Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 1/25
Alterspezifische Wohnungsnachfrage heute und morgen über die Relevanz lebensstildifferenzierter Wohnkonsumentenforschung bei Senioren und „Jungen Alten“
Benjamin Poddig, wissenschaftlicher Referent, vhw Berlin
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 2/25
vhw: Der Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung e.V. • Der vhw ist ein Idealverband mit über 1.300 überwiegend kooperativen Mitgliedern aus Städten, Gemeinden, Landkreisen, der Immobilien und Kreditwirtschaft, Verbänden und Instituten • Ein breites Angebot: Fortbildung, Fachbuchverlag, Arbeitskreise und Beratung • Seit 2002: Forschungsprojekt „Nachfrageorientierte Wohnungspolitik“ • Ziel des Projekts: Erforschung der qualitativen Wohnungsnachfrage mit Hilfe der Lebensweltforschung (Sinus-Milieus), mikrogeografischer Daten und kleinräumiger Wohnungsmarktbeobachtung • Jährlich repräsentative Befragung (bundesweit) von über 2.000 Personen • Seit 2003: Beratungsangebot WohnWissen für Gemeinden und Wohnungswirtschaft
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 3/25
Inhalt: Alterspezifische Wohnungsnachfrage
Einleitung „ Senioren und Junge Alte“
Erkenntnisse der qualitativen Sozialforschung
Bedeutung für die Praxis
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 4/25
Demographie: Wann ist man eigentlich alt? 120 Jahre
Ältester Mensch aller Zeiten (122)
Junge Alte
Senioren
Hochaltrige
115 Jahre 110 Jahre
Ältester deutscher Mann (111) / älteste deutsche Frau (112)
105 Jahre 100 Jahre 95 Jahre 90 Jahre
Lebenserwartung 2050 (Prognose Max-Planck-Institut)
85 Jahre
Hochaltrigkeit – stark steigende Pflegebedürftigkeit
80 Jahre
Lebenserwartung Frauen (Durchschnitt 2000)
75 Jahre
Lebenserwartung Männer (Durchschnitt 2000)
70 Jahre 65 Jahre
gesetzliches Renteneintrittsalter
60 Jahre
faktisches Renteneintrittsalter (Durchschnitt)
55 Jahre 50 Jahre
Austritt aus der werberelevante Zielgruppe (14-49 Jahre)
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 5/25
Die quantiative Komponente: Von der Tanne zum Pilz Altersaufbau der BRD 2002, 2025, 2050 2050
2025
2002 90 u. mehr
90 u. mehr
85 - 90
85 - 90
80 - 85
80 - 85
80 - 85
75 - 80
75 - 80
75 - 80
70 - 75
70 - 75
70 - 75
65 - 70
65 - 70
65 - 70
60 - 65
60 - 65
60 - 65
55 - 60
55 - 60
55 - 60
50 - 55
50 - 55
50 - 55
45 - 50
45 - 50
45 - 50
40 - 45
40 - 45
40 - 45
35 - 40
35 - 40
35 - 40
30 - 35
30 - 35
30 - 35
25 - 30
25 - 30
25 - 30
20 - 25
20 - 25
20 - 25
15 - 20
15 - 20
15 - 20
10 - 15
10 - 15
10 - 15
5 - 10
5 - 10
5 - 10
0-5
0-5
90 u. mehr 85 - 90
0-5 4000
3000
2000
1000
0
1000
2000
3000
4000
4000
3000
2000
1000
0
1000
2000
3000
4000
4000
3000
2000
1000
0
1000
2000
3000
4000
Quelle: Bundesamt für Statistik, 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 5
Ein Anwachsen der älteren Altersgruppen ist kaum mehr zu bestreiten!
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 6/25
Die quantiative Komponente: Bevölkerungsanteil Anteil der Jungen Alten, Senioren und Hochaltrigen 2002, 2025, 2050
2050
2025
12,1
24,6
13,0
14,1
2002
10%
Unter 20
20%
30%
20-50
40%
50%
50-60 Jahre
60%
70%
60-80 Jahre
4,0
20,3
11,9
0%
7,1
24,9
80%
90%
100%
über 80 Jahre
Quelle: Bundesamt für Statistik, 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 5
Bis 2025 werd zunächst die „Jungen Alten“ und die „Senioren“ hinzugewinnen. Anschließend wird bis 2050 nur noch der Anteil der Hochaltrigen zunehmen. 2050 werden fast 50% der in Deutschland lebenden Menschen über 50 Jahre alt sein.
