalten der anderen Partei annehmen können, dass das Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Dabei muss man davon ausgehen, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die wichtigsten Punkte im Vertrag einig sind. Eine schriftliche Absicherung ist aufgrund der Beweislast jedoch empfehlenswert.10 Durch den Vertragsabschluss verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur Verrichtung der Arbeit. Aufgaben sollten so erledigt werden, wie es, nach vernünftigem Massstab vom Arbeitgeber

9

Art. 320 Abs. 1 OR, Stand: 1. Juli 2014 Bräunlich Keller, Irmtraud. Arbeitsrecht – Vom Vertrag bis zur Kündigung. Stellensuche und Vertragsabschluss. Zürich, 2013. S.27 10

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erwartet werden kann. Im Gegenzug verpflichtet sich der Arbeitgeber zur Entschädigung, welche meist in Lohnzahlungen ausgeführt wird. Auch die Bereitstellung von Arbeitsgeräten ist meistens Aufgabe des Arbeitgebers, speziell wenn es um Maschinen und Fahrzeuge geht. Oft folgt dem Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Probezeit, während der sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber innerhalb einer kürzeren Kündigungsfrist künden können. Dies ist vor allem nützlich, wenn sich ein Angestellter als untauglich erweist oder er von falschen Vorstellungen über den Job geleitet wurde. In Amerika ist die Situation nicht ganz identisch gehandhabt. Statt einer ausführlichen Bewerbung wie sie in der Schweiz angefertigt wird, wird in Amerika vielfach ein einfaches Formular abgegeben, das ausgefüllt werden muss. In dem für diese Arbeit verwendeten Musterformular werden persönliche Angaben verlangt, gefolgt von Fragen nach der gewünschten Stelle, dem gewünschten Anfangsdatum und dem gewünschten Lohn, mit der Option auf Bezahlung nach Stunden oder Monaten beziehungsweise Wochen. Auch Informationen zur Ausbildung werden verlangt, jedoch reichen der Name der Schule, die Art des Abschlusses und die Hauptfächer. Zum Schluss wird nach persönlichen Stärken und früheren Stellen gefragt.11 Aufgrund der Tatsache dass jeder und jede ein ähnliches, wenn nicht identisches Formular ausfüllt, sind die Sauberkeit und die Kreativität weniger wichtig, da es gar keine selbst angefertigte Bewerbung gibt. Die meisten Arbeitnehmer sind dort auf der Basis eines rein mündlichen Vertrags angestellt. Dies bedeutet, dass der Vertrag nicht stillschweigend zu Stande kam, denn es wurde darüber gesprochen, jedoch wurden die wesentlichen Punkte nie schriftlich festgehalten und statt einer Unterschrift wird beispielsweise die Hand geschüttelt. Ein weiterer Unterschied lässt sich erkennen, wenn man in Amerika nach einer Art Probezeit sucht. Diese existiert nicht. Dementsprechend erreicht das Arbeitsverhältnis gleich volle Stärke, weil eine Probezeit aufgrund der bereits kurzen Kündigungsfrist überflüssig wäre.12 Leitende Angestellte erhalten in manchen Fällen Arbeitsverträge, jedoch ist dies tatsächlich eher der oberen Arbeiterschicht vorbehalten. Somit gibt es vielfach keine Beweise, die Informationen über die Art und Weise des gegenseitigen Einverständnisses geben und im Streitfall keine Möglichkeit zur Rechtshilfe, ausser das Gesetz sieht es vor. Natürlich kann dies unter Umständen sowohl für den Arbeitnehmer wie auch für den Arbeitgeber ein Problem darstellen, je nach der Situation in der sich die Beziehung der beiden Parteien befindet.

Ein weiterer Aspekt der das ganze

schwieriger macht ist die Tatsache, dass es auf Bundesebene kein einheitliches Arbeitsrecht Formular „APPLICATION FOR EMPLOYMENT“ http://www.samplewords.com/wpcontent/uploads/2010/03/pro-job-application-form1-21.pdf. Abrufdatum: 18.08.2015 12 Vesterling Personalberatung. Informationen zu amerikanischen Arbeitsverträgen: https://www.vesterling.com/fileadmin/user_upload/documents/ArbeitsvertragUSA.pdf . Seite 3. Abrufdatum: 18.08.2015 11

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gibt. Darum kommen einzelne Bestimmungen der Bundesstaaten zum Zuge, welche variieren können.13 Falls man auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt eine Stelle sucht, ist es wichtig sich über die Bestimmungen im betroffenen Bundesstaat zu informieren. Trotz der fehlenden Grundlage gibt es auch für angestellte in Amerika ein sogenanntes „Employee-Handbook“, welches jede Firma selbst erstellt und aktualisiert. Darin werden unternehmensspezifisch die wichtigen Fristen und Zahlen geregelt, Versicherungs- und Ferienfragen geklärt und somit ein mit dem Schweizer Obligationenrecht vergleichbares Grundgerüst zur Verfügung gestellt. Mit dem Unterschied, das jedes Unternehmen sein eigenes Buch hat. Dementsprechend findet in Amerika der ganze Anstellungsprozess auf eine etwas oberflächliche Art und Weise statt, dafür ist die vertragliche Bindung zwischen den betroffenen Parteien weniger stark und die Möglichkeiten etwas zu ändern, sind aufgrund der mündlichen Verträge gross.

6.2. Bezahlte Ferien

In der Schweiz gilt der Grundsatz von mindestens vier Wochen Ferien pro Arbeitsjahr, für Arbeitnehmer die jünger als 20 Jahre sind oder sich noch in der Ausbildung befinden liegt das Minimum bei fünf Wochen. Während diesen vier oder fünf Wochen wird der Lohn normal weitergezahlt, darum sind es sogenannte bezahlte Ferientage. Um einen realistischen Vergleich zustande zu bringen, wird im Folgenden ein Schweizer Arbeitsvertrag eines Kadermitgliedes aus dem Dienstleistungsbereich mit einem entsprechenden originalen Arbeitsvertrag eines Kadermitglieds aus einem Unternehmen im Bundesstaat Texas verglichen. Beim Schweizer Ferienpensum angefangen, ist es interessant zu wissen, dass rund 54 Prozent aller Befragten der Meinung sind, dass vier Wochen Ferien zu wenig sind. 35 Prozent denken, vier Wochen würden ausreichen. Keiner der Befragten wäre mit weniger zufrieden, genauso wie keinem die Ferien egal waren. Wie in Abbildung 2 sichtbar, gibt es noch rund elf Prozent welche eine eigene, etwas andere Meinung haben. Dabei wurde meistens erwähnt, dass fünf bis sechs Ferienwochen im Jahr optimal wären, dies jedoch mit erheblichen Mehrkosten verbunden wäre und darum lieber nicht umgesetzt werden soll.

13Leben

und arbeiten in den USA: https://www.eda.admin.ch/dam/eda/de/documents/publications/AuslandschweizerinnenundAuslandsc hweizer/dossier-auswandern/leben-und-arbeiten-usa_DE.pdf. Seite 16. Abrufdatum: 18.08.2015

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Wie viel Ferien braucht es?

0%

0%

11%

35%

54%

4 Wochen sind zu wenig

4 Wochen reichen aus

Weniger als 4 Wochen würden ausreichen

Ferien sind mir egal

Eigene Meinung

Abbildung 2: In vielen anderen Ländern erhalten Arbeitende nur wenige oder gar keine bezahlten Ferientage. Für Schweizer gilt der Grundsatz: Mindestens 4 Wochen. Wie stehen Sie dazu?

Im Schweizer Kaderarbeitsvertrag14, der für die Auswertung zur Verfügung stand, gibt es zum Ferienpensum keine Angaben. Weil in der Schweiz meistens auf mündliche Verträge bezüglich Arbeitsverhältnis verzichtet wird, ist davon auszugehen, dass die vom Bund gegebene Regelung aus dem Obligationenrecht gültig ist. Diese lautet wie folgt: „Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer jedes Dienstjahr wenigstens vier Wochen, dem Arbeitnehmer bis zum vollendeten 20. Lebensjahr wenigstens fünf Wochen Ferien zu gewähren.“15 Somit ist klar, dass dieses Kadermitglied rund vier Wochen bezahlte Ferien pro Dienstjahr erhält, was dem gesetzlichen Minimum entspricht. In einem Arbeitsvertrag aus einem handwerklichen Beruf16, ebenfalls aus der Schweiz, findet man wiederum eine andere Regelung vor. Nämlich gewährt hier der Arbeitgeber ab dem zurückgelegten 20. Altersjahr 20 Arbeitstage, ab dem 35. Altersjahr (oder nach zehn Dienstjahren) sind es 23 Arbeitstage, nach dem 50. Altersjahr 25 Arbeitstage. Ab dem 55. Altersjahr erhält der Arbeitnehmer 27 Arbeitstage bezahlte Ferien und am dem 60. Altersjahr sogar 30 Arbeitstage. Wichtig zu beachten ist, dass diese Zahlen ohne Wochenendtage gerechnet werden müssen. Eine Arbeitswoche hat also statt sieben nur fünf Tage. Diese

14

Schweizer Arbeitsvertrag Kaderbereich (Anhang) Schweizer Obligationenrecht. Zehnter Titel: Der Arbeitsvertrag. Erster Abschnitt: Der Einzelarbeitsvertrag. Art. 329a Abs. 1, Stand: 1. Juli 2014 16 Schweizer Arbeitsvertrag Handwerksbereich (Anhang) 15

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Menge an Ferientage liegt aufgrund der Steigerung im Alter etwas über dem gesetzlichen Minimum, jedoch durchaus im Schweizer Durchschnitt. In Amerika sieht die Situation wiederum etwas anders aus, denn das durchschnittliche Ferienpensum eines Arbeitnehmers liegt unter jenem der Schweiz. Zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses erhält man als Angestellter in etwa zehn Tage bezahlte Ferien. Was noch beachtet werden muss, sind die zusätzlichen Feiertage welche addiert werden können. Die bekanntesten wären hierbei Thanksgiving (Erntedankfest), der Independence Day (Tag der Unabhängigkeit) und der 4th of July, der Amerikanische Nationalfeiertag. An diesen Tagen muss nicht gearbeitet werden. Bleibt ein Arbeitnehmer eine längere Zeit bei einem Unternehmen, hat er die Chance, eine wertvolle Erhöhung der Anzahl Ferientage zu erhalten, beispielsweise einen Tag pro Dienstjahr beim gleichen Arbeitgeber. Dafür dürfen vielfach die Ferien auch erst nach einer gewissen Zeit bezogen werden. Vielfach beträgt diese Frist ein halbes oder ein ganzes Jahr.17 Der Sinn dahinter dürfte sein, dass man so einerseits verhindert, dass ein Arbeitnehmer nur kurze Zeit bei einem Unternehmen ist und dabei auch noch eine Menge Ferientage beziehen kann und andererseits, dass man dem Arbeitnehmer eine Art Motivation gibt, sich auch während einem längeren Arbeitsverhältnis entsprechend anzustrengen. Im Vertragsbeispiel aus dem Kaderbereich eines amerikanischen Unternehmens18 sind die bezahlten Ferientage etwas von den Normen abweichend geregelt. Nämlich scheint dieses Kadermitglied ein Ferienpensum von vier Wochen zu haben, welche so einzugeben sind, dass die Interessen des Unternehmens immer noch entsprechend verfolgt werden können. Als zweite Option steht, dass das Kadermitglied Anspruch auf die grösste in der Firmenpolitik festgelegte Menge an Ferientagen hat. Unklar bleibt, welche von beiden Optionen nun verfolgt wird und in welchem Fall welche Option angewendet würde. Im zweiten Beispiel, bei dem es sich um einen Vertrag19 aus einem handwerklichen Berufsfeld handelt, scheint eine grosse Ausnahme gezeigt zu werden. Dort beträgt die Anzahl an bezahlten Ferientagen nämlich zwei Wochen, was einiges über dem Durchschnitt von zehn Tagen liegt. Dafür ist dieser Vertrag im Gegensatz zum ersten Beispiel aus Amerika eher knapp gehalten und es gibt keine Regelung über den Zeitpunkt zu dem die Ferien eingegeben werden können.

17

Vesterling Personalberatung. Informationen zu amerikanischen Arbeitsverträgen: https://www.vesterling.com/fileadmin/user_upload/documents/ArbeitsvertragUSA.pdf . Seite 3. Abrufdatum: 18.08.2015 18 Amerikanischer Arbeitsvertrag Kaderbereich (Anhang) 19 Amerikanischer Arbeitsvertrag Handwerksbereich (Anhang)

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Die Ergebnisse aus den vier Verträgen lassen sich nun in einer Tabelle etwas übersichtlicher darstellen: Kaderarbeitsvertrag

Handwerklicher Arbeitsvertrag

Schweiz



Vier Wochen pro



Ab dem 20.

Dienstjahr (nach

Altersjahr gibt es 20

Obligationenrecht da

bezahlte Ferientage

keine Regelung



vorhanden)

Ab dem 35. Altersjahr (oder nach 10 Dienstjahren) gibt es 23 bezahlte Ferientage



Ab dem 50. Altersjahr 25 bezahlte Ferientage Ab dem 55. Altersjahr 27 bezahlte Ferien

Amerika



Option a) Der Arbeitnehmer



Zwei Wochen bezahlte Ferien

hat Anspruch auf vier Wochen Ferien zu einem Zeitpunkt indem sie die Interessen des Unternehmens nicht behindern. 

Option b) Das grösste festgelegte Ferienpensum der Firmenpolitik

Aus der Publikumsumfrage ging noch ein weiteres spannendes Ergebnis hervor, welches sich mit der Frage beschäftigt, wie sich die Anzahl Ferientage in den nächsten zehn Jahren wohl verändern wird. Demnach sind 53 Prozent der Befragten überzeugt, dass sich die Anzahl der

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bezahlten Ferientage gar nicht verändern wird. 42 Prozent glauben, dass es mehr Ferien geben wird und überstimmen damit klar die vier Prozent welche glauben, dass es weniger Ferientage sein werden. Aus unbekannten Gründen war auch eine Enthaltung dabei. Auf jeden Fall zeigt dies, dass man in der Schweiz tatsächlich davon ausgeht, keine Verschlechterungen bezüglich Ferien zu spüren zu bekommen, im Gegenteil. Es wird erwartet dass die Anzahl Ferientage mindestens gleich bleibt, wenn nicht sogar grösser wird. Obwohl die Schweizer Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern also schon deutlich mehr Ferien gewähren als dies die Amerikanischen tun, wird davon ausgegangen, dass es noch mehr werden wird.

Ferien in der Zukunft 1%

42% 53%

4% Mehr Ferien

Weniger Ferien

Es bleibt wie es ist

Keine Angabe

Abbildung 3: Inwiefern hoffen Sie, wird sich das aktuelle Arbeitsrecht bezüglich Anzahl bezahlter Ferientage in den nächsten 10 Jahren verändern?

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6.3. Unfall- und Krankentaggeldversicherung

In diesem Kapitel wird die Unfall- und Krankentaggeldversicherung der Schweiz mit der Versicherungslösung in Amerika verglichen. Bevor jedoch ein Blick in die Verträge geworfen wird, ist es wichtig, die Theorie zu verstehen. Diese ist, zumindest in der Schweiz, nicht ganz einfach aufgebaut. Um zuerst etwas Allgemeines anzumerken, ist es sehr wichtig, dass die Unfallversicherung und die Krankentaggeldversicherung nicht das gleiche sind und in den meisten Fällen in zwei verschiedene Versicherungspolicen aufgeteilt werden. Darum erscheint es als logisch, auf beide Bestandteile kurz einzugehen. Die Unfallversicherung20 bei Berufsunfällen in der Schweiz ist obligatorisch und tritt auch von selbst in Kraft. Sobald ein Arbeitnehmer mehr als acht Stunden in der Woche arbeitet, tritt auch die Nichtberufsunfallversicherung in Kraft. Sie beinhaltet alle direkt mit dem Unfall verbundenen Kosten wie medizinische Versorgung, Therapie und Medikamente und die Arbeitsunfähigkeit. Erwähnenswert ist auch die Unterscheidung von Berufsunfall und Nichtberufsunfall, denn beide sind ab dem Pensum von acht Stunden in der Woche über den Arbeitgeber versichert. Der Prämienanteil für die Nichtberufsunfallversicherung wird dabei vom Arbeitnehmer getragen, der Anteil für die Berufsunfallversicherung vom Arbeitgeber. Das entscheidende ist, dass die Unfallversicherung ab dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit 80 Prozent des Lohns ersetzt, dies wird Unfalltaggeld genannt. Diese abgeschlossene Versicherung des Arbeitgebers mit der Versicherungsgesellschaft wird nun bei längerer Arbeitsunfähigkeit

in

Koordination

mit

der

Invalidenversicherung

(IV)

und

dem

Bundesversicherungsgesetz (BVG) lebenslang für maximal 90 Prozent der Rente aufkommen. Die Definition eines Unfalls dürfte auch nicht unwichtig sein, denn der Schaden muss von aussen kommen und unvorhersehbar sein. Warum sehen diese Definition so wichtig ist, wird klar, wenn man sich mit dem Krankentaggeld befasst. Die Krankentaggeldversicherung21 ist nämlich dafür da, um den Arbeitnehmer im Falle einer Krankheit zu schützen. Eine Krankheit ist etwas, das von innen kommt und über eine längere Zeitspanne geschieht. Hier ist wichtig zu beachten, dass die Lohnfortzahlung bereits auf Bundesebene im Obligationenrecht geregelt ist und je nach Kanton und Skala etwas anders aussehen kann. Nach spätestens einem Jahr kommen bei Nichtvorhandensein einer Krankentaggeldversicherung automatisch die IV und das BVG zum Tragen. Der Arbeitgeber kann auch hier eine Versicherung abschliessen, um im Ernstfall nicht alles selbst bezahlen zu

Bräunlich Keller, Irmtraud. Arbeitsrecht – Vom Vertrag bis zur Kündigung. Rechte und Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit. Zürich, 2013. S.139-141 21 Bräunlich Keller, Irmtraud. Arbeitsrecht – Vom Vertrag bis zur Kündigung. Rechte und Pflichten bei Arbeitsunfähigkeit. Zürich, 2013. S.134-139 20

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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müssen. Falls er keine Versicherung abschliessen will, kommt im Krankheitsfall eine Skala zur Anwendung, welche ihm vorschreibt, wie viel Lohn er fortzahlen muss. Um sich dies bildlich vorstellen zu können, sieht man hier die Zürcher Skala, welche in einigen Kantonen angewandt wird. Im 1. Dienstjahr

3 Wochen Lohnfortzahlung

2. Jahr

8 Wochen

3. Jahr

9 Wochen

4. Jahr

10 Wochen

pro weiteres Jahr

1 Woche mehr

Abbildung 02.09.2015)

4:

http://www.kmu.admin.ch/personal/03369/03383/03385/index.html?lang=de

(Abrufdatum:

Jedoch gibt es auch Gesamtarbeitsverträge, welche beinhalten, dass der Arbeitgeber mit der Versicherung eine Krankentaggeldversicherung abschliessen muss. Ist dies getan, so ist der Arbeitnehmer im Normalfall ab dem 31. Tag seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch die Versicherung mit 80 Prozent seines Normallohnes versorgt, wobei der Arbeitgeber möglicherweise die Differenz zum vollen Lohn bezahlen muss, falls die Skala einen 100 prozentigen Lohnersatz vorschreibt. Im Gegensatz zur Unfallversicherung zahlt diese Versicherung jedoch nicht lebenslang, sondern im Normalfall nur 730 Tage. Danach kommen die ersten beiden Säulen zum Tragen. Die Prämie für diese Versicherung wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer meistens zu gleichen Teilen aufgespaltet, da beide davon profitieren. Auf der Basis dieser Theorie können nun die Schweizer Arbeitsverträge analysiert werden, begonnen beim Arbeitsvertrag aus dem Handwerk22. Dort ist die Regelung wie folgt: Es ist eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen worden, welche 80 Prozent vom Lohn deckt. Die Zahlung des Lohnersatzes während den ersten drei Tagen, welche für die Versicherung als Wartezeit gelten, wird vom Arbeitgeber übernommen. Die Prämien dafür werden zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen. Eine Unfallversicherung gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle ist ebenfalls vorhanden. Diese garantiert eine 80-prozentige Lohnfortzahlung ab dem dritten Tag der Arbeitsunfähigkeit durch den Unfall sowie auch die Deckung aller medizinischen Kosten. Die Prämien für die Nichtberufsversicherung müssen

22

Schweizer Arbeitsvertrag Handwerksbereich (Anhang)

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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vom Arbeitnehmer bezahlt werden, die Berufsunfallversicherung geht zu Lasten des Arbeitgebers. Diese Regelung entspricht der Norm in der Schweiz. Im zweiten Schweizer Arbeitsvertrag23, diesmal wiederum von einer Kaderstelle, sieht die Regelung etwa ähnlich aus. Nämlich würde der Arbeitnehmer hier im Falle eines Unfalls während

30

Tagen

einen

Lohnersatz

erhalten,

der

aus

Fixum,

Spesen

und

Provisionsausfallsentschädigung besteht. Die Provisionsausfallsentschädigung (im Folgenden PAE genannt) ist eine spezielle Methode, um Arbeitnehmern mit einem Umsatzabhängigen Einkommen eine Lohnfortzahlung gewähren zu können. Das bedeutet: Während 30 Tagen erhält der Arbeitnehmer den vollen Lohn vom Arbeitgeber (ohne dass die Versicherung einen Teil übernimmt, weil die Karenzzeit 30 Tage beträgt). Nach diesem Monat fallen sowohl Spesen wie auch PAE weg und die Versicherung übernimmt die Differenz zwischen dem Fixum und den versicherten 80 Prozent des Lohns. Weil dieser Arbeitgeber jedoch nicht nur die obligatorische Form der Versicherung abgeschlossen hat, sondern auch den Unfallversicherungszusatz hat, trägt die Versicherung auch die Differenz zu den vollen 100 Prozent

des

Lohns

noch.

