Wie Versicherer ihre Produkte an die Pflege-Reform anpassen

Mission Pflege Wie Versicherer ihre Produkte an die Pflege-Reform anpassen In der gesetzlichen Pflegeversicherung gilt ab 2017 ein neuer Pflegebegrif...
Author: Herta Waldfogel
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Mission Pflege

Wie Versicherer ihre Produkte an die Pflege-Reform anpassen In der gesetzlichen Pflegeversicherung gilt ab 2017 ein neuer Pflegebegriff. Statt drei Pflegestufen gibt es dann fünf Pflegegrade. Wir haben Versicherer gefragt, wie sie ihre Pflegeprodukte an das neue Gesetz anpassen.

Einmal umkrempeln, bitte – das gilt zumindest für die gesetzliche Pflegeversicherung nach dem Jahreswechsel. Denn mit Inkrafttreten des zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) zum 1. Januar 2017 gilt dann ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff. Bisher wurde eine Pflegebedürftigkeit vor allem nach körperlichen Beeinträchtigungen bestimmt – was beispielsweise Demenzkranke benachteiligte. Das wird sich nun ändern. Denn der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff berücksichtigt alle Beeinträchtigungen – körperliche, kognitive und psychische. Die Gutachter des Medizinischen Dienstes beurteilen nun, wie selbstständig jemand in seinem Alltag noch handeln kann. Sechs verschiedene Bereiche spielen dabei eine Rolle: wie mobil jemand ist, wie gut jemand noch Dinge verstehen und kommunizieren kann, wie sich jemand verhält, ob sich Personen selbst versorgen können und auch in der Lage sind, Medikamente zu nehmen oder zum Arzt zu gehen, und schließlich, ob es noch gelingt, den Tagesablauf zu gestalten und mit anderen Menschen in Kontakt zu bleiben. Fünf Pflegegrade statt drei Pflegestufen Anhand dieser Messlatte stufen die Gutachter die pflegebedürftigen Personen dann in fünf Pflegegrade ein – die bisherigen drei Pflegestufen sind Geschichte. Wer bisher in eine Pflegestufe eingeordnet war, muss sich übrigens nicht neu begutachten lassen, es erfolgt eine automatische Einteilung in einen der Pflegegrade. Ein Beispiel: Wer bisher in Pflegestufe III eingeordnet war, wird nun dem vierten Pflegegrad zugeteilt. Für die vollstationäre Pflege gibt es dann vom Staat 1.775 Euro statt bisher 1.612 Euro.

Welche Folgen wird die Reform haben? Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass rund 500.000 Menschen nun als pflegebedürftig eingestuft werden, die es vorher per Definition nicht waren. Auch die Leistungen steigen tendenziell. Um das einigermaßen aufzufangen, müssen die Bundesbürger ab Januar 2017 höhere Beiträge zur Pflegepflichtversicherung zahlen. Um 0,2

Prozentpunkte geht es nach oben auf 2,55 Prozent des Bruttoeinkommens. Kinderlose müssen 2,8 Prozent abführen. Es bleiben Lücken Trotz aller Verbesserungen – wer glaubt, die gesetzliche Pflegeversicherung sei nun ein Vollkaskoschutz, irrt: „Auch nach dem Inkrafttreten der Pflegereform reicht die Pflegepflichtversicherung nicht aus, um die Kosten der Pflegebedürftigkeit zu decken. Private Absicherung bleibt not wendig“, sagt Marcel Röttgen, Leiter der Abteilung Produktmanagement Ergänzungsversicherung bei der Ergo. „Heute denken schon viele Menschen, dass die Pflegepflichtversicherung analog der Krankenversicherung alle Leistungen abdeckt. Dies ist aber nach wie vor nicht richtig.“ An diesem Glauben ist die Politik hierzulande nicht ganz unschuldig, findet Stefan M. Knoll, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Familienversicherung (DFV). Zwar sei es keinesfalls Sache des Staates, die vollständige Absicherung seiner Bürger zu übernehmen. „Das Schlimme ist jedoch, dass die Politik diese Realität nicht ausspricht und den Anschein erweckt, dass das PSG II vor Altersarmut und finanzieller Überbelastung schützt. Das tut es jedoch nicht.“ Ein Rechenbeispiel dafür liefert die Allianz: Knapp ein Drittel der Pflegebedürftigen lebt derzeit in einem Heim – eine teure Angelegenheit. 3.250 Euro im Monat kostet ein vollstationärer Pflegeheimplatz im Schnitt, in Großstädten teils deutlich mehr. Von diesen Kosten deckt die gesetzliche Pflegeversicherung – je nach Pflegestufe oder dann Pflegegrad – nur einen Teil ab. Derzeit sind das 1.612 Euro, in Härtefällen 1.995 Euro, nach der Reform bis zu 2.005 Euro. Für den Rest müssten der Betroffene oder seine Familie selbst aufkommen. Wie ändern sich angesichts dieser Umwälzungen aber nun die Produkte der Versicherer? Wir haben mal nachgefragt. „Unsere Pflegetagegeld-Tarife Pflegetagegeld Best und die geförderten Pflege-Bahr-Tarife werden mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung automatisch zum 1. Januar 2017 umgestellt“, heißt es bei der Allianz. Und weiter: „Das bedeutet, der Versicherungsschutz bemisst sich in Zukunft an den neuen fünf Pflegegraden.“ Wegen der höheren Leistungen wird es aber wohl auch zu höheren Beiträgen kommen. Die Allianz hat das für ihr Pflegetagegeld Best (Tarif PZTB03) mal überschlagen: „Die preislichen Auswirkungen im Neugeschäft sind sehr gering. So liegt die Anpassung der Neugeschäftsbeiträge in den Altersgruppen 30 bis 70 bei rund 2,0 bis 4,5 Prozent“, so eine Sprecherin. Pflegeprodukte werden teurer Auch die Hallesche rechnet tendenziell mit Beitragserhöhungen ab dem kommenden Jahr: „Die

