Wie trainiere ich richtig?*
Einleitung Bewegung ist ein Grundprinzip des menschlichen Lebens – unser Organismus kommt nämlich nie zur Ruhe: das Herz schlägt selbst im Schlaf ca. 60-‐80 Mal/min., das Blut strömt mit ca. 4m/sec, das Zwerchfell hebt und senkt sich 12-‐ 15 Mal/min. Bei Bewegung oder Sport steigern sich diese Schlagzahlen und es zeigt sich, dass uns die Evolution mit einem strapazierfähigen Organismus ausgestattet hat. Allerdings: Dieses Hochleistungssystem benötigt ständige Forderung und die Industrialisierung v.a. im letzten Jahrhundert hat dazu geführt, dass wir uns immer weniger Bewegen, den Körper immer weniger fordern. Vor 100 Jahren bewegte sich ein Bewohner der westlichen Welt ca. 10 km pro Tag zu Fuß, aktuell bewegt sich der durchschnittliche laut Bundestatistikamt noch ca. 700m am Tag, was man sicher so auch auf den Durchschnitts-‐Luxemburger, -‐Franzosen oder-‐Belgier, etc. übertragen kann. Wurden Anfang des 20. Jahrhunderts noch 90% der Wirtschaftsleistung durch Muskelkraft erbracht, so sind es heutzutage nur noch weniger als 1%. Diese körperliche Schonung hat zunächst in den USA, mit zunehmender Industrialisierung auch in Europa zum Anstieg u.a. von Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 und Herz-‐Kreislauferkrankungen geführt, in den sog. „Schwellenländern“ kann man derzeit dasselbe beobachten. Es ist heute schon klar, dass unsere Kinder vermutlich wieder eine geringere Lebenserwartung aus diesen Gründen haben werden. Das regelmäßige Bewegung und Sport die Gesundheit fördern, Krankheit verhindern und auch Bestandteil der medizinischen Therapie bei einer Vielzahl von Erkrankungen sind, ist mittlerweile unbestritten, da ausreichend belegt. Bevor ich damit (wieder) anfange, gilt es ein 10 Grundsätze zu berücksichtigen, die im Folgenden aufgeführt sind: Was ist vor dem 1. Training zu beachten? Anfängern und Wiedereinsteigern über 35 Jahren ist eine vorherige (sport-‐) medizinische Untersuchung anzuraten. Auch wer an Herz-‐Kreislauf-‐ Erkrankungen (z. B. hoher Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, Herzkranzgefäß-‐ Verkalkung, etc.,), Lungenerkrankungen, Übergewicht/Adipositas, Diabetes mellitus, Schilddrüsenkrankheiten leidet oder/und chronische Beschwerden des Bewegungsapparates, hier insbesondere der Wirbelsäule, leidet sollte ebenso wie Raucher vorher (sport-‐)ärztlich abgeklärt werden. Kinder sollten auf Belastbarkeit ihres Stütz-‐ & Bewegungsapparates untersucht werden. Auch gut trainierte Sportler über 40 Jahre sollten zumindest alle 2 Jahre einen solchen Check-‐up absolvieren.
