> Lestes dryas (Kirby, 1890)

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Author: Björn Heidrich
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Betroffene Regionen: Mittelland, Wallis und Graubünden

> Lestes dryas (Kirby, 1890) Glänzende Binsenjungfer – Leste dryade – Leste dryade RL: CR | PRIO: 2 | NHV: geschützt

Beschreibung

Ökologie

Brust und Hinterleib der Glänzenden Binsenjungfer besitzen wie bei anderen Lestes-Arten auch einen grünlichen oder kupferfarbenen Metallglanz. Beim Männchen ist das erste Hinterleibssegment graublau bereift, ebenso der vordere Teil des zweiten sowie das neunte und zehnte. Die unteren Hinterleibsanhänge sind löffelartig verbreitert und an der Spitze nach innen gebogen, wodurch sich die Art von der sonst ähnlichen Gemeinen Binsenjungfer (Lestes sponsa) unterscheidet. Beim Weibchen trägt das erste Segment oberseits zwei Vierecke und der Legebohrer überragt das Hinterleibsende. Bei den Larven von L. dryas ist die Fangmaske wie bei anderen Arten der Gattung an ihrer Basis schmal und verlängert. Der bewegliche Haken der Labialpalpen trägt drei – selten zwei – lange Borsten. Die Kiemenblättchen sind spitzoval und nicht parallelrandig. Weitere Artmerkmale sind nur bei 40-facher Vergrösserung erkennbar und erfordern den Beizug von Spezialliteratur.

Lestes dryas besiedelt oligo- bis mesotrophe, periodisch überflutete Geländemulden, Flachmoore, Waldweiher, ehemalige Torfstiche in Hochmooren, Übergangsmoore und gelegentlich Sekundärbiotope wie Tümpel im Pionierstadium. Die besiedelten Gewässer weisen beträchtliche jährliche Wasserstandsschwankungen auf. Nach einem Maximalstand am Ende des Winters und im zeitigen Frühjahr sinkt der Wasserspiegel im Verlauf des Sommers ab. Die Gewässer fallen dadurch ganz oder zumindest in weiten Uferbereichen trocken. In Situationen mit tonreichem Untergrund oder mit Grundwassereinfluss sind die Schwankungen etwas geringer. Der Randbereich der Mulden ist im Flachland meist schwach geneigt, im Gebirge jedoch manchmal steiler.

Männliches Tier von Lestes dryas.

Exuvie von Lestes dryas.

© S. Kohl

© C. Brochard

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> Libellen: Lestes dryas2

Typische Vegetation der L. dryas-Habitate ist das Grossseggenried (Magnocaricion), welches gürtelförmig oder in vollständig austrocknenden Gewässern grossflächig und bei ausbleibender Mahd bultig ausgebildet ist. Seltener besteht die Vegetation aus Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea). Die Glänzenden Binsenjungfer besiedelt auch kleine, künstlich angelegte Flachgewässer, in denen sich eine spärliche Pioniervegetation aus Binsen (Juncus spp.), Gemeinem Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica) und Breitblättrigem Rohrkolben (Typha latifolia) bildet. Viele Vorkommen befinden sich im Wald oder in waldartiger Umgebung; Beschattung wird bis zu einem gewissen Ausmass toleriert. Lestes dryas überwintert im Eistadium und erträgt in dieser Lebensphase längere Austrocknungsperioden. Die Junglarven schlüpfen im Frühling, wenn das Gelände wieder überflutet ist. Die Larvenentwicklung verläuft mit 45 bis 70 Tagen sehr rasch.

Die Imagines schlüpfen im Flachland zwischen Ende Mai bis Mitte Juli. In Lagen über 900 müM beginnt die Schlüpfzeit anfangs Juli und kann sich bis in den August hinziehen. Der Umwandlung vollzieht sich an emerser Vegetation nahe der Wasserlinie oder über der Wasserfläche in einer Höhe von meist weniger als 20 cm. Zur Reifung suchen die frisch geschlüpften Libellen während zwei bis drei Wochen Wiesen, Seggenriede und Waldrändern auf, die mehrere hundert Meter vom Schlüpfort entfernt liegen können. Die Fortpflanzungsphase dauert von Mitte Juni bis Ende September, mit einem Aktivitätsmaximum im Juli und August. Nach der 47 bis 145 Minuten dauernden Paarung folgt die Eiablage im Tandem. Die Eier werden einzeln in basisnahe Vegetationsteile von Seggen und Binsen eingebohrt, die teils an der Wasserlinie und teils in ausgetrockneten Gewässerbereichen stehen. Lestes dryas ist oft mit Sympetrum flaveolum und Sympetrum sanguineum vergesellschaftet.