Diese

Deckung

besteht

auf

Lebzeiten.

Die

Krankentaggeldversicherung ist ähnlich geregelt. Auch hier werden während den ersten 30 Tagen Fixum, Spesen und PAE vom Arbeitgeber gezahlt. Danach übernimmt die Versicherung die Different zwischen Fixum und 80 Prozent des Lohns. Da es hier keinen Zusatz gibt, muss der Arbeitgeber die restlichen 20 Prozent tragen, solange bis die entsprechende Skala keinen 100 prozentigen Lohnersatz mehr vorschreibt. Die Krankentaggeldversicherung zahlt maximal 700 Tage (730 Tage inklusive Karenzfrist). Um nun zur amerikanischen Seite des Vergleichs zu kommen, ist es wichtig zu wissen, dass das System total anders funktioniert als in der Schweiz. Nämlich ist es so, dass es lange keine obligatorische Unfallversicherung gab. Erst seit März 2010 ist die Gesundheitsreform24 in Kraft, welche ObamaCare genannt wird. Diese schliesst ein Obligatorium mit ein, welches jeden amerikanischen Staatsbürger dazu zwingt, eine Krankenversicherung abzuschliessen, wobei es verschiedenste Möglichkeiten gibt25. Es gibt sowohl die Möglichkeit sich privat zu versichern wie auch die Versicherung über den Arbeitgeber abzuschliessen. Meistens ist es so, dass der Arbeitgeber einen Teil mit zahlt, genau wie in der Schweiz. Zusätzlich ist es möglich, gleich die ganze Familie (Kinder bis 26 Jahre)26 über diese Versicherung gegen Krankheit und Unfall zu schützen. Da eine private Versicherung jedoch meistens sehr viel teurer ist, weil sie zum 23

Schweizer Arbeitsvertrag Kaderbereich (Anhang) http://www.americandream.de/auswandern-usa/partnerangebote/versicherung-usa/ Abrufdatum: 10.09.2015 25 https://www.vesterling.com/fileadmin/user_upload/documents/ArbeitsvertragUSA.pdf Seite 2. Abrufdatum: 10.09.2015 26 http://www.americandream.de/auswandern-usa/partnerangebote/versicherung-usa/ Abrufdatum: 10.09.2015 24

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Beispiel freie Arztwahl gewährt, sind mehr als die Hälfte aller in den USA lebenden Arbeitnehmer über ihren Arbeitnehmer versichert. Diese Unfall- und Krankenversicherung ist jedoch nicht mit dem Sozialversicherungssystem zu verwechseln, denn sie ist kein Bestandteil davon. Im amerikanischen Kaderarbeitsvertrag27 mussten die Angaben zusammengesucht werden, da sie nicht allesamt in einem Kapitel geregelt sind. Als grundsätzliche Regelung wird einmal genannt,

dass

das

Unternehmen

so

lange

Rückzahlungen

für

vernünftige

Krankenversicherungsprämien leisten muss, bis es ähnliche Alternativen bieten kann. Diese Rückzahlungen werden monatlich geleistet und müssen Versicherungsprämien für zahnärztliche sowie augenärztliche Untersuchungen, Tod des Arbeitnehmers, Invalidität und eine Lebensversicherung abdecken, welche nicht mehr als eine Million Dollar wert sein darf. Das Unternehmen hat das Recht, die bestehenden Versicherungspolicen zu kaufen, zu ersetzen oder die Verantwortung für die Krankenversicherung zu übernehmen, solange die Bedingungen für den Arbeitnehmer mindestens gleich gut bleiben. Weiter wird auch erwähnt, dass im Falle einer Behinderung keine Zahlungen mehr geleistet werden müssen, sobald das Arbeitsverhältnis

(aufgrund

der

eingetretenen

Behinderung)

aufgelöst

wird.

Die

Teilhaberaktien des Arbeitnehmers werden ausbezahlt und das nach dem Datum der Kündigung, welches als Stichtag gilt. In diesem Falle würde dann jedoch ein Reservepool zur Anwendung kommen, welcher eine Krankenversicherung für Behinderte anbietet.28 Im Vertrag aus dem Handwerksbereich gibt es dazu keine Regelung. Im amerikanischen Vertrag aus dem Handwerksbereich sind wiederum keine Angaben zu finden. Es ist also davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer entweder in einem einzelnen schriftlichen Vertrag oder mündlich eine Einigung mit dem Arbeitgeber gefunden hat, welche es ihm ermöglicht, sich über seine Stelle zu versichern. Andernfalls hat sich der Arbeitnehmer wahrscheinlich privat versichert, was jedoch teurer ist. Dafür bietet diese einige Vorteile. 29

27

Amerikanischer Arbeitsvertrag Kaderbereich (Anhang) http://www.americandream.de/auswandern-usa/partnerangebote/versicherung-usa/ Abrufdatum: 10.09.2015 29 Amerikanischer Arbeitsvertrag Handwerksbereich (Anhang) 28

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6.4. Kündigungsschutz

Einführung Schweizer Kündigungsschutz30: In der Schweiz ist der Kündigungsschutz ein Gebiet mit einer hohen Regeldichte. Dies bedeutet, dass viele Bestimmungen im Obligationenrecht den Arbeitnehmer vor einer „unfairen“ Kündigung schützen. Was genau als „unfair“ gilt und ich welchem Fall der Arbeitnehmer in der Schweiz die Möglichkeit hat, gegen eine Kündigung vorzugehen, wird im Folgenden etwas genauer erläutert. Zuerst einmal, gilt im Schweizer Arbeitsrecht eine Kündigungsfreiheit. Diese erlaubt es, ein Arbeitsverhältnis zu jedem Zeitpunkt aufzulösen. Die sogenannten Kündigungsfristen bieten hier einen Schutz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, um nicht vom einen auf den anderen Tag ohne Arbeit auf der Strasse zu stehen. Weil man später unter Umständen beweisen muss, auf welchen Termin hin man gekündigt hat, ist es wichtig, die Kündigung schriftlich abzufassen, obwohl keine Formvorschrift herrscht. Die eigentliche Kündigungsfrist ist abhängig von der Anzahl Dienstjahre beim selben Arbeitgeber. Das Obligationenrecht regelt dies in Art. 335c OR. Die Daten und Zahlen sind in der folgenden Tabelle übersichtlich einsehbar. Dauer des Arbeitsverhältnisses

Kündigungsfrist

Probezeit (1-3 Monate)

Keine

1. Dienstjahr

1 Monat

2.-9. Dienstjahr

2 Monate

Ab 10. Dienstjahr

3 Monate (auf Ende des Monats)

Weiter ist es wichtig zu wissen, dass die Kündigung ein empfangsbedürftiges Dokument ist. Das heisst, sie tritt dann in Kraft, wenn der Empfänger der Kündigung davon Kenntnis nimmt. Dies gilt auch, wenn die Kündigung per Post verschickt wird. Die Kündigung muss nicht angekündigt werden noch muss der Arbeitgeber Verwarnungen aussprechen bevor er kündigt. Begründet muss die Beendigung eines Arbeitsverhältnis nur dann werden, wenn dies eine Partei ausdrücklich verlangt. Selbst wenn diese Begründung nicht zutrifft, ändert es nichts an der Aufhebung des Vertrags, denn der Arbeitnehmer hat ausschliesslich das Recht, seine Sicht der Dinge darzulegen. Sollte ein Arbeitgeber nicht wollen, dass der bereits gekündigte Arbeitnehmer immer noch im Unternehmen arbeitet, kann er ihn per sofort freistellen. Die Lohnzahlung besteht dann fortwährend bis die Kündigungsfrist abläuft, jedoch wird keine Arbeitsleistung mehr erbracht. Das Ferien- und Überstundenguthaben wird je nach

Bräunlich Keller, Irmtraud. Arbeitsrecht – Vom Vertrag bis zur Kündigung. Kündigung, Schlussabrechnung, Arbeitszeugnis. Zürich, 2013. S. 224-262 30

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Zumutbarkeit während der Freistellung oder Kündigungsfrist noch bezogen oder, falls es aufgrund der Stellensuche unzumutbar wäre, am Ende ausbezahlt. Es existieren auch einige Fristen innerhalb welcher es nicht möglich ist, zu kündigen. Die sogenannten Sperrfristen beinhalten die Leistung von obligatorischem Militär- oder Schutzdienst, Arbeitsunfähigkeit durch Unfall oder Krankheit, Schwangerschaft und Hilfsaktionen im Ausland. Je nach dem Grund der Sperrfrist unterscheidet sich auch die zeitliche Frist. Eine solche Kündigung ist wirkungslos und müsste wiederholt werden sobald die Sperrfrist abgelaufen ist. Sollte eine Kündigung kurz vor der Sperrfrist ausgesprochen werden, bleibt die normale Kündigungsfrist während der Sperrfrist stehen und läuft danach weiter. Es gibt auch noch missbräuchliche Kündigungen. Definiert sind diese laut Irmtraud Bräunlich Keller wie folgt: „Gemeint sind Kündigungen, die wegen Alter, Geschlecht, sexuellen Neigungen, Rasse, Religion, Parteizugehörigkeit etc. ausgesprochen werden.“31 Weiter dazu gehören

auch

noch

das

Ausüben

von

verfassungsmässigen

Rechten

und

die

Gewerkschaftszugehörigkeit. Auch jene Kündigungen sind wirkungslos. Zum Schluss wird noch die fristlose Kündigung ins Visier genommen. Dies bedeutet, dass es keine Kündigungsfrist gibt. Ausgesprochen durch den Arbeitgeber kann sie nur werden, wenn der Arbeitnehmer ein Vergehen oder Verbrechen tätigt, die zugewiesene Arbeit verweigert, oder illoyales Verhalten an den Tag legt. Auch auf Seiten des Arbeitnehmers kann eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden. Gründe dafür wären Tätlichkeiten oder sexuelle Belästigung

durch

den

Arbeitgeber,

Aufforderung

zu

einer

strafbaren

Handlung,

Zahlungsunfähigkeit, schwerwiegende Ehrverletzung oder eine Verletzung der Schutzpflicht bei Betriebsgefahren, stets durch den Arbeitgeber. Einführung amerikanischer Kündigungsschutz32: In Amerika gibt es keinen eigentlichen Kündigungsschutz. Der Grund dafür liegt im Grundsatz „employment at will“, sinngemäss übersetzt würde dies „Arbeiten nach freiem Willen“ heissen. Dieser Grundsatz setzt voraus, dass beide Parteien zu jeder Zeit künden dürfen. Hierbei wird von Peter Hay ein viel verwendetes Abwicklungsverfahren erwähnt. Nämlich sagt er: „Für eine Kündigung „at will“ etwa, gilt die conideration-Lehre. Dabei gibt der Arbeitnehmer freiwillig und bewusst eine Verzichtserklärung (release of claims) ab, die vom Arbeitgeber durch eine einmalige Sonderzahlung (severance pay) praktisch „erkauft“ wird. Das Verfahren einer Kündigung muss im Arbeitsvertrag geregelt sein. Da jedoch auch in Amerika eine Vertragsfreiheit besteht, muss Bräunlich Keller, Irmtraud. Arbeitsrecht – Vom Vertrag bis zur Kündigung. Kündigung, Schlussabrechnung, Arbeitszeugnis. Zürich, 2013. Seite 244 32 Hay, Peter. US-Amerikanisches Recht. Arbeits- und Sozialrecht. Die Entwicklung des Arbeitsrechts. München, 2011. S. 243-247 31

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dieser Vertrag weder Schriftlichkeit oder eine andere spezielle Form vorweisen. Im Normalfall beträgt die Kündigungsfrist zwei Wochen, jedoch ist dies nicht national gesetzlich verankert. Ein Bereich, in dem die Schweiz Amerika laut Rechtsanwalt Patrick M. O’Neill hinterher hinkt ist das Diskriminierungsverbot. „Was Amerika mit uns gemeinsam hat, sind die Missbrauchsund Diskriminierungsregeln. Ich würde sogar sagen, dort sind sie uns voraus, denn sie hatten dies schon als wir noch gar nicht darüber nachgedacht haben.“33 Natürlich muss Missbrauch und Diskriminierung definiert werden. Peter Hay nennt hierzu einige Bereiche wie Hautfarbe, Glaubensrichtung, Gesundheit oder Geschlecht. Kündigen aufgrund dieser Gründe ist nicht erlaubt, jedoch liegt die Beweislast jeweils beim Kläger, also meistens beim Arbeitnehmer. Nicht immer ist eine solche, benachteiligende Behandlung nachzuweisen, was es erheblich erschwert, gegen eine solche Kündigung vorzugehen. Offensichtlich stellt sich in Amerika in Sachen Kündigung nicht die Frage nach gesetzlichen Bestimmungen, sondern in erster Linie nach einem schriftlichen Arbeitsvertrag, denn nur so kann eine ordentliche Kündigungsfrist abgemacht und später bewiesen werden. Vertragsvergleich: Im ersten Schweizer Vertrag34 aus dem Handwerksbereich ist die Regelung wie folgt: In Art. 2 wird gesagt, dass das Arbeitsverhältnis fristlos ist. Dies bedeutet, dass es im Falle einer Beendigung eine Kündigung brauchen würde. Während der dreimonatigen Probezeit beträgt die Kündigungsfrist sieben Tage, danach steigert sie sich mit der Anzahl Dienstjahre. Nämlich beträgt sie im ersten Dienstjahr einen Monat, ab dem zweiten Dienstjahr beträgt sie zwei Monate und ab dem fünften Dienstjahr 3 Monate. Erwähnt wird noch die Regelung im Falle einer Freistellung. Dann würden nämlich die Ferien- und Mehrarbeitsansprüche automatisch mit der Freistellung abgegolten werden. Im zweiten Schweizer Arbeitsvertrag35 aus dem Kaderbereich ist der Kündigungsschutz wie folgt geregelt. Unter Punkt 13 wird aufgeführt, dass während der Probezeit von drei Monaten die Kündigungsfrist nur sieben Tage beträgt. Danach entspricht sie der Regelung im Obligationenrecht. Also beträgt sie im ersten Dienstjahr einen Monat, vom zweiten bis zum neunten Dienstjahr zwei Monate und ab dem zehnten Dienstjahr drei Monate. Im Falle einer Freistellung muss der Arbeitnehmer seine Ferien beziehen, zusätzlich erlischt der Anspruch auf eine Spesenpauschale. Im ersten amerikanischen Arbeitsvertrag, welcher aus dem Handwerksbereich36 stammt, ist eine der seltenen Ausnahmen zu finden. Nämlich gibt es keine Kündigungsschutzangaben, weil der Vertrag befristet ist, das Arbeitsverhältnis dauert nur 18 Monate. Sollte es hier zu einer

33O’Neill,

Patrick M. Zitat aus dem Interview vom 12.05.2015 (Anhang) Schweizer Arbeitsvertrag Handwerksbereich (Anhang) 35 Schweizer Arbeitsvertrag Kaderbereich (Anhang) 36 Amerikanischer Arbeitsvertrag Handwerksbereich (Anhang) 34

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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vorzeitigen Kündigung kommen, müssten man sich also auf mündlicher Ebene geeinigt haben. Grundsätzlich ist dies möglich, weil in Amerika die Vertragsfreiheit gross geschrieben wird. Hingegen im amerikanischen Kaderarbeitsvertrag37 lässt sich eine Regelung zum Kündigungsschutz finden. Zwar ist diese etwas umständlich festgehalten, doch ist sie ausführlich vorhanden. Es gibt grundsätzlich drei Optionen, welche alle unter Punkt 5 Festgehalten werden. Der erste Fall, welcher „Termination Without Cause“ genannt wird, also „Beendigung ohne Grund“, ist weitgehend selbsterklärend. Sollte der Verwaltungsrat dagegen stimmen, dass der Angestellte weiter im Unternehmen angestellt bleiben kann, hat er Recht auf folgende Zahlungen: Der Lohn, inklusive Prämien, wird in der Höhe in der er sich am Kündigungstag befindet, weitergezahlt. Die Frist für diese Fortzahlung beträgt mindestens sechs Monate, was sehr lange ist. Es wird ein Bonus ausgezahlt, der laut Punkt 3(e) mindestens die Hälfte des Jahreseinkommens sein sollte, berechnet anhand des Jahreseinkommens bis zum Kündigungszeitpunkt. Das Aktienkapital, welches dem Arbeitnehmer zusteht, wird ihm ausgezahlt. Der zweite mögliche Fall wäre eine freiwillige Kündigung des Angestellten. Er müsste die Kündigung jedoch 120 Tage im Voraus einreichen und damit rechnen, dass das Unternehmen die Kündigung per sofort geltend macht. Zusätzlich muss das Unternehmen keinerlei Zahlungen machen, sollte der Arbeitnehmer freiwillig kündigen. Die einzigen Ausnahmen, welche als „good reason“ gelten, also als „gute Gründe“, sind ein Wohnortwechsel aus dem Stadtgebiet in welchem die Firma ansässig ist, ein schwerwiegender Verstoss gegen die Bestimmungen auf Seiten des Arbeitgebers oder eine Nicht-Wiederwahl des Angestellten in den Firmenvorsitz. Falls die Kündigung aufgrund eines solchen „guten Grunds“ erfolgt, hat der Angestellte das Recht auf alle vorhin bereits genannten Zahlungen. In Punkt 5(c) wird dann noch der dritte mögliche Fall gezeigt, nämlich die „Termination for Cause“, die Kündigung mit einem Grund welcher das Fehlverhalten des Arbeitnehmers betrifft. In der Auflistung werden Alkohol- oder Drogensucht, die Weitergabe von vertraulichen Informationen, die erzwungene Kündigung durch die Regierung aufgrund von fragwürdigen Aktivitäten des Arbeitnehmers, ein schweres Verbrechen, die Verachtung der Vorschriften und Ziele des Unternehmens, ernsthafte Verstösse gegen moralische Regeln, welche an der Glaubwürdigkeit des Arbeitnehmers zweifeln lassen oder Betrug genannt. Sollte die Kündigung durch einen dieser Punkte herbeigeführt werden, erhält der Arbeitnehmer keine Zahlungen.

