WSM-Positionspapier zur Energiepolitik 2011

WSM-Positionspapier zur Energiepolitik 2011 „Kosten einer Energiewende kommunizieren – Politische Energiekosten fair verteilen – auf Mittelstand acht...
Author: Götz Scholz
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WSM-Positionspapier zur Energiepolitik 2011

„Kosten einer Energiewende kommunizieren – Politische Energiekosten fair verteilen – auf Mittelstand achten“ achten“

A. Aktuelle Herausforderungen der Stahl- und Metallverarbeitung Der WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V. vertritt die Interessen von über 5.000 mittelständischen Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Diese Unternehmen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Deutschland erfolgreich aus der Krise herausarbeiten konnte. Arbeitsplätze wurden trotz dramatischer Auftragsrückgänge mit großer Anstrengung gehalten. Die wichtigsten Kostenbelastungen der Branche sind die Rohstoffkosten, vor allem die Energiekosten. B. Kernanliegen: Dreifachbelastung verhindern - Faire Verteilung der Zusatzkosten Die aktuelle energiepolitische Diskussion ist gekennzeichnet von den Ereignissen in Japan, die uns die Risiken der Atomtechnik für Menschen und Umwelt verdeutlicht haben. Unser energiepolitisches Kernanliegen ist es, dass die absehbar höheren Zusatzlasten aus einem Umstieg auf erneuerbare Energieträger politisch eindeutig kommuniziert und fair auf die beteiligten Akteure verteilt werden. Es ist ferner nötig, kostendämpfende Maßnahmen für erneuerbare Energien zu ergreifen. Diese Maßnahmen wirken jedoch erst mittel- und langfristig. Kurzfristig ist die faire Verteilung der absehbaren Zusatzlasten politisch dringlicher – gerade weil sich die Lastenverteilung in der Energiepolitik in der Vergangenheit zunehmend unfair entwickelt hat.

„Unser energiepolitisches Kernanliegen ist es, dass die absehbar höheren Zusatzlasten fair auf die beteiligten Akteure verteilt werden.“

Die Stahl- und Metallverarbeitung ist besonders belastet, nämlich dreifach: (1) durch höhere eigene Energiekosten aufgrund einer höheren EEG-Umlage, (2) durch einen höheren Stahlpreis aufgrund steigender Energiekosten und (3) durch einen höheren Stahlpreis aufgrund der wettbewerbsverzerrenden Effekte aus dem Emissionshandelssystem.

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„Die Stahl- und Metallverarbeitung ist dreifach belastet.“

C. Planungssicherheit durch schnelle Entscheidungen Die Bundesregierung sollte über die aus Ihrer Sicht erforderlichen energiepolitischen Maßnahmen möglichst zügig entscheiden, damit die deutschen Unternehmen Planungssicherheit für den internationalen Wettbewerb erhalten. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die industriellen Wertschöpfungsketten auch weiterhin reibungslos funktionieren und Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland gesichert werden.

„Planungssicherheit durch schnelle Entscheidungen“

D. WSM akzeptiert politisch erforderliche Maßnahmen – aber: Kosten kommunizieren! Der WSM unterstützt das 3-monatige Moratorium zur Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke, das die Bundesregierung ausgesprochen hat. Es ist Aufgabe der Politik, am Ende des Moratoriums die aus Ihrer Sicht notwendigen Entscheidungen zu treffen. Soweit die Bundesregierung tatsächlich entscheiden sollte, ihren Zeitplan zum Umstieg von der Kernenergie auf erneuerbare Energieträger (EE) zu beschleunigen, werden damit allerdings deutlich höhere Kosten verbunden sein. Die Zusatzkosten sind geeignet, diejenigen Unternehmen, die noch von der Krise geschwächt sind, in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu bedrohen. Steigende Energiekosten gefährden Arbeitsplätze und verändern den Warenkorb der Haushalte. Die vollen Kosten einer Energiewende liegen nicht nur in höheren Stromkosten für die Haushalte, sondern auch im Verlust von Arbeitsplätzen im Mittelstand. Das sollte die Bundesregierung ganz deutlich kommunizieren. Ohne eine solche Kommunikation ist ein energiepolitischer Konsens in Deutschland nicht denkbar.

„Die Bundesregierung sollte die vollen Kosten einer Energiewende deutlich kommunizieren.“

E. Sichere und bezahlbare Energieversorgung – Energiepolitisches Zieldreieck gefährdet Die Alternative zur Atomenergie als Brückentechnologie kann aus klimapolitischen Gründen nicht dauerhaft ein erhöhter Anteil an fossilen Energieträgern sein. Die CCS-Technologie ist weder ausgereift, noch mit Blick auf CCSSpeicherstandorte politisch kurzfristig durchsetzbar. Es bleibt also nur der kostenintensive, beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien. Die zusätzlichen Kosten dieses Ausbaus ergeben sich aus der Einspeisung des teureren EEStroms in die Netze der Energieversorger, die die Stromverbraucher über die EEG-Umlage zu zahlen haben, aus den weiteren energiepolitischen Maßnahmen, etwa zur Ökosteuer oder zum Emissionshandel, sowie schließlich aus den erforderlichen Infrastrukturinvestitionen, etwa aus dem Bau von Überlandleitungen und Erdkabeln. Hinzu kommt wohl auch ein erheblicher weiterer Forschungs- und Entwicklungsbedarf für erneuerbare Energien. Das steht dem Ziel der Bundesregierung entgegen, eine Energiepolitik zu entwickeln, die nicht nur die Umweltbelange berücksichtigt, sondern die auch die Versorgungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung im Blick hat („Energiepolitisches Zieldreieck“). 2

