8.1 Entwicklung mathematischen Wissens am Beispiel der Arbeit mit Textaufgaben

Sommersemester 2016 Mi 10 - 12 Audimax 8.1 Entwicklung mathematischen Wissens – am Beispiel der Arbeit mit Textaufgaben 13. 04. 20. 04. V 1 Sach-u...
Author: Jacob Schmitz
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Sommersemester 2016

Mi 10 - 12

Audimax

8.1 Entwicklung mathematischen Wissens – am Beispiel der Arbeit mit Textaufgaben 13. 04. 20. 04.

V 1 Sach-und Textaufgaben im Überblick V 2 Wissensentwicklung beim Sachrechnen

27. 04. 04. 05.

V 3 Textaufgaben, die Lehr- und Lernprozesse tragen (Kl. 1/2) V 4 Textaufgaben, die Lehr- und Lernprozesse tragen (Kl. 3/4)

11. 05. 25. 05.

V 5 Lehr- und Lernprozesse -Individuelles Aufgabenlösen V 6 Lehr- und Lernprozesse – Lösen mit der Kleingruppe

01. 06. 08. 06. 15. 06.

V 7 Mündliche Lösungssprache V 8 Einsetzen eines Reisetagebuches V 9 Analyse der schriftlichen und mündlichen Lösungsleistung

22. 06.

V 10 Unterrichtskonzept „ICH-DU-WIR“

29.06. 06.07.

V 11 Abschließende Übung V 12 Zusammenfassung

13.07. (14-16 Uhr) Klausur im Audimax und HS 2 1

V7 Lösungssprache - mündlich • 1 Die Sprache in Textaufgaben • 2 Die Rolle der Sprache im Lösungsprozess • 3 Fallbeispiele – Lösungssprache beobachtet

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1 Die Sprache in Textaufgaben – Umfang des Textes/Aussagekraft – Anzahl der (lösungsrelevanten) Informationen – schwierige Wörter und Wendungen – „falsche“ Signalwörter – fehlende Informationen – Reihenfolge der Angaben – Besonderheiten bei der Fragestellung Auswirkungen auf die Bildung des Situationsmodells Quelle: Franke/Ruwisch, Didaktik des Sachrechnens

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• Analysieren Sie die folgenden Sachaufgaben („Zahlenbuch“ Kl. 3) nach sprachlichen Besonderheiten, die zu Schwierigkeiten beim Aufbau des Situationsmodells führen könnten.

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2 Die Rolle der Sprache im Lösungsprozess Wygotski unterscheidet: • die innere und die äußere Sprache • die mündliche und die schriftliche Sprache

• Lew Wygotski 1896-1934 9

Die innere Sprache

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„Die

innere Sprache ist eine Sprache für den Sprechenden selbst.“

• Das Hauptmerkmal der inneren Sprache ist, dass es eine stumme Sprache ist. Sie vollzieht sich in den Gedanken eines jeden und ist stark verkürzt, denn es „besteht nie die Notwendigkeit, das Wort bis zum Ende auszusprechen“ (Wygotski, 1974, S. 342).

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• „Die innere Sprache ist eine Sprache ohne Vokalisation“. Man macht sich Gedanken über die Dinge, die einen beschäftigen, man muss sie allerdings nicht aussprechen. Vokalisiert man diese Gedanken, wird die innere Sprache in die äußere Sprache umgewandelt (Wygotski, 1974, S. 313).

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• Lurija (1982), ein Schüler Wygotskis, hebt die Geschwindigkeit der inneren Sprache hervor: „Bekanntlich geht jedoch der intellektuelle Akt, die Entscheidungsfindung, die Wahl des erforderlichen Weges recht schnell, mitunter buchstäblich in Zehntelsekunden vor sich. In dieser Frist kann man auf keine Weise den vollständigen Satz und schon gar nicht einen vollständigen Gedankengang ‘für sich’ sprechen. Folglich hat die innere Sprache, die eine steuernde oder planende Rolle spielt, eine ganz andere Struktur als die äußere. Sie ist verkürzt.“ (S. 157) 13

Die äußere Sprache

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• Die Äußerung der Sprache kann in geschriebener oder gesprochener Form geschehen. • Will man sich anderen gegenüber äußern, müssen die Gedanken zuerst geordnet werden.

