Wie schreibe ich Lerngeschichten?

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Author: Nicole Koenig
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Drei Beispiele für Lerngeschichten – zum Beitrag:

„Wie schreibe ich Lerngeschichten?“ V O N Gerlinde Ries-Schemainda

Lerngeschichte 1 Liebe Nora, seit einiger Zeit haben wir das Trapez-Legespiel in der Roten Gruppe stehen. Dir gefällt das Spiel. Du probierst immer wieder neue Muster aus.

FOTOS: Gerlinde Ries-Schemainda, Kita St. Sebastian, Eppertshausen

Nora mit zwei ihrer fertigen Trapez-Legemuster

Heute habe ich dir und Emilia beim Legen zugeschaut. Bevor ich kam, habt ihr schon eine Musterplatte zusammen ausgelegt. Dann habt ihr euch die Mustervorlagen angesehen und ein Muster ausgewählt, das ihr gemeinsam legen wolltet. Du hattest die Platte vor dir und hast dir die Vorlage sehr genau angesehen. Dann hast du dir den ersten gelben Stein genommen und hast zu legen begonnen, Stein für Stein. Emilia hat dir geholfen, indem sie Steine für dich aus der Kiste heraussuchte.

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Das Muster war knifflig und du hast sehr genau hinschauen und aufpassen müssen, dass du die Steine in der vorgegebenen Reihenfolge legst. Emilia hat zu dir gesagt: „Das ist anstrengend.“ Du hast wiederholt: „Das ist anstrengend.“ Trotzdem hast du weiter gearbeitet und gesagt: „Ich glaube, ich brauche gar keine Hilfe.“ Zu Emilia hast du dann gesagt: „Kannst du mir die Gelb holen? Oh, schon wieder gelb.“ Damit das Muster in der Platte nicht verrutscht ist, hast du die Steine immer wieder ganz dicht aneinander geschoben. Dabei warst du sehr vorsichtig. Du hast jeden Stein mit deiner Fingerspitze an den Stein geschoben, der darüber lag. Als Emilia sich einen Erzieherinnen-Stuhl holte, hast du mich gefragt, ob du dir auch einen holen kannst. Als ich „Ja“ gesagt habe, hast du ihn an den Tisch geschoben. Als du darauf gegessen bist, hast du fest gestellt: „Jetzt komme ich besser dran.“ Du hast die Kiste mit den Trapezsteinen gemeint. Emilia sagte: „Da oben auf dem Dach sind wir noch höher.“ Sie hat auf das Spielhäuschen im Garten gezeigt. Du hast ihr geantwortet: „Ja, oder auf dem Baum.“ Emilia hat weiter überlegt: „Oder auf dem Hochhaus.“ Du hast geantwortet: „Nein, auf dem Baum.“ Dann hast du an deinem Muster weiter gearbeitet. Auch als Franzi und Lea zu euch gekommen sind und zugeschaut haben, hast du dich nicht ablenken lassen. Du hast das Muster fertig legen wollen. Und du hast es auch geschafft. Ich habe dir nur einmal helfen müssen. Du hast dir eine schwierige Aufgabe vorgenommen und sie gelöst. Als du das Muster beendet hast, hast du dich sehr über das Ergebnis gefreut. Du hast gewollt, dass ich dich mit deinem Trapezmuster fotografiere. Emilia hat sich mit eurem ersten Muster dazugestellt – und so kannst du beide Musterplatten auf dem Foto sehen. Bestimmt fallen dir noch viele Ideen für das TrapezLegespiel ein. Ich wünsche dir, dass deine Lern- und Experimentierlust weiter anhält. Liebe Grüße, deine Gerlinde Eppertshausen, den 24.04.2017

Stolz, die selbst gestellte und „anstrengende“ Aufgabe gemeinsam gelöst zu haben: Emilia (li.) und Nora

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Lerngeschichte 2 Neo und Pascal die Architekten

