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Berufsbildentwicklung und Qualitätssicherung in der selbständigen Betreuung Dr. Willi Oberlander Nr. 4/2002 : November 2001 1 Berufsbildentwicklun...
Author: Anke Schräder
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Berufsbildentwicklung und Qualitätssicherung in der selbständigen Betreuung Dr. Willi Oberlander

Nr. 4/2002 : November 2001

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Berufsbildentwicklung und Qualitätssicherung in der selbständigen Betreuung Dr. Willi Oberlander, Institut für Freie Berufe Nürnberg Erschienen in:

Berufsverband der Berufsbetreuer (BdB) (2002): Verbandszeitung des BfB e.V.

Heft Nr. 39, April 2002.

Ungeachtet einer Vielzahl von Stellungnahmen, Informationen und Ratgebern zur betreuerischen Berufspraxis ist eine fundierte berufssoziologische Analyse dringend nachzuholen. Die folgenden Ausführungen sollen einen Weg aufzei­ gen, für diesen Berufsstand ein zeit- und anforderungsgemäßes Berufsbild zu entwickeln, in dem nicht nur Berufszugang, Anforderungen an die Berufsaus­ übung, konkrete Ausgestaltung und Organisation der Aufgabenerbringung, sondern auch berufliche Identifikation und ideelle Orientierung zum Ausdruck kommen sollten. Überlegungen hinsichtlich der Ausgestaltung eines Berufsbildes sind dabei zu verknüpfen mit der Frage der Qualitätssicherung, um Ansätze für einen geschlossenen Entwurf zukunftsfähiger Berufsbetreuung aufzuzeigen. Bislang liegen kaum Statistiken über Qualifikationen, die Anzahl, die ökonomische und berufliche Situation der selbstständigen Berufsbetreuer vor. Soviel ist immerhin bekannt: Im Jahr 1998 waren in Deutschland mehr als 800.000 Betreuungen eingerichtet. 12% aller Personen, die Hilfe durch gesetzlichen Beistand erhalten, wurden von Berufsbetreuern geführt.1 Das Gesamtvolumen der Betreuungsver­ gütungen lag bei ca. 420 Mio.2 DM. Dies macht deutlich, dass die Betreuung nicht nur einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert hat, sondern auch volkswirt­ schaftlich von erheblicher Relevanz ist. Jedoch liegen Informationen zu persönlichen und beruflichen Qualifikationen der Berufsbetreuer, wie deren berufsbiographische Hintergründe, Motivationslagen und Berufsverständnis kaum vor. Fragen der beruflichen Qualitätssicherung der Berufsbetreuung, beispielsweise wie „die Bundesregierung einem möglichen ’Wildwuchs’ begegnen will“3, können so nicht beantwortet werden Zur Entwicklung des Berufsbildes Der Aufgabenbereich einer Betreuung erstreckt sich in der Regel auf Gesundheits­ sorge, Aufenthaltsbestimmung, Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen, Vermögenssorge sowie Behördenangelegenheiten. Hierbei werden 1

Michel, Sigrid (o.J.): Betreuungsqualität, Manuskript an der Fachhochschule Dortmund

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Coeppicus, Rolf (2000): Faszinierende Zahlen zum Betreuungsrecht, in: Rpfleger, Seite 50 ff.

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Frage 18 der großen Anfrage der SPD an die Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 13/7133, S.11.

