Wiederholung und Vertiefung Familienrecht

MDg. Dr. Dr. Jan Backmann Wiederholung und Vertiefung Familienrecht Sommersemester 2016 Verlöbnis (§§ 1297 ff.) 1. Begriff (doppelte Bedeutung) • g...
Author: Clara Abel
34 downloads 2 Views 360KB Size
MDg. Dr. Dr. Jan Backmann

Wiederholung und Vertiefung Familienrecht Sommersemester 2016

Verlöbnis (§§ 1297 ff.) 1. Begriff (doppelte Bedeutung) • gegenseitiges Versprechen künftiger Eheschließung • familienrechtliches Verhältnis auf Grundlage dieses Versprechens

2. Rechtsnatur • Vertragstheorie (h.M.): familienrechtlicher Vertrag, der auf Eingehung der Ehe gerichtet ist    

Vorschriften über Rechtsgeschäfte anwendbar Minderjährige §§ 107, 108 keine Stellvertretung wg. Höchstpersönlichkeit statt Anfechtung nur Rücktritt

• Tatsächlichkeitstheorie  Willensübereinstimmung nicht rechtsgeschäftlicher Art (Realakt)  Vorschriften über Rechtsgeschäfte allenfalls in vorsichtiger Analogie  bei Minderjährigen genügt Einsichtsfähigkeit

• Vertrauenshaftungslehre  eigenständiges, vom Willen der Parteien unabhängiges gesetzliches Schuldverhältnis  Sonderfall der culpa in contrahendo

3. Rechtsfolgen • nicht einklagbar (§ 1297 Abs. 1) • keine Absicherung durch Vertragsstrafe (§ 1297 Abs. 2) • Ehevertrag (§ 1408), Erbvertrag (§ 2275 Abs. 3) möglich • öffentlich-rechtliche Wirkungen 4. Auflösung durch Rücktritt • Schadensersatzanspruch des anderen Verlobten und dessen Eltern für Aufwendungen in Erwartung der Ehe (§ 1298 Abs. 1 Satz 1) • Schadensersatzanspruch des anderen Verlobten auch für sonstige das Vermögen oder die Erwerbsstellung berührende Maßnahmen (§ 1298 Abs. 1 Satz 2) • Ausschluss bei wichtigem Grund für Rücktritt (§ 1298 Abs. 3)

• Anspruch des rücktretenden Verlobten bei Verschulden des anderen Verlobten (§ 1299) • Rückgabe von Geschenken nach Bereicherungsrecht (§ 1301) -> Rechtsfolgenverweisung auf §§ 812 ff. • Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen zu Gunsten des Verlobten (§ 2077 Abs. 2)

Eheschließung (§§ 1303 ff.) 1. Eingehung der Ehe • Zivilehe (§ 1310 Abs. 1 Satz 1) • kirchliche Trauung ohne zivilrechtliche Bedeutung • auf Lebenszeit (§ 1353 Abs. 1 Satz 1) 2. Voraussetzungen der Eheschließung • 2 Personen • Geschlechtsverschiedenheit

• Ehefähigkeit  Ehemündigkeit (§ 1303): Volljährigkeit, bei Vollendung des 16. Lebensjahres Befreiung des Familiengerichts möglich  keine Geschäftsunfähigkeit (§1304)

• Fehlen von Eheverboten  Doppelehe / bestehende Lebenspartnerschaft (§ 1306)  Verwandtschaft (§ 1307)  Annahme als Kind (§ 1308)

• kein offenkundiges Vorliegen eines Aufhebungsgrundes (§ 1310 Abs. 1 Satz 2 HS 2) • Ehefähigkeitszeugnis für Ausländer (§ 1309)  bei ausländ. Eheschließungsstatut (Art. 13 Abs. 1 EGBGB)  keine unerfüllbaren Anforderungen an Nachweis der Ehefähigkeit (Art. 6 GG)

• Eheschließung (§ 1310, 1311) durch  Abgabe einer gegenseitigen Erklärung des Eheschließungswillens (Ehekonsens)  persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit  vor einem (mitwirkungsbereiten) Standesbeamten  ohne Bedingung oder Zeitbestimmung

• Trauung (§ 1312)

3. Nichtehe • Partner sind nicht geschlechtsverschieden • keine Ehewillenserklärung der Partner • keine Mitwirkung eines Standesbeamten Liegt eine dieser Voraussetzungen vor, ist keine Ehe zustande gekommen. Es bedarf keiner gerichtlichen Geltendmachung.

