Activity Regulation and Sleep Disturbances with Female Patients with Non Metastatic Breast cancer A Pilot Study

152 Wissenschaft und Forschung Cancer Fatigue, gestörte Ruhe/Aktivitäts-Regulation und Schlafstörungen bei Patientinnen mit nicht metastasiertem Mamm...
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152 Wissenschaft und Forschung

Cancer Fatigue, gestörte Ruhe/Aktivitäts-Regulation und Schlafstörungen bei Patientinnen mit nicht metastasiertem Mammakarzinom – eine Pilotstudie* Cancer Fatigue, Disturbed Rest/Activity Regulation and Sleep Disturbances with Female Patients with Non Metastatic Breast cancer – A Pilot Study Autoren

M. Kröz1,2, J. Linke1, CH. Gutenbrunner3, M. Girke1,2, K. Hecht4, A. Bockelbrink5, F. Dimeo6, H. Matthes1,2

Institute

Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet

Schlüsselwörter

Zusammenfassung &

Abstract &

Fragestellung: Neuere Studien verdeutlichen, dass Cancer Related Fatigue (CRF) einen großen Einfluss auf die Lebensqualität von nicht metastasierten Mammakarzinom-Patientinnen auch Jahre nach adjuvanter Therapie hat. Bisher finden sich kaum Untersuchungen, die den Stellenwert des Ruhe/Aktivitätsrhythmus geprüft haben. In unserer Studie wurden hierzu die Skalen zur autonomen Regulation (aR) (Subskala Ruhe/Aktivitätsrhythmus (RA.aR)), die Cancer Fatigue Skala (CFS-D) und das Schlafprotokoll der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) eingesetzt. Methode: Bei 16 Mammakarzinom-Patientinnen, 17 altersgematchten Kontrollen und 13 alten gesunden Frauen werden die CFS-D, aR, die Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS), der Herdecker Lebensqualitätsfragebogen (HLQ), das DGSMSchlafprotokoll und ein Langzeit-EKG erfasst. Ergebnisse: Die Mammakarzinom-Patientinnen weisen einen Alters-MW von 48,7 (K = 48,0; S = 79,4) Jahre und einen Karnofsky-Index (KPI) von 92,5 % auf. Trotz des guten KPI und einer 2,2 Jahre zurückliegenden adjuvanten Therapie, haben sie gegenüber der Kontrollgruppe erhöhte CFS-D, HADS-Werte, eine erniedrigte aR, RA.aR und HLQ, vermehrte nächtliche Wachphasen und einen nicht erholsamen Schlaf (alle p ≤ 0,01). Schlussfolgerung: CRF ist bei nicht metastasierten MammaCa-Patientinnen nach 2,2 Jahren erhöht und geht mit einer gestörten Ruhe/ Aktivitäts-Regulation, insomnischen Störungen und Distress einher. Dies muss bei der Planung und Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen von Patientinnen mit Mammakarzinom berücksichtigt werden.

Objective: Recent studies point that Cancer Related Fatigue (CRF) has a large influence on the quality of life of non-metastasized breast cancer patients even years after an adjuvant therapy. Very few analyses have yet tested the significance of the rest-activity-rhythm. In our study we therefore applied the scales of the autonomic regulation (aR) (subscale rest/activity-regulation (RA.aR)), the Cancer Fatigue Scale (CFS-D) and the sleep-protocol of the German Society for Sleep Research and Sleep-Medicine (DGSM). Method: From 16 patients with breast cancer, 17 age-matched control, and 13 healthy elderly women the CFS-D, aR, the Hospital Anxiety and Depression scale (HADS), the Herdecke questionnaire of quality of life (HLQ), the DGSM sleep-protocol, and a long-term-ECG are being acquired. Results: Mean age of breast cancer patients is 48.7 (K = 48.0; S = 79:4) and Karnofsky-index (KPI) 92.5 %. In spite of a good KPI and an adjuvant chemotherapy 2.2 years back, they show higher values for CFS-D and HADS, lower aR, RA.aR, and HLQ, more nocturnal arousals, and a non-restorative sleep (all p ≤ 0.01). Conclusion: In patients with breast cancer without metastases, CRF is increased after 2.2 years and is associated with a disturbed rest/ activity-regulation, insomniac disorders and distress. This has to be taken into account in the design and performance of rehabilitation measures in patients with breast cancer.

