Werkstattbericht zum Projekt Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne gefördert vom Ministerium für Schule und Weiterbildung
Düsseldorf 2012
Vorbemerkung Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne - Werkstattbericht „Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne“ ist der Titel eines Projekts des DGB-Bildungswerks NRW, das vom Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW gefördert wurde. Im Rahmen dieses Projekts wurden zwei Expertenworkshops am 16.03.2012 und 23.04.2012 durchgeführt. Ziel dieser Workshops ist die Reflexion der Fragen „Was ist und wer ist bildungsfern?, Welche Barrieren verhindern Zugänge?, Welche Schlussfolgerungen und Empfehlungen sind möglich?“. Grundlage der Diskussion ist der Abschlussbericht „Evaluation der Wirksamkeit der Weiterbildungsmittel des Weiterbildungsgesetzes (WbG) NRW“, der vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung e.V. im Februar 2011 vorgelegt wurde, zum zweiten sind es die Ergebnisse des Projekts „Potenziale der Weiterbildung“, das im Projekt vom Herrn Prof. Dr. Helmut Bremer von der Universität Duisburg-Essen vorgestellt wurde. Aufgrund der Teilnehmerzusammensetzung der Expertenworkshops sind auch die Diskussionsstände der Weiterbildungskonferenz des Ministeriums für Schule und Weiterbildung aufgenommen worden. Ausdrücklich bedanken wir uns bei den ReferentInnen Frau Franziska Loreit und Herrn Prof. Dr. Michael Schemmann von der Justus-Liebig-Universität Gießen, Herrn Prof. Dr. Helmut Bremer von der Universität Duisburg-Essen sowie Herrn Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer, ebenfalls Universität DuisburgEssen für Präsentationen und Inputs. Deren Inhalte waren die Ergebnisse einer Dokumentenanalyse nationaler und internationaler Programmatiken, die Ergebnisse des Projekts „Potenziale der Weiterbildung“ sowie die spezifische Betrachtung des Zusammenhangs von politischer Bildung und sogenannten Bildungsfernen. Die weiteren TeilnehmerInnen kamen aus dem Ministerium für Schule und Weiterbildung und der Weiterbildungslandschaft nach WbG. Wir haben uns dazu entschlossen, die gesamten Unterlagen der Expertenworkshops zu veröffentlichen. Wir können hier keine widerspruchsfreien Ergebnisse präsentieren, geschweige denn ein geschlossenes Konzept. Es sind die Ergebnisse einer „Werkstatt“. Deutlich werden Ansätze, die in der Weiterbildungslandschaft NRW vorhanden sind, teilweise erprobt sind, in jedem Fall evaluiert und weiterentwickelt werden können. Welche institutionellen bzw. makrodidaktischen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit diese vorhandenen Ansätze entwickelt, ergänzt und weitergeführt werden können, ist ebenfalls Gegenstand der Reflexion der Workshops und dieses Berichts.
Dr. Klaus Brülls
Düsseldorf, 2012
Inhaltsverzeichnis
(1) Einführung (2) Ablaufplan der Workshops des Projekts (3) 1. Workshop – Protokoll und Materialien - Protokoll für den 1. Workshop vom 16.03.2012 von Laura Schudoma - Michael Schemmann/Franziska Loreit: Dokumentenanalyse und Experteninterviews - Helmut Bremer: „Bildungsferne“ und das Projekt „Potenziale der Weiterbildung“ - Klaus-Peter Hufer: Politische Bildung und „Bildungsferne“ (4) 2. Workshop – Protokoll und Materialien - Protokoll für den 2. Workshop am 23.04.2012 von Laura Schudoma - Michael Schemmann/Franziska Loreit: Dokumentenanalyse und Experteninterviews - Helmut Bremer: „Bildungsferne“ und das Projekt „Potenziale der Weiterbildung“ - Klaus-Peter Hufer: Wie erreicht politische Bildung Bildungsferne und demokratieferne Gruppen? (5) Liste der TeilnehmerInnen
Einführung Herausforderung: Zugänge zur Weiterbildung für sogenannte Bildungsferne verbessern 1.
Die öffentliche Verantwortung für die Weiterbildung weiterhin wahrnehmen und ausbauen
Das Weiterbildungsgesetz NRW will Weiterbildung für alle Interessierten ermöglichen. Die Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Landesregierung spricht explizit von Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung, insbesondere für Bildungsbenachteiligte durch gezielte Angebote zur Alphabetisierung und zur Grundbildung (Koalitionsvertrag 2012-2017, Seite 38). Dies verstehen wir nicht nur als Bezug zu sozialen Benachteiligungen. Ein Ergebnis der Workshops stellt die Erweiterung des Begriffs der „Bildungsfernen“ um den der „Demokratiefernen“ dar. Das erscheint aus unserer Sicht notwendig, denn das generalisierende „Etikett“ Bildungsferne spiegelt nicht die Realität. Stattdessen sollte deutlich werden, dass die Ferne von Bildung immer auch eine spezifische Problemlage ist, der Menschen angehören. Es muss also darum gehen, typische Lebenssituationen auszuleuchten und besondere Problemlagen zu benennen. Daraus ergibt sich die Frage nach Bildungsbedarf, Bildungsmaßnahmen und nach den Leistungen von Trägern, nach den Erwartungen der Adressaten sowie die Frage nach den Formaten und die nach der Finanzierung. 2.
Netzwerke und Verknüpfungen - zum Engagement motivieren
Um Zugänge zur gesellschaftlichen Teilhabe und Partizipation zu erschließen, benötigt Weiterbildung die Vernetzung mit anderen öffentlich verantworteten Handlungsfeldern bzw. Akteuren, z.B. zu den Instanzen der Betriebsverfassung, zur Sozialarbeit, Jugendarbeit, zum Ausbau von Initiativen wie „Weiterbildung geht zur Schule“, zum Gesundheitssektor, zur beruflichen Bildung und anderen. Dies ist eine Herausforderung. Notwendig bleibt dabei, die spezifischen Beiträge von Weiterbildung bzw. politischer Bildung zu entwickeln und in den möglichen Kooperationen zum Ausdruck zu bringen. 3.
Organisationsentwicklung
Es gibt in der Weiterbildungslandschaft eine Vielzahl von erprobten und bewährten Formaten sowie differenziert dargestellten Konzepten. So gibt es eindeutige Definitionen von Bildung und den Spezifika ihrer Maßnahmen, Informationen zu Lernorten, aufsuchender Bildungsarbeit, zur Methodik und Didaktik, zu den Anforderungen an Referentinnen und Referenten. Diese Erfahrung zu bündeln, zu strukturieren, zu verallgemeinern und zur Verfügung zu stellen ist für die Organisationsentwicklung innerhalb der Weiterbildungslandschaft notwendig. Eine solche organisatorische und institutionelle Weiterentwicklung sollte ihre Verortung und Unterstützung in einem Landesinstitut für Bildung finden. 4.
Referentenqualifizierung
In den Weiterbildungseinrichtungen des Landes NRW sind gutes Wissen und qualifizierte Modelle für die Arbeit mit sogenannten „Bildungsfernen“ sowohl auf makro- wie auf mikrodidaktischer Ebene vorhanden. Um auch "Demokratieferne" insbesondere durch politische Bildung zu erreichen, bedarf es einer Aufarbeitung und Weiterentwicklung von ebenfalls vorhandenen Ansätzen. Dieses gilt es für die Referent/-innen in den geplanten Maßnahmen nutzbar zu machen. Sie bedürfen der Unterstützung und Qualifizierung, um Bedarfe zu erkennen und zu erheben. Mit und von ihnen sind niedrigschwellige Angebote ohne Substanzverlust zu erarbeiten.
5.
Bezugspersonen
Um die gelungene Ansprache und Bildungsarbeit mit Zielgruppen von Bildungsfernen bzw. Demokratiefernen zu entwickeln, bedarf es Schlüsselpersonen. In Kontexten gewerkschaftlicher Bildungsarbeit sind dies Vertrauensleute bzw. Bildungsobleute oder engagierte Betriebsräte, in anderen Kontexten werden diese Brückenmenschen oder Vertrauensmenschen genannt. Mit ihrer Unterstützung können Bildungsbedarfe ermittelt werden und in ihren Bildungseinrichtungen bearbeitet werden. Das entscheidende Kriterium ist, dass der Lebens- und Arbeitsweltbezug hergestellt und der Nutzen für eine Zivilgesellschaft deutlich. wird. 6.
Didaktische Konzepte entwickeln
Formate müssen konkrete, individuell nutzbare Ziele für die TeilnehmerInnen beinhalten. Didaktische und methodische Formen müssen gesucht und gefunden werden, die eine vorhandene Bereitschaft zur politischen Partizipation ernst nehmen und unterstützen. 7.
Finanzierung
Um bestehende Ansätze aufzugreifen und weiter zu entwickeln, neue Schwerpunkte zu setzen, bedarf es finanzieller Mittel und zwar zusätzlicher Mittel zur WbG-Förderung. Für einen Innovationsfonds kann z.B. hier der erwartete „Demographie-Gewinn“ genutzt werden. Um Klarheit über finanzielle Bedarfe zu erhalten, ist ein festinstalliertes Berichtssystem erforderlich, dass den Nutzen der Weiterbildung für sogenannte Bildungsferne/Demokratieferne für das Land, die Region aber auch den einzelnen verdeutlicht. Dies schafft Transparenz in die interessengeleitete Frage der Finanzierung für Land und Bildungsträger.
Ablaufplan für die Workshops des Projekts „Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne“ Termin für 1. Workshop:
16.03.2012
Ablauf 1. Was ist und wer ist „bildungsfern“? 2.
Dokumentenanalyse nationaler und internationaler Programmatiken (Schemmann) Ergebnisse von Interviews (Schemmann) Potenziale der Weiterbildung (Bremer) Politische Bildung und Zugänge zur Weiterbildung für „Bildungsferne“ (Hufer) Barrieren
- Identifizierte Barrieren im nationalen und internationalen Forschungsstand zu Barrieren des Lernens Erwachsener (Schemmann) - Ergebnisse aus Interviews (Schemmann) - Weitere Ergänzungen (Bremer, Hufer) Termin für 2. Workshop:
23.04.2012
Schlussfolgerungen/Empfehlungen
Input: Diskussion von Lösungsansätzen vor dem Hintergrund der erarbeiteten Begrifflichkeit und der Analyse der Barrieren. (Schemmann)
Einbezug der Ergebnisse von Interviews, der Vorschläge von „Potenziale der Weiterbildung“ und der politischen und interkulturellen Bildung (Bremer, Hufer)
Empfehlung auf der Grundlage von:
„Wenn im Jahre 2020 weniger von „Bildungsfernen“ gesprochen wird, dann liegt das daran, dass -
Zielgruppen … Angebote … Bewerbung von „Bildungsfernen“ Formate der Weiterbildung Zugangsvoraussetzungen Finanzierung für die TeilnehmerInnen Das Berichtssystem Gesellschaftliche Rahmenbedingungen OE-Prozesse in Bildungswerken Referentenqualifizierungen
wie auch immer: optimiert wurden.“ Die Dokumentation der Workshops erfolgt per Wortprotokoll durch das Bildungswerk.
Die Präsentationen von Bremer, Hufer und Schemmann werden ebenfalls dokumentiert (Texte, Folien o.a.). Die Dokumentation der Schlussfolgerungen/Empfehlungen ist ebenfalls erforderlich. KB/MC, 25.01.2012
„Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne“ Projekt des DGB-Bildungswerks NRW e.V. gefördert vom Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW Ergebnisprotokoll für den Workshop 1 am 16.03.2012, 10 bis 15 Uhr, Düsseldorf, Intercity Hotel Anwesend: bei allen TN Institution, Betrieb angeben Dr. Klaus Brülls, Prof. Dr. Helmut Bremer, Wiebke Grigo, Dr. Ulrich Heinemann, Andreas Disselnkötter, Frauke Heitmann, Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer, Dr. Ulrich Jung, Franziska Loreit, Heike Maschner, Prof. Dr. Michael Schemmann, Günter Schneider, Olaf Schröder, Laura Schudoma, Iris Witt, Dr. Hans Wupper-Tewes
Ausgangslage: Ziel des Workshops und Inhalt der Vorträge sollten sein, die unterschiedlichen Deutungs- und Argumentationsmuster zu der Problemstellung zu erfassen, was und wer eigentlich „Bildungsferne“ sind, die vorhandene Diffusion des Begriffs der „Bildungsferne“ aufzulösen und die Barrieren aufzuzeigen, die sogenannte „bildungsferne“ Menschen daran hindern, an Weiterbildung und Erwachsenenbildung teilzunehmen. Als Grundlage für die Diskussion dienten drei Vorträge und Präsentationen: -
-
Zum Thema „Was ist und wer ist ‚bildungsfern‘?“ analysierten Prof. Dr. Michael Schemmann und Franziska Loreit Dokumente nationaler und internationaler Programmatiken und Interviewergebnisse mit Experten aus der Weiterbildung. Prof. Dr. Helmut Bremer stellte die Ergebnisse des Projektes „Potenziale“ in der Weiterbildung vor. Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer beschäftigte sich mit dem Thema „Politische Bildung und ‚Bildungsferne‘“ mit dem Schwerpunkt einer Erweiterung auf den Begriff der „Demokratieferne“.
Ausgangslage der Diskussion und das Untersuchungsinteresse zum Thema ist das Problem, dass es keine einheitliche Verwendung des Begriffes der „Bildungsferne“ gibt, die fehlende Abgrenzung zu anderen Begriffen, z. B. dem der „Bildungsbenachteiligten“ und die zu vernehmende Tendenz zu Pauschalierung und sogar Stigmatisierung. Der Begriff der Bildungsferne ist keine neue Erfindung (Dahrendorf, das kath. Arbeitermädchen vom Lande), die Debatte erhielt aber neue Virulenz durch die Auseinandersetzung mit der PISA-Studie. Vorträge: Die Dokumentenanalyse im Vortrag von Prof. Dr. Schemmann und Franziska Loreit zeigt, dass im nationalen und internationalen Vergleich der Begriff der „Bildungsfernen“ insgesamt nur wenig verwendet wird (für die genauen Definitionen siehe Präsentation, genauen Titel der Präsentation angeben). Gemeinsamkeiten finden sich in einem Fokus, der auf Lebenslanges Lernen (LLL) für alle liegt, während dabei die Aufmerksamkeit v.a. auf Gruppen mit „besonderem Bildungsbedarf“ gerichtet wird. Internationale Dokumente thematisieren Benachteiligung, nationale Dokumente Bildungsnotwendigkeit. Bei der Analyse ihrer Experteninterviews ging es um die zentrale Leitfrage, wie „Bildung“ und „Bildungsferne“ von Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Planung, Organisation und 1
Durchführung von Weiterbildung thematisiert wird, ihre Annäherung an die Begriffe und ihre unterschiedliche Interpretationsweise. Folgende Aspekte stellten sich dabei heraus (genauer siehe Präsentation, genauen Titel der Präsentation angeben): (kein) Schulabschluss, Schulbildung/defizitäre Bildung, die Individualbiografie/Bildung als Erfahrungsraum, die soziale Herkunft. Das „Fernbleiben“ von formalen Bildungsveranstaltungen wurde von den Expertinnen und Experten in zeitlicher Hinsicht (zwischen punktueller und keiner Teilnahme), also „Ferne“ als Zeitraum der Bildungsabstinenz, benannt. (Als Zusammenfassung siehe Abbildung, Präsentation, Abbildung zur Verdeutlichung einfügen) Als eine hilfreiche Systematisierung von Barrieren dient eine Typologisierung von Cross (1981), die Ergebnisse ihrer Experteninterviews weisen Anschlüsse aber auch Abweichungen zu diesen Kategorien auf. Prof. Dr. Hufer plädierte dafür, das Problem der „Bildungsferne“ v.a. aus Sicht der politischen Bildung mit dem der „Demokratieferne“ zu erweitern und zu ergänzen. Eine Bereitschaft für politische Partizipation ist vorhanden, muss aber durch neue didaktische und methodische Formen unterstützt werden. Veranstaltungen sollten besonders alltagsrelevant, lustvoll und handlungsorientiert sein, um Zugangsbarrieren zu senken. „Aufsuchende politische Bildung“ ist nur dann möglich, wenn Zeit und Raum zum Experimentieren gegeben werden und auch ein Risiko des Scheiterns möglich ist. Präventive und intervenierende politische Bildungsarbeit, die Demokratieferne minimieren kann, bedarf einer besonderen finanziellen Förderung. Der Vortrag von Prof. Dr. Bremer machte deutlich, dass alle Bezeichnungen für das Problem der „Bildungsferne“ eine nur begrenzte Reichweite haben. Eine besonders wichtige soziale Determinante für die Nicht-Teilnahme an Weiterbildung stellt der Bildungshintergrund dar. Dies kann zu einer tiefen Verinnerlichung werden, die zur Distanz führt. Bei der Definition von Zielgruppen muss allerdings berücksichtigt werden, dass eine klare Trennung von sozialen und subjektiven Faktoren nicht aufrecht zu erhalten ist. Viele Faktoren kumulieren, ergänzen sich. Bei einer Verortung von „Ferne“ und Distanz ist von zwei Seiten auszugehen, der der Subjekte und der der Weiterbildungseinrichtungen. Durch „aufsuchende Bildungsarbeit“ können ein Gespür für Zielgruppen entwickelt und lebensweltliche Konzepte ermöglicht werden; wichtig ist ein Konzept von „Brückenmenschen“. Für genauere Informationen und Ergebnisse bitte die eingefügten Dateien der Präsentationen am Ende des Protokolls beachten.
