Wirtschaftstrends Ungarn Jahresmitte 2012

Ungarn - Jahresmitte 2012

1 Gesamtwirtschaftlicher Ausblick

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Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts Investitionen Konsum Außenhandel

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2 Branchen im Überblick

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Maschinen- und Anlagenbau Kfz-Industrie Chemie Bauwirtschaft Elektrotechnik/Elektronik Informations- und Kommunikationstechnik Umwelttechnik Medizintechnik

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Ungarn - Jahresmitte 2012

Budapest (gtai) - Der Inlandsverbrauch wird in Ungarn 2012 erneut schrumpfen und auch noch 2013. Er steht unter dem Einfluss von Verbrauchsteuererhöhungen und Sparmaßnahmen zur Budgetsanierung sowie den Folgen der hohen Devisenschulden des Landes. Die Investitionen konzentrieren sich auf die Exportindustrie, vor allem dank der großen Kfz-Projekte, fallen insgesamt aber gegenüber 2009 weiter zurück. Die Exporte verlieren 2012 an Kraft, und die Wirtschaftsleistung schrumpft voraussichtlich um rund 0,5%.

1 Gesamtwirtschaftlicher Ausblick Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts Ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von real 1,7% wie es Ungarn 2011 erreicht hat, ist frühestens 2013 wieder in Sicht. Nach einem enttäuschenden 1. Quartal 2012 sind die Prognosen für das Gesamtjahr weiter nach unten revidiert worden. Wahrscheinlich ist ein realer BIP-Rückgang in der Größenordnung von mindestens einem halben Prozent. Weder die Landwirtschaft (2011: +27,8%) noch das verarbeitende Gewerbe (+4,5%) können an die guten Vorjahresergebnisse anknüpfen. Die Dienstleistungssparten tendieren schwach unter dem Eindruck der hohen sektoralen Besteuerung. Ohne die Exportproduktion im neuen Daimler-Werk würde das BIP spürbar stärker schrumpfen. Die Kraft der Exportwirtschaft als Wachstumsmotor lässt 2012 im Zuge der konjunkturellen Beruhigung in Europa nach. Angesichts leerer öffentlicher Kassen, weiterer Austerity-Maßnahmen und einem Privatverbrauch, der 2012 voraussichtlich im sechsten Jahr hintereinander nicht steigt, ist es erneut vor allem die exportorientierte Wirtschaft, die den Investitionen noch Auftrieb gibt. Die Analyseinstitute haben im Frühjahr 2012 für die Bruttoanlageinvestitionen sehr unterschiedliche Erwartungen. Sie variieren von real -1,5 bis -6,5%. Mit einem leichten Zuwachs ist demnach erst wieder ab 2014 zu rechnen. Die schwache Binnennachfrage drückt auf die Einfuhren. Ihr Wachstum stützt sich fortgesetzt nahezu ausschließlich auf den großen Bedarf der Exportwirtschaft an Vorprodukten sowie ihre Nachfrage nach Investitionsgütern. Die Konsumgütereinfuhren stehen unter dem Eindruck weiterer Verbrauchsteueranhebungen. Anfang 2012 war die MWSt von 25 auf 27% angehoben worden. Eine Reihe neuer Steuern auf Dienstleistungen sollen ab Mitte 2012 und Anfang 2013 für Banken und den Telekommunikationssektor in Kraft treten. Die Warenimporte nehmen vor diesem Hintergrund 2012 voraussichtlich real nur um rund 5% zu (GKI-Prognose) und bleiben hinter dem erwarteten Exportanstieg von circa 7% zurück. Sie sind zu einem Gutteil Zulieferungen für die Exportindustrie. Bei jedem Wiederaufflammen der Eurokrise droht Ungarn der Vertrauensentzug von Anlegern und Investoren, was zu einem - mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit zwar nicht völlig unerwünschten - Druck auf die Währung führt, aber vor allem die Finanzierbarkeit der hohen Auslandsschulden in Frage stellt. Ein EU/IWF-Hilfspaket würde das Vertrauen stärken und die Finanzierungskosten senken. Für den Start der Verhandlungen hat Brüssel Ungarn Ende April 2012 grundsätzlich „Grünes Licht“ gegeben. Der IWF macht diese von der Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Zentralbank abhängig. Eine Einigung über ein Hilfspaket erwarten Analysten kaum vor dem 3. Quartal.

