Zukunft Schreiben. Was gilt die Kunst Kunst die gilt was gilt die Kunst was die Kunst gilt was Kunst die was gilt Was gilt die Kunst

Zukunft Schreiben Eine Publikation des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) – Landesverband Hessen Was gilt die Kunst Kunst die gilt was gilt die K...
Author: Judith Braun
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Zukunft Schreiben Eine Publikation des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) – Landesverband Hessen

Was gilt die Kunst Kunst die gilt was gilt die Kunst was die Kunst gilt was Kunst die was gilt Was gilt die Kunst

Impressum | Inhalt

Editorial 3 „ZUKUNFT SCHREIBEN“ von Alexander Pfeiffer

Zum Thema 5 „Wieso sind Sie eigentlich noch bei einem Verlag?“ von Zoë Beck 8 „Das (un)bekannte Wesen: der Leser und Buchkäufer“ von Uwe Rosenfeld 11 „Schriftstellerexistenz im digitalen Zeitalter“ von Imre Török 14 „Verdammt zur Freiheit: Können Sie eigentlich vom Schreiben leben?“ von Nina George 19 „Urheberrecht braucht mehr als nur Lippenbekenntnisse“ von Frank Werneke 2 1 „Nachdenken über Zukünfte“ von Claus-Peter Leonhardt

Buchmarkt im Wandel 2 4 Ein Informations- und Gesprächsabend am 15. November

„Was gilt die Kunst?“ Eine große Frage, 14 literarische Antworten 2 6 Einleitung 2 7 Dirk Bierbaß: (Dichters) Wohnungssuche – ein Gedicht 2 8 Susanne Czuba-Konrad: Wer ist schon Schriftsteller? – eine Bilanz 2 9 Joachim Durrang: Die Krücken – ein Gedicht 2 9 Klaus Gasseleder: besuch in der dichterwerkstatt – ein Gedicht 3 0 Wigand Lange: ES LUNST DIE KUNST NACH GUNST – ein Gedicht 3 0 Caroline Hartge: reise ans falsche ende der nacht – ein Gedicht 3 1 Axel Klingenberg: Warum Schreiben Ehrensache ist – Prosa 3 2 Reinhard Knodt: Fortprügeln, so einen! – ein Gedicht 3 3 Ursula Henriette Kramm Konowalow: sprache wer gab sie mir – ein Gedicht 3 3 Walle Sayer (ohne Titel) – ein Gedicht 3 4 Peer Schröder: Besser Kunst zu machen als dumm rumzustehen – ein Gedicht 3 4 Horst Senger: Nudeln und ein klarer Gedanke 3 5 Tina Stroheker: Endlich – ein Gedicht 36 Rainer Wedler: Danse macabre 3 7 Die Autorinnen und Autoren

Veranstaltungen 3 9 4 1 4 2 4 3

Der Renate-Chotjewitz-Häfner-Förderpreis für Autorinnen Das Frankfurter Literaturtelefon Hessische Literaturtage 2013 Illustration von Rainer Hofmann-Battiston

Impressum ZUKUNFT SCHREIBEN ist eine Publikation des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) in ver.di – Landesverband Hessen Postadresse: Wilhelm-Leuschner-Str. 69-77 | 60329 Frankfurt am Main Telefon: (0 69) 2569-1522 | Fax: (0 69) 2569-1599 E-Mail: [email protected] (Ehrenamtlicher Vorsitzender: Alexander Pfeiffer) Internet: www.vs-hessen.de | Facebook: www.facebook.com/vs.hessen Redaktion | V. i. S. d. P.: Alexander Pfeiffer Layout und Titel(Foto): Marina D’Oro Druck: Berthold Druck, Offenbach Veröffentlichung: November 2012 Die Rechte an den einzelnen Beiträgen liegen bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren, die Rechte an den Bildern bei den Fotografinnen und Fotografen bzw. dem Zeichner. Bildnachweis: Alexander Pfeiffer (S. 3 und 24): © Carina Faust | Zoë Beck (S. 5): © Andreas Biesenbach | Uwe Rosenfeld (S. 8 und 25): © Jörg Steinmetz | Nina George (S. 14): © Marion Losse| | Renate Chotjewitz-Häfner (S. 39): © Irmgard Maria Ostermann | Ulrike A. Kucera (S. 39): © Marina D’Oro

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Editorial

ZUKUNFT SCHREIBEN

Zukunft schreiben? Zukunft Schreiben? Wer schreibt eigentlich die Zukunft und wie wird wohl in Zukunft geschrieben werden? Und wie und in welcher Form das Geschriebene publiziert? Werden tatsächlich die seit Jahrhunderten bekannten Printmedien Buch, Zeitung, Zeitschrift und die mit ihnen verbundenen Prinzipien von Redaktion, Lektorat und Layout, von Schleifen, Formen und Verdichten, abgelöst werden von einer riesigen Textwolke im Internet, an der sich ein jeder nach Belieben ebenso als Autor beteiligen wie als Leser bedienen kann? Und wenn ja, was bedeutet das für diejenigen, die von und mit der Literatur leben? Gerade kürzlich saß ich am Wohnzimmertisch eines Verlegers aus meiner Heimatstadt Wiesbaden, der sich in den letzten Jahren einen sehr guten Namen damit gemacht hat, Lyrikbände herauszugeben, die die Möglichkeiten der Sprache bis in Gefilde hinein austesten, die dem durchschnittlichen Harry-Potter-Leser wie ferne Galaxien vorkommen müssen. So wie die digitalen Medien längst das Leseverhalten vieler Menschen – vor allem Jüngerer, die mit teilweise erstaunlicher Virtuosität in der Lage seien, unglaubliche Textmengen parallel und sich überlappend in unzähligen nebeneinander geöffneten Fenstern auf den Bildschirmen von Rechnern, Laptops, Tablets oder iPhones aufzunehmen – verändert hätten, meinte er, so werde sich in Folge dessen voraussichtlich auch einen andere Art des Schreibens entwickeln. Er als Verleger verfolge das keineswegs panisch, sondern neugierig beobachtend. Etwas anteilnehmender, weil als Berufsverband der Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Deutschland ganz unmittelbar betroffen, widmet sich der Landesverband Hessen des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) der Frage, wohin es geht mit der Literatur, dem Medium Buch und dem Beruf des Schriftstellers im digitalen Zeitalter – mit zwei Informations- und Gesprächsabenden unter den Titeln „Buchmarkt im Wandel“ und „Schreiben im digitalen Raum“ im Hessischen Literaturforum im Mousonturm in Frankfurt. Und mit der vorliegenden Textsammlung.

Alexander Pfeiffer, Jahrgang 1971, lebt als freier Autor, LiteraturVeranstalter, Moderator und Leiter von Schreibwerkstätten an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen in Wiesbaden. Er präsentiert im dortigen Literaturhaus Villa Clementine die Krimilesereihe „Schwarzer Freitag“. Seit 2007 ist er hessischer Landesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) und veröffentlichte bislang zwei Bände mit Kurz­geschichten, einen Gedichtband, drei Kriminalromane sowie als Herausgeber drei Anthologien mit Kurzkrimis, zuletzt „Krimi Kommunale 3“ (Kommunal- und Schul-Verlag, Wiesbaden 2012)

„Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“, lautet ein chinesisches Sprichwort. Das Bauen von Mauern war noch nie die Sache von Schriftstellern. Mauern schränken die Bewegung ein, die Ausdehnung, welche einem tätigen Geist überhaupt 3

nicht zu verbieten ist. Blieben also die Windmühlen und am sinnigsten wäre es ja ohnehin, die Zukunft des Schreibens würde von denen geschrieben, deren Beruf das Schreiben ist: den Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Es haben sich in den letzten Monaten sehr viele Menschen zu Wort gemeldet, die glaubten, etwas über diesen Beruf und diejenigen, die ihn ausüben, sagen zu können. Darüber, wie sich das Berufsbild und die sich daraus ergebenden „Geschäftsmodelle“ durch die digitalen Medien und Vertriebswege wandeln sollten und werden. Manches davon schlicht unverschämt, anderes von sehr wenig Wissen um das Berufsbild geprägt, einiges auch von der um sich greifenden Methode, Sachverhalte mittels Sprache nicht zu verdeutlichen, sondern zu verschleiern. Umso mehr sind nun die Schriftstellerinnen und Schriftsteller und ihre „Mitarbeiter“ aus der Verlags- und Kulturbranche aufgerufen, mit ihrem ureigenen Arbeitsmaterial, nämlich der Sprache, Zukunftsbilder für ihre Branche, das Medium Buch und die Literatur als höchste Form zwischenmenschlicher Kommunikation zu malen, die sich aus profundem Wissen und ganz viel Herzblut ergeben – ausgehend von einer gründlichen und präzisen Bestandsaufnahme. Daran versucht sich auf den folgenden Seiten zunächst die Thriller-Autorin Zoë Beck, die sich mit den emsig gepriesenen Vorteilen des digitalen Publizierens von E-Book bis Selfpublishing, sowie denen, ganz klassisch einen Publikationsvertrag mit einem Buchverlag einzugehen, beschäftigt. Im Weiteren untersucht Uwe Rosenfeld, Marketinggeschäftsführer der Frankfurter S. Fischer-Verlage, die auch für Experten seines Fachs nie vollständig zu erforschenden Wünsche und Vorlieben der Leser und Buchkäufer. Der Bundesvorsitzende des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) Imre Török behandelt die Frage nach der wirtschaftlichen Existenz sowie der Bedeutung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern im digitalen Zeitalter. Nina George liefert einen lebenssatten Bericht aus dem Alltag einer „Bestsellerautorin“ und dürfte damit so manche Illusion unbedarfter Leser zerstören. Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, zuständig für den Fachbereich Medien, Kunst und Industrie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft, steuert klärende Sätze zum heiß diskutierten Thema Urheberrecht bei. Claus-Peter Leonhardt, Vorsitzender der Literaturgesellschaft Hessen e.V. (LIT), versucht sich an einer kulturhistorischen Einordnung des aktuellen Diskurses. Und nicht zuletzt arbeiten sich 14 Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus ganz Deutschland an der großen und jenseits aller aktuellen Diskurse immer wieder gestellten Frage „Was gilt die Kunst?“ ab. Möge diese Textsammlung die Grundlage für zukünftige Diskurse bilden. Alexander Pfeiffer

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Zum Thema

Wieso sind Sie eigentlich noch bei einem Verlag? Das wird man im Moment ja dauernd gefragt, wenn man Bücher schreibt. Die Leute haben gehört, dass wir Autoren von unseren Verlagen schlecht behandelt werden und dass man doch wahnsinnig toll im Selfpublishing mit dem E-Book durchstarten kann. Ist ja nicht mehr so wie früher, als Selfpublishing noch pfui war und die Verlage ihre Autoren lieb hatten. Letztens erst meinte ein Urgestein der Verlagsbranche zu mir: „Kindchen, als ich noch in deinem Alter war, da sagte man uns, ohne Autoren wären wir nichts. Heute sagen die Verlagsmenschen: Ohne uns wären die Autoren nichts. Es geht ja nur noch ums Geldverdienen.“ Ach ja, dieses furchtbare, unwürdige Geldverdienen. Sagte nicht letztens erst eine sehr bekannte Verlegerin, es sei doch allgemein bekannt, dass niemand ernsthaft vom Schreiben leben kann, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen? Was wollen wir überhaupt alle, warum sind wir nicht einfach froh, dass jemand den Mist druckt, den wir absondern? Wo wir herkommen, da stehen noch tausend andere, die nur darauf warten usw. Also, was wir wollen: Bücher schreiben und damit Geld verdienen. Jetzt mal ehrlich. Diese Schreiberei mag weithin ein schönes Hobby sein, dem Rentner die Langeweile vertreiben, der Arztfrau die Boutique ersetzen. Es gibt aber auch uns, die wir das Schreiben als Beruf haben und den professionellen Status wirklich ernst nehmen, in jeder Hinsicht. Wir plotten und planen, schreiben, überarbeiten. Bilden uns weiter, recherchieren, feilen am Stil. Solche Sachen. Also, wir tun schon ein bisschen mehr als darauf zu warten, dass uns die Muse küsst, irgendwo zwischen Tiefkühltruhe und Cabriofahrt ins Grüne. Wir sind wirklich der Meinung, dass wir arbeiten. Für Leute, die gerne lesen, und die ein gewisses Niveau (auch und gerade an Unterhaltung) erwarten. Es ist sehr schwer, Menschen gut zu unterhalten.

Zoë Beck wurde 1975 geboren, wuchs zweisprachig auf und pendelt zwischen Großbritannien und Deutschland. Sie lernte Klavier und studierte Literatur. Nach diversen Theater- und Filmjobs im In- und Ausland lebt sie heute in Berlin und arbeitet als Autorin, Übersetzerin und Redakteurin. 2010 erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte „Bester Kurzkrimi“. Veröffentlichungen: „Wenn es dämmert“ (Bastei Lübbe, September 2008), „Das alte Kind“ (Bastei Lübbe, Juni 2010), „Der frühe Tod“ (Bastei Lübbe, August 2011), „Edvard“ (Baumhaus, März 2012), „Das zerbrochene Fenster“ (Bastei Lübbe, August 2012)

Die Verlage, nun, inwiefern sind sie eigentlich so grässlich zu uns? Das ist schnell gesagt. Die Vorschüsse – für die Wenigsten sind sie üppig, und gerade mal wieder sinken sie. Die Beteiligungen – am verkauften Taschenbuch verdient man grob über den Daumen 50 Cent, am Hardcover um die 2 Euro. Nun muss man das nicht auf den Punkt genau ausrechnen, aber wer im Taschenbuch seine 5000 Stück verkauft, wird nicht sofort vom Verlag rausgeworfen, 5

und ab einer fünfstelligen Verkaufszahl wird man zumindest mit dem richtigen Namen auf der Buchmesse angesprochen. Richtig, das ist nicht viel für die Arbeit, die in einem guten Buch steckt.

bis drei Bücher schreiben, unterschiedliche Genres. Die sagen: Ja, ich lebe vom Schreiben. Bei denen wäre es nicht mehr ganz so leicht, auf die Verlagsvorschüsse zu verzichten, zumal einen ein Verlag ja auch möglicherweise noch eine Weile mitzieht, obwohl man einen Flop hinter sich hat. Und doch lockt die Vorstellung, die eigene Fanbase zu mobilisieren und drauf zu warten, dass amazon als Verleger endlich mit diesen Traumkonditionen in Deutschland einschlägt. Kann ja nicht mehr lange dauern. Weil dann auch für das Mittelfeld der Ärger über nicht vorhandene Werbung, Unmut auslösende Cover und verwirrende Titelgebung wegfällt. Für den – übrigens sehr wahrscheinlichen – Fall, dass man nämlich nun bei den ersten Schnellschüssen im E-Book merkt, dass man das mit Cover und Titel auch nicht wirklich besser draufhat als „die da“, wartet man einfach auf die Amazon-Profis, die es dann richten werden. Wenn amazon den eigenen Verlag hat, wird es auch amazon-Buchhandlungen so mit „in echt“ in der Fußgängerzone geben. Statt Thalia und Hugendubel und wie sie alle heißen, die ja immer schon genervt haben, besonders dann, wenn sie nicht einen Sondertisch oder gar ganze Wände mit dem eigenen Buch in der Filiale ums Eck hatten. Also auch beim Mittelfeld gibt es Gründe, nervös zu werden. Und die Bestsellerautoren? Die sind garantiert gleich weg, wenn amazon ruft. Die verkaufen so oder so. Warum nicht gleich sehr viel höhere Gewinne einstreichen?

