Wie EcoSolidar in Bolivien hilft

Wie EcoSolidar in Bolivien hilft Ein Bericht der Internationalen Forschungsstelle über Kinderarbeit (IREWOC = International Research on Working Childr...
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Wie EcoSolidar in Bolivien hilft Ein Bericht der Internationalen Forschungsstelle über Kinderarbeit (IREWOC = International Research on Working Children) erzählt über die Praxis von NGO’s (oder besser: von Orgs) in Bolivien mit „Strassenkindern“. Dabei wird auch das Zürcher Hilfswerk EcoSolidar mehrfach erwähnt. Weil EcoSolidar selber nur sehr knapp über ihre konkreten Einsätze in Bolivien berichtet, werden hier die entsprechenden Passagen aus dem Bericht zitiert. Das Quellenmaterial kann einerseits eine Debatte auslösen, während es andererseits einige Leser unangenehm berühren kann. Die Studie wurde im Rahmen eines vor Ort sorgfältig geplanten dreimonatigen Aufenthalts erstellt. Deren Ergebnisse schmeicheln den Orgs nicht allzu sehr. Ähnliche Berichte hat das Irewoc auch über Peru, Indien, Kenya, Äthiopien, Ruanda und Senegal erstellt. EcoSolidar unterhält nach eigenen Angaben auch Hilfswerke in Peru und Indien. Im englisch-sprachigen Bericht des Irewoc wird zuerst die Vorgehensweise erklärt. Es werden auch die Stellungnahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO, The International Labour Organisation) sowie der UNO Kinderrechts-Konvention (UN Child Rights Convention) zitiert und später mit der Realität der durch Orgs betreuten „Strassenkinder“ verglichen. Die ILO z.B. verbietet Kinderarbeit unter 12 generell, erlaubt aber Kinderarbeit „light“ zwischen 13–14 Jahren, und verbietet Schwer- und Schwerstarbeit, wie z.B. in Steinbrüchen, bis zum 18. Lebensjahr. Die zentrale Fragestellung des Berichts lautete: Wie sind Kinder-Arbeiter in Bolivien organisiert? –Welche Änderungen/Verbesserungen ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen haben die hier im Fokus stehenden Orgs für die von ihnen betreuten Kinder-Arbeiter bisher erreicht? Die Antworten darauf fielen nicht immer sehr ermutigend aus. Zuerst eine kleine Einstimmung auf Bolivien. Die ersten Orgs in Kolumbien starteten in den 60er Jahren und waren durch die katholische Kirche inspiriert. Damals wurden in Brasilien, Bolivien und Argentinien Militärdiktaturen mit Hilfe der USA erstellt, um die Oligarchien zu stärken. Dadurch wurde der Arbeitszwang auch für Kinder und Heranwachsende drastisch erhöht, die Länder wurden durch US-Multis auf möglichst tiefpreisige Exporte getrimmt. Immer mehr Kinder wanderten in die Bergbau-Minen ab, um dort Schwerstarbeit gegen knappes Geld zu verrichten. Diese und ähnliche Bilder gingen um die Welt und führten viele der aktuell tätigen Hilfswerke herbei. Kolumbien wird von einer aristokratischen Kaste regiert, die sich autoritär durchzusetzen weiss. In der grossen Unterschicht ist Armut deshalb Programm: Landarbeiter, Bauern, Arbeiter, Bedienstete; vielfältige Zusammensetzung: Indianer, Weisse, Schwarze, Mestizen, Mulatten, Zambos. Zentralistischer Staatsaufbau; Grundlage der Regierung sind Armee und Beamtentum; erst später entstanden Parteien, deren Effizienz ist sehr eingeschränkt; Anfälligkeit für autoritäre, häufig diktatorische Systeme. System der Hacienda = autarker Verband auf lokaler Ebene; der hacendado besitzt fast unumschränkte Macht. Rückständige Landwirtschaft: Viele Kleinstbetriebe = Selbstversorger und vor allem Latifundien, die Agrarprodukte für den Export herstellen. Die heutigen Hilfsorganisationen in Bolivien operieren – gemäss diesem Bericht – auf einem schmalen Grat zwischen „Verbesserung der Lebensbedingungen“ und „Kooperation an der