37

Amerikanischer Arbeitsvertrag (Anhang)

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

Kaderarbeitsvertrag

S e i t e | 33

Schweiz

Amerika









Während Probezeit nur sieben Tage

Monatslöhne plus

Während dem ersten

Bonus ausgezahlt,

Dienstjahr einen

bei grundloser

Monat

Kündigung seitens

Ab dem zweiten bis

der Unternehmung

neunten Dienstjahr 

Keine Frist, dafür 6



Bei freiwilliger

zwei Monte

Kündigung seitens

Ab dem zehnten

des Arbeitnehmers

Dienstjahr drei

braucht es

Monate

Schriftlichkeit, 120 Tage im Voraus. Die Unternehmung kann Kündigung sofort geltend machen, Zahlungen gibt es nur bei Kündigungen aufgrund von „good reasons“ 

Bei Kündigung wegen Fehlverhalten des Arbeitnehmers keine Zahlung

Handwerklicher



Arbeitsvertrag

Während Probezeit



nur sieben Tage 

Während dem ersten Dienstjahr einen Monat



Ab dem zweiten Dienstjahr zwei Monate



Ab dem fünften Dienstjahr drei Monate

Befristetes Arbeitsverhältnis



Keine Regelung zum Kündigungsschutz

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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7. Einfluss der Gewerkschaften und ihrer Gesamtarbeitsverträge

7.1. Gewerkschaften in der Schweiz38

Um etwas über die Lage der Gewerkschaften in der Schweiz herauszufinden, interviewte ich Herrn Franco Moretta, Sektionsleiter der Sektion Rapperswil-Glarus bei der Gewerkschaft UNIA. Er arbeitet bereits seit 20 Jahren für Gewerkschaften und konnte mit seiner Erfahrung einiges über die aktuelle Situation in der Schweiz erzählen. Der Tätigkeitsbereich einer Gewerkschaft in der Schweiz ist seiner Antwort nach in zwei grosse Teile einzuteilen. Einerseits das Aushandeln von Gesamtarbeitsverträgen, welche entweder für einzelne Firmen oder schweizweit gültig sein können. Andererseits geht es um das Bearbeiten von Rechtsfällen, bei denen UNIA-Mitglieder involviert sind. Dabei werden die Prozesskosten jeweils vollständig von der Gewerkschaft übernommen. In Bezug auf Branchen scheint die UNIA keine Einschränkung aufrecht zu erhalten. „Weiter ist natürlich klar, in meinem Tätigkeitsbereich bin ich zuständig für den Bau, dies jedoch gesamt - ostschweizerisch. Sektional, also innerhalb der Sektion Rapperswil-Glarus, gibt es natürlich alles: Industrie, Gewerbe, Tertiärbereich.“39 Das grösste Problem, mit dem die Gewerkschaften in der Schweiz konfrontiert werden, ist die sinkende Mitgliederzahl im Verhältnis zu früher. „Ich sage es noch einmal, das ist die Realität. Eine Gewerkschaft ist etwas, das man hat, solange man profitieren kann. Sobald man keinen Profit mehr sieht, glaubt man, es nicht mehr zu brauchen.“, erklärt Moretta. Weiter erwähnt er: „Damit sind wir dauernd konfrontiert. Es ist ein hartes Business. Sektionen und Gewerkschaften können nur überleben, wenn sie Mitglieder haben. Haben wir keine, können wir auch keine Gesamtarbeitsverträge durchführen, geschweige denn durchsetzen. Es ist nicht möglich. Diese Gefahr wird vom Volk einfach unterschätzt.“40 Offensichtlich scheinen Gewerkschaften in der Schweiz zu schwach zu sein. Das Problem scheint jedoch in einer Art Fehlinterpretation des Volkes zu liegen. „Wir sind zwar nicht schlecht vertreten im Parlament, aber die Gewerkschaft wird immer mit der SP verbunden.“, so Moretta, „. Und was passiert, wenn bürgerliche Parteien SP hören? Sie sind alle dagegen.“41 Eine Stärkung der Gewerkschaften wäre somit in der Schweiz nötig, um Änderungen auf nationaler Gesetzesebene, sprich im Obligationenrecht, durchzuführen. Der aktuelle Brennpunkt ist klar die Baubranche. Kurzfristig wird von der UNIA ein neuer

38

Moretta, Franco. Zitat aus dem Interview vom 16.09.2015 (Anhang) Moretta, Franco. Zitat aus dem Interview vom 16.09.2015 (Anhang) 40 Moretta, Franco. Zitat aus dem Interview vom 16.09.2015 (Anhang) 41 Moretta, Franco. Zitat aus dem Interview vom 16.09.2015 (Anhang) 39

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Gesamtarbeitsvertrag angestrebt, der mit einigen Verbesserungen vor dem Jahresende zu Stande kommen soll, denn dann wird der bestehende Gesamtarbeitsvertrag auslaufen.

7.2. Gewerkschaften in Europa – ein Gesamtüberblick

In Europa als Ganzes gesehen scheinen Gewerkschaften stärker zu sein als in der Schweiz. Als stark von Gewerkschaften bestimmte westliche Nation gilt Deutschland, wo neben einer sehr hohen Regeldichte im Jahre 2010 rund 19 Prozent durch eine Gewerkschaft organisiert ist, dies entspricht etwa jedem fünften Arbeitnehmer. Wichtig hierbei: Kein Arbeitnehmer darf in Deutschland dazu gezwungen oder daran gehindert werden, einer Gewerkschaft bei zu treten. Zudem sind die Gewerkschaften in Deutschland alleine für die Tarifpolitik verantwortlich und nicht in die Zahlung von Arbeitslosengeldern involviert. Dies gibt ihnen die Möglichkeit, sich voll und ganz auf einen Bereich zu konzentrieren. In Ländern wie Italien oder Frankreich zum Beispiel, sind noch immer religiös oder politisch motivierte Gewerkschaften aktiv.42 Immer spielt auch die Tradition des entsprechenden Landes eine Rolle. So erschwert zum Beispiel in Italien die Tatsache, dass es viele kleine Betriebe gibt, die Arbeit der Gewerkschaften. Weiter äusserte sich auch Franco Moretta zu den italienischen Gewerkschaften: „Das krasse Beispiel war bis vor einem Jahr Italien. Dort gab es den berühmten Artikel 18, welcher besagte, dass einem festangestellten Arbeitnehmer nicht gekündet werden kann.“ Obwohl dies eigentlich in die Richtung gehen würde, in welche Gewerkschaften versuchen zu gelangen, ist es laut Moretta ein Extrem, dass so nicht sein soll: „Das ist natürlich das krasse Gegenteil, das darf auch nicht sein.“43 Europa ist also der Schweiz schon einen Schritt voraus und entwickelt sich, wie man am Beispiel von Italiens Abschaffung des 18. Artikel sieht, teilweise sogar wieder zurück. In Skandinavien gibt es einen sehr hohen Organisationsgrad mit bis zu 74 Prozent in Finnland. Frankreich dagegen hat mit 8 Prozent den tiefsten Organisationsgrad, jedoch muss hier beachtet werden, dass die Grösse des Landes und die Anzahl der Arbeitnehmer stark variiert, darum sind diese Werte relativ. 44

42

http://library.fes.de/pdf-files/id-moe/08986.pdf Seite 2. Abrufdatum: 26.09.2015 Moretta, Franco. Zitat aus dem Interview vom 16.09.2015 (Anhang) 44 http://de.worker-participation.eu/Nationale-Arbeitsbeziehungen/Quer-durch-Europa/Gewerkschaften Abrufdatum: 26.09.2015 43

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Anbei noch zu sehen, wie viele Prozent der Arbeitnehmer in den jeweiligen Ländern einer Gewerkschaft angehören. Land

Organisationsgrad

Finnland

74%

Deutschland

19%

Italien

30%

Frankreich

8%

Schweiz

20,3%45

7.3. Gewerkschaften in Amerika

In Amerika scheinen die Probleme der Gewerkschaften noch essentieller zu sein. 2013 sank die Anzahl Gewerkschaftsangehöriger auf den tiefsten Punkt seit 97 Jahren. Weil die Gewerkschaften immer mehr Niederlagen einstecken müssen, werden sie neuerdings eher als zusätzliches Problem anstatt als Lösung für Probleme angesehen. Im Staate New York sind mit 23,2 Prozent am meisten Arbeitnehmer organisiert, während dem in North Carolina mit nur 3,2 Prozent am wenigsten Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft sind. Weiter steht den Gewerkschaften teilweise auch die amerikanische Geschichte im Weg: Durch die vorwiegend von Republikanern beherrschten Südstaaten sinken die Möglichkeiten der Gewerkschaften, sich im ganzen Land auszubreiten. Grosse Werke, zum Beispiel jenes von Volkswagen, lassen sich in Texas und anderen Südstaaten nieder, wo Republikaner jeden Startversuch von Gewerkschaften im Keim ersticken. Diese Haltung stammt noch aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg, als die Republikaner als angehörige der Konföderierten Staaten bereits gegen Gleichheit unter den Arbeitnehmern beziehungsweise Sklaven kämpften.46 Ein weiteres Hindernis sieht Herr Markus Imboden, CFO der Oetiker Group darin, dass die Mobilität der amerikanischen Arbeitnehmer eingeschränkt ist. „Unsere Firma ist, soviel ich weiss, der grösste Arbeitgeber in der weiteren Umgebung. Es gibt dort auch sehr viele langjährige Mitarbeiter und diese Konstellation gibt nicht den Boden für Gewerkschaften.“47, sagt er. „Es ist sicherlich etwas anderes, wenn es ein Unternehmen irgendwo in New York oder Boston wäre. Eine Metropole, vielleicht auch Florida oder Kalifornien. Das sind in Amerika riesige

45

http://de.worker-participation.eu/NationaleArbeitsbeziehungen/Laender/Schweiz/Gewerkschaften#note1 Abrufdatum: 26.09.2015 46 http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/gewerkschaften-in-den-usa-arbeiter-ohnestimme,1473632,21569228.html Abrufdatum: 26.09.2016 47 Imboden, Markus. Zitat aus dem Interview vom 6. Juli 2015 (Anhang)

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Welten. Das war auch lange meine Vorstellung von Amerikanern: mobil und frei. Heute sehe ich viele, die dort bleiben, wo sie geboren wurden, dort sterben. Ihre Familie lebt dort.“48 Grundsätzlich erblicken Gewerkschaften in der Amerika ein schwieriges Umfeld. Weil die gesetzliche Basis fehlt, müssen Gewerkschaften um ganz grundlegende Zugeständnisse zugunsten der Arbeitnehmer kämpfen, welche in anderen Industrieländern schon längst Normen sind. Als nach 1970 die Gewerkschaftsmitgliederzahlen sanken, sahen es auch die Arbeitgeber nicht mehr als nötig an, weiter mit Gewerkschaften zu kooperieren. Was in anderen Ländern also der Staat von selbst übernimmt, muss in den USA von Gewerkschaften erreicht werden, so grundlegend die Regelungen auch sein mögen. Wie Joseph A. McCartin in seiner Studie „Sanierung des Bröckelnden Tarifsystems?“ beschreibt, beruht das Missverhältnis auf dem gegenseitigen Misstrauen zwischen Regierung, Industrie und Gewerkschaften. Weiter sind die Strafen bei Gesetzbruch so tief, dass es tatsächlich billiger ist, das Gesetz zu brechen, als beispielsweise ein Arbeitnehmer korrekt zu entlassen.49 Die Kombination all dieser Gegebenheiten macht es für den Arbeitnehmer einfacher, sich keiner Gewerkschaft anzuschliessen, sondern mit dem Arbeitgeber direkt zu kooperieren, weil er so die Mitgliedskosten sparen kann und die Erfolgsaussichten der Gewerkschaften sowieso nicht sonderlich gross sind.

48 49

Imboden, Markus. Zitat aus dem Interview vom 06.07.2015 (Anhang) http://library.fes.de/pdf-files/id/11078.pdf Seite 7 und 11-12. Abrufdatum: 26.09.2016

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8. Republikaner an die Macht – Wie sieht die Zukunft aus? 50

Momentan wird Amerika noch von Präsident Barack Obama regiert – doch dieser darf zu den Neuwahlen 2016 nicht mehr antreten, weil er bereits seine zweite Amtszeit ausübt. Die Möglichkeit, das wichtigste Amt zurückzuerobern. Die Republikaner werden mit allen Mitteln versucht sein, einen ihrer momentan 16 Kandidaten zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten zu machen. Sollten sie dies tatsächlich erreichen, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit auch in Sachen Arbeitsrecht eine etwas andere Richtung eingeschlagen. So stehen die Republikaner grundsätzlich für eine freie Wirtschaft ein, das sogenannte laissezfaire-Prinzip. Sinngemäss übersetzt bedeutet dies, dass die Arbeitnehmer selbst „machen sollen“,

also

steht

der

Staat

nur

im

Hintergrund

und

bietet

gewisse

wenige

Rahmenbedingungen. Zu diesem freien System gehört auch das Arbeitsrecht. Beispielsweise wird mit grosser Wahrscheinlichkeit die hire and fire-Politik nicht aufgehoben werden, da Arbeitnehmer sowie auch Arbeitgeber die Freiheit besitzen sollen, den Arbeitsplatz und die Angestellten auszuwechseln, ohne dabei einen grossen Papierkrieg bewältigen zu müssen. Weiter ist es wahrscheinlich, dass die Republikaner ihren Krieg gegen die Gewerkschaften weiterführen werden. Gewerkschaften versuchen ja bekanntlich, Vorteile für die Arbeitnehmer zu verhandeln. Da dies jedoch wiederum eine Freiheitsbeschränkung für den Arbeitgeber bedingt, ist vor allem der konservative Flügel dagegen. Ein weiterer Grund liegt darin, dass die Republikaner ihre Anhänger in der reicheren und gebildeten Gesellschaftsschicht haben. Dadurch wären viele Firmeninhaber von gewerkschaftlichen Erfolgen und arbeitsrechtlichen Veränderungen direkt betroffen. Abschliessend kann man sagen, dass die Republikaner mit Sicherheit ihre freie Wirtschaft inklusive Arbeitsrecht verfolgen werden. Die sozialen Bereiche könnten nur verbessert werden, wenn der konservative Flügel nicht zu viel Macht erlangt. Darum ist es nicht nur entscheidend, welche Partei das Präsidentenamt erhält, sondern eben auch wer das Amt schlussendlich ausübt. Auf jeden Fall wird es 2016 zu einem spannenden Endspurt in der Präsidentschaftswahl kommen. Es wäre interessant, auf die spezifischen Ziele der Republikaner weiter einzugehen, dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.

50

http://www.americanet.de/html/politisches_system__republican.html Abrufdatum: 28.09.2015

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9. Darlegung der Ergebnisse

9.1. Beantwortung der Thesen Die Thesen die am Anfang der Arbeit aufgestellt wurden, konnten aufgrund der Publikumsumfrage beantwortet werden. Sie sind kein direkter Bestandteil des Vergleichs zwischen Amerika und der Schweiz, dennoch sind sie wegweisend um zu sehen, wie die Arbeitnehmer in der Schweiz gegenüber dem Arbeitsrecht eingestellt sind. 1. These: Für 50 Prozent aller Arbeitnehmer sind Ferien wichtiger als der Kündigungsschutz. Beantwortung: Wie im untenstehenden Diagramm sichtbar, liegt der angenommene Wert von 50 Prozent weit über der Realität. Tatsächlich sind die Ferien nur 16 Prozent der Befragten wichtiger. Hingegen finden 72 Prozent, dass der Kündigungsschutz wichtiger ist. Zehn Prozent sind unschlüssig und wissen nicht was ihnen wichtiger ist und je ein Prozent findet beides gleich gut oder hat keine Angabe dazu gemacht. Damit ist die erste These falsch und zeigt, dass der Kündigungsschutz in der Schweiz, obwohl er im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch schwach ist, von den Arbeitnehmern geschätzt wird.

Kündigungsschutz oder Ferien? 1%

1%

10%

16%

72%

Kündigungsschutz

Ferien

Weiss nicht

Keine Angabe

Beides

Abbildung 5: Eine hohe Anzahl an Bestimmungen schützt Arbeitnehmer in der Schweiz davor, aus ungerechtfertigten Gründen oder während Unzeit gekündigt zu werden. Was ist für sie persönlich wichtiger: Der hohe Kündigungsschutz oder die Anzahl bezahlter Ferientage?

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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2. These: 80% der Arbeitnehmer finden den Kündigungsschutz ausreichend und wollen ihn nicht verändern. Beantwortung: Auch auf diese These konnte mithilfe der Publikumsumfrage eine Antwort gefunden werden. Die Annahme, welche in der These getroffen wurde, ist nahe an der Realität dran. Statt den geschätzten 80 Prozent sind es 71 Prozent der Befragten, welche den Kündigungsschutz ausreichend und gerecht finden. 18 Prozent scheinen sich in ihrer Meinung nicht klar festlegen zu können. Sechs Prozent finden, der Kündigungsschutz sei zu stark und vier Prozent finden ihn zu schwach. Auch bei dieser gab ein Prozent der Befragten keine Antwort an. Somit kann diese These beinahe bestätigt werden, da die Werte doch nahe beisammen liegen. Überraschen waren die 18 Prozent, welche nicht wissen, was sie vom Kündigungsschutz halten. Dieser hohe Anteil ist vermutlich auf fehlende Kenntnis des Kündigungsschutzes zurückzuführen.

Genügender Kündigungsschutz? 1% 6% 18% 4%

71%

Zu stark

Gerecht

Weiss nicht

Keine Angabe

Sie sollten stärker sein

Abbildung 6: Sind die rechtlichen Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer vor einer ungerechtfertigten Kündigung schützen zu stark?

3. These: Die arbeitsrechtliche Veränderung in der Schweiz, weg vom Amerikanischen System, wird von 80% der Arbeitnehmer begrüsst. Beantwortung: Diese These kann aufgrund der Publikumsumfrage nicht bestätigt werden. Statt den angenommenen 80 Prozent sind es nur 57 Prozent der Befragten, welche die Entwicklung wünschenswert finden. Rund 21 Prozent sind dagegen, dass sich die Schweiz in diese Richtung entwickelt, jedoch haben genauso viele geantwortet, dass sie nicht wissen, was besser sein soll. Wiederum gibt es einen Enthaltungsanteil von einem Prozent. Der angenommene Wert liegt also stark über dem realen Wert und die These ist somit nicht wahrheitsgetreu.