Am E-Book verdienen wir 25 Prozent, weshalb sich die Taschenbuchautoren über jeden bezahlten Download (da ist man dann fast bei zwei Euro) wie blöde freuen. (Bei den Hardcoverautoren fallen die Verkäufe vermutlich noch nicht so ins Gewicht, weil da die elektronischen Ausgaben noch viel zu teuer sind. Das ist aber gerade nicht Thema, wie teuer e-Books sein dürfen/müssen/wollen.) Nun bieten die Plattformen, bei denen man seine E-Books selbst hochladen kann, deutlich größere Gewinnspannen. Sehen wir uns den Branchenriesen Amazon an, der gibt 70 Prozent, und jetzt darf wieder jeder ein bisschen rumrechnen, wie viel man selbst verdient bei einem niedrigen Preis von, sagen wir 3,99 Euro (abzüglich allerdings 19 Prozent Mehrwertsteuer, die ist höher als beim gedruckten Buch), so im Vergleich. Außerdem quält man sich nicht mit einer Marketingabteilung herum, die ein total dämliches und sachlich falsches Cover auf das Buch klatscht („Das ist ein Bild aus dem 18. Jahrhundert, und mein Buch spielt im Mittelalter!“, jammerte letztens wer, oder: „Die Landschaft ist Südschweden, das Buch spielt aber in Nordschweden.“), man kann sich den Titel draufschreiben, den man seinem Werk von Anfang an geben wollte, und wer jetzt sagt: Aaaber die Profis!, der schaue nach den USA, wo Amazon genau diese Pro- Die Verlagsmitarbeiter sitzen aus genau diesen Überlegunfis am Start hat. Der Amazon-Autor bekommt Proficover, gen heraus deutlich frustriert in ihren Büros und jammern. wird in allem beraten, sogar lektoriert. Den Vertrieb macht „Wie soll ich denn einem Autor erklären, dass sein Buch erst Amazon. Für die Aufmerksamkeit sorgt, neben amazon auf 2014 erscheint, wenn er mir heute das fertige Manuskript der eigenen Plattform, der Autor. gibt?“, sagt einer. Schnelles Publizieren, flexible Erscheinungsdaten, das wäre einer der wichtigsten Punkte, auf die Das müssen Verlagsautoren in den meisten Fällen sowieso sich die Verlage einstellen müssten. Und auf die Vielfalt schon selbst tun. Wer nicht gerade den Jackpot hat und mit setzen, was in Zukunft besser möglich sein sollte als biseinem Marketingetat beworfen wird, steht blöd da. Keine her. Statt weniger Spitzentitel und einer Menge Platzhalter Werbung, keine gekauften Tischplätze bei den Ketten, um und Pausenfüller ein qualitativ solides, inhaltlich breites in entsprechenden Stapeln dort zu liegen, kein gar nichts. Programm anbieten und entsprechend breit vermarkten. Öh – und jetzt? Ja. Und dann war da noch der kleine VorNicht mehr einer bekommt die 300.000 Euro für Plakate, schuss. Und der Ärger wegen des Covers. Und ach, die Stofftierchen und Fernsehwerbung, sondern die Summe Vorlaufzeit, ein halbes Jahr früher, und das Buch wäre der wird auf mehrere Titel verteilt. Wie das? Keine Ahnung. Ich Megaburner gewesen, aber diese Vorlaufzeiten! Auch da hab kein Marketing studiert. Aber ich weiß nur, dass diese ist amazon naturgemäß flexibler. Wenn das Buch fertig ist, Me-Too-Produkte, das Massenproduzierte nichts mit Nachwird es hochgeladen. Zack. Für Nischen-/special interesthaltigkeit zu tun haben. Oder mit dem Aufbau von Autoren. Autoren ohnehin das Beste, was sie machen können. Sie finden ihre Leserschaft nicht unbedingt über die BuchGenau das ist ja das Fatale: amazon winkt mit Versprechen, handlungen. Sondern über Foren oder andere Netzwerke, die die renommierten Verlage geben sollten. Amazon gibt über word of mouth, wie auch immer. Statt des kleinen den Autoren dieses kuschelige Gefühl, mit ihrer Arbeit – wenn überhaupt – Vorschusses gibt es das Geld eben etwas ernst genommen zu werden. Dass da auch wieder nur ein später. Wir reden hier ja nicht über Summen, die einen nenKonzern mit dem Interesse an Gewinnmaximierung danenswerte Sprünge machen ließen, oder gar die fünfköpfige, hintersteckt – wollen wir das wissen? Nachdem man uns frierende Familie vorm Hungertod hätten retten können. jahrelang gesagt hat, wir sollen uns nicht so für Geld interessieren, wir würden eh nicht genug verdienen, um davon Ab dem sogenannten Mittelfeld sieht es schon wieder etwas leben zu können? Oder, ein Zitat: „Mädchen, frag nicht anders aus. Reden wir mal von Autoren, die im Jahr zwei 6

immer nach dem strategischen Kram, davon verstehst du nichts. Schreib einfach.“

Die Lektorin hört zu, wenn man über die Schreibblockade jammert. Das Marketing lässt mit sich reden, wenn das Cover überhaupt gar nicht geht. Die Vertriebschefin stellt einen auf der Buchmesse irgendwelchen Buchhändlern vor, mit denen man sich blendend versteht und die einen gleich für Lesungen buchen. Die Presseabteilung geleitet einen unfallfrei durch den Lesungsherbst. Deshalb spricht, für die professionellen Autoren, noch zu viel gegen ein Selfpublishing. Ja, die Ausnahmen gibt es immer, aber die breite Masse ist noch recht gut im Verlagswesen versorgt.

Wäre schön, wenn Autorsein so funktionieren würde. Hat es jemals so funktioniert? In der „guten alten Zeit“, die das Verlagsurgestein heraufbeschwor, als er meinte, früher wären sie noch einem Autor mit Ehrfurcht begegnet? Ich weiß es nicht, ich war nicht dabei. Aber heute funktioniert es nicht mehr. Die Lektorate sind überarbeitet, weil sie durch die Fülle der Platzhaltertitel (das sind die, die dann in der Vorschau den kleinsten Platz haben, also sehr viele pro Vorschau und Verlag), in die sie ja genauso viel Zeit und Arbeit stecken müssen wie in jedes andere Buch, keine Möglichkeit mehr haben, um wirklich intensiv an Sprache, Form, Inhalt zu arbeiten. Also sollte man als Autor selbst ein kritisches Auge darauf haben. Vom Marketing bekommt man, wenn sie überhaupt wissen, dass man existiert, gerne mal gesagt, man solle doch bitte mit dem iPhone einen eigenen Trailer drehen. „Die Leute mögen das, das ist so authentisch.“ Auch das ist nicht böse gemeint. Sie haben keinen Etat für kleine Fischchen. Sie wissen aber, dass es soziale Netzwerke gibt, das macht ein Autor dann ja sowieso selbst, und schon ist man sein eigener Werbefachmann.

Und da es nicht der erste große Umbruch in der Branche ist, in dem wir gerade stecken, wird auch diesmal die Buchwelt nicht für immer untergehen. Sie wird sich ändern, und mit ihr die Verlage in ihren inneren Strukturen – das müssen sie, um konkurrenzfähig zu bleiben, aber auch, um die wichtigen, geldbringenden Autoren zu halten. Der Vertrieb wird sich ändern, weil sich das Einkaufsverhalten verändert hat und die kleinen Buchhandlungen wieder zugewinnen können. Was vermutlich – wer weiß das schon – bleibt, ist, dass es Leute geben wird, die professionell Geschichten schreiben. Und da wir meistens einsam an unseren Schreibtischen sitzen, sind wir ganz froh über Unterstützung in anderen Bereichen. Aber auch froh, wenn alles etwas transparenter für uns wird. Je mehr wir verstehen, desto besser können wir auch agieren. Wir sind näher an unsere Leser gerückt, weil wir Tag und Nacht im Netz mit ihnen kommunizieren können. So verstehen wir, warum sie unsere Bücher mögen. Oder auch nicht. Wir brauchen ein enges Verhältnis zum Verlag, um gemeinsam genau die Bücher entstehen lassen zu können, die wir schreiben wollen.

Nicht, dass die Marketingmitarbeiter faul wären. Im Gegenteil, deren Druck will man auch nicht haben. Aber der Fokus liegt auf den paar Spitzentitelkampagnen, die unbedingt klappen müssen, sonst gibt es mächtig Ärger. Wenn einer von den Kleinen absäuft, merkt das keiner. Lass ihn liegen. Tritt sich fest. Egal. (Denen sagt man dann: „Wenn es die großen Bestseller nicht gäbe, die wir mit Mühe durchdrücken, wäre nicht genug Geld für eure Vorschüsse da!“ Aha.) Die Verlage haben sich selbst in dieses System manövriert. Sie können sich da auch genauso wieder selbst rausziehen. Die Angst vor Amazon und der Zukunft und „Ach, was machen wir denn ohne die Buchhandelsketten, das ließ sich immer so schön kalkulieren“ würde dann deutlich gemindert.

Zoë Beck

Zwei Rohstoffe sind in unserem Geschäft wichtig: Geld (da ist es wieder) und Geschichten. Für die Geschichten braucht es Autoren. Natürlich funktionieren immer mal wieder solche Kollektivideen, ein Team entwickelt, ein anderer schreibt auf. Aber es hat sich auch gezeigt, dass ein Dan Brown nicht einfach mit dem nächsten Vatikanthrillerschreiber ersetzt werden kann. Nicht jedes lustige Frauenbuch erreicht die Leserinnen von Kerstin Gier oder Anne Hertz. Nur weil der Kommissar schlecht gelaunt durch Schweden läuft, sind die Verkaufszahlen nicht wie bei Henning Mankell. Es gehört mehr dazu als das Genre, das auf dem Cover steht. Deshalb braucht es die einzelnen Autoren. Und die fühlen sich bisher, bei allem Gemecker, doch ganz wohl mit dem Prinzip „Verlag“. Es hat was von Zuhause, irgendwie. Da gehört man hin, Corporate Identity, sozusagen. Da kümmert man sich (meistens ja doch) um einen.

Dieser Artikel erschien am 1. September 2012 bei www.culturmag.de, dem Onlinefeuilleton für Literatur, Musik & Positionen, dort im samstäglichen CrimeMag: http://culturmag.de/crimemag/zoe-beck-differenziert-das-ebook-thema/56809

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Zum Thema

Das (un)bekannte Wesen: der Leser und Buchkäufer Es ist völlig unstrittig, dass sich die Bedingungen, unter denen heute Bücher oder Inhalte erscheinen und verkauft werden, in einem Tempo verändern, wie es das in der Geschichte der Buchbranche so noch nicht gegeben hat. Denkt man 25 Jahre zurück, dann schien die Welt noch in Ordnung. Es gab eine bunte Vielzahl an Buchhandlungen, Verlagen, Zeitungen mit ihren Feuilletons und Kulturzeitschriften, eine ausgefeilte Logistik im Vertrieb, die dafür sorgten, dass wir in Deutschland sicherlich das am besten verankerte Buchbranchennetz in der Welt hatten. Und damit war auch garantiert, dass wir eine vielfältige, flächendeckende und bunte Buchpräsenz besaßen. Ich möchte im Folgenden diese Veränderungen in der Buchbranche nicht in allen Verästelungen nachvollziehen. Das ist in aller Ausführlichkeit geschehen, bis hin zu absolut kulturpessimistischen Varianten, die in den Schlagzeilen vom ‚Ende des Buches’ und dergleichen reden. Mir geht es nicht darum, die vielfältigen Auswirkungen dieser Veränderungen aus Verlagssicht aufzulisten, oder eine weitere Interpretation hinzuzufügen. Vielmehr möchte ich den Blick auf die – meines Erachtens – zentrale Frage lenken, nämlich: Wie werden wir in Zukunft an den Leser und Buchkäufer überhaupt gelangen, wo werden Bücher bzw. Inhalte noch wahrnehmbar sein, wo finden sie noch statt? Also letztlich die Frage: Wie kommen wir direkt an den Leser bzw. potentiellen Buchkäufer?

Dr. Uwe Rosenfeld wurde 1956 in Ostfriesland geboren. Zivildienst und Buchhandelsausbildung. Studium zum Diplompädagogen und Promotion in Philosophie. Arbeit in verschiedenen Buchhandlungen, diverse Veröffentlichungen. Seit 1986 in verschiedenen Funktionen bei den S. Fischer Verlagen in Frankfurt am Main, unter anderem als Verlagsvertreter. Seit 2002 Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing.

Wird diese Frage nicht befriedigend von den Verlagen beantwortet werden können, dann geht es, da bin ich absolut sicher, an die Grundfesten der Existenz eines Verlages überhaupt und damit als eine Folge, auch an die Grundfesten des Autorstatus in traditionellem Sinne. Richten wir unseren Blick zuerst auf den Buchhandel. Vor gut einem Jahrzehnt begann eine starke Konzentrationswelle. Große nationale Unternehmen entstanden, sie sicherten sich Großflächen in sehr guter zentraler Lage in bester Innenstadtlage und drängten kleinere Konkurrenten vom Markt. Es galt das Prinzip: Expansion um fast jeden Preis. 8

Erschwerend kommt noch hinzu, ja, es scheint mir geradezu fatal zu sein, dass es der stationäre Buchhandel in der Breite, über die letzten Jahrzehnte konsequent versäumt hat, sich wirklich systematisch mit seinen Kunden zu beschäftigen. Also belastbare Erkenntnisse über die (sich ändernden) Kaufgewohnheiten und Vorlieben ihrer Klientel zu gewinnen.

Aufgrund vieler Faktoren wuchs aber bei diesen Ketten im Laufe der Zeit, der inhärente Kostendruck; die Folge: weniger qualifiziertes Personal, und die faktische Halbierung der präsentierten Titelmenge in den Großflächen. Das Wegbrechen ganzer klassischer Buchhandelssegmente (Fachbuch, Kunstbuch, Ratgeber, Nachschlagewerke …) beschleunigte den Umsatzrückgang und als logische Konsequenz folgte der Versuch, diese Umsatzlücken durch Fremdsortimente zu schließen (Papierwaren, DVD, Spielzeug …).

Es bleibt für die Verlage die Erkenntnis, dass der ‚stationäre Buchhandel’ immer mehr an Bedeutung verlieren wird, gerade in seiner Transmissionsfunktion hin zum Leser oder zum Buchkäufer. Autoren und Bestseller werden immer weniger vom stationären Buchhandel ‚gemacht’.

Auch dem Versuch, über eigene Onlineshops verlorenes Terrain zurück zu gewinnen, ist bis heute nur ein vergleichsweise bescheidener Erfolg beschieden.

Ich wage die These, dass die großen Buchhandelsketten und Großbuchhandlungen nicht wirklich viel wissen über ihre Kunden, über deren wirkliche Bedürfnisse und deren Kaufverhalten.

Nun stehen aktuell Schließungen von Filialen und weitere so genannte Restrukturierungsmaßnahmen auf der Tagesordnung, gar die Übernahme großer Buchhandelsketten durch internationale Investorengruppen. Nichts ist mehr auszuschließen.

Das alles hat nach dem Siegeszug des Internets, das ja faktisch in unser aller Leben Einzug gehalten hat und bewusst oder unbewusst auch unsere Wahrnehmung und unser praktisches Handeln permanent verändert, aus Sicht des klassischen Handels nochmals eine besonders bittere Pointe bekommen. Denn was der stationäre Handel versäumt hat, das können die großen Online (Buch)händler schon fast beängstigend perfekt. So sind sie in der Lage, Buchempfehlungen erstaunlich präzise zu geben, liefern kostenfrei an jeden gewünschten Ort, haben alle, ich wiederhole, alle lieferbaren Titel verfügbar und wem das noch nicht reicht, der kann sich auch noch antiquarisch vergriffene Titel beschaffen oder sich eine E-Book-Variante zulegen, nachdem er das entsprechende Lesegerät gekauft hat.

Die alte Buchhandelsstruktur ist zudem durch den beinhart forcierten Verdrängungswettbewerb schwer ‚ausgedünnt’. Die ‚guten alten Zeiten’ werden nie mehr wiederkehren, wenn es sie denn überhaupt jemals gegeben hat. Parallel zu dieser Entwicklung, und sie sicherlich massiv befördernd, tauchten vor ein paar Jahren Formate auf, die selbst die national als groß erscheinenden Handelsketten wie ‚kleine Fische’ wirken ließen, weil sie global agieren. Gemeint sind Firmen wie zum Beispiel Amazon, Google, Apple und Facebook – alles Unternehmen, die mehr oder weniger direkt ins Buchgeschäft eingreifen, aber eins ganz sicher geschafft haben: Sie haben die Wahrnehmung und das reale Verhalten von Millionen von Menschen stark geprägt und verändert.

Der Nachteil, dass man das Buch nicht mehr in die Hand nehmen kann, wird systematisch durch verschiedene Maßnahmen, wie der ‚Blick ins Buch’ usw., versucht zu verringern, das Bezahlsystem arbeitet bis heute zuverlässig und wen das alles immer noch nicht überzeugt, der kann nebenbei auch noch Windeln, Schuhe und was es sonst noch so gibt, bestellen. Aus Kundensicht ist das alles schon sehr luxuriös.

Seit Jahren sinkt der Anteil der Buchverkäufe über den klassischen Vertriebsweg ‚stationärer Buchhandel’ kontinuierlich. Und innerhalb dieses Vertriebswegs nimmt auch noch die Bedeutung des sog. ‚Nebenmarkts’ ständig zu, also all die Konzepte, die direkt dort sind, wo sich der Kunde sowieso aufhält: an Bahnhöfen, Flughäfen, in den Supermärkten. Aber auch andere branchenfremde Unternehmen wie z. B. Saturn fangen an, Bücher zu verkaufen.

Das größte Kapital aber, das diese Händler in den Händen halten, ist ihr Wissen über ihre Kunden selbst. Und dieses Wissen wird gehütet, gepflegt und permanent auf den neuesten Stand gebracht.

Ihnen allen ist gemein, dass sie ein eingeschränktes Sortiment führen, das den Focus auf Bestseller und so genannte ‚Schnelldreher’ hat.

Wenn man dann noch beobachten muss, dass die Wirkungen des Feuilletons auf den direkten Buchverkauf seit Jahren schwinden (einzelne Ausnahmen bestätigen nur diese Erfahrung) und die Kollegen in den Redaktionen um jeden Platz und jede Stelle kämpfen müssen, wenn man dann weiter feststellen muss, dass buchnahe Sendungen im Fernsehen maximal zu nachtschlafender Zeit ausgestrahlt werden und nur noch ganz wenige Talkshows eine direkte

Das alles hat selbstverständlich enorme Auswirkungen auf Verlage, die über ein breites Programmspektrum verfügen (und für die ‚kleineren’ Verlage sowieso). Weil natürlich die Titelmenge und die Sortimentsbreite, die der stationäre Buchhandel dem Publikum präsentiert, immer kleiner wird. Folglich werden immer weniger Bücher für das Publikum sichtbar werden. 9

Wirkung zeigen, weil sie im allgemeinen Talkshowgewimmel untergehen, dann wird einem Menschen, der aus Verlagssicht argumentiert, nicht froh ums Herz. Aber er verfällt auch nicht in völlige Depression und Lethargie. Denn es gibt Mittel und Wege, an den Leser selbst zu kommen, ihn zu informieren und gar zum Kauf zu animieren. In bestimmten Bereichen haben wir da sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht. Dies geschieht heute ganz wesentlich Online, in den großen Portalen wie Facebook oder Youtube, auf verschiedenen, speziellen social media Plattformen, auf selbst kreierten ‚special interest’ Websites, usw. usw. Je klarer die anzusprechende Zielgruppe, desto wahrscheinlicher ein positives Ergebnis. Folglich hat sich die Verteilung der Vertriebs- und Marketingbudgets in den letzten Jahren radikal in diese Richtung gewendet. Das heißt für die Verlage auch, dass in den Marketingabteilungen zunehmend mehr Menschen arbeiten, die auf diesem Gebiet absolute Spezialisten sind und z. B. über sehr viel technisches Wissen verfügen müssen. Das Anforderungsprofil hat sich extrem geändert und wird sicher weiter verändern müssen. Denn es geht um nichts geringeres, als um das Wissen über den Kunden; wo erreiche ich ihn, wie ändert er sein Konsumverhalten, wo und wie informiert er sich, wie will er angesprochen werden, auf welchen technischen Geräten? Und die Kunst wird sein, diese Ansprache höchst differenziert und mit unterschiedlichen medialen Gewichtungen zu gestalten, weil es eben einen Unterschied macht, ob man sich für anspruchsvolle Literatur interessiert oder einen neuen Krimi entdecken möchte. Will ein Verlag das avanciert machen, dann braucht er notwendig dieses neue Wissen, gepaart mit Intelligenz und Kreativität. Er braucht es nicht nur, er muss es meines Erachtens haben, weil er dauerhaft sonst nicht überleben kann. Die Lage ist – wer wollte das anzweifeln – schwierig, aber eben nicht hoffnungslos. Uwe Rosenfeld

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Zum Thema

Schriftstellerexistenz im digitalen Zeitalter In einem Artikel schrieb ich vor wenigen Jahren, dabei kurz auf Walter Benjamin zurückgreifend: „Die Photographie hat das gemalte Bild nicht entwertet oder ersetzt, und wie jedes ‚Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit‘, so wird auch die Wortkunst durch das Internet an Bedeutung nicht verlieren, es wird sich aber das Verhältnis von Urhebern und Usern stark wandeln. Veränderungen sollen nicht aufgehalten, sondern müssen mitgestaltet werden. Von den Urhebern ebenso wie von den Verwertern, den Anbietern der Inhalte. Wie die Veränderung des Marktes aussehen wird, welche Vor- oder Nachteile sie speziell den Urhebern bringt, davon aber hängt viel mehr ab, als ‚bloß‘ die Bewahrung verbriefter Urheberrechte von Wortschöpfern. Mit ‚fuck the rights, we are internet‘, wie im Netz zu lesen, dient man nicht der Informations- und Wissensfreiheit. Gerade dieses hohe Gut weltweiter Wissensversorgung bedarf des Schutzes, damit es sich nicht selber ins Aus schäbiger Piratennester oder in die Umarmung eines glitzernden Big Brothers manövriert. Sonst wird es irgendwann an qualifizierter Innovation in der digitalen Welt fehlen, und Informationsfreiheit beschränkt sich dann nur noch auf ein Verwalten veralteten Wissens ...“ Wie schnell Veränderungen aber auch Verwerfungen in Fragen des Urheberrechts und der Vermarktung von Büchern im digitalen Zeitalter sichtbar werden würden, zeigte sich bald nach Erscheinen obiger Ausführungen in aller Deutlichkeit. Nach dem Einzug der Piratenpartei in einige Landtage wuchs der Druck spürbar, sozusagen im Tagestempo.

