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# 2004/14 Dossier https://jungle.world/index.php/artikel/2004/14/wie-schnaps-entsteht Wie Schnaps entsteht Von bettina malle und helge schmickl Eine ...
Author: Artur Baumann
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# 2004/14 Dossier https://jungle.world/index.php/artikel/2004/14/wie-schnaps-entsteht

Wie Schnaps entsteht Von bettina malle und helge schmickl Eine kurze Einführung von Bettina Malle und Helge Schmickl Die Herstellung einer Maische ist die Grundlage, um selbst Alkohol zu erzeugen. Was bei diesem Vorgang genau passiert und wie es für den Hobbybrenner machbar ist, werden wir hier erklären. (Wenn über Alkohol ohne nähere Bezeichnung gesprochen wird, so ist im Allgemeinen immer der so genannte Trinkalkohol gemeint. In der Chemie heißt er Ethylalkohol oder Ethanol.) Obst, Beeren oder Kräuter, die Grundsubstanzen unserer Maische, bestehen aus Wasser, (Frucht-)Zucker, Geschmacksstoffen und Aromen (ätherische Öle), Vitaminen und Spurenelementen sowie aus festen, holzigen Bestandteilen (Kerne, Schalen). Wie kann aus Obst Alkohol entstehen? Ganz einfach: mit Hefe! Sie frisst den Zucker in der Frucht auf und scheidet anschließend Alkohol aus. Der Zucker wird durch die Hefe in Ethanol und Kohlendioxid (CO2) zersetzt, dabei entsteht Wärme. Das CO2 ist auch der Grund, warum es im Maischefass schäumt und blubbert. Daher darf das Fass auch nie dicht verschlossen werden, es würde platzen. Prinzipiell können alle Obstsorten, Beeren und Wurzeln, soweit nicht giftig, vergoren werden. Vorbereitung des Obstes Bei der Zubereitung der Maische muss man Sie sauber und genau arbeiten. Die Maische ist das Fundament für das Destillat. Auch eine noch so teure Anlage kann aus einer schlechten Maische keinen guten Schnaps machen. Nach der Ernte sollten Sie Ihr Obst sofort verarbeiten. Ist das nicht möglich, können Sie es einfrieren. Verwenden Sie vorzugsweise vollreifes weiches Obst, da es den maximalen Aromagehalt aufweist. Der erste Schritt bei der Maischevorbereitung ist das sorgfältige Waschen des Obstes (außer bei Holunderblüten und roten Johannisbeeren). Nach dem Waschen müssen Sie verfaulte Früchte aussortieren und die übrigen von Stängeln, Blättern und faulen Stellen befreien. Wenn das Obst gesäubert ist, müssen Sie es zerkleinern, um die Vergärung zu erleichtern. Vorsicht bei Steinobst wie Pflaumen, Zwetschgen, Marillen, Kirschen usw. Die Kerne dürfen keinesfalls beschädigt werden, weil sonst Amygdalin frei wird, und aus diesem entsteht die giftige Blausäure. Zum Zerkleinern gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Wenn es sich um eine geringe

Menge und weiche Beeren handelt, verwenden Sie die »Flotte Lotte« oder einen Kartoffelstampfer. Ideal für harte Knollen, Kartoffeln, Quitten oder Karotten, allerdings nur in kleinen Mengen, ist der Entsafter. Größere Mengen an Äpfeln, Birnen und vor allem Quitten lassen sich gut mit dem Gartenhäcksler oder mit Obstmühlen zerkleinern. Diese Geräte eignen sich allerdings nicht für Kernobst. Am besten aber haben sich für uns Gummistiefel und eine große Wanne erwiesen. Das Obst kommt 10 bis 15 cm hoch in eine Plastikwanne und es wird mit sauberen Gummistiefeln auf das Obst eingestampft. Mit dieser Methode werden bei Zwetschgen, Marillen oder Kirschen keine Kerne zerstört und dennoch können ausreichende Mengen verarbeitet werden (ca. 80 Liter Brei in einer Stunde). Inzwischen zerstampfen wir auch Birnen und Äpfel auf diese Weise, weil es am einfachsten und effektivsten für Ansätze bis ca. 50 Liter ist. Egal, welche Methode Sie bevorzugen, wichtig ist nur, dass das Fruchtfleisch weitgehend zu einem Brei verarbeitet wird und bei Steinobst die Kerne nicht beschädigt werden. Die Gärung Als Gärbehälter können Sie alle Gefäße aus Kunststoff, Glas, Edelstahl, Holz o.