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5. Ausgabe – April 2012

Zeitung der Autismusambulanz Halle

Am 2. April ist Welt-Autismus-Tag Aktuelles +++ Info-Ecke +++ Leserbeiträge +++

Arbeitsmethoden +++ Buch & Film

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Drinhalt

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Editorial

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Aktuelles Ein Tag für Autismus Neue Gesichter Der Weg vom Projekt zur Ausstellung – Teil II Der Unternehmertag mit Expertenforum

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Info-Ecke IPhone, IPad und IPod Touch Info Reittherapie

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Leserbeiträge Einblick in sehr persönliche Welten

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Arbeitsmethoden Gibt es eine autistische Wut?

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Buch & Film Asperger – Leben in zwei Welten

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und abschließend… Für eine Löwenmutter

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Editorial

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V or wor t Liebe Leser und Leserinnen, die letzten Wochen standen ganz im Zeichen des Welt-Autismus-Tages. Dieser findet auch in diesem Jahr am 2. April statt, lesen sie mehr zu dessen Bedeutung in unserer Zeitung. Rund um diesen Tag gab und gibt es zahlreiche Aktionen, zum Beispiel die Kunstausstellung „Zwischen den Spiegeln - Unsere Welt mit meinen Augen“ und einen Unternehmertag, mehr dazu können Sie auf den nächsten Seiten lesen. Auch das mdr-Fernsehen hat einen Abstecher in unserer Einrichtung gemacht und Kinder und Kollegen interviewt. Schauen Sie doch mal in der Mediathek nach, der Beitrag ist dort zu sehen. Ich hoffe, wir konnten auch dieses Mal eine spannende Ausgabe für Sie zusammenstellen.

Einen schönen Frühling wünscht Ihnen Steffi Schwab und das gesamte Team der Autismusambulanz

KONTAKT Autismusambulanz Halle Philipp-Müller-Straße 82 06110 Halle/ Saale Tel: 0345-6787344 Fax: 0345-6787345 Internet: www.autismusambulanz-halle.de E-Mail: [email protected]

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Aktuelles

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Ein Tag für Autismus - ein ganzes Leben mit Autismus Seit der 2. April 2008 von der UNO als WeltautismusTag festgelegt und weltweit beworben wurde, stellt sich auch für uns als Einrichtung, die sich um die Belange von autistischen Menschen und deren Lebensumfeld kümmert, jedes Jahr aufs Neue die Frage, wie gestaltet sich unser Beitrag zu diesem Tag. Wir, die wir gemeinsam mit Eltern, Geschwistern, Lehrern, Pädagogen und den Betroffenen selbst jeden einzelnen Tag jedes einzelnen Jahres mit Autismus konfrontiert, beauftragt, verwundert, erschüttert, beschenkt und überrascht werden. Wir, die wir jeden Tag aufs Neue um Verständnis und Aufmerksamkeit, um Toleranz und Teilhabe, um Chancen und Akzeptanz werben durch jedes Gespräch was wir führen, durch jedes Begleiten der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Autismus, durch jedes Anteilhaben an den Schwierigkeiten

und Besonderheiten mit denen das Lebensumfeld autistischer Menschen konfrontiert ist. Wir, die wir das ganze Jahr hindurch durch spezifische Veranstaltungen auf das Thema Autismus und seine gesamtgesellschaftliche Intension aufmerksam machen, sei es durch unsere Weiterbildungsreihe, durch unser regionales Alleinstellungsmerkmal oder durch öffentliche Veranstaltungen, wie es die Kunstausstellung „Zwischen den Spiegeln – Unsere Welt mit meinen Augen“ augenblicklich zu schaffen vermag. Welchen Beitrag können wir noch zusätzlich leisten? Aus meiner Sicht kann und soll dieser Tag dafür genutzt werden, die Menschen für Autismus zu sensibilisieren, die nicht zu unserem bestehenden Kontakten und Partnern gehören. Stattdessen der Dame an der Kasse mitzuteilen, die meine Einkäufe über den Scanner zieht, dass heute

der Tag ist, an dem weltweit den Belangen autistischer Menschen gedacht wird. Und mit einem Lächeln überreiche ich ihr einen Flyer über Autismus. Es geht darum der Firma, die unsere Druckerpatronen liefert eine persönliche E-Mail zu schicken, mit dem Hinweis auf unser Anliegen. Kleine, individuelle, handschriftlich angefertigte Handzettel könnten den Weg in die Briefkästen der Nachbarn finden. Sollte man in die unangenehme Situation kommen müssen, just an diesem Tag einen neuen Zahnarzttermin ausmachen zu müssen, kann dies mit dem Hinweis auf die Deutung des heutigen Tages geschehen. Ein weit weniger konfrontatives Mittel wäre die morgendliche Kleiderwahl. Die offizielle Farbe für AutismusBewusstsein ist Blau. Das Einfachste ist, am WeltAutismus-Tag etwas Blaues zu tragen. Je auffälliger, desto besser!

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Wenn man dann darauf angesprochen wird, dann ergibt sich eine wunderbare Möglichkeit über Autismus zu sprechen und aufzuklären. Eine Rundmail an Familie, Freunde und Kollegen und Mitschüler könnte deren Kleiderwahl in Richtung Blau zusätzlich begünstigen.