„Die Kosten einer Energiewende stehen dem Ziel der Bundesregierung entgegen, eine Energiepolitik zu entwickeln, die die Umweltbelange, die Versorgungssicherheit und die Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung berücksichtigt („Energiepoltisches Zieldreieck“).“

Die Energieversorgung muss am Industriestandort Deutschland sicher sein und gerade im internationalen Vergleich bezahlbar bleiben. F. Ab sofort: Zusatzkosten fair verteilen Ab sofort muss im Mittelpunkt der Politik der Bundesregierung stehen, dass die Kosten aus dem Ausbau erneuerbarer Energien fair verteilt werden 1. Bisher keine faire Lastenverteilung Die Hauptlast für den Ausbau erneuerbarer Energien haben in der Wirtschaft bisher einseitig die mittelständischen Unternehmen des produzierenden Gewerbes getragen. Die zumeist sehr großen energieintensiven Unternehmen sind über die sog. Härtefallregelung von zusätzlichen Lasten fast vollständig befreit. Im vergangenen Jahr ist die EEG-Umlage für die Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitung um über 70% von 2,0 Cent / kWh auf 3,5 Cent / kWh gestiegen. Unternehmen, die von der Härtefallregelung profitieren, zahlen dagegen seit Jahren starr 0,05 Cent / kWh. Die mittelständischen Unternehmen, auch die kleineren, tragen damit in jedem Jahr zusätzliche Belastungen in Höhe von mehreren zig-Tausend Euro und oft weit über 1.000.000 Euro je Unternehmen. Anders als die Hersteller von Anlagen und Infrastruktureinrichtungen für erneuerbare Energien profitieren die meisten Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitung nicht von den Marktchancen der EE, da sie überwiegend in die Automobilindustrie, in die Bauindustrie oder in den Handel liefern.

„Härtefallregel“ gemäß §§40 ff. EEG für stromintensive Unternehmen ab 10 GW Jahresverbrauch benachteiligt den Mittelstand

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„Die Hauptlast für den Ausbau erneuerbarer Energien haben in der Wirtschaft bisher einseitig die mittelständischen Unternehmen des produzierenden Gewerbes getragen.“

Obwohl die Stahl und Metall verarbeitenden Unternehmen sehr hohe Energiekosten haben, fallen sie nicht unter die Schwellenwerte der Härtefallregelung (10 Gigawatt, 15% Bruttowertschöpfung). Sie können die zusätzlichen politischen Kosten auch nicht abwälzen, weil sie als Automobilzulieferer und als Lieferanten in den Handel nachfragemächtigen Kundengruppen gegenüber stehen. Diese Kunden können auf ausländische Lieferanten mit deutlich niedrigeren Energiekosten ausweichen. Stärkste Konkurrenten sind darum nicht etwa Unternehmen aus Niedriglohn- oder Schwellenländern, sondern Unternehmen aus Ländern, die ähnliche Energiekosten nicht zu tragen haben, insbesondere aus Frankreich. Ein Ausgleich durch Produktivitätsfortschritte ist nach der Krise kurzfristig nicht mehr möglich. Die Folge wird eine Verdrängung des produzierenden Mittelstandes aus Deutschland sein.

„Ohne eine faire Kostenverteilung der Energiewende wird der Mittelstand aus Deutschland verdrängt.“

2. EEG-Härtefallregelung mittelstandsfreundlicher ausgestalten Die Härtefallregelung zum EEG, die bereits einmal angepasst worden ist, hat den allermeisten mittelständischen Unternehmen bisher nicht geholfen, weil das Kriterium des erforderlichen absoluten Energiebedarfs von 10 Gigawatt den Mittelstand mit seinen kleineren Produktionseinheiten ausschließt. Der Schwellenwert wirkt diskriminierend für die Unternehmen, die knapp unter der Schwelle liegen. Hinzu kommt, dass die konkrete Berechnung der Bruttowertschöpfung (>15%) arbeitsplatzfeindlich ist. Das trifft die Stahl- und Metallverarbeitung besonders hart, da diese Branche nach einer aktuellen Studie der EU-Kommission die Branche mit den meisten Arbeitsplätzen europaweit ist. Wir schlagen vor, die Energiebedarfsgrenze auf 1 Gigawatt zu senken und eine Stufenlösung für die Bruttowertschöpfung einzuführen (15%). Wegen der veränderten energiepolitischen Lage mag man über andere Schwellenwerte nachdenken. Die Härtefallregelung muss insgesamt aber deutlich mittelstandsfreundlicher werden.