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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Wünschenswerte Entwicklung? 1%

21%

57% 21%

Ja

Nein

Weiss nicht

Keine Angabe

Abbildung 7: Amerika hat im Vergleich zur Schweiz ein liberales Arbeitsrecht. Die Schweiz hat sich währen den letzten Jahren zunehmend von dem amerikanischen System entfernt und durch die inzwischen hohe Regeldichte grosse Ähnlichkeit zum Rest von Europa angenommen. Finden Sie diese Entwicklung wünschenswert?

4. These: Nur 30 Prozent aller Befragten waren jemals im Ausland tätig. Beantwortung: Auch diese These konnte nicht bestätigt werden. Nur gerade elf Prozent haben jemals im Ausland gearbeitet. Die restlichen 89 Prozent waren noch nie im Ausland erwerbstätig. Somit liegt der tatsächliche Wert weit unter den angenommenen 30 Prozent. Bei den elf Prozent, die einmal im Ausland gearbeitet haben, wurden Australien, Amerika, England, Deutschland, Kroatien und Indien als Destinationen genannt.

Im Ausland gearbeitet?

11%

89%

Ja

Nein

Abbildung 8: Waren Sie jemals im Ausland erwerbstätig?

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9.2. Ergebnisse der Publikumsumfrage

Unabhängig von den gerade beantworteten Thesen gibt es auch einige anderen Fragen, welche spannende Ergebnisse erzielten. So wurde beispielsweise gefragt, wie gut sich die Befragten überhaupt mit Schweizer Arbeitsrecht auskennen.

Kenntnisse über das Arbeitsrechts der Schweiz 3%

1%

1%

13% 26%

56%

Sehr gut

Gut bis sehr gut

Mittelmässig

Eher schlecht

Keine Ahnung

Keine Angabe

Abbildung 9: Wie gut kennen Sie sich mit schweizerischem Arbeitsrecht aus?

Das Schwergewicht liegt offensichtlich bei mittelmässigen Kennern des Arbeitsrechts, mit rund 56 Prozent. Je ein Prozent haben keine Angaben gemacht und angegeben, dass sie sich sehr gut mit Schweizer Arbeitsrecht auskennen. Solide 26 Prozent schätzen sich als gute bis sehr gute Kenner ein und 13 Prozent geben zu, eher schlecht Bescheid zu wissen. Nur gerade drei Prozent haben keine Ahnung vom Arbeitsrecht. Als Ganzes betrachtet zeigt diese Frage, dass sich Schweizer grundsätzlich über ihre Rechte betreffend Arbeit informieren und wissen, was ihnen zusteht und was von ihnen erwartet wird.

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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In der Publikumsumfrage wurden auch einige Wissensfragen gestellt, welche interessante Resultate ergeben haben.

Darf der Arbeitgeber +65 sein? 1% 10%

89%

Ja

Nein

Weiss nicht

Abbildung 10: Stimmt die Aussage: "Das Gesetz schreibt vor, dass Arbeitgeber nicht älter 65 Jahre sein dürfen."?

Beispielsweise waren sich rund zehn Prozent der Befragten nicht sicher, ob ein Arbeitgeber in der Schweiz kein Alterslimit zu befürchten hat. Ein Prozent war sogar der Meinung, ein Arbeitgeber dürfe nicht älter 65 Jahre sein. Die richtige Antwort wurde von 89 Prozent gegeben, nämlich stimmt diese Aussage nicht. Um

auf

eine

weitere

Wissensfrage

einzugehen,

wird

noch

der

Geschlechterunterschiede aufgegriffen.

Geschlechterunterschiede bei Löhnen

6%

23%

71%

Richtig

Falsch

Weiss nicht

Abbildung 11: In der Schweiz darf man dem einen Geschlecht nicht einfach weniger zahlen, nur weil es das andere Geschlecht ist, obwohl die Qualifikation dieselbe ist.

Punkt

der

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Wie sichtbar, sind sechs Prozent unsicher und wissen nicht, was stimmt. Rund 23 Prozent sind sich sicher, dass man alleine aufgrund eines Geschlechtsunterschieds weniger bezahlen darf. 71 Prozent hat die richtige Antwort gegeben, nämlich dass die Aussage falsch ist. Es ist nach Art. 3 Abs. 1 im Gleichstellungsgesetz51 verboten, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aufgrund ihres Geschlechts zu benachteiligen. In der Praxis sieht dies manchmal anders aus, wodurch sich nicht alle über ihre Rechte bewusst sind. Dies erklärt auch den hohen Anteil an falschen Antworten.

51

https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19950082/ Abrufdatum: 28.09.2015

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10. Persönliche Reflexion

Das Schreiben meiner Arbeit hat mich vor allem beim Einteilen und Planen herausgefordert. Es braucht eine gewisse Zeit, bis das Gefühl da ist, wie lange man zum Schreiben eines Kapitels braucht und wie man es am besten angeht. Ich habe mir für die Publikumsumfrage relativ viel Zeit gelassen und bin schliesslich mit 80 ausgewerteten Fragebogen zufrieden, weil dies meiner Meinung nach eine repräsentative Menge ist. Die amerikanischen Arbeitsverträge waren nicht ganz einfach zu übersetzen. Ich bin mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Für mich selbst war es wichtig, die Vorurteile und Geschichten, welche über das amerikanische Arbeitsrecht erzählt werden, zu analysieren und aufzuzeigen, wie es tatsächlich ist. Dies ist mir gelungen. Im anderen Teil meiner Arbeit gelang es mir, ein fundiertes Bild darüber zu erlangen, was die Arbeitnehmer in der Schweiz über die wichtigsten Punkte des eigenen Arbeitsrechts denken. Die spannendsten Erlebnisse waren für mich die Interviews, denn dort wurde mir sehr viel Neues mitgeteilt und ich gewann an Verständnis. Die Gespräche halfen mir grundsätzlich, die Thematik besser zu verstehen und erleichterten mir die Arbeit im Wesentlichen um ein grosses Stück. Auch wenn in der Arbeit kein eigentlicher Teil über die Interviews zu finden ist, sind sie sehr grundlegend. Es ist eindrücklich zu sehen, wie sich die eigene Arbeit entwickelt. Bei den ersten Schreibversuchen hatte man noch kaum eine Vorstellung davon, wie die Arbeit am Schluss aussehen sollte. Jetzt ist sie soweit fertig und hat Form angenommen. Der ganze Prozess war schwierig einzuteilen, trotzdem hat es immer wieder Spass gemacht. Die fertige Arbeit in den Händen zu halten, ist ein gutes Gefühl. Man weiss, dass man selber dafür gearbeitet hat und nun das Ergebnis präsentieren kann. Die verschiedenen Ergebnisse aus den Analysen und den Umfragen haben mich teilweise sehr überrascht. Es ist eindrücklich zu sehen, wie das Arbeitsrecht in Amerika trotz der immer noch gewährten Freiheit funktionieren kann. Mit den Veränderungen im eidgenössischen Arbeitsrecht, hat sich die Schweiz in den letzten Jahren zu einem Land entwickelt, dass Arbeitnehmern wie Arbeitgebern eine solide und sichere Grundlage bietet. Mein Wunsch, später einmal in Amerika zu arbeiten, bleibt auch nach den Ergebnissen dieser Arbeit genau so gross wie vorher. Darum – meine persönliche Antwort auf die Titelfrage: Arbeiten in Amerika ist für mich ein Traum.

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11. Verzeichnisse

11.1.

Quellenverzeichnis

Bücher Bräunlich Keller, Irmtraud. Arbeitsrecht – Vom Vertrag bis zur Kündigung. Zürich, 2013. S. 27, S. 134-141,S. 224-262. Hay, Peter. US-Amerikanisches Recht. München, 2011. S. 242-252. Obligationenrecht der Schweizer Eidgenossenschaft. Stand vom 1. Juli 2014. Renz, Rudolf. Wirtschafts- und Sozialgeschichte der USA – Erfolge und Krisen einer freien Marktwirtschaft. Braunschweig, 2010. S. 50-72. Wacker, Jean-Claude. Die Schweiz und ihre Geschichte. Zürich, 1998. S. 279-301, S. 340364. Internetquellen About Education. http://economics.about.com/od/useconomichistory/a/economy_1980s.htm (Abrufdatum: 15.09.2015) Americanet http://www.americanet.de/html/politisches_system__republican.html (Abrufdatum: 28.09.2015) Frankfurter Rundschau Online. http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/gewerkschaften-inden-usa-arbeiter-ohne-stimme,1473632,21569228.html (Abrufdatum: 26.09.2016) Friedrich Eber Stiftung. Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland. http://library.fes.de/pdf-files/id-moe/08986.pdf (Abrufdatum: 26.09.2015) Friedrich Eber Stiftung. Sanierung des bröckelnden Systems? http://library.fes.de/pdffiles/id/11078.pdf (Abrufdatum: 26.09.2016) KAS Auslandsinformationen. http://www.kas.de/wf/doc/kas_15390-544-130.pdf?081229111041 (Abrufdatum: 26.09.2015) Sample Words. APPLICATION FOR EMPLOYMENT. http://www.samplewords.com/wpcontent/uploads/2010/03/pro-job-application-form1-21.pdf. (Abrufdatum: 18.08.2015)

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Schweizerische Eidgenossenschaft. https://www.admin.ch/opc/de/classifiedcompilation/19950082/ (Abrufdatum: 28.09.2015) Schweizerische Eidgenossenschaft. Leben und arbeiten in den USA. https://www.eda.admin.ch/dam/eda/de/documents/publications/AuslandschweizerinnenundA uslandschweizer/dossier-auswandern/leben-und-arbeiten-usa_DE.pdf. (Abrufdatum: 18.08.2015) Tages-Anzeiger Online. http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Immer-mehrMenschen-verlassen-die-Schweiz/story/10332107 (Abrufdatum: 27.09.2015) The American Dream. http://www.americandream.de/auswandernusa/partnerangebote/versicherung-usa/ (Abrufdatum: 10.09.2015) Wissen.de. http://www.wissen.de/bildwb/die-welt-nach-1945-politik-im-zeichen-des-ost-westkonflikts (Abrufdatum: 15.09.15) Worker-Participation. http://de.worker-participation.eu/Nationale-Arbeitsbeziehungen/Querdurch-Europa/Gewerkschaften (Abrufdatum: 26.09.2015)

Vesterling Personalberatung. Informationen zu amerikanischen Arbeitsverträgen. https://www.vesterling.com/fileadmin/user_upload/documents/ArbeitsvertragUSA.pdf (Abrufdatum: 18.08.2015)

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11.2.

S e i t e | 48

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Unterschrift von Barack Obama zur Verabschiedung des "Patient Protection and Affordable

Care

Act"

(Obamacare)

(http://obamacarefacts.com/obamacare-facts/

Abrufdatum:28.09.2015) .......................................................................................................17 Abbildung 2: In vielen anderen Ländern erhalten Arbeitende nur wenige oder gar keine bezahlten Ferientage. Für Schweizer gilt der Grundsatz: Mindestens 4 Wochen. Wie stehen Sie dazu? .............................................................................................................................21 Abbildung 3: Inwiefern hoffen Sie, wird sich das aktuelle Arbeitsrecht bezüglich Anzahl bezahlter Ferientage in den nächsten 10 Jahren verändern? ...............................................24 Abbildung

4:

http://www.kmu.admin.ch/personal/03369/03383/03385/index.html?lang=de

(Abrufdatum: 02.09.2015) .....................................................................................................26 Abbildung 5: Eine hohe Anzahl an Bestimmungen schützt Arbeitnehmer in der Schweiz davor, aus ungerechtfertigten Gründen oder während Unzeit gekündigt zu werden. Was ist für sie persönlich wichtiger: Der hohe Kündigungsschutz oder die Anzahl bezahlter Ferientage? .............................................................................................................................................39 Abbildung 6: Sind die rechtlichen Bestimmungen, die einen Arbeitnehmer vor einer ungerechtfertigten Kündigung schützen zu stark? ................................................................40 Abbildung 7: Amerika hat im Vergleich zur Schweiz ein liberales Arbeitsrecht. Die Schweiz hat sich währen den letzten Jahren zunehmend von dem amerikanischen System entfernt und durch die inzwischen hohe Regeldichte grosse Ähnlichkeit zum Rest von Europa angenommen. Finden Sie diese Entwicklung wünschenswert? ............................................41 Abbildung 8: Waren Sie jemals im Ausland erwerbstätig? ..................................................41 Abbildung 9: Wie gut kennen Sie sich mit schweizerischem Arbeitsrecht aus? ...................42 Abbildung 10: Stimmt die Aussage: "Das Gesetz schreibt vor, dass Arbeitgeber nicht älter 65 Jahre sein dürfen."? .............................................................................................................43 Abbildung 11: In der Schweiz darf man dem einen Geschlecht nicht einfach weniger zahlen, nur weil es das andere Geschlecht ist, obwohl die Qualifikation dieselbe ist. .......................43 Titelbild: http://cdn05.masterstudies.com/gfx/image/listing-page/431/main/LLM-inArbeitsrecht.jpg

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12. Eigenständigkeitserklärung

Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und nur unter Benützung der angegeben Quellen verfasst habe und ich auf eine eventuelle Mithilfe Dritter in der Arbeit ausdrücklich hinweise.

Tuggen, 30.09.2015

Stefan Horisberger

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13. Anhang 13.1.

Interview mit Herrn Patrick M. O’Neill vom 12. Mai 2015

1. Warum haben Sie sich entschieden, Rechtsanwalt zu werden und worin fanden Sie ihre Motivation, sich als Rechtsanwalt auf Arbeitsrecht zu spezialisieren? Als ich etwa im gleichen Alter war wie Sie, ein Jahr vor der Matura, nahm ich an einer von der Kantonsschule organisierten Projektwoche teil, die vom Strafvollzug im Kanton Solothurn handelte. Dabei erhielt man unter anderem Einblick in die Gerichtspraxis und in die

Jugendanwaltschaft,

Staatsanwälte

konnten

interviewt

werden,

Gerichtsverhandlungen wurden mitverfolgt und ein Gefängnis wurde besucht. Diese Palette an Aktivitäten hat mich sehr fasziniert und bereits kurze Zeit später kam in mir der Wunsch auf, Rechtswissenschaften zu studieren. Meine Spezialisierung auf Arbeitsrecht entstand im Laufe der Zeit. Bei meiner ersten Stelle war ich im Bereich der Privatwirtschaft bei einem Unternehmen tätig, bei dem ich am Schluss Personalchef war. Somit kam ich immer wieder mit dem Arbeitsrecht in Kontakt und habe mich in den letzten Jahren darauf spezialisiert, da mich die Schnittstelle zwischen Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht stark faszinierte. Natürlich konnte ich aufgrund meines Hintergrunds aus dem Personalwesen eine gewisse Erfahrung mit mir bringen.

2. Sie tragen tagtäglich eine grosse Verantwortung gegenüber Ihren Klienten. Wie gehen Sie damit um? Dies ist eine gute Frage. Es gibt zwei Teile: Einerseits die Verantwortung, sich „nur“ für den Klienten einzusetzen und dabei sorgfältig zu arbeiten. Auf der anderen Seite steht das Resultat, das nicht in meiner Verantwortung liegt. Ich bin dazu verpflichtet, gewissenhaft und sorgfältig zu Arbeiten und das Beste heraus zu holen, aber wenn ein Fall verloren geht, obwohl man alles getan hat, was möglich war, ist dies nichts, was mir heutzutage noch schlaflose Nächte bereitet. Dies war vielleicht anders als ich noch jünger war und stets den Erfolgsdruck verspürte. Natürlich ist auch heute noch ein Erfolgsdruck da, jedoch hat man es damals persönlicher genommen. Unter den Anwälten gibt es den Spruch: Wenn man als Anwalt vom Klienten und sich selbst in der wir-Form spricht, dann kann man den Löffel abgeben. Dann geht die Objektivität verloren, denn man muss ja eine eigene Meinung haben und darf nicht immer das, was der Klient will, blind umsetzen. Manchmal ist es besser, wenn man ihm beratend mitteilt, dass er keine Chance hat. In diesem Sinne würde ich sagen, man trägt sicherlich eine Verantwortung, nämlich gewissenhaft und sorgfältig zu arbeiten, keine Fristen zu verpassen. Mit der Erwartungshaltung eines

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Klienten umgehen zu müssen, kann durchaus belastend sein. Wenn man merkt, dass er den Fall unbedingt gewinnen will, ist es natürlich für mich auch jedes Mal spannend, wenn das Couvert vom Gericht mit einem Urteil oder einer Verfügung eintrifft, um zu sehen, ob wir den Fall gewonnen oder verloren haben. Natürlich verliert niemand gerne, und man hofft immer, dass man mehr Fälle gewinnt, als dass man verliert. Ansonsten ist man vielleicht im falschen Beruf. Trotzdem muss man differenzieren können. Es ist wie bei einem Chirurg: Man muss eine gewisse Distanz zwischen sich selbst und einem Klienten beibehalten.

3. Um noch bei diesem Thema zu bleiben, welche Eigenschaften muss ein angehender Anwalt mit sich bringen? Ich würde sagen es gibt drei Bereiche die man mit sich bringen muss. Anwalt und Jurist ist ja nicht das gleiche, es gibt Juristen bei den Unternehmen, bei den Gerichten und bei der Verwaltung. Ein Anwalt ist dann noch einmal etwas Spezielles. Was ein Jurist grundsätzlich mitbringen muss, ist eine gewisse Genauigkeit. Er muss genau sein im Lesen, im Schreiben und Denken, er muss konzeptionell und analytisch vorgehen können, das heisst, er muss erfassen und einordnen können, ob es sich um einen Mietvertrag oder einen Arbeitsvertrag handelt, geht es vielleicht um Verzug oder etwas anderes, also eben dieses analytische Denken. Dies trifft auf jeden Jurist zu. Der Anwalt im Speziellen muss zusätzlich, wie ich es immer sage, eine gewisse juristische Phantasie oder Kreativität haben. Nicht immer liegt die Lösung auf der Strasse, dann muss überlegt werden, wie man dazu kommt, denn ich habe als Anwalt das Ziel, meinem Klienten bestmöglich zu dienen. Bei Gericht ist es bezüglich der juristischen Phantasie auch so, aber nicht, was das "Dienen" des Klienten angeht. Zusätzlich ist jeder Anwalt ein Stück weit auch Unternehmer, mit dem viele nicht umgehen können. Man ist selbstständig und hat einen gewissen Umsatzdruck, wenn man keine Arbeit hat, hat man Ende Monat auch nichts zu Essen. Dies ist wohl der Hauptunterschied zu den angestellten Arbeitnehmern, dieser Existenzdruck der immer da ist, mit dem man einfach zu leben lernen muss. Darüber muss sich jeder ziemlich schnell bewusst werden, ob er diesem Druck gewachsen ist, immer auf der Jagd nach neuen Fällen zu sein. Man kann sich nicht einfach zurücklehnen und denken: Ich bin hier angestellt und erhalte jeden Monat meinen Lohn. Man muss wirklich die Fälle suchen und Klienten akquirieren. Natürlich gibt es auch gewisse persönliche Eigenschaften, eine gewisse Denkweise und Fähigkeiten die man als Anwalt besitzen muss, um ins Schema zu passen. Vielleicht auch eine gewisse Aggressivität, wenn man in einem Fall kämpfen muss.