Imre Török ist seit 2005 Bundesvorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) und gebürtiger Ungar. Nach Erlernen der deutschen Sprache Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Tübingen, Schüler von Ernst Bloch. Stationen: Dozenturen in der Erwachsenenbildung und für kreatives Schreiben, Ghostwriter, Journalist, Leiter eines städtischen Theaters. Freiberuflicher Schriftsteller. Veröffentlichte Romane, Kurzgeschichten, Essays, Märchen, poetische Prosa, Sachbücher. Aktuell: „Das Buch Luzius. Märchen und andere Wahrheiten“, „Insel der Elefanten“ (Roman), „Akazienskizze“ (Geschichten, Phantasieflüge).

Wo liegen die größten Herausforderungen für die Kreativen und für ihre würdige Marktpräsenz? Die überwiegende Zahl der Autorinnen und Autoren konnte zu keiner Zeit von einer gesicherten Existenz, von angemessener Honorierung ausgehen. In Deutschland haben jedoch in den letzten Jahrzehnten das Urheberrecht, die Künstlersozialversicherung, der Normvertrag, die Buchpreisbindung, ein lebhafter Buchmarkt, ein einigermaßen gut geregelter Modus vivendi zwischen Urhebern und Verwertern sowie die Literaturförderung dafür Sorge getragen, dass die meisten Kreativen im Bereich der Literatur nicht ständig um ihre soziale Existenz bangen mussten, etwa ein 11

Zehntel der literarischen Worturheber sogar recht gut von den Erträgen ihrer geistigen Produkte leben konnte. Nicht zuletzt funktionierte dieses labile Überlebenssystem, weil Schriftsteller und Übersetzer mithilfe ihres Berufsverbandes Rechte erkämpft hatten und diese später verteidigt haben.

wird sich die produktive Situation der Worturheber weitgehend ändern. Es darf dabei jedoch nicht passieren, dass nur diejenigen erfolgreich bleiben, die neben dem Schreibtalent auch über ein großes Know-how in der digitalen Welt verfügen. Ich bin so konservativ zu sagen, dass Schriftsteller auch im 21. Jahrhundert in erster Linie erstklassig schreiben und erst nachrangig technische und markttechnische Raffinessen der digitalen Welt beherrschen müssen. Sie brauchen so viel Wissen von Letzterem, dass sie nicht übers Ohr gehauen werden. Auch wenn manche Bestsellerautoren als Selbstvermarkter glänzend da stehen (sie verfügen auch über ein entsprechendes Equipment), wird für die Mehrzahl der Autoren die herkömmliche Arbeitsaufteilung zwischen Urhebern hier und Vermarktern dort (Agenturen, Verlage, Distribution und diverse Arten der Verwertung) notwendig und sinnvoll bleiben, damit die überwiegende Konzentration für die schöpferisch künstlerische Arbeit erhalten bleibt.

Doch, das muss man sehen, gab es vor den neu aufkommenden Möglichkeiten digitaler Publikation auch keine vergleichbare Herausforderung. Nun, als Worst Case betrachtet, würde die notwendige Urheberrechtsdebatte, sofern sie keine eindeutig positiven Lösungen pro Urheber im Ergebnis zeitigen wird, wie in einem Dominoeffekt die meisten oben angesprochenen Schutzmechanismen der Autorenexistenz zu Fall bringen. Es geht also bei der Verteidigung des Urheberrechts – was im Übrigen ein Menschenrecht ist (siehe Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte) – um sehr viel mehr, als um die Sicherung des Einkommens von Autoren in barer Münze. Der künftige gesellschaftliche Wert der Kreativität, die Würde der kreativen Schöpfer steht auf dem Spiel. Und damit verbunden auch deren soziale Existenz.

Dank des Internets kann im Prinzip zwar jeder alles überall veröffentlichen, doch dürfen neue Publikationsmöglichkeiten (ob E-Book oder noch unbekannte Nutzungsarten) nicht darüber hinwegtäuschen, dass qualifizierte geistige Produkte nach wie vor harte und langwierige Arbeit von seriösen Worturhebern verlangen.

Als ich bei den Buchtagen in Berlin 2012 in solcher Eindringlichkeit von der unerlässlichen Verteidigung des Urheberrechts sprach, wurde mir von Kritikern entgegen gehalten, solche Sonntagspredigten gehörten in die Kirche.

Die Aufklärung über Werdegang und Wert geistiger Produkte darf sich also nicht in Behauptungen allein erschöpfen; dieser Wert muss in erster Linie als Qualität der Ergebnisse schöpferischer Produktion überzeugend demonstriert werden. Gute Bücher sind das schlagkräftigste Argument.

Die Unverblümtheit, mit der Diebstahl geistiger Schöpfung einerseits propagiert wird und auf der anderen Seite der Hinweis auf Rechte und Würde der Urheber abgekanzelt wird, zeigt in der laufenden Urheberrechtsdebatte oft eine erschreckende Unfähigkeit, einander zuzuhören. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel.

Auch Qualität schafft die Gelegenheit nicht aus der Welt, welche bekanntlich Diebe macht. Weiterhin bleibt es unsere vordringliche Aufgabe als Wortschöpfer, im Bunde mit den Verwertern für die unabdingbare Erhaltung und Einhaltung des Urheberrechts zu kämpfen. Modifizierung und Anpassung des Urheberrechts an Erfordernisse im digitalen Zeitalter wird man so weit Folge leisten, dass dabei Rechte und Würde der Kunstschaffenden nicht geschmälert werden und dass ihre Arbeitsfähigkeit nicht torpediert wird.

Beschimpfungen der Worturheber, die sogar in Angriffen münden können (Anonymous), offenbaren die große Unkenntnis über den Wert kreativer Leistungen und über die Arbeit und Weltsicht von Autoren. Auch der würdelose Umgang mit Worturhebern ist nichts Neues. Nur dass Schriftsteller gerade nicht „von oben“ aus Politikermunde als „Ratten und Schmeißfliegen“ beschimpft werden, sondern dass die abwertende Kritik „von unten“ kommt, also aus jener Ebene, die wir mit unseren Büchern, auch mit unserer Gesellschaftskritik, auch mit unseren Utopien, eigentlich erreichen wollen.

Die Veränderungen durch das Internet werden langwierige Prozesse sein, deren Struktur Walter Benjamin in seinem Buch „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ schon angedacht, vorausgedacht hat.

Jammern und Schimpftiraden helfen wenig. Mühsame Aufklärungsarbeit, Überzeugungsarbeit ist angesagt. Hierbei ist der einzelne Worturheber gefragt, jedoch ist er auf die Solidarität der Gemeinschaft der Kreativen und der Verwerter angewiesen. Als Einzelkämpfer in der gegenwärtigen Situation ist eine Autorenexistenz mehr denn je der Gefahr des Scheiterns ausgesetzt.

An dem Prinzip, dass Reproduktion erst durch Produktion möglich wird, ändert auch das digitale Zeitalter nichts. Ob in Zukunft E-Books den Printbereich weitgehend verdrängen werden, ob die Verlagslandschaft neue Strukturen erfinden wird, ob Buchhandlungen durch innovative Ideen wieder bessere Überlebenschancen haben werden oder ob Internetanbieter allein das Rennen machen werden, das alles tangiert uns Worturheber in erheblichem Maße.

Keinesfalls will ich die Zukunft nur in düsteren Farben malen. Auch wenn kein Worst Case droht – was ich hoffe –, 12

Auf veränderte Marktmechanismen jedoch werden sich die meisten Schriftsteller einstellen können, insbesondere wenn die tatkräftige inhaltliche und rechtliche Unterstützung ihres Berufsverbands gegeben ist, wenn Ausbildung und Fortbildung in ausreichendem Maße angeboten wird. Flexibilität und lebenslanges Lernen gehören zum Künstlerdasein. Die geringe Wertschätzung der Worturheber aber, ideell wie materiell, sie würde zu dem angesprochenen Dominoeffekt führen und fraglos eine viel zu große Zahl von Autorenexistenzen vernichten. Wir müssen es selbstbewusst verdeutlichen und dabei die Gesellschaft in die Pflicht nehmen, dass das Urheberrecht nicht allein die Urheber schützt, sondern jenen Ideenreichtum, von dem sowohl eine Kultur- und Kreativwirtschaft materiell, als auch breiteste Teile der Gesellschaft ideell profitieren. Für diese Auseinandersetzung benötigen die Worturheber einen agilen, starken, entschlossen agierenden Schriftstellerverband, der ihre Interessen im Bereich der Politik und der Marktmechanismen ausreichend vertritt. Furchteinflößend sind für mich nicht technische und marktmechanische Veränderungen bei der Reproduzierbarkeit von geistigen Produkten. Auf die Probleme dabei hat noch jede Zeit und jede Technik eine passable Antwort gefunden. Parteien kommen und gehen. Stets sind Gesellschaften, einschließlich des Buchmarkts, im Wandel. Sollte aber Geringachtung oder gar Verachtung der geistigen Leistungen zum Markenzeichen einer Gesellschaft werden, würde das gewiss in eine düstere Epoche geistiger Verwahrlosung führen. Von keiner Autorität können wir Schriftsteller stillschweigend erwarten, dass sie unsere Würde und Arbeitsfähigkeit ausreichend schützt. Wir mussten, was uns zusteht, stets selber als Menschenrecht erarbeiten und einfordern. Auch im digitalen Zeitalter bleibt Schriftstellerexistenz eine kämpferische. Imre Török

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Zum Thema

Verdammt zur Freiheit: Können Sie eigentlich vom Schreiben leben? I. Muss das schön sein, sich immer neue Sachen ausdenken! „Ach, Sie sind Schriftstellerin? Echt? Ach, das stelle ich mir sooooo romantisch vor.“ Die neue Assistentin meiner Frauenärztin stützt das Kinn auf. Durch ihren zartbitter­braunen Blick spazieren all jene Romane, deren Heldinnen sie verehrte, weil die erst eine Ranch, eine Frühgeburt oder einen Mann retteten, bevor sie sich küssen ließen. „Na, ja, ist aber auch Arbeit.“ „Echt? Aber viel besser bezahlt! Und macht auch mehr Spaß … ständig reisen …“ „Ich reise eigentlich nicht so oft. Zeit und Geld, wissen Sie.“ „Aber sich immer neue Sachen ausdenken …“ „Ausdenken trifft es nicht. Es ist genaues Beobachten, Zuhören, Erinnern, Einfühlen, In-Frage-stellen … Es muss alles eine Wahrheit haben. Die Figuren müssen so wahr sein, als ob es sie wirklich gibt. Sogar wenn sie zartbitter-braune Augen haben.“ „Echt? Und die kommen dann in Ihrer nächsten Geschichte vor? Das ist so romantisch!“ Eigentlich nicht, denke ich, aber sage: „Stimmt“ und setze mich ins Wartezimmer. Romantisch wäre es, im Seiden­ negligée sinnierend ins Fohlenleder-Notizbuch die unvergesslichsten Figuren und erregendsten Actionszenen dahin zu fabulieren. So aus dem Bauch heraus. Druckreif! Und nach dieser Stunde Kreativeln … pardon: Zum „Beruf gemachtes Hobby ausüben“, zu reisen, oder mit anderen crazy Künstlern bei edlem Roten vibrierende Gespräche führen. Zwischendurch gibt der Verleger die neuesten Zahlen durch und überweist fünfstellige Tantiemen. Schön wär’s, und erklärbar wäre dann jener Neid, mit denen so mancher die Bücherschreiber bedenkt: Arbeiten die überhaupt? Amüsieren die sich nicht den ganzen Tag auf Kosten anderer, die ihnen auch noch ihr sauer verdientes Geld für ihr Amüsemang hinlegen?

Nina George arbeitet seit 1992 als freie Journalistin, Schriftstellerin und Kolumnistin. Ihr Roman „Die Mondspielerin“ erhielt 2011 die DeLiA, den Preis für den besten Liebesroman. Für ihren Kurzkrimi „Das Spiel ihres Lebens“ wurde George 2012 mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Ihr Pseudonym Anne West gilt als erfolgreichste deutschsprachige Erotikautorin. George ist verheiratet mit dem Schriftsteller Jens J. Kramer und lebt im Hamburger Grindelviertel. 2011 gründete sie zusammen mit Angela Eßer die Initiative „JA zum Urheberrecht“. Foto © Marion Losse

Und wie wir uns amüsieren. Prächtig! Meist für zwei Leben! Die meisten Schreibenden quetschen ihr „eigentliches“ 14

Leben hinter eines, das ihr not­gedrun­genes, ihr „uneigent­ liches“ ist. Sie leben zwei Mal, sind tagsüber Lehrer, Polizistinnen, Kulturreferenten, Maurer, Kellnerin, Journalistin oder Gefängnisarzt. Abends, nachts, am Wochenende, in den Ferien, in den zwei Stunden, bevor die Kinder auf­ wachen, tun sie das, was sie nicht lassen können. Sie schreiben. Sie überwerfen sich mit ihren PartnerInnen, die eifer­ süchtig auf dieses „Getippe“ hinter geschlossenen Türen sind. Sie ziehen sich den Unmut ihrer Freunde zu, weil sie lieber mit dem Billiglaptop auf den Knien den Samstag ver­bringen. Sie fahren auf eigene Kosten zu Workshops, um sich das beibiegen zu lassen mit der Heldenreise und der Figuren­entwicklung, dem Vermeiden von Wortmumien, das „kill your darlings“ und „show, don’t tell“. Sie geizen mit jeder Stunde Freizeit, sie ziehen sich Bandscheibenvorfälle zu, sie werden von ihrer Umwelt misstrauisch beäugt: Hält die Gärtnerstochter sich für was Besseres? Will der Teigfalter etwa berühmt werden?

ner Erfahrung verzichten; etwa selbst nach Sanary-sur-mer zu fahren, um die Luft zu riechen, die beschrieben werden will. Der eigene Liebeskummer ist verwendbar, der Neid, die Mordlust. Die Verzweiflung. Das Gelächter. Das ganze Leben! Weniger geht nicht, weniger ist nicht Schriftstellersein. Auch nicht, dass es planbar sei, auf so vielen Nachttischen wie möglich zu landen – solche putzigen Vorstellungen haben oft Leute, die auch meinen, so Geschichten­schreiben, das könne jeder, der ein U von einem X unterscheiden kann. Nein. Gute Geschichten schreiben kann nicht jeder. Es kann auch nicht jeder Marathon laufen, nur weil er zwei Beine hat. Aber viele könnten es bis zu einem gewissen Punkt, einer soliden erzählerischen Qualität, einer guten läuferischen Kondition schaffen. Wenn sie dafür bereit sind, ihre Freizeit komplett aufzugeben. Mindestens. Wollen wir uns noch die Mühe machen und ausrechnen, was ein 30 bis 50-Cent-Erlös, multipliziert mit der Auflage, für einen Stundensatz ergibt? Ich hole mir nur rasch einen dreifachen Cognac, ja?

II. Schreib doch mal Harriett Potter

Sagen wir optimistisch, ein Roman, ein sympathischer Borkum-Krimi oder ein bezauberndes Werk über eine Glasperlen-Sammlerin, verkauft sich über drei Jahre 3000 Mal und bringt nach Abzug von einem Viertel Steuern, 1150 Euro auf die Kralle. Für die eine Hälfte hat der Schriftsteller sich den Laptop, das Textprogramm und Schreib­technikbücher gekauft. Für die andere Hälfte hat er jahrelang auf Ferien verzichtet, sich abends und am Wochenende Freizeit verkniffen, hat geplant, gezweifelt, überarbeitet; hat recherchiert, sich Sprüche wie „Muss der Mörder blond sein?“ seiner Testleser angehört, ist Agenturen nachgelaufen, Verlagen nachgejapst, hat Ablehnungen kassiert und mehr als 110 Stunden mit nur selten vergnüglicher schöpferischer Leistung verbracht. Er hat nicht nur die 300 Seiten geschrieben, sondern 900, die im Orkus des „Planungs- und Resteordner“ gelandet sind.