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 7/25
Die qualitiative Komponente: Wie wohnen die Senioren? Typische Wohnsituationen heute Einige Charakteristika… • • • • • • •
starke Verwurzelung mit Wohnung und Wohnumfeld Lange Wohndauer, geringe Umzugsbereitschaft (häufig noch Erstbewohner) geringer Marktüberblick Paar und Single-Haushalte mit z.T. hohen Pro-Kopf-Wohnflächen (insbesondere Eigentümer) Wichtig: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit im direkten Wohnumfeld Hohe Zuverlässigkeit (Mietzahlungen, Wohnumfeldpflege etc.) z.T. hohe Leidensfähigkeit in Bezug auf bauliche und soziale Verschlechterungen
Ein- und Zweifamilienhäuser in gehobenen Außenbezirken/ Umlandgemeinden…
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 8/25
Die qualitiative Komponente: Wie wohnen die Senioren? Typische Wohnsituationen heute Einige Charakteristika… • • • • • • •
starke Verwurzelung mit Wohnung und Wohnumfeld Lange Wohndauer, geringe Umzugsbereitschaft (häufig noch Erstbewohner) geringer Marktüberblick Paar und Single-Haushalte mit z.T. hohen Pro-Kopf-Wohnflächen (insbesondere Eigentümer) Wichtig: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit im direkten Wohnumfeld Hohe Zuverlässigkeit (Mietzahlungen, Wohnumfeldpflege etc.) z.T. hohe Leidensfähigkeit in Bezug auf bauliche und soziale Verschlechterungen
Ein- und Zweifamilienhäuser in einfacheren Wohnlagen (Umland/Stadtrand)…
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 9/25
Die qualitiative Komponente: Wie wohnen die Senioren? Typische Wohnsituationen heute Einige Charakteristika… • • • • • • •
starke Verwurzelung mit Wohnung und Wohnumfeld Lange Wohndauer, geringe Umzugsbereitschaft (häufig noch Erstbewohner) geringer Marktüberblick Paar und Single-Haushalte mit z.T. hohen Pro-Kopf-Wohnflächen (insbesondere Eigentümer) Wichtig: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit im direkten Wohnumfeld Hohe Zuverlässigkeit (Mietzahlungen, Wohnumfeldpflege etc.) z.T. hohe Leidensfähigkeit in Bezug auf bauliche und soziale Verschlechterungen
Innerstädtische Mehrfamilienhäuser der Gründerzeit und der 1920er…
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 10/25
Die qualitiative Komponente: Wie wohnen die Senioren? Typische Wohnsituationen heute Einige Charakteristika… • • • • • • •
starke Verwurzelung mit Wohnung und Wohnumfeld Lange Wohndauer, geringe Umzugsbereitschaft (häufig noch Erstbewohner) geringer Marktüberblick Paar und Single-Haushalte mit z.T. hohen Pro-Kopf-Wohnflächen (insbesondere Eigentümer) Wichtig: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit im direkten Wohnumfeld Hohe Zuverlässigkeit (Mietzahlungen, Wohnumfeldpflege etc.) z.T. hohe Leidensfähigkeit in Bezug auf bauliche und soziale Verschlechterungen
Innerstädtische Mehrfamilienhäuser (Zeilenbau/Blockrand) der Nachkriegszeit…
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 11/25
Die qualitiative Komponente: Wie wohnen die Senioren? Typische Wohnsituationen heute Einige Charakteristika… • • • • • • •
starke Verwurzelung mit Wohnung und Wohnumfeld Lange Wohndauer, geringe Umzugsbereitschaft (häufig noch Erstbewohner) geringer Marktüberblick Paar und Single-Haushalte mit z.T. hohen Pro-Kopf-Wohnflächen (insbesondere Eigentümer) Wichtig: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit im direkten Wohnumfeld Hohe Zuverlässigkeit (Mietzahlungen, Wohnumfeldpflege etc.) z.T. hohe Leidensfähigkeit in Bezug auf bauliche und soziale Verschlechterungen
Einfache Mehrfamilienhäuser der Nachkriegszeit am Stadtrand…
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 12/25
Die qualitiative Komponente: Wie wohnen die Senioren? Typische Wohnsituationen heute Einige Charakteristika… • • • • • • •
starke Verwurzelung mit Wohnung und Wohnumfeld Lange Wohndauer, geringe Umzugsbereitschaft (häufig noch Erstbewohner) geringer Marktüberblick Paar und Single-Haushalte mit z.T. hohen Pro-Kopf-Wohnflächen (insbesondere Eigentümer) Wichtig: Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit im direkten Wohnumfeld Hohe Zuverlässigkeit (Mietzahlungen, Wohnumfeldpflege etc.) z.T. hohe Leidensfähigkeit in Bezug auf bauliche und soziale Verschlechterungen
Dörfer, alte Ortskerne und Kleinstädte…
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 13/25
Zwischenfrage Unterscheiden sich „Junge Alte“ und „Senioren“ im Wohnungsmarkt?