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4. Erkennen Sie eine Sortierung unter den Arbeitnehmern, bei der ersichtlich ist, dass Arbeitnehmer aus der gleichen Branche mit gleichen Problemen zu kämpfen haben? Ich denke, das trifft zu. Ich würde sagen, man kann es einerseits nach Branchen und andererseits nach Hierarchie einteilen. Zuerst zu den Branchen. Gewisse Branchen haben vielleicht gewisse Rechtsgebiete, in denen sie streiten, die andere nicht haben. Um ein typisches Beispiel zu nennen: Bonusprozesse kommen vor allem in der Banken- und Finanzbranche vor. Mittlerweilen ist es so, dass das Arbeitsgericht Zürich sehr viele Bonusprozesse zu entscheiden hat und dafür weniger andere Rechtsgebiete (im Verhältnis zu früher). Dann gibt es bei KMUs (Kleine und mittlere Unternehmen) und vor allem im Gewerbe viele Fälle der missbräuchlichen Kündigung. Eine Kündigung ist dann missbräuchlich wenn sie gegen Treu und Glauben verstösst, ganz allgemein ausgedrückt. Es gibt einen Katalog im Obligationenrecht, der die Missbräuchlichkeitstatbestände aufzählt. Meistens ist es so, dass wenn jemand eine schlechte Leistung bringt und nicht darauf hingewiesen oder verwarnt wurde und trotzdem mit dieser Begründung gekündigt wird, das Gericht sagen wird, dass es so nicht geht. Also, besonders kleine Unternehmen, die eine weniger raffinierte Führungskultur haben und keine Personalabteilung besitzen, die sagt, dass man den Angestellten zuerst verwarnen und ihm Zeit für Verbesserung geben muss, erst dann kann er entlassen werden, werden hier ein Problem sehen. Diese Entwicklung ist in den letzten Jahren grösstenteils an den KMUs vorbeigegangen, obwohl sie viel mehr mit solchen Problemen kämpfen als Grossunternehmen. Am stärksten betroffen sind Unternehmen mit bis zu 15 bis 20 Angestellten, bis etwa 150 Angestellten entspricht es dem Klassiker. Weiter würde ich sagen, dass bei frauenlastigen Berufen, beispielsweise im Verkauf, vielfach Probleme bei Sozialversicherungsthemen auftreten, das

wäre

dann

Mutterschafts-

und

Schwangerschaftsschutz,

Krankheit,

also

Kündigungsschutz in Verbindung mit Unfall- oder Krankentaggeldversicherungen. In

gewissen

Branchen

ist

ein

Konkurrenzverbot

ein

Thema,

vor

allem

bei

verkaufsorientierten Strukturen wie Immobilienverkäufern oder auch Coiffeure oder Coiffeusen, was jedoch vom Gericht weitgehend abgestellt wurde. Auch bei Teilzeitberufen gibt es gewisse Probleme. Besonders bei Berufen mit vielen Frauen

haben

wir

die

sogenannte

Gleichstellungsproblematik,

die

im

Gleichstellungsgesetz geregelt ist. Also die Diskriminierung von weiblichen Angestellten im Wesentlichen gegenüber männlichen Arbeitnehmern. Das heisst dass man speziell auf Lohngleichheit achten muss und dies eben auch im Fall von Teilzeitarbeit. Da Frauen mehr Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen als Männer, kann es eine Diskriminierung sein, wenn gezielt keine Teilzeitarbeit angeboten wird. Gerade bei frauenlastigen Berufen wird es vermehrt zum Thema, dass gewisse Dinge nicht angeboten werden, die Frauen bräuchten

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um gleiche Bedingungen zu haben, was für den Arbeitgeber ins Geld gehen kann. Hier ist vor allem das Gesundheitswesen, das Erziehungswesen und allgemein das öffentliche Recht betroffen.

5. Haben Sie den Eindruck, dass in der Schweiz vermehrt auch Bagatellfälle aus dem Arbeitsrecht bis vor Gericht gezogen werden? Ja, das ist so. Es werden vermehrt Bagatellfälle vor Gericht gezogen und das hat zwei Gründe, nämlich haben wir seit dem ersten Januar 2011 eine schweizweit einheitliche Zivilprozessordnung. Davor hatte jeder Kanton seine eigene, also das Verfahren, wie ein Zivilprozess abzulaufen hat, war von Kanton zu Kanton verschieden. In der neuen Zivilprozessordnung ist das Verfahren für Arbeitsrecht und auch Teilklagen vereinfacht worden. Es ist also einfacher, mit kleinen Streitfällen bis vor Gericht zu gehen. Besonders im Arbeitsrecht, wo ein Verfahren bis 30‘000 Franken gratis ist. Das führt dazu, dass einerseits mehr Fälle im Arbeitsrecht überhaupt entstehen, andererseits aber auch mehr Fälle auf der Stufe des Friedensrichters verglichen werden als früher. Also haben wir zwei Effekte, ich sage de facto nimmt die Arbeitslast der Gerichte ab, weil die Friedensrichter viele Fälle vergleichen. Also das Arbeitsgericht hat beinahe 80% weniger Arbeit, weil man früher das Schlichtungsbegehren direkt beim Arbeitsgericht stellen musste, was heute anders ist, wodurch die Friedensrichter etwa 80% aller Fälle erledigen. Aber jene, die weiter gehen sind teilweise eben auch Bagatellfälle. Der Grund, glaube ich, liegt hier auch bei der Rechtsschutzversicherung, weil sie heutzutage relativ schnell einen Prozess für jemanden finanzieren, den er ohne Versicherung selbst bezahlen müsste. Ich sehe in meiner Praxis, dass es vermehrt Bagatellfälle gibt. Einen riesigen vollständigen Prozess wegen eines Arbeitszeugnisses zu führen, ist ineffektiv und teuer. Trotzdem haben gesamthaft die Fälle vor dem Arbeitsgericht abgenommen (wegen der Friedensrichter).

Also scheint es vielen Arbeitnehmern vor allem ums Prinzip zu gehen.

Ja genau, es geht vielen ums Prinzip, und speziell wenn der Fall von jemand anderem (Rechtschutzversicherung) finanziell übernommen wird, ist es einfacher, dies zu machen. Ich gehe davon aus, dass dies sich noch ändern wird, denn diese Versicherungen sollten den Prozess eigentlich nur finanzieren, wenn er nicht aussichtslos ist. Neuerdings haben die Rechtsschutzversicherungen begonnen, die Fälle intern selber zu führen. Dementsprechend

gehe

ich

davon

aus,

dass

in

Zukunft

vermehrt

Aussichtslosigkeitsverfügungen gestellt werden (und die Kostengutssprache verweigert wird). Andererseits kann es auch sein, dass die Rechtsschutzversicherungen versuchen, wie Kanzleien zu werden.

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6. Meine

Arbeit

stützt

sich

auf

die

Schwerpunkte

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Kündigungsschutz,

Krankenversicherung und bezahlte Ferien. Aus welchem dieser drei Bereiche haben Sie am meisten Fälle zu bearbeiten?

Der Kündigungsschutz ist sicherlich der Bereich der mich am meisten beschäftigt.

7. Haben Sie dafür eine Erklärung? Beim Kündigungsschutz gibt es ja mehrere Dinge. Wir haben ja grundsätzlich die sogenannte Kündigungsfreiheit, das ist jedoch ein Märchen, sprich, es gibt sie de facto nicht mehr. Es steht zwar im Gesetz und alle schreiben es, jedoch ist es in der Praxis nicht mehr so. Das schweizerische Arbeitsrecht hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert und ist dem deutschen Arbeitsrecht ähnlicher geworden. Die Leute haben dies zwar noch nicht vollends begriffen, jedoch haben die Gerichte und insbesondere auch das Bundesgericht die Gesetze schleichend angepasst. Wir hatten die fristlose Kündigung immer im Gesetz. Dort wurden die Anforderungen an eine fristlose Kündigung gesteigert, also geht es nicht mehr so einfach. Dann haben wir die missbräuchliche Kündigung, welche gegen Treu und Glauben verstösst. Auch dort hat das Bundesgericht die Schrauben massiv angezogen. Und wir haben die sogenannte Sperrfrist, also die Kündigung zur Unzeit, die insbesondere im Zusammenhang mit Schwangerschaften ausgebaut worden ist. Was meiner Meinung nach am meisten einschenkt ist die missbräuchliche Kündigung, denn hier ist eine schleichende Verschärfung des Kündigungsschutzes sichtbar. Man hat nicht mehr die Möglichkeit, einen langjährigen Mitarbeiter ohne weiteres zu kündigen, ansonsten zahlt man. Vor allem bei älteren Menschen wurde der Kündigungsschutz vergrössert. Auch bei Konflikten am Arbeitsplatz muss zuerst eine Lösung gesucht werden und bei schlechter Arbeit muss der Arbeitnehmer zuerst darauf hingewiesen werden. Gesamthaft ist die arbeitsvertragliche Treuepflicht des Arbeitgebers massiv verschärft worden, von den kantonalen Gerichten sowie auch vom Bundesgericht. Dies führt faktisch zu einem sachlichen Kündigungsschutz. Momentan ist eine missbräuchliche Kündigung noch gültig, sobald sie ausgesprochen ist, führt jedoch zu einer Entschädigung für den Arbeitnehmer, hingegen wäre eine solche Kündigung in Deutschland nicht gültig. Sehr wichtig ist der Unterschied zum Ausland, denn ich befürchte, dass wir alle in diese Richtung gehen. Von Zeit zu Zeit sind Fälle in der Zeitung zu sehen, die Bundespolitiker in Bern aufscheucht, was schliesslich zu einer Gesetzesänderung führen wird. Bei den Unfallversicherungen haben wir eine Verschärfung der Gesundheitsvorschriften. Das Parlament tritt regelmässig Übereinkommen der Internationalen Arbeitsvereinigung

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oder der Europäischen Union bei, wodurch das Arbeitsrecht angepasst und verändert wird. Dabei entstehen wieder mehr Bestimmungen, die einzuhalten sind, wie der Schutz von Schwangeren, der Schutz von Minderjährigen. Dinge, die ein kleiner Betrieb teilweise gar nicht erfüllen kann, was dazu führt, dass man einer Schwangeren praktisch bezahlten Urlaub geben muss. Dieses Problem trifft man vor allem im Gewerbe an. Was in der Bilanz aber definitiv zu wenig zur Kenntnis genommen wird, ist der Ausbau des Kündigungsschutzes. Was ich nicht viel antreffe, ist in Ihrer Frage zwar nicht erwähnt, trotzdem kann ich kurz darauf eingehen, ist diese ganze Mindestlohn-Geschichte, die sich zwischen der EU und der Schweiz abspielt (flankierende Massnahmen). Krankenversicherungen sind eigentlich im Versicherungsrecht geregelt, was eine Schnittstelle mit dem Arbeitsrecht bildet. Die Rechtslage ist hier relativ kompliziert. Es gibt sowohl freiwillige Versicherungen wie Krankentaggeld und auch gesetzlich verpflichtende Versicherungen die untereinander koordiniert werden. Dies ist für das Unternehmen, das sehr viele Informationen bezüglich Krankenversicherung und Unfallversicherung an den Angestellten weiterleiten muss, sehr kompliziert. Vor allem kann es bei der Koordination mit dem BVG, wenn jemand vielleicht invalid wird, bereits für das Vergessen des Hinweisens eines Arbeitnehmers auf seine Rechte eine hohe Schadenersatzforderung geben. Wir haben einen Ausbau von Versicherungsschutz im Arbeitsbereich, beispielsweise mit der Mutterschaftsversicherung, die gerade neu dazu kam, der das Ganze nicht einfacher macht. Dort stellt sich die Frage: Wie verhält man sich während der Schwangerschaft?. Soll man eine Krankentaggeldversicherung abschliessen und eine Lohnfortzahlung verlangen? Die schleichende Verbesserung der Stellung der Arbeitnehmer durch Parlament und Gerichte macht das ganze komplexer. Die bezahlten Ferien waren für mich nie ein Thema, damit hatte ich fast nie etwas zu tun. Eine Ausnahme gibt es vielleicht in Bezug auf die Kündigung. Was passiert mit dem Ferienrestguthaben bei Beendigung einer Anstellung? Also angenommen jemand wird freigestellt und muss bis zum Ende Kündigungsfirst nicht mehr arbeiten, muss er sich dann seine Ferien noch anrechnen lassen oder muss der Arbeitgeber diese in Geld auszahlen. Obwohl Sie wohl lieber wüssten, wie viele Ferientage ein Arbeitnehmer zu gute hat? In erster Linie geht es darum, ob Arbeitnehmer versuchen ihre Ferien noch anzurechnen im Falle einer Kündigung. Kommt dies überhaupt vor?

Ja dies kommt vor. Ferien verjähren grundsätzlich nach 5 Jahren und viele Unternehmen wissen dies nicht und denken, wenn die Ferien nicht bis Ende Jahr

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bezogen worden sind, verfallen sie. Dem ist jedoch nicht so. Bei einer Kündigung stellt sich dann immer die Frage der Anrechnung. Hier sagt man an und für sich, dass wenn die Zeit der Freistellung das Ferienguthaben bei Weitem übersteigt, dann darf der Arbeitgeber den Ferienbezug anordnen, sonst nicht, da der Arbeitnehmer noch Zeit für die Stellensuche braucht. Also das Thema mit den Ferien kommt immer dann zum Zuge, wenn ein Arbeitsverhältnis beendet wird, vor allem im Zusammenhang mit Freistellung. Zusammenfassend kann man noch sagen, dass der Grund dafür, dass der Kündigungsschutz am meisten zum Tragen kommt, in der Verschärfung der Rechtsprechung liegt. Das Bundesgericht und die staatlichen Gerichte haben hier die Schrauben massiv angezogen und einen Standard eingeführt, der mittlerweile demjenigen von Deutschland ähnelt. Zwar sind wir noch nicht so weit, jedoch auf dem besten Weg dazu. Die Krankenversicherungsthemen kommen weniger häufig zu uns, weil dieses Thema häufig von Personalabteilungen und Versicherungen direkt behandelt wird und es selten zu Prozessen kommt. Manchmal muss man einen Arbeitgeber hinsichtlich eines Problems bei seinen Ansprüchen und Rechten beraten, aber dann wendet sich der Arbeitgeber meistens direkt an die Versicherung, denn für ihn ist diese schlussendlich gratis. Er meldet den Arbeitnehmer einfach an und dann kümmert sich die Versicherung darum. Erst bei grossen Fällen, wenn jemand invalid oder lange arbeitsunfähig wird oder es um grosse Summen Geld geht, kommt man zu uns. Bei bezahlten Ferien geht es um weniger Geld, darum haben wir hier weniger zu tun. Wenn, dann stellt sich diese Frage nur bei einer Freistellung. Ansonsten wird es in der Regel ausbezahlt.

8. Waren Sie jemals im Ausland tätig oder konnten Sie Erfahrungen aus dem Arbeitsrecht anderer Länder sammeln?

Ja, ich war ein Jahr im Ausland, in London. Dort habe in der Personalabteilung einer ErdölFirma gearbeitet, also erhielt ich einen Einblick ins amerikanische und englische Arbeitsrecht. Das Englische ist grundsätzlich unserem sehr ähnlich, das Amerikanische hingegen ist ähnlich wie unseres vor 10-20 Jahren noch war, sprich sehr liberal. Man kann jemanden relativ einfach von heute auf morgen hinausstellen. Nur im Falle eines schriftlichen Arbeitsvertrags gilt dieser, ansonsten kann man in den USA fristlos kündigen. Dies bemerken wir vor allem wenn wir Schweizer Klienten haben, die Amerikaner anstellen und diese dann am Freitag kündigen und sagen: „Am Montag sehen wir uns nicht mehr.“

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Tatsächlich steigen diese Personen am Sonntag in ein Flugzeug und fliegen nach Hause. Für uns Schweizer ist dies schwer vorstellbar, denn es gibt eine Kündigungsfrist die auch der Arbeitnehmer einhalten muss, was für Amerikaner ohne schriftlichen Arbeitsvertrag kein Thema ist. In Amerika geht es v.a. darum, ob ich einen schriftlichen Arbeitsvertrag habe oder nicht, sprich ein gesetzliches Arbeitsverhältnis oder ein vertragliches Arbeitsverhältnis. Bei uns sind die Regeln des Arbeitsverhältnisses schon einmal im OR definiert. Viele Bestimmungen sind auch zwingend, was in Amerika weniger bis gar nicht der Fall ist. Was Amerika mit uns gemeinsam hat, sind die Missbrauchs- und Diskriminierungsregeln. Ich würde sogar sagen, dort sind sie uns voraus, denn sie hatten dies schon als wir noch gar nicht darüber nachgedacht haben. In Amerikaner sind die Minderheiten (z.B. farbige Menschen) ein starkes Thema. Die Diskriminierung von Mitarbeitern nach Geschlecht, nach Hautfarbe, nach Rasse, nach religiösen Ansichten ist in den USA ein spezielles Thema, auch weil sehr viele Amerikaner ursprünglich aus Europa stammen. Viele Europäer sind im 17.-18. Jahrhundert ausgewandert, weil sie hier Minderheiten waren. In diesem Sinne ist den Amerikanern die Freiheit zum Beispiel ihre Religion frei wählen zu können sehr wichtig und die Reaktionen auf Diskriminierung fallen empfindlich aus. Die ganze Geschlechter- und Rassendiskriminierung wurde sehr früh aufgenommen. Ich bin mir nicht sicher, ob dies noch existiert, jedoch gab es eine Bestimmung die besagte, dass Unternehmen ab einer gewissen Grösse eine gewisse Anzahl an Arbeitsplätzen für farbige Arbeitnehmer zur Verfügung stellen mussten (Affirmative Action), damit die Chancen gleich verteilt sind. Ob dies heute noch wie vor 20 Jahren so ist, weiss ich nicht, auf jeden Fall ist dies mit einem Haufen Bürokratie geregelt, wie es in Amerika halt auch manchmal sein kann. Auf Stufe des Arbeitsrechts ist es in den USA m.E. jedoch alles sehr einfach und übersichtlich. Man kann am Freitag den Schlüssel abgeben und sagen, es sei der letzte Arbeitstag. Dies ist mein Verständnis des amerikanischen Rechts. In England ist es ähnlich wie bei uns. Vor 20 Jahren hätte ich gesagt, die Schweiz sei bezüglich Arbeitsrecht sehr nahe an Amerika dran, inzwischen sind wir stark Richtung Europa gegangen. Die Sozialversicherungen in den USA sind sehr schlecht ausgebaut. Das Meiste ist privat geregelt, wie Sie es vielleicht bei Obamacare mitbekommen haben. Eine staatliche Krankenversicherung (Obamacare) wird nun nach Langem eingeführt, und dabei sprechen wir nur von einer Krankenkasse, nicht von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder einer Pensionskasse, all dies bleibt freiwillig. In diesem Sinne sind die Sozialversicherung und der Kündigungsschutz in den USA sehr schlecht ausgebaut. Bezahlte Ferien sind in Amerika zwei Wochen glaube ich, für mehr muss man verhandeln. Das Ferienguthaben steigt dann mit der Anzahl Dienstjahre, aber auf vier Wochen bezahlte Ferien kommt man wirklich erst nach 20 Dienstjahren. Meine Arbeitskollegen aus Amerika haben immer wieder zu mir gesagt, was wir in Europa haben

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sei paradiesisch. Was wir in der Schweiz sicherlich haben, ist ein sehr gutes Pensionskassensystem. Dies ist auch im Vergleich zu Deutschland sehr gut, denn dort gibt es das in dieser Form nicht. Mit unseren Freizügigkeitsleistungen, bei denen man das Geld mit bringt und einzahlt und beim Stellenwechsel mitnimmt, haben wir ein sehr vorbildliches System. Gerade bei den Deutschen ist das Problem, dass dieses Geld beim Stellenwechsel oft verloren geht. England ist diesbezüglich weniger stark ausgebaut als die Schweiz. Dafür hat England natürlich ein starkes Krankenkassenwesen, das National Health System, bei dem alle staatlich versichert sind. Dabei ist die Grundversorgung vom Staat übernommen.