Ja, wozu überhaupt Schreiben? Um irre reich und wahnsinnig berühmt zu werden! Also, das ist jetzt wirklich romantisch. Der Verdienst an einem Buch ist unberechenbarer als das Mittwochslotto. Der durchschnittliche Erlös pro verkauftem Druck-Exemplar, liegt bei Taschenbüchern unter 3000 verkaufter Stückzahl (wie so häufig), um 40 bis 50 Cent. Vor Steuern. Und vor Agenturprovision mit 15 Prozent. Bleiben also etwa 28 Cent. Bei E-Books werden eingesparte Druckund Lagerkosten teilweise an Autoren weitergegeben; da können schon mal ein bis zwei Euro pro 10-Euro-Exemplar abfallen. Aber immer noch nicht acht oder zwanzig Euro, wie viele annehmen, wenn sie an Bücherpreise und das geschätzte Einkommen von Schriftstellern denken. Wäre der Verkaufspreis gleich Verdienst, oder Auflage gleich ein Euro pro Ex: Halleluja, Fohlenleder-Notizbücher für alle! Da würde sogar der Kunst­fremdler nicht mehr zu seinem literarisch ambitionierten Töchterlein sagen: „Mein liebes Kind, lern’ erst mal einen richtigen Beruf, dann hast du was Reelles.“ Er würde sagen: „Schreib doch Harriett Potter. Oder den Wander-Callboy. Dann haste ausgesorgt!“

Jeder Schriftsteller, der „nur“ Geld verdienen will, würde bei dieser Rechnung lieber putzen gehen als sich diese Selbstausbeutung anzutun. Was wir dann davon hielten, uns selbst zu verlegen – EBook-Programme und Kindle machen’s ja möglich! Und man hörte, dass es dann 70 Prozent Tantiemen regne! Nein, danke. Kultur ist Teamarbeit, das gilt auch für das Kulturwerk Buch. Ich werde nicht das Vergnügen des Lesers versauen, in dem ich ihm ein unlektoriertes Werk anbiete! Und selbst wenn ich mir einen Lektoren mieten würde, der mir für 2000 bis 4000 Euro einen guten Text perfekt macht –, so bliebe mir dennoch die Arbeit des Setzens, des Marketings, der Pressebestückung, der Verhandlung über Nebenrechte; ich müsste mich wie ein Affe mit der Blechtrommel verkaufen … mit Verlaub: Wer’s kann, soll’s

Diplomatisch gesagt: Wir hassen es, wenn jemand sagt: ,Schreib doch mal wie … und dann hast du einen Bestseller’. Als ob jener, der aufrichtig Schriftsteller sein will, daran interessiert ist, Stil, Thema oder Inhalte zu kopieren! Eben nicht – eigen, neu und unterscheidbar zu sein, ist doch der Reiz an der Chose. Remixer eignen sich zwar zeit- und denksparend gebrauchte Ideen an, aber das ist Schriftstellern zu wenig. Wir wollen nicht auf die Kraft direkter, eige15

tun. Ich will es nicht und halte es für legitim, das zu perfektionieren, was ich wirklich kann. Schriftsteller denken über ihre Geschichten nach. Nicht über Geschäftsmodelle. Weil wir nämlich auch nicht von Schweinehälften sprechen, sondern von dem im Grunde unbezahlbaren Konstrukt „Buch“; was es bewegt, was es kann, was es in Menschen anrichtet, was aus Geschichten alles entstehen kann – das ist in Geld unmessbar. Ein Wunder, eigentlich, dass ein Buch nur 8 Euro kostet; 8 Euro für Wissen, für Gefühle, für eine ganze eigene Welt. Zurück zum Wieso Schreiben. Bleibt noch der Ruhm als Antrieb. Moment, ich gieße mir kurz nach – Also. Von 85.000 hiesigen Neuerscheinungen im Jahr (deutsche wie eingekaufte internationale) schaffen es zweihundert in die Aufmerksamkeits­schicht, in Bücherforen, Magazinbeiträge, in das Wohlwollen der Buchhändler und Lesenden. Liquiden Erfolg – 30.000 bis 800.000 Verkaufte innerhalb von drei bis sechs Monaten, bis die nächsten Verlagsprogramme erscheinen – haben in Deutschland meist dieselben hundert AutorInnen, die jeweils über eine bis drei Dekaden die Bestsellerplätze füllen (und den Verlagen die Kohle reinschaufeln, damit diese sich ein paar Debüt-Experimente und B- bis C-Werke leisten können). Die von Kürthys und Heldts, Funkes und Fitzeks und Grass’ und Zehs; neben den weltweit 1000 Top-AutorInnen, die Allendes, Kings, Irvings und Murakamis derselben Autorengeneration. Ich arbeite seit zwanzig Jahren – seit ich 19 bin – darauf zu, eine dieser 100 deutsch­sprachigen, oder 1000 weltweiten AutorInnen zu sein, die als ‚sichere Bank‘ gelten. Und auch noch als gute Schreiber (was nicht dasselbe ist, no Sir). Es ist unmöglich zu schaffen. Fast unmöglich.

III. Sie können sich doch Ihre Arbeit bequem einteilen!

Anne West; von der Presse „Sexratgeber“ genannt. Klingt flacher, als sie sind), Krimis, Novellen, literarische Reiseführer; etwa 6900 gedruckte Buchseiten mit einer Auflage von insgesamt einer Million. 15 Jahre, eine Million, hört sich gut an? Was dabei in Verdienst nach Steuern raus kommt, reicht für Kleinwohnung und Fahrrad. Aber nicht für Seidenfummel oder Wein. Ich habe seit 1997 Vorschüsse von 1500 (für einen Krimi mit zweijähriger Recherche) bis 25.000 Euro (für ein Sachbuch, das in vier Monaten entstand) bekommen, und etwa die Hälfte der Vorschüsse „abverkauft“ – heißt: die verbleibenden Investitionen, mein Honorar, Druckkosten etc., trugen und tragen die Verlage, die ach so böse Content-Mafia. Was das Feuilleton Grünverkleet lobte, war selten das lukrativste Werk, und was die Leser liebten selten das literarischste. Es waren zwei dabei, die ein Auftrag waren; der Rest waren „Herzensprojekte“ – die dennoch zum Markt passten. Natürlich denke ich in „Markt“ und „Genre“ – wer sich vom Schreiben ernähren will und nicht vom Staat, dem Partner oder Mäzenen, die sich auch noch einmischen, kann das, ohne sich zu verbiegen. Zu meinem Wörterberg kommen zurzeit achtzig Kurzgeschichten (Seitenhonorar: 12 bis 35 Euro. Manchmal auch 87 Cent). Das Konto satt und mich literarisch dann in der Folge unabhängig aber machen abertausende von Artikeln, Reportagen, Glossen, Berichten, Porträts für 30 verschiedene Kiosk-Magazine und Tageszeitungen. Wie viele Artikel seit 1992 weiß nicht mal die VG Wort. Mehrere Milliarden Buchstaben dürften es sein; ich schrieb über Fußballerwaden, Grillwurst­meister­schaften oder atheistische Organisten; ich bin voll von Wissen und Welten. Mein Messerkoffer für jede Konsistenz Text ist prall gefüllt, und wird täglich geschliffen. Ich übe seit zwanzig Jahren zu schreiben, und werde immer geschickter. Wie der Chirurg mit dem Skalpell. Es ist ein Beruf, dessen Lehrjahre so lang wie das Leben sind, und der aus Schreibenkönnen, Fühlen, Lügen, Vergessen, Angst, Mut, Eitelkeit, Empathie, Disziplin, Wahrheit und Weitwinkeldenken besteht. Ich habe Zeitschriften entwickelt, fürs Fernsehen geschrieben, ich habe weinend Texte überarbeitet bis tief in die Morgenstunden; ich habe zwei Kunden, für die ich seit dreizehn und acht Jahren jede Woche arbeite. Das ist meine Miete und mein Brot, und ich weiß, dass ich mit Stammkunden zu den privilegierten Freelancern gehöre. Mein Negativ­rekord liegt bei 80 Euro für 10.000 Zeichen in fünf Tagen (Rezensionen), mein Positivrekord bei 6.000 Euro für 60.000 Zeichen in ebenfalls fünf Tagen (Flirtratgeber).

Auf diesem „Fast“ baue ich die Hoffnung, um nicht zynisch zu werden, und mich zu fragen, ob ich mit 50, 60, mit 70 noch so leben will wie jetzt: von Monat zu Monat, mit einem Sparkonto für Notfälle. Denn keiner will deinen Gelben Zettel sehen; das musst du selbst finanzieren, deine Schwächen wie Krebs, Burnout, Montagsfrust. Ich bin eine Schreib-Maschine, und sowieso untypisch. Halb Dienstleister als freie Journalistin, halb Freiheitssucher als Schriftstellerin, dann noch Frau, einigermaßen gut verdienend – das ist in dieser Branche selten. Aber auch eine andere Baustelle.

Ich bin eine freie Autorin und zur Freiheit verdammt. RedakteurInnen schielen oft auf meinen Alltag, den sie sich so vorstellen, dass ich bis in die Puppen schlafe und an schönen Tagen nie arbeite, weil ich es mir ja „einteilen“ kann, wann ich mich vor den Rechner pflanze. Stimmt.

Ich habe seit 15 Jahren 23 Bücher in Publikumsverlagen veröffentlicht; Romane, Sach­bücher (unter dem Pseudonym 16

Ich habe die Freiheit, weder in Meetings über Chefwitze lachen zu müssen, noch mich mit Kollegen über den Aufmacher oder ihre Popelei beim Telefonieren zu streiten.

schlecht bezahlen. Oder von den männlichen Auftraggebern mit „Frauenthemen“ abspeisen. Kaum ein Beruf ist übrigens noch so chauvinistisch wie der der Journaille. Noch eine Baustelle.

Ich habe die Freiheit, faktisch mehr zu schaffen und theoretisch mehr zu verdienen als die Angestellten; in der Tat arbeitet jeder Freiberufler, der nicht ganz bräsig in der Wanne kocht, mehr weg als jeder feste Redakteur. Ich bin in der Stille meines Seins kreativer als die meisten in Teamsitzungen, wo die Intro­vertierten ihre Ideen nie so gut loswerden können wie die Lautsprecher. Ich habe die Freiheit, bessere Texte zu schreiben als meine von der Deadline gehetzten Kollegen. Ich habe die Freiheit, nur zu arbeiten, wenn’s regnet (zum Glück in Hamburg häufig). Ich habe die Freiheit, allein zu scheitern. Ich habe die Freiheit, für meine Freiheiten auf alle Sicherheiten zu verzichten. Dafür darf ich alles selbst bezahlen. Mein Büro, mein Papier, meine Versicherungen, Altersvorsorge, meinen Steuerberater; meinen Urlaub (den ich eh selten mache; von Freien wird permanente Erreichbarkeit erwartet), meine Krankheiten (siehe oben: wer will den gelben Zettel? Niemand, nie-mand), meine Recherchereisen, meinen Kaffee. Und meine Arbeitszeit, die ganz unromantisch von 0 Uhr bis Mitternacht reicht: Ich höre nie auf zu denken oder zu sammeln. Ich arbeite an Texten sechs in normalen Zeiten, und vierzehn Stunden in Hochzeiten. Täglich, sechs Tage die Woche. Dazu kommt dieses verfluchte Nachdenken. Und Vor- und Nacharbeiten, weil zwar Lesungen oder Seminare geben Geld bringt. Aber die zwei Tage verlorene Arbeitszeit, holt das Lesungs- oder Dozentenhonorar (um 250 bis 500 Euro für Lesungen, um 100 bis 400 Euro pro Tag für Schreibenlehren, immer noch vor Steuern), nicht rein. Ich bin dennoch eine – für diese Zeiten, in denen die Inflation rauf und die Honorare runter gehen – Autorin mit sehr gutem Einkommen. Aber ich dürfte nicht merklich nach­lassen. Ein paar Jobs weniger, ein, zwei lau verkaufte Bücher – oh, oh. Leute wie ich sind schussfester als andere, um dieses Risiko auszuhalten, sagte mal ein Kreativforscher. Die ersten zehn Jahre als Freie schlief ich immer mit Angst. Aber Angst macht auch mutig. Ich mag mein unsicheres, aber von vielen Weisungen anderer befreites Leben.

Die Journalisten-Honorare sind seit zehn Jahren im Sinkflug. Online waren sie nicht mal im Steigflug; es wird zwar hände­ringend nach Web-Material („content“) gesucht, aber das wird so lachhaft bezahlt, dass ich es verwunderlich finde, dass wir Textsklaven nicht längst streiken. Selbst Anzeigen-Lieblinge wie die Montags- und Donnerstagsmagazine, zahlen für Web-Content an der Grenze zur Beleidigung (80 bis 250 Euro pro Text, egal wie lang, egal wie gut, egal wie exklusiv), dass eine meiner nächsten Initiativen nach „Ja zum Urheberrecht“ „Ja zum Honorar“ heißen wird. Irgendwas scheint das Internet mit den Menschen anzustellen: Nur weil es ein luftigeres Trägermedium ist, sind die Inhalte weniger wert; und so gelangen in die Gratis-Ressorts der Zeitungen online meist Zweit- und Drittverwertungen, sprich: alte Geschichten oder solche von Amateuren. Heute bin ich froh, wenn ich nicht schon wieder eine Geschichte schreiben muss, die nur dafür gedacht ist, die Anzeigenkunden zu pampern („Mit Markenkleidung zur Karriere“) oder die Leserin zu behumsen („Zehn Tricks für mehr Selbstbewusstsein“). Aber auch dass sich der Jour­nalismus verändert hat und sich die meisten Magazine seit zehn Jahren in ihren Themen wiederholen, sich ihre Profis wegsparen und dass „content“ nur mehr „Weißraumfüllen“ bedeutet – auch das ist eine andere, große Wander-Baustelle. Je mehr sich das Lesen ins Internet verlagern wird, desto mehr sind wir AutorInnen gefordert, uns nicht mehr schlecht bezahlen zu lassen. Ja zum Profi! Nein zur Geizkultur! Träumen darf man doch noch. In Wahrheit sind wir freien Journalisten längst zerstritten mit den Zeitschriftenverlagen. Die mit ihren einseitigen „Nutzungsrecht-Verträgen“ und unterdurchschnittlichen Honoraren alles rauspressen aus jedem Text. Die ungern Online-Honorare auf die Print-Honorare draufschlagen, obgleich doch jeder weiß: Ist dein Zeug erstmal im Web, ist es für immer verloren, und wertlos. Andere kopieren es, anstatt dich zu engagieren; Sparzwang fressen Ehre auf. Vielleicht ist die künftige Wahrheit aber noch eine andere. Vielleicht bin ich eine der letzten Old-School-Autorinnen. Vielleicht ist die Zukunft, dass jener bezahlt wird, der am schnellsten liefert. Oder jener, der Wort, Ton und Bild kann. Der Multistory-Journalist. Mit Direkt-Abo. Wer weiß? Vielleicht ist künftig jede Nachricht nur ausgedacht, von einem Autorenkollektiv ohne Namen. E. M. Forster ölt schon mal die Maschine.

Ich habe natürlich auch die Freiheit, „nein“ zu sagen zu einem Auftrag. Natürlich. Wenn ich bereit bin, die Konsequenzen zu tragen, die ein „nein“ in der Branche nach sich zieht. Mit Mitte Zwanzig war mir klar, dass ich es mir leisten können muss, mich rar zu machen. Ich konnte es lange Zeit nicht. Wie die meisten freien AutorInnen habe ich mich überarbeitet und alles geschrieben, was bezahlt wurde und nicht menschenfeindlich war. Rezepte, Gebrauchsanweisungen, Infoflyer, Sketche … tat ich es nicht, machte es ein anderer Tintenkuli und ließ sich gängeln, umschreiben,

Zurück zum „Nein, danke“, der höchsten Kunst des freien Autoren. 2003 und 2004 dümpelte ich mit einem meiner 17

zweideutigen Sachbücher für süße lange Wochen auf den Bestsellerlistenplätzen 23 bis 49 herum. Mein Verlag krönte mich mit dem Titel „Bestsellerautorin“. Es half.

Ach; meist ist Schreiben vor allem eine zuverlässige Methode, sich ein Rückenleiden zuzuziehen, den Freunden und Lebenspartnern zu entfremden, und seine Minderwertigkeitskomplexe aufzustocken.

Oh! Ruhm! Ist ja auch nur eine Behauptung. Ruhm behauptet: Diese Autorin hat’s ja drauf. Sie ist was wert. Die wird gern gelesen, also engagieren wir sie für unsere Zeitung und Magazine, und zahlen ihr ein „Autoren­honorar“, nicht nur den Texttarif.

Und doch: Wer SchriftstellerIn sein will, lässt sich von kein Geld und kein Ruhm und kein Spaß nicht beeindrucken! Wir hoffen ein jeder zwar auf Millionen und weltweite Übersetzung und auf den „flow“ – jene magischen fünf Minuten, in denen das Schreiben so leicht ist wie Atmen und die Finger kaum nachkommen, um all die genialen, geschmeidigen, wunderbaren Sätze und Wendungen und Einfälle …

Wo ich vorher 70 Cent die Zeile, 250 Euro die Seite bekam – so verdoppelten sich die Honorare, weil ich „Bestsellerautorin“ geworden war. Ich schrieb dasselbe, dieselbe Qualität, mit denselben stilistischen Eigenheiten und Unfertigkeiten – aber es glänzte auf einmal. Meine hochpersönliche Weltansicht war auf einmal auch erwünscht. Aus Tintenkuli wurde Edelfeder. Ich musste mich nicht mehr der peinlichen Prozedur der geschmäcklerischen Mäkelei durch alle Redaktions­instanzen unterziehen. Ich war so „frei“: Was immer ich schrieb, wurde durch die Brille des behaupteten Ruhms gelesen. Ich fand das so empörend wie erleichternd. Empörend, weil ich doch keine andere als vorher war! Erleichternd, weil ich nun auch keine andere mehr sein musste.

Hups. Momentchen. Was wollte ich doch gleich sagen? Jedenfalls: Wir (SchriftstellerInnen, Profischreiber, Kreativarbeiter …) wollen das ja alles auch: Ruhm und Geld und Spaß! Aber jetzt kommt der Kern der Sache: Aber wir rechnen nicht damit. Wir rechnen sogar damit, dass wir niemals einen oder gar alle drei Zustände erreichen.