ä. verwenden, die eine große Öffnung haben. Außer dem dicht verschließbaren Gefäß brauchen Sie einen Stopfen mit Bohrung und einen Gärspund. Sie bringen am Behälterdeckel eine Bohrung an, sodass der Stopfen genau hineinpasst, und stecken in den Stopfen einen Gärspund, durch den das CO2 entweichen kann. Füllen Sie den Fruchtbrei ins Maischefass und spülen Sie das Geschirr, mit dem Sie das Obst zerkleinert haben, sodass nichts verloren geht. Dieses Wasser können Sie auch ins Maischefass geben, weitere Wasserzugabe ist nicht erforderlich. Bei der einfachsten Art der Maischeherstellung wird der Fruchtbrei im Gärfass einfach stehen gelassen, oft sogar ohne Gärspund. Die Ausbeute dieser Methode ist jedoch gering. Um sie zu erhöhen, empfiehlt es sich, Reinzuchthefe und so genannte Hefenährsalze zuzugeben, die auch als Fertigmischungen erhältlich sind. Hefe kann nur in einem bestimmten Temperaturbereich optimal gedeihen. Die Wunschtemperatur für die Gärung liegt zwischen 17 und 27 Grad Celsius. Außerdem brauchen Sie Messstäbchen zur pH-Wert-Kontrolle, der ideale pH-Wert beträgt 3,5. Da die Maische oft zu wenig sauer ist, müssen Sie eventuell Zitronensäure, Milchsäure oder Fruchtsäurekonzentrat hinzufügen, und da sie gelegentlich zu fest wird, vielleicht noch einen Verflüssiger. Damit wäre eine hochqualitative Maische fertig. Die Alkoholausbeute kann durch die Verwendung spezieller Hefe wie der Turbohefe oder der Sherryhefe sowie durch die Beigabe von Zucker noch enorm erhöht werden. In diesem Fall spricht man von einer hochprozentigen Maische. Um eine ideale Vergärung der Maische zu erreichen, ist es notwendig, den Gärverlauf genau zu kontrollieren. Anfangs sollten Sie darauf achten, dass das Gärfass höchstens zu drei Vierteln gefüllt ist. Täglich sollten Sie nachschauen, ob der Gärspund noch blubbert, die Raumtemperatur noch stimmt und ob der Geschmack in Ordnung ist. Schimmel und Fehlgärungen führen zu einem Geschmack nach Essig oder nach faulem Obst. Bei

hochgärigen Maischen müssen Sie zusätzlich auf die Süße der Maische achten. Schmeckt die Maische herb und trocken, geben Sie sofort Zucker zu. Alle vier bis fünf Tage empfiehlt es sich, die Maische kräftig umzurühren. Drücken Sie den Fruchtkuchen, der sich oben im Gefäß bildet, kräftig nach unten und vermischen Sie ihn gut mit der Flüssigkeit. Den Alkoholgehalt der Maische überprüfen Sie wöchentlich mit einem Vinometer, auch der pH-Wert wird einmal pro Woche kontrolliert. Die Gärung ist zu Ende, wenn der Gärspund nicht mehr blubbert, die Maische nicht mehr schäumt, die Vinometermessung den gewünschten Alkoholgehalt anzeigt, der Fruchtkuchen nicht mehr vorhanden ist, die Maische also aus einer klaren, weinartigen Lösung besteht, die herb schmeckt. Brennanlagen Jede noch so komplizierte Anlage funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Eine Mischung aus Alkohol und Wasser (Maische, Wein, Rohbrand etc.) wird zum Kochen gebracht. Dadurch entsteht Dampf, der auch eine Alkohol-Wasserdampf-Mischung ist, allerdings ist der Alkoholgehalt (Vol.%) darin größer als in der Flüssigkeit. Wird dieser Dampf anschließend abgekühlt, geht er wieder in die flüssige Form über, er kondensiert. Aber diesmal hat die Flüssigkeit – auch Kondensat, Destillat, Brand oder Schnaps genannt – einen viel höheren Alkoholgehalt als vorher. Den Topf mit der kochenden Flüssigkeit nennt man Kessel, die aufsteigende Dampfleitung Steigrohr, die abfallende Dampfleitung Geistrohr und das Gerät zum Abkühlen des Dampfes Kühler oder Kondensator. Die Kunst besteht darin, so viele Fruchtaromastoffe wie möglich über den Dampf ins Destillat zu bringen. Vielleicht besitzen Sie schon eine Anlage, ohne es zu