Aktuelles

Jede Kleinigkeit zählt und leistet so unter dem Motto Weltautismus-Tag am 2. April seinen Beitrag für das große Ganze - die Be lange von Menschen mit Autismus und deren Lebensumfeld insbesondere an diesem einen Tag im Jahr in das Zentrum des Handelns und Denkens zu

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setzen und so nachhaltig einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel beizusteuern. (Verfasserin: Susann Bölzle)

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Aktuelles

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„Zwei neue Gesichter“ also auf weitere erfahrungsreiche Momente.

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ame: Jenny Stapel

Seit wann dabei? Seit Mitte Januar 2012 Was bisher geschah: Nach einer schönen, aufregenden und ereignisreichen Einarbeitungsphase empfinde ich mich, besonders dank des sehr herzlichen Empfangs durch die Mitarbeiter der Autismusambulanz Halle, als ein Teil des Teams. Meine Arbeitsinhalte umfassen die Einzelförderung, Elternberatung, das Sozialtraining sowie die Schulbegleitung von insgesamt 7 Kindern/ Jugendlichen. Bisher habe ich viele neue Erkenntnisse gewinnen und auch schon einige Herausforderungen meistern können, während meiner Hospitationsphase, im Rahmen meiner ersten Förderungen sowie auch in der einen oder anderen lustigen Pausenrunde. Ich freue mich

Mein bisher schönstes Erlebnis: Die Beschilderung/ Wegweiser zum hinteren Büro ☺ 1,2,3..., die Arbeit mit den Kindern, insbesondere, was man von Ihnen zurückbekommt... da schießen mir schon ganz viele Augenblicke ins Gedächtnis, wirklich lustige und auch rührende Bekenntnisse!

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ame: Dorit Schauroth

Seit wann dabei? 15. Januar 2012 Nachdem ich ein halbes Jahr als Honorarkraft für die Autismusambulanz Halle gearbeitet habe, bin ich nun seit Januar festangestellt dabei.

Ich unterstütze im Moment 7 Kinder und Jugendliche. Hauptsächlich gehe ich zu ihnen in die Schulen und führe Einzelförderungen durch. Was gibt es noch zu mir zu sagen? Ich bin Kunsttherapeutin und arbeite im pädagogischen/ therapeutischen Kontext oft mit kreativen Mitteln, denn gestalterische, nonverbale Arbeitsweisen bieten ein weites Spektrum an individuellem Entwicklungspotential. Darüber hinaus greife ich aber auch immer auf Fördermöglichkeiten aus anderen Bereichen zurück.

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Der Weg vom Projekt zur Ausstellung – Teil II

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m 13. März um 18 Uhr war es endlich soweit. Unsere Ausstellung: „Zwischen den Spiegeln – unsere Welt mit meinen Augen“ wurde feierlich eröffnet. Die Initiatoren (Ein Schutzengel für Kinder e.V., die Autismusambulanzen Halle und Wittenberg und die Künstler Nancy Jahns und Sven Großkreutz der Galerie Raum Hellrot) begrüßten im Kunstforum Halle zahlreiche Besucher, Interessierte und Fachleute sowie unsere kleinen und großen Künstler.

Die Vernissage begann mit einem kleinen Programm mit musikalischer Umrahmung. Die Veranstaltung

wurde von Herrn Stephan, freier Mitarbeiter des MDR-Sachsen Anhalt, moderiert. Neben den Hauptinitiatoren des Kunstprojektes (Frau Sempert, Frau Flade, Frau Tänzer, Frau Jahns und Herr Großkreutz) richteten auch Prinzessin Corinna von Anhalt, der Staatssekretär Dr. Jan Hofmann, eine Vertreterin der Stadt Halle sowie Frau Schwab (Leiterin der Autismusambulanz Halle) Begrüßungsworte an das Publikum. In der Ausstellung zeigen 44 Kinder und Jugendliche im Autismus-Spek-trum ihre Arbeiten, die während eines Kunstkurses in den Sommerferien 2011 in den Autismusambulanzen Halle und Wittenberg entstanden sind. Die Teilnehmer haben dort verschiedene Materialien und Techniken kennengelernt. Wir erhielten liebevolle Unterstützung von Künstlern der Galerie Raum Hellrot.

Wir und die jungen Künstler sind sehr stolz darauf, die entstandenen Arbeiten der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die Ergebnisse des Kunstprojektes sind noch bis zum Weltautismustag am 2. April zu sehen.

(Verfasserinnen: Yvonne Tänzer, Sarah Flade)

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Aktuelles

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Unternehmertag mit Expertenforum

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as würde passieren, wenn circa sechzig Unternehmer, verschiedene Fachkräfte aus unterschiedlichsten beruflichen Settings, Menschen mit Autismus, die sich bereits im Arbeitsleben befinden oder auf der Suche nach einem Ausbildungsoder Arbeitsplatz sind, aufeinander treffen?

