§ 3: Aufbau und Schutz der Grundrechte A. Der Aufbau der Grundrechtsprüfung 1. Schutzbereich und Grundrechtsgewährleistung
# Der Schutzbereich = Umfang des geschützten Lebensbereichs („Tatbestand“) • Persönlicher Schutzbereich, je nach Grundrecht • Sachlicher Schutzbereich, je nach Grundrecht " Freiheiten (z.B. Meinungsäußerung, Versammlung) " Natürliche Eigenschaften und Situationen der Persönlichkeit (z.B. Leben, körperliche Unversehrtheit, Ehre, Ehe, Familie)
" Rechtspositionen (z.B. Staatsangehörigkeit, Eigentum) # Die Gewährleistung = subjektive und objektive Rechtspositionen im Schutzbereich („Rechtsfolge“) (z.B. Abwehr-, Teilhabe-, Leistungsrecht, Einrichtungsgarantie, Schutzpflicht)
– Grundrechts- (= Schutzbereichs-) Konkurrenzen
# Das Verhältnis der Grundrechte zueinander –> Folie # Spezialität # Idealkonkurrenz
Art. 2 I
Art. 2 I Art. 7
Art. 2 II
Art. 13 Art. 4 Art. 8
Art. 2 I
Art. 14
Art. 5 III
Spezialität
Spezialität Art. 5 I
Art. 2 I
Art. 17 Art. 16
Art. 9 Art. 10
Art. 12
Art. 2 I
Art. 6
Art. 2 I Konkurrenz
Art. 2 I
Art. 2 I
Art. 11
Art. 2 I
–2– 2. Der Eingriff
# Bestimmung des Eingriffs # Person des Eingreifenden: Hoheitsträger; nicht: Private! # Typen des Eingriffs –> Folie
– Rechtsfolge des Eingriffs: Grundrechtsbeschränkung
# Verfassungsrechtliche Rechtfertigung erforderlich # (Gesetzliche) Rechtsgrundlage erforderlich, andernfalls Anspruch auf (Folgen-)Beseitigung und Unterlassung
3. Grundrechtsbeschränkung – Grundrechtsausgestaltung
# Einflußnahmen auf den Schutzbereich und ihre Abgrenzung zueinander –> Folie
# Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen bei • Gesetzesvorbehalt • Schrankenvorbehalt • verfassungsimmanente Schranken –> Folie
Der „klassische“ Grundrechtseingriff
Verhalten eines Hoheitsträgers (Handeln / Unterlassen) führt zur Beeinträchtigung von Grundrechten:
gezielt = final („darauf gerichtet“)
unmittelbar = ohne Zwischenschaltung eines Privaten
immer Eingriff !
rechtsverbindlich = mit Gebot / Verbot (Maßstab: Handlungsform)
Der „moderne“ Grundrechtseingriff
Kriterien:
Grundrechtsbeeinträchtigung
Rechtsverbindlichkeit
Unmittelbarkeit
Finalität
tatsächlich
rechtlich
unmittelbar
gezielt
ungezielt
mittelbar
gezielt
ungezielt
unmittelbar
gezielt
ungezielt
mittelbar
gezielt
ungezielt nur bei schwerer Beeinträchtigung
+
+
+
(+)
+
Eingriff !
+
(+)
(+)
–3–
# Rechtfertigung von Grundrechtsausgestaltung bei • Regelungsvorbehalt • Verfahrensvorbehalt –> Folie
– Besondere Anforderungen an die Grundrechtsschranke im Einzelfall
# Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt („formelles Gesetz“) (z.B. Art. 103 Abs. 2, 104 GG)
# Gesetzesvorbehalt und Richtervorbehalt (z.B. Art. 13 Abs. 2; Art. 2 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 104 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 GG)
# Grundrechtsschranken in Sonderstatusverhältnissen (z.B. Strafgefangene, Beamte, Schüler)
4. Schranken der Grundrechtsbeschränkung („SchrankenSchranken“)
# Begriff und Erscheinungsformen –> Folie
Grundrechtsausgestaltung und -beschränkung
Beschränkungsvorbehalt durch
Ausgestaltungsvorbehalt durch Regelungsvorbehalt
Verfahrensvorbehalt
z.B. Art. 12 I, 14 I 2 GG
z.B. Art. 4 III 2, 12a II 3, 16a III 1, IV 2, 104 II 4 GG
Gesetzesvorbehalt
Schrankenvorbehalt z.B. Art. 2 I, 5 II, 14 I 2 GG
einfach
qualifiziert
z.B. Art. 2 II 3, 6 II 2, 8 II GG
z.B. Art. 6 III, 10 II 2 GG
verfassungsimmanente Schranken z.B. Art. 4 I und II, 5 III GG auch: alle anderen Grundrechte?
Schranken-Schranken der Grundrechte für
Verwaltung
Gesetzgeber
Verbot von Einzelfallgesetzen
Zitiergebot (Art. 19 I 2)
(Art. 19 I 1)
2.
Wesensgehaltsgarantie
Bestimmtheitsgrundsatz
Übermaßverbot
(Art. 19 II)
3.
4.
Geeignetheit
5.
Erforderlichkeit
1.