Ausbeutung“. Dass sich die ärmlichen Lebensbedingungen auch in teils krasser Ausbeutung von Kindern und Heranwachsenden auswirken, zieht viele „westliche“ Hilfswerke in deren Bann. Wer sich in der englischen Quelle gut einlesen kann und dies mit der offiziellen Spenden-Werbung der Orgs bei uns vergleicht, wundert sich über die ganz anderen Bilder zu den „Strassenkindern“ aus diesem Bericht: http://www.childlabour.net/documents/unionsproject/Unions_Bolivia_2007.pdf

Die von Hilfswerken gestreuten Zahlen zu den „Kindersoldaten der Arbeit“ in Bolivien differieren sehr stark: sie schwanken im Bergbau z.B. zwischen 1„250 Kindern (Unicef), 13„500 (ILO) und 120„000 (Human Rights Watch Magazine). In der Landwirtschaft (Export-orientiert, Anwendung brutalster Pestizide) spricht Unicef von 97„370 „poor children workers“, was ca. 37.5% aller Kinderarbeiter in Kolumbien ausmacht. Unicef spricht von 16„000 „Strassenkindern“ im Alter zwischen 7 und 13, und von 23„000, die 14jährig sind und mehr. In der Gegend von Santa Cruz schneiden Tausende von Kindern Zuckerrohr mit der Machete und leiden vielfach unter Infektionen und Schlangenbissen, sowie an Verletzungen, hervorgerufen durch fehlende Schutzkleidung und grobes Handwerkszeug. Der Bericht handelt von Orgs, die von sich behaupten, sie seien nur auf Antrieb und im Sinne der zur Arbeit gezwungenen Kinder wohltätig, ja sie gehörten den „Strassenkindern“ sogar selbst. Dieser Typus von Org ist in Lateinamerika weit verbreitet und reklamiert für sich humanitäre Ziele. Solche Orgs grenzen sich sowohl von klassischen NGOs (wie z.B. Helvetas, Rotes Kreuz etc.), wie auch von den lokal operierenden Gewerkschaften stark ab. Die Orgs halten sich zwecks eigener Legitimation eine Schirm-Org namens „Union de Ninos, Ninas y Adolecentes Trabajadores de Bolivia“ (Union of Bolivian Working Children and Adolescents, UNATsBO). Die Verbindungen sind bezüglich Effizienz und Organisationsgrad sehr lose und bestehen vor allem auf dem Papier. Der Originalbericht umfasst Untersuchungen und Beobachtungen zu folgenden Orgs: ENDA Bolivia, Wiphala, O‟qarikuna, EcoSolidar, Mi Casa, Solitarios and Sagrados Corazones. Aus Schweizer Sicht interessiert vor allem die Org „EcoSolidar“ aus Zürich. Dabei werden nachfolgend auch augenfällige Differenzen zwischen ihrem Auftreten in der Schweiz und ihrer tatsächlichen Praxis in Kolumbien aufgezeigt. Um den Kontrast zwischen Selbstdarstellung und Fremdsicht darzustellen, werden nachfolgend einige Opferspenden-Aufrufe zugunsten von EcoSolidar in den Bericht eingestreut, die in Kirchen- und Amtsblättern in letzter Zeit publiziert wurden. Es fiel dem Autor nicht leicht, an die tatsächlichen Lebensumstände der Chicos, der „Strassenkinder“ heranzukommen, er wurde durch die jeweiligen Collaborados (Mittler zu den Orgs) argwöhnisch beäugt. Streng hierarchische Strukturen ermöglichten die Kontakte erst, als sich auch der „westliche“ Verbindungsmann der Org mit dem Besuch arrangieren konnte. Durch vielerlei Gespräche und Kontakte gelang es ihm schliesslich, Vertrauen aufzubauen. Die Frage, die sich stellte, war: Was veranlassen diese Orgs in der Region von La Paz und von El Alto wirklich, und was tun sie gegen die bei uns so verpönte Kinderarbeit konkret vor Ort? Die Orgs heben als ihr eigenes Label gerne eine starke „Partizipation der Kinder“ hervor. Ohne die Erteilung von Sonderprivilegien und Extra-Posten geht in der Praxis aber nicht viel. Dies hat auch mit einer ganz anderen Kultur in Lateinamerika zu tun, die stark zu unserer eigenen kontrastiert. Die meist kärglichen Lebensbedingungen tragen ein Wesentliches dazu bei: In Armut lässt sich Demokratie und Gleichheit nicht so leicht und locker spielen wie bei uns in der Sonntagskirche. Respekt und Gleichheit gibt es nur unter Privilegierten. Alles was „darunter“ kreucht und fleucht, hat sich klarerweise zu fügen. Dass auch die hier untersuchten Orgs eine „westlich“ inspirierte Zukunft herbeizuführen vorgeben, ist Teil eines offensichtlich global unterhaltenen Spenden-Perpetuums.