▶ autonome Regulation (aR) ● ▶ Cancer Related Fatigue (CRF) ● ▶ Insomnie ● ▶ Mammakarzinom ● ▶ Ruhe/Aktivitätsrhythmus ●

Key words ▶ autonomic regulation (aR) ● ▶ cancer related fatigue (CRF) ● ▶ insomnia ● ▶ breast cancer ● ▶ rest/activity rhythm ●

eingereicht: angenommen:

5.3.2009 7.9.2009

Bibliografie DOI 10.1055/s-0029-1241853 Phys Med Rehab Kuror 2010; 20: 152–157 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0940-6689 Korrespondenzadresse Dr. M. Kröz Forschungsinstitut Havelhöhe (FIH) gGmbH Allgemein-Internistische Abteilung des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe gGmbH Kladower Damm 221 14089 Berlin [email protected]

* Die Autoren danken Dagmar Brauer für die Dokumentation. Diese Arbeit wurde vom Humanus-Institut, BerlinSpandau gefördert, MK und HM erhielten eine Unterstützung durch die Sortware AG-Stiftung, Darmstadt

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Wissenschaft und Forschung Einleitung & Bei Mammakarzinom-Patientinnen wurde in den letzten Jahren eine wachsende Evidenz gewonnen, dass auch Jahre nach der adjuvanten Therapie 20–35 % krankheitsfreier Patientinnen an einem chronisches Cancer Fatigue Syndrom (CRF) leiden [1]. Das CRF scheint einer der stärksten Einflussfaktoren (bis zu 44–50 % der Varianz) auf die globale Lebensqualität von Tumorpatienten im allgemeinen und Mammakarzinom-Patientinnen im speziellen zu sein [2, 3]. In dessen Folge kommt es zu gehäufter Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung; CRF stellt somit ein sehr relevantes sozialmedizinisches Problem dar [1]. Schlafstörungen bei Mammakarzinom-Patientinnen werden häufig noch unterschätzt. Neuere Daten belegen, dass 19 % der Brustkrebs-Patientinnen die Kriterien für chronische Insomnie erfüllen und 51 % berichten von Insomniesymptomen, von denen 33 % angeben, dass die Insomnie nach Diagnosenstellung aufgetreten wäre und 58 % von deren Verschlimmerung danach [4]. Es verwundert daher nicht, dass 25–50 % aller Verordnungen bei onkologischen Patienten Hypnotika sind [5]. Mittels Aktimetrie ist bei Brustkrebs-Patientinnen unter laufender adjuvanter Chemotherapie gezeigt worden, dass ein gestörter Tages- oder Ruhe/Aktivitätsrhythmus mit CRF und verminderter Lebensqualität assoziiert ist [6]. Auch bei alten Menschen sind insomnische Schlafstörungen vielfach beschrieben. Aus epidemiologischen Studien ergibt sich eine Häufigkeit von Schlafstörungen Älterer in 30–70 % und in prospektiven Langzeitstudien in 20–50 % [7], dabei stehen eine verminderte totale Schlafzeit, eine verminderte Schlafeffizienz, ein reduzierter Delta- und REM-Schlaf im Vordergrund [8]. Aus chronobiologischer Sicht kommt es bei Älteren zu vermehrten ultradianen Rhythmen, mit Amplitudenabflachungen und Phasenvorverlagerungen verschiedener physiologischer Referenzmarker wie Körperkerntemperatur oder Herzfrequenz u. a. [7]. Bei nicht metastasierten Mammakarzinom-Patientinnen findet sich bisher keine Untersuchung, die den Stellenwert des Zirkadian- bzw. Ruhe/Aktivitätsrhythmus sowie dessen Beziehung zur Schlafqualität auch Jahre nach Erstdiagnose und Behandlung untersucht haben. Unsere Studie prüft, wie relevant bei krankheitsfreien Mammakarzinom-Patientinnen 3,6 Jahre nach Erstdiagnose die CRF und die Störungen des Ruhe/ Aktivitätsrhythmus, Schlafes und der Lebensqualität sind. Da alte Menschen a priori eine hohe Prävalenz von altersbedingten Schlafstörungen und vermehrt ultradiane Rhythmusmuster aufweisen, interessiert uns hier, inwieweit sich Fatigue, Ruhe/ Aktivitäts-Regulation, Rhythmus- und Schlafstörungen von Mammakarzinom-Patientinnen und Alten unterscheiden und inwieweit bei Mammakarzinom-Patientinnen mit Fatigue Zeichen eines frühzeitigen Alterns bestehen.