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 14/25
Konsum: Konsumneigung von „Jungen Alten“ „Dafür gebe ich viel Geld aus“; Anteil Zustimmung in % Anteil Zustimmung „dafür gebe ich viel Geld aus“ in % 35 30
Ausgehen/Essen 28,3
25
Urlaub/Reisen
23,3
Wohnen 20 17,7 15 12,7 10
Wohnungseinrichtung
Sport/Fitness
5
1,6
0 unter 20
20 bis 29
30 bis 39
40 bis 49
50 bis 59
60 bis 69
70 u.ä.
Quelle: vhw exklusiv - Trendbefragung 2004
„Junge Alte“ stehen finanziell häufig besser dar als die jüngere Altersgruppe der 40-49-Jährigen (zumeist Familienhaushalte) und zeigen dies in einer höheren Konsumneigung.
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 15/25
Marktinteresse: Nach Altersgruppen Anteil Zustimmung „stimmt eher“ und „stimmt ganz genau“ Statement: „Ich interessiere mich sehr dafür, was sich auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt gerade so tut“ 45 40
15 10
40 bis 49
50 bis 59
5 0 unter 20
20 bis 29
30 bis 39
60 bis 69
Jeder Fünfte
20
Fast jeder Vierte
25
Jeder Dritte
Jeder Dritte
30
Jeder Dritte
35
Fast jeder Zweite
stimmt eher stimmt ganz genau
70 u.ä.
Quelle: vhw exklusiv - Trendbefragung 2004
Von den älteren Altersgruppen sind die „jungen Alten“ diejenigen, die sich am stärksten für Themen des Wohnungsmarktes interessieren (Konsumentensouveränität).
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 16/25
Gesellschaft: Ehescheidungen über 50 Jähriger BRD, Anteil der Scheidungen, bei den der Mann älter als 50 Jahre ist 25,0
19,8
15,0
10,0
5,0
0,0
Weniger als jede sechste Scheidung
15,0
1991
14,6
1992
15,1
15,1
15,0
15,0
15,0
1993
1994
1995
1996
1997
(Vor-)Kriegsgeneration
15,5
1998
16,2
1999
16,9
17,3
17,7
2000
2001
2002
18,4
Jede fünfte Scheidung
20,0
2003
2004
Nachkriegsgeneration Quelle: Bundesamt für Statistik
Der Anteil der älteren Ehepaare, die sich scheiden lassen, steigt stetig!