Verhältnismäßigkeit = Angemessenheit
–4–
B. Die Verfassungsbeschwerde
1. Die Verfassungsbeschwerde im Rechtsschutzsystem
# Verfassungsrechtliche Regelung: Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG –> (Art. 94 94 Abs. 2 GG) §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG
# Verfassungsbeschwerde und Rechtsweggarantie in Art. 19 Abs. 4 GG • Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde • Prüfungsmaßstab der Verfassungsbeschwerde: Grundrechte
# Funktion und Bedeutung der Verfassungsbeschwerde
–5– 2. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vb. im einzelnen – 1. Antragsberechtigung (§ 90 BVerfGG) – 2. Verfahrensfähigkeit – 3. Beschwerdegegenstand – 4. Beschwerdebefugnis: Behauptung einer Grundrechtsverletzung # Verletzung von Grundrechten # Behauptung, verletzt zu sein • Eingriff? (= „überhaupt beschwert“) • „selbst, gegenwärtig und unmittelbar verletzt“ " Selbstbetroffenheit " Gegenwärtige Betroffenheit " Unmittelbare Betroffenheit – 5. Formvorschriften und Fristen (§§ 23, 92, 93 BVerfGG) – 6. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität der Vb. (§ 90 Abs. 2 BVerfGG) # Regel: Erschöpfung des Rechtswegs erforderlich # Ausnahme: Vorabentscheidung bei • allgemeiner Bedeutung der Vb. • besonders schwerem Nachteil für den Bf. # Sonderfall: Vb. unmittelbar gegen Gesetze – 7. Rechtsschutzbedürfnis
–6– – 8. Die Annahme der Vb. zur Entscheidung (§§ 93a ff. BVerfGG) # Pflicht zur Annahme der Vb. # Ablehnung der Annahme der Vb. durch die Kammer # Positive Entscheidung der Vb. durch die Kammer # Annahme der Vb. durch den Senat # Einschätzung des Annahmeverfahrens
3. Die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde – Die Entscheidung bei der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz # Grundsatz (§ 95 Abs. 3 BVerfGG): Nichtigerklärung des verfassungswidrigen Gesetzes # Ausnahme: Verfassungswidrigerklärung des Gesetzes und übergangsweise fortwirkende Geltung – Die Entscheidung bei der Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil (§ 95 Abs. 1 und 2 BVerfGG) – Der Prüfungsumfang bei der Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil – BVerfG: „kein Superrevisionsgericht“ – daher: nur eingeschränkte Überprüfung des Urteils – Kontrolle der fachgerichtlichen Tatsachenfeststellung im Einzelfall – Kontrolle des Inhalts des fachgerichtlichen Urteils – Kontrolle des der Entscheidung zugrundeliegenden Gesetzes
–7–
Exkurs: Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG)
I. Allgemeine Bedeutung: Justizgrundrecht = gerichtliches Verfahrensgrundrecht —> Leistung(sgrundrecht) auf Gewähr gerichtlichen Rechtsschutzes
II. Tatbestandliche Voraussetzungen – „Jemand“ = Jedermann-Grundrecht, d.h. # # #
alle natürlichen Personen (nicht nur Deutsche) alle inländischen (und ausländischen) juristischen Personen des Privatrechts juristische Personen des öffentlichen Rechts? Jedenfalls, wenn (ausnahmsweise) Träger von Grundrechten
– „Akt öffentlicher Gewalt“ = (abweichend von Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) alle Akte der Exekutive (Regierung oder Verwaltung), gleich welcher rechtlichen Qualität (Rechtsakte und Realakte, auch Rechtsnormen), nicht: Gesetzgebung / Rechtsprechung. – Ausnahmen (nach BVerfG): # # #
Gnadenakte (str.); anders aber bei Widerruf von Gnadenakten Wahlverfahren –> dort nur Wahlprüfung zulässig (sehr zw.) Rechtsakte nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG –> dort nur Ersatzrechtsschutz durch andere (parlamentarisch bestellte) Nachprüfung
– Bei „Akt nicht-öffentlicher Gewalt“ (Privatrechtsstreitigkeit) –> rechtsstaatlicher Justizgewährungsanspruch
–8– – Rechtsverletzung = Möglichkeit (i.S.v. Schlüssigkeit) einer Verletzung eigener subjektiver öffentlicher Rechte, wobei sich diese Rechte nicht aus Art. 19 Abs. 4 GG, sondern aus dem jeweiligen (Fach-)Recht ergeben
III. Rechtsfolgen – Rechtsschutzgewährung durch Rechtsweggarantie –> Einrichtung eines zuständigen Gerichts für Klagen gegen die öffentliche Gewalt –> Prozeßordnungen (VwGO, ZPO, StPO) – Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes durch Ausgestaltung des Prozeßrechts; z.B. # # # #
Sicherstellung vorläufigen (Eil-)Rechtsschutzes Zugang zu einer zweiten Instanz, wenn gesetzlich vorgesehen; aber kein Anspruch darauf (außer bei Verletzung rechtlichen Gehörs) Verbot überlanger Dauer des gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich vollständige Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen geboten (aber u.U. Beurteilungsspielraum der Verwaltung)
– Verletzung des Leistungsrechts, wenn # Gesetzgeber keinen Rechtsweg einrichtet / zuläßt # Gesetzgeber Prozeßrecht ohne Sicherstellung effektiven Rechtsschutzes schafft # Rechtsprechung effektiven Rechtsschutz verweigert • Eilantrag nicht zeitnah entscheidet • Gerichtsverfahren nicht zügig durchführt • keine angemessene Überprüfung des angegriffenen Staatshandelns vornimmt