Es könnte ein spannender Abend werden – und das wurde es auch. Am 14.3. 2012 fand im Kunstforum Halle im Rahmen der Ausstellung „Zwischen den Spiegeln – Unsere Welt mit meinen Augen“ ein Unternehmertag statt. Initiiert wurde der Tag durch den Verein „Ein Schutzengel für Kinder“. Das Augenmerk dieses Tages lag auf Menschen, die ein Unternehmen führen und sich informieren wollen, wie sie konkret Menschen mit Autismus in ihre Firmen integrieren können. Dazu wurde in einem zweistündigen Expertenforum unter den verschiedensten Blickwinkeln diskutiert und referiert. Welche Stärken bringen Menschen mit Autismus mit,

die ein Unternehmen bereichern? Was kann man selbst als Unternehmen tun, um gute Voraussetzungen zu schaffen? Welche Haltung ist hilfreich gegenüber einem Kollegen mit Autismus? Welche Hilfen und Unterstützungssysteme gibt es? Mir wurde sehr bewusst, dass es in diesem ersten Schritt vor allem darum geht zu sensibilisieren, neugierig zu machen und aufzuklären. Denn am Ende entscheiden die Unternehmen darüber, ob sie sich diesem Thema öffnen. Wenn ein Arbeitgeber hinter dieser Idee steht und bei seinen Mitarbeitern für Verständnis wirbt und um Aufklärung bemüht ist, kann das ein Anfang sein. Wenn in einer Firma ein erfahrener Mitarbeiter Zeit bekommt, um Ansprechpartner für einen Kollegen mit Autismus zu sein, können individuelle Wege gefunden werden, die die erfolgreiche Mitarbeit sichern. Wenn alle Teammitglieder aufgeklärt sind und die Besonderheiten des neuen Kollegen nicht persönlich nehmen, sondern diese zuordnen können, können Vorurteile von vornherein vermieden werden.

Wir hoffen, dass der Unternehmertag viele Impulse setzten konnte! „Und wenn wir, mit einem angemessenen Maß an Unterstützung unseren Platz im Leben und in der Welt finden, können wir unser Potential ausleben, uns verwirklichen und dabei auch noch dafür sorgen, dass die Gesellschaft ein wenig vorurteilsfreier, toleranter, bunter und besser wird.“ (R. Döhle, 2009) Wenn Sie mehr über die Teilnehmer des Expertenforums erfahren wollen, selbst einen Praktikums- Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anbieten können oder noch Fragen haben, dann wenden Sie sich an das Team der Autismusambulanz.

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Info-Ecke

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IPhone, IPad und IPod Touch

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ie bieten neue Möglichkeiten und Hilfsmittel für Menschen mit Autismus und Ihre Bezugspersonen. Bereits einige Mitarbeiter haben die Vorteile und Möglichkeiten der Apple Produkte für die autismusspezifische Förderung entdeckt. Die Apps bieten leicht verständliche Lerninhalte auf einfache und witzige Art und Weise. Das Interesse an technischen Geräten und Computern wird genutzt um die Aufmerksamkeit auf die Förderinhalte zu lenken. Zur Zeit sind im App Store zwar viele hilfreiche Apps gerade im Bereich der sozialen Fertigkeiten und Kommunikationshilfen zu finden, diese sind jedoch zumeist noch nicht übersetzt oder (noch) sehr teuer. Im Anschluss möchten wir Ihnen hilfreiche Basics vorstellen. AutismApps (kostenlos) AutismApps gibt einen guten Überblick über alle autismusspezifische Apps auf dem Apple Market. Die einfache Zusammenfassung aller

Apps, die man in der Arbeit und im Alltag mit autistischen Kindern und Erwachsenen nutzen kann, gibt einen Überblick in mehr als 30 Kategorien. Die App ist in englischer Sprache aufgebaut, je-doch leicht verständlich. Time Timer (1,59€) Die Time Timer App ist eine gute und preiswerte Möglichkeit Zeit zu visualisieren. Wir nutzen die Time Timer zur zeitlichen Visualisierung und Strukturierung in den Förderungen. Die Kinder können dadurch verstehen, was es bedeutet, wenn Sie sagen „noch 5 Minuten“. Wartezeiten werden deutlich und verständlich. Ebenso können Aktivitäten in einem zeitlichen Rahmen gebracht oder auch begrenzt werden.

AutismXpress (kostenlos) Pro Version Kostenpunkt 1,59€ - Extras sind Memory und Differenzierungsübungen. Mit Hilfe dieser App, haben Kinder die Möglichkeit auf eine lustige und einfache Weise ihre Gefühle zu verdeutlichen. Wir verwenden dieses App zum Beispiel in der Begrüßungsrunde einer Förderung mit sprechenden Kindern. Aber auch für nicht sprechende Kinder stellt dieses App eine Hilfestellung zur Äußerung von Gefühlen dar. Die Nutzer können zwischen 12 verschiedenen Gefühlen

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Auswählen. Durch Antippen sehen die Nutzer einen interaktiven Smiley. ABA Flashcards „Emotions“ (kostenlos) Diese Version der ABA Flashcards ermöglicht es dem Benutzer Text und Sprache auf die deutsche Sprache anzupassen. Einfach und mit hohem Spaßfaktor lernen die Benutzer die verschiedenen Gefühle auf ansprechenden und reizarmen Bildkarten die Gefühle zu identifizieren und zu verstehen.