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Wirtschaftstrends

Wirtschaftliche Eckdaten Indikator

2009

2010

2011

BIP (nominal, Mrd. Euro) BIP pro Kopf (Euro) Bevölkerung (Mio.) Wechselkurs (1 Euro = Ft)

91,4 9.100 10,03 251,99

97,1 9.700 10,01 280,13

100,8 10.100 9,99 280,28

Vergleichsdaten Deutschland 2011 2.570 31.437 81,8

Quellen: Eurostat, Statistisches Bundesamt

Investitionen Nachfrage nach Investitionsgütern geht in Ungarn vom verarbeitenden Gewerbe aus, und hier in erster Linie von der Kfz-Industrie im Zusammenhang mit den Großprojekten von Daimler, Audi und GM/Opel. Aber auch der Maschinenbau, die Metallindustrie, die Pharmahersteller sowie die Leder- und Textilindustrie weiten ihre Produktionskapazitäten vor allem mit Blick auf Exportmärkte noch aus. Die Ausrüstungsinvestitionen, die 2011 real um 4,0% niedriger als im Vorjahr waren, sollen vor diesem Hintergrund 2012 leicht steigen (+1%), 2013 dann aber erneut etwas zurückgehen (-2%), so die EU-Prognose.

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Ungarn - Jahresmitte 2012

Die ungarische Regierung setzt wieder stärker auf ausländische Investitionen, und zwar in die gewerbliche Wirtschaft. Gewinne und Investitionsneigung in Dienstleistungssektoren wie Telekommunikation, Einzelhandel, Finanzwirtschaft und Energie, stehen seit 2010 unter dem Eindruck von (umsatzabhängigen) Sondersteuern, die Ende 2012 auslaufen, aber zum Großteil durch neue Steuern ersetzt werden. Für Energie- und Versorgungsunternehmen steigt die Körperschaftsteuer auf 30% gegenüber 19% generell und 10% für Kleinunternehmen. Das Finanzierungsumfeld der Unternehmen dürfte sich 2012 erneut verschlechtern.

Ausgewählte Großprojekte Projektbezeichnung Investitionssum- Projektstand me (Mio. Euro) AKW Erweiterung Auf über 3.000 ge- In Vorbereitung; um 2.000 MW in Paks schätzt Gründung von Projektgesellschaft in Gang U-Bahnbau, Metro 4 Rund 1.500 Fertigstellung in Budapest bis Mitte 2014 Laufzeitverlängerung für 4 AKW-Blöcke in Paks Gaskraftwerk MolCEZ, 860 MW CCGT Kraftwerk in Százhalombatta Bahnerneuerung Szajol-Püspökladány

M43 Autobahn zwischen Makó und Landesgrenze Erweiterung/Modernisierung des Puskás Sportstadion ELI Superlaserzentrum Szeged

Pannonia Ethanol Biogaswerk Mohács Straßenbahnmodernisierung/-erweiterung in Budapest (Linien 1 und 3)

Rund 700 Für Block 1 läuft Antragstellung 600 Fertigstellung bis Mitte 2015

555 Fertigstellung bis Herbst 2015

228 ausgeschrieben, Fertigstellung im 2. Hj. 2014 200-345, In Vorbereitung, je nach Umfang Bauzeit 2014 bis 2016 220 Fertigstellung bis 2015

172 Fertigstellung bis Anfang 2014 141 2013-2015

Quellen: Recherchen von Germany Trade & Invest, Pressemeldungen

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Wirtschaftstrends

Anmerkung Projektträger: MVM

Durchführung: Bamco-Konsortium (u.a. Strabag); Siemens Projektträger: MVM

Mol-CEZ European Power Hungary Kft. (MCEPH), Tecnicas Reunidas S.A. Durchführung: Swietelsky Vasúttechnika, Közgép, Szentesi Vasútépítö Projektträger: NIF (Gesellschaft für Infrastrukturentwicklung) Staatliches Projekt

Ministerium für nationale Entwicklung, Finanzierung mit EU Fördermitteln Pannonia Ethanol Zrt. EU hat zugesagt, 94% EU-Fördermittel

Potenzielle Investoren und Unternehmen, die nach Ungarn exportieren wollen, sollten bei ihrer Entscheidung über den Markteintritt das Stärken-Schwächen-Profil des Standorts und die damit verbundenen Chancen und Risiken (SWOT-Analyse) berücksichtigen:

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Ungarn - Jahresmitte 2012

Konsum Ungarns Privatkonsum wird 2012 voraussichtlich im sechsten Jahr in Folge nicht wachsen, (real rund -2%). Nur noch 16% der 16- bis 69-Jährigen verfügen über Sparguthaben (2004: 40%). 2011 waren die Einzelhandelsumsätze dem Volumen nach um 6,3% niedriger als 2010. Nach der Erhöhung des Regelsatzes der Mehrwertsteuer von 25 auf 27% Anfang 2012 steht der Verbrauch fortgesetzt im Fokus des Fiskus. 2012/13 werden zudem Telefongespräche und SMS, Banküberweisungen, Kreditkarteneinsätze etc. mit neuen Steuern belegt. Auch die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit von knapp 11% (2012) und Lohnerhöhungen, die mit 3,5 bis 4,0% unterhalb der erwarteten Teuerung von 5,5% liegen, lasten auf dem Verbrauch. Lebensmittel, Getränke und Tabakwaren halten einen immer größeren Anteil an den Konsumausgaben der Haushalte (2011: 44,5%). Stark rückläufig sind diese für Möbel und Elektrogeräte. Die privaten PKW-Käufe erholen sich 2012 voraussichtlich etwas von ihrem extrem niedrigen Stand im Vorjahr (rund 15.000 Fahrzeuge). Die hohe Verschuldung in Devisen legt dem Verbrauch der Haushalte enge Fesseln an. Für Zinszahlungen allein mussten sie 2011 Mittel von über 3% des BIP aufwenden. Verschiedene Tilgungsprogramme zu sehr günstigen Bedingungen, die noch bis 2016 laufen, bringen vorläufig Entlastung. Die Kreditaufnahme ist rückläufig und praktisch nur noch in Forint bei sehr hohen Zinsen möglich.

Außenhandel Die internationale Konjunkturentwicklung und vor allem die deutsche dürften Ungarns Exporte weiter wachsen lassen und wegen der hohen Importabhängigkeit der Ausfuhrproduktion auch die Einfuhren. Die EU erwartet für Ungarns Waren- und Dienstleistungsausfuhren 2012 noch ein Plus von real 5,4% gegenüber dem Vorjahr und für die Einfuhren von 4,0% (nach 8,4 beziehungsweise 5,4% im Vorjahr). Im 1. Quartal stagnierten allerdings noch beide Werte nominal in Euro, ihrer Haupt-Faktura-Währung. Jeweils rund ein Viertel der Warenimporte und -exporte (2011: 73,0 Mrd. Euro beziehungsweise 79,9 Mrd.) kommen aus beziehungsweise gehen nach Deutschland. Durch die Großinvestitionen gewinnt der deutsche Markt für Ungarns Exportindustrie weiter an Bedeutung. Maschinen und Transportmittel sowie Teile dafür dominieren den Warenaustausch. Die ungarischen Lieferungen, die in den ersten zwei Monaten 2012 stagnierten, dürften im Jahresverlauf wieder an Dynamik gewinnen. Demgegenüber entwickelt sich die umfangreiche Produktion Ungarns von Elektrogeräten für internationale Hersteller - vor allem TV-Bildschirme und Handys - ebenso wie deren Ausfuhren schnell zurück. Die Konsumgüterimporte versprechen real erst wieder mittelfristig anzuziehen. Dann kehrt sich der Überschuss in der Handelsbilanz voraussichtlich wieder in ein leichtes Defizit um.

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Wirtschaftstrends

Außenhandel Ungarns (in Mio. Euro; nominale Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in %) 2010 2011 Veränderung 2011/10 Importe 65.934 73.023 10,8 Exporte 71.449 79.909 11,8 Handelsbilanzsaldo 5.515 6.886 24,9 Quelle: Ungarisches Statistisches Amt (KSH)