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• Wygotski definiert die äußere Sprache als den „Prozess der Umwandlung des Denkens in Worte“ (Wygotski, 1974, S. 350). • Die Struktur spielt dabei eine große Rolle, da die Worte so gewählt werden müssen, dass das Gegenüber den Gedankengang nachvollziehen kann.

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• Die Schwierigkeit ist, die Sprache so nach außen zu tragen, dass auch ein anderer Gesprächsteilnehmer die Gedanken nachvollziehen kann. • Sie muss zur kommunikativen Sprache werden.

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• Im Stadium des kommunikativen Denkens erfüllt die Sprache eine ordnende oder redigierende Funktion. • Die spezifische Struktur der Sprache spielt hier eine wichtigere Rolle als beim inneren Sprechen. Wir wissen, dass wir uns im Gespräch mit anderen nicht so abrupt und unvollständig äußern können. Wir müssen unsere Schritte verdeutlichen und Worte präziser gebrauchen. Wenn wir verstanden werden wollen, müssen wir auf die grammatische Konstruktion achten (Wygotski, 1964) . 18

• Inwieweit wir uns mühen müssen, das, was wir denken, sprachlich so zu formulieren, dass es der andere verstehen kann, ist auch abhängig vom Verhältnis Sprecher und Zuhörer. Je mehr Bezugspunkte Sprecher und Zuhörer miteinander gemeinsam haben, desto verkürzter, fragmentarischer, unvollendeter und grammatisch informeller kann das Reden sein und dennoch verstanden werden (vgl. ebenda). 19

Selbstversuch:

• In Streblindes Bücherregal stehen168 Bücher. Das Regal hat 3 Fächer. In jedem Fach stehen 10 Bücher mehr als im darunterliegenden. • Wie viele Bücher stehen in jedem Fach? (Kl. 4)

• 1) Innere Sprache: Versuchen Sie beim Lösen der Aufgabe ganz bewusst auf ihren Lösungsprozess zu schauen und charakterisieren Sie Ihre innere Sprache. • 2) Äußere Sprache: Stellen Sie Ihre Lösungsgedanken einer Mitstudentin/einem Mitstudenten vor. • 3) Benennen Sie die Unterschiede zwischen den beiden Sprachformen

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Sonderform „lautes Denken“

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• „Lautes Denken“ (Thinking Aloud) ist eine Form des äußeren Sprechens, die eng mit dem inneren Sprechen verbunden bleibt. Auch bei Grundschulkindern gibt es Lösende, die ganz still lösen (die Mehrzahl) und einige, die das Lösen „für sich sprachlich begleiten“.

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• Spanische Psychologen fanden heraus, dass sich Mathematikaufgaben und technische Aufgaben leichter lösen lassen, wenn man die Denkschritte laut ausspricht. Durch das Aussprechen der Denkwege bilden sich Bilder im Gehirn, die den Lösungsweg fördern. (Quelle unbekannt)

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3 Fallbeispiele – Lösungssprache beobachtet

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(1) Fallbeispiel „lautes Denken“

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• Lautes Denken führt bei schwierigen Aufgaben zu einer Verlangsamung, Präzisierung und Strukturierung des Denkens. Diese Instruktion ist eine Teilfähigkeit der Selbstreflexion und hat einen experimentell nachgewiesenen positiven Einfluss auf Lösungsleistungen.

Julia, Kl. 1 Sachaufgabe aus V2: 7 Zwerge essen 2 Stücke Kuchen …

Quelle: Ingo Kretschmer, 2010: Training problemlösenden Denkens 26

(2)Fallbeispiele „kommunikatives Denken“ während des Lösens mit einem Partner homogene Zusammensetzung

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Kl. 4, Schuljahresende

Lösungsdialoge im Vergleich (s. V6)  Ludwig und Martin (Leistungsgruppe 1)  Tom und Janine (Leistungsgruppe 2)  Wolfram und Maria (Leistungsgruppe 3) Auf einem Bahnhof fahren zur gleichen Zeit zwei Züge ab. Sie fahren in entgegengesetzte Richtungen. Der eine fährt pro Stunde 80 km, der andere fährt pro Stunde 60 km. Wie weit sind die beiden Züge nach 1 ½ Stunden voneinander entfernt? Quelle: Winter 1985

Benennen Sie Charakteristisches in der Lösungssprache für die einzelnen Leistungsgruppen.