Debatte Einführend in den Workshop wird folgende Ausgangslage beschrieben: Die Politik erwartet von den Trägern und Einrichtungen der Weiter- und Erwachsenenbildung, dass die sog. „Bildungsfernen“ berücksichtigt werden. Es wird über „Bildungsferne“ gesprochen, dennoch bleibt offen, welche Zielgruppen eigentlich hinter diesem Begriff stecken, denn dieser wird in seiner alltäglichen Verwendung häufig sehr willkürlich und beliebig gebraucht (auch wenn durch die Vorträge viele Gruppen und Problemlagen aufgezeigt wurden). Es handelt sich um einen ideologischen Begriff, der für etliches instrumentalisiert werden kann; es ist möglich, erst einmal beliebig alle Gruppen darunter zu verstehen. 2
Häufig wird „Bildungsferne“ allein mit sozialer Benachteiligung identifiziert und damit eine ganze Reihe von Randgruppen in den Fokus genommen: Dabei wird die sog. Mitte der Gesellschaft ausgeklammert. (Stichwort Demokratieferne)? Erst über die Diskussion über Zielgruppen und Problemlagen erhält der beliebig verwendete Begriff Schärfe und Kontur. Wie können also Zielgruppen und in diesem Kontext Problemlagen identifiziert und definiert werden, die reale Probleme und (Weiter-)bildungsbedarfe aufzeigen, welche bearbeitet werden müssen (z.B. der Hauptschulabschlusskurs in der VHS, die Prävention gegen Rechtsextremismus)?
Nach dieser Einführung entwickelte sich die Diskussion anhand folgender Punkte Begriff der „Bildungsferne“, Zielgruppen, Problemlagen und Zugänge
Wird über „Bildungsferne“ gesprochen, wird auch ein bestimmter Bildungsbegriff verwendet, der häufig ein formaler, mittelschichtorientierter Begriff ist, von dem aus die Benachteiligung definiert wird.
Zur Debatte gehören Problemlagen und ihre politische Relevanz. Es soll eine politische Diskussion geführt werden, die empirisch gesättigt sein muss. Was ist die Problemlage, was ist das relevante Problem dahinter, wenn ein solches Thema politisch angesprochen wird? Es ist ein Problem mit der Mitte und ein Problem mit den sog. „Bildungsfernen“ / „Bildungsarmen“ vorhanden; das Thema für alle bleibt Demokratie. Darauf bezogen ergeben sich also zwei „symptomatische“ Zielgruppen/Problematiken. In der öffentlichen Debatte gibt es dafür Schlagworte, die auch wieder nur schwierig zu definieren sind, z.B. Politikverdrossenheit. Aber was darunter verstanden wird, sind zwei völlig disparate Gruppen. Die erste Gruppe stellt die sog. „Wutbürger“ dar, in der Regel mittelschichtbezogen und relativ gut ausgebildet. Zum anderen gibt es den Bereich der „Bildungsarmut“. Dieser Begriff beinhaltet den Mangel an Einkommen, an formalen Bildungsabschlüssen und besonders an gesellschaftlicher und demokratischer Teilnahme. Wie kann man diese Menschen in diesen unterschiedlichen Gruppen erreichen? Reichen traditionelle Angebote der politischen Bildung aus? Es werden neue Settings von Bildung benötigt! These: Es handelt sich um zwei disparate Problematiken, die oft unter einem Dach, der Politikverdrossenheit, diskutiert werden, hinter dem sich aber zwei völlig verschiedene Phänomene verbergen, die aber beide mittlerweile relativ gut empirisch beschrieben werden können. Für beide Phänomene werden Strategien benötigt. Wie müssen unsere Bildungsstrategien und –settings weiterentwickelt werden, um die Gruppen der „Bildungsfernen“ zu erreichen?
Wenn darüber nachgedacht wird, wie „benachteiligte“ Gruppen besser erreicht werden können, dann passt die Begrifflichkeit der Orientierung an Problemlagen oder sozialen Lebenslagen gut. Dies muss nun genauer definiert und greifbarer gemacht werden.
Die Gefahr ist gegeben, durch die Assoziation mit sozialer Benachteiligung den Blick auf die Mitte zu verlieren. Der Begriff „Bildungsgerechtigkeit“ öffnet dafür, auf Ungerechtigkeitslagen insgesamt hinzuweisen, auch bis weit in die Mitte hinein. 3
Frage der Zugänge: Sind nicht die Weiterbildungseinrichtungen auch fern von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern? Zwei wichtige Aspekte: Man muss den humanistischen Bildungsbegriff in seiner Ideologisierung begreifen. Die Menschen, die zu der Gruppe der sog. Bildungsfernen gehören, sind nur beschränkt erreichbar über diesen Bildungsbegriff und traditionelle „Bildungsroutinen“. Zudem lässt sich bei Pädagogen eine gewisse Ferne, Arroganz gegenüber den Lebenswelten derjenigen feststellen, die „ausgeschlossen“ sind, denn dass man sie als defizitär bezeichnet, geschieht aus dieser Perspektive heraus. Diese Defizite dürfen jedoch nicht ausgeblendet werden, denn es gilt, an Wertgefüge und somit an Potenziale anzuknüpfen, auch wenn es einem zunächst fremd erscheint. Es gilt zu überlegen, wie man sich vom Defizit-Ansatz lösen kann. Es muss sich stärker mit den Lebenswelten und Werten der Menschen beschäftigt werden. Von da aus muss der Zugang gefunden werden. Auch in diesen Welten sind Gelegenheitsstrukturen vorhanden, nur sind sie anders (z. B. Analphabeten, die trotzdem einen festen Beruf ausüben). Dennoch herrscht ein erkenntnistheoretisches Problem: die Teilhabenden an der Debatte kommen von einer Perspektive, die diese Lebenswelten gar nicht beinhaltet. Wie gelingt es nun in diese Lebenswelten hineinzukommen? Das Konzept der „Brückenmenschen“ (siehe Vortrag Bremer) scheint dabei ein hilfreicher Ansatz. ??Es sollte nicht über eine Arroganz der Bildungsreferentinnen und –referenten gesprochen werden, dass sie nicht bereit wären, die sog. Bildungsfernen zu erreichen, denn sie arbeiten häufig unter miserablen Arbeitsbedingungen. Deshalb müssen Freiräume geschaffen werden, die auch die Möglichkeit des Experimentierens und das Risiko des Scheiterns beinhalten.??
Es stellt sich die Frage, welche Zielvorstellungen mit der Debatte verbunden werden: Warum sollen mit welchem Interesse „bildungsferne“ Gruppen an Bildung teilhaben? Soll dies zur weiteren Qualifizierung geschehen, sollen Bildungseinrichtungen sozusagen ein Surrogat für Sozialpolitik sein, die gescheitert ist?, Oder soll per Bildung über die Problemlagen nachgedacht werden, die verursachen, dass es Gruppen gibt in dieser Gesellschaft, die herausfallen? Die unterschiedlichen Bereiche der Weiterbildung haben auch unterschiedliche Zielvorgaben und -vorstellungen. Die Problemlagen einiger bildungsferner Gruppen sind multikomplex, so dass die Kooperation verschiedener Weiterbildungsbereiche sinnvoll ist.
Wichtig für die Diskussion ist die Frage nach den Formaten (informelle Formate). Es muss sich immer die Frage gestellt werden, ob wir davon ausgehen können, dass in den Lebenswelten der sog. Bildungsfernen überhaupt keine Bildungsprozesse stattfinden. Denn wie versorgen sich die Menschen mit Wissen? In irgendeiner Form muss dies geschehen, weil sie sonst nicht funktionsfähig wären. (Wie die Partizipation aussieht, ist eine andere Frage.) In die Hinterfragung des Bildungsbegriffes, von dem auszugehen ist, gehören auch die Formate und die Frage, was es an Formen von sozialem Kapital gibt, das bestimmte Funktionalitäten übernommen haben. Was gibt es an Strukturen und Vereinen, die zentrales Element bei der Versorgung von Wissen sein können. 4
Neben diesem Aspekt muss von den Institutionen (formale, non-formale Formate) aus gedacht werden, z. B. von einer VHS aus, die Bildung über alle Milieus hinweg anbieten muss. Wie sind Bildungsprozesse z. B. in problematischen Stadtteilen organisiert? Es herrschen hohe Frustrationserwartungen in Bezug auf institutionalisierte Bildung, was auch dazu beiträgt, dass sich die soziale Lage über Bildung vererbt. Können in Zusammenarbeit von Schule und informellen Formen von Bildung Effekte erzielt werden, die Frustrationserwartungen aufheben, die letztendlich auch in „Demokratiearmut“ führen? Informelle Lerngelegenheiten können sehr hilfreich sein, um zu verstehen, wie bestimmte Gruppen, die kaum oder gar nicht an Weiterbildung teilnehmen, Lernstrategien entwickeln, um zurecht zu kommen (Bsp. funktionaler Analphabeten). So kann man von der reinen Defizitthese wegkommen und lebenbewältigende Strategien anerkennen. D.h. es ist möglich, an Vereinsstrukturen anzuknüpfen (siehe Projekt Potenziale) und in Kooperation Bildungsangebote anzubieten. Aber: Die Umkehrung der Defizitthese darf nicht zu einer Art Verklärung führen!
Verhältnis Soziale Arbeit und Bildung
Der Ansatz der „konzentrischen Kreise“ (Bremer, Projekt „Potenziale“) ist plausibel, aber nur dann umsetzbar, wenn es sich um lange, kontinuierliche Veranstaltungszeiträume handelt. Dabei geht es nicht um einen Ansatz, der Sozialpädagogik und Pädagogik bzw. Bildung mischen soll.
Die Soziale Arbeit kann Anteile an neuen Bildungssettings haben, bedeutsam ist aber, dass originäre politische Bildung nicht verloren geht. Dabei muss die Professionalität der politischen Bildnerinnen und Bildner aufrechterhalten bleiben . Der Unterschied zu Sozialarbeit muss geklärt werden.
Debatte der politischen Bildung und der Demokratiepädagogik: Gerade aus der Demokratiepädagogik sind sehr viele interessante, handlungsorientierte, lebensnahe und lebensweltorientierte Projekte entstanden, die zu Unrecht von der politischen Bildung abgewertet und abgelehnt wurden. Die Profession der politischen Bildung sollte nicht zur Disposition stehen durch eine Annäherung an soziale Arbeit und sozialpädagogische Methoden. Die Soziale Arbeit kann „Zubringerdienste“ leisten, damit der Bildungsbegriff und die Bildungsidee nicht verloren gehen. Dies muss terminologisch geklärt werden.
Für bestimmte Zielgruppen müssen Projekte kreiert werden, die zwar anders sind als klassische politische Bildung, aber dem Anspruch dieser bestimmten Gruppen gerecht werden, was mit traditionellen Formaten nicht möglich wäre. Solche Konzepte sind sehr nah an Soziallarbeit und –pädagogik. Dies kann aber nur ein ergänzendes Angebot sein, das auf eine spezifische Problemlage reagiert.
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Eine Öffnung der Bildungsbereiche bedeutet gleichzeitig, die Bildungsziele dieser Bereiche präziser darzustellen. Sonst entsteht die Gefahr, dass der politischen Bildung Fördergelder verloren gehen.
In Bezug auf aufsuchende Bildungsarbeit sollte ein Ziel der Diskussion sein zu fragen, wie man die vielfachen schon vorhandenen guten Beispiele der non-formalen Bildungsarbeit in solche Formate umgestaltet werden, damit das Versuchsstadium überwunden werden kann.
Der Bildungshintergrund spielt eine große Rolle (siehe Vortrag Bremer). Deutschland ist dafür bekannt, dass der soziale Hintergrund ausschlaggebend für den Bildungsabschluss ist.
Finanzierung
Der Weiterbildungsbereich ist unterfinanziert: auch in der politischen Bildung herrschen prekäre Zustände, es muss Geld erwirtschaftet werden. Dies ist der Hintergrund, vor dem alle pädagogischen Vorschläge und Entscheidungen gesehen werden müssen. Dies bedeutet, dass zunächst der Bereich der politischen Bildung abgesichert werden muss, damit Freiräume geschaffen werden können, die die Möglichkeit des Ausprobierens absichern. Für kurzfristige Projekte wie „Potenziale“ gab es Fördermittel. Bildungseinrichtungen, die kontinuierlich arbeiten haben keine Gelder für solche Programme. Bildungsfern bedeutet oft auch einkommensarm. Es bedarf also unabdingbar einer Förderung.
Unterschiedliche Zielgruppen müssen „unterschiedlich behandelt“ werden. Dabei muss immer die Perspektive des jeweiligen Weiterbildungsbereiches in den Blick genommen werden (z.B. ist die Familienbildung in ihrer Zielgruppenbestimmung etwas anders aufgestellt, als die der politischen Bildung).
Der Diskussionsstand ist an einem Punkt, an dem unter dem Begriff der „Bildungsferne“ auch die „Demokratiefernen“ gefasst werden sollen.
Fazit
Der Begriff der „Bildungsferne“ „Bildungsarmut“ muss um eine weitere Gruppe, einen zusätzlichen Begriff erweitert werden, dem der „Demokratieferne“.
Es muss eine Orientierung an den Problem- und Lebenslagen der Menschen stattfinden. Dabei muss von einer reinen „Defizitthese“ Abstand genommen werden und die vorhandenen Formate, besonders die der informellen Wissensaneignung, genauer untersucht werden.
Eine Öffnung der verschiedenen Weiterbildungsbereiche kann zu neuen Bildungs-Settings führen, wobei die Zielvorstellungen und Aufträge der einzelnen Bereiche klar definiert und unterschieden werden müssen.
Die Soziale Arbeit und aufsuchende Bildungsarbeit können die politische Bildung ergänzen.
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Eine finanzielle Förderung muss neue Bildungs-Settings mit Freiräumen für Experimentieren und dem Risiko des Scheiterns ermöglichen.
Für die politische Bildung muss eine genaue Grenze gezogen werden, was wirklich politische Bildung ist.
Die Finanzierung ist letztlich der einzige Punkt, der noch in Frage steht. Jedes Projekt kommt zu dem Ergebnis, dass Geld benötigt wird, um die herausgefundenen Aspekte umzusetzen. Es geht nicht darum, politische Bildung in ihrem Kern zu verändern, sondern es müssen zusätzliche Angebote entstehen, damit die Gruppen der „Bildungsfernen“ und „Demokratiefernen“ erreicht werden können.
