Wohlstandsmotor Forschung und Entwicklung

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Author: Sigrid Baumann
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FOKUSTHEMA

August 2014

www.innovationsindikator.de

Investitionen in Innovation

Wohlstandsmotor Forschung und Entwicklung Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) tragen zur ökonomischen Wertschöpfung bei. Doch nicht in jedem Land führen hohe FuE-Ausgaben automatisch zu produktiven Ergebnissen. Wie viel und in welchen Bereichen Länder investieren sollten, hängt von vielen Faktoren ab.

Das Wichtigste in Kürze • Es existieren optimale Schwellenwerte für die FuE-Quote, bis zu denen zusätzliche Investitionen in Forschung und Entwicklung sich positiv auf den Wohlstand auswirken. • Diese Werte sind von Land zu Land unterschiedlich und hängen vom Aufbau der Wirtschafts- und Wissenschaftssysteme im jeweiligen Land ab. • Eine Balance zwischen privater und staatlicher FuE-Ausgaben steigert die ökonomischen Rückflüsse von FuE-Aktivitäten. • Deutschland sollte auf breiter Basis die Exzellenz in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung fördern, um sowohl die Qualität als auch die Quantität der Wissensverwertung zu steigern. • Steuerliche Anreize für zusätzliche, private FuE-Ausgaben sowie der Ausbau forschungsintensiver Branchen würden die Rahmenbedingungen für produktive Innovationsprozesse in Deutschland verbessern. Wissen trägt massiv zur Wertschöpfung bei. Diese Devise hat in den vergangenen Jahrzehnten die Spielregeln des globalen Wettbewerbs verändert. Betroffen sind einerseits die hoch entwickelten Industrieländer, die versuchen, sich durch kontinuierliche und hohe Investitionen in Forschung und Innovation einen technologischen Vorsprung zu erarbeiten und zu sichern. Zum anderen rückt das Thema Know-how auch für die aufstrebenden Schwellenländer immer mehr in den Fokus. Denn statische Wettbewerbsfaktoren wie etwa niedrige Arbeitskosten sind angesichts des technologischen

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Wandels längst keine Garantie mehr für wirtschaftlichen Erfolg. So stellten mehrere osteuropäische Länder fest, dass die Standortvorteile, die sie in den 1990er-Jahren noch zu attraktiven Zielen für ausländische Direktinvestitionen durch multinationale Konzerne machten, heute nicht mehr nicht mehr so ausgeprägt sind. Vor allem arbeitsintensive Tätigkeiten werden an noch kostengünstigere Standorte, etwa im asiatischen Raum verlagert. Hiervon sind mittel- oder langfristig alle dynamischeren Volkswirtschaften betroffen, da sich mit der wirtschaftlichen Modernisierung auch das Lohn- und Preisniveau nach oben anpasst.