[gauche] Lestes dryas besiedelt auch periodisch austrocknende Gewässer in den Alpen.

© C. Monnerat

[droite] Lestes dryas besiedelt auch Gewässer, die längere Zeit vollständig austrocknen.

© C. Monnerat

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> Libellen: Lestes dryas3

Situation weltweit

Priorität

Die holarktisch verbreitete Glänzende Binsenjungfer gilt in Europa als eurosibirisches Faunenelement. Ihre Vorkommen reichen von der Iberischen Halbinsel bis nach Japan. Im Mittelmeergebiet besiedelt sie vor allem die Gebirgslagen. Von dort erstreckt sich das Areal bis nach Südskandinavien und auf die Britischen Inseln. In den meisten Gebieten gilt sie als wenig verbreitet, wenig häufig oder selten. In Europa wird die Art als nicht gefährdet betrachtet (Kategorie LC).

Die Art wird aufgrund ihrer Gefährdung und der Verantwortung, welche die Schweiz zur ihrem Schutz trägt, in die Kategorie 2 eingestuft.

Lestes dryas kommt in allen Teilen der Schweiz ausser dem Tessin vor. Überall sind es jedoch weit zerstreute Einzelvorkommen. In den Kantonen Genf und Bern ist die Art verschwunden und im Kanton Zürich hat die Anzahl der Vorkommen stark abgenommen. In allen Gebieten war die Art wahrscheinlich schon immer selten. Am Jurasüdfuss, im westlichen Mittelland (Gros de Vaud und Jorat in der Waadt) und in einigen Gebieten der Bündner und Walliser Alpen liegen die Vorkommen etwas näher beieinander. Die Verbreitung der Art ist heute zudem viel besser bekannt als noch vor 20 Jahren. Ausserhalb der genannten Kerngebiete ist Lestes dryas selten und kommt meist isoliert vor. Der Grossteil dieser Vorkommen liegt im Wald, in Waldnähe oder in brachgefallenem Landwirtschaftsland. In der Roten Liste von 2002 wurde sie als vom Aussterben bedroht eingestuft (Kategorie CR).

Wichtigste Gefährdungsursache für die meisten Vorkommen sind Veränderung des Ausmasses und der Dauer der Wasserstandsschwankungen als Folge von Drainage, Wasserentnahme und Wasserrückhaltung. Aufkommende Büsche in verbrachenden Geländemulden und vordringende Bäume in Waldlichtungen beschatten die Brutgewässer, was die Libellenbestände stark beeinträchtigt oder ganz zum Verschwinden bringt. Ähnliche Folgen haben frühzeitige Mahd oder Beweidung während der Emergenzphase und der Flugzeit der Adulten zwischen Juni und August in den periodisch überschwemmten Bereichen. Die Eutrophierung durch Düngung beeinträchtigt im landwirtschaftlich intensiv genutzten Offenland die Vegetation und damit der Struktur in den Gewässern. In bewaldeten Gebieten ist diese Gefährdung geringer.

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Situation in der Schweiz

Gefährdungsursachen

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Verbreitung, Höhenverbreitung und Phänologie von Lestes dryas in der Schweiz.