Wie intensiv darf ich belasten? Training steigert nur dann die Leistungsfähigkeit, wenn ich an die jeweilige persönlichen Grenzen derselben gehe. Der Körper stellt sich auf die Belastungen ein und wird somit leistungsfähiger – in jedem Lebensalter! Anfänger sollten ihre Belastungen nur allmählich erhöhen. Ziel ist eine angenehme Erschöpfung -‐ nicht völlige Entkräftung. Gut trainierte Sportler können sich durchaus mehr zumuten bis hin zu Extrembelastungen (z.B. „Marathon des Sables“, „Badwater“, „Chamonix“ etc.), aber sollten dann in jedem Falle nach einer solchen Belastung eine der vorherigen Belastung angepassten Ruhe-‐Pause einlegen. Diese Pause ist wichtig, damit Körper regenerieren und sich auf neue Belastung mit angepasster Form (z. B. stärkerer Muskulatur) reagieren kann. Wie viel Zeit nimmt das Training in Anspruch? Wie lange und wie häufig ein Sportler trainieren sollte, hängt natürlich zuerst einmal von dem jeweiligen Fitness-‐Stand ab. Ein Anfänger profitiert bereits enorm von 1 Trainingseinheit in der Woche. Bald reicht dies natürlich nicht mehr aus. Erfahrungsgemäß ist dies nach einigen Wochen der Fall, so dass ab dann gilt: mehrere kürzere Einheiten pro Woche sind etwas effizienter, als weniger längere Einheiten (aus der „Weekend-‐ Warrior“-‐Studie). Wie ist mit Muskelproblemen umzugehen? Grundsätzlich unterscheidet man 3 Stadien: Muskelkater, -‐krämpfe und Muskelstrukturschäden unterschiedlichen Ausmaßes (Zerrungen bis Abriss). Muskelkater entsteht durch Mikroverletzungen im Gewebe nach intensiven und/oder ungewohnten Belastungen, verheilt ohne Schäden und wird durch Wärme und leichtes Ausdauertraining (Regenerationstraining, z.B. Rad) gelindert bzw. führt sogar zur Muskelwachstum. Muskelkrämpfe können während Belastung als auch in der Nacht auftreten. Entgegen der landläufigen Meinung, dass es sich ursächlich um Zeichen eines Magnesiummangels handelt (was nicht erwiesen ist), sind die Ursachen starke Ermüdung/Überforderung und/oder relatives Flüssigkeitsdefizit. Die Akutbehandlung besteht in kräftigem Dehnen und (Eigen-‐)Massage. Muskelzerrungen und –risse sollten zunächst nach der „POLICE“-‐Regel behandelt werden: Protection, Optimal Load, Ice, Elevation (Prof. Dr. Roald Bahl, Oslo Trauma Research Center in: IOC Manual Sports Injuries 2013). Eine (sport-‐ )medizinische Abklärung (z. B. durch eine Ultraschalluntersuchung) zur Etablierung einer adäquaten Therapie sollte gerade bei Spielsportarten mit Ligabetrieb oder bei Turnieren frühzeitig angestrebt werden. Weshalb sich Aufwärmen? Lockeres Laufen und gymnastische Übungen (z. B: FIFA 11+Programm) bereiten den Organismus auf die anstehende Belastung vor: Die Körpertemperatur steigt auf bis zu 38,5°C, die Durchblutung nimmt zu, Muskeln werden flexibler und die
Nervenübertragungsgeschwindigkeit steigt. Dies verhindert vor allem Verletzungen (Reduktion um bis zu 50% lt. Prof. Dr. Roald Bahl, Oslo Trauma Research Center auf dem IOC World Congress on Injury Prevention 2014) und steigert sogar die sportliche Leistungsfähigkeit! Aufwärmen sollte daher nicht als „notwendiges Übel“ betrachtet werden, sondern als integraler Trainingsbestandteil zur Verbesserung von Leistungen und Verhinderung von Verletzungen mit längerer Ausfallzeit, als das Aufwärmen in der gesamten Zeiteinheit in Anspruch nimmt Soll man sich Dehnen? Dehnen dient als lockeres Dehnen zur Erhöhung der Beweglichkeit des muskuloskeletalen