Einfuhr nach Warengruppen (in Mio. Euro; Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in %) SITC Warengruppe 2010 2011 Veränderung 2011/10 0 Nahrungsmittel/lebende Tiere 2.989 3.336 11,6 5 Chemische Erzeugnisse 7.405 8.694 17,4 .51 Organische Chemikalien 832 980 17,8 .54 Arzneimittel 2.301 2.884 25,3 .57 Kunststoffe in Primärformen 905 1.045 15,4 6 Vorerzeugnisse 9.000 10.516 16,9 .67 Eisen/Stahl 1.471 1.810 23,1 7 Maschinen und Fahrzeuge 33.671 34.743 3,2 .71 Kraftmaschinen 2.595 3.133 20,7 .72 Arbeitsmaschinen 937 1.081 15,4 .74 Maschinen für verschiedene 3.299 3.673 11,3 Zwecke .77 Elektrische Maschinen 9.673 9.400 -2,8 .78 Kraftfahrzeuge 3.641 4.163 14,3 8 Fertigerzeugnisse 4.462 4.937 10,7 .87 Mess-, Prüf- und Kontrollinstru782 876 12,0 mente, -apparate und -geräte Quelle: Eurostat

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Ungarn - Jahresmitte 2012

Einfuhr nach Warengruppen aus Deutschland (in Mio. Euro; Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in %) SITC Warengruppe 2010 2011 Veränderung 2011/10 0 Nahrungsmittel/lebende Tiere 686 749 9,2 5 Chemische Erzeugnisse 1724 1838 6,6 .51 Organische Chemikalien 84 104 23,9 .54 Arzneimittel 432 351 -18,8 .57 Kunststoffe in Primärformen 313 377 20,2 6 Vorerzeugnisse 2639 3042 15,3 .67 Eisen/Stahl 360 435 20,8 7 Maschinen und Fahrzeuge 9309 10774 15,7 .71 Kraftmaschinen 1161 1400 20,7 .72 Arbeitsmaschinen 312 386 23,9 .74 Maschinen für verschiedene Zwecke 1507 1661 10,3 .77 Elektrische Maschinen 2439 2888 18,4 .78 Kraftfahrzeuge 1968 2178 10,6 8 Fertigerzeugnisse 1119 1236 10,5 .87 Mess-, Prüf- und Kontroll285 291 1,9 instrumente, -apparate und -geräte Quelle: Eurostat

2 Branchen im Überblick Für das Jahr 2012 ist noch eine wachsende Nachfrage auf Ungarns Industriegütermärkten zu erwarten, vor allem dank des Kapazitätsausbaus in der Kfz-Industrie. Investitionen der Zulieferindustrie werden dabei durch EU-Hilfen unterstützt. Von der Bauwirtschaft gehen vorläufig kaum Nachfrageimpulse aus, mit der Ausnahme von Energieeffizienz-Sanierungen im Wirtschaftsbau sowie öffentlicher Gebäude und kleineren Tourismusinvestitionen, in die verstärkt EU-Fördermittel fließen. Der Agrarsektor dürfte nach dem Boomjahr 2011 zurückhaltender mit Beschaffungen sein. Kürzungen sind bei Infrastrukturprojekten zu erwarten, zumal in einer Phase der laufenden Renationalisierungen. Die Gemeinden hatten die Folgekosten oft unterschätzt. Die Märkte für langlebige Konsumgüter und Dienstleistungen für Verbraucher bleiben unter dem Eindruck der Umsatzsteuererhöhungen und realen Einkommensrückgängen vorläufig gedrückt.

Maschinen- und Anlagenbau Im verarbeitenden Gewerbe stagnierte die Produktion im 1. Quartal 2012. Das Auftragspolster stieg im Vorfeld der Produktionsaufnahme im neuen Daimler-Werk kräftig an. Die Automobilindustrie, einschließlich Zulieferer, sorgt 2012 erneut für mehr Nachfrage nach Metallbearbeitungsmaschinen. Für Kunststoffmaschinen kommen noch Basiseffekte zum Tragen durch die Großinvestitionen

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Wirtschaftstrends

von Hankook. Der Industriezweig leidet unter der Schwäche der Elektrogerätehersteller. Der stark exportorientierte ungarische Maschinenbau wächst nach der hohen Dynamik der Vorjahre 2012 nur noch einstellig. Anhaltende kräftige Produktionszuwächse in der Nahrungsmittelindustrie, der Textilindustrie, der Holzverarbeitung, der Kunststoff- und Gummiwarenherstellung, der Stahlerzeugung, der IT-Hardware-Industrie dürften sich in dem Maschinenbedarf niederschlagen.