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> Libellen: Lestes dryas4

Erhaltungs- und Förderungsmassnahmen In Fortpflanzungsgewässern mit intaktem Wasserregime braucht es periodische Kontrollen auf Verlandung und Verfilzung der Vegetation sowie eine angepasste Mahd oder eine Begrenzung der Beweidung durch eine Auszäunung empfindlicher Gewässerbereiche. Die Ausführung kann durch die kantonalen Naturschutz- oder Landwirtschaftsbehörde gemeinsam mit dem Bewirtschafter erfolgen. In den Wäldern kann die Förderung zusammen mit dem Forstdienst erfolgen, was im Kanton Waadt schon mehrfach praktiziert worden ist. Auch im Wald sind die Gewässer offen zu halten. Waldgebiete, die

Gefährdungsursachen

Schutz- und Förderungsmassnahmen

Verminderung oder Aufhebung der Wasserstandsschwankungen als Folge von Rückhaltemassnahmen durch Schwellen und Wehre, Wasserzufuhr zur Schaffung ausdauernder Gewässer

Natürliche Wasserstandsschwankungen erhalten und Bewirtschafter über den ökologischen Wert des Lebensraums informieren

Veränderung des Flutungsregimes und Verlängerung der Austrocknungsphase als Folge von Wasserentnahmen oder Entwässerungen vor allem im Landwirtschaftsgebiet

Natürliches Wasserstandsschwankungen auf­rechterhalten oder wiederherstellen, Entwässerungsgräben oder –rohre schliessen, auf Infra­strukturbauten (z. B. Strassen) in Gewässernähe verzichten

Zuwachsen der Gewässer, Beschattung der Wasserflächen durch aufkommende Büsche und Bäume; Aufforstung

Wasserfläche abschnittsweise mähen, Gehölzpflanzen ausreissen, 5-10 cm dicke Sedimentschicht ausräumen, gesamtes Material abführen und Gehölzjungwuchs regelmässig entfernen

Eutrophierung und Trittschäden in der Vegetation durch weidendes Grossvieh

Weideflächen erst ab September und nur für beschränkte Zeit bestossen (von Fläche und Viehbestand abhängig), empfindliche Bereiche auszäunen und Tränken im Randbereich der Gewässerflachen einrichten

Kontinuierliche Verkleinerung der Wasserflächen durch Verlandungsprozesse in Torfstichen und verlandenden Weihern

Neue offene Wasserflächen schaffen durch Entfernen der Vegetation in verlandeten Bereichen, Massnahme auf anderen bedrohte Arten abstimmen

früher nass oder versumpft waren und später entwässert oder aufgeforstet wurden, lassen sich revitalisieren. Liegt ein bisher nicht besiedelter Waldbereich 1-5 km vom nächsten Vorkommen entfernt, kann durch Schaffung geeigneter Lebensräume eine Neubesiedlung erreicht werden. Nach der Auflichtung vernässter Waldbereiche, der Abtragung des Oberbodens über wasserundurchlässigem Grund und durch die Schaffung flacher, 20-40 cm tiefer Mulden hat sich Lestes dryas im Kanton Waadt an mehreren Stellen neu oder wieder angesiedelt.

Teilweise mehrfache Mahd der Vegetation während der Emergenz- und Flugzeit vor Anfang September, zu tiefer Schnitt bei der Streumahd

Schutz- und Pflegevereinbarung zwischen den zuständigen kantonalen Behörden und den Bewirtschaftern abschliessen zur Nutzung der Flächen als Streuwiese (Mahd ab 1. September, keine Düngung und Mähgut abführen), mindestens ein Viertel bis ein Drittel der Fläche nicht mähen, Mahd mit Balkenmäher bei einer Schnitthöhe von ca. 20 cm (kein Schlegelmäher), Mahd alle 2 Jahre, sofern keine Verbuschungsgefahr besteht

Eutrophierung der Brutgewässer im intensiv genutzten Landwirtschaftsgebiet

20 bis 50 m breite Pufferzonen angrenzend an intensiv landwirtschaftlich genutztes Gebiet schaffen, Auswaschen der Böden in der Umgebung durch geeignete Nutzung minimieren

Fische in Waldgewässern mit Fischbesatz vermeiden (Information) permanenter Wasserführung und Fische unter Beizug der Fischereinbehörde mit allen Mitteln entfernen Zerstörung von Besiedelte Sekundärgewässer Sekundärlebensräumen erhalten und Pflegeplan erstellen durch Auffüllung, Ablagerung von Material oder Aufforstung im Rahmen der Rekultivierung Aussterberisiko bei isolierten Vorkommen

Biotopverbund mit geeigneten Brutgewässern aufbauen und pflegen, neue Entwicklungshabitate schaffen