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besondere Anforderungen an die Berufsbetreuer gestellt. In der Gesundheitssorge beispielsweise zählen die Sicherstellung der medizinischen Versorgung des Betreu­ ten, Abstimmungen mit Ärzten und Pflegepersonal über dessen Therapie, Medikati­ on und Rehabilitation zu den Aufgaben. Der Betreuer muss deshalb in der Lage sein, sich etwa auch medizinisches Wissen (z.B. über Medikamente oder psychiatri­ sche Krankheitsbilder) anzueignen. Zum Wohle des Betreuten kann es hier erforder­ lich sein, eine ärztlicherseits verordnete Therapie zur Diskussion zu stellen und evtl. alternative Maßnahmen in die Wege zu leiten. Der Umgang mit allen Beteiligten des Gesundheitssystems, vom Sozialdienst über Pflegepersonal und Ärzte, aber auch mit Psychologen und Gesundheitsämtern verlangt extrem vielseitige und flexible kommunikative Kompetenzen. Im Vordergrund stehen Handlungen, die geeignet sind "die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zum mildern"4. Außer den gezeigten Tätigkeiten sind zuweilen noch spezifische Aufgaben zu bewältigen, wie die Vertretung in Scheidungssachen, Unterhaltsfragen, bis hin zur Feststellung einer Vaterschaft. Es ist von erheblicher Bedeutung, in eine zukunftsweisende Bestimmung des Berufsbildes selbstständige Betreuung die mögliche Erweiterung des Aufgabenspektrums einzubeziehen. Die Ausführungen machen deutlich, dass ein Berufsbetreuer zusammen mit dem Betreuten für die Konkretisierung seiner Lebenschancen, seinen Schutz und den Zugang zu Hilfeleistungen verantwortlich ist. Von der Bandbreite der verlangten Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der realen Aufgabenstellungen her betrachtet, handelt es sich um ein äußerst komplexes Berufsbild. Nachqualifizierung Das Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern (BVormVG) legt nach Ausbildungsabschluss gestaffelte Vergütungssätze fest. Die höchsten Stundensät­ ze sind Berufsträgern mit Hochschulausbildung vorbehalten. Nach Teilnahme an landesrechtlich geregelten Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen oder dem Ablegen einer Prüfung kann auch für andere Berufsangehörige die Zuerkennung einer höheren Vergütungsstufe vorgenommen werden. Die Unterschiedlichkeit der bestehenden Regelungen5 zur Nachqualifizierung ist dem Prozess der Professionalisierung allerdings nicht zuträglich. Aufgrund der Orientierung der Vergütung für Berufsbetreuer an beruflichen und akademischen Qualifikationen, die explizit für die Führung von Betreuungen nutzbar sein müssen, wäre optimistisch mit einer zunehmenden Konzentration der beruflich und spezifisch qualifizierten Berufsinhaber zu rechnen. Der ord­ nungspolitisch positiven Intention des Gesetzgebers stehen jedoch erhebliche, marktpolitisch und soziostrukturell begründete Bedenken entgegen. 4

§ 1901 Abs. 3 BGB

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Vgl. May, Arnd T. (2000): Das Stufenmodell der Qualifizierung im Betreuungswesen, Münster, S. 23 ff.

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Weiterführende Ansätze zur künftigen Ausgestaltung der selbstständigen Betreu­ ung sind deshalb zu konzentrieren auf • die Berufsbildentwicklung und • die Gewährleistung einer hohen Beratungsqualität. Die Erarbeitung eines Berufsbildes für die Berufsbetreuung hat vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen: Berufsbild Berufsbetreuung Aufgaben Tätigkeiten Ausbildungsvoraussetzungen Ausbildung

Fort- und Weiterbildung Berufslage

siehe Abschnitt „Zur Entwicklung des Berufsbildes Allgemeine Tätigkeitsmerkmale Ausübungsformen Bildungsvoraussetzungen Praktische Tätigkeit Sonstige Voraussetzungen Dauer Inhalt Nachweise und Prüfungen Ausbildungseinrichtungen Kosten und Fördermöglichkeiten Inhalte und Anforderungen Entwicklung des Berufes Berufsaussichten

Dabei wären insbesondere einzubeziehen: 6 • die berufliche und gesellschaftliche Funktion ( „Agenten des Rechts“ , „Sozi­ alanwälte“) des freiberuflichen gesetzlichen Betreuers, • die Funktion im System der sozialen Sicherung sowie • die Unterschiedlichkeit der Kompetenzprofile in der gesetzlichen Betreuung.

Besonderes Augenmerk ist auf die Zusammenarbeit mit den Trägern der Betreuung zu legen. Über deren Mitwirkung ist vor allem die Akzeptanz der Bestrebungen zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang ist der Kosten-Nutzen-Zusammenhang im Hinblick auf die Qualität aus der Sicht der Betreuten zu analysieren. Die Entwicklung eines Berufsbildes der selbstständigen Betreuung ist in den Kontext einer Analyse des Professionalisierungsprozesses zu stellen. Nur auf diesem Wege ist eine der Gesamtsituation des Berufsstandes entsprechende und angemessene Zielbestimmung und –realisierung für das Ganze (Professionalisierung) und seine Teile (z.B. Berufsbild) möglich. Als Kriterien der Professionalisierung gelten: 6