Es gibt viele Einstellungsmöglichkeiten z.B. Lernmodus oder Spielmodus, die den Umgang mit dieser App variabel und individuell einsetzbar machen.

Info-Ecke

Weitere Versionen sind unter anderem Verkehrsmittel, Obst, Tätigkeiten, Buchstaben sowie Tiere. Teilweise sind diese kostenpflichtig (ca. 0,59€ - 1,59€). Jedoch sind diese noch in englischer Sprache und bisher noch nicht individualisierbar. Touch and Learn „Emotions“ (kostenlos und individualisierbar) Diese App unterstützt das Lernen von Körpersprache und Mimik und hilft diese zu verstehen und zu differenzieren. Auf Aufforderung soll der Benutzer auf die vorgegebenen Bilder tippen z.B.“ zeige auf das fröhliche Mädchen“, oder „zeige die Kinder“. Darüber hinaus unterstützt es das Lernen Kategorienbildung. Diese App ist

ebenso individualisierbar in Sprache und Schwierigkeitsgrad. Falls Sie auch bereits Erfahrungen mit autismusspezifischen Apps gemacht haben, sind wir für Anregungen und Kritiken offen.

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Rezensionen können an [email protected] oder [email protected] gerichtet werden. In den folgenden Ausgaben unserer Zeitung halten wir sie mit Empfehlungen und neuen Apps auf dem Laufenden. Leider haben wir keine Kenntnisse bei Smartphones mit AndroidSystem und freuen uns auch hier über ihre Erfahrungen und Infos. Für Interessierte hier ein Link für die Nutzung von IPad als Talker: http://www.youtube.com/w atch?v=F_8b7PgnNQQ

Info Reittherapie Hier eine neue Adresse für Reittherapie und auch die Möglichkeit zur Ausbildung zum Reittherapeuten:

Bei Interesse bitte bei Jana Domsky melden

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Leserbeiträge

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Einblick in sehr persönliche Welten - Ein Leben auf Reisen -

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enschen mit Autismus erleben nicht selten Ablehnung und Unverständnis durch außenstehende Personen z. B. in Wohnungsverwaltungen, mit Nachbarn, Arbeitskollegen oder Behörden. Eine Möglichkeit, mit diesen Reaktionen umzugehen, kann eine offene und direkte Aufklärung der nahestehenden Umgebung sein. Aber gerade das offene und klare Gespräch kann für Menschen mit Autismus eine ausgesprochene Herausforderung darstellen. Der folgende Text zeigt, wie sich ein erwachsener Mann mit dem Asperger-Syndrom in schriftlicher Form mit seiner Umwelt auseinandersetzt: Personelle Vorstellung Mein Name ist Eckart Manuel Mutzeck. Ich wurde am 9. Oktober 1967 im Ostseebad Kühlungsborn als drittes Kind meiner Mutter geboren. Seit 2008 weiß ich, dass ich das Asperger-Syndrom habe. Vorher wurde ich als psy-

chisch krank eingeschätzt. Daran habe ich nie so richtig geglaubt. Erst mit der Diagnose Asperger-Syndrom fühle ich mich richtig eingeschätzt. Da das AspergerSyndrom noch nicht allen so geläufig ist, möchte ich im Folgenden einige Besonderheiten von mir bekannt geben. Das Asperger-Syndrom Das Asperger-Syndrom ist ja eine Form von Autismus. Die Diagnosekriterien nach ICD 10 sind: -Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion. -Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation -Das Fehlen einer eindeutigen allgemeinen Verzögerung der Sprache oder der intellektuellen Entwicklung -Ein ungewöhnlich intensives, umschriebenes Interesse oder begrenzter repetitive und stereotype Verhaltensmuster Um Ihnen meine Besonderheiten näherzubringen und

um Verständnis zu bitten, beschreibe ich Ihnen einiges über mich. Sozialverhalten Ich pflege keine Freundschaften, bin aber am gesellschaftlichen Geschehen interessiert. Ich lese Zeitung, nutze das Internet, Radio und Fernsehen. Trotzdem ist es mir kaum möglich, soziale Kontakte zu knüpfen. Soziale Situationen überfordern mich häufig. Ich gehe möglichen Kontakten förmlich aus dem Weg. Vor bestimmten Gruppen der Gesellschaft habe ich extreme Angst. Besonders mit Kindern und Jugendlichen habe ich enorme Schwierigkeiten. Ich flüchte aus den Situationen, in denen ich Ihnen begegne. Es fällt mir z.B. schwer, in überfüllte Straßenbahnen einzusteigen, da ich das Verhalten der Jugendlichen nicht einschätzen kann. Bei bestimmten Veranstaltungen wie Fußballspielen verlasse ich die Wohnung nicht. Ich informiere mich ausführlich darüber, was für Veranstaltungen in der Stadt und im Umland anstehen.