9. Welche Änderungen am Schweizerischen Arbeitsrecht würden Sie vornehmen, wenn Sie könnten? Änderungen im Arbeitsrecht, dies ist eigentlich eine politische Frage, keine rechtliche. Sie könnten vermutlich fünf Juristen danach fragen und würden zehn Meinungen erhalten. Ich persönlich finde die schleichende Sozialisierung des Arbeitsrechts unglücklich. Ich habe das Gefühl, dass unser liberales Arbeitsrecht wie wir es früher hatten, ein Vorteil für den Wirtschaftsstandort Schweiz darstellte. Wir sind immer dafür benieden worden und auch die Amerikaner konnten am ehesten mit unserem Arbeitsrecht umgehen. Im Vergleich zum europäischen Umland war das Schweizer Arbeitsrecht immer viel einfacher. Es ist einfacher Leute zu entlassen und im Gegenzug aber auch Leute einzustellen. Was jetzt in Italien, Frankreich und Deutschland passiert ist folgendes: Werden die Arbeitnehmer während einer Wirtschaftskrise entlassen, werden sie nicht wieder eingestellt wenn es der Wirtschaft wieder besser geht. Der dynamische Arbeitsmarkt wie in Amerika fehlt dort. Frankreich, Italien und Spanien: In diesen Nationen gibt es momentan ein Wachstumsproblem. Ich finde den momentanen sozialen Schutz den wir haben übertrieben. Die KMUs müssten entlastet werden und Bestimmungen müssten zurückbuchstabiert

werden.

Zusätzlich

wird

der

Kündigungsschutz

bei

der

missbräuchlichen Kündigung übertrieben, weil die Anforderungen, die die Richter an die Unternehmen stellen zu einer Verrechtlichung der Arbeitswelt führen. Wie kann die schleichende Veränderung von der Sie mehrmals gesprochen haben in etwa datiert werden?

Sie fand vor allem in den letzten zehn Jahren statt.

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10. Wie wird das Schweizer Arbeitsrecht auf internationaler Ebene bezüglich Fortschrittlichkeit bewertet? Ich würde sagen auf internationaler Ebene sind wir wahrscheinlich nicht sehr fortschrittlich. Im Ausland ist der Kündigungsschutz mehr ausgebaut und es gibt allgemein mehr Teile. Beispielsweise der Vaterschaftsurlaub, welcher in skandinavischen Ländern Normalität ist. Unser Parlament ist momentan noch dabei, darüber zu diskutieren. Ich befürchte, der Vaterschaftsurlaub wird kommen, auch wenn ich dagegen bin. Ich denke, auf internationaler Ebene gelten wir wohl eher als konservativ und nicht sehr fortschrittlich. Und viele von diesen Artikeln die jetzt im Obligationenrecht angefügt werden kommen im Zusammenhang mit der Angleichung an das Europäische Recht. Obwohl die Schweiz nicht dazu verpflichtet ist, tut sie dies. Nachdem die Schweiz 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) abgelehnt hatte, hat man aus lauter Frust mit den Betriebsübergangsrichtlinien und Datenschutz einiges vom EWR übernommen. In diesen Bereichen ist uns das Ausland voraus. Also hier ist das Ausland deutlich führender, obwohl ich der Meinung bin, dass man eher konservativ sein sollte. Konservativ bedeutet im Arbeitsrecht liberal. Dies ist jedoch meine persönliche politische Meinung.

11. Wie stark ist der Einfluss von Gewerkschaften in der Schweiz und wie stehen Gesamtarbeitsverträge gegenüber dem Schweizer Arbeitsrecht? Gewerkschaften hatten bis vor kurzem keinen grossen Einfluss, jedoch nimmt dieser nun zu. Je nach Branche haben die Gewerkschaften einen stärkeren Einfluss. Vor allem in der Baubranche ist der Einfluss sehr stark, wie er es schon immer war. Neuerdings, durch die bilateralen Verträge mit der EU profitieren die Gewerkschaften von einem enormen Machtzuwachs. Ich bin mir nicht sicher, ob der Machtzuwachs demokratisch legitimiert ist. Der Machtzuwachs hängt mit dem Lohn-Dumping zusammen. Man kontrolliert, ob die Ausländer, die in der Schweiz arbeiten auch wirklich gleich viel verdienen wie Schweizer Arbeiter. Das heisst, sog. paritätische Kommissionen (de facto aber Gewerkschaften) gehen dann auf die Baustellen und in die Firmen und kontrollieren, dass es so ist. Eigentlich ist dies nicht ganz korrekt, denn eigentlich sollten in Gewerkschaften die Hälfte aus Arbeitgebern und die andere Hälfte aus Arbeitnehmern bestehen, aber de facto herrscht in diesen paritätischen Kommissionen ein Übergewicht der Gewerkschaften. Darum haben sie, aufgrund der flankierenden Massnahmen viel mehr Macht als früher. In diesem Zusammenhang schaffen es die Gewerkschaften, dass den Unternehmen immer mehr Gesamtarbeitsverträge aufgezwungen und als allgemein verbindlich erklärt werden, indem sie Streiks organisieren. Gesamtarbeitsverträge sind Verträge die über eine bestimme Branche oder über bestimmte Mitarbeiter gelten. Der Bundesrat kann solche

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Verträge als allgemein verbindlich erklären, womit diese Geltung erlangen für Parteien, die das vielleicht gar nicht wollen. Wir sehen heute eine Zunahme der Gesamtarbeitsverträge in der Schweiz.

Inwiefern hat dies einen Einfluss auf Ihre Arbeit? Ist es einfacher, wenn Sie sich auf GAVs verlassen können?

Nein, im Gegenteil, es ist komplizierter. Auch für die Unternehmen. Wir vertreten zu zwei Drittel die Arbeitgeber und zu einem Drittel Arbeitnehmer. Aus Sicht des Arbeitgebers ist es einfacher das Gesetz zu nehmen und zu sagen: „Ich mache einen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer so wie ich will“. Der Arbeitnehmer interessiert sich in der Regel ja nur für den Lohn und gewisse Sozialleistungen. Die GAVs sind teilweise sehr kompliziert geworden. Also ich muss auf das Gesetz achten, auf den Gesamtarbeitsvertrag und auf meine eigenen Bedürfnisse. Der GAV schränkt den Handlungsspielraum sehr stark ein. Also der Arbeitgeber hat dem entsprechend beinahe keine Möglichkeit mehr, seine Wünsche einzubringen und ob man nun 4 oder 6 Wochen Ferien hat ist ein Unterschied. Wenn nun auch noch ein gesetzlicher Mindestlohn da ist in Kombination mit 6 Wochen Ferien, ist der Spielraum ganz weg. Auch Verhandlungen wie mehr Ferien für weniger Lohn sind somit nicht mehr möglich. Bei jeder Massnahme, die in einem Betrieb getroffen wird, muss ich noch überlegen, ob das nun gegen einen GAV verstösst. GAVs machen das Leben generell etwas schwerer, dies gilt jedoch nicht für alle Branchen. In gewissen Branchen kann es sein, das man mit den Gewerkschaften eine Art Burgfrieden erreicht, wenn man sich einfach an die Auflagen im GAV hält. In letzter Zeit werden jedoch Baustellen bestreikt trotz eines GAV, also wird es hier etwas politisch… 12. Die Schweiz scheint weltweit ein sehr fortschrittliches Rechtssystem zu haben. Wo findet sich der Ursprung dieser Entwicklung und wieso trifft dies genau auf die Schweiz zu? Meiner Meinung nach hat die Schweiz einen gewissen Pragmatismus, einen gewissen gesunden Menschenverstand. Der soziale Frieden ist direkt nach dem Generalstreik im Jahre 1918 eingetreten, als man gemerkt hat, das man dringend etwas tun muss, damit die Gesellschaft zusammen hält. Die Schweiz war bis vor kurzem funktionsfähig, auch wenn man nur geregelt hat was man regeln musste und den Rest den Parteien überlassen wurde. Die Vertragsfreiheit wurde sehr hoch gehalten. Nochmal, dies ist meine persönliche Meinung. Ich habe das Gefühl dass mit der zunehmenden Verflechtung von Europa, mit der Verflechtung der Märkte, mit der Professionalisierung

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des Parlaments, es gibt ja praktisch keine Milizpolitiker mehr, eine enorme Flut an Gesetzen entstanden ist innerhalb der letzten 20 Jahren. Viel mehr ist geregelt als es das früher noch war. Churchill soll bei einem Besuch (1946) in der Schweiz gesagt haben: „In der Schweiz ist alles, was nicht verboten ist, obligatorisch“. Dies zeigt dass bereits 1946 hatten die Schweizer eine sehr hohe Regelungsdichte hatten, aber sie hat noch enorm zugenommen. Inzwischen sind wir beinahe überperfekt, wie die Deutschen. Ich habe das Gefühl, wir sind unser einfaches Rechtssystem mit dem OR, welches wir am 30. März 1911 verabschiedet haben, verloren haben. Eugen Huber, der Verfasser des ZBG, wollte erreichen, dass der Mann auf der Strasse das Recht versteht. Einfache Sachen wie „Heirat macht bündig“ oder „Kauf bricht Miete“, diese einfachen Sätze wären in Deutschland undenkbar. Die Schweizer sind damit immer gut gefahren. Im Aktienrecht, wo man zwischen 1962 und 1982 praktisch keine Änderung hatte, haben wir nun inzwischen fast jedes Jahr Änderungen manchmal soger mehrere. Die Gesetzesbücher (OR, ZGB, ZPO) konnte man früher zehn Jahre behalten, inzwischen muss ich alle sechs Monate ein neues kaufen. Darum bin ich nicht der Meinung, dass wir ein sehr "fortschrittliches" Rechtssystem haben. Ob das aber immer gut ist, lasse ich dahin gestellt.

13. Angenommen eine erwachsene Person würde Sie aufsuchen, mit der Bitte um Unterstützung beim Abschliessen eines Arbeitsvertrages. Welche drei Punkte würden Sie ihr nennen, auf

die die Person beim Verhandeln der

Vertragsbedingungen speziell achten sollte? Drei Punkte… Dies ist eine schwierige Frage, da man sie nicht für jede Person gleichermassen beurteilen kann. Die Interessen und die Fähigkeiten spielen dabei eine grosse Rolle. Letzte Woche habe ich einen Arbeitsvertrag für einen Klienten angeschaut, der einen Fixlohn von 1.5 Millionen Franken im Jahr hat. Das ist ein Arbeitsvertrag

auf

eineinhalb

A4-Seiten.

Auf

der

einen

Seite

stehen

die

Parteibezeichnungen, auf der anderen der Lohn und die Kündigungsfrist, "that’s it". Auf der anderen Seite gibt es Leute (z.B. ein Lehrer einer Privatschule) der einen 20seitigen Vertrag hat mit unzähligen Bestimmungen über sexuelle Handlungen mit Kindern und so weiter. Je höher der Lohn, desto schmaler die Verträge habe ich manchmal das Gefühl. Natürlich der Lohn, aber darüber müssen wir ja nicht sprechen, da es kein rechtliches Thema ist, dies muss der Arbeiter selbst wissen. Ich würde die Kündigungsfrist und die Probezeit, falls eine vorhanden ist, überprüfen. Das Konkurrenzverbot kann ebenfalls von Bedeutung sein. Das Gesetz regelt schon so viel, dass man nur die Abweichung oder Ergänzungen im Vertrag regeln muss, was

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eigentlich ja das Schöne ist. Die Lohnfortzahlung sollte ebenfalls angeschaut werden: Läuft sie nach Gesetz, oder hat der Arbeitnehmer eine Versicherung? Hier gibt es verschiedene Lohnfortzahlungsskalen. Man kann aber auch eine andere Regelung treffen, wenn sie mindestens gleichwertig ist. Zu diesem Zweck sollte man unbedingt das Kleingedruckte lesen. Ein weiterer Punkt der wichtig sein kann ist der Wechsel einer Arbeitsstelle. Wenn jemand eine gute Stelle aufgibt und am neuen Ort kurz nach Stellenantritt während der Probezeit (kurze Kündigungsfrist) die Arbeit wieder verliert, steht man auf der Strasse. Darum würde ich bei einer guten Stelle (Kaderstelle) zu keiner Probezeit und dafür zu einer langen Kündigungsfrist raten. Bei normalen Arbeitsverträgen ist die Probezeit weniger wesentlich und auch im Interesse des Arbeitnehmers, denn er kann wieder gehen wenn es ihm nicht gefällt. Denn der Arbeitgeber braucht sowieso drei bis sechs Monate um die Leistung zu beurteilen. Von da her liegt die Probezeit bei "normalen" Stellen im Interesse des Arbeitnehmers und bei höheren Positionen eher im Interesse des Arbeitgebers, um im Notfall eine Kaderstelle neu vergeben zu können, sobald die Leistung ungenügend ist. Eine Klausel die ich vielleicht auch anschauen würde, ist die Bonus-Klausel. Bei den BonusGeschichten gibt es so viele Missverständnisse, dass man wissen sollte wo der Unterschied zwischen Gratifikation und Bonus liegt. Dies trifft dann jedoch vor allem auf Kadermitarbeiter zu.

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13.2.

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Interview mit Herrn Franco Moretta vom 16. September 2015

1. Wie lange arbeiten Sie schon für die UNIA? Waren Sie davor in einem ähnlichen Bereich tätig? Insgesamt bin ich jetzt 20 Jahre bei der Gewerkschaft. Die UNIA gibt es seit zehn Jahren, davor war ich bei der Vorgängergewerkschaft, der SMUF, welche hauptsächlich im Metallgewerbe tätig war. In der Zwischenzeit, bei der UNIA, ist man nicht mehr „Metaller“ sondern alles. 2. Was gehört alles in Ihren persönlichen Tätigkeitsbereich? Was gehört alles zu meinem persönlichen Tätigkeitsbereich… dies ist natürlich vielseitig. Sehr vielseitig. Wir haben momentan mit der Baubranche zu kämpfen. Dieser Gesamtarbeitsvertrag, also der LMV, läuft Ende dieses Jahres aus und der Baummeisterverband ist nicht gewillt, mit der Gewerkschaft einen neuen Vertrag auszuhandeln.

Sie

wollen

schlicht

eine

Verlängerung

des

aktuellen

Gesamtarbeitsvertrags um ein Jahr, aber dies löst die anstehenden Probleme nicht. Es gibt einige Probleme, welche gelöst werden sollten und der Baumeisterverband weigert sich im Moment dazu. Vielleicht werden Sie in den nächsten Tagen auch noch etwas darüber hören, es gibt sicherlich ein wenig Tumult, einige Störaktionen und was alles dazu gehört. Weiter ist natürlich klar, in meinem Tätigkeitsbereich bin ich zuständig für den Bau, jedoch gesamt ostschweizerisch. Sektional, also innerhalb der Sektion Rapperswil-Glarus, gibt es natürlich alles: Industrie, Gewerbe, Tertiärbereich. Es muss alles auf seine Art gepflegt werden und vor allem haben wir die Rechtsfallbearbeitung zur Aufgabe. Rechtsfälle der Mitglieder, welche zu uns kommen und von uns dann in Form der Bearbeitung des Falls eine Dienstleistung entgegen nehmen. Also es gibt ein sehr breites Spektrum, ich könnte Ihnen den ganzen Tag erzählen, was wir alles noch zu tun haben. Das Wichtigste in Kürze war jedoch bereits das, was wir hier tun. Aber wir sind hier in Rapperswil eigentlich ein kleines Team mit nur drei Leuten. Alles ist überschaubar. Natürlich gibt es manchmal Probleme alles abzudecken aufgrund der personellen Ressourcen, die wir haben. Wir versuchen hier trotzdem, das Beste raus zu holen.

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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3. Worin fanden Sie die Motivation, für eine Gewerkschaft zu arbeiten? Diese Motivation für eine Gewerkschaft zu arbeiten, das ist relativ schwierig. Ich bin von Natur aus so. Ich bin gelernter Werkzeugmacher und habe somit lange in der Industrie gearbeitet. Dort habe ich mich stets in den Personalkomissionen für die anderen eingesetzt. Das Arbeitsrecht faszinierte mich schon immer, darum habe ich mich dann dazu entschlossen, dies vollamtlich zu tun. Aber diese Motivation, die muss einem gegeben sein, man kann es nicht einfach lernen. In meinen 20 Jahren habe ich sehr viele Leute gesehen, welche einfach einen Job suchten und das Gefühl hatten: „Gewerkschaft, das kann ich sicher auch.“ Aber dies ist nicht der Fall. Heute sind diese Leute alle wieder weg. Natürlich ist es auch schwierig, es muss einem wirklich gegeben sein. 4. Was sind Ihrer Erfahrung nach die bedeutendsten Änderungen der letzten Jahre, welche Gewerkschaften in der Schweiz durchsetzen konnten? Die bedeutendsten Änderungen der letzten zehn Jahre sind natürlich im Sozialversicherungsrecht. Früher war es so, bis vor etwa fünf, sechs Jahren, dass man mit einem Taggeld- oder IV-Fall vor Gericht gehen konnte und dort diese Dinge selbst durchbringen konnte. Man hat nicht immer gewonnen, auch das Erleiden von Niederlagen gehörte dazu. Heute hat man keine Chance mehr wenn man kein Jurist ist, da es so kompliziert ist. Wir leiten alles was Sozialversicherungen anbelangt an unseren Rechtsdienst weiter und bearbeiten selbst keine solchen Fälle mehr. Hier hat sich definitiv am meisten geändert in den letzten zehn Jahren. Und es wird noch schlimmer, denn es werden noch AHV-Revisionen und BVG-Revisionen dazukommen. Es wird immer komplizierter. Änderungen hat es auch dahingehend gegeben, dass heute rund 60-70% der Branchen einen Gesamtarbeitsvertrag haben. Wenn ein Junger nach oder sogar während der Lehre zu arbeiten beginnt, hat er fünf oder sechs Wochen Ferien, er hat einen 13. Monatslohn, er hat eine 40 Stunden Woche, er hat bezahlte Feiertage. Dann hat man immer das Gefühl, dass es so ist. Das ist jedoch nicht wahr. Die Realität sieht so aus, dass wir von der UNIA und von den anderen Gewerkschaften jedes Jahr um genug Mitglieder kämpfen, um gegenüber der SECO darlegen zu können, dass wir das Recht haben, über den Gesamtarbeitsvertrag verhandeln zu dürfen. Das ist die Realität. Die Verträge laufen in den meisten Fällen nach drei bis fünf Jahren aus. Also die Gesamtarbeitsverträge?