wissen. Diese Variante nutzt Geschirr, wie es in nahezu jeder Küche zu finden ist. Profis mögen darüber ein wenig abfällig lächeln, dabei vergessen die meisten aber, dass die Qualität eines Destillates nicht vom Kaufpreis der Anlage und der Ausstattung, sondern fast ausschließlich von der Qualität der Maische abhängt. Als Kessel dient ein großer Kochtopf. In diesem Topf befindet sich ein metallisches Nudelsieb und eine möglichst große Tasse (nicht aus Kunststoff) in der Mitte des Siebes. Sie ist das Auffanggefäß für das Destillat. Ein Wok als Kühler schließt das Ganze oben ab. Zuerst füllen Sie die Maische in den Topf, wobei das Sieb schon im Topf sein sollte. Dann gelangt nur Maischeflüssigkeit an den Topfboden und nichts brennt an. Statt Maische kann auch Wein oder ein anderer geschmacksneutraler Alkohol eingefüllt werden; auf das Nudelsieb legen Sie in diesem Fall rund um die Tasse Himbeeren oder andere Früchte bzw. Kräuter. Jetzt fehlt noch der Kühler. Da sich das Destillat-Sammelgefäß in der Mitte im Topfinneren befindet, soll der Kühler das Destillat nur in den Topf zurückleiten. Dazu eignet sich ausgezeichnet ein Wok oder eine große Teigschüssel. Wichtig beim Wok ist, dass er am Boden keine gerade Fläche hat, sondern abgerundet in der Mitte zusammenläuft. Denn am tiefsten Punkt sammelt sich auf der Unterseite das Destillat und tropft in die darunter

stehende Tasse. Der Wok muss noch mit Kühlwasser (kaltes Wasser, am besten mit Eiswürfeln vermischt) gefüllt werden, und Sie können den ersten Versuch starten. Achten Sie darauf, das Kühlwasser immer wieder zu wechseln, spätestens wenn es heiß ist. Für die Geistherstellung eignet sich diese Methode hervorragend, weil dabei kein Vorlauf anfällt. Auf Guanaja, einer winzigen karibischen Insel vor Honduras, haben wir mit dieser Variante einen ausgezeichneten Limettengeist hergestellt: 1,5 Liter 40 Vol.% weißer Rum wurden mit 1,5 Liter Wasser verdünnt, somit waren 3 Liter 20 Vol.% Alkohol die Grundlage. Das Sieb war mit 1 bis 1,5 kg kleinen Limettenspalten gefüllt, destilliert wurde bei mittlerer Flamme. Nach 20 bis 30 Minuten war die Tasse voll und nach dem Auswechseln der Tasse und weiteren 20 bis 30 Minuten hatten wir insgesamt einen Liter sehr milden Geist mit deutlichem Limettenaroma. Der Alkoholgehalt betrug etwa 40 bis 45 Vol.%. Die Kochtopf-Variante sollte für Ihre ersten Testversuche genügen. Wenn Sie das Destillieren aber ernsthaft betreiben möchten, so ist unbedingt eine professionelle Anlage erforderlich. Brennen Ethanol und Wasser können nur deshalb destillativ voneinander getrennt werden, weil sie unterschiedliche Siedepunkte haben. Ethanol siedet bei 78,5 °C und Wasser bei 100 °C. Das heißt, wird ein Wassertopf bei einem Bar Luftdruck (Meereshöhe) auf den Herd gestellt, steigt die Wassertemperatur so lange, bis 100 °C erreicht sind. Dann beginnt das Wasser zu kochen, die Temperatur steigt nicht weiter an. Erst wenn das ganze Wasser verdampft ist, steigt die Topftemperatur weiter an. Das Gleiche, nur bei 78,5 °C, passiert beim Ethanol. Wird ein Ethanol-Wasser-Gemisch erhitzt, beginnt es nicht – wie reines Ethanol – bei 78,5 °C zu kochen, sondern erst bei einer höheren Temperatur. Die Mischung hat, wie eine reine Flüssigkeit, eine eigene fixe Siedetemperatur, die irgendwo zwischen 78,5 und 100 °C liegt, je nachdem, ob mehr Wasser oder Alkohol vorhanden ist. Das heißt, die Siedetemperatur/Dampftemperatur ist abhängig vom Alkoholgehalt. Diesen Zusammenhang nutzt z.B. das Ebulliometer. Mit diesem Messgerät wird der Alkoholgehalt von Getränken aufgrund der Siedetemperatur bestimmt. Leider ist dieses Messgerät ziemlich teuer. Einen Unterschied zum Verhalten von reinen Flüssigkeiten gibt es beim Alkohol-WasserGemisch aber schon. Der Alkoholgehalt ist in der Regel im Dampf nicht derselbe wie in der kochenden Alkohol-Wasser-Mischung. Das niedriger siedende Ethanol reichert sich im Dampf an, das heißt, auch der Dampf ist eine Mischung, allerdings mit einem höheren Alkoholgehalt. Genau diesen Effekt nutzen wir beim Schnapsbrennen. Wird der Dampf wieder abgekühlt, hat das Kondensat (der Schnaps) einen höheren Alkoholgehalt als das, was im Kessel ursprünglich vorhanden war. Dies funktioniert bis 96 Vol.