Ein führendes Mitglied der UNATsBO sagt es so: “It is strange that the organisations state they want to stimulate the participation and initiative of the children, because they don’t practise it in their own organisation. It is still the adults that have to give permission for everything the children do”. Auf gut Deutsch: „Es ist jenseits, dass die Orgs vorgeben, sie wollten die Mitbeteiligung und Eigeninitiative der Kinder stärken, und gleichzeitig sieht man überhaupt nichts davon. Es ist vielmehr so, dass die Kinder gar rein nichts zu bestellen haben ohne ausdrückliche Erlaubnis der Org.“ Die Verhältnisse und Lebensbedingungen z.B. in La Paz, der Hauptstadt Boliviens, in dessen Umgebung EcoSolidar eine Behausung für „Kinder der Strasse“ unterhält, sind wie überall in der 3. Welt oder in Entwicklungsgebieten: Kinder werden innerhalb des Familienverbundes von klein auf zur Mitarbeit getrimmt, auf ihren Anteil an Erwerbsarbeit kann existentiell kaum oder gar nicht verzichtet werden, Kinderarbeit ist lokal gar kein Kriterium. Eine Aufteilung in Kinder- und Erwachsenenarbeit, oder gar ein Verbot von Kinderarbeit ist deshalb praktisch illusorisch. EcoSolidar macht “childrens work” in ihrem Tätigkeitsgebiet aber auch nicht generell schlecht. Das erwähnte Projekt von EcoSolidar ist die “Gemeinschaft des Hauses Chicani”. Das Heim ist 30 Autominuten von La Paz entfernt. Von den Orgs so benannte „Strassenkinder“ werden dort „auf ihre künftige Integration durch Ausbildung, Workshops und einfache Trainingsprogramme wie Backen vorbereitet“. Der Unterstand wurde absichtlich in die Landschaft gebaut, „weil es auf dem Land weniger Ablenkung gibt“, und um sie von ihrem bisherigen Lebensstil auf den Strassen von La Paz zu isolieren. Es handelt sich um 20 Heranwachsende und Youngsters zwischen 14 und 24, welche davor geschützt werden sollen, in ihre alten Rollen als „Strassenkinder“ zu verfallen. Das gelingt aber vielfach nicht. Diese Beschreibung enthält Heim-Aspekte, wie man sie auch aus früheren Episoden von Erziehungsheimen bei uns kennt. Zwar sind die politischen und sozialen Verhältnisse beim Einsatzort nicht vergleichbar, aber beim Thema „soziale Abschottung“ ist ein Verständnis dafür, gerade im Fall von Heranwachsenden, nicht sehr breit abgestützt. Das Wirken für das Wohl von „Strassenkindern“ wird in den Geber-Ländern der Orgs wie etwa bei uns ganz anders dargestellt. So hiess es z.B. in den Zuger Pfarreimeldungen, wo die Kollekte an EcoSolidar entrichtet wurde: „Der Flucht eines Kindes auf die Strasse ist immer ein langer Leidensweg vorausgegangen, geprägt von Hunger, Gewalt, Vernachlässigung durch Eltern und andere Erwachsene. Genauso beschwerlich ist der Weg zurück in ein geordnetes Leben. Das Projekt ECO SOLIDAR arbeitet mit dem Ziel, die Persönlichkeit und das Selbstvertrauen zu stärken, um die jungen Menschen wieder an eine gute Zukunft glauben zu lassen“ (aus: Pfarreimitteilungen, Kollekte: 5./6. März 2005, Strassenkinder und behinderte Kinder in La Paz, Bolivien). http://www.pfarreiblatt-zug.ch/_pdf/2005/pfarr_05_10.pdf