Reform führt in der Summe zu einer höheren Leistung in der Pflegepflichtversicherung. Das liegt unter anderem daran, dass viele Menschen früher als bisher Leistungen erhalten werden. Das geht natürlich nicht beitragsneutral“, sagt Wiltrud Pekarek, Mitglied des Vorstands der Halleschen. Komplett neue Produkte will der Versicherer nicht anbieten. Alle Pflegetarife, deren Leistungen sich an der Einstufung in der Pflegepflichtversicherung ableiten, werden aber angepasst. Dabei werde man darauf achten, „dass die Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade für die Menschen nicht zu erheblichen Beitragserhöhungen führt“. Schutz wächst mit Die Ergo-Tochter DKV hat 2015 im Hinblick auf die Änderungen durch das zweite Pflegestärkungsgesetz einen neuen Tarif auf den Markt gebracht, der mit dem gesetzlichen Schutz sozusagen mitwächst. „Der Pflege-Verdoppler PZU100 verdoppelt die Leistungen der Pflegepflichtversicherung und passt sich so automatisch an die jetzige und an alle künftigen Pflegereformen an“, sagt Ergo-Mann Röttgen.

Nach dieser Bauart funktioniert auch die Deutschland-Pflege der Deutschen Familienversicherung (DFV). Auch hier lassen sich die staatlichen Leistungen verdoppeln oder verdreifachen. Anfang 2017 will man aber trotzdem ein neues Produkt auf den Markt bringen, meint der DFV-Vorstandsvorsitzende Stefan M. Knoll, hält sich mit Details aber noch bedeckt. Auch er weist dabei auf mögliche Preissteigerungen hin – aber nicht nur alleine wegen der tendenziell höheren Leistungen. „Auch die Pflegezusatzversicherung unterliegt der Zinsproblematik, weil auch hier die eingesammelten Kundengelder angelegt werden müssen“, meint er. Eine Reduzierung des einkalkulierten Zinssatzes um 0,5 Prozent würde eine Beitragssteigerung von rund 8 Prozent bedeuten, rechnet Knoll vor. Auf neue Tarife umstellbar Aus diesem Grund hält es Amar Banerjee, Mitglied der Geschäftsführung und Leiter der Versicherungsproduktion von Swiss Life Deutschland, für sinnvoll, noch in diesem Jahr aktiv zu werden. „Aktuell ist es sogar gleich doppelt sinnvoll, sich mit dem Abschluss einer selbstständigen Pflegeversicherung noch gute Konditionen zu sichern“, glaubt er. Hier gelte ganz klar: je früher der Abschluss, desto besser. Beim Swiss Life Pflege- & Vermögensschutz gebe es dafür die sogenannte Umstellungsoption. „Sie sorgt dafür, dass Kunden die Police ohne erneute Gesundheitsprüfung später auf einen neuen Tarif umstellen können, der die neuen gesetzlichen Gegebenheiten berücksichtigt.“

Für einen Abschluss in diesem Jahr sprechen noch weitere Gründe, findet Ulrike Apfeld vom auf die PKV spezialisierten Maklerpool Insuro. Sie glaubt, dass viele Versicherer das neue Gesetz tendenziell dazu nutzen werden, um mehr Krankheitsdiagnosen im Antrag abzufragen und Abfragezeiträume zu erweitern. „Viele potenzielle Kunden sind daher wahrscheinlich ab 2017 nicht mehr versicherbar“, sagt Apfeld. Höhere Beiträge von bis zu 6 Prozent jährlich Am 1. Januar 2017 würden die Kunden bei fast allen Versicherern außerdem ein Jahr älter. „Allein durch diesen Alterssprung steigt der Versicherungsbeitrag für jeden Kunden lebenslänglich um rund 4 bis 6 Prozent.“

Wann man optimalerweise eine Pflegeversicherung abschließen sollte, müssen Kunden mit ihrem Berater prüfen. Aber: Für Makler & Co. ist das nicht immer leicht. „Es ist oft ein schwieriges, weil hoch emotionales Thema“, sagt Banerjee. „Die wenigsten Menschen sind bereit, sich mit der eigenen Pflegebedürftigkeit frühzeitig auseinanderzusetzen, das kommt erst mit zunehmendem Alter.“ Ein Fehler, findet Walter Capellmann. Denn: „Pflege- und Trauerfall können auch in jungen Jahren infolge eines Unfalls oder einer schweren Krankheit eintreten“, so der Hauptbevollmächtigte der Monuta N. V. Niederlassung Deutschland. Insofern seien Pflege- und Trauerfall generationenübergreifende Themen, die heute Bestandteile jeder Beratung sein sollten. Riesiges Absatzpotenzial Wie gehen Berater hier aber am besten vor? Capellmann: „Viele wichtige Vorsorgethemen sind häufig nicht geklärt: Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, Sorgerechtsverfügung und eben die Vorsorge für Pflege und Trauerfall. Makler sollten ihre Kunden bei der Klärung dieser Fragen unterstützen und sich so als Vorsorgeexperte positionieren.“ Und das lohnt sich, meint DFV-Mann Knoll: „Gerade einmal 5 bis 7 Prozent der Deutschen haben eine private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen. Ein größeres Absatzpotenzial kennt keine andere Form der privaten Vorsorge.“

Dieser Artikel erschien am 19.09.2016 unter folgendem Link: http://www.dasinvestment.com/mission-pflege-wie-versicherer-ihre-produkte-an-die-pflege-reform-anpassen/

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