Zeigen, dass es geht

9 dbb magazin September 2006 - 57. Jahrgang Behinderte Menschen im öffentlichen Dienst: Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“ Ze...
Author: Alfred Keller
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dbb magazin September 2006 - 57. Jahrgang

Behinderte Menschen im öffentlichen Dienst:

Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“

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Interview: Karin Evers-Meyer, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

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Beamtenrecht: Anhörung zum Beamtenstatusgesetz

dbb > aktuell

Nachwuchsmangel Nach statistischen Angaben gab es im Jahr 2000 noch 40 Millionen Erwerbstätige, 2025 werden es wegen sinkender Geburtenraten nur noch 28 Millionen sein. Die Konsequenzen aus dieser demographischen Entwicklung müssen jetzt und nicht erst in 20 Jahren gezogen werden, denn schon in wenigen Jahren wird im öffentlichen Dienst der berufliche Nachwuchs knapp werden. 75 Prozent der Beschäftigten sind älter als 35 Jahre. Voraussichtlich ab 2015 trifft den öffentlichen Dienst die Pensionierungswelle – genau dann, wenn der Mangel an qualifizierten Nachwuchskräften Deutschland fest im Griff hat.

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In dieser Ausgabe > >

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aktuell Interview mit Karin Evers-Meyer, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Beamtenstatusgesetz: Grundsätzliche Mängel beseitigen Steueränderungsgesetz 2007: Teilerfolg Verdienstkreuz für Frank Stöhr Tarifabschluss für kommunale Krankenhäuser: Verantwortung ernst genommen Mobilität für Beamte: Besoldungsansprücke mitnehmen

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Der Staat muss als Arbeitgeber attraktiver werden und den jungen Leuten signalisieren, dass Chancen und Perspektiven vorhanden sind. Dazu gehört auch, jungen Beamten den Einstieg je nach Qualifikationsniveau und die Möglichkeit des Aufstiegs nach erbrachter Leistung zu erlauben. Der öffentliche Dienst ist im demographischen Herbst angekommen, sagte dbb Chef Peter Heesen gegenüber dem Focus. Höchste Zeit, durch vorausschauende Personalpolitik die Qualitätsstandards der Verwaltung zu erhalten und auch für die kommenden Generationen sicherzustellen. Die Erfüllung dieses Auftrags wird zwar durch die Verlagerung dienst- und besoldungsrechtlicher Kompetenzen auf die Länder im Zuge der Föderalismusreform unnötig erschwert, muss aber dringend in Angriff genommen werden. Die Zeit zum Handeln ist jetzt. 

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Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion – Friedrichstr. 169/170, 10117 Berlin,  (0 30) 40 81-40, Fax (0 30) 40 81-55 98. Internet: www.dbb.de. E-Mail: [email protected] Chefredakteur: Dr. Walter Schmitz (sm); Redaktion: Christine Bonath (cri), Jan Brenner (br). Mitarbeiter dieser Ausgabe: Cornelia Krüger (cok), Britta Müller (bm), Helene Wildfeuer, Dr. Alexander Schrader (as), Arne Goodson (go), Christian Moos (cm). Redaktionsschluss am 10. jeden Monats. Namensbeiträge stellen in jedem Falle nur die Meinung des Verfassers dar. Gestaltung: Marian-Andreas Neugebauer. Fotos: Bonath, Brenner, fotolia, MEV, Müller, Project Photos. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift für Beamte, Angestellte und Arbeiter erscheint zehnmal im Jahr. Für Mitglieder ist der Verkaufspreis durch den Mitgliedsbeitrag abgegolten. Der Abonnementpreis für Nichtmitglieder des dbb beträgt jährlich 29,90 Euro inkl. Porto und Umsatzsteuer. Der Bezugspreis für das Einzelheft 3,50 Euro inkl. Porto und Umsatzsteuer. Bezug durch die Post. Einzelstücke durch den Verlag. Verlag: dbb verlag GmbH, Internet: www.dbbverlag.de, E-Mail: [email protected]. Verlagsort und Bestellanschrift: Friedrichstr. 165, 10117 Berlin,  (0 30) 7 26 19 17-0, Telefax (0 30) 7 26 19 17 40, Commerzbank Berlin: Konto 0733 998, Sparkasse Bonn: Konto 21 006 903. Versandort: Düsseldorf. Herstellung und Anzeigen: Vereinigte Verlagsanstalten GmbH, Höherweg 278, 40231 Düsseldorf, Internet www.vva.de, E-Mail [email protected]. Anzeigenleitung: Ulrike Niggemann. Anzeigenverkauf: Panagiotis Chrissovergis,  (02 01) 8 71 269 45, Anzeigendisposition: Britta Urbanski,  (02 11) 73 57-5 63, Fax (02 11) 73 57-5 07, Anzeigentarif Nr. 47 (dbb magazin), gültig ab 1. 10. 2005. Druckauflage: 739 217 Exemplare (IVW 2/2005). Vertrieb: Heike Lohe,  (02 11) 73 57-8 54, Fax (02 11) 73 57-8 91. Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinung. Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff. ISSN 0941-8156

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spezial Tarifautonomie als Grundrecht

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Arbeitskampf am Uniklinikum Aachen

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Senioren: Das Remscheider Modell

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Jugend: Ausbildung für junge Menschen mit Behinderungen

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Frauen: Vorankündigung zum 9. dbb bundesfrauenkongress

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Mitgliederservice: DBV beteiligt Kunden am Verkaufserlös 38

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Report: Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst: Zeigen, dass es trotzdem geht Meinung: „Schwächere“ brauchen starken Schutz Brennpunkt: Barrierefrei? In vielen Museen Fehlanzeige dbb akademie: Zertifikatskurs Gewerkschaftsmanagement Kommentar: Reform des Gesundheitswesens

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Impressum:

fokus

editorial

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finale Barrierefreies Internet: Auch Nichtbehinderte profitieren winFonds Rente dbb Mitgliedsgewerkschaften Kulisse

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> dbb magazin | September 2006

dbb > aktuell

Behindertenpolitik nach der Föderalismusreform:

Sparversuche sind nicht >

dbb magazin

Mit der Föderalismusreform gibt der Bund einen großen Teil seiner Verantwortung für die Behindertenpolitik in Deutschland an die Länder ab. Werden aufgrund der klammen Kassen über kurz oder lang Schutzrechte und Qualitätsstandards zur Disposition stehen? Droht ein „Pflegewettbewerb“ zwischen reichen und armen Ländern zu Lasten der Behinderten – ähnlich wie der bereits begonnene „Besoldungswettbewerb“ zu Lasten der Beamten?

4 Evers-Meyer

Ich will das mal vorsichtig formulieren: Auszuschließen ist das nicht. Ich denke schon, dass es Versuche geben wird, etwa bei den Qualitätsstandards im Pflegebereich zu sparen. Auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel bei Fragen der Erhebung von Gebühren für Verwaltungshandeln im Sozialbereich, wird der ein oder andere mit dem Gedanken spielen, mit den neu gewonnenen Kompetenzen mehr Geld in die Kassen zu bekommen. Auf der anderen Seite gibt es auch auf Landesebene Parlamente und engagierte Sozialminister, die Einsparungen zu Lasten behinderter Menschen nicht einfach akzeptieren werden. Wir haben das ja gerade in Niedersachsen bei dem Versuch erlebt, das Blindengeld ersatzlos zu streichen. Ich werde daher zukünftig noch enger mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Ländern zusammenarbeiten. Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und an einem Strang ziehen. Wichtig für

> dbb magazin | September 2006

Karin Evers-Meyer, MdB, Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen

mich ist aber auch, dass die Verbände und Interessenvertretungen behinderter Menschen zügig auf die neuen Zuständigkeiten reagieren und ihre Organisation auf Landesebene stärken.

Foto: BMGS

interview

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tigen wir (mehr) Sanktionsmaßnahmen, um beispielsweise das Behindertengleichstellungsgesetz oder das Antidiskriminierungsgesetz tatsächlich mit Leben zu erfüllen?

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dbb magazin

Gleichstellung muss in der Praxis erfolgen, sei es in der Schule, im Betrieb oder in der Freizeit. Der Appell an das Verantwortungsbewusstsein aller wird nicht genügen, um den Einzelnen zu aktivieren. Benö-

Evers-Meyer

In dieser Frage schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Natürlich muss der Gesetzgeber die Möglichkeit nutzen, seine Ziele notfalls auch mit Sanktionen durchzusetzen. Tut er dies nicht, macht er sich auf lange Sicht unglaubwürdig. Auf der

anderen Seite kenne ich nicht viele Sanktionen, die am Ende wirklich gegriffen haben. Oftmals wird ein bürokratischer Apparat geschaffen, in dem die einen immer nach Lücken suchen und die anderen ständig versuchen müssen, diese Lücken wieder zu schließen. Ich setze daher grundsätzlich auf eine sinnvolle Balance zwischen Sanktionen auf der einen und der Einsichtsfähigkeit und dem Verantwortungsbewusstsein jedes Einzelnen in unserer Gesellschaft auf der anderen Seite. Ich denke, Einsicht garantiert am ehesten

dbb > aktuell

auszuschließen

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dbb magazin

Der Bund beschäftigt gut sieben Prozent schwerbehinderte Menschen und überschreitet damit die vom Gesetzgeber vorgegebene Quote von fünf bis sechs Prozent deutlich. Im öffentlichen Dienst insgesamt, also bei Bund, Ländern und Kommunen, sind immerhin noch 5,2 Prozent Schwerbehinderte beschäftigt; in der freien Wirtschaft aber nur 3,4 Prozent. Viele Betriebe zahlen lieber eine Ausgleichsabgabe statt Behinderte auszubilden beziehungsweise zu beschäftigen. Woran liegt das, und wie ließe sich die Quote verbessern?

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Evers-Meyer

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Das fängt aus meiner Sicht damit an, dass nur rund zehn Prozent der behinderten Schülerinnen und Schüler in Deutschland unter einem Dach mit nicht behinderten Kindern

unterrichtet werden. Hier beginnt ein Entfremdungsprozess, der sich später im Berufsleben nur schwer wieder rückgängig machen lässt. Nicht nur vielen Arbeitgebern fehlt einfach der Zugang zu behinderten Menschen. Es herrscht viel Unkenntnis darüber, was behinderte Arbeitnehmer leisten können, welche Unterstützung der Staat bei der Einstellung behinderter Arbeitnehmer bietet und welchen rechtlichen Rahmen ein Anstellungsverhältnis mit einem behinderten Beschäftigten hat. Ich reise durch Deutschland und treffe immer wieder auf Unternehmen, große und kleine, die den Schritt bewusst getan haben, behinderte Menschen zu beschäftigen. Keines dieser Unternehmen hat diesen Schritt je bereut. Dies sind die positiven Beispiele, die ich versuche ins Land zu tragen. Viele dieser Unternehmen sind ja auch an der Initiative der Bundesregierung „Jobs ohne Barrieren“ beteiligt, die unter anderem die Förderung von Ausbildung be>

hinderter und schwer behinderter Jugendlicher und die Verbesserung ihrer Beschäftigungschancen zum Gegenstand hat.

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dbb magazin

Barrierefreiheit ist im Behindertengleichstellungsgesetz klar definiert. Behinderte sollen möglichst ohne fremde Hilfe zurecht kommen, ob im Amt, in der Bahn oder im (Behörden)Internet. Das ist längst nicht überall gegeben. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran? Kann Sie ein Rollstuhlfahrer, ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, in Ihrem Büro besuchen? >

recht guten Weg, der einfach Zeit braucht. Bei Neu- und Umbauten haben wir die Barrierefreiheit recht gut im Griff. Wo ich im öffentlichen Bereich noch Mängel sehe, ist der Zugang zu Informationen für seh- oder hörbehinderte Menschen etwa im Internet oder bei Informationsbroschüren und Formularen. Da gibt es noch viel zu tun. Viel zu tun bleibt im Übrigen auch noch dem privaten Sektor. Teile der Tourismusbranche haben inzwischen erkannt, dass Barrierefreiheit ein wirtschaftliches Plus ist. Andere, wie etwa Banken, sind da noch nicht so weit. Ich würde mir wünschen, wenn die Behindertenverbände dies noch deutlicher als bisher bei den Unternehmen einfordern würden.

Evers-Meyer

Das wäre ja ein Ding, wenn das nicht möglich wäre. Dann würde ich dieses Amt nicht ausüben. Was für die Behindertenbeauftragte gilt, ist jedoch, wie Sie richtig sagen, noch längst nicht überall der Fall. Ich denke, wir sind da aber auf einem

Info

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dbb magazin

Deutschland übt im ersten Halbjahr 2007 die EU-Ratspräsidentschaft aus; zudem ist 2007 das europäische Jahr der Chancengleichheit. Wie werden Sie diese Konstellation zur weiteren Verbesserung der Situation behinderter Menschen in Deutschland nutzen?

Karin Evers-Meyer, Jahrgang 1949, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und einer achtjährigen Tätigkeit an der Akademie der Künste Berlin machte sie Begabtenabitur und kehrte in ihre Heimat nach Friesland zurück. Nach einer Erziehungspause und einer Autorentätigkeit arbeitete sie als freie Mitarbeiterin bei Rundfunk und Fernsehen und als selbstständige Drehbuchautorin und Filmemacherin für Industriefilme. Seit 1986 ist Evers-Meyer Kreistagsmitglied des Landkreises Friesland, seit 1994 ehrenamtliche Landrätin des Landkreises Friesland und seit 1996 Ratsfrau in der Gemeinde Zetel. Von 1998 bis 2002 amtierte sie als Mitglied des Niedersächsischen Landtages. Dem Deutschen Bundestag gehört sie seit September 2002 an. Das Amt der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen hat Karin Evers-Meyer im November 2005 übernommen.

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Evers-Meyer

Wir werden ja voraussichtlich im nächsten Jahr eine UN-Konvention zum Schutz behinderter Menschen ratifizieren. Darüber hinaus werden wir im Rahmen unserer Präsidentschaft eine große behindertenpolitische Konferenz in Berlin veranstalten. Deutschland hat durchaus einiges vorzuweisen in Sachen moderner Behindertenpolitik. Wir können aber auch noch vieles lernen. Ich freue mich auf den Austausch mit meinen europäischen Kollegen. 

> dbb magazin | September 2006

5 interview

nachhaltigen Erfolg. Was die von Ihnen genannten Gesetze angeht, so muss man genau hinschauen. Beim Behindertengleichstellungsgesetz sind wir an einem Punkt angelangt, an dem man durchaus darüber nachdenken sollte, wie man den Druck im Kessel halten kann. Für mich wären etwa klare Fristsetzungen, bis wann Barrierefreiheit zu gewährleisten ist, denkbar. Beim Antidiskriminierungsgesetz stehen wir dagegen noch am Anfang. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass sich dieses Gesetz recht bald mit Leben erfüllen wird. Dann werden wir sehen, ob und wie es wirkt.

dbb > aktuell

Beamtenstatusgesetz:

Grundsätzliche Mängel beseitigen

beamtenrecht

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Der dbb hat „grundsätzliche Mängel“ im Entwurf des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) kritisiert, das im Zuge der Föderalismusreform die einheitlichen Grundlagen des Beamtenrechts in den Ländern neu ordnen soll. „Wir sehen darin einen Rückschritt – weg von der Bundeseinheitlichkeit, hin zu einer provinzrechtlichen Gemengelage“, sagte dbb Chef Peter Heesen bei einem Beteiligungsgespräch am 8. August 2006 im Bundesinnenministerium in Berlin. Der Bund interpretiere seine ihm aufgrund der Verfassungsänderung zustehende eigene Regelungsbefugnis unnötig eng. Der Verfassungsgeber habe aber klar erkannt, dass unbeschadet der Ausgestaltungsrechte der Länder der Kern des Berufsbeamtentums weiterhin bundeseinheitlich bleiben soll. „Einheitliche Grundstrukturen sind notwendig, damit eine bundesweite Mobilität der Beamten auch über Ländergrenzen und -kompetenzen hinweg erhalten bleibt“, sagte der dbb Bundesvorsitzende. Das diene nicht nur dem Beamten selbst, sondern auch den Interessen der öffentlichen Verwaltung.

ten an. „Deshalb wäre es angebracht, die Festlegung des Grundgesetzes wieder aufzunehmen, dass hoheitliche Aufgaben durch Beamte wahrzunehmen sind,“ forderte Hee-

sen. Auch der Grundsatz, dass die Rechtsstellung der Beamten nur durch Gesetz geregelt werden kann, müsse in den Entwurf hineingeschrieben werden. Dass die Fürsorgepflicht für Beamte und Versorgungsempfänger den Anspruch auf Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung umfasst, gehöre nach Auffassung des dbb gleichfalls in das BeamtStG. Das eigenständige Versorgungssystem müsse statusrechtlich ausdrücklich vorgegeben und eine bundeseinheitliche Altersobergrenze festgelegt werden. „Die Dauer des Beamtenverhältnisses festzuschreiben, ist Verfassungsauftrag“, bekräftigte Heesen. Mit Unverständnis hat der dbb auf die Absicht reagiert, das

Personalvertretungsrecht – anders als das weiterhin bundesrechtlich verankerte Betriebsverfassungsrecht – nicht als grundsätzlichen Rechtsanspruch der Beschäftigten festzuschreiben. „Diese Ungleichbehandlung zwischen privatem und öffentlichem Bereich können wir nicht nachvollziehen“, sagte Heesen. „Hier könnte der Bundesgesetzgeber sehr weitgehende Vorgaben machen, weil dieser Bereich weder dem Laufbahn- noch dem Besoldungs- noch dem Versorgungsrecht zuzuordnen ist.“ Der dbb Chef appellierte, die „grundsätzlichen Mängel des Entwurfs, das heißt das Fehlen der aufgezeigten statusrechtlichen Regelungstatbestände, noch einmal gründlich zu überdenken“. 

Eine der Grundlagen von Mobilität sei etwa im Laufbahnrecht die Gewissheit, dass in anderen Gebietskörperschaften erworbene Laufbahnbefähigungen überall in Bund und Ländern anerkannt werden. Deshalb vermisse der dbb in dem Gesetzentwurf die bundeseinheitliche Regelung laufbahnrechtlicher Schnittstellen. Auf gemeinsame Grundlagen komme es auch bei den statusrechtlichen Pflichten und Rech-

> dbb magazin | September 2006

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dbb Chef Peter Heesen (Mitte) erläuterte die Einwände des dbb gegen den Gesetzentwurf. Rechts im Bild der VBOB-Bundesvorsitzende Rainer Schwierczinski.

dbb > aktuell

Steueränderungsgesetz 2007:

Teilerfolg dem Steueränderungsgesetz 2007 zugestimmt, nachdem der Deutsche Bundestag am 29. Juni 2006 das Gesetz in 2. und 3. Lesung verabschiedet hatte.

Das Bundesinnenministerium will die zusätzlichen finanziellen Verluste für Beamte durch die Herabsetzung der Grenze für den Bezug von Kindergeld auf das 25. Lebensjahr des Kindes abmildern. Weil für Beamte der Verlust des Kindergeldes zusätzlich den Wegfall des Familienzuschlags, der Beihilfeberechtigung des Kindes sowie gegebenenfalls die Kürzung des eigenen Beihilfebemessungssatzes bedeutet, soll mit einer Übergangsregelung die Beihilfeberechtigung von im Wintersemester 2006/2007 an einer Fachhochschule oder Hochschule eingeschriebenen Kindes bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zuzüglich Zeiten des Wehr- oder Ersatzdienstes oder davon befreiender Tätigkeiten erhalten bleiben. Der Bundesrat hat am 7. Juli 2006

Der dbb hatte bei der Anhörung vor dem Finanzausschuss insbesondere die geplante Beschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer und die Kürzung der Entfernungspauschale scharf kritisiert. Ebenso war die Absenkung des Höchstalters für den Bezug von Kindergeld entschieden abgelehnt worden.