EU fordert höhere FuE-Quote Im Zuge dieser Entwicklung gewinnen dynamische Wettbewerbsvorteile, die auf Innovation und neuen Technologien beruhen, an Bedeutung. Da sie auf Lernen und Kompetenzentwicklung basieren und auch dadurch bewahrt werden, sind sie in der Regel von der automatischen Preis- und Lohnanpassungen entkoppelt. Vor diesem Hintergrund ist auch die aktuelle politische Diskussion zu sehen, die sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene eine Erhöhung der volkswirtschaftlichen Anstrengungen im Bereich der FuE anmahnt. Das Drei-Prozent-Ziel der EU (Anteil der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP)), ist eine weithin bekannte Formulierung dieser Argumentationslinie. Erst kürzlich forderte zudem die deutsche Expertenkommission Forschung und Innovation eine Quote von 3,5 Prozent. Demgegenüber zeigt sich auf Unternehmensebene, dass FuE-Investitionen mit abnehmenden Grenzerträgen verbunden sind. Das heißt, dass zusätzliche Investitionen in der Regel immer geringere ökonomische Rückflüsse (etwa in Form von höherer Produktivität oder neuer, erfolgreicher Produkte) erzielen. Dieser Effekt müsste zumindest langfristig auch auf volkswirtschaftlichem Niveau sichtbar werden, etwa indem das Prokopf-Einkommen nicht mehr so stark zunimmt oder im Extremfall sogar abnimmt. Letztlich lassen sich abnehmende Grenzerträge auch unmittelbar theoretisch begründen, denn jede Investition verringert die aktuellen Konsummöglichkeiten. Eine sehr stark steigende Investitionsquote trägt zwar möglicherweise zum Wachstum bei, jedoch nicht zum Anstieg des konsumbezogenen Wohlstands. Würden zum Beispiel 100 Prozent der Ressourcen in Forschung und Entwicklung investiert, bliebe nichts für den Konsum übrig. Eine solche Investitionsquote stellt folglich in keinem Fall ein wohlfahrtstheoretisches Optimum dar. Es stellt sich also die Frage, welche Investitionsniveaus bei FuE gesamtgesellschaftlich wünschenswert sind. Unter der Voraussetzung, dass sich solche Grenzwerte im Prinzip ermitteln lassen, sind zwei Fragen von Bedeutung: Haben die im Innovationsindikator untersuchten Volkswirtschaften diese Schwellenwerte bereits erreicht und würden durch weitere Erhöhungen der FuE-Quoten in den ineffizienten Bereich rutschen? Oder ist dies noch nicht der Fall und eine Ausweitung der FuE-Quoten ist weiterhin erstrebenswert? Auf Basis der Daten des Innovationsindikators, die mit ökonometrischen Verfahren analysiert wurden, deuten sich drei zentrale Ergebnisse an: • Erstens gibt es optimale Schwellenwerte für die FuE-Quote, oberhalb derer keine weiteren Wohlstandsgewinne erzielt werden können. • Zweitens variieren diese Schwellenwerte von Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft - für die im Innovationsindikator untersuchten Länder liegen sie zwischen 1,7 und 3,3 Prozent. • Drittens hängt die Positionierung eines Landes innerhalb dieser Spanne unter anderem von der Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems ab sowie vom Anteil der privaten FuE-Ausgaben an den gesamten FuE-Ausgaben und deren Zusammenspiel mit den staatlichen FuE-Ausgaben.

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Viele der hoch entwickelten Industrieländer haben diese optimalen Schwellenwerte bereits annähernd erreicht. Ihren technologischen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz können sie also folglich nicht über eine reine Erhöhung der FuE-Quoten verteidigen oder ausbauen. Vielmehr müssen sie die Effizienz ihrer Investitionen steigern. Dafür ist es nötig, das systemische Zusammenspiel der Innovationsakteure zu analysieren und Strategien zu entwickeln, die dieses Zusammenspiel effizienter gestalten.

Zusammenhang zwischen logarithmiertem BIP/Kopf und FuE-Quote log BIP/EW 10,7

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FuE-Ausgaben gemessen 0 am BIP

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Prokopf-Einkommen hängt an FuE-Quote Wie Prokopf-Einkommen und FuE-Ausgaben als Anteil am BIP zusammenhängen, stellt Abbildung 1 dar. Dabei lässt sich gut erkennen, dass der Zusammenhang umgekehrt U-förmig ist. Nimmt die FuE-Quote zu, steigt das BIP/Kopf zunächst an, wobei die marginalen Zuwächse immer geringer werden. Ab einem bestimmten Punkt (in der Abbildung etwa bei 2,5 Prozent) dreht sich dieser Zusammenhang ins Negative: Das BIP/Kopf sinkt, wenn sich die FuE-Quote weiter erhöht. Grundsätzlich deutet dieses Ergebnis an, dass es in der Tat optimale Schwellenwerte für die FuE-Quoten gibt. Für die Beurteilung, ob einzelne Länder oberhalb oder unterhalb dieses Schwellenwertes liegen, ist aber zu berücksichtigen, dass diese Schätzung Unterschiede zwischen den Ländern, etwa in der Industriestruktur oder in den politischen Rahmenbedingungen, nicht angemessen berücksichtigt. So kann beispielsweise das Zusammenspiel zwischen Wissenschaft und Wirtschaft oder die Aufteilung der FuE-Ausgaben nach staatlichen und privaten Akteuren erheblichen Einfluss haben. Zu vermuten ist zum Beispiel, dass eine Volkswirtschaft mit einem besonders leistungsfähigen Wissenschaftssystem auch stärker von FuE-Aktivitäten profitiert. Denn oft stehen Forschungsanstrengungen der Wirtschaft und der akademische Wissensoutput sowohl in Form von Humankapital als auch in Form neuen Grundlagenwissens in Verbindung zueinander.

