Worauf kommt es an beim Richten von Dressurprüfungen der Klassen

Worauf kommt es an beim Richten von Dressurprüfungen der Klassen M und S? Allgemeine Grundsätze Es sind einige Prinzipien zu beachten, die für alle P...
Author: Ina Friedrich
0 downloads 2 Views 90KB Size
Worauf kommt es an beim Richten von Dressurprüfungen der Klassen M und S?

Allgemeine Grundsätze Es sind einige Prinzipien zu beachten, die für alle Prüfungen gelten, speziell aber für die, in denen das Richten „nach freiem Ermessen im Rahmen der Richtlinien für Reiten und Fahren“ erfolgt, § 402 LPO.

1. Richte das, was du siehst, nicht das, was du gesehen oder gehört hast! Dieses Gebot soll insbesondere in Erinnerung rufen, dass die Leistung von Pferd und Reiter nur nach dem Eindruck der einzelnen Prüfung zu beurteilen ist. Weder Meriten des Reiters noch des Pferdes, geschweige denn irgendwelche früher einmal festgestellten oder auch nur gerüchteweise kolportierten Schwächen dürfen in die Benotung einfließen. Es kann fatal sein, sich an Ergebnissen oder sogar persönlichen Beobachtungen aus der Vergangenheit zu orientieren. Das zu tun hieße, die Möglichkeit von Fortschritten in der Ausbildung in Frage zu stellen oder aber eine aktuelle Formschwäche zu übersehen.

2. Objektivität ist oberstes Gebot! Die Benotung einer reitsportlichen Leistung darf nicht durch subjektive Vorlieben verfälscht werden.

Ein fachlich falsches Urteil, wenn es nachvollziehbar ist, wird eher akzeptiert als ein subjektiv verfälschtes. Beispiel: Der Richter bei H übersieht am Ende der von seiner Position wegführenden Diagonale, dass das Pferd den bei F durchzuführenden fliegenden Wechsel nicht ganz durchspringt. Er vergibt eine definitiv zu hohe Note. Der Reiter jedoch wird mit diesem erklärbaren Fehler leben können. Die Äußerung dagegen, die Bewertung einer Vorstellung sei deswegen niedrig ausgefallen, weil sie dem Richter „nicht gefallen“ habe, stellt dessen Qualifikation generell in Frage. Dies gilt natürlich erst recht, wenn der Verdacht einer Befangenheit besteht. Ein Richter darf schon dann in einer Prüfung mit beurteilendem Richtverfahren nicht richten und muss seinerseits die Annahme des Richteramtes ablehnen, wenn auch nur die Besorgnis der Befangenheit besteht. Die LPO (§ 56 Ziffer 6) nennt lediglich beispielhaft Verwandtschaft, Besitzer, Ausbilder, Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis, wirtschaftliche Beziehungen. Die Landeskommission Baden-Württemberg hat den Begriff der Befangenheit recht eindeutig definiert, weil es immer

wieder Beschwerden gegeben hat, dass speziell in Dressur- und Springpferdeprüfungen die Besorgnis befangenen Richtens nicht auszuschließen war. Im Interesse der Klarheit für alle Beteiligten gilt als befangen, wer a) mit dem Reiter verwandt oder verschwägert ist, b) dem Reiter regelmäßig Unterricht erteilt, c) innerhalb der letzten drei Monate vor dem Turnier Unterricht im Rahmen eines Lehrgangs erteilt hat, d) innerhalb des letzten Jahres das zu bewertende Pferd verkauft oder vermittelt hat. Die Nichtbeachtung von § 56 Z.6 LPO macht nicht nur das Richterurteil angreifbar, führt also zu Problemen beim Veranstalter, sondern zieht auch eine Ahndung des richterlichen Fehlverhaltens nach sich.

3. Richter sind Sachverständige Diese Feststellung – oder Forderung? – ergibt sich aus § 54 Z.1.1 LPO. Aus ihr ist abzuleiten, dass Richter über die notwendige Sachkenntnis verfügen müssen und zudem verpflichtet sind, sich durch regelmäßige Fortbildung auf dem „neuesten Stand“ zu halten.