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Foto: Eduard N. Fiegel

kompakt

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Bei den von ihm geforderten Nachbesserungen zum Steueränderungsgesetz 2007 konnte der dbb einen Teilerfolg erzielen.

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Info

Pensionsfonds in Sachsen-Anhalt Der dbb hat die Initiative zur Einrichtung eines Vorsorgefonds für Beamtenpensionen in Sachsen-Anhalt begrüßt. „Damit nimmt man sich auch in diesem Bundesland endlich eines Problems an, vor dem die Politiker viel zu lange die Augen verschlossen haben“, sagte dbb Chef Peter Heesen am 16. August 2006 in Berlin. Der Bund und Bayern hatten ebenfalls die Einrichtung von Fonds zur Sicherung der Beamtenpensionen angekündigt. Der dbb tritt seit Jahren für die Schaffung solcher Vorsorgefonds ein. „Die Beamtenversorgung muss auf stabilen Fundamenten ruhen“, sagte Heesen. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass sich die Politiker nicht in Zeiten knapper Kassen dieser Rücklagen bedienen können, um Haushaltslöcher zu stopfen. 

Hinsichtlich der Abzugsfähigkeit des dienstlichen Arbeitszimmers bleibt der dbb der Auffassung, dass es nicht hinzunehmen ist, dass berufsbedingte Ausgaben künftig allein der privaten Lebenssphäre zugeordnet werden. Es ist daher geplant, geeignete Fälle auszuwählen und Musterverfahren nach Prüfung gegebenenfalls zu unterstützen. 

Personalie Der ehemalige Vorsitzende der dbb tarifunion, Horst Zies, feierte am 4. August 2006 seinen 70. Geburtstag. Horst Zies hat die Tarifpolitik des dbb in vier Jahrzehnten Gewerkschaftsarbeit maßgebend beeinflusst und die Tariflandschaft des öffentlichen Dienstes entscheidend geprägt. Auf seine Initiative erfolgte unter anderem die Umwandlung von GtV und GGVöD zur dbb tarifunion. Horst Zies war stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und wurde vom Gewerkschaftstag im November 1995 für seine Verdienste zum Ehrenmitglied gewählt. Das dbb magazin gratuliert herzlich zum runden Geburtstag und wünscht weiterhin Glück und Gesundheit. 

> dbb magazin | September 2006

Verdienstkreuz für Frank Stöhr Der 1. Vorsitzende der dbb tarifunion und stellvertretende Bundesvorsitzende des dbb Frank Stöhr hat am 21. August 2006 in Berlin das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Berlins Innensenator Erhart Körting überreichte die Auszeichnung stellvertretend für Bundespräsident Horst Köhler und würdigte damit die besonderen Verdienste des Gewerkschafters während seines jahrzehntelangen ehrenamtlichen und beruflichen Einsatzes. Körting hob besonders Stöhrs unermüdliches Engagement für die Belange der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst hervor und lobte ihn als in der Sache harten aber fairen sowie im persönlichen Umgang menschlichen und verlässlichen Tarifpartner. Auch dbb Chef Peter Heesen würdigte Stöhr im Rahmen der Feierstunde in der Senatsverwaltung für Inneres in Berlin als einen Gewerkschafter, der die Interessen der Mitglieder mit der nötigen Ungeduld, aber gegenüber seinen Verhandlungspartnern stets fair durchzusetzen suche. 

dbb > aktuell

Tarifabschluss für kommunale Krankenhäuser:

Verantwortung ernst genommen >

tarifpolitik

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Im Tarifkonflikt um die Bezahlung an den kommunalen Krankenhäusern haben sich Arbeitgeber und die Gewerkschaften dbb tarifunion, und ver.di auf einen Abschluss geeinigt. Das teilte der 1. Vorsitzende der dbb tarifunion, Frank Stöhr, am 1. August 2006 auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main mit. Die Regelungen sind zum 1. August in Kraft getreten. Der Marburger Bund war an den Verhandlungen nicht beteiligt, sondern hat für die Ärzte an kommunalen Krankenhäusern nach weiteren Streiks einen eigenen Tarifvertrag abgeschlossen. Stöhr wertete die Tarifeinigung zwischen dbb tarifunion und ver.di einerseits und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) andererseits als bedeutenden Erfolg für alle Beschäftigten im Krankenhausbereich: „Wir haben eine Spaltung in den Krankenhäusern verhindert. Im Krankenhaus ist Teamwork alles. Es wäre doch absurd, wenn sich die Beschäftigtengruppen, die im Alltag gemeinsam im OP stehen, Patienten betreuen oder Schichtdienste fahren, am Verhandlungstisch auseinanderdividieren lassen würden.“ Übereinstimmend lobten ver.di Chef Frank Bsirske und Frank Stöhr den erreichten Tarifkompromiss. Er komme nicht nur den Ärzten, sondern allen Beschäftigten der kommunalen Krankenhäuser zu Gute. Die Krankenhäuser seien auf die Zusammenarbeit „intakter, hochleistungsfähiger Teams“ angewiesen. Da dürfe nicht eine Berufsgruppe alle Spielräume für sich selbst nutzen. Mit den vorliegenden Eckpunkten

> dbb magazin | September 2006

werde den berechtigten Interessen der Ärzte genauso Rechnung getragen, wie den Ansprüchen des Pflege-, Reinigungs- und Verwaltungspersonals. Diese Einsicht hat in den vergangenen Wochen auch die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) gewonnen. „Im Sinne des sozialen Friedens im Gemeinwesen Krankenhaus“ habe die VKA dieser Lösung zugestimmt, erklärte VKA-Präsident Thomas Böhle. Die Bezahlungs- und Arbeitsbedingungen sind deutlich verbessert worden. Für das nichtärztliche Personal haben die Tarifpartner eine dynamische Zulage vereinbart. Der Bereitschaftsdienst wird künftig besser bewertet und bezahlt. „Es wurden keine Lohnerhöhungen mit der Brechstange eingefordert“, erklärte Stöhr. Der Abschluss sei zudem nicht geeignet, Stellenabbau oder Privatisierungen zu legitimieren. Dadurch werde sicherge-

Alle Berufsgruppen in kommunalen Krankenhäusern brauchen gerechte Arbeitsbedingungen. Vom Oberarzt über die Krankenschwester bis hin zum Verwaltungspersonal.

stellt, dass die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung nicht gefährdet wird. Im Gegenteil erhöhe der Abschluss die Konkurrenzfähigkeit der kommunalen Kliniken im Wettbewerb um gutes Personal. Das zwischen Marburger Bund und der VKA am 17. August 2006 ausgehandelte Übereinkommen gilt indes nur für Ärzte. Es basiert weitestgehend auf dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Eckpunktepapier, das dbb tarifunion und VKA bereits am 1. August 2006 vereinbart haben. Wie Frank Stöhr feststellte, „ist diese Spartenregelung für Ärzte kein Tarifvertrag, der eine Befriedung für alle Beschäftigten in den Krankenhäusern möglich macht. Unsere Einigung von Anfang August war die verantwortungsvollere, weil wir für alle Beschäftigtengruppen finanzielle Verbesserungen erreicht hatten.“ Der materielle Gehalt der Einigung zwischen Marburger Bund und VKA unterscheide >

sich nur unwesentlich von den Eckpunkten der VKA und dbb tarifunion. „Es gibt insbesondere Verschiebungen in der Vergütungstabelle zugunsten der leitenden Ärzte“, so Stöhr. Nach der Vereinbarung von Marburger Bund und VKA bestehe zudem – anders als bei der Einigung mit der dbb tarifunion – kein tarifvertraglicher Anspruch auf Leistungsbezahlung. „Der Marburger Bund hat für die Ärzteschaft marginale Nachbesserungen erreicht. Diese bringen für den einzelnen Arzt wenig, vertiefen aber den Graben zwischen den Beschäftigten in den Krankenhäusern und stellen die Zukunft vieler kommunaler Krankenhäuser in Frage“, bedauerte Stöhr. Außerdem zeige die bereits beginnende Tarifflucht einzelner Kliniken, dass die Brechstangen-Taktik des Marburger Bundes einen tarifpolitischen Pyrrhussieg zur Folge haben könnte. Einzelheiten finden Sie unter www.tarifunion.dbb.de

Aufstiegschancen schaffen dbb Bundesvorsitzender Peter Heesen hat fehlende Aufstiegschancen für Grund- und Hauptschullehrer kritisiert. Hintergrund der Kritik war ein Vorstoß von Finanzminister Gerhard Stratthaus und Kultusminister Helmut Rau, die die in Baden-Württemberg anstehende Reform der Beamtenbesoldung dazu nutzen wollen, einzelne „leistungsstarke“ Lehrer an Hauptschulen besser zu bezahlen. Vor dem Hintergrund eines drohenden Wettbewerbsföderalismus zwischen den einzelnen Bundesländern warnte Heesen am 26. Juli 2006 in der Süddeutschen Zeitung davor, dass es zu Abwerbungen kommen werde, wenn die Bundesländer unterschiedlich starke Leistungsanreize einführten. Stattdessen müssten die generellen Aufstiegschancen für alle Grund- und Hauptschullehrer in den Fokus rücken. Was derzeit geboten werde, sei „keine Laufbahn, sondern ein Laufstall“. 

go

dbb > aktuell

Mobilität für Beamte:

Besoldungsansprüche mitnehmen Der dbb hat bundeseinheitliche Regelungen für die Mitnahme von Versorgungsansprüchen gefordert, damit Beamte zwischen den Bundesländern oder in die freie Wirtschaft wechseln können. Es droht eine Entwicklung, nach der am Ende das Land, bei dem der Beamte zuletzt arbeitete, die gesamte Pensionslast tragen müsse. Dann werde kein Bundesland mehr einen Beamten übernehmen, der nur noch zehn Jahre Dienst vor sich hat. „Wenn der Bund das nicht regelt, dann müssen die Länder bürokratisch aufwändige Staatsverträge für die Aufteilung der Kosten schließen“, sagte Heesen in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „Focus“ (Ausgabe vom 7. August 2006) zur aktuellen Lage nach der Föderalismusreform. Bislang strebten Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen konkrete eigene Regelungen zur Bezahlung ihrer Beamten an. Bayern

und Hessen hätten 2008 Landtagswahlen und deswegen keine so große Eile. Mehrere Bundesländer im Norden um Niedersachsen wollen alles daransetzen, ein Verbundsystem zu entwickeln, erläuterte Heesen. Mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble sei der dbb derzeit im Gespräch, um den Wechsel in die freie Wirtschaft zu erleichtern: „Ein Beamter, der nach 15 Jahren als selbstständiger Architekt arbeiten möchte, verliert bisher seine Versorgungsansprüche. Ich will, dass er sie künftig anteilig mitnehmen kann und im Ruhestand eine Teilpension vom Staat erhält.“ Bei einer möglichen Leistungsbezahlung müssen dem dbb Chef zufolge die aktuellen Ein-

kommensverluste berücksichtigt werden, damit die vom dbb angestrebten On-Top-Zuschläge überhaupt Motivation freisetzen können: „Die Gehälter der Bundesbeamten sinken dieses Jahr um 4,6 Prozent, weil die Arbeitszeit verlängert und

das Weihnachtsgeld gekürzt wird. Nicht einmal die Besten könnten dies wettmachen, wenn künftige Leistungszuschläge maximal ein Plus von vier Prozent bringen. Das ist mit uns nicht zu machen, das weiß auch der Bundesinnenminister.“ 

dbb unterstützt „Innovative Verwaltung“ Der dbb hat die Initiative der Bundesregierung zum Abbau von Bürokratie grundsätzlich begrüßt, zugleich aber die Einhaltung von Zusagen angemahnt, die den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gegeben worden waren. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Heinz Ossenkamp (Bildmitte mit VBB Chef Thorolf Schulte, links, und dem Vorsitzenden des VBOB Rainer Schwierczinski, rechts) sagte bei der Anhörung zum Regierungsprogramm „Innovative Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger“ am 22. August 2006 im Bundesinnenministerium in Berlin, der Programmentwurf, in dem auch Aussagen zur Modernisierung des Tarif- und Dienstrechts enthalten sind, sei „sehr ehrgeizig“. Der dbb Vize kritisierte, für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sei kaum nachzuvollziehen, dass an keine Stelle erwähnt wird, welche Einschnitte sie bisher schon hinnehmen mussten. Der dbb fordere daher als ersten Schritt, „dass die vereinbarten und zugesagten Einmalzahlungen für die Beamtinnen und Beamten des Bundes für die vergangenen Jahre unverzüglich gezahlt werden“. Weiter merkte Ossenkamp an, dass die im Programmentwurf vorgesehenen „Optimierungsprozesse“ nicht mit Personalabbau gleichgesetzt werden dürften. 

dbb > fokus

Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst:

Zeigen, dass Mit Handikap zu leben, muss nicht bedeuten, ohne Berufstätigkeit zu existieren. Der Anspruch Behinderter auf angemessene Teilhabe am Erwerbsleben ist gesetzlich festgelegt. Doch sind die Regelungen des Gesetzgebers so vage, dass sie die Arbeitgeber geradezu einladen, sich von ihren Pflichten frei zu kaufen. Richtig gut steht nur der öffentliche Dienst da: Dort stimmen die Quoten, sagen die Statistiker. Doch sagen die Zahlen nicht, wo und wie sich Behinderung und Berufstätigkeit verbinden lassen.

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Selbst Jahrzehnte später ist Heinz Pütz noch erstaunt, dass ausgerechnet er soweit gekommen ist. „Aus dir wird allenfalls ein Oberlehrer, aber einer mit zwei E“, hatte ein Lehrer in seinem nördlich von Aachen gelegenen Heimatdorf den von Geburt an fast blinden Jungen verspottet, der dem Unterricht mit drei Prozent Sehvermögen nur mühsam folgen konnte. „Das war eine ganz andere Zeit ,“ erinnert sich der heute 52-Jährige. „In den fünfziger und sechziger Jahren gab es noch kaum erschwingliche Hilfsmittel für wesentlich Sehbehinderte. Auch an eine Sonderförderung war bei uns auf dem Land nicht zu denken. Ich kam auf die Volksschule, und dort hielten die Lehrer mich

> dbb magazin | September 2006

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Renate Strössner kümmert sich in der Stadtverwaltung Aachen um die Belange der Beschäftigten mit gesundheitlichen Einschränkungen.

wegen meiner Fast-Blindheit auch gleich für geistig zurückgeblieben.“ Ein grober Irrtum der Dorfschullehrerzunft, wie sich zeigte, als Heinz Pütz im Teenager-Alter das heutige Berufsförderungswerk im nahe gelegenen Düren besuchte. Dort konnte er seine unterforderte Intelligenz endlich entfalten. Doch erst 1974, im Alter von zwanzig Jahren, und nach erfolgreichem Abschluss eines Telefonisten-Lehrgangs speziell für Blinde und wesentlich Sehbehinderte, erhielt er endlich ein Stellen-Angebot: Für die Telefonzentrale des Finanzamtes in Geilenkirchen wurde ein Mitarbeiter gesucht. Pütz nahm an. >

Die Hauptvertrauensperson

Vier Jahre nach seinem Eintritt ins Finanzamt wählten ihn seine Kollegen in die örtliche Schwerbehindertenvertretung. Der „kleine Tarifbeschäftigte“

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Der blinde Heinz Pütz ist Hauptansprechpartner für die rund 18 500 Beschäftigten mit Handikap, die in den obersten Landesbehörden in NRW arbeiten.

(Heinz Pütz) stand in seiner neuen Vertrauensfunktion plötzlich hochrangigen Finanzbeamten in leitenden Funktionen gegenüber – und schwatzte und trotzte ihnen für die Beschäftigten mit Handikap ein Zugeständnis nach dem anderen ab. „Ich bin halt ein nerviger Typ“, kommentiert Heinz Pütz die beharrliche Seite seines Wesens. Der Erfolg gibt ihm Recht. Die Schwerbehindertenstatistik des Finanzamts Geilenkirchen ragt mit der Traumquote von nahezu zwanzig Prozent weit über den vom Gesetzgeber festgelegten Wert von fünf Prozent hinaus. Hinzu kommt, das das rund 200 Beschäftigte zählende Amt – einschließlich seines denkmalgeschützten Altbaus – sämtliche Kriterien der Barrierefreiheit erfüllt. „So gehört sich das auch“, ist Pütz überzeugt. 16 Jahre repräsentierte er hier die Schwerbehindertenvertretung, und auch als er das örtliche Mandat 1994 weitergab, um verstärkt auf Bezirks- und Lan-

dbb > fokus

es trotzdem geht

Braillezeile und ein PC, der sprechen kann: Der blinde Lutz-Peter Drabe betreut von seinem speziell ausgerüsteten Arbeitsplatz die Telefonzentrale der Studienverwaltung bei der Freien Universität Berlin und bearbeitet eingehende Emails.

desebene zu wirken, ist Geilenkirchen sein Stützpunkt geblieben. „Ich kann doch nicht in Ämter fahren und denen empfehlen, was hier nicht läuft.“ Als „Hauptvertrauensperson >

schwerbehinderter Menschen beim Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen“ – so die offizielle Bezeichnung – betreut der seit einigen Jahren vollends Erblindete 144 Dienst-

Öffentlicher Dienst ist Vorreiter Aus dem Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes 2006 geht hervor, dass die Bundesministerien und die sonstigen Bundesdienststellen jeweils mit ihren nachgeordneten Dienststellen im Berichtsjahr 2004 einen Anteil von 7,1 Prozent schwerbehinderter Menschen beschäftigten. Damit liegt die Beschäftigung über der geforderten Beschäftigungsquote für Schwerbehinderte von fünf bis sechs Prozent für den öffentlichen Dienst des Bundes. Die Zahl der schwerbehinderten Frauen im öffentlichen Dienst des Bundes insgesamt ist im Berichtszeitraum um 283 von 7 400 auf 7 683 und damit um rund 3,8 Prozent gestiegen. Insgesamt besetzen Frauen mit 35,3 Prozent mehr als ein Drittel aller Pflichtarbeitsplätze. Der Anteil der Frauen an den Neueinstellungen schwerbehinderter Menschen betrug 43,1 Prozent. In den Ländern lag die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter im Jahr 2003 (aktuellere Zahlen lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor) durchschnittlich bei 5,4 Prozent und damit exakt auf dem Niveau der Gesamtbeschäftigung Schwerbehinderter bei Bund, Ländern und Kommunen für dasselbe Jahr. Die Beschäftigungsquote im öffentlichen Dienst ist in den neuen Ländern seit 1994 fast stetig von 4,9 auf 5,3 Prozent angestiegen. Bei den privaten Arbeitgebern blieb im Jahr 2003 stieg die durchschnittliche Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen im gesamten Bundesgebiet um 0,2 Prozent auf 3,6 Prozent. Mehr dazu unter www.bmas.bund.de 

stellen und legt großen Wert darauf, persönliche Kontakte zur Basis und zu den unmittelbar Betroffenen zu pflegen. Dazu ist er der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sämtlicher Schwerbehindertenvertretungen in den obersten Landesbehörden Nordrhein-Westfalens, die für die Interessen von rund 18 500 schwerbehinderten Beschäftigen eintritt. Im Ehrenamt dient Pütz der Deutschen Steuergewerkschaft als Experte für Schwerbehinderten-Fragen und als Dozent steht er bei Spezialschulungen Rede und Antwort. Und wo immer möglich, bringt er auch seine zentrale Botschaft mit an: „Berufliche und soziale Integration sind nicht trennbar!“ In einigen Wochen wird Pütz dieses Kernanliegen auch beim Grundsatzgespräch mit dem dbb Bundesvorsitzenden Peter Heesen vortragen: „Außerdem müssen wir dbb-Gewerkschafter etwas tun, damit die Gruppe der Schwerbehinderten in

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Jutta Beyer-Vollprecht ist die Vertrauensperson für die schwerbehinderten Beschäftigten im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

den Vorhaben zur Reform des öffentlichen Dienstes angemessen berücksichtigt wird.“ >

Die Problem- und Konfliktberaterin

Wer Renate Strössner in ihrem Büro besucht, darf sicher sein, dass er oder sie ungeteilte Aufmerksamkeit genießt. Die Tür bleibt geschlossen, das Telefon ist auf den Anrufbeantworter umgeleitet. Und so bleibt es; Ob der Besuch zwei Minuten dauert oder erst nach zwei Stunden endet, spielt keine Rolle. „Manchmal dauert es seine Zeit, bis sich heraus stellt, weshalb der Mensch eigentlich zu mir gekommen ist“, sagt die Vertrauensfrau für die Belange der schwerbehinderten Beschäftigten bei der Stadtverwaltung Aachen, „aber irgendwann haben wir das Anliegen dann heraus gebracht“, ergänzt sie, und der offene Blick ihrer blauen Augen legt die Vermutung nahe, dass es kaum jemand schafft, sich ihr nicht anzuvertrauen.