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 17/25
Inhalt: Alterspezifische Wohnungsnachfrage
Einleitung „ Senioren und Junge Alte“
Erkenntnisse der qualitativen Sozialforschung
Bedeutung für die Praxis
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 18/25
Sinus Sociovision: Wertewandel seit den 1960er Jahren Rückgang von Pflicht- und Akzeptanzwerten
Konservativ-gehobenes Milieu Kleinbürgerliches Milieu Traditionelles Arbeitsmilieu
ca. 50% Konservative Traditionsverwurzelte DDR-Nostalgische
ca. 20%
© SINUS Sociovision
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 19/25
Sinus Sociovision: Wertewandel seit den 1960er Jahren Ausbreitung von Selbstverwirklichungs- und Genusswerten
© SINUS Sociovision
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 20/25
Sinus Sociovision: Die Sinus-Milieus® in Deutschland Soziale Lage und Grund- bzw. Wertorientierung 2005 Gesells. Leitmilieus Oberschicht/ Obere Mittelschicht
Sinus B1
1
Etablierte 10%
Sinus A12 Sinus B12
Konservative 5%
Mittlere Mittelschicht
Moderne Performer 9%
Sinus B2
2
Bürgerliche Mitte 16%
Sinus AB2 Sinus A23 Traditionsverwurzelte 14%
Untere Mittelschicht / Unterschicht
Postmaterielle 10%
Sinus C12
DDRNostalgische 6%
Sinus C2
Mainstream-Milieus
Experimentalisten 8%
Traditionelle Milieus
3
Sinus BC3 Hedonisten 11%
Sinus B3 Konsum-Materialisten 11%
Hedonistische Milieus © Sinus Sociovision 2005
Soziale Lage Grundorientierung
A
B
Traditionelle Werte
Modernisierung
Pflichterfüllung, Ordnung
Individualisierung, Selbstverwirklichung, Genuss
C Neuorientierung Multi-Optionalität, Experimentierfreude, Leben in Paradoxien
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 21/25
Medienwelt: Menschen über 50 Loslösung des biologischen Alters vom Lebensstil
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 22/25
vhw: Bisherige und zukünftige Erkenntnisse Die qualitativen Wohnraumnachfrage der „Neuen Alten“ Wir wissen bereits einiges über: • Wohnsituation • Ausgabebereitschaft (im Vergleich zu anderen Konsumfeldern) • Wohnzufriedenheit & Lebensqualität • Verbundenheit & Umzugsbereitschaft • Umzugstreiber
Wir werden unserer Forschung weiter konzentrieren auf: • Gebäudepräferenzen • Aspekte bei der Wohnungswahl • Erwartung der finanziellen Situation im Rentenalter • Wohnwünsche im Rentenalter • Sicherheitsgefühl und -bedürfnis • Partizipationswille und -möglichkeiten
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 23/25
Fazit & Thesen: Die Neuen Alten • Die Alten der Zukunft – die Alten der Nachkriegsgeneration – haben im Durchschnitt eine bessere Schul- und Berufsausbildung • Damit verbunden: bessere Chancen zur Bewältigung des Lebens sowie Partizipation am gesellschaftlichen Leben • Die Nachkriegsgeneration wurde als erste Generation von neuen und vielfältigeren Sozialisationseinflüssen geprägt bzw. hat diese mitgestaltet • Werte, Grundhaltungen und Lebensstile werden auch im Alter gelebt und verdrängen dabei zunehmend das biologische Alter • Die bisherigen Alten werden nicht verschwinden, aber das Spektrum der Alten wird bunter und vielfältiger • Einerseits wächst die Zahl der selbstbewusster, gebildeter und ambitionierter Älterer • Andererseits wächst die Anteil derer, die ihre experimentierfreudigen und hedonistischen Lebensweise mit ins Alter tragen – wenn auch z.T. in prekären Lebensumständen
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 24/25
Fazit & Thesen: Alterspezifische Wohnungsnachfrage heute und morgen • Fluktuation, Preis- und Qualitätsselektivität wird (in entspannten und ausgeglichenen Märkten) weiter zunehmen – und zunehmend auch von älteren Menschen getragen werden • Viele Gebäudetypen und Wohnlagen, die heute noch aus Gewohnheit und/oder fehlender Marktsouveränität bewohnt werden, werden künftig eine geringe Marktakzeptanz finden • Ebenso können bestimmte Wohnlagen eine Renaissance erfahren • Wer das Wohnungsangebot für die „Alten von morgen“ an den „Alten von gestern“ ausrichtet, plant am Markt vorbei • Die soziale Pufferfunktion, die Senioren heute einnehmen, geht zunehmend verloren – mit Konsequenzen für Wohnungsunternehmen und Stadtentwicklung • Die Erforschung von Wohnwünschen und Wohnverhaltensmustern wird in einer (individualisierten) alternden Gesellschaft immer wichtiger • Die lebensstildifferenzierte Konsumentenforschung kann schon heute in Wohnungsmarktanalysen mit eingebunden werden.
Statistische Woche 27. September 2005 Braunschweig S. 25/25
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Bei Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung…
Kontakt: vhw – Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung e.V. www.vhw.de Benjamin Poddig Tel.: 030 / 390 473-15 E-Mail:
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