Die Irewoc-Studie beruht auf einer 3-monatigen Begleitung von Kindern in La Paz, die von Orgs betreut werden. Wie nicht anders zu erwarten, oder real: wie nicht anders möglich, nehmen es diese mit der „Mitbestimmung der Kinder“ nicht so genau. Trotz dem gegenüber Spendern stets vorgetragenen Anspruch, die Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen zu respektieren und jegliche Manipulation zu ihrem Nachteil zu unterlassen, ist das Gegenteil der Fall. Der „Direttore“ von EcoSolidar wird bezüglich seiner Erfahrungen mit andern NGOs in Bolivien so zitiert, das Regime gegenüber den „Strassenkindern“ sei teils „schlimmer als die Inquisition“. Nichts erreiche die Kinder direkt, es gehe alles durch die Zensur der Collaborados. Die Kinder würden sich aus diesen Gründen nur gerade so äussern, wie ihnen eingeflüstert worden sei. Die Kinder würden manipuliert und äusserten sich ausschliesslich im Interesse der Organisationen, etc. Zu den (erwachsenen) Collaborados ist indirekt zu erfahren: “Ana Rosa (15) ist die Vertreterin der Ex-Strassenkinder im EcoSolidar-Projekt in Chicani. Ana Rosa verliess ihre Familie, als sie 12 war und lebte fortan mit einer gemischten Gruppe aus Kindern / Heranwachsenden auf den Strassen von La Paz. Sie erwarb sich ihr Auskommen mit allem, was sich anerbot. Dann traf sie auf einen „Collaborados“ von EcoSolidar, der ihr offerierte, in ihrem Strassenprojekt mitzutun. Seither lebt Ana Rosa in der Chicani-Hütte von EcoSolidar. Vormittags besorgt sie den Haushalt, am Nachmittag befolgt sie ein Praktikum in der Küche, wofür sie einen geldlichen Bonus erhält. Das Taschengeld benötigt sie für Dinge wie Kleider, Musikgeräte etc., welche vom Projekt nicht abgedeckt werden. Abends stehen Schulkurse auf dem Programm”. Dazu passt auch diese Stelle im Bericht: „Pacha war sich das Strassenleben gewohnt. Um an Essen zu gelangen, nahm sie jede Arbeit an (forced to work in order to eat). Irgendwann kam sie in Berührung mit EcoSolidar. Das Projekt nennt sich “The group for social integration, the community shelter of Chicani” und ist eine Hütte / ein Unterstand, wo Kinder und Youngsters isoliert werden, um ihnen die Strasse abzugewöhnen. Deshalb befindet sich das Zentrum 30 km von La Paz entfernt. Pacha bildete sich zu einer Vertreterin von Strassenkindern heran, sie selber arbeitet heute nicht mehr für ihren eigenen Unterhalt, bzw. wird für ihren Job als Vertreterin von EcoSolidar entlöhnt. EcoSolidar vertritt in ihrem Einzugsgebiet von La Paz – und im benachbarten, noch ärmeren El Alto – eine sehr moderate Haltung zur Frage von „Partizipation und Selbstbestimmung“ ihrer Schützlinge. In ihrem Auftritt und gegenüber den Schwesterorganisationen hat EcoSolidar ihr eigenes Konzept. Bei den (erwachsenen) Mitarbeitern wird Wert auf den Einbezug der Wünsche und Bedürfnisse der zu Betreuenden gelegt. Kinder sollten zwar einen gewissen Einfluss auf die Hauspolitik haben. Ihre Beteiligung sollte allerdings nicht zu weit gehen und sie sollten nicht zu viel Kraft dafür verwenden. Besser sei, wenn man sie an den fortlaufenden Dialog mit den Erwachsenen gewöhnt. Generell solle nicht so viel Gewicht auf die Rolle der Kinder gelegt werden, wie das einige Organisationen täten.