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Die Art, wie sie zuhört und sich auf ihr Gegenüber konzentriert, ist sicher ein Grund, weshalb die in der komba-Gewerkschaft organisierte 52-Jährige seit zwanzig Jahren, das sind fünf Wahlperioden von je vier Jahren, immer wieder in ihrem Amt bestätigt wird. Doch es gibt noch zwei weitere Gründe, und die wiegen sicher ebenso schwer: Erstens, die studierte Sozialwissenschaftlerin ist sehr erfahren im Bereich der Problem- und Konfliktberatung, weil sie ihren Berufsweg in der psychosozialen Beratungsstelle der Stadt Aachen begonnen und einige Jahre mit akut selbstmordgefährdeten Menschen gearbeitet hat. Zweitens, ist sie selbst auf den Rollstuhl angewiesen, seit sie im Alter von zwei Jahren an Kinderlähmung erkrankte. „Durch mein eigenes Handikap kann ich zeigen, dass es trotzdem geht. Ich darf im Beratungsgespräch schon mal sagen, jetzt jammern wir nicht, sondern tun was, damit es irgendwie besser wird“, sagt Renate Strössner und rollt zu einem Aktenschrank, um die jüngsten Zahlen heraus zu suchen. „Im Mai 2006 waren bei der Stadtverwaltung Aachen 4 335 Menschen beschäftigt, davon 317 Schwerbehinderte, das macht eine Quote von 7,9 Prozent“, liest sie vor. „Mit dieser Quote liegen wir über dem gesetzlich geforderten Soll, weitere Möglichkeiten den Schwerbehindertenanteil bei uns noch aufzustocken, gibt es nur, wenn auch die Bereitschaft besteht, Arbeitsplätze nach der gesundheitlichen Einschränkung eines möglichen Bewerbers auszurichten. Da muss ich häufig viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Auch wenn Umsetzungen in einem anderen beruflichen Bereich nötig werden, steht die Vertrauensfrau, die sich auch um das Wohlergehen der von Schwerbehinderung bedrohten, sprich mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 Prozent beeinträchtigten Kolle-

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ginnen und Kollegen sorgt, vor einem wiederkehrenden Problem: Wo innerhalb der Stadtverwaltung findet sie für Müllwerker oder Friedhofsarbeiter, denen die schwere Arbeit etwa den Rücken kaputt gemacht hat, einen Arbeitsplatz, der es ihnen erlaubt, trotz ihrer Beeinträchtigungen im Erwerbsleben zu bleiben? „Das wird immer schwieriger“, sagt sie, „die sogenannten einfachen Arbeitsplätze, etwa im Botendienst oder als Aufsicht im Museum, fallen immer mehr der Technisierung zum Opfer.“ Neben gesundheitlichen Einschränkungen im orthopädischen Bereich sind schwere Krebserkrankungen und vermehrt psychische Erkrankungen und „Burn-Out“-Syndrome häufige Ursachen für die Entstehung einer Schwerbehinderung sind. Hinzu kommen kaum kontrollierbare, in Schüben verlaufende Leiden wie zum Beispiel multiple Sklerose oder chronisches Rheuma. Welche Ursache auch immer zu Grunde liegt, Renate Strössner muss jeden einzelnen Fall individuell bewerten, „schauen, was zumutbar ist“. Wobei „zumutbar“ sich aus Sicht der Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich auf beide Seiten bezieht – Behinderte und Nichtbehinderte: „Wir sind hier auf dem ersten Arbeitsmarkt, und auch Schwerbehinderte müssen die ihren Möglichkeiten angepassten Leistungsanforderungen erfüllen. Bei der zunehmenden Arbeitsverdichtung, die wir hier wie auch anderswo im öffentlichen Dienst haben, gehört es auch zu meinen Aufgaben, genau hinzuschauen, ob der Kollegenkreis eines Schwerbehinderten nicht zuviel zusätzliche Aufgaben übernehmen muss.“ >

Der High-TechAnwender

Die Bürotür zum Flur steht offen. „So bin ich immer ganz nah am Geschehen dran“ sagt der 47-jährige Lutz-Peter Drabe. Seit

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Ohne Notizen geht es nicht immer: Mit seiner Braille-Schrift-Maschine stanzt Heinz Pütz einige Stichworte für einen Vortrag auf schmale Papierstreifen.

nunmehr 25 Jahren arbeitet der von Geburt an Blinde bei der Freien Universität Berlin als Telefonist. Zunächst in der Tierklinik Düppel, anschließend beim UniRadio und nun seit 2001 in der Telefonzentrale der Studierendenverwaltung. Seine Braille-Tastatur, die er liebevoll „500-Mark-Kugelschreiber“ nennt, versetzt ihn in die Lage, sich eingehende E-Mails vom Computer vorlesen zu lassen und diese zu beantworten. Die technisch ausgereifte Telefonanlage und eine Stenomaschine für Nicht-Sehende ergänzen sein kleines High-Tech-Imperium. Morgens um 8.30 Uhr werden erst einmal die neuen E-Mails abgerufen. „Es sind hauptsäch>

lich Anfragen von Studierenden zu Formalien und Kosten, die ich dann auch meist gleich beantworten kann“. Haben die Kollegen Termine, stellen sie meist ihre Telefone auf ihn um, denn „ich bin der, der immer da ist“, sagt Drabe mit einem schelmischen Lächeln. „Ich erhalte eine spezielle PC-Schulung für den Umgang mit den modernen Kommunikationsmitteln. Sämtliche Geräte sind neu beantragt und aus Mitteln der Ausgleichsabgabe vom Integrationsamt finanziert worden. Einmal wöchentlich kommt mein ebenfalls blinder Computerlehrer. Mittlerweile kann ich auch schon Informationen aus der Datenbank abfragen“ fügt er nicht ohne Stolz hinzu. Doch manchmal muss auch er um Unterstützung bitten, denn für

SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe Grundsätzlich stehen behinderten und von Behinderungen bedrohten Menschen die gleichen Sozialleistungen wie nicht behinderten Bürgern zu. Dieser Grundsatz ist im Artikel 3 des Grundgesetzes festgelegt. Demnach darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Darüber hinaus gibt es besondere Regelungen des Sozialrechts, die auf die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben ausgerichtet sind. Diese Sonderregelungen sind zum 1. Juli 2001 durch das Neunte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX) kodifiziert und fortentwickelt worden. Unter anderem umfassen die dort festgelegten Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, die Teilhabe am Arbeitsleben zu fördern oder die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern. So soll eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung gewährleistet werden. Nicht zum Sozialrecht im engeren Sinne gehören die Regelungen des Behindertengleichstellungsgesetzes, die am 1. Mai 2002 in Kraft getreten sind. Sie sollen das Benachteiligungsverbot auch über das Sozialrecht hinaus umsetzen und dazu dienen, die Gleichberechtigung behinderter Menschen in vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens zu sichern. Unter anderem enthält das Gleichstellungsgesetz allgemeine Bestimmungen zur Definition von Behinderung und Barrierefreiheit, Zielvereinbarungen zur Herstellung von Barrierefreiheit sowie die Verpflichtung des Bundes zum barrierefreien Bauen. 

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Ausgleichsabgabe Zur Verbesserung der Chancen schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben dienen neben den Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben die besonderen Hilfen nach Teil 2 des SGB IX. Um Schwerbehinderten eine Beschäftigung zu sichern, sind öffentliche und private Arbeitgeber unter anderem verpflichtet, fünf Prozent der Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen, und eine Ausgleichsabgabe für nicht besetzte Pflichtplätze zu entrichten. Die Ausgleichsabgabe, die monatlich von den Arbeitgebern für jeden nicht besetzten Pflichtplatz zu zahlen ist, beträgt 105 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von drei Prozent bis weniger als fünf Prozent, 180 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von zwei Prozent bis weniger als drei Prozent und 260 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von weniger als zwei Prozent. Das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe (2003 rund 572 Millionen Euro) fließt in die Finanzierung der Leistungen, die behinderte Menschen nach Teil 2 des SGB IX erhalten sowie in deren Einstellung und Beschäftigung. 

einen Blinden „geht nicht immer alles ohne die Hilfe Sehender.“ Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten empfindet Drabe sich gut integriert in das Team aus rund 30 Mitarbeitern der Studierendenverwaltung. „Wir gehen ganz zwanglos miteinander um, und ab und zu scherzen wir auch ein wenig“. Gegen 16.00 Uhr ertönt dann eine angenehme Frauenstimme aus seinem Wecker, die ihn darauf hinweist, dass bald Feierabend ist. Dann sagt er sich: „Drabe, jetzt wird mal so langsam alles zusammengepackt“. >

Die engagierte Verwaltungsbeamtin

Ob Bonn oder Berlin: Bevor Jutta Beyer-Vollprecht loslegt und für die Interessen ihrer Schützlinge in den Ring steigt, lässt sie ihren (verbalen) Sparringspartner erst mal ins Gummitier beißen. „Das sind meine berühmten Gummi-Bundesadler, die gibt es nur im Fabrikverkauf des Bonner Bärchenmachers. Die Adler haben mir schon oft geholfen, Vorgesetzten Anliegen zu versüßen, die ich im Interesse meiner Schwerbehinderten an sie herangetragen habe, aber natürlich biete ich sie auch den Kollegen an, die zu mir ins Beratungsgespräch kommen“, sagt die temperamentvolle Schwerbehinderten-Vertrauensfrau im Bundesministerium für Bildung und

Forschung (BMBF). Jutta Beyer Vollprecht ist eine, die sich nicht so leicht etwas vormachen lässt. Aus der Behaglichkeit ihres mit vielen Grünpflanzen und persönlichen Bildern eingerichteten Büros im vierten Stock des Bonner BMBF-Dienstsitzes hat sie sich einen wachen Blick auf die Wirklichkeit bewahrt. So hält die leidenschaftliche Verwaltungsbeamtin und Lehrerin (...„es gibt nichts Schöneres als Verwaltung ...“) mit ihrer Kritik an dem im Neunten Buch des Sozialgesetzbuches niedergelegten Schwerbehindertenrecht, das 2001 in Kraft getreten ist und seitdem schon mehrfach novelliert wurde, nicht hinter dem Berg: „Es gibt zu viele Ungereimtheiten, viele Bestimmungen sind zu vage ausgeführt, und außerdem sind die Rechte für den Arbeitgeber nicht bindend. Im Unterschied zum Personalvertretungsrecht, das den Personalräten echte Mitbestimmung einräumt, bietet mir das Mandat als Schwerbehindertenvertreterin lediglich eine Beratungsfunktion. Das bedeutet, wenn ich etwas durchsetzen will, muss ich immer mit Honig in der Stimme kämpfen.“ Auch aus den atmosphärischen Klängen, die durch das Ministerium wehen, hört sie mit ihrer zwanzigjährigen Erfahrung in der Schwerbehindertenbetreuung jeden falschen Ton heraus. „Aus Angst vor Vorurteilen oder

Diskriminierung verzichten viele darauf, ihre gesundheitlichen Probleme aktenkundig zu machen“, weiß die Vertrauensfrau. „Insbesondere im höheren Dienst wird auch eine festgestellte Schwerbehinderung oft verschwiegen. Die kommt in dieser Laufbahngruppe in die Beurteilung und kann deshalb zum echten Karrierehindernis werden.“ Unter die geforderte Schwerbehindertenquote fällt das BMBF aber trotzdem nicht zurück: Von den knapp 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich auf die beiden Dienstsitze in Bonn (750 Beschäftigte) und Berlin (250 Beschäftigte) verteilen, sind 75 Personen mit einem Grad der Behinderung von 50 und mehr Prozent als schwerbehindert eingestuft, 78 gelten als behindert, macht eine Quote von 7,1 Prozent.

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Doch die 61-jährige Beyer-Vollprecht, die seit einem schweren Motorradunfall vor 37 Jahren, bei dem ihr das Bein zerschmettert wurde, schwer gehbehindert ist, sieht ihr Mandat nicht allein auf die bekannten Schwerbehinderungen beschränkt. „Ich gehe aufmerksam durch die Häuser in Bonn und in Berlin und wenn ich zum Beispiel höre, dass jemand lange krank war, frage ich schon, ob ich irgendwie helfen kann. Oft wissen die Kollegen auch gar nicht, welche Ansprüche und Rechte sie infolge ihrer Erkrankung oder Therapie für sich geltend machen können – die Ärzte sagen oft nichts, weil sie sich vor dem Papierkram drücken wollen.

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Jutta Beyer-Vollprecht verweist in solchen Gesprächen selbstverständlich immer zuerst auf das einzige starke Privileg, das der Gesetzgeber der Schwerbehindertenvertretung ohne Wenn und Aber zugestanden hat: Das Recht, darüber zu schweigen, was sie während der Beratungsgespräche erfährt. cri/krz

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Föderalismusreform mindert Rechte Behinderter:

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„Schwächere“ brauchen starken Schutz

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Im Machtgerangel zwischen Bund und Ländern obsiegte die Kleinstaaterei. Es fand zwischen Regierungen statt. Landesparlamente, Volksvertretungen? Sie spielten kaum eine Rolle. Die Bundestagsmehrheit durfte am Ende zustimmend nicken. Das in vielen Bereichen sinnvolle Prinzip, Entscheidungsbefugnisse so nahe wie möglich an die Bürgerinnen und Bürger zu geben, pervertierte zum Kuhhandel. Dass dabei Schutzinteressen „Schwächerer“ auf der Strecke blieben, nimmt die Exekutive nicht nur billigend in Kauf – das wäre schon unanständig genug –, sondern ist offenbar Vorsatz. In der heißen „Verhandlungs“Phase verlangten einige Provinzfürsten plötzlich – als „Gegenleistung“ für dubiose Stillhalteversprechen bei einigen Bundesgesetzen – neben der Schulbildung und der Kultur nicht nur den Strafvollzug, sondern auch die Heimgesetzgebung in eigener Regie gestalten zu dürfen. Zusätzlich verlangten – und erhielten – sie das Recht, Verwaltungsvorschriften für die Umsetzung von Bundesgesetzen (z. B. im Sozialbereich) nach eigenem Gutdünken auszugestalten. Problematisch ist nicht bzw. nicht nur der Wille oder Unwille einzelner Politiker. Problematisch ist die Richtung, die eingeschlagen wurde. >

Paradigmenwechsel braucht richtige Richtung

An einem Tag feiert die Großkoalition das Antidiskriminierungsgesetz als 3. Pfeiler beim Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik. Am nächsten

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Tag kappt dieselbe Mehrheit mit dem Verzicht auf die Umsetzungskompetenz die ersten beiden Pfeiler: das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) und das Bundes-Behindertengleichstellungs-Gesetz (BBG). In welche Richtung sollen die Paradigmen also wechseln? Es wäre ja wunderbar, wenn die Übergabe von Verantwortung in den Bereichen Soziales, Jugend, Kultur, Bildung oder Behindertenpolitik auf untere staatliche Ebenen zu einem Wettbewerb um beste Leistungen und Standards führte. Die Erfahrung besagt jedoch, dass dort – im Gegenteil – zuerst „gespart“ wird. Zu befürchten ist also ein Konkurrenzkampf um größte Kosteneinsparung (sprich: Leistungskürzung; sprich: Verschlechterung der Lebensbedingungen, der Teilhabemöglichkeiten, der Persönlichkeitsentfaltung „Schwächerer“). Beispielsweise beim Heimrecht: Es ist kaum damit zu rechnen, dass nun ein Wettbewerb um bessere Wohn- und Teilhabebedingungen für die Menschen beginnt, die in Heimen leben (müssen) oder dort arbeiten. Noch weniger, dass Heimstrukturen zugunsten offener Wohnformen mit bedarfsdeckender Assistenz zurückgedrängt würden. Vielmehr führen 16 Länder unterschiedliche Mindeststandards und Qualitätskriterien ein. Werden Mehrbettzimmer oder gar Schlafsäle wieder zur „Normalität“? Noch im März dieses Jahres warnte die Bundesregierung auf Fragen nach Eingliederungshilfe (Drucksache: 16/108): „Eine Regionalisierung

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Ilja Seifert

ohne bundeseinheitliche Sozialstandards ließe erhebliche Nachteile für hiervon betroffene behinderte Menschen befürchten. Mittel- und langfristig wäre in Anbetracht zu erwartender unterschiedlicher Prioritätensetzung in den Ländern die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse für behinderte Menschen in Deutschland nicht mehr gewährleistet.“ >

Info Dr. Ilja Seifert (55), von Hause aus Diplom-Germanist, ist behindertenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag. Ehrenamtlich engagiert sich der Rollstuhlfahrer als Funktionär der Behindertenbewegung auf europäischer und Bundesebene, so als einer von drei Vertretern des Deutschen Behindertenrates im Europäischen Behindertenforum.

Im Machtpoker zwischen „Kaiserin“ und Regionalkönigen scherte sich niemand um sein/ihr Geschwätz von gestern. Da ging es schließlich um „größere Beträge“. Wenn dabei ein paar „Behinderte“ stören, werden sie eben beiseite geschoben. Und das Wunderbare an solchen kompliziert ausgehandelten Verfassungsänderungen: Am Ende ist niemand schuld. Alle waren/sind sich doch soooo einig. Jede/r will immer nur das Beste. Leider jedoch für sich selbst, selten für die Allgemeinheit, noch seltener für die „Schwächeren“.