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Kinder der Leistungsgruppe 1 (Ausschnitt) • • • • • • • • • • • • • • •

Ludwig: (nach einem kurzen Blick auf die Aufgabe legt er sofort los) Also eine Stunde ist 60 und 80. Martin: Da war 40, wären 70 und 60 ... (Martin liest erst einmal die Aufgabe vor.) Martin: ... eigentlich ‘ne Skizze dazu. Ludwig: ... 30 und das wären 13, 21 ... Martin: Wie habe ich das jetzt gemacht? Ludwig: ... 210. Martin: Wie viel fuhr der jetzt noch mal? Ludwig: Was meinst du jetzt? Martin: Wie man das jetzt mit 80 … (skizziert dabei) Ludwig: 80 und 60 und die 80 und 60 geteilt, dann plus gerechnet und alles zusammen. Martin: Wir müssen doch gemeinsam rechnen. Ludwig: Ja, rechne doch einfach nur mit Zahlen. Martin: Wie hast du‘s gemacht? Ludwig: (rechnet erneut vor) Martin: (übernimmt schließlich Ludwigs Aufzeichnungen)

vollständiger Lösungsdialog s. Anlage

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Kinder der Leistungsgruppe 2 (Ausschnitt) • • • • • • • •

Tom: ... 80 km und 60 km ... Janine: Man muss ja 80 mal 1½ rechnen. Tom: 80 mal 60? Eh! Nee! ... Janine: Wir hatten doch da immer ‘ne Zeichnung. (Kinder skizzieren die Situation.) Janine: So, jetzt müssen wir irgendwie was rechnen ... (Beide Kinder überlegen.) Janine: Ach ja, das soll doch voneinander entfernt heißen. ... Oder vielleicht müssen wir’s ja auch zusammenrechnen? Tom: Oh, oh, nee! He, zusammenrechnen? Und dann wieder auseinander rechnen und dann wieder durch? (Kinder überlegen) Versuchsleiterin: Stellt euch doch die Strecke vor, die die beiden Züge zurücklegen. (Tom zeigt mit zwei Fingern, wie sich seiner Meinung nach die Züge aufeinander zu bewegen.) vollständiger Lösungsdialog s. Anlage

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Kinder der Leistungsgruppe 3 (Ausschnitt) • • • • • • • • • • •

Wolfram: So, woll’n wir mal überlegen. Maria: Das hier sind die Züge. (nimmt zwei Stifte) Wolfram: Du kannst schon sehen, dass der eine Zug zum Beispiel ein ICE ist und der andere is’ ... Maria: (legt die Stifte in die Mitte) Das hier sind die zwei Züge. Wolfram: Na, o.k. Das hier ist der ICE ... Hier is’n Bahnhof. (legt einen Stift vor sich hin). Maria: Und hier is’n Bahnhof (legt den anderen Stift zu Maria). Wolfram: Das ist der Schnelle, du weißt ja (zeigt auf seinen Stift). Die Kinder schauen auf die Aufgabe. Maria: Da brauchen wir ja ‘ne halbe Stunde dazu, um das zu rechnen. Wolfram: Nu mach’ mal (zeigt auf Marias ‚Zug’) und lässt seinen ‚Zug’ in Marias Richtung losfahren. Maria: (liest nochmals den Text) Also, ... warte doch mal. Wolfram: (ohne sich intensiver mit dem Aufgabentext beschäftigt zu haben) Ach, wir machen’s so, wir malen es einfach auf. (bereitet sich darauf vor) 31

• Fazit: Einsatz der mündlichen Lösungssprache – LG 1:

– LG 2:

– LG 3:

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– LG 1: Großteil des Lösungsprozesse bleibt inneres Sprechen bei Ludwig; Martin bevorzugt äußeres, entfaltetes Sprechen (Problem mit dem Partner); Vorstellungsbilder sind schon im Kopf (Zeitgewinn), müssen nicht erst extern erzeugt werden; Lösungsdialoge in der Regel kurz Partner behindern sich zunächst durch das unterschiedliche Lösungstempo und den unterschiedlichen Anspruch an die Lösungsdarstellung; Lösungssprache kann sich so nicht optimal entfalten – LG 2: gegenseitiges Sprechen gewinnbringend; Lösungsweg wird dabei entfaltet; Überlegungsphasen werden genutzt; die Verbalisierung des Lösungsweges ist zielführend – LG 3: Sprechanteil sehr hoch, aber wenig zielführend; Partner behindern sich teilweise durch das Gespräch in der eigenen Gedankenentwicklung 33

Mündliche Lösungssprache zwischen Max und Katja, Kl. 4

• An einem Wintertag • Charakterisieren Sie die werden in einem Stall Lösungssprache der 15 Tiere gezählt. Es sind beiden Kinder im Pferde und Fliegen. nachfolgenden Zusammen haben sie 72 Gespräch. Beine. Wie viele Pferde und wie viele Fliegen sind es?

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• ... • Max: • • • • • • • • • •



Warte mal, ich will mal gucken, ob’s ‘nen Rechenweg gibt. Teil mir mal die Tiere, 72 ... Katja: Vielleicht machst du durch zwei Tiere. Max: Sind 36. Sei mal leise ... Katja: Ja, 36, 36, 36. Genau und dann ziehst du die bei den Fliegen ... Max: Du machst das dann so, du teilst das dann und dann bleiben dann ... Katja: Ziehst‘de 4 Beine ab sind 32. Quatsch, quatsch, 6 Beine abziehen sind ... sind 30 und 4 Beine dazu sind 40. Dann würde auch 40 gehen. (Max überlegt.) Katja: Es könnten aber auch 5 Fliegen sein, 5 Fliegen und 10 Pferde. Max: Wart mal, ich muss jetzt überlegen. Katja: (rechnet wieder ein Beispiel vor) Max: (der die ganze Zeit überlegte und Katjas Reden nicht verfolgte) Guck mal, ich hab auch was, was noch geht: guck mal, 36 : 4 = 9 und durch 6 sind es 6. Also 9 Pferde und 6 Fliegen. Geht auch! Katja: Ja, stimmt. Es müssen 15 Tiere sein. Es stimmt auf beiden Rechenwegen. 35

(3) Fallbeispiel „Lösungssprache nach dem Lösungsprozess“ – Besprechen mit einem Partner

„Du-Phase“ Welchen Gewinn haben beide Kinder bezüglich der Kompetenzentwicklung?

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• • • • • • Gespräch zwischen Vivien (links) und Paula

Die Kinder der 3. Klasse freuen sich über den ersten Schnee. Luisa und Eric werfen ihre Schneebälle besonders weit. Addiert man beide Strecken sind es 18 m. Eric wirft 4 m weiter als Luisa. Wie weit wirft Eric? Wie weit wirft Luisa?

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V: Und da bin ich auf 14 gekommen und da hab ich, da sind es ja 4 m, da muss es ja 4 m entfernt sein und da hab ich 14 hingeschrieben und Eric hat 18. P: Aber das geht ja nicht, insgesamt sollen es ja 18 sein. V: …Mhm, überlegt. P: Da müssten es ja dann jedenfalls über 30 sein. V: (überlegt) P: 42 müssten‘s dann sein. P: Gucke, ich hab‘ so gerechnet, Eric hat (bricht ab). Insgesamt sollen’s ja 18m sein und Eric soll 4m weiter – also hab‘ ich mit Strichen gerechnet bis zur 18 und dann hab‘ ich bei Luisa die Striche abgezogen und zu Eric getan bis es dann 4 Unterschied waren. Und dann hab‘ ich geschrieben Luisa wirft 7m und Eric 11m weit und ich hab‘ gemalt. V: Ich hab‘ dann auch noch gemalt. P: Und dann hab‘ ich mich noch die schwierige erste Aufgabe getraut… 37

• Zusammenfassend …

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