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4 | 9 Zusammenhang zwischen logarithmiertem BIP/Kopf und FuE-Quoten (differenziert nach Forschungsperformance des Wissenschaftssystems) log BIP/EW

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Hohe Zitatraten Niedrige Zitatraten

10,8 10,6 10,6

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10,0 9,8 9,8 9,6 9,6 9,4 9,4 9,2 9,2

FuE-Ausgaben 0 gemessen am BIP

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Forschungsstarke Länder im Vorteil In der Tat deutet sich genau dieser Zusammenhang in Abbildung 2 an. Länder mit niedrigen erwarteten Zitatraten pro wissenschaftlicher Publikationen erreichen den optimalen Schwellenwert der FuE-Quote mit etwa 1,7 Prozent deutlich früher als Länder mit hohen Zitatraten, also besonders forschungsstarken Wissenschaftssystemen. Hier liegt die optimale FuE-Quote bei etwa 3,2 bis 3,3 Prozent. Wie viel ein Land auf gesamtwirtschaftlicher Ebene in Forschung und Entwicklung investieren sollte, hängt also unter anderem davon ab, wie leistungsfähig das Wissenschaftssystem ist, wobei forschungsstarke Nationen wahrscheinlich tendenziell mehr von hohen FuE-Investitionen profitieren. Im Innovationsindikator sind die Schweiz, Dänemark und Singapur als besonders forschungsstark (gemessen durch die erwarteten Zitatraten) zu beurteilen. Niedrige Werte weisen hingegen Russland, Polen und Spanien auf. Entsprechend liegen die FuE-Quoten auch bei den erstgenannten Ländern deutlich über denen der zweiten Gruppe. Über den Beobachtungszeitraum von 2000 bis 2012 ergibt sich insgesamt eine Korrelation von 0,40 zwischen den Zitatraten und den FuE-Quoten. Dieses Ergebnis wäre bei einem positiven Zusammenhang zwischen akademischer Wissensgenerierung und FuE-Tätigkeiten zu erwarten.

Ebenso wichtig wie die Frage, ob es wissensbezogene Zusammenhänge zwischen Forschungstätigkeiten und dem Wissenschaftssystem gibt, ist die Frage nach der Aufteilung der FuE-Aktivitäten nach Akteursgruppen. Tabelle 1 zeigt, dass die meisten der hoch entwickelten Industrieländer einen Anteil privater FuE-Ausgaben von zwei Drittel und mehr haben. Besonders hoch sind diese Werte in Japan, Südkorea, der Schweiz, den USA und Schweden mit jeweils mehr als 73 Prozent. Sehr niedrige Werte weisen Polen und die Türkei auf. Unter den hoch entwickelten Industrieländern zeigen sich für die Niederlande, Norwegen, Italien und Spanien relativ niedrige Werte.