4. Zivilcourage zeigen, speziell dann, wenn es um Belange des Tierschutzes geht! Die LPO stattet den Richter mit weitgehenden Befugnissen aus, die er verantwortungsvoll wahrzunehmen hat. Völlig unabhängig von den Aufgaben des Vertreters der Landeskommission hat jeder einzelne Richter auf die Einhaltung der LPO-Vorschriften zu achten und insbesondere sofort und entschieden einzuschreiten, wenn es um unreiterliches Benehmen, insbesondere die Misshandlung eines Pferdes geht!

5. Der eigene Standpunkt sollte begründet und entschlossen vertreten werden, der Richter sollte aber auch Mut haben, Fehler einzugestehen. Das Gespräch mit den Aktiven ist wünschenswert. Es sollte lehrreich für beide Seiten sein. Das ist nie gewährleistet, wenn Kritik am Richterurteil unsachlich oder gar polemisch vorgetragen wird. Dann hat der Richter selbstverständlich das Recht, ein Gespräch abzulehnen und darauf zu verweisen, dass eine Diskussion auf sachlicher Ebene unter Vorlage des Protokolls der jeweiligen Prüfung angeboten wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sollte sich der Richter nicht von jeder, nicht selten subjektiv eingefärbten Kritik des Teilnehmers einschüchtern lassen. Er kann

aber sein Urteil nur dann vertreten, wenn er es zu begründen in der Lage ist. Das setzt zunächst einmal voraus, dass er sich an die Vorstellung erinnert. Gerade deswegen sollte das Gespräch mit dem Reiter nie ohne Hinzuziehung des Protokolls geführt werden. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn sich der Richter Notizen macht, in denen die besonders hervorstechenden Merkmale eines Pferdes oder einer Prüfung stichwortartig festgehalten sind. Es ist mit der Autorität des Richters als Sachverständigen durchaus vereinbar, wenn er im Einzelfall auch einen Fehler zugesteht. Er wird an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn er beispielsweise einräumt, aus seiner Position nicht wahrgenommen zu haben, dass das Pferd beim Wechsel nicht ganz durchgesprungen ist.

6. Die Notenskala ist auszuschöpfen Hierbei handelt es sich um eine Forderung, die auf jedem Richterseminar formuliert wird. Die Praxis lässt Zweifel daran aufkommen, ob sie beherzigt wird. Dabei ist aber zu beachten, dass grundsätzlich durchschnittliche Leistungen weit häufiger zu beobachten sind als herausragend gute oder extrem schlechte. Deswegen entspricht es allgemeiner Lebenserfahrung, dass Noten im Bereiche von genügend bis ziemlich gut (fünf, sechs und sieben) deutlich häufiger vergeben werden, und zwar völlig zu recht, als Noten unter- oder oberhalb dieser mittleren Bandbreite. Wesentlich ist, dass sich der Richter die Definition der Einzelnote ständig vergegenwärtigt. Er hat die Frage zu beantworten, ob die einzelne Lektion noch „genügend“, gerade noch „befriedigend“ oder eben „ziemlich gut“ ist. Dabei muss er sich im Klaren darüber sein, dass auch ein „ziemlich gut“ noch gehörigen Spielraum nach oben offen lässt, dass also eine Sieben keine perfekte Leistung erfordert.

7. Beim getrennten Richtverfahren sollte der Richter nicht mitrechnen, aber den Maßstab im Auge behalten! Es ist häufig zu beobachten, dass gerade bei Prüfungen der Klasse M im gemeinsamen Richten höhere Noten vergeben werden als es dem Endresultat beim getrennten Richten entspricht. Das zwingt auch beim getrennten Richtverfahren stets zu der Überlegung, erweist sich die gezeigte Leistung insgesamt als beispielsweise „ziemlich gut“ oder eben nur „befriedigend“. Die Beantwortung dieser Frage sollte in der Prozentzahl, die der Wertnote entspricht, zum Ausdruck kommen.