Die römisch-katholische Pfarrei in Solothurn stellt EcoSolidar aber ganz anders dar: „EcoSolidar ermöglicht lokale Kleinprojekte in den Philippinen, Kambodscha, Bolivien, Malawi und Indien und begleitet Austauschtreffen, damit die Leute voneinander lernen können. Sie vernetzen die Partnerorganisationen und fördern deren weitere Selbstorganisierung. Die Projekte bleiben nachhaltig wirksam, weil die PartnerInnen ihre Bedürfnisse selbst formulieren. Sei es im biologischen Landbau, in der Friedensarbeit, bei Strassenkindern, bei Behinderten, in der Kräutermedizin oder in Frauenprojekten. Ziel ist immer ein Leben in Würde. Unterstützen wir diese Institution. Unsere Kollekten vom 21./22. März 2009 gehen deshalb an EcoSolidar.“ (aus: http://www.kirchenblatt.ch/upload/20090319061729.pdf).

Diese Haltung schlägt sich im Projekt Chicani ganz anders nieder. Dort gibt es einige Meetings pro Jahr, wo sich Erzieher mit den Kindern und Jugendlichen treffen. Diese dürfen das Projekt aus ihrer Sicht dann jeweils kommentieren. Allerdings wird ihre Mitsprache nicht sonderlich gewichtet, und ihr Einfluss auf den Fortgang des Projekts ist relativ gering. So dürfen sie auch nur zu bestimmten Terminen auf Urlaub in die Stadt von La Paz. Der beteiligte 16jährige Carlos sagt dazu: „Diese Treffen dienen mehr dazu, über unser Verhalten zu reden, als über organisatorische Schritte und Aktivitäten, wie wir sie uns wünschen“. Trotz des „Rechts des Kindes auf Misprache“ hätten sie nur sehr begrenzten Einfluss auf die Entscheidungsprozesse innerhalb der Organisation. Mit den Menschenrechten in Bolivien ist es nicht sehr weit her. In einem „lateinamerikanischen Ranking on Human Rights“ schneiden nur Honduras, Guatemala und Haiti noch schlechter ab. In Bolivien stehen 10% mehr Kinder zwischen 5 und 14 Jahren unter Arbeitszwang als im Durchschnitt von Lateinamerika. Ebenso steht es um die Rate der Kindersterblichkeit (bei Geburt 6,9% gegenüber 4,3%, Sterblichkeit vor dem 1. Lebensjahr 5,4% gegenüber 2,6%). In Bolivien stehen ca. 116„000 Kids zwischen 7 und 13 Jahren, bzw. 314„000 unter 18 Jahren in strenger Kinderarbeit (davon 168„000 in den Städten). Doch das Segment der unter 14jährigen wird von den Orgs gar nicht erreicht. Bei einer Behausung abseits der Stadt, wie derjenigen von EcoSolidar nahe von La Paz, mit nur gerade 20 Heranwachsenden, stellt sich der versprochene „Kampf gegen Kinderarbeit“ doch als etwas gar marginal heraus. Auch in der NGO-beherrschten “Strassenkinder”-Szene von La Paz (EcoSolidar erwähnt eine Zusammenarbeit mit „54 Institutionen“ und „36 Organisationen“ allein in Bolivien) sondern sich einige der vertretenen “Vertretenen” inzwischen autonom ab und kontrastieren dadurch stark von den institutionellen Interessen der Orgs. Eine von zwei autonomen Gruppen stieg während der Untersuchung sogar gänzlich aus. Es ergeben sich somit weitere Fragen zu Sinn und Zweck der Orgs. Bei EcoSolidar fällt zunächst auf, dass das Hilfswerk zwar in weiteren sechs weit entfernten Ländern operiert, aber diese Arbeit mit 200 Prozentstellen problemlos leistet. Nicht zu denken, wieviele der Stellenprozente es dabei allein schon für die Mitglieder- und Spendenwerbung im Geberland absorbiert. Das Hilfswerk operiert nach eigenen Angaben ausschliesslich mit einheimischen Kräften vor Ort. Daraus ergibt sich ohne weiteres: Die verschiedenen Länder-Gruppierungen, die sich überdies effizient miteinander vernetzen, arbeiten äusserst autonom, und stehen dennoch mit der Zentrale in täglichem Kontakt. Dank ökologischer Standfestigkeit reichen dazu zwei Telefonlinien aus. EcoSolidar kann auch Zeitgrenzen überwinden: Bolivien, Peru, Kambodscha, die Philippinen, Sri Lanka, Indien und Malawi sind gewohnt, sich an die Öffnungszeiten der Zürcher Zentrale anzupassen. Die internationale Koordination funktioniert tadellos.