Kfz-Industrie Die Realeinkommen der Privathaushalte sinken 2012 erneut. Für die Pkw-Neuwagenregistrierungen wird 2012 - bei extrem niedriger Ausgangsbasis - ein Anstieg auf 52.000 Fahrzeuge erwartet (45.000 im Vorjahr). Bei rund 70% davon handelt es sich um Firmenwagen. 2007 hatte der Pkw-Neuwagenabsatz insgesamt noch bei mehr als 150.000 Einheiten gelegen. Ein positiver Impuls für den Pkw-Absatz dürfte 2012 von der deutlichen Senkung der Pkw-Registrierungsabgaben ausgehen. Nach der Werkseröffnung von Mercedes-Benz Manufacturing Hungary werden seit 2012 im Produktionsverbund mit dem deutschen Werk in Rastatt Kompaktwagen hergestellt. Audi wird bis 2013 die bereits länger bestehende Motorenfertigung und Fahrzeugmontage zu einem Automobilwerk mit voller Prozesskette ausbauen (für 900 Mio. Euro). Auch GM/Opel investiert in ein neues flexibles Motorenwerk, das Ende 2012 die Produktion aufnehmen soll. Als Folge der Großprojekte gibt es eine Vielzahl von Investitionen in Zulieferbranchen.

Chemie Die Erholung der Nachfrage nach ausländischen Chemieerzeugnissen hat sich Anfang 2012 fortgesetzt. Allerdings sanken die Importe von medizinischen und pharmazeutischen Produkten in den ersten Monaten von 2012. Die Arzneimittel will die Regierung gegenüber 2011 um über 60% auf nur noch rund 140 Mrd. Ft zusammenstreichen. Die inländischen Hersteller, die stark im Export engagiert sind, weiten ihre Produktionskapazitäten noch aus. In der Basischemie wird die Zusammenarbeit zwischen Wanhua BorsodChem und TVK ausgebaut. Letzterer gehört zum MOL-Konzern, an dem der Staat einen Anteil von fast 25% hält. Wanhua aus der VR China hat Borsod übernommen und 320 Mio. Euro in ein weiteres TDI-Werk investiert. Es war eine der größten Übernahmen durch chinesische Konzerne in der EU. Bei der Versorgung der energieintensiven Industrie mit Erdgas könnte Ungarn auch in Zukunft äußerst stark von russischem Erdgas abhängig bleiben: Aus der Finanzierung der als Alternative geplanten Nabucco-Pipeline hat es sich zurückgezogen.

Bauwirtschaft Der Wirtschaftsbau steht im Zeichen der allgemeinen Verunsicherung in der Wirtschaft, besonders der Bürobau. Die Leerstandquote bleibt in Budapest hoch (25%). Investitionen werden zurückgestellt. Im Einzelhandel kommt der verordnete Baustopp für Neubauten von mehr als 300 qm zum Tragen, den die EU-Kommission überprüft. Auch die Kreditklemme zeigt Wirkung. Die Investitionen in Logistik- und Industriehallen sind ebenso durch die Verunsicherung beeinträchtigt bei einer Leerstandrate von über 20%. Zunehmen werden Bauinvestitionen in die Energieeffizienz im Wirtschaftsbau. Der Wohnungsbau befindet sich in einer nicht enden wollenden Abwärtsspirale. Insgesamt hält der Einbruch in der Bauaktivität an, der 2006 eingesetzt hat: 2012 wird ein Rückgang um real 5% erwartet nach jeweils rund -10% in den beiden Vorjahren. Aufträge gehen an inländische Anbieter. Im Infrastruktursektor kommt es zu Renationalisierungen.

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Ungarn - Jahresmitte 2012

Elektrotechnik/Elektronik Ungarns bedeutende Elektro- und Elektronikindustrie schränkt ihre Produktion 2012 weiter mit realen Jahresraten von 5 bis 10% ein. Rückläufig ist vor allem die Herstellung von Unterhaltungselektronik (vor allem Philips-Flachbildschirme) sowie von Nachrichtentechnik (Nokia-Handys). Für Elektrohausgeräte (unter anderem von Electrolux) ist der Trend flach bis leicht nachgebend. An dem Ausstoß des verarbeitenden Gewerbes hatte die Branche 2011 einen Anteil von rund 25% und im 1. Quartal 2012 von rund 21%. Ein wichtiger Zweig ist die Vertragsfertigung. Huawei aus der VR China und Flextronic hatten zuletzt noch in neue Kapazitäten investiert. Auf der Nachfrage nach Produkten der Elektro-/Elektronikbranche lastet die jahrelange Baisse im Bausektor und ferner die anhaltend rückläufige Entwicklung der Konsumausgaben. Die Importe sind leicht rückläufig.

Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) Auch diese Sparte steht laut Branchenexperten im Zeichen des schwierigen politischen und wirtschaftlichen Umfeldes. Die Beschaffungen von Wirtschaft sowie Privathaushalten bleiben niedrig. Der öffentliche Sektor investiert weiterhin weniger als vor der Krise. Die Zentralisierung im Gesundheitssektor lässt indes kurzfristig mehr Investitionen in integrierte IKT-Systeme erwarten - dafür dürften EU-Fördermittel Einsatz finden. Durch Sondersteuern sind wichtige IKT-Abnehmer wie die Finanz-, Einzelhandels- und Energiesparte stark belastet sowie auch der Telekommunikationssektor selbst. Relativ günstig entwickelt sich die IT-Softwaresparte. Wenn die Sondersteuern Ende 2012 auslaufen, sollen Telekom-Dienstleistungen mit verbrauchsabhängigen Abgaben belegt werden, was vor allem Call und Shared Service Center trifft. Der Staat wird neuer Mobilfunkanbieter und will die Tarife drücken. Für Investitionen in die Breitbandnetzinfrastruktur zur Umsetzung der „Digitalen Agenda“ der EU stehen seit Mai 2012 rund 70 Mio. Euro an EU-Fördermitteln bereit.

Umwelttechnik 2011 lagen die ungarischen Investitionen in den Bereichen Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft sowie Altlastensanierung bei rund 500 Mio. Euro und blieben damit nominell um 13% unter dem Stand vor Jahresfrist. Das Jahr 2010 hatte einen Zuwachs um 6,5% gebracht nach einem Rückgang um 22% 2009. In der kommunalen Versorgungswirtschaft sehen sich Auslandsinvestoren mit Renationalisierungen konfrontiert. Proteste westlicher Botschaften dagegen blieben wirkungslos. Mehrere Dutzend Gerichtsverfahren sind anhängig. In Schwung gekommen sind Rekultivierungsmaßnahmen für Mülldeponien. Ungarn drohen Strafen der EU, da die Umsetzung einer Direktive für die Abfallwirtschaft stockt. In der Wasserwirtschaft sind 2012 einzelne Vorhaben angelaufen, wie das Abwasserklärsystem für die Region Szabolcs-Szatmár-Bereg und das Hochwasserschutzprojekt im Bezirk Beregi.

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Wirtschaftstrends

Medizintechnik Ungarn baut seinen stark angeschlagenen und chronisch unterfinanzierten Gesundheitssektor grundlegend um. Zulieferer müssen sich auf ein neues Geschäftsumfeld einstellen. Die Krankenhäuser gehen nach und nach in Staatshand über. Für die Zulieferbranche dürfte dies eine längere Phase mit Unsicherheiten bedeuten. Vor allem die Anbieter von medizinischen Hilfsgütern müssen sich auf ein zentralisiertes Beschaffungssystem einstellen. Der Druck auf die Preise nimmt zu. Einen Schub erhält der Umbau durch die Anfang 2012 angelaufene Verstaatlichung von 106 Krankenhäusern, was rund drei Vierteln der Gesamtkapazitäten entspricht. Bis 2016 erwarten Branchenexperten ein Marktwachstum von 4 bis 5% jährlich. 2011 waren die Medizintechnik-Importe um 1,5% gestiegen und sind Anfang 2012 mit einer Jahresrate von 25% gefallen.

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Herausgeber: Germany Trade and Invest Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH Villemombler Straße 76 53123 Bonn Tel.: +49 (0)228/24993-0 Fax: +49 (0)228/24993-212 E-Mail: [email protected] Internet: www.gtai.de Autor: Erika Anders-Clever, Budapest Redaktion/Ansprechpartnerin: Regina Wippler Tel.: +49 (0)228/24993-416 E-Mail: [email protected] Redaktionsschluss: Mai 2012 Bestell-Nr.: 17039 Alle Rechte vorbehalten.© Nachdruck - auch teilweise - nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt. Hauptsitz der Gesellschaft: Friedrichstraße 60, 10117 Berlin Geschäftsführer: Dr. Jürgen Friedrich, Michael Pfeiffer Layout: Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und vom Beauftragten der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.