Nachteilsausgleich macht „Schwächere“ stark

Wenn ich hier mehrfach von „Schwächeren“ rede, steht dieser Begriff in Anführungsstrichen. Tatsächlich sind Menschen mit Behinderungen – strukturell – in einer benachteiligten, also „schwächeren“ Position. Dennoch weiß ich um die große innere Stärke vieler Personen, die als „behindert“ gelten. Es wäre nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, diese Energiequelle, die weit über soziale Kompetenz hinausgeht, zu nutzen. Es wäre vor allem ein Gebot der Humanität, die Potenzen jedes Menschen zur Entfaltung zu bringen. Dazu bedarf es des gesamtgesellschaftlich organisierten Ausgleichs behinderungsbedingter (also nicht selbst zu beeinflussender) Nachteile. Das heißt Solidarität. Sie verteilt Teilhabechancen und Persönlichkeitsentfaltung so gerecht, dass auch Menschen mit schwersten Beeinträchtigungen ihre Fähigkeiten erkennen, ausbilden und nutzen können. Erst dann hätten sie übrigens auch – wie jedes andere Mitglied der Gesellschaft – gleiche Rechte auf Irrtum, Fehlentscheidung und Korrektur, auf Weiterentwicklung also. Dass solche Rahmenbedingungen wesentlich besser auf gesamtstaatlicher Ebene geschaffen und verteidigt werden könnten, als unter dem Druck finanzschwacher Kommunen und/oder profilneurotischer Länderfürsten, liegt auf der Hand. In der Konkurrenz zwischen Straßenerneuerung und Kita-Platz, Theater-Erhalt und Migrantenförderung, Denkmalneubau und Instandsetzung der Kanalisation, Wirtschaftsansiedlung und Tourismusmarketing, Arbeitsplatzerhalt und Umweltschutz unterliegen soziale Interessen eher, wenn nicht staatliche Pflichtaufgaben Schutz vor all zu forscher Entscheidung aus Regionalegoismen bieten. Ilja Seifert, MdB

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Barrierefrei? In vielen Museen Fehlanzeige:

Kunst und Geschic Den Hinweis „Anfassen erwünscht“ findet man in deutschen Museen und Ausstellungshäusern noch zu selten. Bemühungen, Kunst und Geschichte für blinde und sehbehinderte Menschen im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ zu machen, stecken in den Kinderschuhen. Auch Offerten, die einen Museumsbesuch für körperlich oder geistig behinderte Menschen oder für Gehörlose zum Erlebnis machen, reichen längst nicht aus. Die Gründe dafür sind vielfältig – nicht immer sind mangelndes Engagement oder knappe Finanzen schuld.

Eigentlich ist Barrierefreiheit spätestens seit dem Behindertengleichstellungsgesetz von 2002 auch in der Bundesrepublik nicht mehr nur ein Zeichen von Toleranz oder „Political Correctness“ sondern für öffentliche Träger Pflicht. „Aber im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern, Großbritannien oder Frankreich, wo – zumindest in großen Häusern – Barrierefreiheit seit Jahren groß geschrieben wird, ist das hierzulande für viele immer noch ein Fremdwort“, sagt Karin Maaß, die Sprecherin der Arbeitsgruppe „Barrierefreie Museen“ im Bundesverband Museum-

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spädagogik. Das fange bei den Museums-Webseiten an und reiche über die architektonischen Gegebenheiten (Zugang für Rollstuhlfahrer, Behinderten-WC) bis zur Gestaltung der Ausstellungen selbst. >

Dialog im Dunkeln

Zwar gibt es keine amtlichen Zahlen zum Stand der Dinge, aber dem Eindruck, dass kaum mehr als 30 Prozent der Museen tatsächlich auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen eingestellt sind, mag die Expertin nicht widersprechen. „Dabei ist das gar nicht so schwer“, meint Maaß. Man müsse einfach die Blickrichtung ändern – nach dem viel zitierten Motto „Behindert ist man nicht, behindert wird man“. „Und wenn wir Erleichterungen für Behinderte schaffen, dann profitieren davon auch Familien und ältere Menschen.“ Wo ein Rollstuhl fahren kann, da gibt es eben auch kein Problem mit einem Kinderwagen. Und wenn im Alter die Sehkraft nachlässt, helfen Erklärtexte in großen Buchstaben. Museumsangebote, die Blinde und sehende Museumsgäste

Foto: University of Toronto

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Wie es geht, macht derzeit die Ausstellung „Altägypten (be)greifen“ in München vor. Sie gibt barrierefrei einen Überblick zur ägyptischen Hochkultur: Die Exponate sind frei zugänglich, auch für Rollstuhlfahrer. Sie können von den Besuchern abgetastet und also auch von Sehbehinderten und Blinden sinnlich wahrgenommen werden. Audioführungen, Texte in Braille-Schrift (für Blinde) und in extragroßer Drucktype (für Sehbehinderte) geben Erklärungen.

gleichermaßen ansprechen, nehmen inzwischen bundesweit zu. Karin Maaß nennt Beispiele: „Dialog im Dunkeln“ in der Hamburger Speicherstadt , „eine Ausstellung, in der es garantiert nichts zu sehen, aber jede Menge zu entdecken gibt“, wie die Consens Ausstellungs GmbH als Veranstalter wirbt. Seit April 2000 lassen sich Besucher von blinden Guides durch völlig abgedunkelte Räume führen, wo aus Düften, Temperaturen, Winden, Tönen und Texturen ein Park, eine Straßenkreuzung, eine Bar gestaltet werden. Der Rollentausch zwischen Sehenden, die aus ihrer Wahrnehmungsroutine herausgelöst werden und durch blinde Menschen Orientierung und Mobilität vermittelt bekommen, findet große Resonanz. Bislang kamen 433 000 Besucher, das Projekt wurde bis 2008 verlängert. Und weil unter den Bedingungen

der Lichtlosigkeit eingeübte Kommunikationstechniken nicht funktionieren, gehört auch Training für Manager in den dunklen Räumen zum Angebot. Ableger von „Dialog im Dunkeln“ gibt es inzwischen in Leipzig, im niederländischen Nijmegen, in Kopenhagen, Wien, Paris und Mailand, in Holon (Israel), in Brasilien und Mexiko. Seit Ende 2005 gehört auch das Dialogmuseum in Frankfurt am Main dazu. Neben den Führungen zählt hier das Dunkelrestaurant „Taste of Darkness“ zum Angebot, wo blinde Servicekräfte den Besuchern ein Überraschungsmenü servieren. In einem Kommunikationskasino lösen blinde und nichtblinde Besucher gemeinsam knifflige Aufgaben. 30 Schwerbehinderte arbeiten im Frankfurter Dialogmuseum, das übrigens zu einem Teil aus der Ausgleichsabgabe von Arbeitgebern finanziert

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hte (be)greifen „Aber Menschen, die nicht oder kaum sehen können, sind nur eine Behinderten-Gruppe“, gibt Maaß zu bedenken. Von den Ende 2005 laut Statistischem Bundesamt 6,7 Millionen schwerbehinderten Menschen in Deutschland waren fünf Prozent blind oder sehbehindert. Deshalb müsse daran gearbeitet werden, Kenntnisse über und Bewusstsein für die Bedürfnisse aller Behinderten zu mehren. Dies sei aber ein gesamtgesellschaftlicher Prozess. „Nicht nur behinderte Menschen müssen Hemmschwellen überwinden, wenn sie ins Museum kommen. Auch auf der anderen Seite, bei den Besuchern ohne Handicap, müssen Barrieren abgebaut werden.“ So sei etwa ein Programm für Menschen mit geistiger Behin-

Besuchermagnet in Berlin: das Pergamonmuseum auf der Museumsinsel.

derung ein Teil des Anliegens Akzeptanz und Respekt der anderen Gäste gehörten aber ebenso dazu. Dazu braucht es u. a. eine „Wirksame Öffentlichkeitsarbeit für barrierefreie Museumsangebote“. Dieses Thema erörterten Experten auf einer Tagung im Februar 2006 im Kunstmuseum Bonn. Im Ergebnis wird nun ein umfangreiches Handbuch erarbeitet, das im nächsten Jahr erscheinen und dazu beitragen soll, Schwellen weiter abzubauen. Darin wird als eines der Häuser, die bereits jetzt Vorbildwirkung haben, das Deutsche HygieneMuseum in Dresden zur Nachahmung empfohlen. Seit der Generalsanierung ist es für Rollstuhlfahrer, blinde, seh- und hörbehinderte sowie lern- und geistig behinderte Besucher barrierefrei erschließbar. Rollstuhlgerechte Architektur, Text-

führungen für gehörlose Besucher, Untertitelung von audiovisuellen Medien für Besucher mit Hörbehinderungen, Induktionsschleifen für schwerhörige Besucher, taktile (=zu ertastende) Raumpläne für blinde Besucher, Audioführungen für Blinde und Sehbehinderte und – in leichter Sprache – für Besucher mit Lern- und geistigen Behinderungen gehören zum Service. Ähnlich positiv bewertet Maaß den Archäologischen Park Xanten. In dem rheinländischen Regionalmuseum kann der Besucher so gut wie alles anfassen. Für Führungen behinderter Besucher wird vorsorglich mehr Zeit eingeplant, eine Tastgalerie macht mit Modellen römischer Gebäude vertraut. Aus dem Walkman kommen nicht nur Infos zu den Nachbauten von Objekten aus römischer Zeit, sondern auch zur Wegbeschaffenheit. Zudem können behinderte Menschen in einer rekonstruierten römischen Herberge übernachten. Auch Museen in Hamburg, Köln, Nürnberg und Saarbrücken sind laut Maaß weit fortgeschritten in Sachen Barrierefreiheit. „Dennoch – von Frankreich und Großbritannien lässt sich noch manches lernen“, meint die Museumsfrau. „Dort werden Betroffene viel stärker integriert und oft direkt in den Museen angestellt. Das zeigt, dass man sie ernst nimmt und auch bereit ist , manche komplizierte Situation gemeinsam zu meistern.“ Logisch, dass auch wirksame Interessenvertretung auf diesem „kurzen Weg“ besser funktioniert.

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Oft erschwerend: Denkmalschutz

Und wie steht es um die Barrierefreiheit im größten Museumskomplex Deutschlands, den 17 Häusern der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin? „Wir versuchen in jedem Fall, auch unseren behinderten Gästen den Besuch der Museen zu ermöglichen“, sagt Sigrid Weise von den Besucher-Diensten der Staatlichen Museen zu Berlin. Sie verweist aber auch auf ein Problem, das viele Museen haben, weil es sich um historische Gebäude handelt: die strengen Auflagen des Denkmalschutzes. So ist es auf der zum Weltkulturerbe der UNESCO zählenden Berliner Museumsinsel mit ihren fünf, teils noch im Wiederaufbau befindlichen Häusern sehr schwierig, alle Belange behinderter Besucher zu berücksichtigen. Im Pergamonmuseum etwa, das Jahr für Jahr bundesweit unangefochten Platz eins in der Publikumsgunst einnimmt, sind nur behutsame Eingriffe möglich. Der marmorne Pergamonaltar aus der Zeit um 170 v. Chr., Hauptattraktion des Museums, wird auch künftig nicht von Gehbehinderten besucht werden können, weil der Einbau eines Lifts hier einfach nicht möglich ist. „Schon das Geländer, das im oberen Altarhof angebracht wurde, ist ein Eingriff in die historische Architektur“, gibt Weise zu bedenken. Zwar steht die Grundsanierung dieses Hauses noch aus, aber auch danach werden nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Weise rät deshalb Besuchern mit Behinderung, sich in jedem Fall vorab über die Möglichkeiten der einzelnen Museen zu informieren. cok

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wurde, die keine oder zu wenige Schwerbehinderte beschäftigen.

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Zertifikatskurs Gewerkschaftsmanagement:

Führen in einer modernen Gewerkschaft Bereits zum achten Mal konnten Teilnehmer des Zertifikatskurses „Gewerkschaftsmanagement“ den „Lohn ihrer Arbeit“ in Empfang nehmen. Peter Heesen, Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion, ließ es sich nicht nehmen, den Absolventen nach der Kursteilnahme und erfolgreichen Abschlussprüfung ihr Zertifikat persönlich zu übergeben.

akademie

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Diesmal waren GDL, DPVKOM, dbbj, Philologenverband NRW, DBSH, RLV-NRW und sbb die entsendenden Gewerkschaften für den Zertifikatskurs „Gewerkschaftsmanagement“, der aus drei Pflicht- und drei weiteren Wahlpflichtmodulen besteht – ein Führungskräftetraining, das die ganze Bandbreite moderner Gewerkschaftsführung umfasst. >

Hauptanliegen: Moderne Gewerkschaftsführung

Gewerkschaften stehen aufgrund gravierender Änderungen der Arbeitswelt und einem Mentalitätswandel der Beschäftigten auf dem Prüfstand. Auf diese Veränderungen überzeugend zu reagieren, stellt erhöhte Anforderungen an Funktionsträger. Sie müssen sich kreativ den neuen Rahmenbedingungen stellen, kompetent

nach außen und innen Positionen vertreten, Entscheidungen vorbereiten und treffen. An ihnen liegt es, auch interne Abläufe neu zu strukturieren. Für Funktionsträger in den Fachgewerkschaften gibt es daher eine Vielzahl von Gründen, sich für die erfolgreiche Wahrnehmung ihrer Führungspositionen in einer modernen Gewerkschaft weiter zu qualifizieren. >

Fit für die Zukunft mit gezielter Fortbildung

Der Kurs „Gewerkschaftsmanagement“ mit Schwerpunkten wie moderne Gewerkschaftsführung, betriebswirtschaftliches Denken und Handeln, Möglichkeiten der Mitgliederentwicklung und Erhöhung der Mitgliederbindung sowie die wirkungsvolle und überzeugende Präsentation gewerkschaftlicher Positionen leistet dazu ei-

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Erfolgreicher Abschluss und frohe Gesichter zum Ende des achten Zertifikatskurses „Gewerkschaftsmanagement“.

nen Beitrag. Die Auswahl der Themen wurde speziell auf das Anforderungsprofil gewerkschaftlicher Führungskräfte zugeschnitten. „Die Vertretung von gewerkschaftlichen Positionen ist legitim, ja notwendig, der Erwerb von Führungskompetenzen unverzichtbar. Viele dieser Fähigkeiten sind latent vorhanden. Sie müssen zutage gefördert, eingeübt und vervollkommnet werden. Genau das möchte der Kurs Gewerkschaftsmanagement“, so Peter Heesen, Bundesvorsitzender dbb beamtenbund und tarifunion, zu den Zielen des Seminars. >

Diese Ziele werden von der dbb akademie auch weiterhin verfolgt – der neue Kurs zum Gewerkschaftsmanager beginnt am 7. Dezember 2006 und setzt sich im Verlauf des neuen Jahres fort. Für weitere Informationen stehen Ihnen zur Verfügung: Inhalte: Anke Weigend, Tel. 0228.81 93 120, E-Mail: a.weigend@ dbbakademie.de Organisation: Maria Herkenhöner, Tel. 0228.81 93 171, E-Mail: m.herkenhoener@ dbbakademie.de



Informationsveranstaltung TV-L/TVöD mit TVÜ (Überleitung) Inhaltliche Schwerpunkte: > Einleitung und Hintergründe des neuen Tarifrechts > Grundsätze der Eingruppierung als Übergang zur neuen Entgeltordnung > Änderungen des Manteltarifvertrages > Einführung in die leistungsorientierte Bezahlung > Entgelt und Eingruppierung im neuen Tarifvertrag Termine: Berlin München Kiel Bremen

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Die Zertifikate überreichte Peter Heesen persönlich.

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Teilnehmerbeitrag: 150 Euro. Ihre Ansprechpartnerin: Christa Vißers, Tel. 02 28.81 93 111, E-Mail: [email protected] Weitere Informationen und Termine entnehmen Sie bitte der Homepage: www.dbbakademie.de



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FESTLICH auf der DONAU Adventzauber – Flusskreuzfahrt von Nürnberg nach Wien

Genießen Sie entspannte Vorweihnachtstage auf einem der komfortabelsten Flusskreuzfahrtschiffe, der MS AMADEUS PRINCESS. Besuchen Sie verträumte Dörfer und romantische Städte, wie Nürnberg, Regensburg, Passau und Wien, erfüllt von weihnachtlichem Duft und Zauber. Bummeln Sie durch die winterlichen Christkindlmärkte, genießen Sie ein Glas Glühwein, atmen Sie den weihnachtlichen Duft nach Punsch, würzigem Lebkuchen, gerösteten Mandeln und vielem mehr. Termin: 14. 12. bis 20. 12. 2006. Der Reisepreis (ab 640 Euro) variiert je nach Kabinenkategorie. >

Weihnachten auf der Donau – Flusskreuzfahrt von Wien nach Nürnberg

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Silvesterkreuzfahrt – Schiffsreise auf der Donau ab/bis Passau

Den Ausklang des alten und den Beginn des neuen Jahres zu feiern; welcher Rahmen könnte da passender sein als unsere MS AMADEUS PRINCESS. Erleben Sie den Jahreswechsel während einer unvergesslichen Reise durch vier Länder (Deutschland, Österreich, Ungarn, Slowakei), und besuchen Sie dabei bekannte Donaumetropolen wie Passau, Wien, Bratislava und Budapest. Termin: 29. 10. 2006 bis 4. 1. 2007. Der Reisepreis (ab 790 Euro) variiert je nach Kabinenkategorie.

Impressionen im Spätherbst >

Weitere Ziele aus unserem Reiseprogramm

Erleben Sie stimmungsvolle Weihnachtsfeiertage auf dem FirstClass Schiff MS AMADEUS PRINCESS. Genießen Sie die schönen Winterlandschaften, das vorzügliche Essen und die weihnachtliche Stimmung auf dem festlich geschmückten Schiff. Besuchen Sie sehenswerte Städte und Orte wie Wien, Dürnstein, Passau, Regensburg und Nürnberg.

Kultur- und Studienreisen: Andalusien, Burgund, Madeira, Mallorca, Rom, Sizilien, Venetien, Zypern, Golf von Neapel. Sonderzugreisen: Schweizer Bergwelt mit dem Bernina- und Glacier-Express, Toskana mit dem Classic Courier. Flussreise: von Amsterdam nach Basel. Fernreisen: China, Japan, Südamerika. 

Termin: 23. 12. bis 28. 12. 2006. Der Reisepreis (ab 540 Euro) variiert je nach Kabinenkategorie.

Informationen unter: [email protected], Telefon 02 28.81 93-187

> dbb magazin | September 2006

23 akademie

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dbb > fokus

Reform des Gesundheitswesens:

Therapeuten gesucht

kommentar

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Kein anderes Thema beherrschte den deutschen Medienwald selbst in einer sommerlichen Nachrichtendürre so sehr wie das Gesundheitswesen. Hinzu kommen mit monsunhafter Regelmäßigkeit Ankündigungen über neue Finanzlöcher ebenso wie zu Abrechnungsskandalen bei Herzklappen oder chinesischen Zahnimplantaten. Man könnte glatt meinen, es stünde wirklich schlecht in einem solchen maroden Laden...

tungswagen es nun am billigsten in die nächste Klinik fährt.