Heute kann ich „nein“ sagen, ohne dass es meine Existenz gefährdet. Weil sich das Nein der Autorin natürlich erotischer anhört als das Nein der Weißraumfüllerin.

Weil es doch immer um etwas anderes geht, weshalb wir schreiben. Um was genau? Manche tun es, um die Welt zu verbessern. Andere, um mal in Ruhe auszureden. Um ihre Alpträume loszuwerden, sich eine Therapie zu sparen, weil sie sich gern mit Sprache beschäftigen wie andere mit Fußball. Weil sie es lieben, Geschichten zu erzählen und andere zu unterhalten, zu trösten oder die Ballkönigin ins Bett zu kriegen.

IV. Muss man Sie kennen? Ich werde häufig in Kennenlernsituationen – Gespräche im Zug, auf Grillfeten, beim Arzt – gefragt: „Muss man Sie kennen?“, wenn heraus kommt, dass ich Schriftstellerin bin.

Und ich? Ich wollte einen Beruf haben, der meine Seele ernährt. Genug Geld bringt, um mir Bücher zu kaufen, und mich ohne jede Beihilfe (Mann, Staat, Kredit) zu finanzieren.

Ich weiß darauf keine Antwort. Weil ich die Frage im Prinzip grob unhöflich finde. Sie meint nämlich schmallippig: Sind Sie auf der Bestsellerliste? Oder eine „Vordenkerin“, die ständig in Talkshows klüglich den Finger zum Geschehen hebt? Sind Sie so bekannt, dass selbst ich, der nie liest, Sie kennt? Haben Sie einen Potter oder einen sexy Vampir oder einen „Tatort“ vorzuweisen? Na?

Und ich wollte zaubern. Ich wollte mit meinen Geschichten machen, dass Menschen Gänsehaut bekommen, weinen, oder sich verstanden fühlen, obwohl ich tausende Kilometer weit von ihnen weg bin. Oder schon tot. Das finde ich romantisch.

Ich befürchte, nein. „Man“, vulgo: die Allgemeinheit, „muss“ mich nicht kennen. Eitelkeit ist zwar eine mächtige Motivation, nutzt sich aber während der Arbeit rasch ab.

Nina George

Ich bin eine von 400.000 Menschen, die bei der VG Wort als Veröffentlichende gemeldet sind; eine von 152.000 bei der Künstlersozialkasse, die unter Wortgruppe 08 aufgeführt sind; ich bin eine von 450 jährlichen Neuerscheinungen meines Verlags. Kein Geld. Kein Ruhm. Spaß, wenigstens? 18

Zum Thema

Urheberrecht braucht mehr als Lippenbekenntnisse Das Urheberrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit, und es garantiert die materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen.“ Mit dieser Aussage wandten sich im Mai 2012 tausende Autoren und andere Kulturschaffende in einem Internet-Aufruf gegen die zunehmenden öffentlichen Angriffe auf das Urheberrecht. Unzeitgemäß sei es, meinen seine Kritiker. Unzeitgemäß nur, weil das Internet rechtswidrige Handlungen erleichtert? Das Urheberrecht behindere den freien Zugang zu Informationen, fürchten manche – und meinen tatsächlich den kostenfreien Zugang. So lautet eine programmatische Forderung der Piratenpartei, „das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit zu fördern“. Eigentlich gehöre das Urheberrecht völlig abgeschafft, fordern Einzelne, wie etwa der Blogger Michael Seemann. Und Urheberinnen, die sich für ihre Rechte öffentlich einsetzen, prophezeite das Bundesvorstandsmitglied der Piratenpartei, Julia Schramm: „Lassen Sie mich Ihnen vorweg sagen: Sie werden den Kampf verlieren. So oder so.“ War das Urheberrecht über viele Generationen eine Insider-Materie, so ist es – angetrieben durch die Digitalisierung und die sich daraus ergebenden technischen Möglichkeiten – heute zu einem gesellschaftlich breit diskutierten Thema avanciert. Für uns als Gewerkschaft und mitgliederstärkste Interessenvertretung der Urheberinnen und ausübenden Künstler stand schon immer und steht aktuell in dieser Diskussion ein zentraler Gedanke im Mittelpunkt: Urheber sind die entscheidenden Träger für die Entstehung kultureller Werke und Werte in unserer Gesellschaft. In ihrer Erwerbstätigkeit sind sie auf eine ökonomisch tragfähige Verwertung ihrer Werke angewiesen. Diese Verwertung, unabhängig ob digital oder analog, wird zurzeit noch überwiegend von den traditionellen kommerziellen Verwertern, also Verlagen betrieben.

Frank Werneke wurde 1967 in Schloss Holte bei Bielefeld geboren. Seit 2001 gehört er zum Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), seit 2003 ist er Stellvertretender Vorsitzender und Leiter des Fachbereichs 8 Medien, Kunst und Industrie. Nach einer Berufsausbildung zum Verpackungsmittelmechaniker übte er verschiedene Tätigkeiten in der Firma Graphia Hans Gundlach aus, zuletzt als Technischer Angestellter. Heute ist er unter anderem Mitglied im UNIWeltvorstand, dem Präsidium von UNI Graphical, dem ZDFFernsehrat, dem Kuratorium der Kulturstiftung des Bundes und dem Aufsichtsrat der DBV.)

Auch für die Kulturwirtschaft bleibt natürlich der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit bestehen. Stärker aber als in anderen Branchen besteht zwischen Verwertern und Urhebern eine partielle Interessengemeinschaft, denn: Einkommen der Urheberinnen und Gewinne der Verwertungsindustrie aus kreativen Leistungen werden voraussichtlich 19

noch auf absehbare Zeit vorwiegend auf Grundlage der bestehenden Strukturen generiert. In diesen haben Verlage wie Autorinnen ein jeweiliges und ein gemeinsames Interesse, dass die entstandenen Werke durch das Urheberrecht geschützt werden.

Tatsächlich hört man allerorten Lippenbekenntnisse, man wolle Urheberinnen und Urheber finanziell nicht im Regen stehen lassen, sei es von Befürwortern erweiterter Schrankenregelungen oder anderen Kritikern des bestehenden Urheberrechts. Verschiedene alternative Bezahlmodelle sind in der Diskussion – jedoch: „Modelle wie Crowd­ funding (freiwillige Zahlungen von Fans) sind zumindest bislang nicht etabliert; ihr Potenzial wird unterschied­lich eingeschätzt“, schreibt auch die Enquete-Kommission in ihrem Zwischenbericht. Andere Überlegungen zu Vergütungssystemen wie einer pauschalierten Kulturflatrate oder Kulturwertmark setzen den Verzicht auf ein Kernelement des Urheberrechts voraus: die Selbstbestimmung der Urheberinnen und Urheber über Art, Ort, Dauer und Umfang der Nutzung ihrer Werke. Dies zu erhalten und eine – angemessene! – nutzungsorientierte Vergütung zu sichern, ist Aufgabe einer Interessenvertretung von Autorinnen und Autoren.

Aber auch dies steht unter der Maxime: Die Verwertungsindustrie und Verlage können nur durch den Vertrieb qualitativ hochwertiger Werke und einen fairen Umgang mit den Autorinnen und Autoren sowie den Leserinnen und Lesern fortbestehen. „Ich verstehe nicht“, schreibt der Autor Ferdinand von Schirach, „warum die Piraten den Künstlern helfen wollen, sich von ihren Verlegern zu befreien. Ich kann mir nur vorstellen, dass diese Leute einfach nicht wissen, wie Bücher wirklich entstehen.“ „Es ist“, so definiert es auch die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, „auch heute in der Regel noch das Engagement eines Verwerters nötig, um eine professionelle kreative Betäti­gung zu ermöglichen. … Fest steht, dass eine professionelle Pro­duktion von kreativen Inhalten – wegen der dem Produkt eigenen Unsicherheit über dessen Erfolg – eines Systems der Risikofinanzierung bedarf, für das derzeit vor allem die Verwerter einstehen.“

Frank Werneke

Oder sollen Autorinnen und Autoren in Zukunft ausschließlich auf Selbstvermarktung setzen? Lektorat, Gestaltung, Druckauftrag, Vertrieb, Werbung und Buchhaltung für ihre Werke in Eigenregie bewältigen? Urheberverstöße in Form illegaler Downloads von E-Books, die schon jetzt etwa 50 Prozent der Downloads ausmachen, selbst verfolgen? Auch die Piratin Julia Schramm, die das geistige Eigentum lauthals als „ekelhaft“ diffamierte, musste kürzlich die Erfahrung machen, dass die Verteidigung ihres eigenen Urheberrechts bei den Justiziaren ihres Verlages eigentlich ganz gut aufgehoben ist: Als ihr Erstlingswerk „Klick mich. Bekenntnisse einer Internet-Exhibitionistin“ zum illegalen Download im Netz zu finden war, ließ sie diesen durch ihren Verlag entfernen – und erntete dafür Protest und Häme aus der „Netzgemeinde“. Ähnliche Erfahrungen machte auch der „netzpolitische Aktivist“ Markus Beckedahl mit seinem 2012 erschienenen Buch „Die digitale Gesellschaft – Netzpolitik, Bürgerrechte und die Machtfrage“. Er musste sich fragen lassen, warum dieses Werk nicht unter der von ihm propagierten Creative Commons-Lizenz erschienen ist. Die Schwierigkeit an dieser an sich sympathischen Lizenzform ist: Nur in Ausnahmefällen erschließt die für den Privatgebrauch unentgeltliche oder gemeinwohlorientierte Veröffentlichung existenzsichernde Einnahmequellen. Auf die aber sind professionell tätige Autorinnen und Autoren angewiesen. Ein Blick auf ihre monatlichen Durchschnittseinkommen – laut Künstlersozialkasse: 1.200 Euro – macht deutlich, dass sie nichts zu verschenken haben.

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Zum Thema

Nachdenken über Zukünfte

Alpha Oh, wie unwissend die Gegenwart über ihre Art doch ist.

Eins In der Moderne würde kaum jemand ohne Landkarte losfahren. Selbst Abenteuerurlauber haben ihre Träger. Europäer sind stolz auf ihre Leistungen. Die „Eingeborenen“ besteigen diese Berge mit Gewicht und öfters, werden aber nie erwähnt. Liegen keine Landkarten vor, werden diese gezeichnet. Das Unbekannte nennt der Zeichner dann Terra incognita, oder er verlegt an diese Stelle ein Land der Sehnsucht. Seine Zuschreibungen lauten unter anderem: das Land, wo Milch und Honig fließen, Paradies, Nirwana oder Indien. Seine Bewohner heißen dann Indianer. Erst nachdem sie weitgehend ausgerottet sind, entdeckt man ihre wahren Eigenschaften, die im Weiteren dann als ihre Natur oder Identität verallgemeinert werden. Der Indianer aber ist jeder selbst. So erscheint jeder Ort irgendwo und immer erreichbar. In der Moderne gibt es neue gesellschaftliche Konflikte. Die Zukunft der Kunst, Fragen über die Entwicklung von Lesen und Schreiben, komplexe Rechtsfragen über geistiges Eigentum gehören dazu. Wer keine Theorie über diese Fragen besitzt, verirrt sich und stirbt aus.

Claus-Peter Leonhardt lebt in Frankfurt am Main, ist Schriftsteller und Vorsitzender der Literaturgesellschaft Hessen e.V. (LIT). Sein gerade entstehendes Triumlibrat „SkulpturDesHumanenDenkens“ umfasst drei Bücher, dessen erstes im Frühjahr erschienen ist: „Mara Willismood und die Kette der Irawwoon“ ist die Erzählung eines Eiron (Schalk), der im Angesicht des Grauens sein Lachen behält. Als zweites folgt ein Essay über die Struktur des menschlichen Wissens. „Zukunft der Gegenwart“ behandelt die einzelnen Elemente, welche die Menschen in ihren Kulturen ausformen. Der Roman „Tötende Wässer – Blau“ untersucht die Hybris des Menschen.

Zwei Eigentlich sollten alle Jubiläen und Jahrestage verworfen werden, die wir heutzutage begehen. Es böte sich eher an, die vergessenen Handlungen zu feiern. Dazu gehört es unter anderem, dass wir NICHTS über die Rolle von Lesen und Schreiben in der Kulturentwicklung wissen. Das Verhältnis der veröffentlichten Weisheiten ist umgekehrt proportional zum Wissen. Doch die blinden Flecken des Unwissens liegen tief gewurzelt im Menschen. Immer sollen nur Muster erkannt werden. Menschliche Muster gelten für Menschen schön. Eine weitere Eigenschaft des Menschen ist, allen Ereignissen und Dingen einen Namen zu geben. Auch ist die Suche nach Sinn zentral. 21

Sehnsüchte bieten Trost und Schutz vor Angst. Sicherheit der eigenen Existenz ist oberstes Gebot.

McLuhan den sich erst jetzt vollziehenden Wandel tiefgreifend beschrieben. Zumindest die deutschen Geisteswissenschaften haben in Rezeption und Weiterarbeit dieser Theoretiker vollkommen versagt.

Drei

Ohne ein gutes Verstehen bleiben die Gespräche über Zukunft Schreiben folgenlose Händel. Es ist jämmerlich, dass wir, uns als Schriftkultur verstehend, nicht verstehen, was Schrift ist.

Die ersten beiden Gedanken erfassen die Motive für die Beschränktheit von Diskursen. In ihnen verstecken sich die Friktionen und starren Positionen jeder einzelnen Weltsicht, auf die Jedermann beharrt.

Die momentan hörbaren Dialoge und Diskurse ähneln eher Tangos von Autisten, die sich selbst über die Gemeinsamkeit des Tanzes täuschen.

Beta

Wer über die Zukunft des Schreibens reden und denken möchte, muss wissen, was Schrift ist.

Schauen auf gegebene Grundlagen gleicht dem Bauen eines festen Fundaments.

Zwei. Kunst

Eins. Schrift

Kunst ist Teil des Menschen. Ihr Wert liegt nie im Tausch. Sie steht immer für sich und erweitert Sinne, zeigt andere Perspektiven. Ihr Wert liegt im den vitae, welche aktiv und kontemplativ changierend gestalten.

Seit Menschen vor etwa 40.000 Jahren begannen Kunst zu machen, existieren Aufzeichnungssysteme. Ihre Abstraktheit ist seit Anbeginn eindeutig und wurde verkannt. Je stärker die Weiterentwicklung der Aufzeichnungssysteme sich mit dem individuellen Erleben verband, desto stärker wirkten die Zeichen in die Ordnung des Denkens zurück.

Die Menschen, die im Jahr 1913 Le sacre du printemps von Igor Strawinsky als gotteslästerlichen Versuch ansahen, die Kunst zu zerstören, standen in einer guten Tradition. Ähnliche mentale Handlungen sind bis heute in allen Weltgegenden kulturelle Treiber. Man muss nicht nur an die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamyan erinnern. Täglich finden sich tödliche Belege in allen Weltgegenden und vor Ort. Tödlich ist diese mentale Haltung besonders für Wortarbeiter.

Am Anfang wurden Geschichten durch Erzählen weitergegeben. Dann wurden sie notiert. Art und Weise der Notation wirken immer zurück auf das Denken. Bilderschriften, rechtslaufende oder linkslaufende Schriften erzeugen bis heute deutliche Unterschiede in den kulturellen Formen eines jeden Denkens. Auch dieser Zusammenhang wird verdrängt. Zwischen chinesischen, arabischen oder europäischen Ansichten und Handlungsweisen bestehen grundsätzliche Unterschiede. Zugleich sind viele Menschen für Schriftformen nicht erreichbar. Dieses zeigt sich beispielsweise seit Jahrzehnten an den steigenden Zahlen des Analphabetismus. Der „Kampf“, zu dem jetzt wieder aufgerufen wird, hat den Charakter eines Don Quichotte.

Jede Künstlerin, jeder Künstler arbeitet für sich. Im Gegensatz zum Feudalismus gelten heutzutage andere Maßstäbe. Damals arbeitete der Künstler zur Erbauung einer winzigen Gruppe von Leuten, die sich anmaßten, Macht auszuüben. Sie bezahlten. Im 21. Jahrhundert dient Kunst kaum noch der Erbauung. Kunst ist Teil der Gestaltung von Zukunft. Jede Gesellschaft muss sich klar sein, dass sie Künstler benötigt, wenn sie überleben will.

Bis heute existiert keine „Theorie der Schrift“. Die Folgen dieser Bewusstlosigkeit sind immer wieder zu beobachten. Lehrerinnen und Lehrer wissen nicht, welche Fähigkeiten sie eigentlich unterrichten, wenn sie Schrift und verstehendes Lesen unterrichten. Die Einordnung der Wirkungen des Internets ist falsch. Das Internet ist die erste vollkommene Schrifttechnik. Das Buch ist immer noch stark mit der Bildwelt verbunden. Schriftkunst ist sich selbst ein Fremdes. Das wird auszuarbeiten sein.

Diese Position bildet den zweiten Eckpunkt.

Drei. Wert Die Bewertung künstlerischen Schaffens ist nicht in EURO oder Renminbi zu leisten. Der Wert der Kunst stammt aus dem Beitrag zur Kultur der Gesellschaften.

Eine Theorie der Schrift ist notwendige Voraussetzung, um den Wandel der Schriftkultur, des Schreibens und des Lesens zu prognostizieren.

Die Sicherung der Existenz der Künstlerinnen und Künstler ist damit kaum gewährleistet. Die Konstruktion der einzelnen Rechtssysteme in den einzelnen Ländern aber berücksichtigt die Interessen der Schöpfer sehr unterschiedlich.

Marshall McLuhan und Harold A. Innis bieten dafür ausgezeichnete Bausteine. Schon in den 70er-Jahren hat 22

Dazu kommt das wachsende Interesse von Wirtschaftskräften, sowohl Produkte im digitalen Raum wie auch konkretes Leben zu patentieren und auszubeuten. Diesen Wert wollen diese Leute ganz für sich allein. Es kann schwerlich im Interesse von Künstlern sein, mit gleichen Maßstäben gemessen zu werden. In diesen Fragestellungen müssen scharfe Positionen weiterentwickelt und eingenommen werden.