Methoden & Bei vorliegender Pilotstudie handelt es sich um eine Querschnittsstudie. Die Rekrutierung erfolgte in den internistischen und gynäkologischen Abteilungen des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe und in einer gynäkologischen und 3 hausärztlichen Praxen sowie in einem durch eine dieser Praxen betreuten Seniorenheim zwischen Mai 2005 und September 2006. Hierbei wurden nach ärztlicher Vorauswahl insgesamt 60 Frauen angesprochen. Einschlusskriterien der Patientinnengruppe war ein histologisch gesichertes Mammakarzinom und mindestens

1 Monat Zeitabstand zur letzten adjuvanten Therapie, wie Operation, Chemo- oder Strahlentherapie sowie ohne weitere relevante somatische oder psychische Komorbidität. Einschlusskriterium der gesunden Kontrollgruppe war ein Altersmatching der Frauen von ± 5 Jahren und Ausschlusskriterien waren eine relevante akute, chronisch somatische bzw. psychische Morbidität. Für die gesunde Seniumgruppe galten folgende Einschlusskriterien: Frauen zwischen 65 und 95 Jahren, ohne Demenzhinweise in der Mini-Mental-Skala [9], ohne relevante Organdysfunktion (Cumulative Illness Rating Scale: Einzelwerte < 3) [10], einem guten Funktionsniveau ( < 5 in der Physical-Self-Maintenance Scale) [11] sowie ohne Depressionsanzeichen in der Geriatric Depression Scale ( < 5) [12]. Bei allen Frauen wurde ein Langzeit-EKG über 24 h aufgezeichnet und zusätzlich folgende Fragebögen ausgefüllt: 1. Skala zur autonomen Regulation (aR): 18 Items in drei Subskalen (orthostatisch-zirkulatorische, Ruhe/Aktivitätsund Verdauungsregulation). Die Subskala zur Ruhe/AktivitätsRegulation (8 Items zur Schlafqualität und Tagesaktivität (RA. aR)) wird gesondert dargestellt [13]; 2. Cancer Fatigue Skala (CFS-D): 15 Items in 3 Subskalen (körperliche, kognitive und affektive Fatigue) [14, 15]; 3. Gesamtskala des Herdecker Fragebogens zur Lebensqualität (HLQ): 35 Items, die in Prozentränge umgerechnet werden, wobei 100 % der bestmöglichen Lebensqualität entspricht [16]; 4. deutsche Version der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) [17, 18]; 5. Karnofsky-Index (KPI) [19]; 6. Schlafprotokoll der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) über 7 Tage (http://www.charite.de/dgsm/dgsm/ fachinformationen_frageboegen_schlaftagebuecher.php? language=german, zuletzt abgerufen am 6.05.2008). Alle Studienteilnehmerinnen wurden ausführlich aufgeklärt und bestätigten dies mit ihrer Unterschrift; die Studie wurde von der Ethikkommission der Charité Mitte, Berlin genehmigt. Die Auswertung der Langzeit-EKG-Daten erfolgte mit Chronos-Fit, indem durch Cosinus-Rhythmus-Analyse Mesor und Amplitude der 24-Stunden-Herzfrequenz (Hfr) ermittelt wurde [20]. Zudem wurde der Tag/Nachtquotient (TNQ) bestimmt: Quotient des Mittelwertes MW der Hfr tags (protokollierte Aufsteh-/ZuBettgehzeiten) zum MW der Hfr nachts (protokollierte ZuBettgeh-/Aufstehzeiten). Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Softwarepaket SPSS 13.0. Es wurden deskriptive Auswertungen durchgeführt mit Angabe von absoluten und relativen Häufigkeiten sowie MW und Standardabweichungen (SD). Unterschiede zwischen den Gruppen wurden mittels Fisher’sExact Test und Mann-Whitney-U-Test geprüft, Korrelationen wurden mit Spearman Rangkorrelationen bestimmt. Als Effektmaß für eine vergleichende Darstellung der Assoziation von Fatigue- und Tagesrhythmusparametern zwischen den Gruppen wurden relative Differenzen zur Kontrollgruppe als Referenzkategorie berechnet, mit 95 %-Konfidenzintervallen (95 %-KI) als Maß der Stabilität. Auf eine Adjustierung wurde aufgrund der geringen Studienteilnehmerzahl und des Pilotcharakters der Studie verzichtet.