Apparates vor dem Sport und ist daher gerade bei den Sportarten, die eine hohe Flexibilität erfordern (z. B. Turnen, Leichtathletik, Gewichtheben, Kampfsport, etc.) empfehlenswert, Intensives Dehnen („Stretching“) ist hier fehl am Platz, da hier das Ziel ist, die zuvor aufgebaute Muskelspannung wieder zu reduzieren, was zu diesem Zeitpunkt ja gerade nicht gewollt ist. Nach dem Sport dient das intensives Dehnen („Stretching“) dann der Reduktion der zuvor durch das Training aufgebauten muskulären Spannung und ist somit Bestandteil der Muskelpflege und verhindert so wohl auch Verletzungen. Ob nun „dynamisch“ oder „statisch“, wird ein in der Sportwissenschaft weiterhin teils kontrovers diskutiert. Auch zeigen aktuelle Daten, dass bzgl. Verletzungsprophylaxe Krafttraining wohl ähnlich effektiv ist. Sicher ist, dass es sinnvoll ist und das es überhaupt durchgeführt wird, da es ähnlich wie das Aufwärmen immer noch als notwendiges Übel, aber nicht als integraler Bestandteil eines Trainings betrachtet wird. Soll man sein Training überwachen? Die Überwachung und Dokumentation des Trainings ist in mehrfacher Hinsicht sinnvoll: Einmal zur (intrinsischen)Motivation, wenn man seinen Fortschritt mitverfolgt, man kann seine Belastungsintensität besser überwachen und steuern. Hierzu werden zum einen häufig sog. Pulsuhren benutzt, welche die Herzfrequenz und-‐variabilität messen und danach das Training steuern kann. Ist ein GPS integriert, kann ich zusätzlich die zurückgelegten Strecken dokumentieren und die aktuelle Geschwindigkeit bestimmen. Durch entsprechende Software ist somit eine recht komplexe Trainingsauswertung möglich und es erschließt sich die Möglichkeit, sein Training über soziale Netzwerke zu kommunizieren, was von einigen wiederum als motivierend angesehen wird. Die von manchem Hersteller benutzten Programme arbeiten lediglich mit Näherungen über die Parameter Grösse, Gewicht, Herzfrequenz und –variabilität und lassen eine Orientierung zu, die für die meisten Freizeitsportler ausreicht. Wer sein Training (z.B. bei Marathon-‐ oder Triathlonvorbereitung) genau über die Herzfrequenz steuern will, sollte eine professionelle Leistungsdiagnostik durchführen lassen, wie sie z. Bsp. durch Prof. Dr. Axel Urhausen in der Clinique d’Eich angeboten wird. Ein Trainingstagebuch kann auch Schäden durch zu hohe Belastung vorbeugen, in dem man diese rechtzeitig erkennt und entsprechend reduziert, respektive im Falle des Falles die Dokumentation auch dem (Sport-‐)Arzt vorlegen kann, damit dieser die Trainingsintensität als mögliche Ursache bei der Entstehung des
Problems besser einschätzen kann und die weitere Trainingssteuerung besser empfehlen kann. Ein bewährtes Instrument ist das von Prof. Dan Theisen und seinem Team der CRP-‐Santé entwickelte TIPPS, welches frei verfügbar als webbasiertes Trainingstagebuch zur Verfügung steht und von mir empfohlen wird: www.tipps.lu. Wie sinnvoll ist ein spezieller Speiseplan? Für manche überraschend möchte ich hier postulieren: es gibt eigentlich gar keine „sportgerechte“ Ernährung, es gibt nur eine (auch für den Nicht-‐Sportler) richtige Ernährung: Eine ausgewogene, an frischem Obst und Gemüse (5-‐a-‐day-‐ rule), Eiweißen und pflanzlichen und tierischen Fetten (Fleisch, Fisch, Nüsse, Hülsenfrüchte) reichhaltige Ernährung ist auch für den Sportler das Richtige. Ferner gilt es mit einem Vorteil aufzuräumen: Es gibt keinen durch Sport verstärkten