Dabei gehört das deutsche Gesundheitssystem zu den besten der Welt. Nur wenige andere Staaten geben vergleichbar hohe Anteile ihrer Bruttosozialprodukte für die Gesundheit aus. Und dennoch hat sich die Politik eine weitere große Gesundheitsreform vorgenommen. Es gebe Sand im Getriebe, also wird über neue Motoren und andere Brennstoffe nachgedacht. Niemand verkennt, dass hinter den Sorgen des Sozialstaates auch in der Krankenversicherung die gleichen Entwicklungen stehen, wie bei anderen Sicherungssystemen: Arbeitslosigkeit, Demographie und technischer Fortschritt. Ihre Finanzierung sei im klassischen Umlageverfahren nach dem Generationenprinzip nicht mehr zu erreichen, heißt es, es müssen Kapitaldeckung und Altersrückstellungen für alle her.

Zum einen führt das zu Überlegungen, alle in ein und dasselbe System einzubinden. Das würde die bisherige Zweigleisigkeit von GKV und privater Krankenversicherung (PKV) beseitigen. Über die Plausibilität der so gewachsenen Strukturen mag man streiten, falsch ist aber die These, dass Privatversicherte sich unsolidarisch am Gesundheitssystem bedienen, das von 90 Prozent GKV-Versicherter stabil gehalten werde. Denn etwa auf der Basis der Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen wird am Beispiel der niedergelassenen Ärzte deutlich, dass Privatpatienten über 20 Prozent des Volumens beisteuern, obwohl sie nur gut zehn Prozent der Kundschaft stellen. Es darf daher nicht Ziel einer Reform werden, diese Versicherungsalternative zu zerstören.

Schon im Bundestagswahlkampf 2005 traten die Parteien mit sehr konträren Lösungskonzepten an. Prämienmodelle und Bürgerversicherung zusammen unter einen Hut zu bringen, schien zunächst verwegen, seit 4. Juli liegen Eckpunkte vor, die einen Kompromiss wagen. Mehr als einmal hat der Leser allerdings den Eindruck, statt Nachhaltigkeit sei es den Verfassern darum gegangen, bei künftigen anderen Wahlergebnissen daraus die eigene Idee in Reinkultur weiter entwickeln zu können. >

Wettbewerb als Allheilmittel?

Bei dem einen Koalitionspartner sieht man das Allheilmittel in mehr Wettbewerb. Wohlgemerkt,

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nicht nur zwischen Pharmakonzernen, sondern unter allen Leistungserbringern und auch zwischen Krankenkassen. Nun sollen auch die letzten Hürden für Fusionen zwischen den Zweigen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) fallen. Dann werden vermutlich bald aus einst knapp zweitausend und jetzt noch gut zweihundert Körperschaften vielleicht demnächst nur noch gut zwanzig übrig bleiben. Die Versicherten sollen neuerdings alle den selben Beitrag zahlen, und doch soll es unterschiedliche Tarife auch in der GKV geben, in denen sich der Wettbewerb austobt, und differenzierte Abmachungen zwischen Kassen und Gesundheitsdienstleistern über deren Preise. Es wird so manchen Patienten überfordern, das Optimum für sich und seine Familie zu finden. Es sei daher die Frage einmal erlaubt, ob der Wettbewerb für alle Lebensbereiche das richtige Gestaltungsinstrument sein kann. Zumal es gilt, für alle Bürger eine möglichst gute Versorgung zu bezahlbaren Preisen zu gewährleisten. Damit rede ich keineswegs einer Einheitsversicherung oder gar einem nationalen Gesundheitssystem das Wort. Aber das Unfallopfer darf auch nicht kalkulieren müssen, mit welchem Ret-

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Solidarität als bewährtes Hausmittel?

Beim anderen Koalitionspartner läuft die Diskussion zur Reformnotwendigkeit eher über die Begriffe von Gerechtigkeit und Solidarität.

Zum anderen gehören in das Repertoire der Solidaritätsgedanken Vorstellungen, den Bürger stärker nach seiner individuellen Finanzkraft heranzuziehen. Das könnte durch eine Erstreckung der Beitragsbemessung auf alle Einkunftsarten erfolgen, also auch aus Kapital oder Mieten. Oder durch eine Aufhebung der Beitragsgrenze. Oder durch Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens, ganz oder teilweise. Bringt man Steuern ins Spiel, muss erst die gesamtgesellschaftliche Aufgabe bejaht werden. Das Ja gibt es schon bei der Rente und in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit jährlichen Milliarden aus dem Bundeshaushalt, und versicherungsfremde Leistungen sind schnell ausgemacht, wie die beitragsfreie Versicherung von

Kindern beweist. Solange aber ein Beitrag den Kern der Einnahmen der GKV bildet, muss bei seiner Definition das Äquivalenzprinzip – also ein gewisser Gleichklang mit den zu erwartenden Leistungen – beachtet bleiben. Und deren Ermittlung darf nicht aufwendiger geraten als der Mehrertrag. Das kritisieren die Kassen am geplanten Gesundheitsfonds. >

Parität als „Abführmittel“?

Die lohnabhängigen Beiträge werden von den Arbeitgebern abgeführt. Das sichert in hohem Maße den regelmäßigen Konteneingang. Formal trennen sich Beiträge – nicht nur in der Krankenversicherung – in Arbeitnehmeranteile und Arbeitgeberanteile. Für Be>

Info Der Autor ist stellvertretender dbb Bundesvorsitzender und Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS).

triebswirte ist diese Trennung ohne großen Sinn, denn beide sind zunächst Lohnkosten. Nach den Eckpunkten soll der Arbeitgeberanteil nun eingefroren werden, künftige Mehrkosten sollen allein die Arbeitnehmer schultern. Den Beweis, dass sinkende Lohnnebenkosten Arbeitsplätze sichern, sind die Unternehmen bislang schuldig geblieben. Wollte man die Arbeitgeber richtig abkoppeln, müssten ihre Anteile auf die Tabellenlöhne übertragen werden. Vor einigen Jahren wären dabei noch 50 Prozent zugewachsen, jetzt vielleicht noch 46 Prozent und demnächst? Zu einer Abkopplung von den Lohnkosten hat sich die Große Koalition dann ja auch nicht aufraffen können. Zum Jahresbeginn 2007 soll die Reform in Kraft treten. Es wird nicht die letzte sein. Noch kann das Paket verbessert, seine Wirkung nachhaltiger gemacht werden. Aber welcher Therapeut lässt sich schon gerne reinreden, wenn er die Diagnose selbst erstellt und das Behandlungsziel festgelegt hat? Empfehle Zweitgutachten. Klaus Dauderstädt

dbb > spezial

Richtungsstreit um den Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung von 2003 – europatauglich oder nicht?

Tarifautonomie als Grundrecht Die EU-Kommission sieht in der tarifvertraglichen Gestaltung der betrieblichen Altersvorsorge im deutschen öffentlichen Dienst einen Verstoß gegen das europäische Vergaberecht. Sie kann Klage gegen Deutschland erheben, sofern die Bundesrepublik nicht binnen zwei Monaten für Abhilfe sorgt. Aus Sicht der dbb tarifunion steht Tarifautonomie als Grundrecht über dem Streben, europäisch einheitliche Vergaberichtlinien zu schaffen.

europa

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Die Deutschland gesetzte Frist, die betriebliche Altersvorsorge im öffentlichen Dienst „europatauglich“ zu modifizieren, ist Ende August abgelaufen. Mit der nun drohenden Klage würde aus Sicht des dbb nicht nur die Tarifautonomie ignoriert. Auch die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung, die auf Tarifverträgen beruht, würde unnötig erschwert. Die Kommission wendet sich gegen die freihändige Vergabe von Dienstleistungen der Gruppenpensionsversicherung nur an eine begrenzte Zahl von Dienstleistern. Bei der Gruppenpensionsversicherung handelt es sich um die Zusatzversorgung für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst, die über Entgeltumwandlung und Kapitaldeckung finanziert wird. Für die Vergabeentscheidung der öffentlichen Arbeitgeber maßgeblich ist der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung von 2003. Dieser Tarifvertrag regelt, welche Versicherer in die Gruppenpensionsversicherung einzubeziehen sind. Diese Tarifregelung ist laut Kommission unzulässig. Die dbb tarifunion sieht das anders. „Die

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Kommission stellt die Gestaltungsfreiheit der Tarifpartner in Frage“, moniert der 1. Vorsitzende der dbb tarifunion, Frank Stöhr. Bereits im Frühjahr hatte die Europäische Kommission der Bundesrepublik Deutschland ein Mahnschreiben gesandt. Der erste Schritt des Vorverfahrens eines Vertragsverletzungsverfahrens war damit getan. In ihrer Antwort hatte die Bundesregierung im Sinne auch der dbb tarifunion unter anderem auf den Vorrang der Tarifautonomie abgehoben. Die Kommission hat diese Argumentation aber als nicht ausreichend bewertet. Deshalb hat sie den deutschen Behörden Ende Juni eine mit Gründen versehene Stellungnahme zukommen lassen. In ihrer Stellungnahme kritisiert die Kommission erneut das Vorgehen öffentlicher Arbeitgeber, Dienstleistungen der Gruppenpensionsversicherung nur an eine begrenzte Zahl von Dienstleistern zu vergeben. Nach Auffassung der Kommission ist eine Ausnahme von der Anwendung der Vergabevorschriften durch nichts gerechtfertigt. Sie betrachtet öffentliche Arbeitgeber

als Auftraggeber im Sinne der europäischen Vergabevorschriften. Diese seien daher zur Ausschreibung derartiger Dienstleistungen verpflichtet. Der Zugang zu einer Dienstleistung wie der Gruppenpensionsversicherung darf aus Brüsseler Sicht auch tarifvertraglich nicht auf eine begrenzte Zahl von Versicherern beschränkt werden. Als Hüterin der Verträge ist die Europäische Kommission verpflichtet, über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu wachen. Die europäischen Vergaberichtlinien sind wesentlicher Bestandteil dieses Rechtsbestands. Als Instrument steht der Brüsseler Superbehörde die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zur Verfügung. Gemäß EG-Vertrag kann sie ein solches Verfahren gegen einen Mitgliedstaat einleiten, wenn dieser nach ihrer Auffassung gegen europäisches Recht verstößt. Ein Vertragsverletzungsverfahren gipfelt, wenn es nicht schiedlich beigelegt wird, in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Sollte Deutschland nun nicht in aus Sicht der Kommission zufrieden stellender Weise auf die mit Gründen versehene Stellungnahme reagieren, so kann die Kommission den Fall an den EuGH geben. Auf das damit abgeschlossene Vorverfahren würde das formale Vertragsverlet-

zungsverfahren folgen. Die Kommission hat hierbei einen Ermessensspielraum. Sie muss den Fall nicht an den Gerichtshof in Luxemburg verweisen. Dieser Ermessensspielraum wird jedoch in der Praxis sehr eng ausgelegt. Mitgliedstaaten, die eine mit Gründen versehene Stellungnahme ignorieren oder ihr Recht fristgerecht an das Gemeinschaftsrecht anzupassen versäumen, werden in aller Regel verklagt. Insoweit könnte ein kaum mehr aufzuhaltender Automatismus in Gang gesetzt worden sein. Der aktuelle Fall ist besonders schwierig. Schließlich steht einer Neuregelung nicht zuletzt der Vertrauensschutz der Vertragsnehmer entgegen. Auch kann der Staat nicht in Tarifverträge eingreifen. Soweit der EuGH einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht feststellen sollte, wird es Aufgabe der Sozialpartner sein, die tarifvertraglichen Regelungen entsprechend anzupassen. Die dbb tarifunion erwartet im Fall der Klageerhebung jedoch, dass der EuGH die Höherrangigkeit der Tarifautonomie als Grundrecht in seiner Entscheidung berücksichtigt. Die Ausgestaltung der Entgeltumwandlung als eine Säule der betrieblichen Altersvorsorge muss Sache der Tarifpartner bleiben. cm

Umfrage zum Europäischen Sozialmodell:

Wie sozial ist Europa? Der Online-Dienst „dbb Europathemen AKTUELL“ hat mit seiner Anfang August veröffentlichten Ausgabe eine Diskussion um die soziale Frage Europas eröffnet. dbb Europathemen AKTUELL führt damit die erste Online-Aktion dieser Art durch. Unterstützt wird dbb Europathemen AKTUELL dabei vom Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland (EBD). Wer Interesse hat, sich an der Debatte zur Zukunft Europas zu beteiligen, kann dies ganz unkompliziert per E-Mail tun. dbb Europathemen AKTUELL hat eigens zu diesem Zweck eine Mailbox eingerichtet. Alle eingehenden Nachrichten, Beiträge und Fragen werden in eine Auswertung fließen; die Ergebnisse – natürlich in anonymisierter Form – in einer der nächsten Ausgaben publik gemacht. Der dbb hat auch einen eigenen Beitrag zu dieser Debatte geleistet, die voraussichtlich die deutsche Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 prägen wird. „Das Europäische Sozialmodell“ lautet der Titel der 24. Ausgabe der dbb Europathemen, die in diesen Tagen erschienen ist. Weitere Informationen sind im Internet auf den Europa-Seiten der dbb Homepage abrufbar. Anmeldungen zum Online-Dienst dbb Europathemen AKTUELL unter: [email protected] 

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Arbeitskampf der nichtwissenschaftlichen Beschäftigten am Uniklinikum Aachen:

Das Wagnis Turbulente Wochen liegen hinter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in den Ländern. Die Auseinandersetzung mit den Arbeitgebern wurde mit lange nicht da gewesener Härte geführt: Die dbb tarifunion und ihre Gewerkschaften mussten verhandeln, drohen, vertagen und zuletzt streiken, um ans Ziel zu gelangen. Auch in „Betrieben“, wo die Arbeit aus humanitären Gründen weitergehen muss – wie dem Uniklinikum Aachen. Ein Wagnis, das ausgewogenes Handeln verlangte.

tarifpolitik

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Wenn Karlheinz Semmler an die ersten Streiktage denkt, bekommt er jetzt noch kalte Füße. Das hat natürlich nicht damit zu tun, dass ihm der Auftrag, einen Streik zu organisieren, so arg zugesetzt hat: Es war vielmehr das Wetter, das dem stellvertretenden Vorsitzenden des Personalrates für die nicht wissenschaftlichen Beschäftigten beim Klinikum Aachen und Vorsitzenden der Tarifkommission des Verbandes der Landesbeamten/-angestellten und Arbeiter NRW kurz: (vdla im dbb) so sehr zu schaffen machte.

chen, in denen Gewerkschaften wie Beschäftigte die Höhen und Tiefen eines festgefahrenen Streits unter den Tarifpartnern mit voller Wucht abbekamen: „So ein Streik, in dem zunächst alle Optionen offen sind, ist in seinem Stimmungsbild wellenförmig“, erklärt Semmler, „von Himmel hoch jauchzend bis zu Tode betrübt sind unter den

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Streikende Kolleginnen und Kollegen vor dem Klinikum Aachen – die dbb tarifunion zeigte 100 Tage lang Flagge.

Streikteilnehmern alle möglichen Gefühlsregungen vorgekommen. Schließlich sind das Menschen, die sich auch um ihren Arbeitsplatz sorgen, die – durch die von der Klinikleitung oft gezielt gesteuerter Verleumdungen – Angst hatten, sich unsolidarisch zu verhalten, oder die mal wütend mal euphorisch wurden, je länger sie draußen in der Kälte auf ihren Streikposten aushalten mussten.“ Hinzu kommt, dass ein Arbeitskampf in einem Krankenhaus, dazu noch in einem so großen wie dem 1 430 Betten zählenden Uniklinikum in Aachen, in dem 4 300 Mitarbeiter im nicht wissenschaftlichen Bereich tätig sind, darunter rund 1 700 Beschäftigte im Pflegedienst, auch die Streikorganisation in heftige Konflikte führen kann. „So ein Krankenhaus ist nun einmal kein Betrieb, den man mit drei Ketten absperren kann“, „hier ist jeder an seinem Platz wichtig und unverzichtbar“, gibt Semmler zu bedenken.

„Am Montag, den 13. Februar war es schon sehr kalt“, erinnert er sich, „ aber da konnten wir noch nicht ahnen, dass das Wetter sich noch steigern würde, mit Schneeregen und eisigem Wind.“ Nicht ahnen konnten der erfahrene Gewerkschafter und sein Streik-Organisationsteam auch, wie sich der Arbeitskampf entwickeln würde. „Der letzte Streik hier am Klinikum lag 14 Jahre zurück und hat damals mal gerade drei Tage gedauert.“ Dieses Mal sollten 100 Tage draus werden – 14 lange Wo-

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Karlheinz Semmler

„Wir hatten mit der Klinikleitung eine Notdienstvereinbarung geschlossen, damit der

Klinikbetrieb in einem Ausmaß aufrecht erhalten werden konnte, dass für die Patienten keine Gefährdung bestand. Kein Patient war zu irgendeiner Zeit hier im Haus gefährdet“, sagt Karlheinz Semmler mit Nachdruck. „Der Betrieb auf den Intensivstationen, die Nachtdienste, Krebsstation und Kinderstation seien ohnehin aus den Streikmaßnahmen heraus gehalten worden. Auch habe man die Notdienstvereinbarung täglich mit der Klinikleitung neu abgestimmt. „Wir wollten den Betrieb nicht kaputt streiken, das kann uns niemand vorwerfen“, sagt Semmler, „aber wir mussten trotzdem genügend Druck von draußen machen, um die Parteien am Verhandlungstisch zu motivieren.“ Das hat ja letztlich geklappt. Als sich die Tarifparteien am 23. Mai nach 100 langen Streiktagen einigten, für die nicht wissenschaftlich Beschäftigten im Klinikum Aachen den Tarifvertrag für die Länder einzuführen, war es Frühling geworden. Eine wesentlich angenehmere Jahreszeit für Streiks, findet Karlheinz Semmler. cri

dbb > spezial

Generationengerechte Finanzierung von Beamtenpensionen:

Das Remscheider Modell

senioren

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Ob es unter Wirtschaftlichkeitsaspekten vertretbar ist, Beamte weiterhin im öffentlichen Dienst zu beschäftigen, wird bereits lange diskutiert. Dabei stehen insbesondere die Personalkosten der jeweiligen Beschäftigtengruppen und hier insbesondere die Versorgungsaufwendungen im Mittelpunkt. Denn anders als die Angestellten, deren Renten von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte getragen werden, belasten Beamte den Haushalt auch noch nach ihrer Pensionierung. Wenn, wie nahezu überall üblich, für die notwendigen Pensionszahlungen keine Rücklagen gebildet werden, handelt es sich dabei um eine versteckte Verschuldung gegenüber nachfolgenden Generationen. Diesem Problem begegnet die Stadt Remscheid mit ihrem Beamtenpensionsmodell. 1998 beschäftigte die Verwaltung rund 1 400 Tarifkräfte sowie rund 470 Beamte. Für die Versorgung von 318 Versorgungsempfängern wurden 7,88 Millionen Euro aufgewendet. Die Möglichkeiten des Beitritts zu einer Versorgungskasse oder der Bildung einer Rückstellung im städtischen Haushalt wurden nach sorgfältiger Prüfung verworfen. Für die angestrebte Kapitalrückdeckung bei einer Verwaltung der Größe Remscheids ist der Abschluss einer kapitalbildenden Rentenversicherung in Form eines Gruppenvertrages mit einer Versicherungsgesellschaft am besten geeignet. Durch Gruppenverträge wird der Verwaltungsaufwand minimiert, die Finanzierung durch feste Beiträge schafft Transparenz, die – wenn auch niedrige – Garantieverzinsung schafft eine gewisse Sicherheit für die Zukunft und ein vorzeitiger Zugriff auf das Kapital ist nur schwer möglich, weil das

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Frank vom Scheidt

so angesammelte Kapital aus dem Haushalt ausgelagert wird.

mittleren Dienst und die Feuerwehr bei 2 103 Euro (71,75 Prozent von A 9 S + Z).