Die Gewichtung

Von entscheidender Bedeutung ist stets die Frage, wie die Bewertungsmerkmale, die in die Gesamtnote einfließen, gewichtet werden. Exemplarisch kann man das an der Frage verdeutlichen, ob ein Pferd, das gehorsam, brav, aber ausdrucks- und weitgehend schwunglos fehlerfrei eine Aufgabe absolviert, den Vorzug verdienen soll vor einem Pferd, das mit großer Schwungentfaltung in den Verstärkungen und ausdrucksvoller Versammlung präsentiert wird, aber ein oder zwei Lektionen „in den Sand“ gesetzt hat. Insoweit gilt:

Mängel in der Ausbildung wiegen schwerer als technische Fehler! Für den Richter bedeutet dies, dass er sich ständig daran zu orientieren hat, ob das Pferd den Kriterien der Skala der Ausbildung entspricht. Also: Stimmen Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung, Versammlung? Ist das Pferd durchlässig? Die Beantwortung dieser Fragen muss in die Bewertung jeder einzelnen Lektion einfließen. Das bedeutet, dass grundlegende Ausbildungsmängel (beispielsweise ein ständiges Überzäumtsein) auch durch fehlerfreies Absolvieren der Lektionen nicht kompensiert werden können.

Beispiele zu Ausbildungsdefiziten: Wird der Schritt ausschließlich im Zweitakt gezeigt, kann die Note nicht mehr „genügend“ lauten. Die Note für die Reinheit der Gänge dürfte maximal fünf betragen unter der Voraussetzung, dass die anderen beiden Grundgangarten taktrein gezeigt wurden. Entsprechendes gilt dann, wenn zwei Grundgangarten zeitweilig ungeregelt waren. Die Frage, mit welcher Note ein gleichbleibend ungleicher Trab zu bewerten ist, stellt sich nicht. Ein solches Pferd ist aus Tierschutzgründen zu eliminieren. Ein ständig ungleicher Trab könnte – und diese Möglichkeit reicht aus! – lahm sein. Lahmheit ist ein Ausdruck von Schmerz. Deswegen hat zwingend der Ausschluss zu erfolgen, wobei der Richter keine Verantwortung dafür trägt, ob tatsächlich ein krankhafter Befund Ursache der Taktunreinheit ist. Heiß diskutiert wird oft die Frage, wie ein „Zungenfehler“ zu bewerten ist. Zeigt das Pferd die Zunge zwischen den Schneidezähnen, so ist dies nicht oder nur in der Gesamtnote für Maultätigkeit geringfügig negativ zu bewerten. Hierbei kommt es auf das Ausmaß an. Ein ständiges Herausstrecken nach vorne/unten von mehreren Zentimetern kann auch in der Einzelnote berücksichtigt werden. Das gilt verstärkt dann, wenn es ein Hinweis ist auf mangelnde Akzeptanz des Gebisses bzw. Fehlen der Losgelassenheit im Genick ist. In jedem Fall mit einem Abzug von mindestes einem Punkt pro Note ist das seitliche Herausstrecken der Zunge zu bewerten, was sich dann zusätzlich negativ in der Grundnote für Maultätigkeit niederschlägt. Die deutsche Richtervereinigung ist noch

strenger: Der Fehler soll mit einem Abzug von zwei Punkten je Note und maximal einer fünf bewertet werden! In Dressurprüfungen der Klasse M und S ist der erreichte Versammlungsgrad in Trab und Galopp maßgebliches Bewertungskriterium. Ein ständig schleppendes Hinterbein im Trab fließt negativ in jede Einzelnote ein, daneben in die Grundnote für Schwung, weil nun einmal die korrekte Versammlung ein fleißiges Abfußen der Hinterbeine und Lastaufnahme voraussetzt.