Vier. Urheberrecht Das Urheberrecht ist eine moderne Erfindung des frühen 18. Jahrhunderts. Im Statue Of Anne wird erstmals das Recht des Autors an seinem Werk geregelt, das zuvor bei seinem Verleger lag. Seit Jahrhunderten war das Raubdruckwesen eine Plage und Plagiate weit verbreitet. Mit dem Begriff Plagiat wurde schon im Rom um das Jahr 100 die honorarfreie Nutzung fremder Texte bezeichnet. Plagiarius war ein Menschendieb, der Sklaven stahl. Der Kreis schließt sich im 21. Jahrhundert mit der urheberrechtlichen Schützung von Genen. Die Frage nach einer Sicherung der Autorenexistenz stellt damit auch die Frage nach einer anderen Form des Wirtschaftens und Vergütens. Das ist eine Aufforderung an Künstler, neue und eigenständige Positionen im Rechtssystem zu entwickeln.

Fünf. Zukunft Schreiben und Lesen Die Zukunft des Lesens und Schreibens ist durch das Internet gesichert. Denn das Internet ist in erster Linie auch eine vollkommene Schrifttechnik, welche aber das Buch nie ablösen wird. Seine schöpferische Kraft erzeugt andererseits eine völlig neue Art des Lesens und Redens. Zugleich leiteten schon seit den 60er-Jahren die digitalen Techniken eine Wandlung in den Gesellschaften ein. Sie erzeugten eine erneute Wendung zum Ohr. Es wird erzählt und zugehört. Auch das Bild in den digitalen Medien ist komplexer und zeigt vielschichtige Ebenen. Man könnte diese Aufzählung in allen Bereichen der Kunst und Kultur fortsetzen. Schöpferische Kraft bleibt ungebrochen. Die Forderung besteht, eigene Positionen zu entwickeln, welche über einen trivialen Wertbegriff hinausweisen und über die Zukunft der Kultur sprechen. Der Wert der Kunst überdauert. Claus-Peter Leonhardt

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zukunft schreiben

Buchmarkt im Wandel Ein Informations- und Gesprächsabend des VS Hessen Donnerstag, 15. November 2012 20:00 Uhr Hessisches Literaturforum im Mousonturm Waldschmidtstrasse 4 | 60316 Frankfurt am Main Eintritt frei

Der deutschsprachige Buchmarkt sieht sich seit einiger Zeit gravierenden Veränderungen ausgesetzt. Zwar verfügt Deutschland immer noch über einen funktionierenden Hardcover-Markt und weltweit über den höchsten Buchumsatz pro Kopf, doch mehren sich in der letzten Zeit besorgniserregende Anzeichen. Zu konstatieren ist ein Rückgang der Absatzzahlen und eine Spreizung des Marktes in immer weniger Titel, die dafür Riesenauflagen erzielen gegenüber der Masse der Bücher, deren Auflagen immer kleiner werden. Gerade die früher in Verlagen und Handel zum Ausgleich des Bestsellergeschäfts beliebten und das verlegerische und einkäuferische Risiko minimierenden „mittleren“ Titel geraten immer mehr unter Druck. Gleichzeitig ergänzen bzw. ersetzen, zunächst marginal aber mit steigender Tendenz, E-Books das gedruckte Buch, und es zeichnet sich ein verändertes Nutzerverhalten der Leser ab, das sich in der Kritik am Urheberrecht (ACTA)

Stephan Kolbe (Koordinator für Medienpolitik ver.di)

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Alexander Pfeiffer (Vorsitzender VS Hessen)

äußert, den kostenlosen Download von Inhalten fordert und die Buchpreisbindung (Schweiz) für überflüssig hält.

Wie stehen die Verlage dieser Entwicklung gegenüber, die sie in punkto Risiko, Werbebudgets und Autorenmanagement unmittelbar angeht? Wie sehen sie diese Entwicklungen, was raten sie den Autoren? Wie halten es Politik, der Börsenverein des deutschen Buchhandels, der die Interessen von rund 5.600 Verlagen, Buchhandlungen, Antiquariaten, Zwischenbuchhandlungen und Verlagsvertretern vertritt, und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver. di, zu der auch der Verband deutscher Schriftsteller (VS) gehört, mit der Verteidigung von Urheberrecht und Preisbindung?

Wie ist unter diesen Umständen überhaupt eine freie Autorenexistenz noch möglich? Werden wir als Autoren den Buchmarkt eins zu eins abbilden, indem es zukünftig nur noch eine kleine Gruppe absolut erfolgreicher, von den Medien nachgefragter Bestsellerautoren und dagegen die Masse der übrigen Schriftsteller gibt, die entweder staatlich (Preise, Stipendien) oder privat (Erbschaft, Heirat) alimentiert werden oder in Teilzeit bzw. Freizeit ihrem Beruf nachgehen?

Diese und weitere Fragen werden diskutieren: Stephan Kolbe (Koordinator für Medienpolitik ver.di) Alexander Pfeiffer (Vorsitzender VS Hessen) Dr. Uwe Rosenfeld (Marketing-Geschäftsführer S. Fischer) Alexander Skipis (Hauptgeschäftsführer Börsenverein des Deutschen Buchhandels) Moderation: Sabine Rock (Freie Lektorin/Moderatorin)

Sind wir, anders gefragt, in der Situation der Landwirtschaft, die sich in gut verdienende industriell wirtschaftende Großbetriebe und Nebenerwerbslandwirte gespalten hat und wo wären in diesem Szenario die Bio-Bauernhöfe als profitable und dennoch an Qualität orientierte Nische für Autoren zu finden?

(Konzeption und Text: Ralf-Peter Märtin)

Dr. Uwe Rosenfeld (Marketing-Geschäftsführer S. Fischer)

Alexander Skipis (Hauptgeschäftsführer Börsenverein des Deutschen Buchhandels)

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Sabine Rock (Freie Lektorin/Moderatorin)

Was gilt die Kunst

Eine große Frage 14 literarische Antworten WAS GILT DIE KUNST? Der Literaturnobelpreisträger Rudyard Kipling, heute vor allem noch bekannt durch sein „Dschungelbuch“, dichtete Ende des 19. Jahrhunderts in „The Benefactors“: And what is Art whereto we press Through paint and prose and rhyme — When Nature in her nakedness Defeats us every time? In Nicholson Bakers großartigem Roman „Der Anthologist“ von 2009 finden sich diese Zeilen folgendermaßen ins Deutsche übersetzt: Was gilt die Kunst? Ein Ringen nur In Öl – in Prosa – Reim Gibt nackt die menschliche Natur Den Feind uns doch anheim. Also: Was gilt die Kunst? Auch heute noch, zu Beginn des 21. Jahrhunderts und unter den Vorzeichen einer medialen Zeitenwende, die die weltweite Distribution von Literatur und Kunstwerken ganz allgemein immer schneller, immer einfacher und immer kostengünstiger macht? Was gilt sie einer Gesellschaft, der die technischen Mittel zur Verfügung stehen, die ganze Welt mit wenigen Mausklicks zu durchmessen? Große Fragen – 14 Autorinnen und Autoren aus ganz Deutschland haben literarische Antworten gefunden.

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Dirk Bierbaß

(Dichters) Wohnungssuche Wir wissen ja alle, worum es geht.

niemals gleich an. Hört man jedenfalls so.

Aber sie wollten uns die Wohnung doch geben. Und wir standen verblüfft.

Aber es ging ja nicht um ihren geleasten Gran Coupé, um ihren Platz im Himmel oder um ihre goldige Tochter. Nur um poplige hundert Quadratmeter. Gott, wie groß ist die Welt.

Zwei Jungs und wir. Das hatte bis jetzt noch niemand erfreut. Und die meisten Häuser waren saniert und durchschwitzt. Asthmahöhlen.

Trotzdem blies ich mich auf und schwebte bis unter die Decke wie ein Ballon.

Und jetzt das. Alles wirkte okay. Wände trocken, Originaldielung. Solider Altbau. Noch reichspolizeilich geprüft. Garten.

Aber sie schauten nicht zu mir hoch. Nee. Sie mussten sehr tief hinab, um mir beim Abschied nochmal in die Augen sehen zu können. So wie ich hatte ihre Pupillen noch nie einer verengt.

Sie brauchten nur eben die Kontenübersicht, die Schufa, die aktuelle Vermietererklärung und die Verdienstbescheinigung vom Arbeitgeber. Sie arbeiten doch? Geiergesicht. Und als was? Wo?

Ich gönnte es ihnen. Hexenschusskrümmung. Le Roi dit merci.

Klar, es war Wohneigentum. Da mussten sie auf Sicherheit achten. Sie hatten sich hoch verschuldet dafür. Mietnomaden sah man

Unter die Brücken zogen wir dann jedenfalls nicht.

den Teufel ja

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Manchmal höre ich den Trost: „Vielleicht wirst du erst nach deinem Tod berühmt.“ Dann muss ich lachen, denn erstens nützt mir das nichts und zweitens glaube ich es nicht. Bin ich ehrlich: Auch ich halte nicht sämtliche Werke, die ich gelesen habe, für überdauerungswürdig. Auch auf der großen Bühne entstehen immer mehr vergleichbare Texte mit immer anderen, immer kürzer aufblinkenden Autorennamen auf dem Cover. Die großen Verlage publizieren das, was die großen Buchhandelsketten verkaufen und die kleinen spielen mit, da sie auf Absatzzahlen angewiesen sind.

Susanne Czuba-Konrad

Wer ist schon Schriftsteller? Eine Bilanz Flausen Ein Schriftsteller ist jemand, der schreibt. Das gilt schon lange nicht mehr. Ein Schriftsteller ist jemand, der publiziert und gelesen wird. Manche sagen: der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet.

Obwohl ich mich seit über zwanzig Jahren mit dem Schreiben und Veröffentlichen beschäftige, habe ich zwischen BoD, Dienstleistern und seriösen Verlagen, die einen engen Kreis von Stammautoren um sich scharen, die Übersicht verloren.

Es interessiert nicht Ich wurde aus dem Elfenbeinturm hinauskatapultiert. Ich schlug auf einem harten Boden auf und gelangte in eine Welt, in der die Schriftsprache unbedeutend ist: Ich fand Arbeit in einem Betrieb, in dem ich zwar mit Menschen zu tun habe, aber mein germanistisches Wissen nicht anwenden kann. Manche Kollegen wissen zwar, dass ich schreibe, aber es interessiert sie nicht. Auch in meinem privaten Umfeld spielt das keine Rolle. Aber es hat mich nicht nur in die falsche Welt verschlagen, mir ist auch die Zeit davongelaufen. In der Welt sprudelt eine lebendige Schriftkultur, aber sie lebt nicht mehr vom Buch. Jeder gibt irgendwo Text ein, mailt und „simst“, löscht und kopiert. Wichtiger als die Schönheit der Sprache ist das Gesicht des Layouts. Korrekte Rechtschreibung ist heute zweitrangig. Die richtige Anwendung der Office-Programme oder die Bedienung des I-Pads ist eine viel bedeutendere Kompetenz als die korrekte Kombination von ein paar Buchstaben. In den Stellenausschreibungen wird neben EDV-Kenntnissen vor allem Wirtschaft verlangt und ein geisteswissenschaftliches Fach höchstens als Zusatzqualifikation.

Und trotzdem immer wieder Wenn ein Schriftsteller mal jemand war, der schrieb, weil es ihn dazu drängte, ist das heute kein hinreichendes Kriterium mehr. Er sollte jedenfalls etwas zu sagen haben und von Lesern auch angenommen werden. Wenn ich nun aber zu dieser ersten Sorte gehöre? Wenn ich mich unzufrieden fühle, sobald ich ein halbes Jahr nicht geschrieben, keine Geschichte entwickelt oder bearbeitet habe? Dann versuche ich die schriftstellerische Aktivität in einen Lebensalltag hineinzupressen, in dem es eigentlich keinen Platz für sie gibt. Vor Jahren wollte ich mich als Teamassistentin bewerben, weil ich als Schriftstellerin kein Auskommen fand. Ich musste am PC auf Geschwindigkeit tippen. Der Personaler schnauzte: „83 Anschläge die Minute. Viel zu langsam.“ „Für eine Schriftstellerin reicht es,“ wollte ich sagen, „denn ich denke über jedes Wort nach.“ Doch der Mann sah in mir keine Schriftstellerin, sondern nur eine unterqualifizierte Kraft. So stand ich auf und ging – um später ähnlich schriftstellerfern ins Erwerbsleben eingebunden zu werden. Schriftstellerin bin ich eigentlich nur für mich selbst. Natürlich schreibe ich weiter und überlege mir immer wieder Neues. Natürlich gibt es Verlegergespräche, Veranstaltungen, Lesungen, Rezensionen, Presseecho.

Die Übersicht verloren Schriftsteller ist man, weil man schreiben muss. So war es jedenfalls früher mal oder wurde so beschrieben. Im Deutschunterricht an der Schule und im Literaturstudium war von leidenschaftlichen Schriftstellern die Rede, die seit ihrer frühen Kindheit nichts anderes verfolgten, als ihre Gedanken und Erfahrungen schriftlich niederzulegen. Später – oder auch posthum – wurde ihnen dafür große Anerkennung entgegengebracht. Es hatte Bedeutung für uns Schüler und Studenten, in ihren Tagebüchern und Aufzeichnungen zu lesen. Die Anzahl der großen Autoren war auch überschaubar. Zumindest die derjenigen, die es in den Kanon geschafft hatten. Sicher sind schon damals viele an den Rändern heruntergefallen und in Vergessenheit geraten.

Trotzdem. Ich bin eine Frau, die ein paar Bücher geschrieben hat. Schriftstellerin sein ist anders.

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Klaus Gasseleder

Joachim Durrang

besuch in der dichterwerkstatt

Die Krücken

was kostet, bitte, das gedicht? das hier mit den drei strophen, nun ja, mein herr, so etwas ist nicht billig. maßarbeit, sehen sie, hier, jede strophe besitzt genau vier zeilen, und zählen sie die silben, genau 10 pro zeile,und nicht nur das, die metrik: hebung, senkung, senkung, so geht das immer fort, man nennt das daktylus, sie glauben dies mir nicht, zählen sie doch ruhig nach, sie können das gedicht auch mit nach hause nehmen, in ruhe es sich betrachten, wenn sie mir‘s nicht glauben. solide handarbeit, das ist nicht billig, mein herr, rechnen sie allein die arbeitszeit, so etwas macht man nicht in zwei, drei stunden, da käme freilich pfusch dabei heraus, nee, mein liebster, so dreißig, vierzig stunden sitzt man schon an solchem werk, wenn nicht noch mehr, dazu ein paar spaziergänge, damit der geist in schwung kommt, auch das ist arbeit, auch wenn viele das nicht meinen. und sehen sie sich doch nur mal die reime an, perfekte endreime sind das, sag‘ ich ihnen, nicht so wie bei Goethe: neiche, du schmerzensreiche. astreine reime, besser geht‘s nicht - also, ich möchte ihnen ja entgegenkommen, sagen wir 30 stunden á 30 euro, immer noch billiger als manch ein klempnerlohn, und ihren PC bekommen sie schon gar nicht dafür repariert. – macht also 900 plus mehrwertsteuer, ein knapper tausender, mein herr, für ein originalgedicht. dafür können sie das werk auch sofort mit nach Hause nehmen, so wie es ist, können es sich rahmen lassen, an die wand hängen, in den tresor sich legen, ja so ein gedicht gewinnt mit der zeit an wert, hunderte beispiele könnt‘ ich ihnen nennen von autoren, die zeitlebens hunger litten und nach ihrem tod erfolg dann hatten. sie können es sich immer wieder vorsagen, ja laut sprechen, sie werden sehen mein herr, das gedicht zergeht einem förmlich auf der zunge, der wohlklang schmilzt auch sie dahin. – na, was ist, sie wollen nicht, zu teuer, sagen sie – dann schreiben sie sich ihre gedichte gefälligst selber, sie werden schon sehen, was dann dabei herauskommt, sie banause, sie...

Der Dichter geht auf Krücken über das Raster der Straße verbeulte Steine erzählen von Toten und gespielten Selbstmorden auf offener Bühne zwischen den Geschäften tänzelt das erschaffene Leben vorbei alt ist der Poet zu alt um neu geboren zu werden die Zunge hat Buchstaben geschluckt auf der großen Wanderung den Hügel hinauf den Hügel hinab Niemand liest mehr Briefe es bewegt sich der Arsch des Dichters zwischen den Insektenbeinen stochernder Krücken

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Caroline Hartge

Wigand Lange

es lunst die kunst nach gunst

reise ans falsche ende der nacht

KUNST GUNST DIE KUNST DER GUNST DIE GUNST DER KUNST DIE GUNST DER STUNDE DIE KUNST DER STUNDE KENNST DU DIE KUNST DER STUNDE KUNI GUNDE KUNST BRUNST KUNST GRUNZT KUNST KOMMT VON GUNST ES LUNST DIE KUNST NACH GUNST UND SUNST?? KÜNSTLICH GÜNSTIG BRÜNSTIG KÜNSTLICHE GUNST GÜNSTIGE KUNST BRÜNSTIGE GUNST KÜNSTLICHE BRUNST BRÜNSTIGE KUNST GÜNSTLING GRUNST BRÜNSTIG NACH KUNST KUNST BRUNST GÜNSTIG NACH GUNST KÖNNT GÖNNT GÖNNT KUNST KÖNNT GUNST KÖNNT KÖNNER!! GÖNNT GÖNNER!! KENNER BRAUCHT GÖNNER GÖNNER BRAUCHT KÖNNER UND SÖNST???

mascha steh nicht lila da ohne mich zu kennen pralinen als harnisch vor der brust dem verwüsteten tempel wo war nochmal der ausgang hier ich werfe alle jahre von meines daches zinnen einen ring und gestehe dass ich sterblich bin – komm mascha: sing mir doch goldene ketten um faltige hälse versuch nicht mir was anzuhängen ruf nicht noch durch die aufgestoßne tür mir nach wenn ich schon flüchtig bin durch regen nacht und gottverlassene straßen lederne kappen batsch auf schütterm haar versuch nicht mir was aufzudrängen in deinem baum hing niemals ich das war ein blatt ein wisch ein niemalsnichts und was soll dir das zählen? um unsre gebrochnen hälse liegt in ketten gold kopf hoch wir scheiteln silbern unser haar wir brauchen nichts bis mitternacht zu essen nur wasser chips und andre paare sind wir nicht wacker mädchen alle gehen in das gras und über heiden komm mascha: singen wir

(aus: „Eigentlich nichts. Whirlpool aus Worten“)

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Das alles ging mir durch den Kopf, nachdem mir die reizende Dame ihre Frage gestellt hatte. Doch sie hatte meine Antwort gar nicht abgewartet, sie war einfach weitergegangen. Sie plauderte inzwischen mit dem Gastgeber.