Um das zu erreichen, haben wir unter anderem folgende Rahmenbedingungen definiert: Das Modell begann zum 1. Januar 2000. Wir versicherten alle Beamtinnen und Beamte (Feuerwehr sowie gehobener und mittlerer allgemeiner Verwaltungsdienst), die nach 1969 geboren wurden (62 Personen), und alle neu übernommenen. Die daraus resultierende lange Ansparphase (mindestens 30 bis 35 Jahre) ermöglicht bezahlbare Prämien und begrenzt die Haushaltbelastung.

Alle vier, fünf Jahre überprüft das Personalamt anhand der Entwicklung der Versorgungsbezüge sowie der erzielten Renditen in den Versicherungsverträgen, ob das erreichte Rückdeckungskapital ausreicht. Gegebenenfalls wird eine Anpassung der Versicherungsprämie vorgenommen.

Für die unterschiedlichen Laufbahnen wurde ein einheitliches Versorgungsniveau definiert, was nach der Pensionierung von den Versicherungen gegenüber der Stadt übernommen wird. Dies liegt für diejenigen, die ihre Laufbahn im gehobenen Dienst beginnen, bei momentan 3 195 Euro (71,75 Prozent von A 14) und für den

Nach der Pensionierung überweist die Versicherung eine lebenslange Geldzahlung an die Stadt, aus der diese die Pension an die Beamten leistet. >

Info Frank vom Scheidt, 43, Dipl.-Volkswirt, ist seit 1997 bei der Stadt Remscheid beschäftigt. Er ist nicht nur der Verfasser des Artikels, sondern der Initiator des so genannten Remscheider Modells. Frank vom Scheidt leitet das Personalamt der Stadt Remscheid und ist Geschäftsführer des Verwaltungsvorstands. E-mail: [email protected]

Damit wird das Verschuldungsproblem beseitigt und die Finanzierung der zukünftigen Beamtenpensionen aus Haushaltsund damit Steuermitteln verschwindet nach 30 Jahren sukzessive. Es darf nicht verschwiegen werden, dass der Haushalt der Stadt zunächst für einen langen Zeitraum durch die Prämien zusätzlich belastet wird. Im Haushaltsjahr 2006 kostet die Versicherung für mittlerweile 103 Versicherte 641 000 Euro zusätzlich zu den 8,6 Millionen Euro direkten Pensionszahlungen. Abhängig von Beamteneinstellungen und Renditeentwicklung wird die Prämie nach 35 Jahren auf grob geschätzt 2,5 bis 3,5 Millionen Euro anwachsen, während die direkten Pensionszahlungen auslaufen. Die nachfolgenden Generationen werden finanziell stark entlastet, und es wird ein in sich geschlossenes nachhaltiges Modell der Finanzierung der Beamtenpensionen aufgebaut. Der nun anhand real vorliegender Zahlen mögliche Vergleich zwischen den Arbeitgeberkosten für die Alterssicherung eines Beamten und eines vergleichbar eingruppierten Angestellten auf der Rechts- und Zinsbasis des Jahres 2006 ergibt folgendes Bild: Für einen verheirateten Angestellten mit einem Kind wendet der Arbeitgeber bei einer unterstellten Beschäftigungsdauer von 36 Jahren bei einer Vergütung BAT II a/I b derzeit 309 301 Euro auf (AG-Anteil RV sowie ZV-Umlage, -Steuer und Sanierungsgeld). Für den entsprechenden Beamten werden dagegen 247 140 Euro notwendig. Nicht berücksichtigt werden dabei die Kosten, die der Arbeitgeber für die vorzeitige Dienstunfähigkeit von Beamten aufwenden muss, denn dies ist nicht

versicherbar und damit nur schwer kalkulierbar. Aus der aktuellen Diskussion zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit ergibt sich eine interessante Entwicklung, denn für den Angestellten muss der Arbeitgeber zukünftig zwei Jahre länger Rentenversicherungsbeiträge aufwenden. Für den Beamten hat der Arbeitgeber dagegen zwei Jahre länger Zeit, den notwendigen Kapitalstock aufzubauen, das heißt, der Aufwand reduziert sich. Daraus ergibt sich ein zusätzlicher Puffer, um die Kosten der vorzeitigen Dienstunfähigkeit abzufangen. An dieser Stelle sei noch darauf hingewiesen, dass bei Betrachtung der Gesamtkosten für die >

Alterssicherung die Schere noch viel weiter auseinander geht, da der Arbeitnehmer seinerseits noch mal den Arbeitnehmerbeitrag zur Rentenversicherung aufwendet. Nach den der Stadt Remscheid vorliegenden Zahlen ergibt dies einen Gesamtaufwand für die Rentenversicherung von rund 507 000 Euro gegenüber rund 247 000 Euro für die Rückdeckung der Pension. Aufgrund des dargestellten Sachverhaltes gehen wir in der Stadtverwaltung Remscheid davon aus, dass Beamte keineswegs höhere Kosten als Angestellte verursachen und haben daher die Ausbildung von Beamten entsprechend ausgeweitet. Frank vom Scheidt

Buchtipp

Steuerratgeber für Rentner und Ruhestandsbeamte Seit Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes muss fast jeder vierte Ruheständler eine Steuererklärung abgeben. Ein neuer Ratgeber will helfen, die persönliche Steuerlast auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Der verständlich formulierte Fachratgeber des Steuerberaters Wolfgang Benzel ist speziell auf die Informationsbedürfnisse von Pensionären und Rentnern zugeschnitten. Der Autor, möchte jeden in die Lage versetzen, seine Steuererklärung ohne fremde Hilfe zu erstellen Dabei tragen zum leichteren Verständnis ein anschaulicher Musterfall bei, der verschiedene Situationen durchspielt, zahlreiche Berechnungsbeispiele sowie eine Schritt- für Schritt-Ausfüllhilfe, die sich genau am Vordruck der Steuererklärung orientiert. Ausführlich dargestellt werden auch die für Ruheständler nicht selten relevanten Aspekte wie Nebentätigkeit, Umsatzsteuer oder Immobilienbesitz. Wolfgang Bezel: Der aktuelle Steuerratgeber für Rentner und Ruhestandsbeamte, 208 Seiten, ISBN: 978-3-80293798-9, Walhalla Fachverlag Regensburg/Berlin, 9,50 Euro.

dbb > spezial

Ausbildung für junge Menschen mit Behinderungen:

Dietmar Knecht: „Nicht stark anfangen und dann stark nachlassen“ Die Zahl der jungen Menschen, die in Sachen Berufsausbildung die Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit in Anspruch nehmen, steigt beständig. Im Ausbildungsjahr 2003/2004 haben sich in den Arbeitsagenturen 740 165 Bewerber gemeldet, davon waren 37 771 behindert: 23 969 junge Männer und 13 802 junge Frauen. Im Jahresvergleich mit 2002/2003 stieg die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden mit Behinderung um 5,4 Prozent – überdurchschnittlich, denn die der nicht behinderten Bewerber erhöhte sich „nur“ um 2,7 Prozent. Über die Chancen der jungen Gehandicapten auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sprach das dbb magazin mit dem dbb jugend-Vorsitzenden Dietmar Knecht.

jugend

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dbb magazin: Wie ist die Lage behinderter Jugendlicher auf dem Ausbildungsmarkt?

Knecht: Die Versorgung behinderter Jugendlicher mit Berufsausbildungsstellen ist in Deutschland rein statistisch betrachtet gut. Im Ausbildungsjahr 2003/2004 konnte die Bundesagentur für Arbeit 72,9 Prozent der behinderten jugendlichen Bewerber in Ausbildungsstellen und 24,5 Prozent in Alternativangebote, zum Beispiel berufsvorbereitende Bildungsmaßnah-

men, vermitteln. Das führt zu einer sehr hohen Versorgungsquote der behinderten Bewerber – 97,4 Prozent.

dbb magazin: Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein... Knecht: Voraussetzung für die Teilhabe am Arbeitsleben ist eine gute Ausbildung. Das gilt für behinderte Menschen in gleicher Weise wie für nicht behinderte, und deswegen tut der Staat gut daran, jeden jungen Menschen in Ausbildung zu bringen. Allerdings müssen wir,

t@cker „Butter bei die Fische!“ – große „Enttäuschung“ herrscht in der September-Ausgabe des dbb jugend magazins t@cker: „Wer geglaubt hatte, nach mehr als dreijährigem verbissenen Kampf um die Kompetenzen im Beamtenrecht würden die Länder nun endlich, da sie sie dank Föderalismusreform haben, voller Tatendrang loslegen – weit gefehlt! Von Wettbewerbsföderalismus keine Spur, man fühlt sich eher an einen bösen Witz erinnert: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren – Ländermikado!“, spottet der dbb jugend-Vorsitzende Dietmar Knecht im > dbb magazin | September 2006

so positiv die Statistik auch aussehen mag, bei der Ausbildung der behinderten Jugendlichen aufpassen, dass nicht stark angefangen und dann stark nachgelassen wird.

dbb magazin: Inwiefern? Knecht: Das gute Ergebnis bei der Versorgung behinderter Bewerber ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass es zahlreiche außerbetriebliche Ausbildungsmöglichkeiten gibt. Mindestens die Hälfte der behinderten Jugendlichen lernt extern in wohnortnahen beruflichen Rehabilitationseinrichtungen und Berufsbildungswerken, weil eine normale Ausbildung im dualen System oft nicht erreichbar ist. Entweder wegen Art oder Schwere der Behinderung, oder aufgrund der noch immer weit verbreiteten ablehnenden Haltung der Unternehmen, die trotz der staatlichen Zuschüsse keine Behinderten ausbilden wollen – da gibt es gravierende Unterschiede zum öffentlichen Dienst, der in Sachen Ausbildung und Beschäftigung von Behinderten eine richtige und wichtige Vorreiter-

rolle einnimmt. Nun erfolgt zwar die außerbetriebliche Ausbildung auf einem anerkannt hohen Niveau. Wegen der dort fehlenden Betriebsnähe ist es jedoch für die Jugendlichen trotz erfolgreich abgeschlossener Ausbildung oft schwierig, einen richtigen Arbeitsplatz zu finden. Hier muss noch mehr getan werden, um Teilhabe wirklich wahr zu machen.

dbb magazin: Das 2004 verabschiedete Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen soll Abhilfe schaffen...

Knecht: Ein Schritt in die richtige Richtung. Um die Zahl der betrieblichen Ausbildungen zu erhöhen, wurden die Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber nochmals verbessert. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten für die so genannte „verzahnte Ausbildung“ optimiert: Eine besondere Form der außerbetrieblichen Ausbildung, in der die Jugendlichen möglichst große Teile ihrer Ausbildung in Partnerunternehmen absolvieren. Dadurch erhöht sich die Betriebsnähe ihrer Ausbildung, so dass sie es später leichter haben, im Beruf Fuß zu fassen. Wenn die Jugendlichen im Betrieb bereits bekannt sind und sich bewährt haben, erhöhen sich ihre Chancen, nach Abschluss der Ausbildung übernommen zu werden. 

Editorial. „Anstatt den Beamtinnen und Beamten den längst fälligen, ja überfälligen Anschluss an die allgemeine Einkommensentwicklung zu gewähren, dessen Eckdaten im Tarifbereich bereits vorliegen, wird laviert, dass es nur so kracht. Das ist nicht der ‚gesunde Wettbewerb’, der uns von den Föderalismuspredigern angekündigt wurde, das ist Murks hoch drei.“ Lust auf mehr t@cker? Lesen lohnt sich wie immer: Es gibt Aktuelles und Neues aus den dbb Jugendverbänden, die t@cker-story war unterwegs mit der Lebensmittelkontrolle, und in der Rubrik t@cker-special startet eine neue Serie über die „föderale Vorhut“ in der Bundeshauptstadt – die Landesvertretungen in Berlin. Am besten direkt ansurfen unter www.tacker-online.de! Dort gibt’s auch die pdf-Ausgabe zum Download. 

dbb > spezial

Vorankündigung zum 9. dbb bundesfrauenkongress:

„Frauen – Fortschritt – Zukunft“

Am 19. und 20. April 2002 hatten sich zum 8. dbb bundesfrauenkongress unter dem Motto „Frauen sind die Lösung – nicht das Problem“ rund 420 Delegierte in der Hauptstadt Brandenburgs eingefunden. An beiden Tagen drehte sich alles um die vermeintlich frauenspezifischen Probleme in Gesellschaft und Berufsleben. Dabei wurde klar gestellt: Frauen sind die Lösung – nicht das Problem! Die demografischen Herausforderungen in einer alternden Gesellschaft sind nur mit den Frauen und nicht ohne und gegen sie zu lösen. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ So steht es seit mehr als 50 Jahren im Grundgesetz der Bundesrepublik. Dass Frauen heutzutage de jure durchaus die gleichen Rechte haben wie Männer, ist unbestritten. Dass Frauen jedoch aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen noch immer nicht die gleichen Möglichkeiten beispielsweise bei der Ausübung ihres Berufes haben, war eines der zentralen Themen des 8. dbb Bundesfrauenkongresses und wird auch beim 9. dbb bundesfrauenkongress ein wichtiges Leitthema sein.

Der Bundesfrauenkongress 2002 hatte sich mit 175 Anträgen und drei Entschließungen (Frauen brauchen eine zeitgemäße Familienpolitik!, Frauen dürfen nicht die Verliererinnen der angespannten Finanzlage sein!, Frauen dürfen nicht Verliererinnen der Reform der Alterssicherungssysteme bleiben!) aus allen Bereichen des dbb befasst. Die im Jahr 2002 verabschiedeten Anträge waren der Arbeitsrahmen für die Arbeit der Geschäftsführung in den Jahren 2002 bis 2006. Die Geschäftsführung hat alle Anträge und Arbeitsaufträge des 8. Bundesfrauenkongresses in den Jahren 2002 bis 2006 bearbeitet und versucht, die Anliegen durchzusetzen. Dies gelang in vielen, aber nicht in allen Fällen, denn einige Forderungen waren in der politischen Gesamtkonstellation von 2002 bis 2006, die geprägt war von Haushaltseinsparungen und Personalabbau, nicht durchsetzbar. Die Beschlusslage von 2002 war Grundlage für Stellungnahmen und politische Gespräche innerhalb des dbb und über die Grenzen des dbb hinaus mit politischen Entschei-

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Kursbestimmung durch gemeinsame Entscheidungen beim 8. dbb bundesfrauenkongress in Potsdam: Auch im Oktober 2006, beim bevorstehenden bundeskongress der dbb frauen, stehen wieder an die 200 Anträge zur Abstimmung.

dungsträgern im Bundestag und in anderen Verbänden. Erreicht wurden Verbesserungen im Bereich Erziehungsgeld/Elternzeit, bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit und in der Gleichstellungspolitik, die mehr und mehr von europäischen Einflüssen geprägt wird. Verändert hat sich auch die steuerliche Anerkennung von Kinderbetreuungskosten. Die dbb bundesfrauenvertretung fordert hier nach wie vor die volle Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten für alle vom ersten Euro an und führt dazu ein Musterverfahren vor dem Bundesfinanzhof. Frauen brauchen eine eigenständige Alterssicherung. Deswegen sollten Kindererziehungszeiten in der Altersversorgung besser anerkannt werden, um den generativen Beitrag zum Generationenvertrag angemessener zu würdigen. Zu Anfang 2007 wird voraussichtlich das lohnersetzende Elterngeld eingeführt werden. Die dbb bundesfrauenvertretung hat die Lohnersatzfunktion des neuen Elterngeldes begrüßt, denn es trägt dazu bei, die finanziellen Einbußen

im ersten Lebensjahr des Kindes überschaubar zu halten. Die dbb bundesfrauenvertretung hat zu dem Vorhaben umfangreich Stellung bezogen und dabei auch die entsprechenden Anträge vom Bundesfrauenkongress 2002 einbezogen. Auch beim Bundesfrauenkongress 2006 wird wieder ein deutlicher Schwerpunkt der Anträge auf den Verbesserungsnotwendigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf, Ehrenamt und Familie, work-and-life-balance sowie bei der Alterssicherung liegen. Die interessanteste aktuelle „Großbaustelle“ für die dbb bundesfrauenvertretung ist jedoch die stärkere Implementierung von Gender Mainstreaming auch innerhalb des dbb und seinen Satzungswerken. Hierzu werden die Delegierten beim 9. dbb bundesfrauenkongress Beschlüsse fassen. Wie wichtig das Thema auch von den Frauen in den Mitgliedsgewerkschaften eingestuft wird, zeigt sich daran, dass sich von den bisher eingegangenen 188 Anträgen 20 dem Thema Gender Mainstreaming und seiner Durchsetzung widmen. Helene Wildfeuer

> dbb magazin | September 2006

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Am 6. und 7. Oktober 2006 veranstaltet die dbb bundesfrauenvertretung in Potsdam den 9. dbb bundesfrauenkongress unter dem Motto „Frauen – Fortschritt – Zukunft“. Der dbb bundesfrauenkongress findet – wie auch die Gewerkschaftstage im dbb – alle vier Jahre statt. Der Bundesfrauenkongress legt durch seine Beschlüsse den Rahmen für die politische Arbeit der dbb bundesfrauenvertretung in den folgenden vier Jahren fest. Dazu gehört auch die Wahl einer neuen Geschäftsführung.

dbb > spezial

... sobald diese Hinweise am Rand der Autobahn auftauchen, wissen wir, dass uns verengte Fahrspuren und holprige Straßenbeläge ebenso erwarten wie Staus und Zeitverlust. Ohne aufzubegehren ergeben wir uns als gewiefte Autofahrer unserem Schicksal. Wir wissen, dass wir machtlos der Verkehrsführung ausgeliefert sind und nicht die geringste Chance haben, eine Alternative zu entwickeln und der Baustelle ein Schnippchen zu schlagen. Was sollen wir auch machen? Das Wenden ist ebenso streng verboten wie das Auto einfach abzustellen und zu Fuß die Flucht querfeldein zu ergreifen. Also Augen zu (natürlich nur symbolisch gemeint) und durch. Und schließlich gibt es die verdiente Belohnung, das moralische Zuckerl: „Wir danken für Ihr Verständnis“ , prangt uns auf einem groß dimensionierten Schild am Ende der Baustelle entgegen. End-

lich! Die Tachonadel pendelt langsam aber stetig nach rechts. Frust und Ärger verrauschen bereits nach wenigen Minuten... Dieses zutiefst menschliche Verhaltensmuster sollten sich unsere Volksvertreter zunutze machen, wenn Bürger mit unverständlichem Zorn und blindem Eifer gegen ihren Gestaltungseifer aufbegehren. Wie unge-

schickt ist es doch von ihnen, zu suggerieren, es gebe Alternativen, oder Wenden und Rückwärtsfahren sei möglich. Nichts da! Die Bürger müssen Gesetzgebung endlich als Fahrt durch die Autobahnbaustelle begreifen, als unabwendbar und unmkehrbar. Gut sichtbar werden deshalb in Kürze rund um Reichstag und Bundestag Baustellentafeln platziert: „Achtung! Hier führt die Bundesrepublik Deutschland für Sie Regierungsarbeiten durch.“ Jedermann weiß dann sofort, dass damit notwendigerweise Unbill und Ärger verbunden sind, aber keine Alternativen dazu bestehen, wenn Gesetzespakete etwa vom Kaliber der Föderalismusreform nachgebessert, nachgesteuert und geflickt werden müssen. Und am Schluss zahlt der Bürger die Zeche für Lagen, die er gar nicht bestellt hat. Klaglos, denn schließlich heißt es beim Verlassen des Regierungsviertels zum Trost: „Wir danken für Ihr Verständnis.“ Endlich! Alles vorbei und freie Fahrt. Frust und Ärger verrauschen bereits nach wenigen Minuten... sm

37 glosse

Hier baut die Bundesrepublik Deutschland...