Die technische Ausführung speziell von M-Lektionen Das Augenmerk des Richters ist zunächst darauf zu richten, dass der erhöhte Versammlungsgrad im Trab und Galopp erreicht wird. Es sollte eine relative Aufrichtung im Trab bei erhabenem (kadenziertem) Bewegungsablauf erkennbar sein, im Galopp bei durch gutes Unterspringen geprägter Bergauftendenz.

Versammelter/starker Schritt Neben dem gleichbleibenden Takt ist entscheidend für die Qualität des versammelten Schrittes die Erhabenheit, die gleichmäßige Aufrichtung und Anlehnung bei – gegenüber mittel- und starkem Schritt – unverändertem Fleiß. Als Richtschnur für den Raumgriff gilt, dass die Hinterhufe nicht über die Spur der Vorderhufe fußen sollen. Allerdings darf hier wie im starken Schritt nicht die Qualität in Zentimetern gemessen werden. Es ist durchaus sachgerecht, eine Relation zum Raumgriff im starken Schritt herzustellen: In diesem Gangmaß soll das Pferd möglichst weit mit den Hinterhufen über die Spuren der Vorderhufe hinweg fußen. Ist dieses Kriterium besonders deutlich erfüllt, wird es dem Pferd zwangsläufig schwer fallen, die Schrittlänge in der Versammlung so zu verkürzen, dass ein Ein-Fußen in die Spuren der Vorderhufe oder auch ein geringfügiges Überfußen vermieden werden kann. Entscheidend sind insoweit die Verkürzung der Schritte in Verbindung mit Erhabenheit und Fleiß. Auch im starken Schritt ist neben dem Takt und Fleiß der Raumgriff ein maßgebliches Kriterium. Der Richter muss sich aber davor hüten, allein mit Argusaugen auf die Weite des Überfußens zu achten. Nicht weniger wesentlich ist das freie Vortreten der Vordergliedmaßen aus der Schulter und eine schreitende, durch den gesamten Körper gehende Bewegung bei gleichmäßiger Dehnung des Halses.

Die Seitengänge

Die Kriterien für deren Bewertung sind – dabei ist die Reihenfolge nicht zufällig gewählt – folgende:

1. Qualität des versammelten Trabs Wichtigstes Merkmal für den Wert einer Traversale ist das Beibehalten der Erhabenheit des versammelten Trabs. Man trifft häufig Pferde an, die sehr ausdrucksvoll in der Versammlung traben, aber jede Kadenz in der Seitwärtsbewegung verlieren. Das ist deutlich negativ zu bewerten und führt letztlich zu einem Notenniveau, wie es dem eines Pferdes entspricht, das schon im versammelten Trab nur zu „befriedigen“ weis.

2. Takt Zu achten ist auf den gleichmäßigen Zweitakt. Eine einmalige Taktstörung fällt geringfügig – etwa durch Abzug einer Note – gleichbleibende Taktstörungen fallen deutlich ins Gewicht. Fällt das Pferd beispielsweise erkennbar stets auf das innere Vorderbein, so wird nur bei Erfüllen aller anderen Kriterien noch gerade eine fünf, in aller Regel nur eine vier gegeben werden können. Die Taktstörungen, so sie denn ausschließlich in der Traversale auftreten, sind übrigens nicht zusätzlich bei der Grundnote für die Reinheit der Gänge negativ zu berücksichtigen.

3. Stellung/Biegung Die Stellung in die Bewegungsrichtung ist neben der VorwärtsSeitwärtsbewegung das maßgebende Kriterium einer Traversale. Wird die in Konterstellung absolviert, so handelt es sich nicht um eine Traversale, auch wenn das Pferd parallel zur langen Seite vorwärts und seitwärts sich fließend in versammeltem Trab bewegt. Die Note muss also unter „genügend“ liegen. Sehr beliebt ist der Kommentar „zu wenig Längsbiegung“. Er findet sich in vielen Protokollen mit dem Kürzel „Lb.“. Dabei ist gerade insoweit größte Zurückhaltung geboten: Die anatomische Fähigkeit eines Pferdes, sich in gesamter Länge zu biegen, ist auf wenige Grad beschränkt. Diese Minimalbiegung auch noch von vorne beurteilen zu wollen, ist ein hoher Anspruch. In aller Regel verbirgt sich hinter dem kritisierten Mangel an Biegung der an Stellung und Parallelität.