Der Termin für den zweiten Workshop ist der 23.04.2012. Es sollen dann Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu folgenden Themen erarbeitet werden: Zielgruppen, Angebote, Bewerbung von „Bildungsfernen“, Formate der Weiterbildung, Zugangsvoraussetzungen, Finanzierung für die TeilnehmerInnen, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, OE-Prozesse in Bildungswerken, Referentenqualifizierungen, Förderkriterien, Bildung(sbegriff), Bildungsziele, Verhältnis Sozialarbeit, Bildung und politische Bildung. Protokollantin: Laura Schudoma
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Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Projekt: Zugänge zur Weiterbildung für sogenannte „Bildungsferne“ Ergebnispräsentation
P f Dr. Prof. D Michael Mi h l Schemmann S h Franziska Loreit Düsseldorf, 16.03.2012
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Ausgangslage und Untersuchungsinteresse
Ausgangslage und Untersuchungsinteresse
Keine einheitliche Verwendung des Begriffs „Bildungsferne“
Keine eindeutige Abgrenzung von anderen Begriffen (bspw. Bildungsbenachteiligung)
Tendenz zur Pauschalisierung (und Stigmatisierung)
Ursprung findet sich in der von Dahrendorf aufgeworfenen Debatte um „Bildung als Bürgerrecht“
Besondere Virulenz erfährt die aktuelle Auseinandersetzung mit Erscheinen der PISA-Studien
Annäherung an den unscharfen Begriff der „Bildungsfernen“ unter Berücksichtigung differenter Kontexte der Weiterbildung
1
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
METHODISCHE ANLAGE DES PROJEKTS
Dokumentenanalyse internationaler und nationaler Programme
Interviews mit Experten aus differenten Kontexten der Weiterbildung
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Dokumentenanalyse internationaler und nationaler Programme
2
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Methodisches Vorgehen - Dokumentenanalyse
Die Dokumentenanalyse umfasst „sämtliche gegenständlichen Zeugnisse, die als Quelle zur Erklärung menschlichen Verhaltens dienen können“ (Atteslander 1971, zit. n. Mayring: 47).
Auswahl der Dokumente
Internationale Dokumente: Global Report (GRALE), CONFINTEA VI, g Man lernt nie aus‘,, ‚Einen europäischen p Raum des ‚Erwachsenenbildung: lebenslangen Lernens schaffen‘
Nationale Dokumente: Bildungsscheck, Qualifizierungsscheck
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
INTERNATIONALE DOKUMENTE
UNESCO
1945 gegründet, mittlerweile mehr als 190 Mitgliedstaaten
Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Paris
Schwerpunkte im Bildungsbereich: Monitoring von Education for All, Grundbildung, Sekundar- und Berufsbildung, Hochschulbildung, Bildungspolitik, Förderung von Qualität
Kernarbeitsbereich war immer auch die Erwachsenenbildung
Zentrale Impulse gingen von den Weltkonferenzen für Erwachsenenbildung aus (1949 Helsingör, 1960 Montreal, 1972 Tokio, 1985 Paris, 1997 Hamburg 2009 Belem)
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Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
INTERNATIONALE DOKUMENTE
UNESCO
Belém Framework for Action (CONFINTEA VI)
“[…] disadvantaged groups (for example indigenous peoples, migrants, people with special needs and those living in rural areas) […]” (UNESCO 2009: 5)
CONFINTEA VI-Bericht Deutschland
„[…] Beteiligungschancen benachteiligter und bislang unterrepräsentierter Bevölkerungsgruppen – gering Qualifizierte, Qualifizierte Erwerbslose, Migranten, Ältere, bildungsferne und einkommensschwache Personen – deutlich zu verbessern.“(Bundesministerium für Bildung und Forschung 2008:117)
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
INTERNATIONALE DOKUMENTE
Europäische Union
1951 wird die EGKS gegründet, es folgen EWG und EURATOM
Verträge von Maastricht und Amsterdam führen sie zur Europäischen Union zusammen
Mittlerweile 27 Mitgliedstaaten
Im Bildungsbereich ist der Union sukzessive Kompetenz zugewachsen, die sich jedoch auf das Fördern und Unterstützen bezieht und unter dem Subsidiaritätsvorbehalt steht
Bildungspolitische Entwürfe werden u.a. in Weißbüchern und Mitteilungen kommuniziert
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Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
INTERNATIONALE DOKUMENTE
Europäische Union
‚Erwachsenenbildung: Man lernt nie aus‘
„[…] vor allem die gering Qualifizierten, etwa ältere Menschen und behinderte Menschen, sowie Menschen, die isoliert wohnen. […] Die Mitgliedstaaten müssen darauf achten, dass die Bildungsprogramme auf die älteren Bürger und die Migranten abgestimmt sind, zwei Gruppen, die ein beachtliches Humanpotenzial für die moderne Wirtschaft und Gesellschaft darstellen, jedoch häufig auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind.“ (Europäische Kommission 2006)
‚Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen‘
„[…] [ ] vor allem für ausgrenzungsgefährdete Personen Personen, z.B. zB Geringverdiener, Behinderte, ethnische Minderheiten, Immigranten, Schulabbrecher, allein Erziehende, Arbeitslose, Wiedereinsteiger nach der Erziehungszeit, Arbeitnehmer mit niedrigem Bildungsstand und geringen Qualifikationen, nicht in den Arbeitsmarkt integrierte Menschen, Senioren (einschließlich älterer Arbeitnehmer) und Vorbestrafte.“ (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2001: 13 f.)
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
NATIONALE DOKUMENTE
Förderprogramme der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Hessen
Bildungsscheck NRW
Qualifizierungsscheck Hessen
„Beschäftigte, die in unsicheren Arbeitsverhältnissen arbeiten oder in Sachen Weiterbildung bislang wenig aktiv sind, können jährlich einen Bildungsscheck erhalten. Dazu gehören Menschen, die keinen Berufsabschluss haben oder seit Langem nicht im erlernten Beruf arbeiten, befristet Beschäftigte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 50 Jahre, Zeitarbeitskräfte oder Berufsrückkehrende.“ (Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NordrheinWestfalen 2011) „Gefördert werden die Beschäftigten aus den genannten U t Unternehmen, h wenn Sie Si über keinen anerkannten beruflichen Abschluss in der ausgeübten Tätigkeit verfügen oder älter als 45 Jahre sind oder in Teilzeit mit bis zu 30 Wochenstunden beschäftigt sind, unabhängig von Ihrem Alter und Ihrer Qualifikation oder als Ausbilderin oder Ausbilder tätig sind. […] (Weiterbildung Hessen e.V. 2011)
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Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
VERGLEICH INTERNATIONALER UND NATIONALER DOKUMENTE
Insgesamt findet der Begriff der „Bildungsfernen“ in den ausgewählten Dokumenten wenig Verwendung. Verwendung
Konvergenzen
Fokus liegt auf „Lebenslangem Lernen für Alle“.
Diese Perspektive lenkt die Aufmerksamkeit vor allem auf solche Gruppen, für die ein besonderer Bildungsbedarf ausgewiesen wird.
Divergenzen
Internationale Dokumente thematisieren Benachteiligung.
Nationale Dokumente thematisieren demgegenüber Bildungsnotwendigkeit.
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Interviews mit Experten aus differenten Kontexten der Weiterbildung
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Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Methodisches Vorgehen – Interviews (I)
Experteninterviews Leitfadeninterviews mit „Experten“ aus den Bereichen der Planung, Organisation und Durchführung von Weiterbildung
Offener Zugang in Anlehnung an die Prinzipien des Experteninterviews nach Gläser/Laudel: „Experten sind Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen.“ (Gläser/Laudel 2006: 10)
Mit der Auswahl der Experten soll möglichst die Varianz in den Feldern berufliche und allgemeine Weiterbildung sowie
die Varianz in den Funktionen Planung, Beratung und Organisation von Weiterbildung abbilden.
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Methodisches Vorgehen – Interviews (II)
Experteninterviews Ausgewählte Experten Hauptamtlich pädagogische MitarbeiterInnen (1 Interview) BildungsberaterInnen aus den Bereichen Existenzgründungsberatung und Qualifizierungsberatung (2 Interviews)
KursleiterInnen (1 Interview) Jeweils 2 Experten aus den Bereichen berufliche und allgemeine Weiterbildung.
Themen und Leitfragen
Zielgruppenansprache der durch die Interviewpartner vertretenen Anbieter Begriffsdefinitionen und Begriffsverständnis Problematisierung des Begriffs Barrieren der Weiterbildungsteilnahme Lösungsvorschläge
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Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Defizitzentrierte Thematisierung von ‚Bildung‘
„[…] Oder eben welche, die noch gar keinen Abschluss haben […].“ (B4, Z. 53-54)
(Schul-)Bildung für den Erwerb schulischer Abschlüsse - Thematisierung von Diskontinuitäten als Defizite im Schulverlauf
„Also das sind also für uns ganz konkret die, die wir mit unserer Elementarbildung ansprechen wollen zum Beispiel, also die, die wirklich (.) Defizite in ihrem (.) ersten Bildungsweg haben, also die zum Beispiel funktionale Analphabeten sind oder (..) bestimmte andere Dinge nicht gut gelernt haben und die jetzt irgendwann in ihrem späteren Leben noch brauchen. Also Schulabschlüsse zum Beispiel oder solche Dinge. Dinge.“ (B1, Z. 58 5863) (Schul-)Bildung für den Erwerb schulischer Abschlüsse zur Vermittlung deklarativen Wissens – Thematisierung von defizitärer Bildung als „Lücken“ im Schulverlauf
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Defizitzentrierte Thematisierung von ‚Bildung‘
„(..) Also das würde ich (.), was ich als Erstes darunter verstehen würde, ist einfach, es sind Personen aus einem sozial schwachen Bereich, die vielleicht auch nie gelernt haben, (.) einfach Dinge auszuprobieren, sich etwas zu trauen vor allen Dingen, […].“ (B3, Z. 140-141)
Bildung als Erfahrungsraum und Wahrnehmung von Gelegenheitsstrukturen – Individualbiographische Verortung von Defiziten
„[…] also zu den Bildungsfernen gehören auf der einen Seite erst mal die unteren sozialen Schichten, die generell schon von der Schulbildung her eher schulbildungsfern sind, d.h. (?) oder eigentlich so herangewachsen sind, d.h. das ist teilweise auch ein Generationenproblem, d.h. […] sie lernen das von ihren Eltern, d.h. die Eltern sind schon bildungsfern, haben entsprechend eine niedrigere Schulbildung, und so geben die das an ihre Kinder weiter; es ist sehr schwer, aus so einer Familie dann, ja, ich sag mal, sich rauszupressen, um dann selber doch irgendeinen höheren Schulabschluss zu machen. […]“ (B2, Z. 57-64) Bildungsaspiration der Eltern schreibt sich fort. - Individualbiographische Verortung von Diskontinuitäten
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Defizitzentrierte Thematisierung von „Ferne“ als Zeitraum der Bildungsabstinenz
„Ja Merkmale, na klar. Man kann es daran festmachen, dass sie über einen längeren Zeitraum an keiner WeiterWeiter oder Fortbildung teilgenommen haben, haben d.h., dass sie ihre Kompetenzen entsprechend nicht erweitert haben.“ (B2, Z.77-79)
„[…] Wenn ich jetzt sehe, wie das allgemein gehandhabt wird, dann sind das offensichtlich Leute, die über mehr als ein oder zwei Jahre keine weiteren Bildungsmaßnahmen für sich in Anspruch genommen haben. Wobei ich da selber so ein bisschen Bauchschmerzen mit habe aus dem Grund, weil für meine Begriffe nie ausreichend definiert ist, was wird eigentlich als Weiterbildung b ld angesehen.[…]“ h [ ]“ ((B4, Z. 56-61) 6 6 ) Thematisierung des „Fernbleibens“ von formalen Bildungsveranstaltungen in zeitlicher Hinsicht (Zwischen punktueller und keiner Teilnahme)
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Zusammenfassung Defizitzentrierte Thematisierung von ‚Bildungsfernen Bildungsfernen‘
Schulverlauf lückenhaft
deklaratives Wissen
Teilhabe an WB
Individualbiographie gelegenheitsarm
familiär verhaftet
stark/punktuell abstinent
Bildung als SchulErfahrungsabschlüsse raum
FortFort schreibung familiärer Bildungsaspiration
Zeitraum
diskontinuierlich
Quelle: eigene Darstellung
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Teil 2: „Barrieren“ der Weiterbildungsteilnahme
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Dokumentenanalyse internationaler und nationaler Programme
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„Global Report on Adult Learning and Education“ (GRALE)
Analyse von hemmenden Faktoren in Anlehnung an eine Typologie der Barrieren von Cross (1981) „Situational barriers are those arising from one‘s situation in life at a given time“. (Cross 1981: 98)
Beispielsweise hohe Kosten, fehlende Kinderbetreuung, fehlende räumliche Zugänglichkeit oder mangelnde Zeit
Institutionelle Barrieren umfassen jene Strukturen und Praktiken, die Erwachsene entmutigen oder von der Teilnahme ausschließen.
Beispielsweise unpassende Örtlichkeiten oder Zeitpläne
„Dispositional Di iti l barriers b i are those th related l t d to t attitudes ttit d and d selflf perceptions about oneself as a learner“. (ebd.)
Beispielsweise hemmende Selbsteinschätzungen, wie: man sei zu alt zum Lernen oder aber nicht gut genug
Anwendung des Modells durch Rubenson (2001) zur Bestimmung von Profilen erwachsener Lerner und Identifikation von Barrieren (vgl. UNESCO 2010: 68)
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Interviews mit Experten aus differenten Kontexten der Weiterbildung
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Thematisierung von Barrieren
„[…] Das Zutrauen, dass man was kann, dass man was leisten kann. Ich glaube aber auch auch, dass da oft die Angst ist, ist in der Gruppe sich beweisen zu müssen, also vor anderen, sich darstellen zu müssen, wenn man vielleicht sprachlich oder auch schriftlich oder vielleicht auch zeichnerisch/künstlerisch nicht so fit ist, dass man da vielleicht auch Hemmungen vielleicht auch hat, dass man da etwas beweisen müsste, dass man unter Bewertung eben auch steht; das ist immer das alte Thema letztendlich. Dass die eben dann weniger vielleicht sich sagen, 'ach ist egal, ich probiere es trotzdem', wie das dann vielleicht andere dann machen - also ich hab auch […] Leute, die kommen zu mir und sagen als Allererstes, Allererstes 'ich ich will Ihnen gleich sagen sagen, ich kann aber nicht malen'. Und dann sage ich immer, 'dann ist es ja gut, dass Sie den Weg hier her gefunden haben, weil malen kann ja letztendlich jeder'. Aber ich glaube, dass bei dieser anderen Gruppe, dass die vielleicht einfach diesen Schritt weniger wagen, ja dann zu sagen, 'ich mache es trotzdem. Also ich spring da jetzt mal ins kalte Wasser, was soll schon passieren'.“ (B3, Z. 145-158)
Negative Selbstwahrnehmung - Dispositionale Barriere nach Cross
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Thematisierung von Barrieren
„[…] was ich eben […] auch gemerkt hatte, ist so der finanzielle Hintergrund, weil gerade die Malkurse Hintergrund Malkurse, die kosten halt; die kosten ja nicht nur Gebühr, das ist ja eigentlich noch das Geringste, sondern die kosten einfach auch Material. Also wenn man wirklich ein bisschen dranbleiben will, und die Grundkosten für Leinwände und so für Farben, die ich mitbringe, die sind nun mal da, die muss ja irgendjemand bezahlen, und wenn die selber eben für sich dann auch weiterarbeiten möchten, und selber auch eigenes Werkzeug und Farben benutzen möchten, dann müssen sie eben investieren. In sich selber. Das ist wie wenn man Musik macht, da braucht man Noten, man braucht ein Instrument ja und so ist es eben beim Malen auch, Instrument, auch man braucht eben Material.“ (B3, Z. 159-178)
Finanzielle Anforderungen - Situationaler Faktor nach Cross
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Thematisierung von Barrieren
„[…] wenn man jetzt von Bildung redet, dann hat man häufig doch noch so die eigenen schulischen Erfahrungen vielleicht auch im Hintergrund und die waren je nach Geburtsjahr auch nicht immer positiv besetzt, deswegen haben auch viele einfach noch Vorbehalte was eine Weiterbildung angeht[…]“ (B4, Z. 112-115)
„Ich glaube, die haben einfach eine große Schwelle, überhaupt in eine Bildungsinstitution zu gehen. Also in so etwas wie in eine Schule wieder zu gehen, die wir ja letztendlich auch sind. (…) Also wenn es da eine Hilfestellung gibt beim Überschreiten dieser Schwelle, dann sind die glaube ich manchmal ganz froh. f h […]“ [ ]“ (B1, ( Z. 132-136) 32 36) Negative Erfahrungen mit der Schule als Barriere
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Thematisierung von Barrieren
„[…] die einen hindert, dass sie nie Bildung wirklich gesehen haben, dass sie es nicht von ihren Eltern beigebracht bekommen haben, haben sich zu bilden, bilden ja, ja und auch nicht vorgemacht bekommen haben, also es wurde ihnen nicht vermittelt; […].“ (B2, Z. 163-165)
Geringe Gelegenheitsstrukturen innerhalb des Elternhauses
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Abschließende Betrachtung
Barrieren werden verstärkt in analytischen Dokumenten der UNESCO b betrachtet, t ht t llassen sich i h jjedoch d h nicht i ht iin d den ausgewählten ählt programmatischen Dokumenten finden
Heuristische Relevanz des Ansatzes von Cross
Die identifizierten Barrieren sind nicht trennscharf, ermöglichen aber eine erste Systematisierung.