Ergebnisse & Insgesamt wurden 60 Frauen angesprochen, von denen 6 die Teilnahme ablehnten und 7 aufgrund der Ausschlusskriterien, absoluter Arrhythmie oder inkompletten Daten, ausgeschlossen

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Tab. 1 Soziodemografische Merkmale.

Alter Mw ± SD Median (Range) Kinder Postmenopausal Alter bei erstem Kind Familienstand Ehe/Partnerschaft Erwerbstätigkeit Bildung Mittlere Reife Hochschulzulassung Hochschulabschluss

Mammakarzinom (n = 16)

Kontrolle (n = 17)

p-Wert*

Senium (n = 13)

48,7 ± 7,2 48,0 (38–61) 10 (62,5 %) 9 (56 %) 30,4 (21 − 40)

48,0 ± 7,7 48,0 (36–60) 13 (76 %) 6 (35 %) 25,7 (18–33)

0,791

79,4 ± 8,25 78,0 (66–93) 7 (54 %) 13 (100 %) 26,4 (22 − 31)

12 (75 %) 13 (81 %)

14 (82 %) 16 (94 %)

5 (31,25 %) 2 (12,5 %) 9 (56,25 %)

6 (35,5 %) 4 (23,5 %) 7 (41 %)

0,399 0,240 0,019 0,619

2 (15 %) 1 (8 %) 0,553 3 (23 %) 3 (23 %) 6 (46 %)

*Vergleich zwischen Mammakarzinom- und Kontrollgruppe mittels U-Test nach Mann-Whitney

Tab. 2 Stadien und Therapien der Mammakarzinom-Patientinnen. Erkrankungsdauer in Jahren Mw ± SD Median (Range) AJCC – Stadien I Iia Iib IIIa IIIb IV Zeit seit letzter Tumormanifestation (Lokalrezidiv, n = 4) In Jahren (Mw ± SD) Median (Range) − OP (n = 16) (Mw ± SD) in Jahren − Chemotherapie in Jahren n = 10 (Mw ± SD) − Radiation = 11 in Jahren (Mw ± SD) Zeit seit letzter adjuvanter Therapie (Mw ± SD) Antihormonelle Therapie jemals/jetzt Viscumtherapie nie/jemals/jetzt Karnofsky-Index (Mw ± SD)

3,6 ± 2,8 3,5 (0,25–8,3) n 4 3 7 2 0 0 2,2 ± 2,4 1,1 (0,25–7,3) 2,2 ± 2,4 4,0 ± 2,8 1,9 ± 2,0 2,2 ± 2,7 8/8 3/13/11 92,5 % ± 7,75

wurden. Bei einer Mammakarzinom-Patientin wurde kurz nach Einschluss eine ossäre Metastasierung diagnostiziert, weshalb sie ausgeschlossen wurde. Von 19 kontaktierten Frauen der Kontrollgruppe waren alle zur Teilnahme bereit, 2 mussten nach Überprüfung der Kriterien von der Studie ausgeschlossen werden. Bei der Seniumgruppe lehnten von 15 gefragten Frauen 2 die Teilnahme ab. Es verbleiben 16 Mammakarzinom-Patientinnen, 17 altersgematchte gesunde Frauen (K) und 13 ge▶ Tab. 1). sunde Frauen in der Seniumgruppe (68–93 Jahre) (● Die Mammakarzinom-Patientinnen sind im Mittelwert (MW) 48,7 Jahre alt (K = 48,0; A = 79,4) und weisen eine Erkrankungsdauer von 3,6 Jahren und einen Zeitabstand zur letzten adjuvanten Therapie von 2,2 Jahren bei einem KPI von 92,5 % auf ▶ Tab. 2). Die Kontrollgruppe ist in allen gepr üften soziodemo(● grafischen Größen gut vergleichbar, mit Ausnahme, dass sie jünger beim ersten Kind gewesen sind, was auf den bekannten Risikofaktor hinweist, dass Mammakarzinom-Patientinnen älter ▶ Tab. 1). bei der Erstgeburt waren (●