4. Fluss Die Traversale sollte in einem fließenden Bewegungsablauf demonstriert werden, also ohne Unterbrechung in Einleitung, Ausführung und Geraderichten.

5. Parallelität/Kreuzen der Beinpaare Jeder Richter weiß, dass die Traversale parallel zur langen Seite ausgeführt werden sollte. Allerdings ist dieser Punkt der Bewertung keineswegs einer der wichtigsten, solange in korrekter Stellung eine Vorwärts/Seitwärtsbewegung erkennbar ist und damit die Grundvoraussetzungen einer Traversale erfüllt werden. Ein Kommentar, der sich darauf beschränkt zu bemerken, dass „die Hinterhand geringfügig vorausgeht“, ist wenig hilfreich, zumal die Feststellung von den einzelnen Richterpositionen aus sehr leicht voneinander abweichen kann. Wichtiger ist da schon, auf das Kreuzen der Beinpaare zu achten, weil dies in Verbindung mit dem gewünschten Fluß stets für die Akzeptanz der seitwärts treibenden Hilfe spricht.

6. Exaktheit Selbstverständlich hat in die Benotung einzufließen, ob die Traversale vom richtigen Punkt aus begonnen und an der vorgeschriebenen Stelle bewertet wird. Nicht selten werden gerade in Prüfungen auf St. Georg-Niveau die halben Traversalen deutlich zu steil geritten, was es zwangsläufig erleichtert, ein Kreuzen der Beinpaare zu demonstrieren, was aber den gestellten Anforderungen widerspricht. Andererseits wird in den schwierigeren Aufgaben bis hin zum Grand Prix oftmals „gemogelt“, indem durch früheren Beginn die Traversale gestreckt und dadurch die Anforderung in der speziellen Aufgabe unterlaufen wird.

Beispiele für die Bewertung von Seitengängen: Die Anzahl der Bewertungskriterien und deren individuell unterschiedliches Zusammentreffen machen es zwangsläufig schwer, Notenvorschläge für eine bestimmte Ausführungsart zu machen. Deswegen gelten die nachfolgenden Empfehlungen insbesondere mit der Einschränkung, dass nicht zusätzliche Fehler zu beobachten sind. Ein Verwerfen im Genick mindert die Note um eins bis zwei Wertnoten je nach Grad des Verkantens. Eine Traversale in Konterstellung ist keine, die Note muss also unter fünf liegen. Die gleichmäßig ungleiche Traversale wird regelmäßig auch nicht mit mehr als vier bewertet werden können. Eine Traversale in gleichmäßiger Spannung bis hin zu Schwebetritten ist jedenfalls nicht mehr befriedigend, das selbe gilt dann, wenn das Pferd deutlich abkippt, also im Hals eng wird. Das ist ein Zeichen dafür, dass es sich der Stellung entzieht.

Ein Verlust der Kadenz und/oder des Schwunges mindert die Note um mindestens zwei Notenstufen, ein kurzfristiges Angaloppieren um regelmäßig mindestens drei Punkte.

Beispiele für die Gewichtung von typischen Ausbildungsmängeln beim gemeinsamen Richten:

M-Lektionen

und

Werden zwei Traversalen in Konterstellung präsentiert, außerdem die beiden in der Aufgabe geforderten fliegenden Wechsel nachgesprungen, kann die Note nicht mehr genügend lauten. Dies gilt völlig unabhängig von der sonstigen Qualität der Vorstellung, weil die maßgeblichen technischen Anforderungen nicht erfüllt werden. Werden die Traversalen korrekt gezeigt, alle Wechsel jedoch nachgesprungen, wird die Note nicht mehr befriedigend lauten können. Entsprechendes gilt, wenn alle Lektionen gelingen, das Pferd aber durchgehend eng im Hals, d. h. mit der Stirnlinie deutlich hinter der Senkrechten vorgestellt wird. Wird ein besonders qualitätvolles Pferd vorgestellt, das auch die Lektionen überzeugend beherrscht und über gute Grundgangarten verfügt, so führt eine durchgehende Spannung, verbunden mit wiederholtem Wegspringen, gleichfalls zu einer Note unter sechs.