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Ja. Diese laufen in der Regel, je nach Branche nach drei bis fünf Jahren aus, beim Bau manchmal auch nach zwei Jahren. Dann müssen sie jeweils neu verhandelt werden. Jeder hat das Gefühl, bereits alles zu haben und die Gewerkschaft nicht mehr zu benötigen. Das ist leider die Realität. Die Tatsache ist eben, wenn man irgendwann unter einem gewissen Prozentsatz der Beschäftigten ankommt, sprich zu wenige Mitglieder hat, sagt das SECO, dass der Vertrag nicht mehr allgemeinverbindlich sein muss sondern Firmenverträge ausreichen. Dies könnte uns irgendwann treffen. Die Jungen sind einfach nicht gewerkschaftsfreundlich, was immer wieder festgestellt wird. Es sind die älteren Generationen, welche eigentlich alles erkämpft haben. Es war nicht so, dass der Baumeister von sich aus sagte: „Ihr könnt mit 60 Jahren in Pension gehen.“ Wir haben das alles erkämpft. Dies steht alles in Gefahr, sollte die Mitgliederzahl einmal herunterfallen. Als Beispiel: Vor zehn Jahren, wenn wir einen Neumitgliederanlass durchgeführt haben, sind von etwa 100 Neumitgliedern 40-60 gekommen. Das ist normal. Gerade vor kurzem hat mein Mitarbeiter die Einladung für den Neumitgliederanlass von nächster Woche an 200 Leute verschickt, von denen sich bisher drei angemeldet haben. Ich sage es noch einmal, das ist die Realität. Eine Gewerkschaft ist etwas, das man hat, solange man profitieren kann. Sobald man keinen Profit mehr sieht, glaubt man, es nicht mehr zu brauchen. Damit sind wir dauernd konfrontiert. Es ist ein hartes Business. Sektionen und Gewerkschaften können nur überleben, wenn sie Mitglieder haben. Haben wir keine, können wir auch keine Gesamtarbeitsverträge durchführen, geschweige denn durchsetzen. Es ist nicht möglich. Diese Gefahr wird vom Volk einfach unterschätzt. Stellen Sie sich einfach als Beispiel vor, nehmen wir den Bau. Dort gibt es einen der besten Gesamtarbeitsverträge der Schweiz. Sie haben top Mindestlöhne, also Bauarbeiter dürfen nicht unter diesem Minimum verdienen. Dies ist perfekt geregelt. Wenn Ausländer zum Arbeiten in die Schweiz kommen, müssen dieselben Löhne eingehalten werden, darum ist die Konkurrenz nicht wahnsinnig. Angenommen es gibt ein halbes Jahr vertragslosen Zustand, werden neue Leute bereits im Januar für 45 stündige Wochen und 3‘000 Franken Lohn angestellt. Man kann nichts machen, obwohl der Mindestlohn im GAV 4‘500 Franken wäre. Aber dieser Vertrag gilt ja nicht, sondern nur noch das OR. Aber das sehen die Leute nicht, sie sehen es nicht ein. Es ist schwer, es ihnen verständlich zu machen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wir in der Schweiz in genau diesen Branchen einmal für zwei bis drei Jahren einen vertragslosen Zustand haben sollten.

Zur Abschreckung?

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

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Ja, denn werden sie merken, was sie haben.

Was sind momentan die Massnahmen der UNIA, um die Leute darauf aufmerksam zu machen? Wir sind praktisch täglich präsent, momentan natürlich vor allem auf dem Bau. Da wird jeden Tag mit diesen Arbeitern gesprochen, diskutiert und erklärt um was es geht.

Also eins zu eins am Arbeitsplatz. Ja genau, eins zu eins. Also natürlich in der Znünipause, Mittagspause und so weiter. Natürlich kann man aber auch nicht immer so schön frei auf die Baustellen gehen, das geht nicht. Man kann die Leute nicht stundenlang von ihrer Arbeit abhalten. Das machen wir auch nicht. Wir gehen kurz vorbei und ansonsten geben wir die Informationen in den Pausen, am Mittag oder nach Feierabend. Es ist einfach schwer.

5. In welchem Bereich ist der Kampf mit der Arbeitgeberpartei am grössten, wenn ein neuer Gesamtarbeitsvertrag aufgesetzt werden soll? Es geht natürlich schon immer um Mindestlöhne. Dort ist immer der Kampf. Obwohl, ich selbst bin bei diesen Verhandlungen nicht dabei, ich keinen Grund sehe. Gehen wir davon aus, der Mindestlohn für einen Maurer ist 4‘700 Franken, ich weiss es gerade nicht auswendig. Jeder Maurer verdient sicherlich 200-300 Franken mehr als den Mindestlohn. Dieser ist eigentlich nur sicherheitshalber da, damit man darunter nicht zahlen darf, denn es gibt immer schwarze Schafe. Es gibt viele Firmen die heute gegründet werden und morgen nicht mehr da sind. Weiter geht es um den entsandten Arbeitnehmer, vor allem in der Bodensee-Region, wo es viele ausländische Firmen gibt, welche in der Schweiz arbeiten. Diese Firmen müssen die Mindestlöhne auch einhalten, denn ansonsten könnten zum Beispiel die Österreicher für einen Auftrag in die Schweiz kommen und ihrem Maurer 1‘200 Euro als Lohn zahlen. Mit solchen Löhnen kann dieses Unternehmen natürlich ganz anders offerieren, in der Schweiz. Doch sie müssen eben den Mindestlohn einhalten. Darum sind die Mindestlöhne auch so wichtig, ich verstehe nicht, warum die Arbeitgeber dies nicht einsehen. Der Kampf dreht sich immer um Mindestlohn und Arbeitszeit. Das ist immer wieder der Kampf. Man sieht es aktuell mit der Frankenstärke die wir hatten, inzwischen ist es ja wieder besser. Es gab viele Firmen, welche die Frankenstärke als Vorwand nahmen, um in der Industrie zwei Stunden mehr arbeiten zu lassen. Das war Gang und Gebe. Es hat

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jetzt wieder ein wenig abgenommen, weil die Begründung nicht mehr gültig ist. Aber im Gesamtarbeitsvertrag der Metallindustrie gibt es einen Artikel, der eine Bewilligung für die Erhöhung der Arbeitszeit über eine Zeitspanne von maximal 18 Monaten gibt, bei gleichem Lohn. Das wurde jetzt einfach ausgenutzt. Natürlich war es teilweise auch begründet, aber es gibt viele, die überhaupt nichts mit der Frankenstärke zu tun hatten und ihre Angestellten trotzdem zwei bis drei Stunden länger arbeiten liessen. Das ist der Kampf jeder Verhandlung über einen Gesamtarbeitsvertrag. Dies merken wir auch selbst, wenn wir Firmenverträge aushandeln. Es gibt viele Firmen, die keinen Gesamtarbeitsvertrag haben weil sie nicht im Verband sind. Man muss nämlich im Swissmem-Verband sein, um unter den Gesamtarbeitsvertrag zu fallen. Da sie dies nicht wollen, machen wir mit ihnen eigentlich genau denselben Vertrag, einfach als Firmenvertrag. Das gibt es auch viel und hier dreht sich der Kampf ebenfalls immer um die Arbeitszeit. Am liebsten hätten die Firmen natürlich 45 bis 50 stündige Wochen, aber wir sind bei 40 Stunden.

6. In welcher Branche ist die UNIA am meisten aktiv und präsent? Am meisten aktiv und präsent sind wir in unseren vier Hauptbranchen: Baugewerbe, Maschinenindustrie bzw. Industrie allgemein, alles was zu Gewerbe gehört sprich Schreiner, Gebäudetechniker, Elektriker und so weiter. Was ebenfalls gross ist bei uns in der Ostschweiz ist der Tertiärbereich. Dies ist bei uns hauptsächlich Hotel- und Gastgewerbe. An und für sich vertreten wir aber alles, dies sind einfach die Hauptbranchen. Wir haben rund 200‘000, ein bisschen mehr, welche eigentlich je zu einem Viertel zu diesen Hauptbranchen gehören, bis auf einzelne Kleinigkeiten. Es wird vielfach unterschätzt. Wir haben hier den Tertiärbereich immer ein wenig am Rande behandelt, man musste jedoch feststellen, dass dies hier in der Ostschweiz eine der grössten Branchen ist. Das mit der Präsenz ist so eine Sache. Man kann nicht überall immer präsent sein, als Beispiel die Maschinenindustrie, man kann nicht einfach in eine Fabrik hineinlaufen. Es gibt gewisse Regeln, die eingehalten werden müssen. Im Bau hingegen ist es ein bisschen einfacher, da es ein offenes Gewerbe ist. Man kann die Baustelle betreten. Tertiär ist eben auch betroffen, momentan kämpfen wir für einen Gesamtarbeitsvertrag für die Verkaufsbranche. Ich meine, alles hat eine Geschichte. Wenn man zurückdenkt, im Gastgewerbe hat man auch etwa zehn Jahre gebraucht, bis es endlich geklappt hat. Im Verkauf ist es jetzt nicht viel anders, es geht in dieselbe Richtung. In der Zwischenzeit gibt es zum Beispiel Coop der einen Gesamtarbeitsvertrag hat, genauso wie Migros und Aldi. Diese

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Gesamtarbeitsverträge sind aber nicht allgemeinverbindlich, sondern es sind nur Firmenverträge. Und wir wollen einen allgemeinverbindlichen GAV erreichen, für alle.

Mit schweizweiter Gültigkeit. Genau. 7.

Was sind spezifisch die kurz- und langfristigen Ziele der UNIA bezüglich Arbeitsrecht? Die Ziele der UNIA im Bereich Arbeitsrecht sind klar. Jedes unsere Mitglieder wird bei Problemen im arbeitsrechtlichen Bereich unterstützt, meistens geht es um Löhne, Ferien, Überzeit. Wir stehen auch voll dahinter. Das Arbeitsrecht ist ja ein weiter Begriff. Im Monat sind wir, nur von unserer Sektion, im Schnitt etwa fünf bis sechs Mal bei einer Schlichtungsstelle. Von diesen Schlichtungen gibt es in der Regel in der Hälfte der Fälle eine Einigung. Wenn zum Beispiel der Arbeitnehmer 5‘000 Franken fordert und der Arbeitgeber nichts geben will, sagt man einfach als Vorschlag, man belässt es bei 3‘000 statt 5‘000 Franken und der Fall ist erledigt. Wenn beide einverstanden sind, kann man das so machen. Die restlichen Fälle werden dann vor Gericht gezogen. Wir haben viele Gerichtsfälle, welche vor allem aus dem Gastgewerbe kommen. Aus dem Bau gibt es ab und zu auch einen Fall vor Gericht. Aus der Industriebranche kommen sehr wenige Gerichtsfälle, die meisten kommen schweizweit tatsächlich aus dem Gastgewerbe. Wir stehen für unsere Mitglieder jeweils voll ein und gehen mit, auch bis vors Bundesgericht in einzelnen Fällen. Das kostet Gewerkschaftsmitglieder keinen Rappen. Das wird auch weiterhin ohne Änderung so weiterlaufen. In Zukunft wird wahrscheinlich die Vertretung immer teurer werden, weil die Sozialversicherungsfälle gegen die IV oder gegen die Suva oder Krankentaggeldversicherungen immer teurer werden. Von denen haben wir auch sehr viele. Ich habe sie bisher ausgeschlossen, weil sie nicht von uns direkt bearbeitet werden. Wir leiten diese Fälle an den Rechtsdienst weiter und haben dann nichts mehr damit zu tun. Aber unsere kleine Sektion hat jährlich sicher zehn solche Fälle. In der Regel erreichen wir immer einen Erfolg. Manchmal sagen wir auch, es gäbe keine Chance auf einen Erfolg, weil alles sauber verlaufen ist, auch wenn das Mitglied das natürlich nicht akzeptieren will. Dann kann das Gewerkschaftsmitglied selbst einen Versuch starten, mit einem eigenen Anwalt. Falls dann ein Erfolg erzielt würde, übernimmt die UNIA diese Kosten selbstverständlich. Jedoch ist dies in meinen 20 Jahren noch nie passiert. Es gab einige, die einen eigenen Anwalt genommen haben, aber jeweils ohne Erfolg. Wir haben einen top Rechtsdienst. Es gibt den regionalen Rechtsdienst in St. Gallen und den national Rechtsdienst in Bern. Dort hat es top Anwälte, also es nicht so, dass wir

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alles selbst machen müssen. Aber bis vor Arbeitsgericht machen wir alles selbst, danach braucht es Juristen.

8. Wie stark sind Gewerkschaften in der Schweiz im Vergleich zum Rest von Europa? Hier muss ich der Realität ins Auge schauen und sagen, dass wir in der Schweiz viel zu schwach sind. Wenn ich mir überlege: Deutschland, Italien, Frankreich, die Umgebung um die Schweiz, dort kann man einem Arbeitnehmer nicht so einfach künden, als Beispiel. Also man kann schon, aber das kostet einiges. In der Schweiz ist es sehr einfach. Jeder Arbeitgeber kann, auch wenn er zufrieden ist, die Kündigungsfrist einhalten und grundlos künden. Nicht einmal ein Grund wird verlangt. Ich sehe das klar als Schwäche. Da müssten wir kämpfen. Das krasse Beispiel was bis vor einem Jahr Italien. Dort gab es den berühmten Artikel 18, der besagte, dass ein festangestellter Arbeitnehmer nicht gekündet werden kann. Wenn dieser nichts Falsches getan hat und das Unternehmen nicht gerade Konkurs ging, konnte man nichts machen. Er konnte jahrelang krank sein, ohne dass man die Kündigungsoption hatte. Das ist natürlich das krasse Gegenteil, das darf auch nicht sein. Aber so leicht wie in der Schweiz, ist es nirgends. Es braucht keinen Grund. Jeder Arbeitgeber kann jedem Arbeitnehmer einfach künden. Für mich persönlich ist das der Paradepunkt, welcher aufzeigt, wie stark oder schwach eine Gewerkschaft in einem Land ist. Ich weiss nicht wie es in den Vereinigten Staaten ist, aber hier ist es so. Deutschland ist wiederum anders. Dort kann man künden, jedoch braucht es erstens einen Grund und zweitens ist die Kündigung mit einem Abkommen verbunden. Es kommt alles sehr teuer, darum überlegt sich der Arbeitnehmer auch zweimal, ob er eine Kündigung aussprechen will. In der Schweiz: nichts.

9. Wie stark sind Gewerkschaften in der Schweiz im Parlament vertreten? Wie gross sind die Chancen auf nationaler Gesetzesebene (Obligationenrecht) essentielle Veränderungen durch zu setzten? Da sind wir beinahe wieder bei der vorherigen Frage. Wir sind zwar nicht schlecht vertreten im Parlament, aber die Gewerkschaft wird immer mit der SP verbunden. SP und Gewerkschaft muss nicht immer zusammengehören, obwohl es in 90% der Fälle so ist. Und was passiert, wenn bürgerliche Parteien SP hören? Sie sind alle dagegen. Darum ist die Chance nicht so wahnsinnig gross. Ich persönlich finde, die Chance auf

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nationaler Gesetzesebene etwas zu verändern, sind sehr bescheiden. Das ist Realität. Ich sehe das so.

13.3.

Interview mit Herrn Markus Imboden vom 6. Juli

1. Wie gestaltet sich die Interaktion zwischen den Headquarters der Oetiker Group in der Schweiz und ihren Tochtergesellschaften in den USA? Wo liegen die grössten Schwierigkeiten darin, ein Unternehmen erfolgreich auf mehreren Kontinenten gleichzeitig zu führen? Die Oetiker Gruppe hat weltweit Tochterunternehmen, unter anderem auch in den USA. Weitere Länder wären Kanada, China, Indien, Deutschland, Spanien, seit neustem auch Schweden und so weiter. Was noch zu sagen wäre ist, dass diese Tochtergesellschaften ungefähr die Grösse eines KMUs haben, also um die 100 bis 200 Angestellten. Die Gruppe selbst hat etwa 1500 Angestellte, wovon in der Schweiz noch rund 110 sind. Wir sind nicht mehr so organisiert, dass wir ganz oben einen Chef haben und dann in den jeweiligen Ländern weitere Chefs, sondern wir sind sehr funktional organisiert. Wir haben die Konzernleitung. Dort gibt es in Prinzip vier Leute die für die Sales zuständig sind: einer für Amerika, einer für Europa, einer für Indien/Asien

und

einer

für

den

fernen

Osten.

Dann

gibt

es

einen

Produktionsverantwortlichen, welcher für die ganze Technik bis RNT zuständig ist. Ich selbst bin für den Finanzbereich zuständig, also alles was zu den Finanzen und zum Controlling gehört. Weiter gibt es noch den IT-Bereich, welcher direkt dem CEO unterstellt ist. Diese Bereiche werden vermutlich in Zukunft mituntergeordnet, alleine aufgrund des Wachstums und der Menge an Angestellten die dem CEO rapportieren. Deswegen ist die Interaktion zwischen Hauptquartier und Tochtergesellschaft oftmals direkt in der Funktion selbst abgewickelt. Dies ist vielleicht auch eine gewisse Schwierigkeit, da ich zum Beispiel Leute habe, die ich in den USA oder in China direkt führe. Diese führen dann wiederum ihren Bereich am jeweiligen Standort. Die Challenge ist, dass man Leute führt, welche man vielleicht ein oder zwei, maximal vier Mal im Jahr sieht. Sehr viel Kommunikation läuft über Elektronik. Die „daily problems“ machen es schwieriger, die Leute so zu führen, als wenn sie wirklich hier wären. Es dauert auch länger um herauszufinden, was an einem Standort wirklich abgeht. Obwohl die Unterschiede zwischen Asien und USA enorm gross sind. Ein aktueller Fall: In China weiss ich gerade nicht mit Sicherheit, was läuft. Hingegen in den USA habe ich aufgrund unserer Kultur ein viel besseres Gefühl um bestimmen zu können, was los ist. Dies sind sicherlich die Schwierigkeiten. Weiter gehören auch kleinere

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Probleme dazu, denn das sind dann aufgrund der funktionalen Organisation Sachen zwischen Landesgesellschaft und Mitarbeiter. Das gibt dann eine Art Matrix-Situation: Die Erwartungen, welche von uns als Führungspersonen kommen und die rechtlichen Grundlagen oder guten Sitten der jeweiligen Länder. Dieses Spannungsfeld gibt es, sobald es einige Problemfälle hat. Dann wird es sofort aufwändiger. Solange alles gut ist, läuft es ruhig. Es ist halt wirklich ein „peoples-business“, es ist anders als eine Maschine die irgendwo in Asien steht. Es gibt fremde Länder und Kulturen, das merkt man stark. Was man auch noch ein wenig unterscheiden kann ist, ob man Leute hat, die ausgebildet sind oder beispielsweise in der Produktion, wo es bis auf den Shopfloor hinunter geht. Dort sind die Unterschiede dann massiv grösse. Spezifisch auf die USA bezogen merkt man, dass gerade bei Privatunternehmen wie wir eines sind, wir gehören ja einer Familie, die Zahlen eine grosse Rolle spielen. Amerika ist sehr zahlenlastig. Die Putzfrau erhält zum Beispiel 5 Prozent ihres Lohnes als Bonus. In den USA gilt Geld extrem als Motivator. Auch in Asien versucht man das auch, jedoch ist dort die Erwartungshalt so, dass man damit rechnet, das Geld zu erhalten. Werden die Ziele dann nicht erreicht, versucht man alles so zu drehen, dass man selbst nicht schuld ist.