4. Aufhebbare Ehe (§§ 1313 ff.) • Aufhebungsgrund (§ 1314)    

Verstoß gegen Eheschließungsvorschriften (§ 1314 Abs. 1) vorübergehende Störung der Geistestätigkeit Irrtum über Eheschließung Arglistige Täuschung (Offenbarungspflichten aus Wesen der Ehe möglich, insbes. erhebliche Vorstrafen, Mehrverkehr bei Eheschließung wg. Schwangerschaft)  Drohung  Scheinehe

• Ausschluss der Aufhebung (§ 1315), insbes. Bestätigung

• Antragsberechtigung (§ 1316) • Aufhebung durch richterliche Entscheidung (§ 1313)  Wirkung ex nunc  Wirkung inter omnes  Anwendbarkeit einzelner Regelungen der Scheidung (§ 1318)

Rechtswirkungen der Ehe (§§ 1353 ff.) - Überblick • • • • • • • •

Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353) Ehename (§ 1355) Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung (§ 1356) Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357) Besonderer Haftungsmaßstab (§ 1359) Familienunterhalt (§ 1360-1360b) Trennung, insbes. Trennungsunterhalt (§ 1361-1361b) Gläubigerschutz (§ 1362)

Eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353) • Grundpflichten: alles, was nach sittlicher Auffassung zum Wesen der Ehe gehört (§ 1353 Abs. 1 Satz 2)  Treue  Achtung und Rücksichtnahme (z.B. Verpflichtung, einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen den anderen nicht durchzusetzen)  Geschlechtsgemeinschaft  Sorge füreinander  Sorge für gemeinschaftliche Kinder  häusliche Gemeinschaft

• Gemeinsame Entscheidung über Angelegenheiten des gemeinschaftlichen Lebens  Einigung erforderlich  ausnahmsweise Alleinentscheidungsrecht bei Funktionsteilung (alleinige Haushaltsführung, Alleinverdiener)

• Verpflichtung zur Herstellung des ehelichen Lebens    

Herstellung der häuslichen Gemeinschaft Unterlassungsanspruch bei Ehestörungen (Untreue) Anspruchsgegner nur der Ehepartner Verpflichtungen zur Herstellung des ehelichen Lebens sind aber nicht vollstreckbar (§ 120 Abs. 3 FamFG)

• Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe  gegenüber Ehepartner und Dritten  ständige Rechtsprechung, Gewohnheitsrecht  Anspruchsgrundlage strittig  § 823 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1, Art. 1 Abs. 3 GG  § 823 Abs. 1: allgemeines Persönlichkeitsrecht des treuen Partners als sonstiges Recht; räumlichgegenständlicher Bereich der Ehe als sonstiges Recht  allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) unmittelbar  § 862 Abs. 1 (Besitzschutzklage)  Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch  vollstreckbar (§ 120 Abs. 1 FamFG)

• Schadensersatzansprüche  § 1353 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 249

 h.M.: nein, da Generalklausel ohne Sanktion für Verletzung (weitere Argumente s.u.)  Mindermeinung: ja, begrenzt auf das Abwicklungsinteresse  §§ 823, 249  h.M.: generell keine Schadensersatzansprüche bei Verletzung ehelicher Pflichten, da Familienrecht abschließend ist und keine absoluten Rechte begründet, im Übrigen frei sein soll von staatlicher Prüfung (Abschaffung Verschuldensprinzip) und Zwang -> Verweis auf Scheidung  Mindermeinung: s.o.  gegen Dritte entsprechend, da untrennbare Verknüpfung  Verletzung anderer Rechtsgüter (Gesundheit pp.) bleibt unberührt

Ehename (§ 1355) • gemeinsamer Familienname (§ 1355 Abs. 1)  Bestimmung durch Ehegatten bei Eheschließung  Soll-Vorschrift

• Geburtsnamen oder zur Zeit der Erklärung geführte Namen der Ehegatten • Ehegatte, dessen Name nicht gewählt wird, kann ihn voranstellen oder anfügen (maximal Doppelnamen)

Haushaltsführung, Erwerbstätigkeit (§ 1356) • Haushaltsführung (§ 1356 Abs. 1)  Regelung im Einvernehmen  Eigenverantwortlichkeit bei alleiniger Haushaltsführung

• Erwerbstätigkeit (§ 1356 Abs. 2)  jeder Ehegatte bestimmt selbst  Rücksichtnahme auf Ehepartner und Familie

• Mitarbeitspflicht in Geschäft / Betrieb des anderen Ehegatten  grds. nicht  kann im Einzelfall aus Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2) und Verpflichtung zum Familienunterhalt (§ 1360) folgen  Mitarbeit muss nach den konkreten Umständen für den Familienunterhalt erforderlich sein  Verpflichtung nicht vollstreckbar (§ 120 Abs. 3 FamFG)

• Vergütungsanspruch nur bei besonderem Rechtsgrund -> Möglichkeiten:  Dienst-/Arbeitsvertrag (Über-/Unterordnungsverhältnis)  Gesellschaftsvertrag (Zweck über die Ehe hinaus erforderlich)  Familienrechtlicher Kooperationsvertrag (sui generis)  Arbeitsleistungen über § 1353 hinaus  Erbringung im Vertrauen auf Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft und Partizipation an Wertschöpfung  Ausgleichansprüche nach WGG bei Scheitern d. Ehe möglich  Bereicherungsansprüche i.d.R. (-), wg. Rechtsgrund