Die Bewertungskriterien der fliegenden Wechsel 1. Durchsprung Das wesentlichste Kriterium für den fliegenden Wechsel ist das weite Vorschwingen des neuen inneren Beinpaares, also das Durchspringen des Wechsels. Ein Wechsel ist misslungen, wenn er „nachgesprungen“ wird, d. h. Vor- und Hinterhand in zwei Phasen den Galopp wechseln, wobei das Nachspringen des inneren Hinterbeines häufiger anzutreffen ist als das des inneren Vorderbeines. Graduell weniger negativ ist ein begrenztes (hinten gleichzeitiges) Durchspringen oder ein nur knappes Vorschwingen des inneren Hinterbeines, das nicht dem Maß des normalen Unterspringens des inneren Hinterbeines entspricht.

2. Tempo Wesentlich ist, dass einzelne fliegende Wechsel wie Serienwechsel in gleich bleibendem Gangmaß ausgeführt werden. Negativ fällt ins Gewicht, wenn der Rhythmus unterbrochen oder aber das Tempo erhöht wird.

3. Geraderichtung Der Wechsel, auch derjenige, der mit einem Handwechsel verbunden ist, muss auf gerader Linie ausgeführt werden. Deswegen wird der fliegende Wechsel am Ende einer Diagonalen unmittelbar vor dem Wechselpunkt, nicht „am Punkt“ gezeigt.

4. Bergauftendenz Wünschenswert ist im Wechsel selbst eine deutliche Bergauftendenz, weil die den Ausdruck des Wechsels bestimmt.

5. Losgelassenheit Das Pferd sollte bei unverändert schwingendem Rücken den fliegenden Wechsel spannungsfrei ausführen. Gegen völlige Losgelassenheit sprechen das Hochwerfen der Kruppe, das ruckartige Anziehen des inneren Hinterbeines als Reaktion auf den Sporen des Reiters, angelegte Ohren oder ein sich drehender Schweif.

6. Gehorsam Das Pferd sollte den fliegenden Wechsel souverän, willig und leicht auf die Reiterhilfen folgend ausführen. Es sollte der Eindruck von Zwanglosigkeit und Sicherheit vermittelt werden.

7. Exaktheit Auch für den fliegenden Wechsel gilt: Er ist am vorgeschriebenen Punkt auszuführen. Das bedeutet zum Einen, dass er als Reaktion auf die – erste – Reiterhilfe ausgelöst wird und zudem dort präsentiert wird, wo die Ausführung nach der Aufgabe vorgesehen ist.

Beispiele für die Benotung: Ein in zwei Phasen ausgeführter Wechsel ist nicht mehr genügend. Springt das innere Hinterbein nur bis zur Höhe des äußeren vor, kann der Wechsel nicht mehr mit sechs, allenfalls noch mit fünf bewertet werden.

Abhängig von der sonstigen Qualität und dem Maß des Anhebens der Kruppe wird ein mit hoher Kruppe geschwungener Wechsel nicht mehr als eine Note von fünf oder sechs verdienen. Ändert das Pferd das Tempo durch Wegstürmen, ist der Wechsel nicht mehr befriedigend. Ein deutliches Schwanken führt in der Regel zu einer Benotung von nur noch genügend. Ein ausdruckslos, wenn auch gehorsam, aber flach gesprungener Wechsel wird in der Regel nur befriedigen können. Für eine Ausführung, die zwar auf die Reiterhilfe, aber nicht am gewünschten Punkt erfolgt, erfolgt ein Abzug von einer Note. Wird der Wechsel erst auf die zweite Hilfe ausgeführt, sollte sich die Note um zwei Notenstufen reduzieren.