FuE-Ausgaben und deren Aufteilung nach Akteuren Land Australien Belgien Brasilien Kanada China Deutschland Dänemark Finnland Frankreich Großbritannien Indien Irland Italien Japan Korea Niederlande Norwegen Polen Russland Schweden Schweiz Singapur Spanien Südafrika Taiwan Türkei USA Österreich Total

Anteil private FuE in % 59 69 k.A. 55 69 69 69 72 63 64 k.A. 67 52 78 77 52 54 29 66 73 75 64 54 58 69 37 74 68 63

FuE-Ausgaben am BIP in % 1,92 1,91 k.A. 1,92 1,43 2,62 2,70 3,58 2,14 1,74 k.A. 1,41 1,14 3,23 3,09 1,84 1,64 0,62 1,15 3,66 2,83 2,23 1,20 0,88 2,56 0,68 2,63 2,42 2,05

Indizien für Defizite in den Innovationssystemen Welche Aufteilung die günstigste ist, lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Auffällig ist, dass Länder mit insgesamt niedrigen FuE-Ausgaben auch niedrige private Quoten aufweisen. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass Staaten in denen die privaten Akteure (insbesondere Unternehmen) relativ wenig in FuE investieren, diese Investitionslücke mit einer eigenen, ebenfalls geringen Finanzierung auszugleichen versuchen. Treffen niedrige private FuE-Ausgaben auf hohe staatliche FuE-Ausgaben könnte das also ein Indiz für systemische Defizite im Innovationssystem sein, da die relativ umfangreichen öffentlich finanzierten FuE-Aktivitäten von der heimischen Wirtschaft nicht ausreichend absorbiert werden können. Unter dieser Annahme ist davon auszugehen, dass Länder mit einer hohen staatlichen FuE-Quote weniger von forschungsbasierten Innovationen profitieren. Dies sollte sich in niedrigen, optimalen Schwellenwerte für die gesamtwirtschaftliche FuE-Quote niederschlagen. In Abbildung 3 ist deutlich zu sehen, dass bei niedrigen privaten FuE-Quoten die wohlstandsoptimale FuE-Quote bei ca. 1,9 Prozent liegt und damit erheblich niedriger ist als bei hohen privaten FuE-Quoten (ca. 3 Prozent).

BDI_Deutsche Telekom Stiftung _ Innovationsindikator 2013

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6 | 9 Zusammenhang zwischen logarithmiertem BIP/Kopf und FuE-Quoten (differenziert nach privater FuE-Quote) log BIP/EW

Hohe private FuE-Quote Niedrige private FuE-Quote

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10,8

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10,4

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FuE-Ausgaben 0 gemessen am BIP

9,2 0,5

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Balance zwischen privaten und öffentlichen Ausgaben Dieses Ergebnis zeigt, wie bedeutend der private Sektor für die Hervorbringung und wirtschaftliche Nutzung von Innovationen ist. Aufgrund dieser großen Bedeutung stellt der Innovationsindikator das Subsystem Wirtschaft ins Zentrum seines Indikatorensystems Dies heißt aber keineswegs, dass andere Subsysteme (insbesondere Bildung und Wissenschaft) weniger wichtige Inputs für die Wirtschaft bereitstellen. Tabelle 1 macht deutlich, dass viele im Innovationsindikator führende Länder (etwa Deutschland oder Belgien) eine relativ hohe staatliche FuE-Finanzierung aufweisen. Dass die hohen staatlichen FuE-Ausgaben mit großen gesamtwirtschaftlichen Erträgen einhergehen, kann durchaus daran liegen, dass staatliche und private Investitionen in diesem Bereich in aller Regel unterschiedliche Zielsetzungen haben. Unternehmensinvestitionen sind in aller Regel auf eine konkrete Anwendung, beispielweise ein Produkt ausgerichtet. Staatliche Forschung und Entwicklung hingegen ist häufig innerhalb von Universitäten oder staatlichen Forschungsinstituten angesiedelt und hat einen stärkeren Grundlagenbezug. Für die langfristige Funktionsfähigkeit des Innovationssystems ist eine gesunde Balance zwischen grundlagenbezogener und gewinnorientierter Forschung insgesamt förderlich.