absoluten Mangel an Nahrungsbestandteilen in Europa, es gibt relative Energiedefizite z. Bsp. im Ausdauersport, die durch entsprechende Flüssigkeits-‐ & Nahrungszufuhr auch ohne „Pülverchen“ kompensiert werden können („Nudelparty“ vorm Wettkampf), was darüberhinaus billiger und oft auch besser verträglich ist. Supplemente sind im Freizeitsport Unsinn, auch wenn der Marketing-‐Terror der einschlägigen Produzenten natürlich (aber nur aus monetären Gründen ohne jedwede echte wissenschaftliche Grundlage) das Gegenteil behaupten. Der Kohlenhydratanteil (= „Benzin“ des Sportlers) orientiert sich an der geplanten Belastung, d.h. bei intensiven Ausdauerbelastungen höher, in weniger intensiven Phasen sowie bei angestrebtem Gewichtsverlust geringer. Ein hoch-‐intensiv trainierender Kraftsportler benötigt nicht mehr als insgesamt 1,7 g Eiweiß pro kg Körpergewicht pro Tag, was unproblematisch über die Nahrung sicherzustellen ist. Eiweiß-‐Shakes sind Geldverschwendung, ein einfaches Glas Milch in der 1. halben Stunde nach dem Training genauso effektiv. Vitamine und Spurenelemente werden über Obst und Gemüse zugeführt und im Körper sogar besser „benutzt“, da sie dann aus ihrer natürlichen Matrix kommen. Übertriebene Zufuhr kann sogar negative Effekte auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben, wie es zum Bsp. für Vit. B12 und C (hier gerade im Ausdauerbereich) mittlerweile wissenschaftlich sauber bewiesen ist. Wie kann man abnehmen? Eigentlich ist es ganz einfach: wenn ich mehr Kalorien zu mir nehme, als ich verbrauche, nehme ich zu, wenn ich weniger Kalorien zuführe, als ich verbrauche, dann nehme ich ab. Entscheidend ist hier – noch vor dem Sport – die Umstellung der Essgewohnheiten. In der Regel ist die Ernährung in den westlichen Industrienationen hyperkalorisch, was über die Jahre zu einer deutlichen Zunahme des Anteils von Übergewichtigen/Fettleibigen in der Bevölkerung geführt hat, leider auch bereits zunehmend bei Kindern und Jugendlichen. Die Kalorienreduktion erfolgt vornehmlich über die Reduktion von einfachen Zuckern („Wasser ist auch ein Getränk“) und Kohlehydraten. Selbstverständlich gehört auch Bewegung/Sport zum Abnehmen, denn ich muss ja mehr Kalorien verbrauchen, als ich zu mir nehme. Um Abzunehmen sollte ich darüber ca. 2000 kal./Woche mehr verbrauchen, um das Gewicht nachher auch
zu halten sind mindestens 1500 kal./Woche erforderlich. Geeignet ist am besten eine Kombination von Ausdauertraining (z. B. Nordic Walking, Laufen, Rad etc.) und Krafttraining, idealerweise mit eine Langhantel (z. B. Gewichtheben, Cross Fit), da hier symmetrisch große Muskelgruppen bewegt werden und so der Kalorienverbrauch grösser ist. Fortgeschrittene können im Ausdauerbereich natürlich auf hoch-‐intensive Einheiten dazu nehmen (HIIT). Was tun bei Erkrankung? Wer krank ist, sollte zunächst gar keinen Sport treiben, insbesondere wenn Fieber vorliegt, um schwerwiegende Krankheiten wie z. Bsp. eine Herzmuskelentzündung zu verhindern. Bei Erkältungen und anderen Erkrankungen aus dem HNO-‐Bereich, Magen-‐Darm-‐Infekten sowie generell bei Entzündungen jedweder Art sollte eine mehrtägige Pause eingehaltern werden. Im Zweifelsfall immer Rücksprache mit dem (Sport-‐)Arzt, vor allem in besonderen Situationen wie z. Bsp. geplanter Marathon am Wochenende und Erkältung am Wochenanfang. * angelehnt an Knieps S. in GEO kompakt Nr. 43 , modifiziert durch Dr. Dominik Doerr