Technische Ausführung spezieller S-Lektionen 1. Die Galopptraversalen Für die Galopptraversalen gelten die Ausführungen zu den Traversalen im Trab entsprechend. Es entfällt lediglich als Bewertungskriterium das Kreuzen der Beinpaare. Zu achten ist demnach auf die Qualität des versammelten Galopps, die Beibehaltung des klaren Dreitakts, die Stellung in die Bewegungsrichtung einschließlich Längsbiegung, den Fluss des Bewegungsablaufs, die Parallelität und die Genauigkeit der Ausführung.

Beispiele für die Bewertung der Galopptraversalen Für das Verwerfen im Genick, das Reiten in Konterstellung, den Verlust von Schwung und Takt kann auf die Ausführungen zu den Trabtraversalen verwiesen werden. Eine Traversale, die in einem Vierschlag-Galopp präsentiert wird, wird nicht mehr „genügend“ sein können. Der grundlegende Fehler kann selbst durch eine sehr exakte Ausführung bei gleichmäßiger Stellung und Biegung nur teilweise kompensiert werden. In der Regel ist mit dem Verlust des Dreitaktes zugleich eine deutliche Reduzierung des Schwunges verbunden, sodass dann die Traversale noch unterhalb der Vier zu bewerten sein wird.

2. Serienwechsel

Die Bewertungskriterien entsprechen denen der einzelnen fliegenden Galoppwechsel.

Beispiele für die Benotung Wird von fünf geforderten Serienwechseln einer nicht durchgesprungen, wird sich die Ausgangsnote um zwei Wertnoten reduzieren, in aller Regel daher nicht mehr als maximal fünf betragen. Werden zwei Wechsel nicht durchgesprungen, beträgt der durchschnittliche Abzug drei Punkte, die Lektion wird insgesamt nicht mit mehr als genügend bewertet werden können. Ein deutliches Stocken bei den einzelnen fliegenden Wechseln ist nicht mehr befriedigend. Ein deutliches Schwanken führt zum Abzug von zwei bis drei Punkten, in der Regel wird die Note nicht höher als genügend sein können. Zu beachten ist das geforderte Gangmaß. Das Fehlen von Versammlung sollte zu einer Verringerung der Note um zwei Notenstufen führen. Die schlechte Einteilung der Serienwechsel (optimalerweise sollte der mittlere auf der Diagonalen über X ausgeführt werden) mindert die Benotung um einen Punkt.

3. Pirouetten Die maßgeblichen Bewertungskriterien sind folgende:

1. Balance Das Pferd sollte die 180-Grad- bzw. 360-Grad-Wendung ausbalanciert, also ohne seitliches Ausweichen, ohne Breitwerden in der Hinterhand und ohne deutliche Seitenneigung ausführen.

2. Kontrolle Der Reiter sollte jeden Galoppsprung in der Pirouette kontrollieren können, das Pferd sich also nicht etwa herumwerfen oder gegen den verwahrend positionierten Schenkel ausweichen.

3. Lastaufnahme Als Lektion höchster Versammlung sollte die Pirouette von deutlicher Bergauftendenz gekennzeichnet sein mit gut sichtbarer Hankenbeugung.

4. Stellung/Biegung Das Pferd muss während der gesamten Ausführung die Innenstellung und Rippenbiegung akzeptieren und bis zum Geradegerichtetwerden beibehalten.

5. Schwung Trotz hoher Versammlung muss der Galoppsprung unverändert erkennbar und – wenn auch geringfügig verlangsamt – rhythmisch beibehalten werden.

6. Takt Je gesetzter die Pirouette, je deutlicher also die Lastaufnahme, desto weniger ist es dem Pferd möglich, einen klaren Dreitakt beizubehalten. Das lässt sich an vielen Fotos gerade von besonders gelungenen, hoch bewerteten Pirouetten nachvollziehen. Die Phase, in der das innere Hinterbein und das äußere Vorderbein gleichzeitig auffußen, kann in der Pirouette geringfügig „gestört“ sein, ohne dass dies negativ zu bewerten wäre. Wesentlich ist, dass das innere Hinterbein deutlich nach dem äußeren auffußt und ebenso das äußere Vorder- vor dem inneren Vorderbein.