Lieber Neo (6,1 J.), lieber Pascal (6,6 J.), heute bin ich am Turnraum vorbeigekommen. Ihr habt dort gebaut. Ich habe euch begrüßt und ihr habt mir voller Freude erklärt, dass ihr ein Wohnhaus baut. Ihr habt die großen Stoffbausteine benutzt und wolltet gerade eine Gymnastikmatte über das Bauwerk legen. Ihr seid konzentriert bei der Sache gewesen und hattet einen genauen Plan ausgearbeitet. Als ihr nun bemerkt habt, dass euer Haus schon so hoch ist und ihr die Matte nicht alleine auflegen könnt, habt ihr mich um Hilfe geboten. Zu dritt haben wir die sehr schwere Matte auf die Bausteine gehievt. Wir haben uns alle ganz schön anstrengen und viel Kraft aufbringen müssen. Als die Matte obenauf lag, habt ihr die Stabilität getestet. Schnell habt ihr bemerkt, dass alles noch etwas wackelig und instabil war. Ihr habt überlegt, was ihr tun könnt, doch ihr habt keine Lösung gefunden. Ich habe euch daraufhin den Tipp gegeben, das Bauwerk mit einer zweiten Matte zu stabilisieren. Die Idee habt ihr gut gefunden und so haben wir die zweite Matte mit vereinten Kräften auf die erste gehoben. Die obere Etage sollte euer Schlafzimmer sein. Über ein Probeliegen stelltet ihr fest, dass alles zu eurer Zufriedenheit gewesen ist. Wie ihr auf dem Foto sehen könnt.

FOTOS: Gerlinde Ries-Schemainda, Kita St. Sebastian, Eppertshausen

Hier lässt es sich gemütlich schlafen

Nach dem Ruhepäuschen entwickeltet ihr eine neue Idee. Neo, du sagtest: „Das ist der 10-Meter-Sprungturm und wir springen jetzt hinunter, Pascal“. Du, Pascal, hast dich auf Neos spontane Idee eingelassen, und der Garten wurde augenblicklich zum Schwimmbecken. Beide seid ihr von

Ein mutiger Sprung vom 10-Meter-Turm kindergarten heute  /  4_2018  www.kindergarten-heute.de

so hoch oben heruntergesprungen. Ihr seid sehr mutig gewesen. Pascal, nun hattest du einen Einfall: „Jetzt machen wir noch eine neue Idee. Wir bauen die Stühle in den Keller, wie bei euch“. Der Keller sollte ein „Partykeller“ werden. Gesagt, getan. Ihr habt Steine aus dem Keller heraus geräumt und die Stühle, die im Garten gestanden haben, wurden in den Keller hineingeräumt. Alles sollte schön gemütlich werden. Einen großen „Flachbildfernseher“ (quadratische Matte) habt ihr auch noch aufgestellt, denn ihr wolltet euch die EM-Fußballspiele im „Partykeller“ anschauen. Mit Genuss habe ich euch beim Bauen und Ideenfinden zugeschaut. Ich habe sehen können, wie konzentriert und mit welchem Körpereinsatz ihr eure Ideen umgesetzt habt. Bemerkenswert fand ich auch, dass ihr euer Haus ständig umgebaut habt und jeder von euch die Ideen vom anderen mit Freude annahm. So habt ihr euer Spiel immer weiterentwickeln können. Heute habt ihr zum ersten Mal ein Haus gebaut. Bisher habt ihr Höhlen in verschiedenen Varianten und Größen gebaut. Ihr seid richtige Architekten. Ihr wisst schon genau, wie ihr bauen müsst, um ein stabiles Haus zu konstruieren. Das finde ich bemerkenswert. Oben im Baubereich findet ihr Bücher, in denen spektakuläre Bauwerke abgebildet sind. Vielleicht bekommt ihr beim Anschauen ja noch mehr Einfälle. In Darmstadt steht auch ein ganz originelles, ein ungewöhnliches Haus: Das „Hundertwasserhaus“. Wenn ihr Lust habt, können wir es uns zusammen anschauen. Es sieht ein bisschen wie ein orientalisches Schloss aus. Ich wünsche euch auch weiterhin so vielfältige Ideen und weiterhin viel Freude beim gemeinsamen Bauen.

Weiterführende Literatur Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Hrsg.) (2008): Das Bildungsbuch. Dokumentieren im Dialog. Weimar, Berlin: verlag das netz. Leu, H. R. u. a. (2007): Bildungs- und Lerngeschichten. Bildungsprozesse in früher Kindheit beobachten, dokumentieren und unterstützen. Deutsches Jugendinstitut. 4. Auflage, Berlin: verlag das netz. Ries-Schemainda, G./Bicherl, K. (2015): 55 Fragen und Antworten. Beobachtung und Dokumentation in der Kita. Berlin: Cornelsen.