Oberloskamp, Helga, Schmidt-Koddenberg, Angelika und Zieris, Ernst (1992): Hauptamtliche Betreuer und Sachverständige. Ausbildungs- und Anforderungsprofil im neuen Betreuungsrecht, Köln, S. 72

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• die Gewährleistung einer möglichst einheitlichen, anforderungsgerechten Qualifikation, • das Vorhandenseins eines qualitativ wie quantitativ ausreichenden Bildungs­ angebotes, • das Berufsbild, • ein System der Qualitätssicherung, • der Grad der Autonomie des Berufes und des Berufsstandes (Ausprägung der beruflichen Selbstverwaltung), • eine Regulierung des Berufszuganges und der Ausübung nach dem Motto: so viel wie nötig, so wenig als möglich, • das Maß der beruflichen und gesellschaftlichen Anerkennung sowie • die Entwicklung einer entsprechenden Fach- und Forschungswissenschaft als Grundlage für die Entwicklung der Berufspraxis. Wer diese Maßstäbe an den Entwicklungsstand der Berufsbetreuung anlegt, wird unschwer einen fortbestehenden, erheblichen Handlungsbedarf feststellen müssen. Qualitätssicherung Der Gesetzgeber hat es versäumt, Maßnahmen zur Qualitätssicherung für selbstständige Betreuungsleistungen einzuführen. Zuweilen stehen dabei die Betreuungsbehörden sogar in direkter Konkurrenz zu privaten Betreuern, statt ihrer Aufgabe der Qualitätssicherung ausreichend nachzukommen. Da der Berufsbetreuer ohne Anstellung auch keinen Dienstherren zur Kontrolle der Betreuungsführung hat, sind hier berufsverbandliche Qualitätssicherungs­ maßnahmen einzuführen, zumal die Vormundschaftsgerichte nur im Rahmen des Betreuungsgesetzes eine Kontrollfunktion inne haben, inhaltlich jedoch keinen Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung der Betreuung nehmen können. Maßnahmen zur Verbesserung der Struktur- und Prozessqualität der Betreuung sind also erforderlich. Die verstärkte Konkurrenz in der Berufsbetreuung eröffnet einerseits sicherlich Chancen für eine weitere Anhebung der Qualitätsstandards und damit für eine optimale Versorgung der Bevölkerung mit Betreuungsleistungen. Der zunehmende Angebotsdruck beinhaltet allerdings auch die Gefahr erheblicher Einbußen der Leistungsqualität, die nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Berufsbetreuer gegenüber anderen Gruppen spürbar schwächen können, sondern auch dem dringenden gesellschaftlichen Interesse an einem hohen Leistungsniveau widersprächen. Auch die etablierten Berufsangehörigen stehen angesichts des ihnen abverlangten, immer rascher fortschreitenden und ausufernden Fachwissens und des wachsenden Konkurrenzdrucks vor der Notwendigkeit der ständigen Überprüfung und Verbesserung ihres Leistungsniveaus. Die schnelle Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Qualitätssicherung ihres Leistungsstandards ist deshalb von vitaler Bedeutung. Dies betrifft vor allem den Ausbau eines hochwertigen und flexiblen Systems der Fort- und Weiterbildung und die ständige Motivation der Berufsangehörigen, ein lebenslanges Lernprogramm aufrechtzuerhalten. Institut für Freie Berufe Nürnberg