Die Einschätzungen der Experten weisen sowohl Anschlüsse an als auch Abweichungen von der Typologie von Cross auf.
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04.04.2012
Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg‐Essen)
„Bildungsferne“ Bild f “ und d das d Projekt P j kt „Potenziale der Weiterbildung“ Input im Rahmen des ersten Workshops i R im Rahmen h d des Projekts P j kt „Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne“ 16.3.2012, Düsseldorf
„Bildungsferne“ und das Projekt „Potenziale der Weiterbildung Weiterbildung“ 1. Das Problem: Worüber reden wir, wenn von „Bildungsferne“ die Rede ist? 2. Stichwort: Bildungsgerechtigkeit 3. Das Projekt „Potenziale“ 4. Politische Bildung und „Bildungsferne“ 5. Fragen Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg-Essen)
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04.04.2012
„Fahrstuhleffekt“ Weiterbildungsteilnahme 1979 (Migration/Ausländer 2003) insgesamt allgemein beruflich Niedrige Schulbildung Mittlere Schulbildung Abitur Arbeiter Angestellte Beamte Selbständige Männer Frauen Gebürtige Deutsche Deutsche mit Migrationshintergr. Ausländer/innen
Weiterbildungsteilnahme 2007 insgesamt
allgemein
beruflich
16
13
7
30
18
17
29 43 15 31 45 21 27 19 43 29
22 31 9 20 26 16 17 16 27 18
12 18 8 18 27 12 14 6 28 19
46 58 34 54 67 54 44 42 44 34
28 39 17 33 35 35 26 29 28 24
30 37 22 39 50 34 29 24 28 20
29
21
13
39
28
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Quelle: Berichtssystem Weiterbildung 2007
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
„Doppelte Selektivität“ „Weiterbildungsschere“ „Die wichtigste soziale Determinante für das Weiterbildungsverhalten ist der Bildungshintergrund einer Person“ (Rosenbladt/Bilger 2008: 152)
Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg-Essen)
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Kursierende Begriffe • • • • • • • •
bildungsbenachteiligt bild bildungsfern f bildungsungewohnt bildungsarm Nicht-/Nie-Teilnehmer g Weiterbildungs-Abstinenz Funktionaler Analphabetismus Exklusion/Inklusion Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
• • • •
„Benachteiligte“ (Brüning/Kuwan 2002) Soziale Faktoren („nicht in der Person“) Subjektive Faktoren ((„in in der Person Person“)) Strukturelle Bedingungen (Träger, Support usw.) Politische Rahmenbedingungen (gesetzliche Grundlagen, Förderprogramme Bildungssystem usw.) Förderprogramme, usw )
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„Soziale Faktoren“
• • • • • •
Sozialer Status F Familienstand ili t d Berufsausbildung berufliche Stellung und Einkommen Nationalität Alter… l
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„Soziale Faktoren“ • Oft: Merkmale bilden Grundlage zur Identifizierung von typischen benachteiligten Zielgruppen • Etwa (Brüning/Kuwan 2002 (ebd.: 38ff): – junge Erwachsene ohne Schul/Berufsabschluss – (Langzeit-)Arbeitslose – Frauen – MigrantInnen – AnalphabetInnen Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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04.04.2012
„Subjektive Faktoren“ (Brüning/Kuwan 2002) • • • •
Werthaltungen W h l Bildungsbiographie Lernsozialisation Lerninteresse…
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„Benachteiligung“ • Problem 1: Faktoren markieren keine trennscharfen Gruppen • Problem 2: Faktoren kennzeichnen keine „echten“ Gruppen • Problem 3: Wie hängen die Faktoren zusammen? • Nur scheinbar klare Trennung von „sozialen“ und „subjektiven“ Faktoren – „Lernbiographie Lernbiographie“ – „Lernsozialisation“ • Mögliche Gefahr: Weiterbildung bleibt „Bringschuld“ der Subjekte Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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04.04.2012
„Bildungsferne“ • „Ferne“ der Individuen: sie haben ihr Verhältnis zu Weiterbildung nicht geklärt ( („Defizitthese“) f h “) • „Ferne“ der Einrichtungen: sie haben ihr Verhältnis zu bestimmten Adressaten nicht geklärt • Selbstausschluss – Fremdausschluss (Tietgens 1978) • Schule als Heimspiel – Schule als Auswärtsspiel • „Bildungsferne“ als Resultat soziokultureller Abdrängung Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Migration und „Bildungsferne“
• Migration: benachteiligende Faktoren (rechtliche Sprache ( htli h Stellung, St ll S h usw.)) • Aber: heterogene Gruppe (Öztürk 2009, Wippermann/Flaig 2009, Geiling u.a. 2011)
• MigrantInnen sind nicht per se „bildungsfern“ g
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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04.04.2012
Milieus und Bildungsferne PO MO
LIBI
KONT
H E D
Die Milieus der alltäglichen Lebensführung im sozialen Raum Deutschlands 2006
MOBÜ
MOA
KLB LEO
TRA TLO
Habitus der Distinktion
avantgardistisch
PO MO Postmodernes Milieu 6%
Habitus der Arrivierten HED
Habitus der Strebenden
eigenhierarchieverantwortlich gebunden
MOBÜ Modernes bürgerliches Milieu 13%
Leistungsorientiertes Arbeitnehmermilieu
11%
Habitus der Notwendigkeit
KONT Konservativtechnokratisches Milieu 10%
MOA Modernes Arbeitnehmermilieu 8% LEO
Hedonistisches Milieu
autoritär
Differenzierungsachse
LIBI Liberalintellektuelles Milieu 8%
18% TRAditionelles Arbeitermilieu 4%
KLB Kleinbürgerliches Milieu
• „Soziale Milieus“: Gruppen von Menschen mit ähnlicher Lebensführung • Gründet auf Ähnlichkeit des Habitus • Weiterbildung eingebunden in Alltag • Soziale Milieus sind Orte der Sozialisation
11%
TLO Traditionslose Arbeitnehmermilieus (zus. 12%)
Unangepaßte ca. 2%
Resignierte ca. 6%
agis.uni-hannover.de [nach Zahlen von SIGMA]
Statusorientierte ca. 3%
2006
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Welche Rolle spielt Bildung?
Wie steht man Bildung gegenüber?
Wie ist der Zugang zu Weiterbildung?
Obere Milieus
Selbstverwirklichung, g Soziale und kulturelle Hegemonie
Intrinsisch, Selbstsicher
Aktiv aufsuchend
Respektable Milieus
Nützlichkeit und Anerkennung sowie um (mehr) Autonomie und Status
Pragmatische Horizonterweiterung, Ambivalenz: Zumutung oder Chance
Teilnahme über soziale Netze
Unterprivilegierte Milieus
Notwendigkeit und Mithalten, Vermeiden von Ausgrenzung, mitunter Zwang
Bildung als Bürde, Unsicherheit. Selbstausschluss („Auswärtsspiel“), Misstrauen
Aufsuchende Bildungsarbeit bzw. Bildungsberatung
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04.04.2012
Kursierende Begriffe
• • • • • • • •
Bildungsbenachteiligt Bildungsfern Bildungsungewohnt Bildungsarm Nicht-/Nie-Teilnehmer WB-Abstinenz Funktionaler Analphabetismus Exklusion/Inklusion Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
2. Stichwort: „Bildungsgerechtigkeit“ • Normative Rückbindung: Menschenrechte und Grundgesetz • (Soziale) Ungleichheit: ungleiche Verteilung von „erstrebenswerten“ Gütern • Auch: (Weiter-)Bildung Ungerechtigkeit? • Ungleichheit =Ungerechtigkeit?
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Pädagogik und Ungleichheit • Berücksichtigen von „Privilegierung“ und „Nicht-Privilegierung“ Nicht Privilegierung“ (wer ist „begünstigt/ begünstigt/ nicht begünstigt“) • Gleichbehandlung verstärkt Ungleichheit • Gleichheit, indem Ungleiches ungleich behandelt wird • Heute: „Differenzierende Pädagogik“; „Umgang mit Heterogenität“; „Diversity“; „Inklusion“, „Pluralisierte Zugänge“ Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
3. Das Projekt „Potenziale“
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Projekt „Potenziale“: Anlage • Zwei Standorte: Herford/Vlotho und Aachen/Herzogenrath • Zwei Teile: Aufbau „aufsuchende „Bildungsarbeit“ und „Modellseminare“ • Wissenschaftliche Begleitung: • Beratung der Teams vor Ort • Evaluation der Modellseminare Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Projekt „Potenziale“: Zentrale Ergebnisse
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04.04.2012
Ergebnisse I: Aufbau „aufsuchende Bildungsarbeit/-beratung“ Ziele • Bildungsbedarfe eruieren • Kontakte zu knüpfen • Ideen entwickeln • Kompetenzen vermitteln • Gespür für die Zielgruppen entwickeln Methoden • Workshops • Fortbildungsveranstaltungen Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Typen von BeziehungsarbeiterInnen
Vertrauenspersonen Haben Kontakt zur Zielgruppe durch haupt- oder ehrenamtliche Tätigkeit im Jugend-, Sozial- oder Bildungsbereich. besitzen Vertrauen sind engagiert und haben eigenes persönliches oder berufliches Interesse. sind informiert über Weiterbildungs-einrichtungen Weiterbildungs einrichtungen und deren Aktivitäten. sind in bestimmten Strukturen (z.B. Kinderschutzbund, Familienzentren) verankert.
Brückenmenschen haben Milieunähe zur Zielgruppe (eigener Migrationshintergrund, Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit) sind angesehene Personen in ihrer Community. sind weiterbildungsbereit. sind NetzwerkerInnen und können gut Beziehungsarbeit leisten.
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Ergebnisse II: Modellseminare Herzogenrath/Aachen Märchenhaftes Mä h h f Europa E – gemeinsam Europa entdecken Das Leben ist kein Pony-Hof 1001 Nacht – Kulturen und Religionen entdecken (Silvester-Familienseminar) Offen begegnen (Eltern mit Migrationsgeschichte) g g ) Griffbereit (Familien mit Migrationsgeschichte)
• • •
• •
Herford/Vlotho • • • •
• • •
IInterkultureller k l ll Ch Chor Lieder-Reime-Rhythmik Interkulturelle Lernwerkstatt Interkulturelle Begegnung und eigene Zukunftsperspektiven Gemeinsam stark sein Erziehung – Möglichkeiten und Probleme in Deutschland Welche Anforderung stellt das deutsche KITA- und Schulsystem an Eltern?
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www.uni-due.de
Modellseminar „Das Leben ist kein Ponyhof“: Konzept • • • • • • •
•
Zielgruppe: SGB-III Empfänger Anknüpfen an Workshops und Erfahrungen aus Projekten mit ARGEn Wichtig: eine Vertrauensperson begleitet das Seminar und ist Ansprechpartner für die gesamte Zeit persönliche Ansprache der TeilnehmerInnen; dabei Versicherung: „Es geht um Euch“ Eine Übernachtung, Vollverpflegung, kostenfrei Methoden: Überwiegend nonverbale Ausdrucksmöglichkeit, Foto, Theater, Biographiearbeit ; Impulsreferat „Langzeitarbeitslosigkeit“ Inhaltlicher Schwerpunkt wurde ausgewählt aus einer Themenpalette (Ein Tag im Leben von…, Was ich schon immer mal sagen wollte, Hilfe, mein Kühlschrank ist schon wieder leer, Raus aus der Schuldenfalle…) Weiterer Effekt: aus dem Seminar heraus entstand die Idee zu einer Folgeveranstaltung: „Politik trifft Hartz IV – Neue Verbindungen wagen“
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Modellseminar „Gemeinsam stark sein“: Konzept • Zielgruppe: türkische/ türkischstämmige Frauen • Kurs entstand über einen weiblichen Brückenmenschen in Zusammenarbeit mit dem türkischen Arbeitnehmerverein • Lernort: Räumlichkeiten des türkischen Arbeitnehmervereins • Grundgedanke: türkische Frauen sind von gesellschaftlicher und politischer Teilhabe ausgeschlossen; Ziel: mehr Teilhabe ermöglichen durch „Stärken“ der Frauen • Ansetzen an lebensweltlichen Problemlagen
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Ergebnisse III: Weiteres in Stichworten • • • • • •
•
Bildungsarbeit g überschneidet sich mit Lebensberatung/ g/ Sozialarbeit („konzentrische Kreise“) Teilweise Barrieren zu typischen Lernorten Seminarkosten und fehlende Mobilität wichtige Barrieren Zielgruppe „MigrantInnen“: Zweisprachigkeit der Dozentinnen Persönliche Beziehungsnetze wichtiger als andere Werbemittel und -strategien Mitarbeitende und Einrichtungen müssen eigene Perspektiven auff die d Zielgruppe l reflektieren fl k (eingefahrene ( f h Sichtweisen h und d Handlungsabläufe werden in Frage gestellt) keine Patentrezepte; es müssen Dinge ausprobiert, auch etwas „riskiert“ werden („lokales Wissen“)
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4. Politische Bildung und „Bildungsferne“ • Selektivität politischer Bildung und Partizipation („Politikschere“) • Häufig: „Dezifitperspektive“ • Leitbild „partizipatorische Demokratie“?
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
„Bildungsferne“ • „Ferne“ der Individuen: sie haben ihr Verhältnis zu Weiterbildung nicht geklärt ( („Defizitthese“) f h “) • „Ferne“ der Einrichtungen: sie haben ihr Verhältnis zu bestimmten Adressaten nicht geklärt • Selbstausschluss – Fremdausschluss (Tietgens 1978) • Schule als Heimspiel – Schule als Auswärtsspiel • „Bildungsferne“ als Resultat soziokultureller Abdrängung Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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04.04.2012
„Politikferne“ • „Ferne“ der Individuen: sie haben ihr Verhältnis zu Politik nicht geklärt („Defizitthese“) • „Ferne“ der politischen Institutionen: sie haben ihr Verhältnis zu bestimmten BürgerInnen nicht geklärt • Selbstausschluss – Fremdausschluss • Politik als Heimspiel – Politik als Auswärtsspiel • „Politikferne“ als Resultat soziokultureller Abdrängung
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Welche Rolle spielt (Weiter-)Bildung?
Wie steht man (Weiter-)Bildung gegenüber?
Wie ist der Zugang zu Weiterbildung?
Wie ist der Zugang zum politischen Feld?