Mammakarzinom-Patientinnen geben erhöhte globale, körperliche, affektive und kognitive Fatigue im CFS-D an, diese geht mit höheren Angst- und Depressionsangaben als die Kontrollgruppe ▶ Tab. 3 , ● ▶ Abb. 1 ). Die Mammakarzinom-Patientineinher (● nen haben eine erniedrigte aR, v. a. in der Ruhe/Aktivitäts-Regulation, was mit weniger erholsamem Schlaf, häufigeren nächtlichen Wachphasen und niedrigerer Lebensqualität einhergeht ▶ Tab. 3, ● ▶ Abb. 1). Höhere Fatigue im CFS-D (alle p < 0,05) (● zeigt bei Mammakarzinom-Patientinnen einen Zusammenhang mit gestörter Ruhe/Aktivitäts-Regulation (r = 0,63). CFS-D korreliert mit niedriger globaler Lebensqualität (r = 0,73) und aR (r = 0,59), vermehrter Angst (r = 0,64) und Depression (r = 0,67, alle p < 0,025), Die 24 h-Hfr-Aufzeichnung zeigt keinen Unterschied zwischen Mammakarzinom- und Kontrollgruppe, allein die Seniumgruppe zeigt niedrigere Mesor, Hfr-Amplitude (auch vs. MammaCa) und TNQ gegenüber der altersgematchten Kon▶ Tab. 3, ● ▶ Abb. 2). trolle (●

Diskussion & Unsere Pilotstudie geht konkordant mit der aktuellen Literatur, wonach Cancer Fatigue-Werte bei krankheitsfreien Mammakarzinom-Patientinnen mit sehr gutem Performance Status 2,2 Jahre nach adjuvanter Therapie relevant erhöht sind [1]. Während die Inzidenz schwerer Fatigue bei Mammakarzinom vor adjuvanter Therapie mit 4 % betragen soll [21], werden die höchsten CRF-Werte in der ersten Woche nach Chemotherapie mit 92 % angegeben [22]. Nach 10 Monaten geben noch 49 %, nach 24 Monaten noch 33 % [23] und nach 5–10 Jahre 34 % [24] krankheitsfreier Mammakarzinom-Patientinnen ein CRF an. CRF geht mit einer gestörten Ruhe/Aktivitäts-Regulation, Durchschlafstörungen und einem nicht erholsamen Schlaf einher. Störungen des Ruhe/Aktivitätsrhythmus bei Brustkrebs-Patientinnen mit CRF unter Chemotherapie können aktimetrisch belegt werden [6] und persistieren nach unseren Daten noch Jahre später. Ebenso wie bei Roscoe et al. [6] finden wir erhöhte Depressions- und Angstwerte sowie eine eingeschränkte Lebensqualität bei gestörtem Ruhe/Aktivitätsrhythmus, was auf vermehrten Disstress bei CRF-Patienten hindeutet [25]. Allerdings weisen 25 % (Depression) bzw. bei 31,3 % (Angst) HADS-Werte > 10 auf, was eine erhöhte Komorbidität von Depression bzw. Angst in unserer Brustkrebsgruppe wahrscheinlich macht. Somit liegen vor allem die Depressionswerte über denen vergleichbarer krankheits-

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Tab. 3 Test der geprüften Parameter auf Unterschiede zwischen den 3 Gruppen.

aR 18 RA, aR CFS-D gesamt CFS-D Vitalität CFS-D Kognitiv CFS-D Affektiv A-HADS D-HADS globale LQ (HLQ) in % Schlafeffizienz (TST/TIB) in % Schlaflatenz (SOL) Wachphasen in Minuten (WASO) Nicht erholsamer Schlaf 24 h-Hfr (Mesor) 24 h-Hfr-Amplitude Tag/Nachtquotient (TNQ)

Mamma Ca

Kontrolle

Senium

p-Wert

p-Wert

p-Wert

(n = 16)

(n = 17)

(n = 13)