Axel Klingenberg

Warum Schreiben Ehrensache ist „Schriftsteller? Kann man denn davon leben?“, fragte die Dame freundlich.

„Ach was, 750 Euro kalt zahlen Sie? Für das gleiche Geld kann man in dieser Gegend aber schon bessere Objekte bekommen,“ hörte ich sie sagen. Ich ließ meine Blicke schweifen und beschloss, mich den Käsehäppchen zu widmen, um mich endlich einmal wieder richtig satt zu essen.

Ich stutzte und wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Erwartete sie jetzt wirklich, dass ich ihr Auskunft über meine Finanzen erteilte? Dass ich ihr erzählte, wie viel Honorar ich für meine letzte Lesung bekommen hatte? Oder dass ich ihr verriet, wie hoch meine jährlichen Tantiemen sind? Ich überlegte, was sie für einen Beruf haben könnte. Kassiererin bei Aldi wahrscheinlich nicht. Vielleicht Lehrerin. Künstlerin ganz sicher nicht – die würden so was nicht fragen. Die würden so nicht fragen. Ich erinnerte mich an einen Text von Kurt Tucholsky. In diesem mokierte er sich darüber, dass es in Deutschland üblich sei, mit zuweilen übertriebener Offenheit über Geld zu sprechen. Lädt man sich zum Beispiel Gäste zu einer Einweihungsparty ein, muss man sich nicht wundern, dass man gleich nach der Begrüßung gefragt wird, wie hoch denn die Miete für die Wohnung sei. Das macht man in anderen Ländern nicht. Andere Leute aus anderen Berufen fragt man auch nicht, wie viel sie verdienen. „Ach, Sie sind Fliesenleger – kann man denn davon leben?“ Oder: „Architekt? Da haben Sie es aber wirklich schwer auf dem Arbeitsmarkt!“ Oder: „Sie sind Ergotherapeutin? Ach, das ist aber schön, dass Sie etwas dazu verdienen können. Dann langweilen Sie sich auch nicht so zu Hause.“ Oder: „Schlachter ist doch wohl eher eine Berufung als ein Beruf, oder?“ Der ins Kreuzverhör genommene Fleischverarbeiter könnte nun antworten: „Das stimmt. Ich bin gerne Schlachter. Das macht mir Spaß. Und ich kann mich hier endlich selbst verwirklichen.“ Das sagt er aber nicht, der Herr Metzger, denn er wird so etwas eben gar nicht erst gefragt. Uns Schriftstellern unterstellt man dagegen immer, dass wir ja gar nicht richtig arbeiten, sondern nur versuchen, mit unserem Hobby Geld zu machen. Eine Lesung mit unseren Texten ist daher auch das reinste Vergnügen, also keine Arbeit und damit Ehrensache. Und Ehrenmänner (und -frauen) lassen sich nicht bezahlen. Die Höhe der Honorare (von lateinisch „honorarium“, Ehrengeschenk), die man uns manchmal anbietet, spricht ja auch für sich. Immerhin müssen wir den Kaffee nicht selbst bezahlen. Das ist doch schon mal was. 31

Reinhard Knodt

Fortprügeln, so einen! und diesen teile er mit seiner Tochter, welche blind sei! Also, wissen Sie, diesen Alten einfach wegzuhauen ihn mit dem eigenen Stock wegzuprügeln, vor allem diese Sprache, diesen letzten feinen Anzug dieses längst tödlich Beleidigten auch noch in Fetzen zu reißen – das wäre doch so etwas wie die letzte Konsequenz dessen was hier überhaupt im Gange ist. Auf dem Kongress um die Verwertungsrechte. Forthauen so einen! Damit endlich ganz Schluss sei. Mit dem Gewissen, das er in uns anrührt in diesem Saal guter Manieren und Klamotten! – Ihn forthauen, ihn mit seinem eigenen Stock forthauen, das wäre es, was sich angesichts der Zustände doch einfach schon rein logisch jetzt ergeben sollte. Auf dem Kongress um die Verwertungsrechte.

Bei dem Kongress um die Verwertungsrechte der Autoren, die Schuhe des Herrn Europaparlamentariers, schon dieses lange Wort, sehr fein, das muss ich sagen! Und das Kostüüüm der Frau Ministerin! Und auch der Generalsekretär trägt ein hübsches Jackett und der VG Wort–Vertreter? Alles Bestens, feine Leute! Das Feinste aber sah ich vorn im Publikum. Einen Mann mit Stock in Plastikschuhen der – nicht sehr gesund sich meldete, stoppelbärtig, weiß und süß stinkend nach Wein, – das Feinste, sagte ich, war seine Sprache, diese wirklich wundersame, modulierend klangvoll schwebende, ins Alter eingetragene, weitgreifende... eine Sprache, die Gedanken fügte! Bild an Bild schlug, wie an eine Säule. Eine Sprache, die Nuancen wahrte, die vorstieß, die zurücknahm, listig, ausholend, bescheiden, hintersinnig, elegisch dann verweilend und nach wenigen Minuten Leben schnell verschwand im Saal... die aus seinem Mund entlassen noch für sich selber lebte, in minutenlanger schwelgender Erinnerung... Ja, dieser Mann, dieser Mann mit seinem Stock, sei, hörte ich, ein einstmals sehr gefeierter, jetzt jedoch zerbrochener und „schwierig“ gewordener Lüüüriker, hieß es, ein Meister ganz gewiss, – bei dem Kongress um die Verwertungsrechte der Autoren und eigentlich nicht recht am Platz! Der Referent um die Verwertungsrechte trug einen Zopf, glaub ich, ja einen Zopf, trug er und einen guten Anzug hellblau, links geknöpft, der Kopf des alten Mannes, treibend fast und wiegend und sein Stock auf dem er seine Hände stützend dastand..., so ein Kopf!, dachte wohl jeder und „er lebt vom Ehrensold des Präsidenten...“, hieß es, 32

Ursula Henriette Kramm Konowalow

Walle Sayer

sprache wer gab sie mir tag für tag hört meine zunge fremder zunge wörter abermalig wiewohl schön und auch gelungen wollte dessentwegen doch nicht dichterin ich sein um zu wiederholen anderer leute reden

Vor fünfhundert Jahren hätte man vielleicht noch ein Kloster gegründet. Weit weg von Seinsgehabe, Sinngetue. Und einfach sein: lässt sich doch seit je auf zwei Arten betonen. So ist das also. So also ist das. Die Stille davor, die Stille danach. Geschehen statt Handlung. Der Augenblick, der andauert. Genauigkeit, ins Unbestimmte führend. Aufgehobenes, Aufgelesenes. Der schwebende Hauch zwischen Nichtgesagtem und Ungesagtem. Leicht verständlich alles, aber schwer zugänglich. Mitunter, wenn schon ein schlichtes Komma eine Zeile zur Waage macht. Oder als ob zur Eloquenz eines jeden Gartens Rosenduft gehörte. Dahinter das Wenige, das Verschwindende, das Fastnichts. Ortsgebundenheit als Lokalbezug zur Welt. Und, Schlußverse in der Mitte versteckt, Vergangenheiten hinhalten. Bis um einen herum Brennesseln wachsen. Bis ein lichter Hallraum entsteht. Bis aus dem Gesehenen Gesehenes wird.

was wäre schöner hätte ich zu sagen von dem was ihr nicht wissen noch empfinden könntet ohne mich

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Peer Schröder

Horst Senger

Besser Kunst zu machen als dumm rumzustehen

Nudeln und ein klarer Gedanke

Ich würde mir eher die Haut vom Körper reißen als Kunst zu machen. Ich reiße mir lieber die Haut vom Leib als Kunst. Ich würde mir eher die Haut vom Leib reißen, als Kunst. Ich mache lieber Kunst, als mir die Haut vom Leibe zu reißen. Ich reiße die Haut vom Körper, um Kunst zu zeigen. Die Haut vom Leib zu reißen ist keine Kunst. Es ist keine Kunst, die Haut vom Körper zu reißen. Körper vom Leib zu reißen, ist der Laib der Kunst. Kunstkörper mit Leib und Seele will ich machen. Es ist keine Kunst, mir geht es um meinen Körper. Dazu brauche ich dich nicht. Ich liebe dich, das ist die Kunst. Ich deute auf die Kunst, aber kann sie nicht sagen. Ich sage dich und deute auf die Kunst. Die Kunst entsteht, wenn ich dich nicht sage. Ich kann dir nicht entsagen, denn du bist die Kunst. Wenn ich ihr entsage, würde ich mich entzweireißen. Ich, du, sie, ihr, das ist noch lange keine Kunst. Also muß ich mir im Geheimen die Haut vom Leib reißen, Denn wen, wenn nicht mich, interessiert Kunst? Ich muß mir doch vor euch nicht die Haut vom Leib reißen, Um zu zeigen, das ist Kunst, und nicht versuchen, euch Zu überzeugen, was ich meine, was Kunst ist. Das was ihr meint, Ist noch lange keine Kunst. Ihr steht bloß drum rum.

Sie kennen das, Sie bereiten das Essen zu, die Nudeln schon im Kochwasser, oder Sie verfolgen einen Gedanken, endlich einen klaren Gedanken, und dann klingelt es an der Tür, zwei Menschen, Papiere in der Hand, Sie denken schon, aha, mal wieder ein Missionstrupp und Sie wollen schon sagen, nee, religiös bin ich selbst, und wieder zu ihren Nudeln oder zum Gedanken zurück, da sehen sie die Niedergeschlagenheit in den Augen und ratzfatz kein Entkommen mehr. Es soll ja welche geben, die können dann noch zurückrudern, ich nicht. Ja, sage ich, und dass ich eigentlich keine Zeit habe, die Nudeln und mein Gedanke, nur eine kurze Frage und dann rücken sie damit heraus, ob ich mir schon mal überlegt hätte, wie es mit der Kunst weitergeht. Sapperlot, nee, habe ich mir noch nie überlegt, wozu auch, langt doch, dass sie da ist, irgendwie wird es doch mit ihr weitergehen, ist ja nicht bedroht, Tierarten ja, aber die Kunst? Klar! Digitales Zeitalter, gebongt, früher mit dem Haarpinsel gemalt, jetzt mit dem virtuellen, nicht mehr mit Hammer und Meißel, nee, dreidimensionale hologrammatische Skulpturen und die Literatur, nicht nur auf Papier, wo ist der Unterschied, hat ja auch kein Jammern gegeben, als man vom Kartoffeldruck weggekommen ist, so what? Sie drucksen herum, vielleicht nicht richtig ausgedrückt, sagen sie, klar, die Kunst gibts, aber die Geltung der Kunst, also, mit der ist es doch anders geworden über die Jahre, oder?, und schauen mich traurig an. Tolle Frage und nächste Frage, will ich sagen, verkneife es mir aber, weil da die Nudeln sind und der eine Gedanke, stattdessen murmele ich etwas von weitem Feld. Fängt schon damit an, dass ich nicht weiß, was Kunst ist, wer weiß das schon, nur mal als Beispiel, so ein Garten, ein gewöhnlicher Schrebergarten, das ist doch keine Kunst, aber der gleiche Garten auf der documenta, das ist dann Kunst, immer noch der gleiche Garten, aber Kunst, weil da eben ein Schild davorsteht: Kunst. Kunst ist, wo Kunst draufsteht, so einfach ist das, natürlich kann nicht jeder irgendwo so ein Schild vor irgend etwas stellen, nee, dafür gibts Experten, Kunstrichter, die wenigsten sind Künstler, weil man ja nicht den Bock zum Gärtner machen will, versteht sich, letztendlich ist Kunst das, was als Kunst gilt, fertig, und damit kommt schon das nächste Problem um die Ecke, denn, wenn Kunst das ist, dem die Geltung als Kunst zugesprochen wird, wie kann das selbst, also die Kunst von sich aus, Geltung für anderes haben. Geht doch gar nicht! Die Kunst gilt nur der Kunst etwas. Noch was?, frage ich die beiden. Aber die Kunst ist doch wichtig, die strahlt doch aus, also, die

(Erstveröffentlichung in: Trompete 1, 2007)

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hat doch eine Wirkung, eine gesellschaftliche Dimension, sagen die beiden. Nu ist mal gut, das wird mir jetzt zu esoterisch, Sonnenstrahlen, ja, und Röntgenstrahlen kenne ich auch, aber die spüre ich nicht, okay, das mit der Wirkung ist wie mit Autos oder Heilkräutern, die bewirken auch was, aber soll ich mich jetzt auch noch fragen, was das Auto gilt, ein Heilkraut, eine Blume oder was es sonst noch so gibt? Nun gut, fallen sie mir ins Wort, heißt das, dass ihnen die Kunst nichts gilt, sie zum Beispiel kein Geld für sie ausgeben, um ein Buch zu kaufen, zum Beispiel? Und nun begreife ich erst, dass es um die letztendliche Geltung geht, hier und heute, um das Entgelt. Ich gebe den beiden einen Zehner. Hauen sie einfach ab, sage ich noch, und schweigen sie von der Kunst. Als ich wieder in die Küche komme, sind die Nudeln verkocht und mein klarer Gedanke ist dahin. Aber das haben Sie sich sicher schon gedacht.

Tina Stroheker

Endlich Wieder am Schreibtisch vor dem Fenster die Farben als gäbe die Zeit Signale. Was wird geschehen, warum meine Ungeduld vor den Blättern? Auf das Papier kommen Linien werden zu Wörtern die ich manchmal begreife wie Licht oder wie Wärme. Was geschehen wird? Verschwinden werden die Farben wenn ihre Stunden vorbei sind. Das wird geschehen. Möge eines mir bleiben das Gedicht, das Ende des Handelns. So soll es werden ist es gut.

für Jirí Gruša

(aus: Tina Stroheker, Vorausgeworfener Schatten. Tübingen 2001.)

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Rainer Wedler

schikos. Mir schmerzt der Rücken, ich rutsche nach vorne, oben geht ein Kopf von links nach rechts, mehr ist nicht zu sehen, schwarze Haare, dunkler Teint. Ein Museumswärter, den man zu Überstunden verdonnert hat. Er geht, als würde er auf Schienen gezogen. Museumswärter dürfen sich nicht setzen. Wenn sie länger stehen, kann es passieren, dass sie einschlafen. Das ist nicht ungefährlich. Beim ruckartigen Aufwachen sind sie in der Gefahr, dass sie ihre Muskeln nicht schnell genug koordinieren können und ungebremst zu Fall kommen. Also gehen sie maschinengleich von A nach B nach C und das Ganze wieder zurück. Sie beginnen, die Bilder zu hassen, vor allem die Porträts en face. Es gilt das ungeschriebene Gesetz, keine Taschenmesser oder sonstigen spitzen Gegenstände mit sich führen.

Danse macabre Stapelstühle, schwarz-unbequem, kalt, kalt der Fußboden, kalt der feine Luftzug. Hab ich’s nicht gleich gesagt? Was? Wir nehmen die Mäntel mit.

Der Beifall schreckt mich auf. Pause. Man kennt sich, man sagt ein, zwei Sätze wie: Die Bezüge zum 18. Jahrhundert sind unverkennbar. Schön auch der kontrastierende Aufbau. Man kann Nielsens Liebe zur Vokalpolyphonie des 16./17. Jahrhunderts heraushören. Dann kommt man schnell zum Tagesgeschehen, je nachdem zum großen oder zum kleinen, privaten.

Soll ich deinen Mantel holen? Jetzt ist es zu spät. So ist es auch, die Mannschaft trabt an. Und es ist wirklich eine Mannschaft. Ein Streichquartett ganz ohne Frau, das ist ungewöhnlich. Natürlich hab ich das gewusst, aber wir haben ein Abo, alle, die dazu gehören wollen, haben ein Abo. Das ist das Schöne an der Kammermusik, dass du mit dem einzelnen Künstler gleichsam Kontakt hast. Die Künstler sind jung, die Musik spiegelt sich in ihren Gesichtern.

Ich schlendere durch die Gänge, sehe die Bilder und sehe sie nicht, erfülle also nicht den Wunsch der Leitung des Hauses, diesen Ort als Treffpunkt für Men-schen aller Generationen zu betrachten, die intelligente Erholung suchen. Das Allzweckepitheton intelligent hat Einzug gehalten in den Kulturbetrieb. Willkommen im Club der intelligenten Häuser, der intelligenten Kleidung usw.

Letzte Schnäuzungen, noch schnell geräuspert, den Rücken in Position gebracht, dann Stille. Der Raum ist groß und weit und weiß. Haydns op.77/2. Die Durchführung des Kopfsatzes, wie Haydn die Reprise gegen die Exposition vereinfacht! Ich bin nicht abgelenkt vom unangestrengten Muskelspiel einer Streicherin, vom Mitschwingen ihres Körpers, ich kann die Augen schließen, lasse mich tragen bis ins Pianissimo des Finales.

SCHUCH KOKOSCHKA ROHLFS HECKER SCHMIDTROTTLUFF MUNCH SCHUKO KOCH KASCH HOHL HECKS ERF MIT MORTLUFT SCHUND CH

Das harte Klatschen, barbarisch. Schönberg hat sich leider nicht durchsetzen können mit seinem Verein für musikalische Privataufführungen, der geräuschvolle Meinungskundgebungen untersagte. Vor mir klatscht man extraordinär, er Rechts-, sie Linkshänderin, er Rückhandklatscher, sie berührt mit Mittel- und Ringfinger kaum ihre Gegenhand. Sie im exklusiven Prêt-à-porter, er im feinen Zwirn. Grau, alle Herren sind grau, bei vielen spiegelt sich das Licht auf ihren kahlen Köpfen. Ü-70 Party, gemischt mit einigen 60 Plus.