Obere Milieus
Selbstverwirklichung Soziale und kulturelle Hegemonie
Intrinsisch, Selbstsicher
Aktiv aufsuchend
Beherrschen der legitimen politischen Kompetenz und Artikulationsformen Selbstrepräsentation
Respektable Milieus
Nützlichkeit und Anerkennung (mehr) Autonomie und Status
Pragmatische Horizonterweiterung Ambivalenz: Zumutung oder Chance
Teilnahme über soziale Netze
Entwertung der politischen Kompetenz und Artikulationsformen Repräsentation über Verbände
Unterprivilegierte Milieus
Notwendigkeit und Mithalten, Vermeiden von Ausgrenzung, mitunter Zwang
Bildung als Bürde, Unsicherheit. Selbstausschluss („Auswärtsspiel“), Misstrauen
Aufsuchende Bildungsarbeit
Nicht-Anerkennung der politischen Kompetenz und Artikulationsformen Oft keine Repräsentation
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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04.04.2012
5. Fragen • Wie kommen wir zu einer „Revitalisierung der pädagogischen Beziehung“ • Wie können „„Aufsuchende BildungsarbeiterInnen“ g professionell und dauerhaft unterstützt werden? • Wie können Zeit- und Personalressourcen für Aufsuchende Bildungsarbeit mobilisiert werden? • Wie kann die Förderstruktur besser auf Bedingungen und Erfordernisse „Aufsuchender Bildungsarbeit“ abgestimmt werden? • Was as hindert de t Weiterbildungseinrichtungen e te b du gse c tu ge intern te daran, da a , „Aufsuchende Bildungsarbeit“ umzusetzen (Stichwort: Organisationsentwicklung)? • Wie muss sich die pädagogische Sicht/Praxis verändern (Stichwort: Fortbildung)? Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg-Essen)
Mehr: • http://www.die-weiterbildung-in-nrw.de/positionen/agbildungsgerechtigkeit/ag-bildungsgerechtigkeit.html • www.uni-due.de/politische-bildung/ • Bremer, Helmut/ Kleemann-Göhring, Mark (2011): WEITERBILDUNG UND „BILDUNGSFERNE". FORSCHUNGSBEFUNDE, THEORETISCHE EINSICHTEN UND MÖGLICHKEITEN FÜR DIE PRAXIS • Bremer, Helmut/ Kleemann-Göhring, Mark (2010): POTENZIALE DER WEITERBILDUNG DURCH DEN ZUGANG ZU SOZIALEN GRUPPEN ENTWICKELN (ABSCHLUSSBERICHT ) Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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04.04.2012
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
Politische Bildung und Politische Bildung und „Bildungsferne“ Expertenworkshop des DGB‐Bildungswerks NRW „Zugänge zur Weiterbildung für sogenannte Bildungsferne“ Düsseldorf, 16.3.2012
Politische Bildung und „Bildungsferne“ • Die Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland li t d liegt derzeit zwar bei 42%, doch nur 2% it b i 42% d h 2% besuchen Veranstaltungen aus dem Themenfeld „Politik und Gesellschaft und Informationswesen“. • Hochgerechnet sind das gerade einmal 1% der g g Erwachsenen im Alter von 18 bis 65 Jahren
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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04.04.2012
„Evaluation der Politischen Bildung” (2004) • Die Szene ist größer, als bisher angenommen wurde: 1 350 Einrichtungen bieten politische wurde: 1.350 Einrichtungen bieten politische Erwachsenenbildung an. • Nur in 300 von 998 Volkshochschulen sind Angebote zur politischen Bildung nachweisbar. • Ein Fünftel der befragten Einrichtungen verfügen über kein fest angestelltes Personal. fü üb k i f t t llt P l • Das pädagogische Personal ist alt gedient, die Jungen fehlen. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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„Evaluation der Politischen Bildung” (2004) • Das Publikum der Veranstaltungen ist gut ausgebildet – ein Studium abgeschlossen haben ausgebildet, ein Studium abgeschlossen haben 43,3% der Teilnehmenden, zudem haben noch 19,3% das Abitur – die Arbeit ist „durch eine Mittelschichtenorientierung gekennzeichnet” • Zwar kann politische Bildung flexibel p phantasievolle Angebotsformen entwickeln und g offerieren, gleichwohl gibt es „mitunter starke Differenzen zwischen den Angeboten und der tatsächlichen Nachfrage” Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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04.04.2012
Bilanzen der Volkshochschulen ‐ Teilgebiete Politik und Soziologie • 2001: 3.010 Kurse, 64.661 Unterrichtsstunden, 51.804 Belegungen • 2004: 2775 Kurse, 55.683 Unterrichtsstunden, 46.082 Belegungen • 2005: 2.630 Kurse, 57.764 Unterrichtsstunden, 42.873 Belegungen • 2008: 2.550 Kurse, 52.497 Unterrichtsstunden, 46.912 Belegungen • 2009: 2.605 Kurse, 53.020 Unterrichtsstunden, 48.108 Belegungen • 2010: 2.728 Kurse, 53.678 Unterrichtsstunden, 47.475 Belegungen Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Bilanzen der Volkshochschulen ‐ Teilgebiete Politik und Soziologie • Innerhalb von zehn Jahren gab es einen Rückgang bei den Belegungen von 9,2%, bei den Unterrichtsstunden von 8 3% Unterrichtsstunden von 8,3%.
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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04.04.2012
„Weiterbildungsstatistik im Verbund“ • In diesem Jahr (2006) umfasste der ausgewiesene Bereich Politik Gesellschaft“ ca. 34.000 Kurse, Bereich „Politik – Gesellschaft“ ca 34 000 Kurse Seminare, Lehrgänge, Studienfahrten/‐reisen, bei denen 646.000 „Teilnahmefälle“ gezählt wurden. • Hinzu kamen 60.000 Einzelveranstaltungen mit 1.655.000 „Teilnahmefällen“. Auffallend ist, dass ca. 64% aller Angebote Einzelveranstaltungen sind, in der Regel also Vorträge.
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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„Weiterbildungsstatistik im Verbund“
→ insgesamt eine Zahl von 2,5 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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04.04.2012
Interesse an Politik • Zwischen 2003 und 2009 hat „das politische I t Interesse“ bei Jugendlichen und jungen “b iJ dli h dj Erwachsenen „deutlich zugenommen“.
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Interesse an Politik • Es ist anzunehmen, dass politisierte J Jugendliche und junge Erwachsenen die dli h dj E h di Grenzen etablierter Institutionen nicht akzeptieren und sich daher in ihnen nicht wiederfinden.
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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04.04.2012
Zielgruppen früher und heute • Es sollten Gruppen ohne „Bildungsprivilegien“ angesprochen werden. h d • Heute hingegen ist der Zielgruppenansatz entpolitisiert und zu einer Marketingstrategie geworden.
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Unmut über Politik • Oskar Negt: „Demokratie ist die einzige politisch verfasste D k ti i t di i i liti h f t Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss – immer wieder, tagtäglich und bis ins hohe Alter hinein.“
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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04.04.2012
Unmut über Politik • Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach: • Frage nach Achtung vor Berufen: Mit 82% rangierte der Arzt an erster Stelle, gefolgt vor der Krankenschwester mit 67%, dann kam der Lehrer mit 42%. Auf dem 16. Platz landete mit nur 6% der Politiker hinter Platz landete mit nur 6% der Politiker, hinter ihm waren nur noch der Banker und der Fernsehmoderator. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Unmut über Politik • Frage Universität Bremen (2006): „Glauben Sie, dass die Politik in der Lage ist, Gl b Si d di P litik i d L it die Probleme der Gegenwart und der Zukunft zu meistern?“ • Das bejahten 6,2% der Befragten.
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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04.04.2012
Beispiel Rechtsextremismus • „Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland“ i A ft im Auftrag der Friedrich‐Ebert‐Stiftung (2010): d F i d i h Eb t Stift (2010) • 8,2% der Befragten hatten ein „geschlossenes rechtsextremes Weltbild“
Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Beispiel Rechtsextremismus • Zustimmung – „überwiegend“ oder „voll und ganz“ – zu folgenden Statements: • „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die W D hl d j b h i i i i k P i di die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“: 23,6% • „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert: 13,2% • „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“: 34,3% • „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem g gefährlichen Maß überfremdet“: 35,6% • „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns“: 14,9% • „Für Muslime in Deutschland sollte die Religionsausübung erheblich eingeschränkt werden“: 58,4% Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Beispiel Rechtsextremismus • Rechtsextreme Einstellungen gibt es bei M Menschen ohne Abitur erheblich mehr als bei h h Abit h bli h h l b i Befragten mit Abitur.
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Beispiel Rechtsextremismus • Die Aussage „Ich halte es für sinnlos, mich politisch zu engagieren“ fand eine liti h i “f d i Zustimmung von 90,4%. Die Frage, ob sie der „Demokratie in der BRD, wie sie funktioniert“, zustimmten, bejahten gerade 46,1%. ( (N = alle repräsentativ Befragte) p g )
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Beispiel Rechtsextremismus • „Bildung ist ein relevanter Schutzfaktor gegen antidemokratische Einstellungen und da gilt: tid k ti h Ei t ll d d ilt ´Was Hänschen oder Lieschen nicht lernen, lernt Hans und Liese sehr wohl΄ ist die Bemühung um Erwachsenenbildungsarbeit deutlich zu verstärken.“ (Decker u.a.: Die Mitte in der Krise…, 2010)
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Beispiel Migrantinnen und Migranten • Untersuchung über jugendliche Gewalt in Berlin, durchgeführt vom Kriminologischen durchgeführt vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsens (2011): • Bei Migrantenjugendlichen erhöhen erlebte Diskriminierungserfahrungen die Bereitschaft, Gewalt auszuüben. • Da zudem bei den Berliner Jugendlichen „ein geringes Interesse an politischer Bildung“ geringes Interesse an politischer Bildung festgestellt wurde, plädieren die Verfasser der Studie für eine „Intensivierung der politischen Bildung“. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Beispiel Migrantinnen und Migranten • „´Aufwachsen in Deutschland` (AID:A) (2011)“: • „Migrationserfahrungen wirken sich nicht nur im Hinblick auf die Ausübung des Wahlrechts als eher hinderlich aus, sondern bei allen politischen Aktionsformen finden sich bei Migrantenjugendlichen geringere g j g g g Aktivitätsquoten.“
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Für politische Bildung ging es schon immer um den Versuch, „bildungsferne“ Gruppen zu erreichen. Das ist ihr nur ansatzweise gelungen.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • „Bildungsfern“ sollte aus Sicht politischer Bildung ergänzt werden durch „demokratiefern“.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Da „Bildungsferne“ oft verbunden ist mit „Demokratieferne“ muss politische Bildung intensiviert werden.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Erfolgversprechend erscheint eine Zielgruppenarbeit, die das Verständnis von ihr im emanzipatorischen Sinne reaktiviert. Zielgruppe ist ein Planungsbegriff, mit Bildung sozial und politisch exkludierte Adressaten zu liti h kl di t Ad t erfassen und keine Marketingstrategie. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Politische Bildung geht nicht ohne intellektuelle Anstrengungen, das ist für viele eine hohe Zugangsbarriere. Diese könnte jedoch gesenkt werden, wenn die Veranstaltungen lustvoll, alltagsrelevant und handlungsorientiert sind. d h dl i ti t i d
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Didaktische und methodische Formen müssen gesucht und gefunden werden, die eine vorhandene Bereitschaft zur politischen Partizipation ernst nehmen und unterstützen.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Es gilt, das Feld der politischen Bildung zu erweitern, indem auch zivilgesellschaftliche Initiativen gefördert werden, mit deren Aktivitäten Demokratie erfahrbar wird. Institutionen d der politischen Bildung sollten liti h Bild llt entsprechende Kooperationen suchen. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Politische Bildung muss sich aus den „klassischen“ Veranstaltungsorten und – formen lösen, um in die „Mitte der Gesellschaft“ hineinzukommen.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Die Strategie und Ideologie rechtsextremer G Gruppen haben sich geändert. Themen h b i h ä d t Th werden propagiert, die in der „Mitte der Gesellschaft“ zustimmungsfähig erscheinen (z.B. Globalisierungskritik). Das sollte in Veranstaltungen der politischen Bildung dechiffriert werden.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Der Besuch von politischen Bildungsveranstaltungen schafft keinen sozialen Aufstieg und materiellen Gewinn. Daher müssen Gratifikationen für die Teilnahme gefunden werden.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Bei der derzeitigen fast totalen Dominanz betriebswirtschaftlichen Denkens muss es gerade im Bildungsbereich Zonen geben, die davon unbelastet sind, z.B. politische Bildung.
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Politische Bildnerinnen und Bildner in E Erwachsenenbildungseinrichtungen müssen h bild i i ht ü Formen und Wege einer „aufsuchenden politischen Bildung“ finden. Dafür muss ihnen jedoch Zeit, Raum zum Experimentieren, eine Arbeit ohne Fixierung auf den erzielten Kostendeckungsgrad und das Risiko des Scheiterns möglich sein. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Da politische Einstellungen sowie d demokratieferne Denkmuster und Haltungen k ti f D k t d H lt nicht nur vordergründig rational aufzulösen sind, müssen integrative Bildungsangebote entwickelt werden, in denen auch tiefenpsychisch verankerte Klischees, Stereotypen und Vorurteile angesprochen, erkannt und korrigiert werden. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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Folgerungen für die Bildungsarbeit • Ein besonderes Augenmerk muss Mi Migrantinnen und Migranten gelten. Sie sind ti d Mi t lt Si i d in den Veranstaltungen der politischen Bildung eminent unterrepräsentiert. Lösungen können Kooperationen mit der interkulturellen Bildung sein. Zudem gilt es Wege zu finden, um ihre Lebenswelten zu erreichen. Prof. Dr. Klaus‐Peter Hufer
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„Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne“ – Projekt des DGB-Bildungswerks NRW e.V., gefördert vom Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW Ergebnisprotokoll für den Workshop 2 am 23.04.2012, 10 bis 15 Uhr, Düsseldorf, CVJM Hotel Anwesend: Dr. Klaus Brülls (DGB-Bildungswerk NRW e.V.), Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg-Essen), Wiebke Grigo (DGB-Bildungswerk NRW e.V.), Dr. Ulrich Heinemann (Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW), Andreas Disselnkötter (Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW), Frauke Heitmann (Paritätisches Bildungswerk LV NRW e.V.), Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer (Universität Duisburg-Essen, VHS Kreis Viersen), Mark Kleemann-Göhring (Universität Duisburg-Essen), Wilfried Klein (Willi-Eichler-Bildungswerk), Franziska Loreit (Justus-Liebig-Universität Gießen), Heike Maschner (Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW e.V.), Prof. Dr. Michael Schemmann (Justus-LiebigUniversität Gießen), Günter Schneider (Arbeit und Leben NRW), Olaf Schröder (Moderation), Laura Schudoma (Universität Duisburg-Essen), Bernd Werdin (Landeszentrale für politische Bildung), Iris Witt (Landesverband der Volkshochschulen NRW), Dr. Hans Wupper-Tewes (Landeszentrale für politische Bildung) Ausgangslage: Ausgangspunkt waren die Ergebnisse des Workshops 1. Dr. Klaus Brülls führte mit einer kurzen Zusammenfassung derselben in den zweiten Workshop ein. Dabei wurde erst einmal die Schwierigkeit des Themas selbst betont. Einrichtungen führen einige Maßnahmen für „Bildungsferne“ durch, aber diese Maßnahmen und ihre Leistungen werden in der Öffentlichkeit kaum dargestellt. Für den Workshop 2 musste es also um ein „Optimieren“ gehen. Ein wichtiges Ergebnis stellt auch die Erweiterung des Begriffs der „Bildungsferne“ um den der „Demokratieferne“ dar. Zudem spiegelt das häufig verwendete „Etikett“ Bildungsferne nicht die Realität wider, sondern macht deutlich, dass die Ferne von Bildung eine Problemlage ist, der Menschen angehören. Es muss also darum gehen, Lebenssituationen auszuleuchten und Problemlagen zu benennen. Erst dann ist eine Annäherung an das Problem möglich. Daraus ergibt sich die Frage nach Maßnahmen, und nach den Leistungen von Trägern, nach den Erwartungen der Adressaten, die Frage nach den Formaten und vor allen Dingen nach der Finanzierung. Die zu erörternden Schlussfolgerungen für den zweiten Workshops sollten sein: Zielgruppen, Angebote, Bewerbung von „Bildungsfernen“, Formate der Weiterbildung, Zugangsvoraussetzungen, Finanzierung für die TeilnehmerInnen, gesellschaftliche Rahmenbedingen, OEProzesse in Bildungswerken, Referenten-/Referentinnenqualifizierungen, Förderkriterien, Bildung(sbegriff), Bildungsziele, Verhältnis Sozialarbeit – Bildung – politische Bildung. Das Ziel der beiden Workshops soll die Erstellung eines abschließenden strukturierten Papieres sein als Angebot einer Liste von Ideen und Vorschlägen für die weiterführende Diskussion um das Thema (innerhalb der Weiterbildungskonferenz). Um dies zu ermöglichen, wurde folgende Arbeitsweise für den Workshop 2 gewählt: In einer Art Zukunftswerkstatt sollten Gedanken und Vorschläge für folgende Fragestellungen gesammelt werden. „Wenn im Jahre 2020 weniger von „Bildungsfernen“ gesprochen wird, dann liegt das daran, dass: 1