7 | 9 Zusammenhang zwischen logarithmiertem BIP/Kopf und FuEQuoten (Komplementarität zwischen privater und staatlicher FuE) log BIP/EW

Maximale Komplementarität Minimale Komplementarität

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10,8

10,8

10,6

10,6

10,4

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FuE-Ausgaben 0 gemessen am BIP

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Diese Vermutung wird von dem in Abbildung 4 dargestellten Zusammenhang zwischen optimaler FuE-Quote bei unterschiedlicher Komplementaritätsniveaus zwischen privater und öffentlicher FuE bestätigt. In Ländern, in denen sowohl die private als auch die staatliche FuE-Quote hoch ist, liegt der optimale Schwellenwert der FuE-Quote höher als in Ländern, in denen diese Komplementaritäten niedrig sind.

Insgesamt können folgende Resultate festgehalten werden: • Es existieren optimale Schwellenwerte für die FuE-Quote, bis zu denen zusätzliche Forschungsinvestitionen positiv auf das Prokopf-Einkommen wirken. • Im Durchschnitt der im Innovationsindikator betrachteten Länder liegt diese optimale Quote bei 2,5 Prozent. • Die optimalen Schwellenwerte hängen von verschiedenen systemischen Variablen ab und liegen insgesamt in einer Spannbreite von 1,7 bis 3,3 Prozent. • Die optimalen Schwellenwerte sind tendenziell höher je höher der Anteil privater Forschung und Entwicklung ist, je besser private und staatliche Forschungsausgaben miteinander einhergehen und je forschungsstärker das Wissenschaftssystem ist.

Für die Innovationspolitik ergeben sich aus dieser Analyse folgende Schlussfolgerungen: • Eine Erhöhung der FuE-Quote für alle Länder, wie sie die EU mit ihrem Drei-Prozent-Ziel anstrebt, trägt nicht notwendigerweise zur Steigerung des Wohlstands bei. Vielmehr müssen zusätzliche FuE-Ausgaben auf das jeweils gegebene Innovationssystem abgestimmt werden.

• In Ländern mit niedrigen privaten FuE-Ausgaben müsste primär darauf geachtet werden, die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen. Eine reine Kompensation niedriger privater durch höhere öffentliche FuE-Ausgaben ist nicht erfolgversprechend. • In Ländern mit bereits hohen FuE-Ausgaben sollten sich zusätzliche Investitionen in diesem Bereich an zumindest drei Kriterien orientieren:

• Stärkung der Exzellenz der wissenschaftlichen Grundlagenforschung,



• Stimulierung zusätzlicher privater FuE-Ausgaben parallel zu einer Ausweitung der



öffentlichen Forschung sowie

• Stärkung des Wissens- und Technologietransfers zwischen privater und öffentlicher Forschung.

Innovationen durch Strukturwandel Deutschland liegt mit einer Forschungsquote von 2,9 Prozent gemessen an seinen Wirtschaftsstrukturen und seinem Innovationssystem bereits nahe am optimalen Niveau. Eine weitere deutliche Erhöhung der Quote auf 3,5 Prozent, wie sie etwa die Expertenkommission Forschung und Innovation vorschlägt, birgt die Gefahr, dass die zusätzlichen Mittel volkswirtschaftlich ineffizient eingesetzt werden. Damit so hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung auch in Produktivitätsgewinne münden, bräuchte es einen grundlegenden Strukturwandel der deutschen Wirtschaft in Richtung besonders forschungsintensiver Branchen. Denn dort werden zusätzliche FuE-Mittel am ehesten in höhere Wertschöpfung übersetzt. Außerdem sind diese Branchen besonders wissenschaftsnah und können am besten neue Forschungsergebnisse ökonomisch verwerten. In diesen Branchen (etwa Pharma, Informationstechnik, Software, Luft- und Raumfahrt und Optik) ist der Wettbewerb aber bereits heute sehr intensiv. Die Chancen für Deutschland, dort besonders stark zu wachsen, sind daher begrenzt. Gleichzeitig besitzt Deutschland klare Wettbewerbsvorteile in Industrien mit mittelhoher FuE-Intensität wie Automobilbau, Maschinenbau, Chemie und Energietechnik. Für die Bewahrung und Weiterentwicklung dieser Stärken sind deutlich höhere FuE-Ausgaben aber nicht unbedingt nötig.