„Wir schlagen vor, die Energiebedarfsgrenze auf 1 Gigawatt zu senken und eine Stufenlösung für die Bruttowertschöpfung einzuführen.“

3. Deckelung der EEG-Umlage erforderlich Besonders in den vergangenen zwei Jahren hat sich die EEG-Umlage von rund 1.3 Cent / kWh im Jahr 2009 auf 3.5 Cent / kWh in 2011 nahezu verdreifacht. Die EEG-Umlage sollte auf 2 Cent / kWh gedeckelt werden. Das ist angemessen, da die Härtefallregelung die EEG-Umlage für große energieintensive Unternehmen bisher auf viel niedrigere 0,05 Cent / kWh begrenzt. Man mag darüber nachdenken, den Deckel von 2 Cent / kWh im Lichte der aktuellen energiepolitischen Diskussion ein wenig anzuheben. Es ist aber für die mittelständischen Unternehmen unserer Branche nicht verkraftbar, wenn die den Strompreis erhöhende EEG-Umlage bei 3,5 Cent / kWh verbleibt oder sogar weiter steigt.

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„Die EEG-Umlage sollte auf 2 Cent / kWh gedeckelt werden.“

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EEG-Umlage von WSM-Industrie gezahlt (Index 2005=100)

Geschäftsergebnis (Index 2005=100)

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2006

2007

2008

2009

2010

2011

EEG-Zahlungen explodieren bei stagnierenden Geschäftsergebnissen

4. Herausforderung Stahl: energieintensive Unternehmen Die Stahl- und Metallverarbeitung ist hinsichtlich der Frage, wie die Lasten einer veränderten Energiepolitik zu verteilen sind, in einer Sondersituation mit Blick auf das Vormaterial Stahl. Stahl stellt ganz überwiegend den größten Kostenblock unserer Mitgliedsunternehmen dar. Der Anteil des Stahls an den Produktionskosten liegt oft zwischen 40% bis über 60%. Die Explosion der Rohstoff- und Stahlpreise in den letzten Monaten ist ein eigenständiges Problem, mit dem unsere Unternehmen und unsere gesamten Wertschöpfungsketten konfrontiert sind. Die Unternehmen haben sich bereits darauf einzustellen, dass Stahl demnächst noch teurer wird, weil das CO²-Emmissionshandelssystem die Herstellung von Stahl belastet. Zwar wird das Emissionshandelssystem europaweit eingeführt. Aber Länder mit einem geringeren CO²-Ausstoß bei der Energieproduktion, etwa Frankreich, tragen die Lasten nicht in gleicher Höhe. Da die Stahlindustrie in Deutschland von wenigen sehr großen Unternehmen dominiert wird, wirkt sich eine Erhöhung der Produktionskosten für Stahl – sei es aufgrund des Emissionshandels, sei es aufgrund höherer Energiekosten – unmittelbar auf den Stahlpreis aus. Ein Ausweichen ist in aller Regel nicht möglich, weil die Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitung auf die engen Zulieferbeziehungen mit deutschen Stahlherstellern angewiesen sind. Dabei geht es nicht nur um den Preis und um Fragen der Logistik, sondern auch um enge technologische Partnerschaften. Insgesamt sollte darum ein Weg gefunden werden, die energieintensiven Stahlhersteller einerseits nicht mit den vollen Lasten des Ausbaus erneuerbarer Energien zu belasten. Es würde aber auch nicht akzeptiert, wenn die Zusatzlasten weiterhin einseitig vom mittel-

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„Eine Erhöhung der Produktionskosten wirkt sich unmittelbar auf den Stahlpreis aus.“

ständischen produzierenden Gewerbe getragen werden müssten. Schon heute sind die Unternehmen der Stahl- und Metallverarbeitung, wie oben gezeigt werden konnte, durch den nationalen Sonderweg der EEG-Umlage dreifach belastet. G. Alle kostendämpfende Effekte nutzen Neben der kurzfristigen Lastenverteilung ist es wichtig, mittel- und langfristig alle kostendämpfenden Effekte für den Ausbau erneuerbarer Energien zu nutzen. Dazu gehört zuerst ein effizienterer Energieverbrauch (z. B. Anreize zur Gebäudesanierung durch verändertes Mietrecht), der Verzicht auf bürokratische Lasten bei Energiemanagementsystemen und vor allem die Erhöhung des Wettbewerbsdrucks auf Erneuerbare Energieträger. Schließlich sollte die Bundesregierung auf eine Integration der europäischen Energiemärkte drängen. Es wäre nicht vermittelbar, wenn Deutschland erneuerbare Energien subventioniert, aber zusätzlich französischen Atomstrom einschließlich der Gefährdungen aus der Atomkraft für die Versorgungssicherheit zukaufen müsste. Düsseldorf, im April 2011 WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V.

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