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Ich arbeite in der Behindertenwerkstatt im Holzbereich. Dort fühle ich mich wohl, solange ich einen Einzelarbeitsplatz habe und in schwierigen sozialen Situationen vom Gruppenleiter „aufgefangen“ werde. Vor einigen Kollegen habe ich auch extreme Ängste. Dies führt dazu, dass ich zu bestimmten Zeiten nicht den Flur entlang gehen kann und andere Toiletten aufsuche. Bei den Leuten, die mir vertraut sind, kann ich mich gut öffnen und Probleme ansprechen. Ich vermute, dass meine Ängste aus traumatischen Erlebnissen meiner Kindheit herrühren. Kommunikation Wie oben schon erwähnt, kann ich mit betreuenden Personen sehr gut kommunizieren. Es ist mir dann auch wichtig, etwas vom Gegenüber zu erfahren. Die Bearbeitung meiner Probleme steht aber im Vordergrund. Ich nutze auch E-Mail und Telefon zur Kommunikation. Mit Menschen, die nicht Familie oder Betreuer sind, fällt mir die Kommunikation sehr schwer oder gelingt mir oft gar nicht. Die Kollegen müssen aus meiner Mimik und Gestik erfahren, wie es mir geht. Nicht immer reagieren sie aber so, wie ich es mir wünsche. Wenn mich ein Kollege anspricht, muss ich

Leserbeiträge

oft nachfragen, wie er das meint. In der Öffentlichkeit, z.B. beim Einkauf bin ich in der Lage zu kommunizieren. Ich kann z.B. meinen Willen äußern und versuche, meine Rechte einzufordern. Ich habe mir die Hilfen, die ich brauche, gesucht, um in schwierigen Situationen Beistand zu bekommen. Diese wären z.B. die Autismusambulanz, der Begleitende Dienst der Werkstatt und das Ambulant Betreute Wohnen. Emotionalität Ich habe Gefühle wie jeder andere Mensch auch. Ich fühle aber anders als andere Menschen. Viele Dinge, die andere Menschen mögen, mag ich nicht. Das sind z.B. Jeans, Fußball, Alkohol trinken, Partys feiern oder ins Freibad gehen. Ich hätte auch Angst, Veranstaltungen jeglicher Art zu besuchen. Im Gegenteil – ich informiere mich ganz genau, wo Fußballspiele oder andere Veranstaltungen sind, wenn ich einen Ausflug machen möchte. Diese Orte und Züge dorthin meide ich. Wenn ich doch mal in Situationen komme, wo viele Menschen sind, fühle ich mich unter Druck gesetzt und habe Angst. Unvorhergesehenes macht mir Angst, z.B. wenn eine Straßenbahn ausfällt, die

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nächste überfüllt ist und ich mein Ziel zu spät erreiche. Wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle, bringt mich das völlig aus dem Konzept. Z.B. wenn ich meine Mutter nicht zum vereinbarten Zeitpunkt telefonisch erreiche, eine Fernsehsendung ausfällt oder ich soll Arbeiten ausführen, die mir ungewohnt und nicht geläufig sind. Oder wenn die Essenszeiten aufgrund von Veranstaltungen im Saal vorverlegt werden oder der Bus ungewöhnlich voll ist, obwohl er um diese Zeit eigentlich nicht voll sein sollte. Es fällt mir sehr schwer, die Gefühle anderer Menschen zu verstehen und mich in sie hinein zu versetzen. Wahrnehmung Ich nehme die Welt anders wahr als andere Menschen. Ich fühle mich täglich und häufig durch Kinder und Jugendliche belästigt und bedroht. Zum Beispiel: Die Straßenbahn hält, ich möchte einsteigen. Die Bahn ist hinten voller Studenten, vorn ist es entspannter. Dann gehe ich extra nach vorn und steige dort ein, wo es ruhiger ist, wo weniger Menschen sind. Wenn aber die ganze Straßenbahn völlig überfüllt ist, erlebe ich darin den blanken

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Horror. Manchmal steige ich gar nicht ein, sondern warte auf die Nächste. Ich dokumentiere die Belästigungen so, wie ich sie erlebe. Ich schreibe diese Belästigungen in Tabellen. Damit lege ich diese Last ab, die auf mir liegt. Würde ich das nicht machen, würde ich diese Last immer weiter mit mir herum tragen. Ich zähle pauschal. Wenn viele Jugendliche da sind, zähle ich gruppenweise mal 10 bis 400 Belästigungen pro Situation. Ich zähle aber auch einzelne Belästigungen. Daneben zähle ich schwere Bedrohungen, wenn ich mich von Gruppen extrem bedroht fühle. So entstehen immer zwei Zahlen: Bei den Bedrohungen sind es 30 bis 100 pro Tag, insgesamt können es bis zu 1000 Belästigungen pro Tag werden. Es ist mir aber durchaus klar, dass die allermeisten Situationen, die ich als Bedrohung wahrnehme, nicht der Realität entsprechen. Ich schätze, dass an manchen Tagen nicht eine, an anderen Tagen maximal 38 Situationen real sind. Ich empfinde aber alle Situationen als real. Interessen Ich habe eine ganze Reihe von Interessen. Das sind zum einen Eisenbahnen auf der ganzen Welt, ihre Spurwei-