Für Deutschland bedeuten die hier vorgelegten Analysen vor allem dreierlei: • Exzellenz in der wissenschaftlichen Grundlagenforschung sollte auf einer breiten Basis gefördert werden, sodass die Qualität und Quantität des wissenschaftlichen Outputs gleichermaßen gesteigert wird. Zusätzliche staatliche Mittel für die Forschung an Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen sollten grundsätzlich an die Steigerung der wissenschaftlichen Leistung gebunden werden. • Der Wirtschaft sollten klare Anreize für erhöhte FuE-Investitionen gegeben werden. Eine steuerliche Besserstellung von (zusätzlichen) FuE-Ausgaben wäre ein sinnvoller Ansatz. Damit kann sichergestellt werden, dass bei einer Ausweitung der öffentlichen Forschung die derzeitige gute Balance zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung erhalten bleibt. Außerdem könnten so die Rahmenbedingungen für Innovationen für alle Branchen und Unternehmensgrößen gleichermaßen verbessert werden. • Ein Strukturwandel in Richtung forschungsintensiver Branchen ist sinnvoll, darf aber nicht zu Lasten der derzeitigen Stärken des deutschen Innovationssystems gehen. Vielversprechend ist vor allem eine Verknüpfung von Industrie, Wissenschaft und Anwendern, wie sie auch die Hightech-Strategie der Bundesregierung verfolgt. Damit gesamtwirtschaftlich relevante Effekte erzielt werden, sollten anstelle einer regionalen Fokussierung (wie im Spitzenclusterwettbewerb) die bundesweit stärksten Akteure zusammengebracht und globale Märkte mehr ins Zentrum gerückt werden. Innerhalb der einzelnen Spitzentechnologiefelder sollten umfassende Entwicklungsstrategien verfolgt werden. Diese sollten, von der Grundlagenforschung über Spinoffs und gemeinsame Forschungsinitiativen von Industrie und Wissenschaft bis hin zu günstigen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Verwertung von Innovationen reichen.

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Untersuchungsmethode

FuE-Quoten und Prokopf-Einkommen: Viel hilft viel? Die dokumentierten Ergebnisse beruhen auf multivariaten Regressionsverfahren aus der Paneldaten-Ökonometrie, die robust gegenüber unbeobachtbarer Heterogenität auf Länderebene sind (sog. Fixed-Effects-Schätzer). Dabei wurde das logarithmische BIP/Kopf auf nicht-lineare Funktionen der FuE-Quoten regressiert. Daneben wurden Jahresdummies und Größe der Volkswirtschaften als Kontrollvariablen verwendet. Um einen möglichen optimalen Punkt zu identifizieren, wurde der Einfluss des ersten und des zweiten Polynoms der FuE-Quoten auf das logarithmierte BIP/Kopf untersucht. Ist der lineare Term positiv und der quadrierte Term negativ signifikant, ergibt sich hieraus ein optimaler Grenzwert der FuE-Quote für das Prokopf-Einkommen. Die in diesem Abschnitt dargestellten Grafiken beruhen auf diesen Regressionen und bilden den ermittelten funktionalen Zusammenhang zwischen FuE-Quote und BIP/Kopf (logarithmische Skala) ab. Abbildung 1 zeigt den durchschnittlichen Zusammenhang aller im Innovationsindikator betrachteten Länder. Abbildung 2-Abbildung 4 illustrieren, dass dieser Zusammenhang von bestimmten systemischen Konstellationen (z.B. der Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems) abhängt.

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