%, dann ist der Alkoholgehalt im Dampf derselbe wie in der Flüssigkeit, d.h. eine weitere destillative Trennung ist unmöglich. Das Destillieren der Maische hat den Zweck, die Fruchtaromen und den Alkohol vom Rest abzuscheiden, wodurch der Alkohol aufkonzentriert wird. Dabei entstehen Vorlauf,

Edelbrand und Nachlauf. Der Vorlauf ist das erste, was beim Destillieren heraustropft, da er die geringste Dampftemperatur hat. Vorlauf entsteht durch Fehlgärungen. Die Gründe dafür sind faules Obst oder Bakterien aus der Luft, die unerwünschte Gärprodukte wie z.B. Acetaldehyd, Ethylacetat, Butanol, Aceton, Essigsäure, Buttersäure, Hexanol usw. produzieren. Den Vorlauf können Sie allenfalls zum Einreiben (Franzbranntwein) oder zum Fensterputzen verwenden. Der Edelbrand enthält den gewünschten Alkohol, also Ethanol mit Fruchtaromen. Bei hochgradigen, sauberen Maischen ist der Edelbrand das bei weitem größte Produkt. Der Alkoholgehalt liegt bei ca. 50 Vol.% oder darüber, je nachdem, wie hoch der Alkoholgehalt im Kessel ursprünglich war. Der Nachlauf ist nicht giftig, er entsteht aus Produkten, die sich durch das lange Kochen einfach zersetzt haben. Das ist auch der Grund, warum wir diesen Anteil zu geschmacklosem Alkohol weiterverarbeiten können, welcher sich ausgezeichnet zum Ansetzen eignet. Der Alkoholgehalt ist gering, er liegt bei 20 bis 30 Vol.%. Der Edelbrand lässt sich leicht vom Vor- und Nachlauf trennen, wenn Sie beim Destillieren ein Thermometer verwenden. Wenn nach der Phase des Aufheizens die Temperatur zwischen 80 und 90 °C annähernd konstant bleibt, tropft der Edelbrand. Alles, was unter 80 und über 91 °C aus dem Kühler kommt, gehört zum Vor- oder zum Nachlauf. Einige Flüssigkeiten wie Bananenmaische oder Bier neigen stark dazu, beim Aufkochen zu schäumen. Sobald im Kessel etwas übergeht, ist die Destillation sofort zu beenden und die Anlage zu reinigen, da die Situation gefährlich werden kann. Antischaum, eine Art Silikonöl, verhindert die Schaumbildung. Der gewonnene Edelbrand hat mehr als Trinkstärke, daher ist es notwendig, ihn zu verdünnen. Zur Bestimmung des Alkoholgrades verwenden Sie ein Aräometer und einen Messzylinder. Nach der Messung muss berechnet werden, wie viel Wasser zuzugeben ist, um den gewünschten Alkoholgrad zu erreichen. Spirituosen haben im Allgemeinen einen Gehalt zwischen 40 und 45 Vol.%. Darunter schmeckt es fade, darüber werden die Geschmacksnerven der Zunge betäubt. Die fehlende Wassermenge lässt sich mit der nebenstehenden Formel berechnen. Verwenden Sie am besten destilliertes Wasser, das die gleiche Temperatur wie das Destillat hat, um Trübungen zu vermeiden. Lagerung Hochprozentige Destillate sollten Sie ausschließlich in Glasgefäßen lagern. Nehmen Sie keinesfalls Kunststoff, denn der Alkohol würde Weichmacher und andere Chemikalien mit der Zeit herauslösen, was gesundheitsschädlich ist. Sie können die Destillate in Glasgefäßen problemlos sehr lange lagern. Das Destillat wird erst nach einer gewissen Standzeit an der Luft wirklich erstklassig. Hierfür werden die Flaschen mit Watte verschlossen und zwei bis drei Wochen stehen gelassen, danach sollten sich etwaige scharfe »Spitzen« im Aroma verflüchtigen, der Geschmack sollte »runder« werden.

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