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Qualitätssicherung in Freien Berufen Als Grundlage für die Entwicklung der Qualitätssicherung dient die europäische Normenreihe DIN EN ISO 9000-9004. Der zunehmende Wettbewerbsdruck in freiberuflichen Praxen, Kanzleien und Büros stimuliert die Anwendung moderner Büroorganisation. Im Mittelpunkt steht dabei die für jeweilige Bürogrößen adäquate Organisation im Rahmen einer Dokumentation der Maßnahmen und ihrer Wirkungen. Ungleich kostenintensiver als ein normengerechts Qualitätsmanagement (QM), Qualitätsmanagementsystem (QMS) oder Total Quality Management (TQM) ist die Zertifizierung. Über die Erhöhung der Prozessqualität hinaus kann die Zertifizierung zusätzliche Effekte bewirken, wie einen Imagegewinn und ein Werbeargument für die Niederlassungen. Die mit der Anwendung von ISO-Normen und der Zertifizierung verbundenen Möglichkeiten werden unterschiedlich beurteilt. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nach der EU-Dienstleistungsrichtlinie der Nachweis einer Zertifizierung eingefordert werden kann. Die Bundesregierung und die weit überwiegende Mehrheit der öffentlichen Auftraggeber nehmen diese Option nicht in Anspruch. Größeres Gewicht kommt hier einer Nachfrage zu, die für nichtzertifizierte freiberufliche Niederlassungen erschwerte Bedingungen für Markt­ zugang und Wettbewerb mit sich bringen kann. Wo der Markt Zertifizierung fordert, können von Berufsorganisationen getragene Zertifizierungsinstitutionen tätig werden. Dies führt zur Entwicklung eines geschlossenen Systems der Qualitätssicherung. Grundsätzlich gilt, dass die Qualität der Leistung nicht durch Management-Systeme alleine nachgewiesen werden kann. Tatsächlich sichert QM lediglich die Qualität des Verfahrens der Leistungserbrindung, nicht aber die Qualität der Leistung selbst. Qualitätssicherung soll deshalb hier in unmittelbarem Zusammenhang mit der Professionalsierung gesehen werden, da die Formulierung und Durchsetzung beruflicher Standards als zentrale Zielbestimmung für die Entwicklung der Berufsbetreuung in ihrer Gesamtheit zu sehen ist. Hinsichtlich der Qualitätssicherung wären Ansätze in ihrer Wirksamkeit zu untersuchen wie: • • • •

Verpflichtung zur Fort- und Weiterbildung, Entwicklung von Standards der Betreuung, Selbstevaluation/Fremdevaluation, Entwicklung von Richtlinien zur Durchführung von Planung und Organisation der Betreuung, • Verpflichtung zur Mitwirkung in regionalen Netzwerken, 7 • Schaffung eines Berufsregisters u.a.

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Vgl. Förter-Vondey, Klaus (2002): Vorstellungen zur weiteren Professionalisierung in der Betreuungsarbeit, in: Verbandszeitung des BdB e.V., Bundesverband der Berufsbetreuer/-innen, 8/2002, S. 4f

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Von besonderer Bedeutung ist auch die Prüfung der Freiberuflichkeit der Berufs­ betreuung im Hinblick auf die Qualitätssicherung. Hier sind in der Rechtspre­ chung noch erhebliche Vorbehalte hinsichtlich der Einstufung der Berufsbetreung als freiberufliche Tätigkeit festzustellen. Eine wissenschaftliche Begleitung des Berufsstandes in diesem Segment der Anerkennung scheint dringend erforder­ lich.8 In diesem Zusammenhang ist vor allem auch die Frage der Entwicklung von wirtschaftlich vertretbaren Mechanismen zur Gewährleistung der Einhaltung bestehender Anforderungen zu stellen. Auf die Qualitätssicherung ausgelegte Zielsetzungen sollten die Frage der Institutionalisierung der Qualitätssicherung einbeziehen. Dies könnte auf dem Wege der Überprüfung des Vorschlages zur Gründung einer zentralen Einrichtung für Qualitätssicherung in der Berufsbetreu­ ung mit folgenden Aufgaben umgesetzt werden: • Entwicklung und Standardisierung von fachlichen Voraussetzungen und Überprüfungsrichtlinien in der Berufsbetreuung, • Erarbeitung eines Systems der Zertifizierung sowie • Gewährleistung einer bundesweiten Zertifizierung. Es sollten Ansätze wie die EN-Norm 45013 zur Diskussion gestellt werden, die festlegt, welche Anforderungen eine Zertifizierungsstelle für Personen – also Überprüfung der persönlicher Kompetenz – erfüllen muss, um akkreditiert zu werden. Hierbei kann es sich auch um eine privatrechtlich organisierte Akkredi­ tierungsstelle handeln. In diesem Zusammenhang könnten Vorschläge geprüft werden wie: • Berufsbetreuer werden zertifiziert, wenn sie die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen erfüllen und keine Bedenken gegen ihre persönliche Eig­ nung bestehen, • sie unterliegen während der Zeit ihrer Zertifizierung einem Pflichtenkatalog mit entsprechender Überwachung durch die Zertifizierungsstelle, • sie verlieren ihre Zertifizierung durch Widerruf, wenn sie gegen den Pflichten­ katalog verstoßen oder die erforderlichen Kenntnisse nicht kontinuierlich nachweisen, und • sie haben eine Befristung der Zertifizierung auf einen bestimmten Zeitraum hinzunehmen, verbunden mit der Möglichkeit der Verlängerung. In diesem Rahmen wäre ein berufsspezifisches Zertifizerungsverfahren zu entwickeln.