„Strassenkinder“ in Bolivien und anderswo bewundern an Org-Exponenten meist nur eines, nämlich dass sie in der Welt herumreisen und andere Länder besuchen können. Genau diese Freiheit schwebt den Beschenkten aber jeweils auch selber vor: Sie träumen davon, ihr Ghetto für eine Zeit verlassen, und von anderen Menschen in anderen Gebieten lernen zu können. Zwar spricht EcoSolidar in ihren Publikationen beständig davon, selbst unterschiedlichste Zielgruppen zu „vernetzen“, aber von organisierten Reisen hört man nichts. Sowas real zu inszenieren würde bestimmt weiter führen, als dass so viele Orgs nach Lateinamerika ausschwirren, um uns Bilder zu übermitteln, die es so nicht gibt. EcoSolidar lehnt Kinderarbeit unter 14 Jahren ab. Die Org will auch nur, dass die Arbeit bei Kindern zwischen 14 und 18 Jahren geregelt ist, dass Minimalvoraussetzungen bei Essen und Unterkunft erfüllt werden. Dafür sind Hütten z.B. am Ende einer Strasse, oder eben abseits von La Paz gedacht. Doch wird durch die Orgs nur ein bestimmtes Segment der „working children“ bedient: Kinder, die schwere Arbeiten ausführen müssen, und zwar bis zu 12 Std. täglich, haben gar keine Zeit, sich innerhalb einer solchen Struktur zu organisieren. Sie werden durch diese auch gar nicht erfasst. Um ein minimales Einkommen halten zu können, müssen die ärmsten Kinder oft Ausbeutung und Missbrauch ertragen. Mit der Einforderung ihrer Rechte riskieren sie einzig, den Job zu verlieren. Darüber hinaus haben einzelne Org- und NGO-Initiativen autonome Formen der Selbst-Organisation zerstört, weil sie die Realität der Strasse zuwenig berücksichtigt hatten. Die Diskrepanz zwischen Sonntagskirche und dem wirklichen Bolivien ist eben doch unüberbrückbar gross. Das Hilfswerk EcoSolidar tritt als Generalunternehmen für Wohltätigkeit auf. Sein weltweites Wirken umfasst praktisch alles, was selbstlose Menschen mit Geld und Gaben abdecken können: von „Strassenkindern“ – „Behinderten“ – „Frauen“ – „Frieden“ – „Biolandbau“ über „Kräutermedizin“ – der Bekämpfung von „Gentechnologie“ bis zu „Ökologie“ ist für Spendefreudige praktisch alles zu haben. Für alle individuellen Vorlieben hält das Hilfswerk ein stets attraktives Angebot bereit. EcoSolidar wird auch von Gemeinden und Städten unterstützt. Eine ehrliche Berichterstattung an die Spender ist im Gegenzug durchaus erwünscht. Leider gibt es unter den zahlreichen Hilfswerken viele Wundertüten, die ausschliesslich dazu da sind, ihre Spendenden um ihr schlechtes Gewissen, aber mitsamt dazu gehörigem Obulus zu erleichtern. Dass EcoSolidar ihre Mitglieder-Broschüren nicht aufs Netz stellt, und sich auch sonst sehr bedeckt hält, wirkt nicht gerade vertrauenserweckend. Wir bleiben dran.