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> Libellen: Lestes dryas5

Literatur Binot-Hafke M., R. Buchwald, H.-J. Clausnitzer, H. Donath, H. Hunger, J. Kuhn, J. Ott, W. Piper, F.-J. Schiel & M. Winterholler (2000): Ermittlung der Gefährdungs­ ursachen von Tierarten der Roten Liste am Beispiel der gefährdeten Libellen Deutschlands - Projektkonzeption und Ergebnisse. Nartur und Landschaft 75 (9/10): 393-401. Gonseth Y. & C. Monnerat (2002): Rote Liste der gefährdeten Libellen der Schweiz. BUWAL, Bern & CSCF, Neuchâtel. IUCN (2009): IUCN Red List of Threatened Species. Version 2009.2. (03.03.2010). Jödicke R. (1997): Die Binsenjungfern und Winterlibellen Europas. Die Neue Brehmbücherei 631. Westarp Wissenschaften, Magdeburg. Keim C. (1996): Libellules du Valais. Les cahiers de sciences naturelles, 3. Musée cantonal d’histoire naturelle, Sion. Maibach A. & C. Meier (1987): Atlas de distribution des Libellules de Suisse. Documenta faunistica helvetiae 4. Maibach A. & S. Jutzeler (2006): Suivi biologique de zones revitalisées dès 2000 dans l’Arrondissement forestier n° 8, pour la période 2004-2005. Rapport non publié. Maibach A. (2008): Lestes dryade ou leste des bois; Lestes dryas Kirby, 1890. Programme RPT BioFor VD 2008-2011. Espèces forestières prioritaires, fiche d’action N° 9. Service des forêts, de la nature, Inspection cantonale des forêts. (03.03.2010).

Meier C. (1989): Die Libellen der Kantone Zürich und Schaffhausen. Neujahrsblatt der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen 41: 1-124. Monnerat C. (1994): Etude faunistique des Odonates du canton du Jura et des zones limitrophes. Extrait des Actes 1993 de la Société jurassienne d’Emulation. Monnerat C. (2005): Lestes dryas. In: Wildermuth, H., Y. Gonseth & A. Maibach (ed.): Odonata - Die Libellen der Schweiz. Fauna Helvetica 12 CSCF/SEG, Neuchâtel: 90-93. Röhn C., K. Sternberg & J. Kuhn (1999): Lestes dryas Kirby, 1890. In: Sternberg K. & R. Buchwald (Hrsg.) : Die Libellen Baden-Württembergs, Band 1. Ulmer, Stuttgart: 398-408. Von Ballmoos C. (1989): Contribution à l’étude des Odonates des tourbières ombrogènes – peuplement d’un haut-marais du Jura neuchâtelois (vallée de la Brévine). Travail de licence, Université de Neuchâtel. Wildermuth H. & E. Knapp (1998): Die Libellen der Alp Flix (GR), ein Beitrag zur Odonatenfauna an der Waldgrenze. Mitteilungen der Entomologische Gesellschaft Basel 48: 2-24. Wildermuth H. & D. Küry (2009): Libellen schützen, Libellen fördern. Leitfaden für die Naturschutzpraxis. Beiträge zum Naturschutz in der Schweiz Nr. 31. Pro Natura, Basel.

Abkürzungen

Impressum

RL

Autoren

Rote Liste der gefährdeten Libellen der Schweiz (Gonseth & Monnerat 2002, http://www.bafu.admin.ch)

PRIO

Liste der National Prioritären Arten (BAFU 2011, http://www.bafu.admin.ch)

NHV

Verordnung über Natur- und Heimatschutz SR 451.1 (16. Januar 1991)

Christian Monnerat, Alain Maibach (Übersetzung: Daniel Küry)

Zitierung Monnerat C. & A. Maibach 2014. Merkblätter Arten – Libellen – Lestes dryas. Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Libellenschutz, CSCF info fauna, Neuenburg und Bundesamt für Umwelt, Bern. 5 S. Kontakt

Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Libellenschutz, c/o Life Science SA, 4058 Basel · [email protected]

Herausgegeben mit fachlicher und finanzieller Unterstützung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU), dieses Merkblatt kann unter www.cscf.ch abgerufen werden

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