Liebe Grüße eure Gerlinde Eppertshausen, den 12.06.2012

Die beiden Jungs in Aktion

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Ein mehrstöckiges Wohnhaus ist entstanden

Austausch über den Hausbau

(Stärkung der lernmethodischen Kompetenz und des Spracherwerbs)

FOTOS: Gerlinde Ries-Schemainda, Kita St. Sebastian, Eppertshausen

GERLINDE: „Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Haus mit Keller, Wohnung, Schlafzimmer, Terrasse und Gartenstühlen zu bauen?“ NEO: „Zuerst wollten wir eine Höhle bauen und dann habe ich gesagt, wir wollen einen Doppelstock bauen.“ PASCAL: „Und dann war´s ein Haus.“ GERLINDE: „War es für euch schwierig, so ein großes Haus zu bauen?“ NEO: „Ja, wir mussten so lange bauen. So acht Minütchen. Wir haben es einmal ausprobiert und dann hat´s geklappt.“ PASCAL: „Jetzt habe ich noch eine neue Idee. Wir bauen die Stühle in den Keller, wie bei euch.“

Und dann ging das Bauen weiter …

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Lerngeschichte 3 Henri Fred weiß, was er will

Lieber Henri Fred (5,0 J.), du kennst unsere Wünschewand und weißt, dass du hier deine Wünsche anbringen kannst. Zweimal hast du in den letzten Wochen erleben können, dass deine Wünsche umgesetzt wurden.

tun müssen, damit du den Wunsch an die Wünschewand pinnen konntest. Du hast dir ein Blatt und Stifte genommen und los ging`s. Du hast den Wunsch aufgemalt. Zudem wolltest du ihn auch auf das Blatt schrei­ ben. Du hast mir den Text diktiert. Ich habe diesen auf ein extra Blatt geHenri Fred überträgt die Buchstaben schrieben und du hast ihn auf dein Blatt übertragen. Hier kannst du sehen, wie genau du dir die Buchstaben angeschaut und Buchstabe für Buchstabe auf das Blatt geschrieben hast. Das ist dir sehr gut gelungen und du hast keine Hilfe von mir benötigt.

FOTOS: Gerlinde Ries-Schemainda, Kita St. Sebastian, Eppertshausen

Freds Start im Parcours

Als erstes hast du dir einen Lightning McQueenParcours gewünscht. Du hast alles mit Tanja vorbereitet und dann hast du den Kindern der Roten Gruppe gezeigt, wie sie den Parcours bewältigen sollten. Alle hatten viel Spaß. Du auch. Kannst du dich noch daran erinnern? Als nächstes hst du dir ein Bilderbuchkino gewünscht. Weil du keinen speziellen Bücherwunsch gehabt hast, wählten wir das Buch „Wo die wilden Kerle wohnen“ von Maurice Sendac aus. Jetzt hängt wieder ein Wunsch von dir an der Wünschewand. Ich konnte zuschauen, als du den Wunsch aufmaltest. Du wusstest genau, was du gewollt hast. Zuerst hast du dir gewünscht, noch mehr Videosequenzen meines Safari-Urlaubs anzuschauen. Nach kurzem Nachdenken hast du eine andere Entscheidung getroffen. Du hast dir einen Hallenbadbesuch mit den Kindern der Roten Gruppe gewünscht. Du weißt, wie das Wünschen geht. Auf den Fotos kannst du noch einmal sehen, was du hast

Der aufgemalte Wunsch

Du hast dich auch nicht davon ablenken lassen, als die anderen Kinder zum Spielen in den Garten gingen. Dir war es sehr wichtig, deinen Wunsch aufzumalen. Als du alles geschafft hattest, hast du deinen Zettel an der Wünschewand befestigt. Ich freue mich schon auf den Schwimmbadbesuch mit dir und grüße dich, deine Gerlinde Eppertshausen, den 03. Mai 2017

Henri Fred bringt seinen Wunsch an die Wünschewand an kindergarten heute  /  4_2018  www.kindergarten-heute.de

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