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Vgl. Adler, Reiner (1998): Berufsbetreuer als Freier Beruf. Eine theoriebasierte Exploration zur Professionalisierung der gesetzlichen Vertretung Volljähriger, Nürnberg, S. 27 ff.

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Das System der Qualitätssicherung und -verbesserung Bei der Qualitätssicherung in der Berufsbetreuung sind sowohl die projektinterne als auch die projektexterne Qualität zu beurteilen. Über einen praxisorientierten Dialog mit den Behörden und Leistungsnehmern bzw. deren Angehörigen kann zur projektinternen und -externen Qualitätssicherung und -verbesserung beigetragen werden. Der Weg einer kritischen Reflexion der im Rahmen der Evaluation gewonnenen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen führt häufig zu Kompromissen, bei denen alle Akteure Federn lassen müssen. Dennoch ist dies der einzig gangbare Weg. Dabei orientiert sich die Evaluation an für Qualitätsbeurteilung gängigen Konzepten, die vorsehen, die Qualität von Dienstleistungen an der Qualität von Struktur, Prozess und Ergebnissen zu messen. Demnach bezieht sich die Evaluation von • Strukturqualität auf Aspekte der Dienstleistungserbringung wie materielle, personelle, organisatorische und finanzielle Ressourcen und Instrumente, • Prozessqualität auf das tatsächliche Handeln der Dienstleister unter Berücksichtigung der dem jeweiligen Verhalten zugrunde liegenden Verhaltenserwartungen wie etwa Qualitätsstandards, • Ergebnisqualität auf den Grad, in dem die postulierten Ziele der jeweiligen Dienstleistung tatsächlich erreicht werden, wobei unterschiedliche Beurteilungsperspektiven (z.B. Betreute, Betreuungsbehörden) relevant sein können. Die Zusammenhänge zwischen den Elementen der Evaluation stellen sich wie folgt dar: die Strukturqualität beeinflusst die Prozessqualität, und diese wiederum die Ergebnisqualität. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich bei der Berufsbetreuung um ein Arbeitsfeld in einem dynamischen Prozess der Professionalisierung handelt, ist eine doppelte Aufgabe zu lösen. Über die praxisorientierte Evaluation hinaus ist eine entwicklungsorientierte Evaluation vorzunehmen, die vor allem schrittweise Verbesserungen zum Ziel hat. Eine formative Evaluation wiederum hat zum Ziel, Strukturen und Prozesse genauer zu bestimmen. Eine hieraus abzuleitende langfristige Perspektive könnte die Weiterentwicklung der bestehenden Praxis und Diversifizierung des Angebotes der Berufsbetreuung oder auch die Optimierung der vorhandenen Leistungs­ möglichkeiten durch organisatorische oder auch pädagogische Innovationen sowie Vernetzung von Dienstleistern bzw. Dienstleistungen beinhalten. Wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung zielführender Qualitätssicherungs­ systeme ist die enge Kooperation zwischen den Akteuren. Nur wenn ein Konsens über Zielsetzungen und Aufgaben und der zugrunde liegender Kriterien besteht, sind konkrete Verbesserungen möglich. Von herausragender Bedeutung ist dabei, inwieweit die intendierten Ziele auch von Außenstehenden, insbesondere aber den Zielgruppen bzw. deren Angehörigen als erreicht angesehen werden. Institut für Freie Berufe Nürnberg

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Grundsätzlich ist der Frage nach der Übertragbarkeit von Verfahren der Qualitätssicherung auf die Berufsbetreuung nachzugehen.9 Die Kritik muss dort ansetzen, wo Qualitätssicherung lediglich die Strukturen, Systeme und Verfahren der Berufsbetreuung erfasst, nicht aber die unmittelbare Qualität der Dienstleistung.10 Die zweite zentrale Einschränkung liegt in der Zielgruppe begründet. Betreute sind keine Konsumenten, deren Beurteilungsfähigkeit sich an Leistungsvergleichen in Testzeitschriften orientieren kann oder die gar selbst in der Lage sind, objektive Beurteilungen von komplexen Sachverhalten und Dienstleistungen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang sollte der Evaluation größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Auch Supervision ist hier zu erwähnen. Gleichwohl sind Evaluation und Supervision lediglich wichtige Elemente einer umfassenden Qualitätssicherung nach den oben skizzierten Ansätzen. Über Gesetz normierte Qualitätsstandards für die Berufsbetreuung liegen nicht vor. Deshalb ist zu empfehlen, die erforderlichen Standards „unter Beteiligung aller