Leserbeiträge

ten, Fahrpläne, Streckennetze, Wagenmaterial, Bahnhöfe (Art und Anzahl der Bahnsteige, Überdachung, Lautsprecherdurchsagen, Personentunnel und mehr). Ich sammle Fahrpläne und Kursbücher gedruckt und auch aus dem Internet aus der ganzen Welt, Eisenbahnbilder und Streckenkarten. Ich habe alte und neue Fahrpläne. Am PC schreibe ich auch eigene Fahrplantabellen. Am liebsten mag ich den elektrischen Zugbetrieb mit ELoks, Oberleitungen. Mich fasziniert, dass es selbst in armen Ländern Afrikas und Asiens elektrifizierte Strecken gingt, z.B. in Simbabwe und dem Demokratischen Kongo. Beim Schreiben der Fahrpläne am PC lege ich größte Wert auf originalsprachliche Darstellung der Stationsnamen, z.B. „Łódž Frabryczna“ oder „København H“. Ich interessiere mich auch für die Nummern von Straßen. Speziell die Landesstraßen und Staatsstraßen der neunen Bundesländer fahre ich mit dem Fahrrad ab und archiviere sie dann in Tabellen. Dabei nutze ich auch die Bahn, lerne neue Strecken und Bahnhöfe kennen. Ich habe mir spezielle Netzknotenkarten besorgt oder heruntergeladen, nach denen ich meine Touren fest plane. Abwei-

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chungen davon gibt es in der Regel nicht. Weitere Hobbys sind: Audiokassetten bespielen mit Musik und Comedys wie „Baumann & Clausen“, Videos aufzeichnen v. a. mit Eisenbahn-Sendungen, Taucherfilmen und Komödien. Eine feste Tagesstruktur ist mir sehr wichtig. Ich bevorzuge feste Rituale auch beim Essen. Das gibt mir einen gewissen Halt, innere Sicherheit. Montags wasche ich meine Wäsche, mittwochs mache ich meinen Wocheneinkauf im Kaufland, und als Belohnung gibt es ein Grillhähnchen. Jeden Tag esse ich eine Dose Halberstädter Jagdwurst und DuploSchokoriegel. Damit geht es mir gut, ich belohne mich für einen anstrengenden Tag. Stärken Ich übernehme Verantwortung für meinen Arbeitsplatz, für Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit. Es fällt mir nie ein, meinen Arbeitsplatz schmutzig zu verlassen, da ich davon ausgehe, dass der Nächste seinen Arbeitsplatz ordnungsgemäß vorfinden möchten. Auch zu Hause halte ich Ordnung und Sauberkeit. Ich weiß auch zu Hause, wo meine Sachen liegen. Ich kümmere mich um meinen Haushalt, erledige behördliche Angelegenheiten sofort und schiebe nichts auf

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Die lange Bank. Rechnungen zahle ich auch sofort nach Erhalt der Ware. Ich habe einen guten Überblick über meine Finanzen. Ich kann sehr gut für mich planen. Die Woche ist immer streng durchgeplant, das gibt mir Sicherheit. Auf längerfristige Ziele arbeite ich konsequent hin, zum Beispiel Um- züge oder mehrtägige Fahrradtouren (rechtzeitig Unterkunft buchen). Bei meiner Wochenplanung schaue ich nach

Leserbeiträge

Fußballspielen und Großveranstaltungen, wenn ich eine Fahrradtour plane. Meine gesundheitlichen und hygienischen Belange bewältige ich auch sehr gut. Ich halte Termine ein. Bei Ärzten Behörden kann ich gut meinen Standpunkt (z.B. zu Medikamenten) vertreten. Ich bin ein Mensch, der sich auch gern mal etwas gönnt. Dazu gehört eine kleine Leckerei genauso wie mal ein

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neues Kursbuch, um mein Hobby zu bereichern. Ich bin gern in der Natur unterwegs und bin auch offen für Neues. Dazu bewege ich mich gern und versuche auch, Berge zu bewältigen bei Radtouren. (in „Etwas über mich“, vorgelegt von Manuel Eckart Mutzeck, Halle im März 2012)

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Arbeitsmethoden

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Gibt es eine autistische Wut?

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n meiner Arbeit mit autistischen Kindern und Jugendlichen wurde ich eines Tages mit für mich unvermittelt und scheinbar zusammenhangslosen Wutausbrüchen eines elfjährigen Jungen konfrontiert. Diese Wutausbrüche konnten in der Einzelförderung mittels lerntheoretischer Methoden einigermaßen bewältigt werden, traten aber in größeren Abständen immer wieder auf. Im häuslichen Umfeld ließen sich die Wutausbrüche bisher nur sehr schwer bearbeiten. Mit den in der Förderung genutzten Methoden (Verstärkerplan etc.) kam man nicht sehr weit. Nach einer Weiterbildung über die autistische Selbstsicht, nahm ich in Sachen Wut Kontakt zu der Referentin Frau Gee Vero auf. Frau Vero, die selbst vom Asperger-Syndrom betroffen ist, sollte mir das Wesen autistischer Wut erklären. Zuallererst wies sie mich darauf hin, dass autistische Wut grundlegend anders ist als die Wut der ,,neurotypischen“ Menschen (,,neurotypisch“ ist der Ausdruck mit dem autistische