(U-Test)*

(U-Test)**

(U-Test) ***

M

SD

M

SD

M

SD

39,94 16,63 27,0 12,75 9,19 5,06 7,4 6,19 65,12 82,41 12,73 26,3

5,23 3,7 9,76 4,91 3,62 2,46 5,36 4,51 16,24 20,8 8,9 20,8

44,71 20,18 16,35 7,12 5,82 3,41 4,59 2,25 76,34 88,4 12,13 10,64

4,40 3,05 6,79 3,43 3,07 1,66 2,45 1,15 7,55 5,62 7,22 14,8

45,77 21,0 17,23 8,54 6,08 2,62 2,46 1,69 79,89 82,23 25,64 20,44

4,11 2,58 8,19 3,89 3,09 2,02 1,61 1,18 6,96 5,84 22,55 12,86

0,001 0,005 < 0,001 < 0,001 0,011 0,028 0,191 0,021 0,017 0,015 0,932 0,029

0,001 0,003 0,012 0,012 0,014 0,007 0,003 0,005 0,003 0,584 0,181 0,532

0,423 0,423 0,598 0,189 0,701 0,226 0,023 0,186 0,281 0,019 0,157 0,031

3,35 76,41 11,11 1,23

0,9 10,0 6,41 0,12

2,62 81,36 13,13 1,29

0,58 8,44 4,48 0,11

2,44 74,41 7,22 1,16

0,76 8,73 3,26 0,09

0,009 0,102 0,146 0,309

0,060 0,802 0,029 0,146

0,670 0,030 0,001 0,003

U-Test nach Mann-Whitney zwischen Mammakarzinom und Kontrolle ** U-Test nach Mann-Whitney zwischen Mammakarzinom und Senium *** U-Test nach Mann-Whitney zwischen Senium und Kontrollgruppe

Abb. 1 Darstellung der MammakarzinomPatientinnen und der Seniumgruppe hinsichtlich Fatigue, autonomer Regulation (aR18), Ruhe/ Aktivitäts-Regulation, Angst und Depression im HADS, globaler Lebensqualität (HLQ), Schlafparametern und 24 h-Herzfrequenz-/ Tagesrhythmusdaten (Amplitude und Mesor) und Tag/Nachtquotient (TNQ) (Differenz und 95 % KI) relativ zur Kontrollgruppe. Alle Differenzen werden so dargestellt, dass höhere Werte mit Beschwerden oder Funktionsverlust einhergehen, also höhere Fatigue, gestörte Ruhe/Aktivitäts-Regulation, Schlaf und Lebensqualität, sowie eingeschränkten Tagesrhythmus.

freier Mammakarzinomgruppen (2,9–4,35), während die Angstwerte eher im Bereich junger Patientinnen liegen (6,48–7,35) [26]. Diese auffallend hohen Disstress-Werte müssen in Zusammenhang mit der hohen Lokalrezidivrate von 25 % und dem hohen CAM-User-Anteil diskutiert werden [27]. Die hohe kognitive Fatigue ist vergleichbar mit den Ergebnissen Leining et al., die bei 371 jungen Mammakarzinom-Patientinnen nach 3 Jahren

gehäuft kognitive Störungen wie Vergesslichkeit (ca. 45–70 %), Konzentrationsstörungen und vermehrte Ablenkbarkeit ( > 40 %) finden [28]. Die gezeigten Schlafstörungen, wie unruhiger Schlaf, vermehrte Wachphasen und nicht erholsamer Schlaf, stimmen mit der aktueller Literatur überein [5], während die Seniumgruppe die bekannte geringere Schlafeffizienz und längere Schlaflatenz auf-

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120 115 110 105 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 120 115 110 105 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 120 115 110 105 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40

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Time (h)

exogene von endogenen Einflüssen nicht zu trennen. Inwieweit also die Mammakarzinom-Gruppe eine verminderte Tagesaktivität aufweist, bleibt offen. Damit sind unsere Daten mit der These vereinbar, dass schwerwiegende Alterationen des Tagesrhythmus wahrscheinlich erst in metastasierten Stadien auftreten [29]. Unsere Studie zeigt, dass die ärztliche Einschätzung des Performance Status der Mammakarzinom-Patientinnen und ihr subjektives Erleben dramatisch divergieren. Hierin dürfte auch die noch immer gültige Einschätzung Stones et al. [30] begründet sein, wonach CRF-Patienten unzureichend behandelt werden. Dies zu verbessern, stellt eine große Herausforderung für Onkologen, Internisten, Psychotherapeuten, Schlaf-, Rehabilitationsund Sportmediziner dar. Rehabilitationsmedizinische Ansätze werden im Übersichtsartikel zu Cancer Fatigue im gleichen Heft diskutiert. Der Stellenwert für multimodale Interventionsprogramme und Rehabilitationsmaßnahmen, die eine gezielte Behandlung der aufgezeigten Tagesfunktions- und Schlafstörungen ermöglichen, sollte systematisch untersucht werden.