- Zielgruppenarbeit und Bewerbung von „Bildungsfernen“ - OE-Prozesse und Referenten-/-innenqualifizierung - Formate der Weiterbildung und Bildungsangebote - die Finanzierung der Maßnahmen - Kommunikation von Bildungspolitik und Bildungseinrichtungen - der Nutzen für Teilnehmer/-innen wie auch immer optimiert wurden.“ Den inhaltlichen Input leisteten erneut drei Beiträge. Prof. Dr. Michael Schemmann und Franziska Loreit ergänzten ihren Vortrag des ersten Workshops „Zugänge zur Weiterbildung für sogenannte „Bildungsferne““ mit einer zweiten Ergebnispräsentation. Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer stellte Thesen zum Thema „Wie erreicht politische Bildung „bildungsferne“ und demokratieferne Gruppen?“. Prof. Dr. Helmut Bremer erläuterte Ergebnisse des Projekts „Potenziale der Weiterbildung“. Vorträge und Präsentationen: 1.) Prof. Dr. Michael Schemmann und Franziska Loreit stellten die aus der Analyse ausgewählter nationaler und internationaler Programme und aus den Experteninterviews (siehe Protokoll Workshop 1) erschlossenen Schlussfolgerungen und Lösungsansätze vor. Die Analyse von GRALE (Global Report on Adult Learning and Education, UNESCO, Synthese von 150 Länderberichten) ergab als zentrales Element die Finanzierung. Die UNESCO appelliert dabei an die öffentliche Verantwortung, an die Regierungen, zum einen selbst ihren Beitrag zu leisten und zum anderen dabei die anderen Stakeholder mit einzuschließen. Das Memorandum für Lebenslanges Lernen der Europäischen Kommission stellte besonders einen leichten Zugang und eine Beratung in den Vordergrund. Wichtig seien dabei eine niedrigschwellige Beratung, der Abbau von Schwellenängsten und aufsuchende Bildungsberatung und –arbeit. Die Analyse der nationalen Dokumente (Bildungsscheck NRW, Qualifizierungsscheck Hessen; diese Dokumente stellen selbst schon Lösungsansätze dar) ergab eine Kopplung der beiden Impulse als Lösungsansatz, also Beratung und Finanzierung (Bereitstellung von Ressourcen gekoppelt an eine Beratung). Bei diesen Dokumenten muss aber weiterhin die Frage gestellt werden, an wen genau aus den im letzten Workshop definierten Gruppen hier eigentlich adressiert wird. Die Auswertung der Interviews mit Expertinnen und Experten ließ vorstellbare Lösungsansätze aufzeigen, um „bildungsferne“ Zielgruppen zu erreichen, aber auch solche, die evtl. auch heute schon in der alltäglichen erwachsenenbildnerischen Praxis erfolgreich umgesetzt werden: Distanz soll abgebaut werden erstens durch Multiplikatorinnen und Multiplikatoren z.B. aus ähnlichen sozialen Lebenslagen, die gezielter Personengruppen ansprechen können, die sonst nicht erreicht werden; zweitens durch gezielte Zielgruppenansprache und Werbung über neue Wege (z.B. über die neuen digitalen Medien); drittens durch den Aufbau von Vertrauen; viertens durch aufsuchende Bildungsarbeit und stadtteilorientierte Angebote. Lösungsansätze, die teilweise auch schon umgesetzt werden, sind vorhanden. Es stellt sich damit die Frage, wie die Erkenntnis in der Praxis und die Initiative von Praktikerinnen und 2
Praktikern optimiert zusammen kommen, bzw. systematisiert werden können. Prof. Dr. Schemmann schlug folgende Strukturierung zum Verständnis des Teilhabeprozesses an Weiterbildung vor, das „Chain of Response (COR) Model for Understanding Participation in Adult Learning Activities“ (Patricia Cross, 1981):
(Dieses Modell ist nicht gedacht zur Prädiktion von Teilnahme.) Zusammenfassend stellten nach Prof. Dr. Schemmann und Franziska Loreit eine Vielfalt an Lösungsansätzen fest, die Qualität der Wirksamkeit ist aber weitgehend unbekannt. Es müssen für unterschiedliche Gruppen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten zur Überwindung der jeweiligen Barrieren unterschiedliche Impulse gesetzt und unterschiedliche Ansätze angewandt werden. Aber auch an dieser Stelle müsste es eine Kombination verschiedener Elemente und Instrumente geben – ein Ansatz für alle reicht hier nicht aus. (Für weitere Details siehe Präsentation „Zugänge zur Weiterbildung für sogenannte „Bildungsferne“ - Ergebnispräsentation II“.) An den Vortrag schloss sich die Möglichkeit an, Fragen zu stellen. So kam die Anmerkung, ausgehend vom „COR“ mit aufsuchender Beratung schon bei Punkt C und D anzusetzen, besonders dann, wenn sich Beratung als bedarfsdeckend und gleichzeitig bedürfnisweckend versteht. Auch im Prozess der Findung, im persönlichen Umfeld, kann schon eine Weiterbildungsberatung relevant sein. Die Einstellungen (auch der der peer groups) zu Bildung werden bei Punkt B beschrieben. Dieser ist aus der Intervention ausgeschlossen. Es kam aber die Frage auf, ob nicht Werbung gerade schon an dieser Stelle hilfreich ist. Dies ist in dem Modell erst einmal nicht so vorgesehen; möchte man aber doch an diesem Punkt ansetzen und überlegen, wie man das Umfeld in den Fokus bekommt und die Möglichkeit danach Maßnahmen zu erstellen, um die Haltungen zu Bildungsprozessen zu verändern, dann zeigt sich deutlich die Möglichkeit des Modells als Strukturierungskraft. Bemerkenswert an der Dokumentenanalyse ist die Feststellung, dass sich die öffentliche Hand nicht entziehen darf. An dieser Stelle merkte ein Teilnehmer des Workshops seine andere Wahrnehmung der Rolle der öffentlichen Hand an. Statt Finanzierung sei es vielmehr ein (neoliberaler) Governance3
Ansatz; es geht nicht darum, dass der Staat mehr Geld zur Verfügung stellen soll, sondern vielmehr soll er „Fundraiser“ für das Lebenslange Lernen sein. Prof. Dr. Schemmann betonte aber, dass es an der öffentlichen Verantwortung keinen Zweifel gibt. Ein Governance-Element lässt sich aber dann erkennen, wenn der Staat die Aufgabe bekommt, auch andere Stakeholder in den Prozess mit einzubeziehen. Eine weitere Anmerkung bezog sich auf die Perspektive der Weiterbildner/innen, welche ein Stück weit patriarchalisch erscheint. Diskursanalytisch lässt sich ein asymmetrisches Verhältnis aufzeigen. Ein Einlassen auf die Teilnehmenden ist vorhanden, aber immer im Horizont des eigenen Bildungsbereichs – ein wirkliches Einlassen auf die Lebenswelten der schlecht zu erreichenden Menschen sei nicht vorhanden. Außerdem stellte sich die Frage, ob das Modell von Cross, entstanden schon 1981, heute noch hilfreich sei. Prof. Dr. Schemmann betonte es als Strukturierungsangebot, da es auch heute noch eine enorme strukturierende Kraft hat. Es gibt kein aktuelleres Angebot, das soziodemografische Faktoren mit psychologischen Aspekten zusammen bringt. Ein Teilnehmer bestätigte, dass die Analyse mit der tatsächlichen Trägerarbeit übereinstimmt. In der Frage um das Erreichen von „bildungsfernen“ Gruppen muss zuvor aber auch die Frage nach den Erfolgskriterien gestellt werden. Der „Klassiker“ dabei ist das Erstellen von Zielvorgaben. Dies ist für die formale Bildung gut vorstellbar; die aktuelle Kompetenzdebatte schließt auch das non-formale und informelle Lernen mit ein. 2.) Anhand eines Thesenpapiers knüpfte Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer im zweiten Input an den ersten Workshop und damit an die Frage an, wie politische Bildung „bildungsferne“ und demokratieferne Gruppen erreichen kann. (Siehe genauer: Thesenpapier) Ausgehend von der aktuellen Lage politischer Bildner/innen, die aufgrund planungsstrategischer Sicherheit und betriebswirtschaftlicher Zwänge vor allen Dingen gut integrierte und bildungsgewohnte Gruppen erreichen, stellte er Überlegungen an, wie auch die große Zahl der übrigen Menschen erreicht werden kann, die nicht teilnehmen. Viele Menschen hegen Unmut gegen Politik und Demokratie, wobei es nun zu identifizieren gilt, welche Gruppen dies genau sind. Aufgrund ihrer Sozialisation und ihrer Lebenswelten herrschen soziale und psychologische Barrieren, die sie an einer Teilnahme hindern. Dass politische Bildung einen persönlichen und gesellschaftlichen Nutzen bringt, wird häufig nicht genug verdeutlicht, die Ansprachemöglichkeiten müssen hier erweitert werden. Die zentrale Herausforderung für politische Bildner/innen besteht nach Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer besonders darin, ohne Substanz- und Theorieverlust den häufig zu beobachtenden elitären Duktus politischer Bildnerinnen und –bildner zu verlassen. Politische Bildung muss aufsuchende politische Bildung werden. Dafür muss mehr Freiraum und Geld zur Verfügung gestellt werden und vor allen Dingen die Möglichkeit des Scheiterns. Erfolgsversprechend wäre eine Beziehung zur beruflichen, interkulturellen und sozialen Bildung, während aber die genuine Qualität der Profession der politischen Bildung nicht vernachlässigt werden darf. Als die zentrale didaktische Herausforderung stellte Prof. Dr. Hufer einen Politikbegriff dar, der von der Lebenswelt ausgeht und von dort aus zu den Systemfragen kommt. Die Praxis zeigt dafür bereits viele gelungene Beispiele. Auf den Vortrag folgte eine Diskussionsrunde. Es wurde nach einem konkreten Beispiel des Substanzund Theorieverlusts in der politischen Bildung gefragt. Dies ist dann der Fall, wenn individuelle Situationen zu schnell zum Maßstab der Politik gemacht 4
werden; zentrale Kategorie muss aber die Öffentlichkeit bleiben (strukturelle Gemeinsamkeiten, Lösungsvorschläge für die Öffentlichkeit). Es muss um eine Dialektik von Lebenswelt und System, von individueller Einsicht und öffentlicher Vernunft gehen. Strukturierende Kategorien bleiben Macht, Herrschaft, Interesse etc. Den angesprochenen elitären Duktus findet man z.B. häufig in Programmen von Weiterbildungseinrichtungen, der dort genutzten Sprache, der Themenfindung und Zusammensetzung der Teilnehmenden. Dies ist nach Prof. Dr. Hufer ein selbstreferentielles System, dem entkommen werden muss, ohne das eigene Profil aufzugeben. Ein Teilnehmer schloss den Aspekt der mangelnden Risikobereitschaft der Einrichtungen und der betriebswirtschaftlichen Sichtweise („Was lohnt sich?“) an. Soll noch stärker nach Unterrichtsstunden und Teilnehmertagen gefördert werden, wird diese mangelnde Risikobereitschaft durchaus noch gefördert. Wichtig wäre es dann, auch den notwendigen Vorlauf von Projektplanung etc. mit zu fördern. Es stellte sich die Frage, wie Einrichtungen noch weiter von der mangelnden Risikobereitschaft wegkommen können. Prof. Dr. Hufer betonte erneut das defensive und sichere Planen von Bildungsveranstaltungen als einen wichtigen Grund (z.B. Zwang, Kostendeckungsgrade zu erwirtschaften)für diesen Zusammenhang. Es muss möglich werden, aus den Strukturen herauszukommen, in denen die Leistung der Bildnerinnen und Bildner nur nach Unterrichtsstunden und Teilnehmertagen beurteilt, bewertet und bemessen wird. Hier müssen differenzierte Bewertungskategorien, die Zeit erfordern, gefunden werden, die eben auch den Planungsaufwand etc. berücksichtigen. Im Anschluss an die letzte These des Papiers fragte ein Teilnehmer, wie voraussetzungsreich diese Ansätze seien und ob Referentinnen und Referenten in der Lage sind, dies zu bewältigen. Referentinnen und Referenten müssen so qualifiziert werden, dass sie aus den situativen, lebensweltlich begründeten Besonderheiten jeweils Verallgemeinerungen herstellen können. Dies muss auch in der Referentenqualifizierung berücksichtigt werden. Eine andere Teilnehmerin merkte hier an, dass es wichtig ist, dass die Referentinnen und Referenten in solchen Seminarfällen in der Lebenswelt der Zielgruppe zu Hause sind. Ein Teilnehmer fragte nach der Aktualität der Bedeutung des emanzipatorischen Ansatzes in der politischen Bildung, ob dieser nicht auch Zugänge behindert und ob nicht zusätzlich Pragmatismus und Nützlichkeit Erfolgskriterien sind. Prof. Dr. Hufer betonte ausdrücklich, dass politische Bildung normativ ist – wird der Begriff der Emanzipation verwendet, muss darunter aber auch immer der der Selbstemanzipation, Selbstbefreiung verstanden werden. Durch die Definition und das Aufgreifen herausragender gesellschaftlicher Problemfelder könnte die politische Bildung ihren Beitrag leisten. Lösungsvorschläge müssen aber von der Profession ausgehen. 3.) Ausgehend von seinem Vortrag zum Workshop 1 schloss Prof. Dr. Helmut Bremer mit seinem Input an die Ergebnispräsentation des Projektes „Potenziale der Weiterbildung“ an. Zur Verdeutlichung der Weiterentwicklung der Ergebnisse des Projektes sollten drei konkrete Beispiele dienen. Das Projekt „Potenziale“ geht in seiner Konzeption von der Arbeit mit Schlüsselpersonen aus. Beispielhaft stellte Prof. Dr. Bremer erprobte Workshops vor, die darstellen sollen, wie Veranstaltungen mit Schlüsselpersonen aussehen können. Eine Kategorie dieser Personen sind 5
„Vertrauensmenschen“. Hier ging es darum, erst einmal mögliche Bildungsbedarfe und Problemlagen von „bildungsfernen“, „bildungsbenachteiligten“ Gruppen zu eruieren. Ein Ergebnis waren Kooperationen, die sich im Kontext der Veranstaltung ergaben und weiterhin neue Veranstaltungen entwickelten. Bei der Kategorie der Brückenmenschen und entsprechenden Workshops für diese geht es noch stärker um die Frage, was sie wissen müssen. Zunächst geht es wieder um Menschen, die Kontakt zu „Bildungsfernen“ haben und Bildungsbedarfe ermitteln können. In drei Fortbildungsmodulen dieses Workshops sollte es darum gehen, Brückenmenschen, die Milieukontakt haben, zu qualifizieren. Sie wurden u.a. mit den konkreten Seminarangeboten, die entwickelt wurden und für die sie später werben sollen, vertraut gemacht. Für die Praxis müssen die Brückenmenschen begleitet bzw. betreut werden, um einer Überforderung entgegen zu treten. In den Einrichtungen muss es nach den Ergebnissen des Projektes Organisationsentwicklungsprozesse geben – dies kann durch eine Art Selbstevaluation geschehen. Ziele in der Organisationsentwicklung müssen nach Prof. Dr. Helmut Bremer die Implementierung und nachhaltige Gestaltung aufsuchender Bildungsarbeit sein, die Qualifizierung und Fortbildung von Mitarbeitenden und die Betreuung von Brückenmenschen, ein definiertes Bildungsverständnis in Zusammenhang mit dem bereits existierenden Leitbild der Einrichtung und letztlich die Frage nach einer Finanzierung. Hierzu wurde ein Leitfaden mit dem Fokus auf die Annäherung an „Bildungsbenachteiligte“ und „Bildungsferne“ entwickelt. (Siehe Präsentation „Bildungsferne“ und das Projekt „Potenziale der Weiterbildung“.) Durch eine Verortung der Diskussion in die Debatte um „Bildungsgerechtigkeit“ und die soziologische Debatte um Inklusion und Exklusion sieht Prof. Dr. Bremer mehr Chancen auf Beachtung und eine gute Positionierung der Weiterbildung. Im Weiterbildungsgesetz müssen die Spielräume für das Thema erweitert werden. Außerdem soll Erwachsenen- und Weiterbildung in die Lage versetzt werden, Bildungsarbeit für alle Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen; dafür bedarf es für die Pädagoginnen und Pädagogen bestimmter Kompetenzen. In der Debatte um Demokratieferne plädiert Prof. Dr. Helmut Bremer stattdessen für den Begriff der Politikferne. An den Input folgte erneut eine Diskussionsrunde. Eine Anmerkung bezog sich auf die Forderung, Weiterbildung für alle Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen – hier muss erneut an der Definition eines Bildungsbegriffs angesetzt werden. Eine weitere Anmerkung bezog sich auf die Diskussion um den Begriff der Demokratieferne und empirische Belege, die den folgenden Zusammenhang darstellen: Es gibt Stadtteile, die sozial benachteiligt sind, die an der niedrigen Wahlbeteiligung gemessen „politikfern“ sind und zudem in allen Bereichen eine geringe Bildungsbeteiligung aufweisen. Dies wurde unterstützt durch die Darstellung empirischer Befunde, die eine deutliche Korrespondenz zwischen Zustimmungsbereitschaft zum Rechtsextremismus sowie Wahlbereitschaft und – beteiligung in bestimmten Stadtteilen und entsprechender Ausbildungs-/Bildungssituationen aufzeigen. Im Zusammenhang mit dieser Korrelation schlug ein Teilnehmer den für ihn allumfassenden Begriff der „Beteiligungsferne“ vor. Um der Diskussion um Begrifflichkeiten zu entgehen, wurde aber erneut auf die Analyse von Prob6
lemlagen und damit zusammenhängenden Lösungsansätzen verwiesen. Der Begriff der Demokratieferne bleibt aber besonders im Zusammenhang mit Mittelschichtangehörigen, die (rechts)populistisch denken, bedeutsam. Prof. Dr. Helmut Bremer verwies auf ein bestimmtes Politikverständnis, wenn man bei Politikferne von Beteiligung ausgeht. Die oben genannten empirischen Befunde können seines Erachtens nur vertikal etwas abbilden, seit den Arbeiten Bourdieus wird auch vertikal eingeordnet, z.B. gering gebildete Menschen, die nicht alle die gleiche Einstellung zur Politik oder Demokratie aufweisen. „Zukunftswerkstatt – Schlussfolgerungen“ Im Anschluss an die drei Vorträge folgte die Bearbeitung der oben beschriebenen Aufgabenstellung. Die von den Teilnehmenden vorgetragenen Vorschläge und Schlussfolgerungen werden hier zusammengefasst und sortiert dargestellt. Zu der Optimierung von Formaten der Weiterbildung und Bildungsangeboten wurde Folgendes vorgeschlagen: -
Ein vom Land (oder einer anderen bestimmten Stelle) initiiertes und finanziertes wissenschaftliches Projekt sammelt und dokumentiert bereits bewährte Formate. Dieses Wissen wird an Weiterbildungsorganisationen weitergegeben. Darin enthalten sind Definitionen und Informationen zu Lernorten, aufsuchender Bildungsarbeit, zur Methodik und Didaktik, zur Funktion von Brückenmenschen.