7. Größe Die Pirouette sollte auf möglichst kleinem Kreis absolviert werden. Das Nichtbeachten dieses Kriteriums spricht für mangelnde Balance, Kontrolle und Bereitschaft zur Lastaufnahme.

8. Exaktheit In Verbindung mit den erstgenannten Kriterien ist darauf zu achten, dass die halbe Pirouette in drei bis vier, die ganze Pirouette in sechs bis acht Galoppsprüngen ausgeführt wird, und zwar am vorgeschriebenen Bahnpunkt.

Beispiele für die Notenfindung bei der Bewertung von Pirouetten Ein Herumschleudern, also mangelnde Kontrolle des Galoppsprungs und fehlende Balance, führen zu einer Benotung von weniger als genügend. Entsprechendes gilt für ein Ausfallen, also einem eindeutigen Schwungverlust. Ebenso unter fünf ist eine Pirouette zu bewerten, bei der das Pferd umspringt. Die Ausführung einer Pirouette in Konterstellung dürfte noch maximal eine fünf rechtfertigen, wobei es auf den Grad der Außenstellung ankommt. Beschreiben die Hinterbeine einen (Halb-)Kreis von einem Meter, dürfte dies einen Abzug um einen Punkt rechtfertigen, vergrößert sich der Kreis auf bis zu zwei Meter, so ist ein Punktabzug von zwei bis drei Noten gerechtfertigt. Eine darüber hinaus „voltenähnlich“ groß angelegte Pirouette erfüllt nicht mehr die gestellte Anforderung und ist daher mit weniger als vier zu benoten. Ein einmaliges gleichzeitiges Auffußen der Hinterbeine wird regelmäßig zu einem Abzug von zwei Noten führen. Zu beachten ist allerdings, dass dieser Fehler weniger gravierend ins Gewicht fällt, wenn der Reiter die Pirouette sehr klein, also korrekt anlegt, und dadurch ein großes Risiko eingeht. Wird die Pirouette ohnehin schon – trotz Beibehaltens der Kontrolle des Galoppsprungs – groß präsentiert, so wiegt das gleichzeitige Auffußen der Hinterbeine schwerer.

Nur Vorschläge, kein Schema Die dargestellten Beispiele dürfen selbstverständlich nicht schematisiert werden. In die Vergabe einzelner Noten fließen immer alle Bewertungskriterien ein, die lektionenspezifisch sind, darüber hinaus die generellen Anforderungen, die durch die Skala der Ausbildung vorgegeben werden. Deswegen verbietet es sich, unter Hinweis auf einen speziellen Fehler eine bestimmte Note „vorzuschreiben“. Die Beispiele mögen daher nur als Richtschnur verstanden werden. Sie könnten dazu dienen, die Notenfindung insgesamt homogener zu machen. Die Dressur braucht keine Gleichmacherei! Sonst könnte man nämlich auf das getrennte Richten gänzlich verzichten. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch problematisch, via elektronischer Anzeige während der laufenden Prüfung den Richtern Einblick zu gewähren in die Benotung der Kollegen. So begrüßenswert dieser Service für die Zuschauer ist, so verführerisch ist er für den Richter, zumal für den, der sich „seiner Sache nicht sicher“ ist. Unterschiede in der Benotung sind unvermeidbar, sie erklären sich teilweise allein schon aus der unterschiedlichen Position. Sie sollten sich aber in engen Grenzen halten, weil davon ganz wesentlich die Glaubwürdigkeit des Dressursports abhängt. Die Nachvollziehbarkeit der Bewertung jeder einzelnen Prüfung ist ein entscheidender Faktor für die

Publikumswirksamkeit – damit auch für die olympische Überlebensfähigkeit – des Dressursports.

Dr. Dietrich Plewa