Menschen nicht-autistische Menschen bezeichnen). Typisch für die autistische Wut ist, dass die autistische Wut häufig mit einem absoluten Kontrollverlust über das Gefühl Wut einhergeht. D.h. zielgerichtete Reaktionen auf die Wut (z.B. umlenken, unterdrücken) sind genauso wenig wie der Abgleich Individuum-Umgebung/Situation möglich. Beim neurotypischen Mensch greift dieser Abgleich dann, wenn er z.B. seine Wut aufgrund von Umgebungsinformationen unterdrückt. Bei autistischen Menschen ist der Ausgangspunkt für die Wut zuerst in Angst/Verwirrung zu sehen. Diese Angst kann z.B. durch plötzliche Änderungen im Tagesablauf, in der Reizkonstellation (zu viele, andere, ungewohnte Reize) oder in veränderten Wahrnehmungen hervorgerufen bzw. verstärkt werden. Grund dafür kann z.B. eine dysfunktionale Reizverarbeitung sein. Um die so entstandene Angst/Verwirrung auszugleichen, kommt es zur autistischen Wutreaktion mit dem entscheidenden Unterschied

des absoluten Kontrollverlustes. Ein sozial angemessenes Verhalten ist so nicht mehr möglich. Eng mit der Wut hängt die Wahrnehmung der eigenen/fremden Personen zusammen. Diese Wahrnehmung ist bei autistischen Personen eine grundlegend andere als bei neurotypischen Personen. Die Entwicklung der eigenen Selbstwahrnehmung (d.h. mehr oder weniger differenzierte Antworten auf Fragen wie ,,Wie bin ich?“, ,,In welchen Situationen reagiere ich wie?“, ,,Was kann ich mir zutrauen?“ etc.) erfolgt nicht oder nur fehlerhaft, weil die Wahrnehmung von Umgebungspersonen und deren sozialen Signalen nicht angemessen erfolgt. Das bedeutet, dass sich in Situationen, in denen der autistische Mensch stark im Aufmerksamkeitsfokus steht, die Selbstwahrnehmung erhöht. Durch die Defizite auf dem Gebiet der Selbstwahrnehmung kann auch Angst ausgelöst werden. Es ist die Angst vor einem äußerst diffusen, nicht greifbaren Selbst. Sie kann auch dann auftreten,

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wenn der autistische Mensch z.B. in Form seines Spiegelbildes, durch Hören der eigenen Stimme usw. mit seinem Selbst konfrontiert wird. Als Kompensation wird häufig Stimming1 genutzt. Um dem Auftreten von Wut beizukommen und in Situationen verbleiben zu können, kann es autistischen Menschen auch helfen, eine Weile für sich zu sein oder sich länger nur auf eine Person zu konzentrieren. Vonseiten neurotypischer Personen kann auch durch ein Ignorieren die Selbstwahrnehmung/konfrontation des autistischen Menschen reduziert und somit kurzfristig erträglicher gemacht werden 1

Stimming wird von autistischen Menschen genutzt, um in einer Situation bewusst verbleiben zu können, deren Reizgehalt sonst unerträglich wäre. Während des Stimmings setzt sich die betreffende Person selbst gezielte Reize (z.B. Drehen/ Wedeln von Gegenständen bestimmte Sachen anschauen, Staubkörner beobachten, Musikhören, etc.) die als kontrollierbar, vertraut und somit als Sicherheit gebend wahrgenommen werden Stimming schützt die betreffende Person vor Reizüberflutung und hat situationsbegleitenden Charakter – d.h. es tritt während der jeweiligen Situation regelmäßig immer wieder auf. Gegen die Wut wirkt es demnach bedingt vorbeugend.

Arbeitsmethoden

Um die ,,autistische Wut“ besser verstehen zu können, muss man auch die Funktion ,,Kompensation von Angst“ differenzierter betrachten. Wut schafft Sicherheit – aber wie? Sie evoziert bei neurotypischen Personen eindeutige (Wut-)Reaktion, die dem autistischen Menschen Sicherheit gibt (da vorhersehbar und bedingt auch selbst steuerbar). Auch (negative) Konsequenzen, die von NTs auf Wutausbrüche gesetzt werden, können ,,dankbar“ angenommen werden, da sie eben auch vorhersehbar und im Idealfall einer Regel entsprechend waren. Dementsprechend sollte die Wut von NTs nicht als etwas gegen ihre Person gerichtetes verstanden werden. Sie kann vielmehr auch als eine Art Dialog (mit Wut als ,,Kommunikationsmedium“), eine Sicherheit im Chaos (z.B. bei Abweichungen bei geplanten Vorhaben etc.) oder als ein Mittel, um mit Stressoren zurechtzukommen, verstanden und je nach Kontext akzeptiert werden. Was aber nicht heißt, dass Konsequenzen wie Aufmerksamkeitsentzug, Anbieten einer vorübergehenden Unterbringung in reizreduzierter Umgebung, Umlenken auf Routinen etc. ausbleiben sollen, da eben diese eindeutigen