Kenner der Hilfswerk-Szene, darunter ehemalige Spenden-Anlockungsgehilfen im Stundenlohn der beiden marktbeherrschenden Fundraiser Anobis in Horw (Besitzer: Luigi de Rubertis) und Corris in Zürich (Besitzer: Gerhard Friesacher) schätzen die Bluff-Quote unter den Organisationen, die sich als Hilfswerke ausgeben, auf ca. 80%. Die Hälfte davon seien sogar 100%ige Fakes, diese seien überhaupt nirgends wirklich in Projekte eingebunden, für welche sie frischfröhlich Spenden einnähmen. Es gebe auch Orgs und NGOs, sowohl Zewo-zertifiziert als auch bei vielen Gemeinde- und Stadtverwaltungen auf den vorderen Plätzen für Spendengelder eingereiht, die nur phantasiert seien und einzig auf dem Papier bestünden.

Die Zewo selber nimmt keine verbindlichen Aufsichtsfunktionen wahr und ist nur als Placebo wirksam. Erst ihre Auflösung macht eine wirksame Aufsicht möglich. Fest steht, dass bei vielen Hilfswerken weniger konkrete Hilfeleistungen – meist am anderen Ende der Welt – im Vordergrund stehen, als vielmehr ein professionell aufgezogenes Fundraising. Nur so ist zu erklären, weshalb uns die südamerikanische Wirklichkeit von „Strassenkindern“, wie an diesem Beispiel ersichtlich, so stark verfälscht eingeträufelt wird, während an den Projektorten selber praktisch kaum etwas – jedenfalls nicht im Sinne der als Werbe-Ikonen genutzten „Strassenkinder“ und der Spendenden geschieht. Wer also demnächst eine Reise nach Lateinamerika, oder auch in andere EcoSolidar-Hilfsgebiete wie z.B. in Peru, Kambodscha, auf den Philippinen, in Sri Lanka, Indien oder in Malawi antreten will, könnte sich vielleicht auch für die dort angegebenen Hilfsprojekte interessieren. Durch solche Aufenthalte könnten bestimmt weitere wertvolle Informationen zu den tatsächlichen Lebensumständen an den Projektorten gesammelt werden, und würde die wirkliche Rolle von den dort involvierten Hilfswerken ein bisschen mehr transparent.

Bei der Gemeinde Olten z.B. gingen 2009 folgende 71 konkrete Gesuche um einen Beitrag für Auslandhilfe ein: Afrika - Benin, Schulgeld für Kinder, Verein Malima - Benin, Berufsbildungsprojekt, Swisscontact - Burkina Faso, Operationssaal für Behindertenzentrum, Morija - Burkina Faso, Brunnen für Burkina Faso, Morija - Guinea-Bissau, Bau von Brunnen, Swissaid - Kenia, Kala Azar-Projekt, Ärzte ohne Grenzen - Kongo, Wiedereingliederung von Kindersoldaten, Amnesty International - Kongo, Medizinische Versorgung für Frauen und Kinder, Ärzte ohne Grenzen - Lesotho, Unterstützung des Gesundheitswesen, Solidar Med - Madagaskar, Beitrag an Pilot-Windregion, Mad’Eole - Madagaskar, Beschaffung eines Fahrzeuges für Solarkocher, Miva - Mali, Kampf gegen Kinderarbeit und Ausbeutung von Dienstmädchen, Iameneh - Niger, Kleinhandwerk stärkt Frauen und ihre Familien, Swissaid - Niger, Jugendliche setzen Bäume für ihre Zukunft, Swissaid - Uganda, Aidswaisen, Jugendhäuser, Co-Operaid - Sambia, Sozialprojekt für Inhaftierte und ehemals Inhaftierte, Tearfund - Senegal, Stärkung der Landwirtschaft, Brot für Alle - Somaliland, Junge Frauen lernen lesen, schreiben und rechnen, Caritas - Tansania, Aids-Waisenprogramm, Terre des Hommes - Tansania, Zentrum für mentalbehinderte Kinder in Ifakara, Solidarität dritte Welt - Togo, Gemüsebauern schliessen sich zusammen, Brücke zum Süden - Tschad, Fruchtbares Land – gesicherte Ernährung, Swissaid - Tschad, Kleine Kredite – grosse Chancen, Swissaid - Zimbabwe, Sicherung der medizinischen Grundversorgung, Solidar Med Asien - Afghanistan, Ausbildung von Gynäkologinnen, Women’s Hope International - Bangladesh, Bildung für Kinder (Chittagong), Co-Operaid - Bangladesch, Erweiterung eines Sozialzentrums, Horyzon - Indien, Mikrokredite gegen Hunger, Swissaid