Institutionen und Personen, die mit der Umsetzung des Betreuungsrechts befaßt sind, zu erarbeiten. Dies kann in örtlichen oder überörtlichen Arbeitsgemeinschaften geschehen bzw. geschieht schon“.11

Problematisch erscheint die unzureichende Berücksichtigung des Zusammenhanges zwischen Prozessqualität und Methoden der Betreuung. So hat etwa das Konzept selbst organisierender und selbst steuernder Systeme – das aktuellste Beispiel ist das Case-Management 12– den Vorteil, professionell gestaltete gesetzliche Vertretung den individuellen und spezifischen Anforderungen und Bedürfnissen anzupassen. Die Entwicklung der Methodendiskussion ist deshalb ein zentrales Element der Professionalisierung und in den Gesamtprozess von Berufsbildgestaltung und Qualitätssicherung zu integrieren.

Zielsetzungen und ihre Begründung Einiges an den hier angestellten Überlegungen mag abstrakt erscheinen. Dies ist zunächst aus der Kürze der Darstellungen zu erklären. Darüber hinaus ist jedoch festzustellen, dass Qualitätssicherung auch in anderen schwierigen Gebieten von Humandienstleistungen schon beachtliche Erfolge erzielt hat. Die folgende Auflistung zeigt darüber hinaus zusammenfassend die wichtigsten Aufgaben für eine positive Entwicklung des Berufsstandes.

9

Vgl. Eichler, Sabine (2000): Qualitätsstandards in der gesetzlichen Betreung, Frankfurt am Main, S. 125 ff.

10

Vgl. Meinhold, Marianne (1998): Qualitätssicherung in der Sozialen Arbeit, in: Menne (Hrsg.): Qualität in Beratung und Therapie, Weinheim und München, S. 39ff.

11

Stolz, Konrad (1996): Sind Qualitätsstandards in der Betreuungsarbeit erforderlich? In: BtPrax 3/98, S. 49

12

Vgl. Gerhardinger, Günter (2002): Konzepte der Berufsbetreuung. Skriptum zur Lehrveran­ staltung, http://home.t-online.de/home/guenter.gerhardinger/betr2.htm

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• Beschaffung und Auswertung von Daten und Informationen über den Berufsstand, • Bestimmung des Standes der Professionalisierung der Berufsbetreuung, • Entwicklung eines Berufsbildes/Regelung des Berufszuganges, • Ausgestaltung einer Berufsordnung • Durchführung eines Pilotprojektes/Modellversuches zur spezifischen, anforderungsgerechten Zertifizierung, • Stärkung der Berufsvertretung/Erhöhung des Organisationsgrades, • Gewinnung von Entscheidungsträgern in Politik und Gesellschaft für die Anliegen des Berufsstandes sowie • Ausbau von internem und externem Marketing des Berufsstandes. Die Begründung für eine forcierte Professionalisierung der Berufsbetreuung kann in vereinfachter Form wie folgt lauten: Berufsbetreuer handeln im öffentlichen Interesse, ihre Leistung hat einen hohen gesellschaftlichen und politischen Stellenwert. Sie tragen in erheblichem Maße zur qualifizierten Daseinsvorsorge des Staates für seine Bürger bei. Staat, Gesellschaft und Berufsstand haben ein vitales Interesse an der Gewährleitung von Professionalität und Qualität der Berufsbetreuung. Daraus ergeben sich vor allem zwei Anforderungen: Auf der einen Seite muss die Regelung der Berufsbetreuung als schützenswerte Tätigkeit entwickelt werden und zum anderen ist die Übertragung ordnender Aufgaben auf den Berufsstand insbesondere bei der Qualitätssicherung zu fördern.

„Das Konzept der Professionalisierung erhellt sowohl die Positionierung des Berufes in der sozialen Gesellschaft und im Kanon bestehender Berufssysteme als auch Strukturen und Perspektiven der Qualitätssicherung beruflichen Handelns zugunsten der Klientel, die im vorliegenden Fall als gesetzlich Vertretene weniger als jede andere die Qualität der Leistungserbringung beurteilen kann“.13

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Adler, a.a.O., S. 29

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