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und regelgeleiteten Konsequenzen zum ,,Sicherheitspaket Wut“ gehören. An dieser Stelle ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Strafe völlig unsinnig ist, weil sie am Auftreten von Wut nichts ändern würde. Es geht eher um eine Verhaltenskonstanz, die vom neurotypischen Umfeld eingefordert wird und z.B. einfach auch im Zurückfahren der Aufmerksamkeit, im präventiven, diskreten Ermöglichen von Stimming zur rechten Zeit bestehen könnte. Neben dem Ignorieren erscheinen als sinnvolle Reaktionen auf die Wut Maßnahmen wie: - Zurücknehmen des Blickkontaktes - In-den-Raum-Sprechen - Kommunikation über Nutzung einer Handpuppe ggf. mit anderer Stimme - keine direkte Ansprache (z.B. in den Raum sprechen; sprechen wie beim Selbstgespräch; überhaupt viel sprechen, da bei Stille die Selbstwahrnehmung ,,hochfährt“ ) Schließlich ist es weiterhin noch von großer Bedeutung, dass neurotypische Personen autistischen Personen erklären, wie sie sich mit der autistischen Wut fühlen. Ein autistischer Mensch kann sich nicht oder nur schlecht in andere Menschen hineinversetzen. Aus diesem Grund ist

er darauf angewiesen, dass 04/2012

Menschen – ihm unsere Welt erklären. Last but not least sei besonders für die Eltern darauf verwiesen, dass das Auftreten der autistischen Wut nicht zwingend konstant sein muss. Viele (neurotypischen) Eltern sind erschreckt darüber, dass ihre autistischen Kinder in institutionellen Kontexten

wir – die neurotypischen Arbeitsmethoden

teilweise sogar völlig ohne Wut auskommen, obwohl die autistische Wut im häuslichen Umfeld ein zentrales Thema darstellt. Meines Erachtens spielen hier verschiedene Umgebungsfaktoren wie die erwartbare Tagesstruktur (z.B. in Schule), der soziale Zwang (z.B. durch das Modell anderer Kinder) oder die

WUT

Wut ist rot. Wut riecht nach faulen Fisch und K****e. Wut klingt nach einem bösen Ende. Wut schmeckt ecklig nach faulen Eiern. Wut ist wie eine Atombombe. Wut wäre im Märchen der Tod. „Wut“ von Vincent Hörnlein, 7 Jahre

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verfügbare Aufmerksamkeit (z.B. in der Klassengemeinschaft) eine Rolle. (Verfasser: Tim Schauer)

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Asperger - Leben in zwei Welten Herausgeberin: Dr. Christine Preißmann ISBN: 978-3-8304-3777-2

Einsam, isoliert, auf andere angewiesen? Wie lebt es sich eigentlich mit dem AspergerSyndrom? Welche Perspektiven haben Betroffene? Zugegeben, da gibt es viele Hürden – aber genauso viele findige Lösungen. Vom Mobbing in der Schule bis zum Einlassen auf eine Partnerschaft: Betroffene erzählen, wie sie „typische“ Situationen gemeistert haben. Dieses Buch ist am 22. Februar 2012 im Trias-Verlag

Stuttgart erschienen. Es ist gedacht für Fachkräfte, wie für selbst betroffene Menschen und deren Eltern. Neben fachlichen Hintergründen berichten acht autistische Menschen in ihren Texten, was ihnen in den verschiedenen Lebensbereichen Schule, Beruf, Freizeit, Wohnen, Freundschaft/ Partnerschaft sowie Gesundheit hilft.

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Für eine Löwenmutter In unserer Arbeit in der Autismusambulanz lernen wir natürlich auch die Eltern, Geschwister, Partner manchmal Großeltern oder Freunde kennen. Das Umfeld von Menschen mit Autismus leistet jeden Tag unendlich wertvolle Arbeit und der Motor dabei ist stets der Gleiche, eine große Liebe zum Kind, Partner, Bruder. Wenn ich zu Euch komme gibt es eigentlich immer etwas zu erzählen, denn irgendwas war oder ist immer. Für dich gibt es da keine Pause, als Mutter eines Kindes mit Autismus bist du immer im Dienst. Wenn Du erzählst, dann mit Stolz über jeden Erfolg Dei-

nes Kindes; Du freust dich sooft an Kleinigkeiten, die euch gemeinsam gelungen sind; Du findest Erklärungen, wenn mal etwas schief gegangen ist; Du verlierst eigentlich nie Deine gute Laune und wenn doch, dann war es ein wirklich mieser Tag; Du bist nicht nachtragend, auch nicht wegen der blauen Flecken, der zerschossenen Lampe, der zerbissenen Stuhllehne; was soll´s sagst Du, mich wird er nicht los, ich hab ihn trotzdem lieb. Du hörst nie auf zu fragen. Dich zu fragen, was geht in ihm vor, wie fühlt sich das für ihn an? Du hörst nie auf andere zu fragen.

Was können wir noch tun? Wie können wir ihm noch helfen? Du bist sein Sprachrohr, sein Übersetzer, sein Bodyguard. Wenn ich Dich frage, was Du dir wünschst, dann geht es meist darum nicht abgelehnt zu werden, dazu gehören zu dürfen, dem Wunsch nach Verständnis. Für das was Du jeden Tag leistest, hast Du eine Medaille verdient, aber die würdest Du eh nicht wollen. Deswegen diese Zeilen. Für Dich. (denn Du stehst stellvertretend für viele andere Löwenmütter, -väter, schwestern…)