Man sitzt wieder, die Gespräche verebben, man schnäuzt sich etc. Der Wärter-kopf zieht seine Bahn von links nach rechts und rechts nach links. Er kennt sein Publikum, er muss nicht auf die Namen deuten, die ständig wechseln. MAYER GÖTZ FUHR BECKMANN BELLING LEHMANN ZATKIN ULMANN LENK Bruckner, noch mal F-Dur. Ein Quintett, endlich eine junge Frau, doch mit be-deckten Armen, der winterlichen Kälte draußen geschuldet. Ich höre noch den Dialog der Instrumente, ein sanftes fade out. Ich kann nur noch sehen, spüren, vielleicht noch riechen, wer weiß. Der Totenkopf geht tonlos gleitend von Wand zu Wand, eine mechanische Puppe. Bei jedem Gang erscheinen neue Namen.

Carl Nielsen, auch F-Dur, knüpft ein wenig an Haydn an. Dann fällt er aus der Tonart, jetzt erst bemerke ich weit oben an der Balustrade ein helles Band, Künstlernamen als stechende LED-Punkte.

SEITZ RÜCKRIEM OELZELT VOGLER KRAKEHL NEUBERT SCHÄDLER

FRIEDRICH DAHL MANET SISLEY GÉRICAULT BACON SEGAL

Ich warte auf meinen Namen. Der Tod geht hin und her und schaut auf seine Gemeinde. Er weiß, von denen da unten wird

Mehr Platz ist nicht. Nielsen wechselt zwischen zart und bur36

in zehn Jahren nur der da, die da, vielleicht auch noch der dort vorhanden sein, je nach Arbeitsanfall. Er ist gern bei denen, die ihm nahe sind. Ihr Flackern wärmt ihn ein bisschen.

Joachim Durrang Geboren 1957 in Bexbach, Saar. Lebt heute in Frankfurt als Schriftsteller, Maler und Performer. Er veröffentlichte Theaterstücke und Gedichtbände, zuletzt „Perücke der Liebe“ (Edition Topicana, Saarbrücken 2005), außerdem Texte in Zeitschriften und Anthologien sowie im Rundfunk. Er schreibt Prosa, Dramen, Hörspiele, spirituelle Texte und Lyrik, ist Mitbegründer der Literatursendung „WortWellen“ beim Frankfurter Stadtradio Radio X und war Vorstandsmitglied des VS Hessen.

DEKDU FKDZGN EIALM DLOIMMW EEDLDH PYMSHF DHEZCB LWIALVN WUF Finale, lebhaft bewegt. Die Reprise läuft spiegelverkehrt ab, der Schluss ähnelt dem ersten Satz. Beifall, lebhafter Beifall, die Knochen knacken, man lebt noch und hat seinen Namen da oben nicht gelesen.

Klaus Gasseleder Geboren 1945 in Schweinfurt, Studium der Germanistik und Geschichte. Von 1972-1991 Lehrer in Bremen, seither selbständiger Autor, lebt seit Mitte 2003 in Erlangen. Romane, Erzählungen, Reiseberichte, Prosaskizzen, Hörbilder für den Rundfunk, Mundartdichtung, Sachbücher. Seit 2010 Verleger des Wildleser-Verlags. Caroline Hartge Jahrgang 1966, lebt in Garbsen bei Hannover. Studium der Anglistik, Hispanistik und Geographie. Gedichte und Prosa seit 1987, u. a. bei Artemis & Winkler („Der Neue Conrady“, („Jahrbuch der Lyrik“ 2009f.) und Reclam; Übersetzungen ins Englische, Estnische, Italienische, Katalanische, Spanische und Arabische. Arbeiten über diverse deutsche Literaturzeitschriften. Übersetzungen aus dem Englischen, v. a. Lenore Kandel („Das Liebesbuch“ u. a., Stadtlichter Presse); Aufsatz über Elise Cowen („Öffne die Fenster und Shalom“, ebda.). Demnächst: „Lose wolken“ (Peter Engstler, 2012)

Die Autorinnen und Autoren Dirk Bierbaß Geboren 1966 in Halle (Saale). Werkzeugmacherlehre, Soldat, Studium der Kulturwissenschaften, Ausbildung zum Mediengestalter. Tätig für Fernsehen, Radio; beschäftigt auch als Kulturarbeiter und im Backoffice einer Kundenbetreuungshotline. Betriebsrat. Gedichte. Prosa. Hörfunkfeatures, Kabarett- und Bühnentexte, FilmExposés. Pressetexte. Publikationen: „Tägliches Arsen“, Gedichte, Hallesches Autorenheft Nr. 39, „Ausschankschluss“, Gedichte, dr. ziethen verlag Oschersleben, „Sackgesicht“, Gedichte , Verlag Blaue Äpfel Magdeburg. Lebt in Halle (Saale). Mitglied des VS Sachsen-Anhalt.

Axel Klingenberg Lebt als freier Schriftsteller in Braunschweig. Er ist Co-Herausgeber des satirischen Buchmagazins „The Punchliner“, Gründer der Lesebühne „Bumsdorfer Auslese“, Mitglied des Rockliteraturensembles „Read em all“ und Vorsitzender des Verbands deutscher Schriftsteller/ LV Niedersachsen-Bremen. Zuletzt erschienen: „Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein. Aufzeichnungen eines Literaturdienstleisters“, Oktober Verlag, Münster 2010, „Döner mit Braunkohl und Bier. Das Braunschweig-Buch“, Verlag Andreas Reiffer, Braunschweig 2010, „Keine Zukunft für immer. Das Punk-Lexikon“, Verlag Andreas Reiffer, Braunschweig 2012

Susanne Czuba-Konrad Geb. 1965 in Bonn. Jugend in Dortmund. Studium der Fächer Deutsch und Geschichte in Konstanz und Frankfurt am Main, Promotion und Studienreferendariat. Seit 1990 Tätigkeiten in der Erwachsenenbildung, seit 2001 in der beruflichen Rehabilitation. Leitung von Workshops zum kreativen und autobiografischen Schreiben. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. Buchveröffentlichungen u.a.: Integration – eine pädagogische Handreichung (2000), Camilles Schatten (2005), Emotionen (2007), Rauchen verboten (2011). Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller (VS) – Landesverband Hessen seit 1999.

Reinhard Knodt Geboren 1951 in Dinkelsbühl. Studium der Literatur, Politik und Philosophie. 1974 erste Buchveröffentlichung (Kurzgeschichten). Ab 1978 diverse Lehraufträge in Deutschland, Irland und den USA. Ab 1992 fester Hausautor des Bayerischen Rundfunks. Gründung des Künstlerhauses Schnackenhof in Röthenbach. Seit 2009 weitgehen37

de Aufgabe der Funkautorschaft und Rückkehr zu Buchveröffentlichungen. Publikationen: Philosophischer Essay, Roman, Kurzprosa, Libretti, regelmäßig Literaturkritik für die Süddeutsche Zeitung und im Deutschlandfunk. Diverse Preise, u.a. 2008 Literaturpreis der Bayerischen Akademie der schönen Künste (Fr. Baur Preis).

am Himmel ich bin der Pilot“, „Das berühmte entlaufene Nilpferd“, „Gedichte wieder hergestellt“. Horst Senger Geboren in Fulda, bei Frankfurt/M aufgewachsen; nach abgeschlossenem Pädagogikstudium in FFM dies & das gemacht, um sich redlich zu nähren; dann 1988 in die Arbeit mit den sog. „Neuen Medien“ eingestiegen; in der Hauptsache Drehbücher für interaktive Videos geschrieben, Edutainment-Programme entworfen und Computer-Based Trainings ausgearbeitet, wohnt und arbeitet als freier Autor in Eltville.

Ursula Henriette Kramm Konowalow Geboren 1952 in Biesenthal, Studium der Theologie, Arbeit in verschiedenen Berufen, Mutter von drei Kindern. Freie Autorin. Sie schreibt Prosa und Lyrik. Ihr fünfter Lyrikband „Mondkadenzen“, mit Bildern von Harms Bellin, erschien 2012 im Treibgut Verlag Berlin. 2010 war sie Gewinnerin im 1.Ostseelyrik-Wettbewerb und ist aktuell Preisträgerin der Wettbewerbe „Worte gegen rechts“ des Verbandes Deutscher Schriftsteller 2012 und „Friedenslesung“ des Kulturrings Berlin, 2011. Sie lebt in der Künstlergemeinschaft „KG Werkgehöft“ in Mankmuß, einer Initiative zur Verbreitung der Schönen Künste im ländlichen Raum.

Tina Stroheker Geboren 1948. Lyrik (zuletzt „Was vor Augen liegt“), literarische Prosa (zuletzt „Lodzer Wörterbuch“), Essays, Herausgeberschaften (zuletzt „Meine blaue Teekanne bleibt mir treu“). Kuratorin der Mühlberger-Tage und des Eislinger Poetenwegs. Diverse Preise und Stipendien, u.a. Leonceund-Lena-Förderpreis, Villa-Massimo-Stipendium, Literaturpreis der Stadt Stuttgart, Schriftstellerstipendium der Robert Bosch Stiftung für Polen und Gastschreiberin Lodz. Mitglied in: P.E.N.-Zentrum Deutschland, Europäische Autorenvereinigung Kogge, Verband deutscher Schriftsteller, GEDOK, Künstlergilde Esslingen.

Wigand Lange Geboren in Heide/Holstein. Studierte deutsche und angloamerikanische Literatur sowie Geschichte in München und Regensburg. Anschließend zehn Jahre in den USA, Promotion an der University of Wisconsin, danach GermanistikProfessur an der Jesuitenuniversität in Milwaukee, Wisconsin. 1980 Rückkehr nach Deutschland. Germanistische Forschungen an der Uni Tübingen, Dramaturg am Theater in Marburg und Darmstadt. Seit 1986 „freischaffender“ Schriftsteller und literarischer Übersetzer. Einige Jahre aktives Mitglied im Vorstand des VS Hessen, Initiator des Austauschs von AutorInnen aus Hessen und Wisconsin/ USA. Lebt heute in Denklingen/Oberbayern.

Rainer Wedler Jahrgang 1942. Als Schiffsjunge auf Großer Fahrt. Promotion über Burleys „Liber de vita“. Seit 1995 sind erschienen: ein Band mit Kurzgeschichten, sechs Lyrikbände, ein bibliophiles Werk, sechs Romane, zuletzt 2012 die Novelle „Seegang“. Beiträge in ndl, HOREN, Allmende, INN, DAS GEDICHT, SIGNUM, Matrix, ort der augen u. a. Mehrere Preise (zuletzt: Preis des Rilke-Festivals in Sierre 2009) und Aufenthaltsstipendien (Villa Vigoni, Cismar u.a.). Mitglied des deutschen P.E.N.

Walle Sayer Geboren 1960. Entkam einer Bankkaufmannlehre in ein Kindergartenpraktikum und leistete seinen Zivildienst ab. Gab Deutschkurse für Asylbewerber, verbrachte „zwölf Kneipensemester“ (1985-1991) in einer selbstverwalteten Kulturgaststätte und arbeitete danach zwei Jahre als Nachtbereitschaft in einem Altersheim. Seit 1992 lebt er als Autor, Hausmann und Aushilfskellner mit seiner Familie in Horb-Dettingen. Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller (VS) und im deutschen P.E.N, diverse Auszeichnungen. Veröffentlichte Gedichtbände, Prosazyklen und Miniaturen, zuletzt „Zusammenkunft. Ein Erzählgeflecht“, Verlag Klöpfer & Meyer, Tübingen 2011. Peer Schröder Geboren 1956 in Kassel, Herausgeber: Schorli Morli, Zeitschrift für angewandtes Alphabet und Kunst, Kasseler Literatur-Spaziergang, Trompete, und Verfasser: „Wo ich aufhöre in den Gedichten ist der Himmel voraus fast klar“, „Flugzeug 38

Veranstaltungen

Zwischen Fluss und Skyline

Renate-Chotjewitz-HäfnerFörderpreis für Autorinnen Donnerstag, 22. November 20:30 Uhr Romanfabrik Hanauer Landstr. 186 | 60314 Frankfurt am Main Eintritt: 6 Euro | 3 Euro ermäßigt Reservierung: (0 69) 49 08 48 28 | Reservierung@ romanfabrik.de Vorverkauf: (0 69) 1 34 04 00 | www.frankfurt-ticket.de Preisverleihung und Lesung mit Ulrike A. Kucera Laudatio: Marina D‘Oro Moderation: Irmgard Maria Ostermann Renate Chotjewitz-Häfner war Malerin, Autorin und Übersetzerin. Sie starb am 24. November 2008 im Alter von 71 Jahren in Frankfurt am Main. Bekannt als eigensinnige und unbestechliche Kämpferin, lag ihr vor allem die Literatur von Frauen am Herzen. Die Unterstützung schreibender Frauen geht über ihren Tod hinaus. Testamentarisch stellte sie einen Geldbetrag für die Förderung von Autorinnen aus dem Frankfurter Raum zur Verfügung. Der Renate-Chotjewitz-Häfner-Förderpreis wird einmal im Jahr zu ihrem Todestag im Rahmen eines Leseabends vergeben, in Erinnerung an diese engagierte, kluge Künstlerin und Literatin. Renate Chotjewitz-Häfner wurde am 1.5.1937 in Halberstadt/Sachsen-Anhalt geboren. Sie studierte Malerei, Kunstgeschichte, Theatergeschichte und Publizistik. Mit ihrem

Renate Chotjewitz-Häfner

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Ulrike A. Kucera

Ehemann, dem Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, lebte sie in Rom und Osthessen, bevor sie nach Frankfurt am Main übersiedelte. Bekannt wurde sie vor allem als Herausgeberin und Übersetzerin der Theaterstücke des Nobelpreisträgers Dario Fo und seiner Frau Franca Rame. Darüber hinaus veröffentlichte sie Erzählungen, Essays, Gedichte und Features, u.a. über das Landjudentum in Hessen. Von 1988-1991 war sie Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller (VS), Landesverband Hessen. Sie war Herausgeberin des Stadtplans „Literarisches Frankfurt“ (1999) und des Foto- und Textbandes „Hessische Literatur im Porträt“ (2006). Sie engagierte sich in zahlreichen literarischen Initiativen. Die zweite Preisträgerin Ulrike A. Kucera wurde 1958 in Lostau geboren. Nach ihrer Ausreise aus der DDR 1985, wohnte sie zunächst in München. Seit 1987 lebt sie in Frankfurt am Main. Als freie Schriftstellerin veröffentlichte sie Lyrik, Kurzprosa und Hörspiele im In- und Ausland (u.a. Frankfurter Allgemeine Zeitung , Hessischer Rundfunk, Österreich, Indien). 1992 erschien ihr Gedichtband „Und“, 1998 ihr erster Roman „Die Gottesanbeterin“, der 2002 ins Slowakische übersetzt wurde. 2006 wurde ihr erster Kriminalroman veröffentlicht: „Caput mortuum“, gefolgt von „Mordssommer“ (2008) und „Wolfshof“ (2010), alle im Societäts-Verlag Frankfurt am Main. Sie arbeitete für das Hessische Literaturforum, 1996 bis 2000 war sie Redaktionsmitglied von „L. Der Literaturbote“. Sie ist langjähriges Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller (VS). Liste der Preisträgerinnen unter: www.lit-hessen.de Eine Veranstaltung des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) – Landesverband Hessen mit Förderung durch das Kulturamt der Stadt Frankfurt und das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst

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Frankfurter Literaturtelefon

Das Frankfurter Literaturtelefon wurde 1990 von Horst Samson initiiert und vom Verband deutscher Schriftsteller (VS) – Landesverband Hessen unter der Vorsitzenden Renate Chotjewitz-Häfner etabliert. Es bietet unter der Nummer

(0 69) 24 24 60 21 literarische Kostproben rund um die Uhr: Autorinnen und Autoren der Rhein-Main-Region stellen im monatlichen Wechsel eigene Texte vor. Das aktuelle Programm des Frankfurter Literaturtelefons: Oktober 2012: Bernd Weiden November 2012: Monika Carbe Dezember 2012: Reinhold Batberger Januar 2013: Vougar Aslanov März 2013: Nina Maria Marewski April 2013: Claus-Peter Leonhardt Das Frankfurter Literaturtelefon des Verbands deutscher Schriftsteller (VS) wird dankenswerterweise unterstützt und gefördert vom Kulturamt der Stadt Frankfurt, ver.di – Fachbereich 8 Medien, Kunst und Industrie, Renate Pörksen vom Amt für Informations- und Kommunikationstechnik in Frankfurt/Main sowie Michael Boss von der Stadtbücherei Frankfurt/Main. Weitere Informationen zu den Autorinnen und Autoren sowie zum Stimmenarchiv des Frankfurter Literaturtelefons unter: www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=617495 www.kunstraum-liebusch.de/page_de.php?p=Frankfurter%20 Literaturtelefon

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Veranstaltungen

eraturtage Hessen 2013

Wortkünstler und Textarbeiter feiern mit Lesern Literaturfest in Steinau an der Strasse

„Märchen erfahren“ Die Literaturgesellschaft Hessen bereitet gemeinsam mit der Stadt Steinau an der Straße die Hessischen Literaturtage 2013 vor. Als Gast der Stadt und des Brüder-GrimmMuseums in Steinau begehen die hessischen Literaten vom 6. bis 14. April 2013 ihr Jahresfest. Höhepunkte werden das Literaturfest im Brüder GrimmHaus sowie die lange Nacht der Autoren sein. Geplant ist ein Dichter-Workshop, der zu einem Poetry Slam zum Thema „Märchen gerappt“ führen wird. Ihre Abrundung erhält die Woche mit einer Show „Das Land ihrer Kindheit lag in Steinau“. Die gesamte Woche lesen hessische Poeten, Lyriker, Sachbuchautoren, Übersetzer in Steinau an der Straße. Ansprechpartner und Projektverantwortlicher ist ClausPeter Leonhardt, Vorsitzender der Literaturgesellschaft Hessen e.V. (LIT), www.lit-hessen.de

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© Rainer Hofmann-Battiston

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Zukunft Schreiben tsnuK eid tlig saW saw tlig eid tsnuK saw tsnuK eid tlig saw tlig tsnuK eid tlig saw eid tsnuK tsnuK eid tlig saW 44