> dbb magazin | September 2006

dbb > spezial

DBV beteiligt Kunden am Verkaufserlös:

Rückzahlung auf Berechtigungsschein Wer am 26. April 1990 bei der Deutschen Beamten-Versicherung Öffentlichrechtliche Lebensund Renten-Versicherungsanstalt mit einer entsprechenden Versicherung abgesichert war, der kann Anfang des nächsten Jahres mit einem Geldeingang rechnen. Einzelheiten dazu in einem Interview der Redaktion des dbb-magazins mit Herbert Falk, Vorstandsvorsitzender der DBV Öffentlichrechtliche Anstalt für Beteiligungen. Herr Falk, es ist ja eher ungewöhnlich, dass die Kunden eines Unternehmens bei dessen Verkauf am Erlös beteiligt werden. Wie kam es bei der DBV dazu? Mir persönlich ist kein vergleichbarer Fall – zumindest in der Versicherungsbranche – bekannt. Als die Deutsche Beamten-Versicherung Öffentlichrechtliche Lebensund Renten-Versicherungsanstalt 1990 privatisiert wurde, kam es zu dieser kundenfreundlichen Lösung. Nicht dem Staat fiel das Vermögen der Einrichtung zu, sondern den Versicherten, den eigentlichen Trägern des Unternehmens. Das Bundesfinanzministerium und das damalige Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen haben also der Umstrukturierung des Unternehmens mit einer Holding an der Spitze zugestimmt? So ist es. Der Übergang der Anstalt zu einem Börsenunternehmen erfolgte in einzelnen kontinuierlichen Schritten, die mit dem Börsengang der DBV-Holding AG abgeschlossen wurden. Im Zuge dieses Börsengangs werden zunächst zwei Drittel der DBV-Holding AG-Anteile über die Börse veräußert.

> dbb magazin | September 2006

Auf welchem, Weg werden die berechtigten Versicherten erfahren, wie und wie viel Geld sie erhalten? Bereits 1993 wurden den Betroffenen Berechtigungsscheine für den Fall einer Veräußerung der Anteile zugestellt. Die Einzelheiten der >

Foto: DBV

mitgliederservice

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wird Anfang 2007 an die Berechtigten ausgeschüttet. Dies wurde möglich durch den Verkauf des verbliebenen Aktienpakets von zirka 25 Prozent an die Winterthur Group, die bereits rund 70 Prozent an der DBV-Winterthur Holding AG hält.

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Herbert Falk

Was geschah mit den Erlösen aus diesem Verkauf? Der Überschuss daraus in Höhe von damals über 600 Millionen Mark wurde bereits 1990 den Lebensversicherungskonten der berechtigten Versicherten gutgeschrieben. Er diente also der kostenfreien Erhöhung der Lebensversicherungsleistungen. Was wurde aus den 25 Prozent bei der DBV Öffentlichrechtliche Anstalt für Beteiligungen verbliebenen Aktienanteilen? Auch der Gegenwert des noch von der Anstalt gehaltenen Anteils an der jetzigen DBV-Winterthur Holding AG

Abwicklung sowie die Höhe des zur Verteilung kommenden Betrags werden dann in einem öffentlichen Aufruf bekannt gegeben. Die Bekanntgabe geschieht unter anderem im Bundesanzeiger, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, weiteren überregionalen Presseorganen und auf der Homepage der Anstalt unter www.dbvoer.de. Es bleiben danach zwei Jahre Zeit für die Betroffenen, ihre Scheine einzulösen. Deshalb bitten wir alle Inhaber von Berechtigungsscheinen, diese erst nach dem Aufruf bei der genannten Adresse einzureichen.

DBV Öffentlichrechtliche Anstalt für Beteiligungen Als die Deutsche Beamten-Versicherung Öffentlichrechtliche Lebens- und Rentenversicherungsanstalt (DBV) 1990 privatisiert wurde, kam es zu einer fortschrittlichen Lösung hinsichtlich der Übertragung des Eigentums. Nicht dem Staat fiel, wie erwartet, das Vermögen zu, sondern den bei der damaligen Anstalt Versicherten. Im Zuge des damaligen Börsengangs wurden zuDas dbb magazin wird rechtzeitig einen nächst zwei Drittel der Hinweis auf den Zeitpunkt der Einreichung des Berechtigungsscheins veröfDBV-Holding Anteile fentlichen. Besitzer eines Berechtiüber die Börse vergungsscheins haben dann zwei Jahre Zeit, diesen bei der genannten Adresse äußert. Der Überschuss daraus in Höhe einzureichen. von über 600 Millionen Mark wurde den Versichertenkonten unmittelbar gutgeschrieben. Auch der Gegenwert des bis Juni 2006 noch von der DBV Öffentlichrechtlichen Anstalt für Beteiligungen gehaltenen Anteils von 25 Prozent an der Holding soll Anfang 2007 an die Berechtigten ausgeschüttet werden.

dbb > spezial

Wie lautet Ihr Fazit hinsichtlich der Tätigkeit der DBV Öffentlichrechtliche Anstalt für Beteiligungen? Mehr als 15 Jahre hat die DBV Öffentlichrechtliche Anstalt für Beteiligungen mit ihren Gremien erfolgreich die Aufgabe wahrgenommen, dafür zu sorgen, dass die Privatisierung eines staatsnahen Unternehmens im Sinne ihrer Versicherten verläuft. Bekanntlich dient die Anstalt satzungsgemäß in erster Linie den Zwecken der Selbsthilfe der Deutschen Be-

Welche Rolle spielen dabei die Gewerkschaften? Die Verwaltungsorgane der Anstalt setzen sich vornehmlich aus den nach § 94 des Bundesbeamtengesetzes zu beteiligenden gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen zusammen, also auch des dbb und seiner Gliederungen. Deren Vertreter in den Gremien haben dafür gesorgt, dass alle ehemaligen Versicherten – in der Mehrzahl Angehörige des öffentlichen Dienstes – von dieser Umstrukturierung der DBV profitieren. 

Personalwechsel Jörg Aringsmann ist der neue Leiter des Geschäftsbereichs „Öffentlicher Sektor“ bei der DBV-Winterthur in Wiesbaden. Als Geschäftsbereichsdirektor trat er Anfang Juli die Nachfolge von Gregor Schulz an, der nach über 40-jähriger Tätigkeit für das Unternehmen in den Ruhestand verabschiedet wurde. Der 40-jährige studierte Versicherungsbetriebswirt und ist Absolvent eines MBA-Studiums (Master of Business Administration). Bereits seit November 2005 ist er in leitender Funktion für den Geschäftsbereich „Öffentlicher Sektor“ tätig. Der „öffentliche Sektor“ ist eine der Hauptzielgruppen der DBV-Winterthur. Auch nach dem Verkauf der Winterthur

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Jörg Aringsmann

Gruppe an die Axa will die DBV-Winterthur nach eigenen Angaben ihre traditionell engen Kundenbeziehungen zum öffentlichen Dienst weiter pflegen und ausbauen. 

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Neben der genannten Internet-Adresse gibt es das Service-Telefon 0180 3202 608 (9 cent/Minute). Hier können Inhaber von Berechtigungsscheinen ihre Fragen beantworten lassen.

amtenschaft, im Weiteren der aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Die Anstalt unterstützt und fördert daher auch künftig die Zusammenarbeit zwischen der DBV-Winterthur und dem dbb.

Foto: DBV

Wo können sich Betroffene informieren?

> dbb magazin | September 2006

dbb > finale

Barrierefreies Internet:

Auch Nichtbehinderte profitieren

online

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Gerade Menschen mit Behinderungen sind große InternetFans: Rund 80 Prozent der im Zuge einer vom Bundeswirtschaftsministerium durchgeführten Studie befragten Menschen mit Handicaps gaben an, einfache bis gute Internetkenntnisse zu haben. Damit liegen behinderte Menschen weit über dem Bevölkerungsdurchschnitt mit rund 42 Prozent. Das gilt der nicht repräsentativen Umfrage zur Folge besonders für die 30bis 49-Jährigen (86 Prozent) und die 50bis 69-Jährigen (89 Prozent). Gerade für Sehbehinderte oder Menschen mit eingeschränkter Motorik ist das Netz allerdings nach wie vor ein wahrer Hindernisparcours. Denn es genügt nicht, eine Internetseite in großer Schrift anzubieten, damit sie behindertengerecht ist und das Prädikat „barrierefrei“ verdient.

> dbb magazin | September 2006

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Online sein ist für viele Menschen mit Behinderungen eine Selbstverständlichkeit. Barrierefreies Webdesign erleichtert den Zugang.

Auch die Barrieren sahen die im Jahr 2002 Befragten sehr deutlich: 46 Prozent beklagten die mangelnde Abrufbarkeit von Inhalten durch Spezial-Ausgabegeräte. So müssen barrierefreie Internetseiten zum Beispiel mit Braillezeilengeräten kompatibel sein. Diese werden wie eine Tastatur an den PC angeschlossen und übersetzen den Bildschirminhalt in Blindenschrift. Theoretisch können so auch Fotos und Symbole übersetzt werden, wenn sie mit erläuternden Texten hinterlegt sind. Auch die schlechte Lesbarkeit der Navigation von Internetseiten wurde von 43 Prozent der Befragten beklagt. Vier Jahre später ist das Internet noch leistungsfähiger, multimedialer und bunter geworden. Gerade deshalb müssen barrierefreie Internetseiten umso mehr Rücksicht auf verschiedenste Handicaps ihrer Nutzer nehmen. Personen mit einer

Farbfehlsichtigkeit, wie einer Rot/Grün-Sehschwäche, können mit zahllosen Rahmen und vielen Farben auf einer Website nichts anfangen. Sie brauchen beispielsweise starke Kontraste und klare Schriften sowie Kontrolle über die Farbe von Schrift und Hintergrund. Blinkende oder animierte Texte stellen dagegen eine Barriere dar. Zudem sind Sehbehinderte bei einer Navigation, die aus Bildern oder bewegten Inhalten wie PopUps (aufklappenden Fenstern) besteht, benachteiligt. Internetnutzer mit motorischen Störungen navigieren meist nur mit der Tabulatorund Eingabetaste der Tastatur. Links, Formularelemente und andere aktive Objekte auf der Seite müssen so erreichbar sein. Können die Inhalte nur mit der Maus angesteuert werden, bleiben sie oft außen vor.

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Verschiedene Ansprüche ...

Gehörlose Menschen, die sich der Gebärdensprache bedienen, haben oft Probleme mit der Schriftsprache. Barrierefrei sind für sie Webseiten, die – zum Beispiel durch Videos oder Symbole – in Gebärdensprache dargestellt werden können. Menschen mit kognitiven Behinderungen haben Probleme, lange und kompliziert formulierte Texte zu verstehen. Deswegen ist es sinnvoll, Webseiten in so genannter „leichter Sprache“ zu verfassen oder Übersetzungen in „leichter Sprache“ anzubieten – eine Übung, die so mancher Internetseite ohnehin gut zu Gesicht stünde. In der Praxis erfüllen viele deutschsprachige Internetseiten diese Kriterien zumindest annähernd, besonders, wenn es um die Präsentation öffentlicher Stellen im Web geht: Be-

dbb > finale

hörden oder Regierungsseiten sind nach dem zum 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) zur Barrierefreiheit verpflichtet. Der Bund hat Regeln zur Herstellung von Barrierefreiheit in der Informationstechnik für seine Verwaltung erstellt. Eine entsprechende Rechtsverordnung (Barrierefreie Informationstechnik Verordnung – BITV) von Bundesinnenministerium und Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung regelt die entsprechenden Maßgaben. Die Rechtsverordnung enthält zwar keine Vorgaben zur grundlegenden Technik, sondern listet Anforderungen auf, die sich an den Richtlinien der WAI („Web Accessibility Initiative“, die sich um internationale Standards für Barrierefreiheit in der Informationstechnologie kümmert) orientieren. Der Bund führt zwei Prioritäts-Stufen mit insgesamt 14 Anforderungen und über 60 zu erfüllende Bedingungen auf. >

Das Aktionsbündnis für barrierefreie Informationstechnik (AbI) ist ein vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördertes Projekt und hält auf der Internetseite

Grundsätzlich richtet die BITV sich nur an Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die dem Bund untergeordnet sind. Einrichtungen und Körperschaften der Länder werden dagegen über eigene Landes-Gleichstellungsgesetze erfasst. >

www.wob11.de neben vielen Informationen für behinderte Menschen eine umfangreiche Linksammlung zum Thema bereit. 

... verschiedene Standards?

Damit in Zukunft Menschen mit Behinderungen keine unnötigen Hürden überwinden müssen, forderte der Deutsche Behindertenrat (DBR), der rund 100 Behindertenverbände und Selbsthilfegruppen repräsentiert, die Länder bereits im Sommer 2004 auf, ihre Landesgleichstellungsgesetze in Bezug auf barrierefreie Informationstechnik an die Standards der BITV anzugleichen. „Nur so ist es möglich, dass ein Mensch mit Handicap auf den kommunalen Seiten von München oder Hamburg die gleichen Bedingungen vorfindet. Ansonsten hätten wir 16 Länder und 16 unterschiedliche Standards“, so die Begründung des damaligen Vorsitzenden des BDR-Sprecherrates Walter Hirrlinger. Die Praxis bestätigt

Info Tipps für mehr Barrierefreiheit Auch ohne explizite Barrierefreiheit im Aufbau einer Internetseite können sich Menschen mit Handicaps helfen, die Seite besser einzustellen. Alle gängigen Webbrowser ermöglichen es, den Schriftgrad zu vergrößern, zum Beispiel mit der Option „Ansicht. Schriftgrad verstellen“. Das geht meist auch mit der Tastaturkombination „Steuerung+“. Darüber hinaus erlaubt es der Webbrowser „Firefox“, allzu knallige Hintergrundfarben auf Internetseiten über die Funktion „Ansicht, Webseiten-Stil, kein Stil“ einfach auszublenden. Das Ergebnis ist schwarze und blaue Schrift auf weißem Hintergrund. Die Internetseiten der großen überregionalen Tageszeitungen wie des „Handelsblatt“ oder der „Zeit“ bieten ausgewählte Inhalte auch als Audio-Dateien an, die aufgerufen werden können, um den Text einer Meldung vorlesen zu lassen. Das dafür notwendige Zusatzprogramm („Plugin“) installiert sich im Idealfall von selbst. Darüber hinaus kann der Internetbrowser mit zum Teil kostenlosen Zusatzprogrammen wie „Webspeech“ lesefähig gemacht werden. Das bedeutet, dass der Browser markierte Stellen einer Internetseite vorliest. In der kostenpflichtigen Version angeblich sogar mit Dialekt. Zwar klingt die computergenerierte Stimme etwas ungelenk und kann es nicht mit der sehr angenehmen Stimme des Handelsblatt aufnehmen, aber als Alternative zu fehlenden Audio-Versionen der Texte ist Webspeech durchaus eine Option. 

Webtipp

ihn: Während Internetseiten des Bundes weitgehend barrierefrei sind, trübt sich das Bild bei den Internetportalen der Bundesländer ein. Kommunale Internetseiten haben oft scheinbar noch gar nichts von Barrierefreiheit gehört, wie Stichproben mit der Internetseite www.barrierecheck.de ergaben, die das dbb magazin durchgeführt hat. Dort erlaubt es ein Programm, beliebige Internetseiten auf ihre Barrierefreiheit hin zu testen. Einziger Volltreffer des nicht repräsentativen Stichprobentests: Die Internetpräsenz der Stadt Siegen ist laut Barrierecheck.de inklusive des virtuellen Rathauses 100 Prozent barrierefrei. Ebenfalls positiv: Die Internetportale der Städte Hamburg und Neuss halten ausgewählte Inhalte der Seite in Gebärdensprache bereit, ebenso die Bundesbank. >

Rückschritte befürchtet

In den vergangenen Jahren wurde politisch viel erreicht, was die Barrierefreiheit betrifft. Dennoch befürchtet der DBR im Zuge der Föderalismusreform massive Rückschritte für die Rechte und die gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen. Viele Verbesserungen, die behinderte Menschen in den letzten Jahren erkämpft hätten, könnten jetzt hinfällig werden, erklärte Brigitte SetzerPathe, die Sprecherratsvorsitzende des Deutschen Behindertenrates (DBR) im Juli 2006. Mit der Föderalismusreform erhalten die Länder die Möglichkeit, bei der Umsetzung von Bundes-

recht in den Ländern eigene Regelungen zu beschließen. >

Kosten und Nutzen

Barrierefreiheit im Internet ist flächendeckend wünschenswert, weil sie behinderten Menschen hilft, moderne Medien zu nutzen. Darüber hinaus macht sie das Netz auch für Nichtbehinderte bedienungsfreundlicher. Bei allen Vorteilen gibt es aber auch Barrieren für die Anbieter von Online-Inhalten, denn eine professionell umgesetzte barrierefreie Internetseite verursacht Kosten und Aufwand. Hier werden nichtstaatliche Anbieter abwägen, wie viel Barrierefreiheit sie sich leisten können und möchten. Es ist zudem ein Unterschied, ob ein neues Internetangebot von vornherein barrierefrei aufgebaut wird, oder ob ein beste-

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hendes Web aufwändig umgebaut werden muss. Zur Barrierefreiheit verpflichtet sind nur staatliche Stellen des Bundes, weil deren Inhalte allen Bürgerinnen und Bürgern in gleichem Maße zugänglich sein müssen. Selbst die in Sachen Barrierefreiheit meist vorbildlichen Seiten der Bundesregierung – als perfekter Prototyp dürfte www.behindertenbeauftragte.de gelten – setzen längst nicht alle möglichen Kriterien um, erreichen aber trotzdem ein hohes Maß an Barrierefreiheit. Unsere Tipps zeigen, was Nutzer tun können, um Internetseiten mit Barrieremängeln besser zugänglich zu machen. br

> dbb magazin | September 2006

dbb > fokus

winFonds Rente:

Rendite mit Garantie Vor allem für jüngere Menschen und junge Familien wächst die Notwendigkeit, verstärkt in die eigene Altersvorsorge zu investieren. Angestellte und Beamte im besten Alter sowie ruhestandsnahe Jahrgänge suchen demgegenüber nach einer risikoarmen Anlage mit attraktiver Renditechance bei einem verlässlichen Partner. Für beide Zielgruppen hat das dbb vorsorgewerk in Kooperation mit der DBV-Winterthur eine neue und innovative Fondsrente mit Garantiefonds und flexiblem Todesfallschutz maßgeschneidert.

mitgliederservice

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Mit der „winFonds Rente“ können die Renditechancen der Börse für den Vermögensaufbau genutzt werden, gleichzeitig sichert der Garantiefonds „DWS FlexPension“ vor Verlusten ab. So lässt sich ganz einfach ein kleines Vermögen aufbauen. Flexibel, rentabel und sicher. Doch wie funktioniert das pfiffige Garantiefondskonzept „DWS FlexPension“, das Sicherheit und Rendite für die ganze Familie bietet – unabhängig von Börsenturbulenzen? Neben der Kapitalgarantie auf die Sparbeiträge zeichnet das Konzept eine „dynamische Ge-

> dbb magazin | September 2006

winnsicherung“ aus. Das bedeutet, dass der jeweils höchste an monatlichen Stichtagen erreichte Anteilswert des Fonds festgeschrieben wird. Durch diese Höchststandsabsicherung profitiert der Kunde von den steigenden Kursen an der Börse. Sinkt der Anteilspreis, bleibt das erreichte Niveau garantiert. Zum Laufzeitende kann ein einmal erzieltes Garantieniveau nicht mehr unterschritten werden. Mit dem vom dbb vorsorgewerk empfohlenen Angebot „winFonds Rente mit Garantie“ bleibt der Kunde flexibel, wenn es um das anzusparende Kapi-

tal geht. So kann mit monatlichen Sparraten oder Einmalbeiträgen investiert werden. Zudem ist eine flexible Zuzahlung ab 2 500 Euro zu jedem Monatsersten möglich. Damit können zum Beispiel günstige Börsenphasen ausgenutzt werden. Und wenn das Geld mal knapp wird, kann bis zu drei Jahre mit der Beitragszahlung ausgesetzt werden. Weitere Vorteile bei Rentenbeginn: Auf Wunsch ist eine einmalige Kapitalabfindung möglich, die Renten- oder Kapitalleistung kann flexibel bis zu zehn Jahre früher abgerufen werden. Soweit nicht für den eigenen Bedarf benötigt, kann auf Wunsch die Kapitalabfindung auch bis zum 100. Lebensjahr aufgeschoben werden. Mit dieser beitragsfreien Verlängerung besteht die Möglichkeit, die Todesfall-Leistung (Sterbegeldersatz) einkommensteuerfrei zu vererben. Zusätzlich kann ein Hinterbliebenenschutz in Höhe von bis zu 25 000 Euro ohne Gesundheitsfragen eingeschlossen werden. Besonders wertvoll: Die Rentengarantiezeit von bis zu 20 Jahren!