Haftungsmaßstab (§ 1359) • Beschränkung auf eigenübliche Sorgfalt -> Haftung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 277) • Beschränkung auf spezifisch eheliche Verpflichtungen  z.B. Haushaltsführung, etwaige Mitarbeitspflicht, Unterhaltspflicht, Geschäfte zur Deckung d. Lebensbedarfs  nach h.M. auch bei deliktischen Ansprüchen in unmittelbarem Zusammenhang mit der ehel. Lebensgemeinschaft  nach h.M. nicht im Straßenverkehr, wo sich Ehegatten wie beliebige Dritte gegenüberstehen (aber wg. Rücksichtnahmepflicht / stillschw. Haftungsverzicht keine Geltendmachung gegenüber Ehegatten bei einfacher Fahrlässigkeit)

Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357) – „Schlüsselgewalt“ • Lebensbedarf  alles was zur Führung des Haushalts erforderlich ist und zur Befriedigung der Bedürfnisse der Ehegatten und der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder (vgl. § 1360a Abs. 1)  z.B. Nahrungsmittel, Heizung, Kleidung, Telefon, Unterhaltung, Bücher, Arzt, Medikamente  nicht z.B. Aufwendungen aus der Berufssphäre, Vermögensbildung

• Angemessenheit  alle Geschäfte, die i.d.R. von einem Ehegatten zur Bedarfsdeckung ohne Konsultation des anderen Ehegatten selbstständig erledigt werden  nicht: Geschäfte größeren Umfangs, die aufgeschoben werden können  Maßstab: objektiv erkennbarer sozialer Standard des individuellen Haushalts

• aus den Umständen darf sich nichts anderes ergeben  ausdrückliche Erklärung nur für sich selbst oder Dritten kontrahieren zu wollen  Kosten übersteigen Eigenkommens- und Vermögensverhältnisse der Familie (unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit)

• Verbraucherschutzvorschriften (Haustürgeschäfte pp.) müssen nur in der Person des Handelnden erfüllt sein (h.M.) • keine Beschränkung oder Ausschluss (§ 1357 Abs. 2)

• keine Trennung (§ 1357 Abs. 3)  objektive Lage entscheidend  guter Glaube wird nicht geschützt

• Rechtsfolge: auch der nicht handelnde Ehepartner wird berechtigt und verpflichtet  Minderjährigenschutz geht vor (§§ 107 ff.), Minderjähriger kann den Ehepartner verpflichten (§ 165 analog), wird aber nicht selbst verpflichtet (h.M.)  Ehepartner sind Gesamtschuldner (Ausgleich im Innenverhältnis entspr. Verpflichtung zum Familienunterhalt)  str. ob Gesamtgläubigerschaft (§ 428) oder Mitgläubigerschaft (§ 432)  nach h.M. keine dingliche Wirkung aber „Geschäft für den, den es angeht“ möglich

Familienunterhalt (§ 1360 – 1360b) • Anspruch jedes Ehegatten gegen den anderen auf angemessenen Beitrag zum Familienunterhalt (§ 1360)  unabhängig von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit  Umfang: § 1360a Abs. 1

• Form  nach Ausgestaltung der Ehe (§ 1360a Abs. 1 Satz 1)  weniger Barunterhalt bedingt ein Mehr an Naturalunterhalt und umgekehrt  Taschengeldanspruch des haushaltsführenden Ehegatten iHv 5 – 7% des Nettoeinkommens (h.M., bedingt pfändbar)

Getrenntleben (§ 1361 – 1361b) • Trennungsunterhalt (§ 1361)  persönlicher Unterhaltsanspruch des getrennt lebenden, bedürftigen Ehegatten  Verweis auf Erwerbstätigkeit nur unter engen Voraussetzungen  Grundsatz der Halbteilung des bereinigten Nettoeinkommens (abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen u. 1/7 Erwerbstätigenbonus)

• Verteilung der Haushaltsgegenstände (§ 1361a) -> auch KfZ, wenn zur Haushaltsführung genutzt • Zuweisung der Ehewohnung (§ 1361b)

Gläubigerschutz • zu Gunsten der Gläubiger eines Ehepartners wird vermutet, dass die im Besitz eines oder beider Ehepartner befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören (§ 1362)  widerlegbar  nicht schuldender Ehegatte muss nur seinen Eigentumserwerb beweisen, nicht den Fortbestand

• Ergänzung durch § 739 ZPO -> nur der Schuldner gilt als Besitzer und Gewahrsamsinhaber (ermöglicht Vollstreckung) • keine analoge Anwendung auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft (h.M.)