Schlussfolgerung & 0

3

6

9

12

15

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0

Time (h)

0

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6

9

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Abb. 2 Darstellung des Herzfrequenztagesrhythmus von 0 bis 24 Uhr mit dem 95 %-Konfidenzintervall für die 3 Gruppen, oben Kontrollgruppe (n = 17), in der Mitte die Mammakarzinom (n = 16) – und unten die Seniumgruppe (n = 13).

weisen [8]. Somit verdeutlicht sich, dass bis auf die Amplitudenreduktion und angedeutete Reduktion der Schlafeffizienz und des Tag/Nachtquotient der Hfr. keine Hinweise bestehen, dass bei Mammakarzinom-Patientinnen Zeichen vorzeitigen Alterns bestehen. Leider fehlt in unserer Pilotstudie eine polysomnografische Schlafstadienanalyse. Dies ist neben der geringen Zahl der Studienteilnehmerinnen eine wesentliche Limitation und kann auch nicht durch die chronobiologische Analyse des Hfr-Tagesgangs kompensiert werden. Demnach weist der 24 h Hfr-Tagesgang der Mammakarzinomgruppe keinen Unterschied zu den Kontrollgruppen auf. Bezüglich der Hfr-Tagesamplitude hat die Brustkrebsgruppe eine höhere Amplitude als die Seniumgruppe, die andererseits gegenüber der Kontrollgruppe den erwartet geringeren Tagesrhythmus mit Amplitudenabflachung und nied▶ Tab. 3, ● ▶ Abb. 2). Da allerdings eine rigerem Mesor zeigt (● Standardisierung der Tagesaktivität ausgeblieben ist und die Tagesaktivität nur mittels Protokoll erfasst worden ist, sind hier

Cancer Fatigue ist bei Mammakarzinom-Patientinnen auch 2,2 Jahren nach adjuvanter Therapie relevant erhöht und geht mit Alterationen der Ruhe/Aktivitäts-Regulation, Durchschlafstörungen und Disstress einher. Künftig sollten polysomnografische und aktimetrische Untersuchungen erfolgen, um gezielter kognitive, Delta-, REM-Schlaf und Zirkadianrhythmus-Störungen zu erfassen, auf deren Basis Rehabilitations- und multimodale Interventionsprogramme weiterentwickelt werden können. Institute 1 Forschungsinstitut Havelhöhe (FIH), Berlin 2 Internistische Abteilung am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin 3 Klinik für Rehabilitationsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover 4 Internationales Zentrum für Gesundheits- und Ökologie-Technologie e.V. (IFOGÖT), Berlin 5 Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Charité – Universitätsmedizin Berlin 6 Bereich Sportmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Literatur 1 Bower JE, Ganz PA, Desmond KA et al. Fatigue in breast cancer survivors: occurrence, correlates, and impact on quality of life. J Clin Oncol 2000; 18: 743–753 2 Stone P, Richards M, A’Hern R et al. A study to investigate the prevalence, severity and correlates of fatigue among patients with cancer in comparison with a control group of volunteers without cancer. Ann Oncol 2000; 11: 561–567 3 Kramer JA, Curran D, Piccart M et al. Identification and interpretation of clinical and quality of life prognostic factors for survival and response to treatment in first-line chemotherapy in advanced breast cancer. Eur J Cancer 2000; 36: 1498–1506 4 Savard J, Simard S, Blanchet J et al. Prevalence, clinical characteristics, and risk factors for insomnia in the context of breast cancer. Sleep 2001; 24: 583–590 5 Roscoe JA, Kaufman ME, Matteson-Rusby SE et al. Cancer-related fatigue and sleep disorders. Oncologist 2007; 12 Suppl 1: 35–42 6 Roscoe JA, Morrow GR, Hickok JT et al. Temporal interrelationships among fatigue, circadian rhythm and depression in breast cancer patients undergoing chemotherapy treatment. Support Care Cancer 2002; 10: 329–336 7 Van Someren EJ. Circadian rhythms and sleep in human aging. Chronobiol Int 2000; 17: 233–243 8 Danker-Hopfe H, Schäfer M, Dorn H et al. Percentile Reference Charts for Selected Sleep Parameters for 20–80- Year-Old healthy Subjects from SIESTA Database. Somnologie 2005; 9: 3–14

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Wissenschaft und Forschung

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