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Da Brücken- und Vertrauensmenschen nur in bestimmten Bereichen effektiv arbeiten können, ist diese Reichweite klarer geworden.
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Formate sind zielgruppenspezifischer geworden, Lebenswelten und Wertehorizonte der potentiellen Teilnehmer/-innen werden aufgenommen. Um diese zielgruppen- und lebensweltspezifischen Angebote zu entwickeln, werden vorhandene Netzwerke genutzt.
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Die Planung der Formate geschieht aus einer Perspektive, die sich genau auf die Zielgruppe ausrichtet. Dabei kann und muss Bildung am Ende einer „Kette von Zugängen“ stehen.
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Es gibt niedrigschwellige Angebote ohne Substanzverlust, die andere Wege gehen; sie orientieren sich logistisch, psychologisch, sozial und thematisch anders. Es gibt Bearbeitungsformen und Methoden, die nicht oder wenig an der elaborierten, hochkulturellen Sprache orientiert sind.
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Weiterbildungsangebote sind partizipativ und handlungsorientiert. Sie haben auch Werkstattcharakter.
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Aufsuchende Bildungsarbeit hat sich durchgesetzt.
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Der Lernort und das Lernarrangement werden offener definiert.
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In einer Art Bündnispolitik arbeiten Weiterbildungseinrichtungen und Wirtschaft zusammen.
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Es gibt offene Formate, die stark prozessbezogen sind. Dabei wird sich auch auf Sozial- und Gemeinwesensarbeit eingelassen mit einem Ziel der Lebensbewältigung. 7
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Neue Medien und soziale Netzwerke werden verstärkt eingesetzt.
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Es werden Auseinandersetzungen an den Stellen geführt, wo sich die Weiterbildungsformate geändert haben (Bsp.: Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf).
Zu der Optimierung von Kommunikation von Bildungspolitik und Bildungseinrichtungen wurde Folgendes gesagt: -
Es ist klarer geworden, was genau mit „Bildungsferne“ gemeint ist. Es gibt eine Verständigung über den Begriff der politischen Bildung und darüber, was politische Bildung sein kann. Es gibt auch eine Verständigung darüber, dass Weiterbildung integraler Bestandteil von Bildungspolitik ist.
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Was Einrichtungen insgesamt schon geleistet haben, sowie der Nutzen bzw. Beitrag von Weiterbildung für gesellschaftliche Prozesse und Problemlagen ist deutlich geworden.
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Es ist ein fest installiertes Berichtssystem entstanden, damit der Nutzen für das Land, die Region aber auch den Einzelnen verdeutlicht werden kann. Die Kommunikation ist systematisiert und nachhaltig. Informationstransfer gelingt, es herrscht eine Offenheit für Probleme. Aus diesem Prozess der Kommunikation werden die Rahmenbedingungen und Finanzierungsstrukturen definiert, idealerweise mit den Bildungseinrichtungen aber auch der Verwaltung (als Mittler) gemeinsam. Die Kommunikation verschafft Sicherheit. Ein Berichtswesen ist besser auf die Berücksichtigung von „Bildungsfernen“ eingestellt.
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Die Politik kann besser verstehen, warum es für Bildungseinrichtungen so schwierig ist, „bildungsferne“ Gruppen zu erreichen. Bildungseinrichtungen wiederum verstehen die Bedeutung der Bildungsbenachteiligung als Thema aufzunehmen, um mehr „Bildungsferne“ zu erreichen.
Zur Optimierung der Zielgruppenarbeit und Bewerbung von „Bildungsfernen“ wurde Folgendes gesagt: -
„Bildungsferne“ werden selbstverständlicher Bestandteil von Planungsprozessen.
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Bildungsarbeit mit „Bildunsgfernen“ ist eine sehr ortsnahe Bildungsarbeit.
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Bildungsarbeit ist vernetzt, während Informationen zu sozialen und politischen Situationen am Ort mit eingeplant werden.
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Der Wissensstand um die Gruppen hat sich verbessert und die regionalen Weiterbildungsberichte und das verbesserte Berichtswesen haben zu komplexen Analysen um die Zielgruppen geführt. Auf die Zielgruppenorientierung muss Teilnehmerorientierung in den Veranstaltungen selbst folgen.
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Es gelingt zu differenzieren zwischen denjenigen Gruppen, die zu priorisieren sind und den Gruppen, die über Strukturen verfügen (z.B. Vereine). An diese kann man ansetzen und über diese non-formale Organisiertheit Bildungsprozesse initiieren.
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Es besteht ein Netz von Vertrauens- und Brückenmenschen, mit denen eine Bedarfserhebung vor einem Bildungsanliegen durchgeführt wird. Aufsuchende Bedarfserhebung und Bildungsarbeit werden zusammen gedacht.
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Aufsuchende Bildungsarbeit und Bildungsberatung sind durch Nachhaltigkeit gekennzeichnet, lokale Netzwerke sorgen für langfristige Strukturen, auf die man zurückgreifen kann.
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Ziel- und Problemgruppen von Weiterbildung werden definiert, daran werden die Methoden und die Finanzierung ausgerichtet. Zielgruppen sind in Kernzielgruppen sortiert, erstens Bildungs-, Einkommens- und Teilhabe-Arme, zweitens populismusgefährdete Mittelschichtangehörige. Eine Arbeitsgruppe mit dem Thema „Innovation“ kümmert sich um die Frage, wozu politische Bildung heute gebraucht wird.
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Zielgruppenansprache und –werbung holen die gewünschte Zielgruppe dort ab, wo sie ist.
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Zielgruppen haben Vertrauen in die Empathiefähigkeit der Weiterbildungseinrichtungen.
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Das Verfahren zur Zielgruppenbestimmung ist orientiert an dem der Weiterbildungskonferenz; dies geschieht im dialogischen Prozess zwischen Fördergebern und Einrichtungen. Es besteht Milieukonvergenz zwischen Programmplanern und denen, die Menschen ansprechen. Um mit der Perspektive des Verfahrens der Weiterbildungskonferenz den Blick nicht zu sehr auf die Einrichtungen zu begrenzen, muss auch Zugang, Raum und Feld beforscht werden. In bestimmten Stadtteilen müssen bestimmte Gruppen ausgemacht werden, dann stellt sich die Frage, welche Einrichtung in der Lage ist, sich dieser Gruppen anzunehmen.
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Um sich in die Perspektiven und Lebenswelten der Zielgruppen hineinzudenken, werden aus den Lebenswelten selbst heraus Fragen gestellt und Antworten gefunden.
Zur Optimierung der Finanzierung von Maßnahmen wurde Folgendes gesagt: -
Es bestehen zusätzliche Mittel aus dem „Demografie-Gewinn“/der „Demografie-Rendite“, wodurch passgenaue Förderlinien aus diesen eingesparten Mitteln entwickelt werden.
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Die Finanzierung wird stark am Problemansatz orientiert. Es gibt Geld für die Erreichung von definierten Zielgruppen und für besonders innovative Projekte in der Weiterbildung.
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Es gibt einen gut dotierten Innovationsfond, der nicht nur zusätzliches Geld vom Staat enthält, sondern auch Mittel, die aus der bisherigen Förderung kommen, denn es verzichten z.B. Einrichtungen auf einen Teil ihrer bisher angestammten Förderung. An Teilnehmertagen und Unterrichtsstunden wird festgehalten, für innovative Projekte gibt es einen Innovationstopf mit zusätzlichen Mitteln.
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Nach europäischem Vorbild wird Stakeholder-übergreifend gearbeitet; Sozialarbeit, Jugendarbeit und Familienbildung versuchen gemeinsam bestimmte Gruppen zu erreichen, wodurch die strenge ressortorientierte Finanzierung überschritten wird.
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Im Zusammenhang mit Bildungsgerechtigkeit geht staatliche Förderung vorzugsweise immer noch an „Bildungsferne“.
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Trotz neuer Formate durch Kooperationen mit Vereinen etc. wird der Staat nicht aus seiner Verantwortung der Finanzierung entlassen; es gibt eine Mischfinanzierung. Projekte werden nicht mehr vollständig in die Eigenverantwortung der Einrichtungen übergeben oder auf Teilnehmer/-innen umgewälzt.
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Es hat sich ein volkswirtschaftliches Denken und eine gesamtökonomische Sichtweise durchgesetzt. Für die Einrichtungen selbst bleiben betriebswirtschaftliche Aspekte wie Rechtfertigung, Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Wirksamkeit Prinzipien der Arbeit, nicht aber auf eine betriebsegoistische, betriebswirtschaftlich maximierende Art und Weise. Der volkswirtschaftliche Nutzen ist eine übergeordnete Ebene.
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Es gibt Weiterbildungskonten für jeden Menschen, auch für nichtqualifizierende Bereiche. Es werden Sozialtickets eingeführt. Die Verpflichtung für in der Weiterbildung Tätige, Stunden zu produzieren, fällt weg, stattdessen hat sich eine Auftragserfüllung durchgesetzt.
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Mittel werden nicht umgeschichtet oder fallen weg, sondern das, was bisher erfolgreich war, bleibt bestehen und zusätzliche Mittel werden ermöglicht, so kann allen Anforderungen Rechnung getragen werden.
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In den Organisationen gibt es eine neue Solidaritätsstruktur, die Querfinanzierung ermöglicht.
Zur Optimierung des Nutzens für Teilnehmer/-innen wurde Folgendes gesagt: -
Formate müssen konkrete, individuell nutzbare Ziele für die Teilnehmer/-innen beinhalten.
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Nutzen politischer Bildungsangebote muss nicht immer politischer Art sein, Ziel kann auch der individuelle Nutzen im Sinne von Schlüsselqualifikationen sein.
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Teilnehmer/-innen werden bei der Bedarfserhebung berücksichtigt, es gibt einen stärkeren Lebensweltbezug, Beratung geschieht vor Ort, ist zielgruppennah und dient der Orientierung, auch über die berufliche Bildung hinaus. Die Arbeit ist quartiersbezogen (z.B. quartiersbezogene Demokratiewerkstätten). Um an die konkrete Lebens- und Arbeitswelt anzuknüpfen gibt es Stadtteilbüros, in denen die Bedarfsanalyse mit den Teilnehmer/-innen gemeinsam geschieht.
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Durch eine gute Vernetzung sind Informationen leichter abrufbar und das Beratungsangebot vielfältiger und niedrigschwelliger.
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Im Rahmen der Kompetenzdebatte sind Angebote entstanden, die, wenn gewünscht, Teilnehmer/-innen helfen, sich im DQR zu verorten. Kompetenzbilanzierung und –zertifizierung in Einrichtungen tragen bei zur Nützlichkeit für den Einzelnen.
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In Weiterbildungseinrichtungen ist gutes Wissen für die Arbeit mit „Bildungsfernen“ auf makro- und mikrodidaktischer Ebene vorhanden.
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Es gibt zielgruppengerechte Formate, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen.
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Non-formales und informelles Lernen haben einen neuen Stellenwert gewonnen.
Zur Optimierung der OE-Prozesse und Referenten- und Referentinnenqualifizierung wurde Folgendes gesagt: -
Empirische Erhebungen zur sozialen Lage der Teilnehmer/-innen bilden die Basis für OEProzesse und die Qualifizierung.
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Kooperationen mit anderen Einrichtungen und Vernetzung sorgen für einen regelmäßigen Fachaustausch. Einrichtungen arbeiten zusammen, unterstützen sich z.B. beim Konfliktmanagement.
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Weiterbildungseinrichtungsentwicklung ist selbst Teil der Organisationsentwicklung. Sie wird als Fachdisziplin professionalisiert betrieben.
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Systematische Fortbildungsangebote orientieren sich an Fallarbeit. Es gibt konkrete Konzepte und Handreichungen, bei denen an den eigenen Stärken angesetzt wird, z.B. der Zugänge. Mit Blick auf die Zielgruppen wird, wenn nicht vorhanden, interkulturelle Kompetenz, Milieukompetenz etc. vermittelt. Pädagogische Reflexivität wird vermittelt. In der Implementierung aufsuchender Bildungsarbeit wird die direkte Ansprache professionalisiert. Ehrenamtlich Mitarbeitende(Brückenmenschen) werden fortgebildet und auf eine bestimmte Art entlohnt.
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In der Professionalisierung (z.B. Masterstudiengang) sind viel praktische Arbeit und Reflexion enthalten.
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Die Formatentwicklung wird professionalisiert.
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Evaluation, Selbstevaluation und Supervision werden durchgeführt.
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Wirkungshypothesen und Indikatoren für die Zielerreichung werden in Anträgen aufgestellt.
Protokollantin: Laura Schudoma
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Zugänge zur Weiterbildung für sogenannte „Bildungsferne“ Ergebnispräsentation II
P f Dr. Prof. D Michael Mi h l Schemmann S h Franziska Loreit Düsseldorf, 23.04.2012
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METHODISCHE ANLAGE DES PROJEKTS
Dokumentenanalyse internationaler und nationaler Programme
Interviews mit Experten aus differenten Kontexten der Weiterbildung
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Teil 3: Schlussfolgerungen und Lösungsansätze
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Dokumentenanalyse internationaler und nationaler Programme
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Methodisches Vorgehen - Dokumentenanalyse
Die Dokumentenanalyse umfasst „sämtliche gegenständlichen Zeugnisse, die als Quelle zur Erklärung menschlichen Verhaltens dienen können“ (Atteslander 1971, zit. n. Mayring: 47).
Auswahl der Dokumente
Internationale Dokumente: Global Report (GRALE), CONFINTEA VI, g Man lernt nie aus‘,, ‚Einen europäischen p Raum des ‚Erwachsenenbildung: lebenslangen Lernens schaffen‘, Memorandum für Lebenslanges Lernen
Nationale Dokumente: Bildungsscheck, Qualifizierungsscheck
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INTERNATIONALE DOKUMENTE
UNESCO
Global Report on Adult Learning and Education (GRALE)
“Governments have a major responsibility for reducing funding gaps and mobilising the necessary resources. Since adult education has multiple funding sources, governments have a two-fold role: they need to augment their own contribution to adult education as well as mobilise contributions from other stakeholders, including the private and commercial sector, NGOs and CSOs CSOs, and the international community. a. Providing the necessary information base b. Raising the value of adult education c. Focusing greater attention on achieving equity d. Mobilising resources from partners – the private sector and civil society.” […] (UNESCO 2010: 111ff.)
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INTERNATIONALE DOKUMENTE
Europäische Kommission „Ziel: Für alle einen leichten Zugang sichern zu hochwertigen Informations- und Beratungsangeboten über Lernmöglichkeiten in ganz Europa und während des ganzen Lebens.