2. Waren Sie selbst einmal im Ausland tätig? Ich war selbst nie im für längere Zeit im Ausland tätig.

Was heisst länger? Also ich war zum Beispiel während dem Aufbau in China wochenweise dort. Um die Jahrtausendwende herum war ich drei bis vier Mal im Jahr in China. Aber wir versuchen stets, die Dinge im lokalen Management vorwärts zu bringen, obwohl wir gerade jetzt in China allmählich an unsere Grenzen stossen. Aber selbst war ich nie ein oder zwei Jahre im Ausland. 3. Eine etwas politische Frage: Wie stehen Sie zur Veränderung des Arbeitsrechts bezüglich der immer grösser werdenden Regeldichte in der Schweiz? Ich denke ehrlichgesagt, dass wir hier enorm aufpassen müssen, dass wir nicht einen grossen Vorteil der Schweiz verlieren. Wir haben auch Gesellschaften in Deutschland und Frankreich. Wenn man sieht, was das einerseits für einen administrativen Aufwand benötigt und andererseits wie hoch der Arbeitnehmerschutz ist, ist es enorm. In Deutschland haben wir eine grosse Gesellschaft mit rund 200 Mitarbeitern. Daher wäre es manchmal sinnvoll, gewisse Dinge nach da zu verschieben und zu zentralisieren.

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Wir sind dann jedoch jeweils vorsichtig, weil man dort in einem extrem regulierten Land ist. Sollte es einmal zu einer Kündigung kommen, wird es relativ teuer mit der Abgangsentschädigung etc. Ich sage immer wieder, diese gewisse Freiheit, welche wir haben, dieses Arbeitsrecht, ist definitiv ein Vorteil für die Schweiz. Aber das ist nicht nur im Arbeitsrechts so. Generell bin ich skeptisch ob wir Schweizer uns mit diesen Veränderungen selbst und dem ganzen Unternehmertum einen Gefallen tun. 4. Wie oft kommen Sie als CFO der Oetiker Group mit Arbeitsrecht in Kontakt? Glücklicherweise nicht sehr oft. Ich spreche es jetzt eher von der negativen Seite an, sollte es zum Beispiel zu Entlassungen kommen. Solche Fälle mit Arbeitsrecht haben wir nicht viel. Es ist natürlich auch etwas, das häufig auf lokaler Ebene abgearbeitet wird, also zwischen den Human Resources – Verantwortlichen. Hingegen uns in den Finanzen geht es bestimmt an, wenn es zu einer Entlassung einer Kaderperson kurz vor Jahresende kommt, dass man entsprechende Rückstände bilden muss. Dort sind wir sicherlich involviert und wissen auch früh Bescheid. Wir sind in den Jahren 2008 und 2009 mit Arbeitsrecht in Kontakt getreten, als wir Kurzarbeit in der Schweiz und in Deutschland einführen mussten, die Löhne reduzierten und dafür keine Angestellten entliessen. Das ist im Vergleich zu China schwierig, weil dort das Arrbeitsrecht doch relativ stark geregelt ist und umso grösser ein Unternehmen wird, desto mehr gerät man da rein. Dies wird in China auch von staatlicher Seite kontrolliert, man kann sich also nicht mehr alles erlauben, ausser man ist vielleicht Foxcon oder so. Dann ist man schon fast wieder eine Marktmacht. 5. Erhalten Angestellte bei den Tochterunternehmen in den USA amerikanische oder schweizerische Arbeitsverträge? Wo ist die Überlegung dahinter? Nein, wir haben keine Schweizer Arbeitsverträge in Amerika. Dies wird rein inneramerikanisch gehandhabt. Die Normalität ist, dass unsere Angestellten keine Arbeitsverträge haben. Bis natürlich auf die Kaderpositionen, welche nach einem ähnlichen Muster wie hier angestellt sind. Aber alles andere wird sehr lokal gehandhabt. Die Überlegung dahinter ist, dass die Kaderangestellten internationale Tätigkeit ausüben, sie haben ja den Chef sozusagen auch hier in der Schweiz. Darum macht es Sinn, dass gewisse Dinge geregelt werden, über welche es in Amerika keinen Vertrag gäbe. Aber natürlich kann man Dinge nicht nach Schweizer Recht regeln, wenn es nach amerikanischem Rechtsempfinden nicht möglich ist.

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Es gibt also keine Bestimmungen von der Schweiz aus, dass sämtliche Angestellten in Amerika zum Beispiel einen schriftlichen Arbeitsvertrag benötigen? Nein, in Amerika würden sie einen nur mit grossen Augen anschauen, wenn man ihnen einen Arbeitsvertrag hinlegen würde. Dies ist mein Empfinden. Ich möchte nicht sagen, dass es das gar nicht gibt, aber sicherlich die meisten Angestellten haben, wenn überhaupt, einen weniger umfangreichen Vertrag. Ich meine das ganze Thema mit dem Kündigungsschutz ist in Amerika viel freier geregelt. Aber auch das beruht auf Gegenseitigkeit, denn wenn dort ein Arbeitnehmer kündigt, geht er auch innerhalb von zwei Wochen. Man muss sich immer überlegen, wie wichtig er auch für die Firma ist. 6. Wie sieht der Einfluss von Gewerkschaften auf Unternehmen in den USA aus? Wir haben gar keine Gewerkschaften bei uns im Unternehmen, auch nicht in den USA oder Kanada. Sozusagen haben sie keinen Einfluss. Wobei man sagen muss, auf die USA bezogen, dass wir in Marlett ansässig sind. Ich sage immer, das ist das Hinterfruttigen von Amerika. Es liegt etwa zwei bis drei Stunden nördlich von Detroit. Unsere Firma ist, soviel ich weiss, der grösste Arbeitgeber in der weiteren Umgebung. Es gibt dort auch sehr viele langjährige Mitarbeiter und diese Konstellation gibt nicht den Boden für Gewerkschaften. Auch in Deutschland haben wir keine Gewerkschaften. Natürlich haben wir dort den Betriebsrat, aber das ist ja vom Gesetz vorgeschrieben und nicht in diesem Sinne eine Gewerkschaft.

7. Bemerken Sie bezüglich der Mentalität der Arbeitnehmern Unterschiede zwischen Schweizern und Amerikanern, die für die Oetiker Group tätig sind? Ich würde sagen, Amerikaner sind schneller begeisterungsfähig. Da kann einer hingehen, eine Richtung vorschlagen und alle ziehen mit. Sie sind sicher schneller bei Veränderungen. Hier in der Schweiz und auch im Rest von Europa wird von den Arbeitnehmern eher mal kritisch hinterfragt. Ich möchte das nicht negativ betonen, im Gegenteil glaube ich, dass die Leute in Europa ein Stück weit mündiger sind. Die Amerikaner sind dabei manchmal ziemlich naiv. Vor allem bei den Jungen in Europa ist das kritische Mitdenken viel weiter entwickelt. Aber hier sind wir in Horgen, gleich neben Zürich, einer Metropole. Ich vergleiche das wieder mit Marlett. Diese Geschichten der mobilen Amerikaner, die wir immer hören: Die Angestellten dort sind seit 10-15 Jahren beim gleichen Unternehmen, haben einmal in ihrem Leben eine internationale Reise gemacht, was vermutlich die Hochzeitsreise nach Mexiko war, und weiter einige wichtige Dinge in Amerika gesehen. Der grobe Durchschnitt der Schweiz hat ziemlich sicher mehr von der Welt gesehen, als jene Arbeiter dort. Darum ist es

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schwierig, wenn ich sie vergleiche. Es ist sicherlich etwas anderes, wenn es ein Unternehmen irgendwo in New York oder Boston wäre. Eine Metropole, vielleicht auch Florida oder Kalifornien. Das sind in Amerika riesige Welten. Das war auch lange meine Vorstellung von Amerikanern: mobil und frei. Heute sehe ich viele, die dort bleiben wo sie geboren wurden, dort sterben. Ihre Familie lebt dort. Was man sicher sieht, dass es die Jungen wegzieht von diesen Orten, gerade die besser gebildeten. 8. Vielfach hört man, dass die Arbeitsbedingungen, im Speziellen der Schutz der Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch den Staat, im Vergleich zur Schweiz „schlecht“ sind. Wie beurteilen Sie dies? Ja, es ist sicher viel weniger geregelt. In Amerika gibt es nicht den Kündigungsschutz wie hier. Ob dies „schlecht“ ist, kann ich nicht sagen. Generell ist in Amerika natürlich das Auffangnetz viel schlechter, aber das trifft nicht nur auf den Kündigungsschutz zu. Das geht bei Arbeitslosigkeit, beim ganzen Versicherungswesen weiter. Dort müssen auch wir vorsichtig sein, dass wir nicht zu stark zum Sozialstaat werden. Dann ist es beinahe attraktiv, arbeitslos zu sein. Bei gewissen Stories die man aus Europa hört, ist wirklich eine gewisse Vorsicht geboten. Amerika ist hingegen dafür sehr das krasse Gegenteil.

9. Welchen Rat geben würden Sie einem Schweizer Arbeitnehmer aus dem Dienstleistungssektor geben, der gerne für ein Unternehmen in den USA arbeiten möchte? Sicherlich sollte er dafür schauen, in ein grosses Unternehmen zu kommen. Gerade im Dienstleistungssektor würde ich sagen zu den grössten Vier. Dann gibt es auch meistens gute Programme und Möglichkeiten. Es ist nie garantiert. Ich selbst habe vor Jahren in der Lotterie einmal eine Greencard gewonnen und wollte gerne nach Amerika gehen. Ich bin so auch in Kontakt mit Oetiker gekommen, weil sie in Amerika tätig sind. Dazumal lernte ich den Gründer kennen und wir haben uns getroffen, jedoch ohne irgendwelche Versprechen dass ich gehen werde oder dass ich gehen darf. Die Umstände waren dann so, dass es keinen Sinn ergeben hätte, jemanden nach Amerika zu schicken und gleichzeitig war der Aufbau in China und Spanien an der Reihe. Ich sagte mir dann selbst, dass diese Dinge genauso interessant sind und bin heute froh darüber, nicht gegangen zu sein. Man weiss natürlich nie was sich ergeben hätte, aber ich denke, ich hätte nicht den gleichen Weg in diesem Unternehmen gemach. Ich arbeite nun seit 1998 hier, also schon ziemlich lange. Aber auf jeden Fall würde ich in ein grosses und noch einigermassen überschaubares Unternehmen gehen. Dort sind die Möglichkeiten die besten. Dann braucht man natürlich immer auch Glück und später im Unternehmen auch die richtigen Kontakte, die man eben pflegen muss, damit

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es etwas werden kann. Ich sage heute auch zu meinem Sohn, der 17 Jahre alt ist, dass ich nicht nach Amerika gehen würde, sondern eher nach Asien, weil man dort an einem ganz anderen Ort ist, momentan jedenfalls.

13.4.

Arbeitsverträge

Auf den folgenden Seiten werden Sie die Arbeitsverträge finden, welche ich für meine Arbeit benutzt habe. Dabei werden zuerst die beiden Schweizer Verträge und danach die beiden amerikanischen Verträge zu sehen sein. Aus rechtlichen Gründen wurden Namen der Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeber, Adressen und persönliche Daten entfernt. Reihenfolge:    

Schweizer Arbeitsvertrag Kaderbereich Schweizer Arbeitsvertrag Handwerksbereich Amerikanischer Arbeitsvertrag Handwerksbereich Amerikanischer Arbeitsvertrag Kaderbereich

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Fragebogen für die Publikumsumfrage

Sehr geehrte Damen und Herren Mein Name ist Stefan Horisberger, ich bin im Kanton Schwyz wohnhaft und besuche die Kantonsschule Ausserschwyz, momentan befinde ich mich im Vormaturajahr. Ich beschäftige mich während rund einem Jahr mit meiner Maturaarbeit zum Thema Arbeitsrecht. Der Fragebogen wird anonym ausgefüllt und die Informationen werden ausschliesslich zum Zweck meiner Maturaarbeit verwendet. Herzlichen Dank! 1. Welche Nationalität haben Sie?

2. Wie alt sind Sie? o Jünger als 18 Jahre o 18 – 30 Jahre o 31 – 40 Jahre o 41 – 50 Jahre o 51 – 60 Jahre o 61 – 65 Jahre o Älter als 65 Jahre 3. Sind Sie in einem Unternehmen angestellt oder führen Sie selbst ein Unternehmen? o o o

Angestellt Eigenes Unternehmen Nicht erwerbstätig

4. Fall Sie erwerbstätig sind, in welcher Branche beschäftigen Sie sich (grobe Einteilung)?

5. Wie lange dauerte Ihre längste Vollzeit-Anstellung (100%) in einem Unternehmen? o bis zu 1 Jahr o von 1 bis 5 Jahre o von 5 bis 10 Jahre o von 10 bis 20 Jahre o Mehr als 20 Jahre o Ich war noch nie Vollzeitangestellte/r 6. Waren Sie jemals im Ausland erwerbstätig? o Ja, als ______ o Nein 7. Falls Sie im Ausland erwerbstätig waren: o Land:_________

Arbeiten in Amerika – ein (Alp-)Traum?

o

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Dauer der Anstellung:________

8. Auf welcher politischen Seite würden Sie sich selbst einordnen? o Rechts (Konservativ) o Links (Sozial) o Neutral/Mitte o Politik interessiert mich nicht 9. Wie ist Ihr Familienstatus? o Alleinstehend o In einer Beziehung o Verheiratet / eingetragene Partnerschaft 10. Haben Sie Kinder? o Nein o Ja – im folgenden Alter:  Kleinkinder: _____  Primarschulalter: _____  Teenager in der Schule: _____  Teenager in einer Lehre: _____  Im Studium (bis 25 Jahre): _____  Älter:____ 11. Sind Sie Mitglied einer Gewerkschaft? o Ja - In welcher? ________ o Nein 12. Wie gut kennen Sie sich mit schweizerischem Arbeitsrecht aus? o Sehr gut o Gut bis sehr gut o Mittelmäßig o Eher schlecht o Keine Ahnung 13. Wie gut fühlen Sie sich als Arbeitnehmer vom Recht geschützt bzw. als Arbeitgeber eingeschränkt? o Sehr stark o Stark o Mittelmäßig o Schlecht o Gar nicht 14. In vielen anderen Ländern erhalten Arbeitende nur wenig oder gar keine bezahlten Ferientage. Für Schweizer gilt der Grundsatz: Mindestens 4 Wochen. Wie stehen Sie dazu? o 4 Wochen sind zu wenig o 4 Wochen reichen aus o Weniger als 4 Wochen würden ausreichen o Ferien sind mir egal o Meinung:_____________________________________________

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15. Inwiefern hoffen Sie, wird sich das aktuelle Arbeitsrecht bezüglich Anzahl bezahlter Ferientage in den nächsten 10 Jahren verändern? o Mehr Ferien o Weniger Ferien o Es bleibt wie es ist 16. Sind die rechtlichen Bestimmungen die einen Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Kündigungen schützen zu stark? o Zu stark o Gerecht o Sie sollten stärker sein o Weiss nicht 17. Die Schweizer Arbeitslosenversicherung beinhaltet, dass Arbeitslose bei genügender Bemühung für einen neuen Job einen teilweisen Lohnersatz erhalten. Dabei erhält man, wenn man unterhaltspflichtige Kinder bis 25 Jahre hat, eine IV-Rente bezieht oder eine gewisse Lohnuntergrenze unterschritten hat einen Lohnersatz von 80%. In jedem Fall erhält man 70% des sogenannten „versicherten Verdienstes“ (Bruttolohn). Was halten Sie von der Arbeitslosenversicherung in der Schweiz? o Sehr gut o Gut o Schlecht o Ist unnötig 18. Eine hohe Anzahl an Bestimmungen schützt Arbeitnehmer in der Schweiz davor, aus ungerechtfertigten Gründen oder während Unzeit gekündigt zu werden. Was ist für Sie persönlich wichtiger: Der hohe Kündigungsschutz oder die Anzahl bezahlter Ferientage? o Kündigungsschutz o Ferientage o Weiss nicht 19. Der Mutterschaftsurlaub in der Schweiz ist seit dem 1. Juli 2005 so geregelt, dass eine Mutter während 14 Wochen (ab Geburt) 80% ihres Lohnes erhält. Sollte die Frist von 14 Wochen bei gleichem Lohn auf 18 Wochen verlängert werden? o Ja o Nein o Weiss nicht 20. Amerika hat im Vergleich zur Schweiz ein liberales Arbeitsrecht. Die Schweiz hat sich während den letzten Jahren zunehmend von dem Amerikanischen System entfernt und durch die inzwischen hohe Regeldichte grosse Ähnlichkeit zum Rest von Europa angenommen. Finden Sie diese Entwicklung wünschenswert? o Ja o Nein o Weiss nicht 21. In der Schweiz ist man ab einem Pensum von 8 Stunden in der Woche unfallversichert. Sollte die Unfallversicherung in jedem Beruf fakultativ werden? o Ja, definitiv o Nein, auf keinen Fall

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22. Laut dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund sind nur rund 50% aller erwerbstätigen Menschen in der Schweiz einem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt. Damit steht man irgendwo im Mittelfeld. Beispielsweise sind in Schweden 70% aller Arbeitnehmer einer Gewerkschaft unterstellt, in Frankreich dafür nur 8%. Sollten Gesamtarbeitsverträge in der Schweiz für jeder Branche obligatorisch werden? o Ja o Nein 23. Aus wie vielen Säulen besteht das Schweizer Sozialversicherungssystem? o 7 o 2 o 3 o Es gibt keine verschiedenen Säulen o Weiss nicht

24. Wie lange dauert die Kündigungsfrist im Schweizerischen Arbeitsrecht nach 10 Dienstjahren im Unternehmen (falls im Arbeitsvertrag nichts anderes vorgesehen ist)? o Keine Kündigungsfrist o 1 Monat o 2 Wochen o 3 Monate o Weiss nicht 25. Wie viele Angestellte darf ein handwerklicher Betrieb maximal gleichzeitig beschäftigen? o Unbegrenzt o 200 o Einen pro fünf Aufträge in der Woche o Weiss nicht 26. Darf der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne eine Begründung ein ungenügendes und schlechtes Arbeitszeugnis ausstellen? o Ja o Nein o Weiss nicht 27. Wie viel darf ein Erwerbstätiger in der Schweiz maximal verdienen? o Unbegrenzt o Vom Alter abhängig o Von der Branche abhängig 28. Im Normalfall werden monatlich 50% der AHV-Prämie direkt vom Lohn abgezogen. Wer zahlt die restlichen 50% der Prämie? o Der Staat o Steuergelder (Bürger) o Arbeitgeber o Gewerkschaften o Weiss nicht

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29. Stimmt die Aussage: „Das Gesetz schreibt vor, dass Arbeitgeber nicht älter als 65 Jahre sein dürfen.“? o Ja o Nein o Weiss nicht 30. In der Schweiz darf man dem einen Geschlecht nicht einfach weniger zahlen, nur weil es das andere Geschlecht ist, obwohl die Qualifikation dieselbe ist. o Richtig o Falsch o Weiss nicht 31. In allen Berufen, die in der Schweiz ausgeübt werden, besteht ein gesetzlicher Mindestlohn, also eine Untergrenze. o Richtig o Falsch o Weiss nicht