Auch steuerlich ist die Fondsrente überaus attraktiv: Wer mindestens 12 Jahre durchhält und bei Vertragsende 60 Jahre oder älter ist, bekommt bei einer Auszahlung auf einen Schlag die Hälfte der Kapitalerträge steuerfrei. Die andere Hälfte wird der Einkommen-steuer unterzogen. Noch interessanter ist es, das erwirtschaftete Kapital für eine private Rente zu nutzen.

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Info Übrigens: Bei der Fondsrente profitieren Mitglieder der dbb Einzelgewerkschaften und deren Angehörige doppelt. Denn über das dbb vorsorgewerk können sie höhere Leistungen bei Fondsguthaben und Rente erzielen. Weitere Informationen erhalten Sie im Internet unter: www.dbb-vorsorgewerk.de oder vom Service-Team des dbb vorsorgewerk: Montag bis Freitag 8.00 bis 18.00 Uhr unter: 0180-52 22 170 (12 c/min).

Dann sind die Kapitalerträge im Ergebnis vollständig steuerfrei. Somit kann während der Ansparphase (aber auch im Rentenbezug) der drastisch reduzierte Sparerfreibetrag geschont werden. [Vorsicht: Ab 2007 sinkt der Sparerfreibetrag auf 750 Euro bei Ledigen und 1 500 Euro bei Ehepaaren. Bei Anlagen in festverzinsliche Wertpapiere oder Sparbriefe bleibt bei einer angenommenen Verzinsung von nur 3 Prozent künftig noch ein Anlagebetrag von zirka 25 000 beziehungsweise 50 000 Euro steuerfrei!] Und: Die monatlichen Rentenleistungen sind nur zu einem kleinen Teil steuerpflichtig. Beginnt die Rente mit 65 Jahren, sind zum Beispiel pauschal 82 Prozent der Rente steuerfrei! as

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BBW

Teilerfolg bei Besoldungsanpassung Der Beamtenbund BadenWürttemberg (BBW) hat den Kabinettsbeschluss über Einmalzahlungen für die Landesbeamten und Versorgungsempfänger als Teilerfolg für sein Engagement gewertet. „Das ist der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagte BBW-Chef Volker Stich am 1. August 2006. Da die Entscheidung über eine lineare Erhöhung der Bezüge ab 2008 noch aussteht, halte der BBW aber seiner Forderung nach 2,9 Prozent mehr Gehalt und dem Erhalt der Sonderzahlung fest, so Stich. Wer Qua>

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Volker Stich, Vorsitzender des BBW

lität, Kreativität und Motivation im öffentlichen Dienst will, der sei auch verpflichtet, eine funktions- und leistungsgerechte Bezahlung sicherzustellen. Es sei deshalb höchste Zeit, die Bezüge der Beamten und Versorgungsempfänger an die allgemeine Einkommensentwicklung anzupassen. 

Witwenrente – Mindestalter nicht erhöhen Die Forderung des Bundestagsabgeordneten Peter Weiß (CDU), das Mindestalter für die Witwenrente schrittweise von derzeit 45 auf 50 oder mehr Jahre zu erhöhen, stößt beim Seniorenverband BRH auf entschiedene Ablehnung. BRH-Bundesvorsitzender Herbert Bartsch forderte am 11. August 2006, diesen Plan unverzüglich zu den Akten zu legen. „Die Einsparungen stünden in keinem Verhältnis zu dem Schaden für die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit des Rentensystems.“ 

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BBB

Erhaltung des Status quo zu wenig Die bayerische Staatsregierung hat am 8. August 2006 die Weiterzahlung der jährlichen Sonderzahlung in bisheriger Höhe bis 2009 und Einmalzahlungen in den Jahren 2006 und 2007 von jeweils 250 Euro beschlossen. Rolf Habermann, Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbundes (BBB), sagte, die Kolleginnen und Kollegen hätten sich aber mehr gefreut, wenn ein tatsächlicher Ausgleich ihrer seit Jahren erbrachten Mehrarbeit gegenüber dem Tarifbereich und anderen Bundesländern erfolgt wäre. >

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Rolf Habermann, Vorsitzender des Bayerischen Beamtenbundes

„Die Zusage nicht weiter zu kürzen, werden viele Beschäftigte nicht unbedingt als Anerkennung verstehen“, so Habermann. Bayerische Beamte arbeiten seit September 2004 wöchentlich 42 Stunden – das ist deutsch-landweit die längste Arbeitszeit. 

Maut-Daten nutzen Der Vorschlag der Bundesregierung, Maut-Daten zur Aufklärung von schwersten Straftaten zu nutzen, wird von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) unterstützt. Bundesvorsitzender Wolfgang Speck sagte am 4. August 2006: „Diese Möglichkeit sollte genutzt werden, nicht zuletzt um zu Unrecht Beschuldigte zu entlasten.“ Ähnlich wie die DNA-Analyse sei die Maut-Daten-Auswertung bei richtiger Handhabung eine verlässliche Aufklärungsmethode. 

dbb > finale

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sbb

Programm zur Personalüberleitung Fünf unter dem Dach des beamtenbund und tarifunion sachsen (sbb) zusammengeschlossene Gewerkschaften haben ein 10Punkte-Programm zur Überleitung von Personal in den kommunalen Bereich erarbeitet. Sie reagierten damit auf die wachsende Verunsicherung der von der bevorstehenden Verwaltungsreform im Freistaat betroffenen Beschäftigten. Der Forderungskatalog wurde am 27. Juli 2006 zusammen mit einem Schreiben des sbb Vorsitzenden

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mitgliedsgewerkschaften

44 Ewald Walisch, Vorsitzender des sbb

Ewald Walisch an die Abgeordneten des Landtages, den Innenminister, die Mitglieder des Landkreistages sowie des sächsischen Städte- und Gemeindetages übersandt. Darin gefordert wird u. a. ein Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen, eine Beschäftigungsgarantie für mindestens zehn Jahre sowie die Vermeidung von Einkommens- und Versor gungsverlusten. >

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Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbandes (DPhV), hat vor einer wachsenden Einflussnahme der Scientology-Sekte im Bereich Schülernachhilfe gewarnt. Berichten des Verfassungsschutzes und einzelner Kultusministerien zufolge habe sich die Zahl der von Scientology betriebenen Nachhilfeinstitute innerhalb der letzten zehn Jahre mindestens verdreifacht, sagte Meidinger der „Welt“ (Ausgabe vom 26. Juli 2006). Mehr als 90 Prozent aller Nachhilfeinstitute in Deutschland arbeiteten aber völlig korrekt, so Meidinger. Zur Sicherheit sollten Eltern sich nach der Dachorganisation oder dem Träger der jeweiligen Nachhilfeeinrichtung erkundigen. 

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Am Betrieb des Flughafens Frankfurt/Main durch die Fraport AG ist die Stadt Frankfurt maßgeblich beteiligt. Für die Mitarbeiter von Fraport gilt daher trotz der Börsennotierung des Unternehmens öffentliches Tarifrecht. Die komba gewerkschaft nimmt durch ihren schnell wachsenden komba Kreisverband Flughafen Frankfurt gewerkschaftliche Verant-

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Flughafenstandard auf Bahnhöfen „realitätsfern“ Als „realitätsfern“ hat der Vorsitzende der bundespolizeigewerkschaft bgv, Knut Paul, die Forderung bewertet, in Zügen und auf Bahnhöfen den gleichen Sicherheitsstandard zu haben wie auf Flughäfen. Solche Forderungen schadeten nur der fachlichen Diskussion, sagte Paul am 4. August 2006. „Natürlich muss und kann der Sicherheitsstandard auf Bahnhöfen verbessert werden.“ Dafür seien aber intelligente und machbare Lösungen erforderlich. Die Präventionsarbeit der Bundespolizei müsse gestärkt werden. 

Joachim Jetschmann, Vorsitzender dbb berlin

bahnrecht, Besoldungs- und Versorgungsrecht der Berliner Landesbeamten könnten nur sachgerecht wahrgenommen werden, wenn die Spitzenorganisationen des öffentlichen Dienstes nach einem gesetzlich festgelegten Verfahren neue Beteiligungsrechte erhalten, die eine echte Mitsprache sicher stellen.

Protest beim Patentamt Mit einer Unterschriftenaktion und einem offenen Brief an den Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) kämpfen rund 500 Patentprüfer und Patentabteilungsleiter des DPMA in München gegen die weitere Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. Der Verband der Beschäftigten des gewerblichen Rechtsschutzes (VBGR), auf dessen Initiative die Unterschriftenaktion zurückgeht, befürchtet, dass die Kündigung der Mietverträge für 106 Büroräume erheblichen Schaden für die Patentanmelder und die deutsche Industrie mit sich bringen wird, so der VBGR am 28. Juli 2006. 

Der dbb berlin setzt sich für eine Erweiterung der Beteiligungsrechte der Gewerkschaften und Berufsverbände ein. Dies sei eine notwendige Konsequenz bei der Umsetzung der Föderalismusreform, sagte Jetschmann am 16. August 2006 in Berlin. Die neuen Zuständigkeiten des Landes Lauf-

komba

Gespräch mit Fraport-Vorstand

Warnung vor Scientology

dbb berlin

Beteiligungsrechte erweitern >

„Ein erster richtiger, aber noch nicht ausreichender Schritt.“ Mit diesen Worten hat der Vorsitzende des dbb niedersachsen, Friedhelm Schäfer, die Absicht der Landesregie-rung bewertet, die Bezüge der Landesbeamten in Anlehnung an den für die Landesange-stellten abgeschlossenen Tarifvertrag 2007 anzuheben. Damit sei die Landesregierung noch ein ganzes Stück von der dbb Forderung entfernt. „Wir erwarten noch Nachbesserungen“, sagte der dbb Landeschef am 18. Juli 2006. 

Heinz Ossenkamp, Vorsitzender der komba gewerkschaft

wortung wahr. komba Bundesvorsitzender Heinz Ossenkamp, Vize Klaus Geiser und die Vorstandsspitze von komba Flughafen trafen sich am 25. Juli 2006 zum Informationsaustausch mit Herbert Mai, Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der Fraport AG. Schwerpunkte des konstruktiven Gesprächs waren die Positionen zur Europäischen Bodenverkehrsrichtlinie und die mögliche Ausgründung der Sicherheitsdienste – mit allen denkbaren Konsequenzen sowohl für die Erhaltung von Arbeitsplätzen als auch für die Be zahlungsstrukturen.

Angleichung reicht nicht aus

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Volle Angleichung Ost ab September Für die Beschäftigten des Bahn-Konzerns in den neuen Bundesländern erfolgt die letzte Stufe der Angleichung an die West-Tabelle zum 1. September 2006, teilte die Verkehrsgewerkschaft GDBA am 9. August 2006 mit. Damit wird die Stufenbegrenzung für die Beschäftigten im Osten endgültig aufgehoben. 

dbb > finale

dens“. Probleme für die Schulen sieht Meidinger kaum, zumal nur ein sehr kleiner Teil der Rechtschreibreform von den erneuten Änderungen betroffen sei. 

VBE und DPhV

Schritt zum Rechtschreibfrieden Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und der Deutsche Philologenverband (DPhV) haben das In-KraftTreten der Änderungen zur Rechtschreibreform am 1. August 2006 begrüßt. VBEVorsitzender Ludwig Eckinger zeigte sich erleichtert, dass damit der Unsicherheit und Verwirrung über die jeweils richtige Schreibweise ein Ende gesetzt wird. „Endlich kommen die Schulen wieder in ruhiges Fahrwasser“, sagte Eckinger, der als Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung an der Kompromissfindung beteiligt war, der „Welt“ (Ausgabe vom 22. Juli 2006). DPhV-Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger

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Ludwig Eckinger, Bundesvorsitzender des VBE

Heinz-Peter Meidinger, Bundesvorsitzender des DPhV

sprach von einem „wichtigen Schritt zur Wiederherstellung eines Rechtschreibfrie-

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2006). „Auf eine Mission in einem Gebiet, in dem bis vor wenigen Tagen Krieg geherrscht hat, ist die Bundespolizei definitiv nicht vorbereitet. Außerdem sind unsere

DPolG

Bundespolizei im Nahen Osten „absurde Vorstellung“ Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Wolfgang Speck, hat einen möglichen Einsatz der Bundespolizei im Krisengebiet an der libanesisch-syrischen Grenze als „absurde Vorstellung“ bezeichnet. „Die Risiken eines solchen Einsatzes wären immens“, sagte Speck der „Schweriner Volkszeitung“ (Ausgabe vom 16. August

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Wolfgang Speck, Bundesvorsitzender der DPolG

Kräfte durch den Schutz von Bahnhöfen und Flughäfen bereits stark gebunden.“ Denkbar wäre allenfalls die Entsendung weniger Beamter zur Ausbildung libanesischer Sicherheitskräfte. 

45 mitgliedsgewerkschaften

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> dbb magazin | September 2006

dbb > finale

Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwilllantysiliogogogoch* * die 58 Buchstaben in der Überschrift dieser „kulisse“ beinhalten keineswegs eine Geheimbotschaft für Spione, sondern bilden den Namen für einen Ort in Wales. Übersetzt heißt die kleine Gemeinde mit dem längsten Namen in Europa „Marienkirche in einer Mulde weißer Haseln in der Nähe eines schnellen Wirbels und in der Gegend der Thysiliokirche, die bei einer roten Höhle liegt“. Angesichts der Übersetzung, die aus 142 Buchstaben, Zwischenräumen und einem Satzzeichen besteht, kann man der präzisen Kürze der walisischen Originalbezeichnung nur Achtung zollen.

den Besitzern Kontakt aufnehmen und ein als Finderlohn getarntes Lösegeld vereinbaren, das oft mehr als 1 000 Pfund (1 450 Euro) betragen würde. >

Den Ausstieg aus dem Berufsleben hat sich ein Aushilfs-Tankwart mit einer eigenmächtigen Manipulation an der

und das vorsichtshalber herausgenommene Gebiss hielt der selig Schlafende gut geschützt in der Hand. Die Hilfe der von Passanten herbeigerufenen Polizeibeamten, die ihm ein Taxi für die Heimfahrt bestellten, nahm der ordnungsliebende Zecher gerne an.

Verletzungen mit dem Geweih zufügte. Der Mann konnte das Tier mit einem beherzten Fußtritt gegen den Kopf in die Flucht schlagen. Der Rehbock, dessen Aggressivität der regionale Dachverband der Jäger auf seine Brünstigkeit zurückführen, wurde zum Abschuss freigegeben.

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Ganz andere RauschErlebnisse hatte ein betrunkener Wuppertaler, der mit seinem Dackel frühmorgens an der Wupper spazieren gegangen war. Nach einem angeblichen Schups des Dackels – Zeugen für die schnöde Tat gibt es nicht – landete der alkoholisierte Hundehalter auf dem Wupperufer und musste mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht werden. Nach dem flüchtigen Dackel wurde bei Redaktionsschluss noch gefahndet.

> Sogar Hilfsorganisationen haben sich bereits gebildet, um einem stark zu-

nehmenden Straftatbestand in Großbritannien Einhalt zu gebieten: dem Dognapping. Im-

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Einen Rekord der anderen Art hat ein deutscher Autofahrer in Bludenz (Österreich) aufgestellt. Der Mann brauste mit 56 Stundenkilometern in eine Radarfalle der Poli-

47 kulisse

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mer mehr Hunde, aber auch andere Haustiere, würden entführt und nur gegen Zahlung eines Lösegeldes wieder zurückgegeben. Den Entführern sei schwer auf die Schliche zu kommen. Vielfach handele es sich um Landstreicher, die gepflegte Haustiere quasi auf Vorrat stehlen würden. Nach Erscheinen der Vermisstenanzeigen würden sie mit

Zapfsäule verwirklicht: Der 51Jährige senkte an einem Samstag den Spritpreis um vier Cent pro Liter, was zu einem riesigen Andrang und sprudelnden Einnahmen führte. Am Abend machte er sich – vom Tankstellenpächter unbehelligt – mit knapp 10 000 Euro davon. Die Ermittlungen ergaben, dass er am anderen Morgen mit einer Chartermaschine nach Mallorca geflogen war. Jetzt wird er mit internationalem Haftbefehl gesucht. > Gute Manieren bewies ein Betrunkener, der sich im

saarländischen Dillingen nach einer ausgiebigen Zechtour in einen Blumenkübel schlafen gelegt hatte. Akkurat standen seine Schuhe neben dem Kübel, seine Geldbörse lag obenauf,

Fitness-Sport kann ganz schön gefährlich sein. Das mussten ein 36jähriger Jogger und eine 71 Jahre alte Walkerin in der Nähe des westfranzösischen Dorfes Vienne erfahren. Bei ihrem täglichen Training wurden beide von einem wilden Rehbock angegriffen, der der Frau über 50

zei, und zwar rückwärts. Die Beamten waren davon so überrascht, dass sie einen Test machten. Dabei stellten sie fest, dass der vom Verkehrssünder gefahrene Wagentyp nur mit Automatikgetriebe so schnell rückwärts zu bewegen ist. Der Deutsche war übrigens der erste Fahrer, der es geschafft hatte, rückwärts ins Radar zu fahren. Erlaubt waren 40 Stundenkilometer; die Strafe: 29 Euro. 

> dbb magazin | September 2006