- Indien, Vom Sammler zum Bauer, Swissaid - Indien, Gemeinsam sind wir Frauen stärker, Caritas - Indien, Frauen in Not, Frauenhaus, Eco Solidar - Jordanien, Renovation von Zisternen, OME - Kambodscha, Bildung von Kindern (Kampong Chhnang), Co-Operaid - Myanmar, mit Fischzucht ein Zusatzeinkommen erarbeiten, Swissaid - Nepal, Kleine Unternehmen schaffen Einkommen, Helvetas - Palästina, Women Media & Development, Cfd - Philippinen, Bildung von Kindern (Paratong), Co-Operaid - Russland, Therapiecamps für Kinder aus Tschernobyl, Green Cross - Russland, Entsorgung von Pestizidaltlasten, Green Cross - Thailand, Bildung von Kindern (Patak), Co-Operaid - Türkei, Übernahme von Behandlungskosten von Folteropfern, Amnesty International - Vietnam, Ortopädieprojekt für Kinder, Green Cross - Weissrussland, Unterstützung von Opfer häuslicher Gewalt, Amnesty International - Weissrussland, Therapiecamps für Mutter und Kind, Green Cross Europa/Balkan - Bosnien, Frauenhaus für gewaltbetroffene Frauen und Kinder, Iamaneh - Mazedonien und Kosovo, Kinderfreundliche Spitäler, Fondation PH Suisse - Ukraine, Waisenhaus für behinderte Kinder, Parasolka Südamerika - Argentinien, Verschiedene Aktivitäten für Kinder, Fabio Mancin - Bolivien, Kinder in Not, Eco Solidar - Bolivien, Technische Ausbildung schafft Arbeitsplätze, Brücke zum Süden - Bolivien, Arbeitende Kinder bilden sich weiter, Brücke zum Süden - Ecuador, Weniger Bodenerosion höhere Landwirtschaftserträge, Swissaid - Ecuador, Wasser und Entwicklung für die Menschen von La Esperanza, Swissaid - Ecuador, Essraum mit Küche für Schule, Para Los Indios - Ecuador, Verarbeitung der Sisal-Faser in der Frauengruppe, Para Los Indios - Ecuador, Didaktisches Material und Mobiliar, Para Los Indios - El Salvador, Gewaltpräv. und Konfliktlösung unter Jugendlichen, Brücke zum Süden - El Salvador, Geltende Arbeitsgesetze durchsetzen, Brücke zum Süden - Guatemala, Trinkwassermanagement in drei Gemeinden, Helvetas - Honduras, Bildung in Honduras, Stiftung Kinderdorf Pestalozzi - Kolumbien, Berufliche Perspektiven für arbeitslose Jugendliche, Vivamos Mejor - Kolumbien, Klimabündnisprojekt, Arbeitsgruppe Schweiz – Kolumbien - Kolumbien, von Monokulturen zu diversifiziertem Anbau, Swissaid - Nicaragua, Förderung von Kleinbauern für Nachhaltigkeit, Brücke zum Süden - Nicaragua, Stärkung von bäuerlichen Genossenschaften, Brücke zum Süden - Nicaragua, Einkommensförderung für Bauern in Jinotega, Solidarität dritte Welt - Nicaragua, Mikrokredite für Kleinbäuerinnen, Swissaid - Nicaragua, Ausbildung in der Landwirtschaft, Swissaid - Nicaragua, Starke Frauen wollen mehr Einkommen und weniger Gewalt, SAH - Nicaragua, Verbesserte Ausbildung für Bauernkinder, Vivamos Mejor - Venezuela, Unterstützung von Kindern, Jugend und Familien, Jardin Humano

Die Studie wurde von Netherlands Plan finanziert. http://www.childlabour.net/documents/newsletters/newsletter_december_2010.html