Memorandum für Lebenslanges Lernen
Die Berufsberatungs- und Berufsorientierungsdienste tragen diesen Faktoren zunehmend Rechnung, nicht nur durch Aufbau von Netzen mit lokalen Verbänden und Freiwilligengruppen, sondern auch durch die Einrichtung von Dienstleistungen ohne Schwellenängste in vertrauter Umgebung. Dies sind wichtige Beiträge zur Erleichterung des Zugangs für benachteiligte Zielgruppen.“ (Memorandum für Lebenslanges Lernen 2000: 21)
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NATIONALE DOKUMENTE
Förderprogramme der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Hessen
Bildungsscheck NRW
Qualifizierungsscheck Hessen
„Die Bildungsschecks werden über ausgewählte Beratungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen vergeben. […] Eine Beratung ist für alle Interessierten verbindlich. In der Beratung werden inhaltliche und formelle Voraussetzungen zum Erhalt des Bildungsschecks geklärt und geeignete Weiterbildungsangebote und Anbieter ausgewählt. “ (Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen 2011) „Voraussetzung für den Erhalt eines Qualifizierungsschecks ist Ihre persönliche, kostenlose Bildungsberatung. [….] In der Beratung legen Sie gemeinsam mit Ihrer Beraterin oder Ihrem Berater die Themen und Inhalte der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme fest und wählen in Frage kommende zertifizierte Weiterbildungsanbieter aus.“ (Weiterbildung Hessen e.V. 2011)
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Interviews mit Experten aus differenten Kontexten der Weiterbildung
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Methodisches Vorgehen – Interviews (I)
Experteninterviews Leitfadeninterviews mit „Experten“ aus den Bereichen der Planung, Organisation und Durchführung von Weiterbildung
Offener Zugang in Anlehnung an die Prinzipien des Experteninterviews nach Gläser/Laudel: „Experten sind Menschen, die ein besonderes Wissen über soziale Sachverhalte besitzen, und Experteninterviews sind eine Methode, dieses Wissen zu erschließen.“ (Gläser/Laudel 2006: 10)
Mit der Auswahl der Experten soll möglichst die Varianz in den Feldern berufliche und allgemeine Weiterbildung sowie
die Varianz in den Funktionen Planung, Beratung und Organisation von Weiterbildung abbilden.
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Methodisches Vorgehen – Interviews (II)
Experteninterviews Ausgewählte Experten Hauptamtlich pädagogische MitarbeiterInnen (2 Interview) BildungsberaterInnen aus den Bereichen Existenzgründungsberatung und Qualifizierungsberatung (2 Interviews)
KursleiterInnen (1 Interview) LeiterInnen (1 Interview) Davon 4 Experten aus dem Bereich der allgemeinen Weiterbildung und 2 Experten aus dem Bereich der beruflichen Weiterbildung
Themen und Leitfragen
Zielgruppenansprache der durch die Interviewpartner vertretenen Anbieter Begriffsdefinitionen und Begriffsverständnis Problematisierung des Begriffs Barrieren der Weiterbildungsteilnahme Lösungsvorschläge
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Zusammenfassung der Befunde aus Experteninterviews Defizitzentrierte Thematisierung von ‚Bildungsfernen Bildungsfernen‘
Schulverlauf lückenhaft
deklaratives Wissen
Teilhabe an WB
Individualbiographie gelegenheitsarm
familiär verhaftet
stark/punktuell abstinent
Bildung als SchulErfahrungsabschlüsse raum
FortFort schreibung familiärer Bildungsaspiration
Zeitraum
diskontinuierlich
Quelle: eigene Darstellung
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„Distanz“ abbauen: Multiplikatoren
„Ich glaube, die haben einfach eine große Schwelle, überhaupt in eine Bildungsinstitution zu gehen. Also in so etwas wie in eine Schule wieder zu gehen, die wir ja letztendlich auch sind. (…) Also wenn es da eine Hilfestellung gibt beim Überschreiten dieser Schwelle, dann sind die glaube ich manchmal ganz froh. (…) Also wenn dann ein Kollege sagt, 'geh doch mal mit zum Gymnastikkurs, das täte dir doch jetzt auch gut, oder geh doch mal mit zum Englischkurs, dann kommst du doch auch besser zurecht mit der Korrespondenz im Büro' oder so, dann geht das glaube ich.“ (B1 Z. 133-139) „Wir könnten alle erreichen, weil wir ein extrem gutes Netzwerk haben, weil wir auf die Beteiligung der Personengruppen seit jeher setzen. Ich habe zum Beispiel eine junge Mutter, die kommt schon lange nicht mehr in die Gruppe, weil das Kind schon längst in der Schule ist, aber wenn die durch die Stadt geht und andere junge Mütter mit Kinderwagen sieht, dann nimmt die die mit zu uns. Ich könnte niemals für diese Gruppe so werben wie diese junge Mutter. Oder ich habe mal mit einer türkischen Referentin vor einer Kindertagesstätte in einem sozialen Brennpunkt gestanden, um für einen Elternkurs zu werben, ich hatte nach einer Stunde eine Anmeldung, und sie hatte fünfzehn.“ (B5, Z. 45-53)
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„Distanz“ abbauen: Zielgruppenansprache & Werbung
„Also was jetzt die beiden Fördermaßnahmen angeht, für die ich jetzt beratend tätig bin bin. Ist es in meinen Augen im Wesentlichen, Wesentlichen dass nicht da abgeholt wird, wo die bildungsfernen Menschen für gewöhnlich zu finden sind, sondern in einem Sektor beworben wird und auf die Ansprechweise im Wesentlichen auf Leute abzielt, die mit bildungsfernen Menschenmengen nicht wirklich viel zu tun haben. Will heißen (.) es wird häufig in den Programmheften oder Flyern von Weiterbildungsanbietern geworben, nur da ist ja schon mal die grundsätzliche Situation geschaffen, dass Leute schon mal auf die Bildungsanbieter aufmerksam gemacht wurden. Und ich finde jemand, der bildungsfern ist ist, hat ja eigentlich erstmal nichts mit Weiterbildungsanbietern zu tun. Und da gabs ja auch mal eine Tour von der Bildungsprämie: »Die Bildungsprämie unterwegs«.“ (B4, Z. 76-86)
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Distanz abbauen: Zielgruppenansprache & Werbung
„[…] Und man muss an die Orte gehen, wo die Menschen sind. Die nehmen nicht in der Sparkasse einen Hochglanz-Flyer Hochglanz Flyer mit mit, wie die PEKiP-Mütter, PEKiP Mütter und gucken sich das genauestens an, sondern man muss da hingehen, wo sie sind. Wir haben uns aber auch schon mal einfach in die Innenstadt gestellt, auch das war gut. (3) Und dann sind wir nicht auf die zugegangen, die das alles schon gewöhnt sind, und bei jeden Stand stehenbleiben; sondern wir sind den Leuten hinterher gelaufen. (2) Oder wir haben mehrere Kinderärzte mittlerweile, das prägt ja auch durch. […], wenn die so einen Problemfall haben, dann rufen die von alleine an, oder schicken die Frau zu uns. (2) Also wir sind dafür schon bekannt ((.), ) dass wir die, die ja, ja freundlich aufnehmen. aufnehmen “ (B5, (B5 Z. Z 260 260-272) 272)
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Distanz abbauen: Zielgruppenansprache & Werbung
„ […] wir (.) haben die klassische Palette der Öffentlichkeitsarbeit über Plakate, Flyer, Pressemitteilungen, Mitteilungen in Anzeigenblättern und der Werbung, die wir über unsere eigene Homepage machen, aber das (.) scheinen noch nicht so die (.), ja die Quellen zu sein, oder die Wege zu sein, über die man eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit machen kann. (.) Sehr auffällig auch gewesen, dieses (.) also sowohl das Erreichen als auch dieses veränderte Teilnehmer- oder auch (lacht) Bildungsverhalten, wenn ich daran denke, bei den üblichen Demonstration, die es […] gibt, zu den unterschiedlichen Gedenktagen oder Anlässen (.), da kommen beim 9. November oder 27. Januar (.), ich sage mal, vielleicht so 300, 400 Leute zusammen, dann sind aber schon sehr viele. g Zeit,, ich g glaube so acht Wochen ungefähr, g , ((.)) haben sich hier Und ((.)) vor einiger in Bezug auf die Veränderung dieses ACTA-Abkommens zu einer sozusagen fast spontan - (.) über Internet und (?) ich glaube Facebook vor alle Dingen kommunizierten Zeit über 1500 Leute zusammengefunden. Das heißt, offensichtlich besteht (.) eine Möglichkeit der Mobilisierung, die aber, sage ich mal, durch alte Methoden entweder nicht erreicht wird, oder wo es dann auch an den Themenstellungen liegt. Also, das Potenzial von Interessierten ist wohl da, aber (.) wir erreichen es nicht.“ (B6, Z. 113-131)
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„Distanz“ abbauen: Vertrauen aufbauen
„Und man kann sich nicht heute überlegen - das würden ja viele Institutionen gerne – man kann sich nicht heute überlegen, überlegen ich arbeite heute mit Bildungsfernen oder mit Migranten, und morgen kommen die. Das geht gar nicht, das ist Vertrauensarbeit.“ (B5, Z. 130 f.)
„Das ist nur eine Frage der Ansprache, und vor allen Dingen eine Frage des Vertrauens. Wenn ein Mensch Vertrauen fasst zu einem, dann kann man fast alles machen. Ja, und das ist aber das A und O. Also wenn sie kein Vertrauen haben, warum sollte ein Mensch in einem Kurs, zum Beispiel in einem Altenheim, warum sollte der für Sie was malen? Er hat ja gar keine Veranlassung l d dazu. Der k könnte auch h sagen, 'l 'lass mich h doch d h in Ruhe. h Ich h will ll hier einfach nur rumsitzen.' Und das ist ja auch sein gutes Recht. Also es muss ja keiner was müssen. Und das ist auch mein Credo, (.) ' wir müssen nichts mehr müssen, sondern wir dürfen nur noch dürfen'.“ (B3, Z. 83-90)
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„Distanz“ abbauen: Aufsuchende Bildungsarbeit & stadtteilorientierte Angebote
„Ja und wirklich so diese (.) also ich denke die [Bildungseinrichtungen] müssten (...) ( ) oder wir, wir ganz konkret auch, auch müssten da hingehen, hingehen wo die Leute halt sind. Das machen wir ja, zum Beispiel mit den Deutschkursen, oder auch mit anderen Kursangeboten schon, indem wir hier […] in die beiden (.) Stadtteile gehen, die soziale Stadtprojekte haben. Also […], da jetzt auch mit […] Gesundheitskursen, und da kommen tatsächlich auch einige, die glaube ich nie in unser Haus hier gekommen wären. (…) Also sozusagen so etwas Ähnliches wie aufsuchende [Bildungsarbeit].“ (B1, Z. 189-196)
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Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
„Chain of Response (COR) Model for Understanding Participation in Adult Learning Activities“
Quelle: Cross 1981: 124
Institut für Erziehungswissenschaft Professur für Weiterbildung
Abschließende Betrachtung
Vielfältige Lösungsansätze zum Abbau von Barrieren werden in der alltäglichen lltä li h erwachsenenbildnerischen h bild i h P Praxis i erprobt, bt jjedoch d h iistt di die Qualität der Wirksamkeit weitestgehend unbekannt
Für unterschiedliche Gruppen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten sind zur Überwindung der jeweiligen Barrieren auch unterschiedliche Impulse zu setzen und Ansätze anzuwenden “The The need for targeted policies does not entail a ‘one-size-fits-all’ one size fits all solution for a given target group. There is value in meeting heterogeneous needs through diverse means.” (UNESCO 2009: 72)
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10.07.2012
Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg‐Essen)
„Bildungsferne“ Bild f “ und d das d Projekt P j kt „Potenziale der Weiterbildung“ Input im Rahmen des zweiten Workshops i R im Rahmen h d des Projekts P j kt „Zugänge zur Weiterbildung für Bildungsferne“ 23.4.2012, Düsseldorf
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Rückblick zum ersten Workshop: Fragen Wie kommen wir zu einer „Revitalisierung der pädagogischen Beziehung“ Wie können „Aufsuchende BildungsarbeiterInnen“ professionell und dauerhaft unterstützt werden? Wie können Zeit- und Personalressourcen für Aufsuchende Bildungsarbeit mobilisiert werden? Wie kann die Förderstruktur besser auf Bedingungen und Erfordernisse „Aufsuchender Bildungsarbeit“ abgestimmt werden? Was hindert Weiterbildungseinrichtungen intern daran, „Aufsuchende Bildungsarbeit“ umzusetzen (Stichwort: Organisationsentwicklung)? Wie muss sich die pädagogische Sicht/Praxis verändern (Stichwort: Fortbildung)? Prof. Dr. Helmut Bremer (Universität Duisburg-Essen)
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Beispiele 1: Arbeit mit Schlüsselpersonen – „Vertrauensmenschen“ •
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Titel: Workshop für Vertrauenspersonen zur Bedarfserhebung (Evangelisches Bildungswerk, Aachen; Nell-Breuning-Haus, Herzogenrath) g ) Zielgruppe: ErwachsenenbildnerInnen; ErzieherInnen in KiTas; FallmanagerInnen der ARGE; Ehrenamtliche in Sportvereinen, bei Tafeln und anderen sozialen Einrichtungen. Zugangswege und Bedarfsermittlung: Bestehende Kontakte und Netzwerke der Weiterbildungseinrichtungen und aus der Gemeindearbeit wurden genutzt, um Vertrauenspersonen direkt einzuladen. Zeitlicher Rahmen: ein Nachmittag Programmelemente: Wo und wie werden „bildungsferne“ Menschen erlebt? Welche Erfahrungen gibt es mit diesen? Welche Probleme und Interessen haben sie? Welche Art von Angeboten brauchen sie? Wie können Vertrauenspersonen in die Arbeit der Weiterbildungseinrichtungen eingebunden werden? Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Beispiele 2: Arbeit mit Schlüsselpersonen – „Brückenmenschen“ • • •
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Titel: Workshop-Reihe zur aufsuchenden Bildungsberatung (AKEBildungswerk, Vlotho; VHS Kreis Herford) Zielgruppe: Brückenmenschen, die Kontakt zu Bildungsfernen und d Bild Bildungsbenachteiligten b ht ili t haben h b Zugangswege und Bedarfsermittlung: Bestehende Kontakte und Netzwerke der Weiterbildungseinrichtungen wurden genutzt, um potenzielle Brückenmenschen direkt anzusprechen. Umfang: Drei Module und ein Reflexionsmodul, die halb-, einoder zweitägig stattfanden. Programmelemente: Modul 1: Sensibilisierung im interkulturellen Kontext – Sensibilisierung für die Weiterbildung. Modul 2: Schulung für Weiterbildungsangebote. Modul 3: Lebendige Kommunikation und Körpersprache. Reflexionstermin Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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Beispiele 3: Organisationsentwicklung Fragen • • • • •
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Wo verorten wir unsere Einrichtung? Wen sprechen wir mit unserem Profil für gewöhnlich an? Welche sozialen Gruppen erreichen wir nur wenig oder gar nicht? Warum erreichen wir bestimmte Gruppen von AdressatInnen einfacher und andere nicht? Welche erfolgreichen Konzepte haben wir bereits, mit denen wir bisher nicht erreichte bildungsferne Gruppen gewinnen können, welche können wir modifizieren? Welche Gruppen wollen wir bzw. können wir überhaupt erreichen? Was können wir selbst leisten leisten, wo brauchen wir externe Unterstützung? Welche Voraussetzungen bringen die eigenen Mitarbeitenden mit? (Bspw. Zweisprachigkeit, eigener Migrationshintergrund, persönliche Netzwerke, spezifische berufliche aber auch persönliche Erfahrungen Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Beispiele 3: Organisationsentwicklung – Ziele
• Implementierung von aufsuchender Bildungsarbeit • Qualifizierung und Fortbildung der Mitarbeitenden • Bildungsverständnis g • Finanzierung
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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Beispiele 3: Organisationsentwicklung – Entwurf eines Leitfadens Aspekt
Leitende Frage
Trägerhintergrund Leitbild und die Zielgruppe Bildungsferne Soziale, kulturelle, geographische Standorte und die Anschlussfähigkeit an Sozialstrukturen und Milieus
Welche Ziele hat der Träger? Was haben wir den Bildungsfernen für ihr Leben zu bieten?
Haltung: Nähe und Distanz zu den Zielgruppen
Welche ethischen und politischen Haltungen haben die Verantwortlichen und Mitarbeiter/innen gegenüber den Zielgruppen?
Personalkompetenz
Was sollte das pädagogische Personal fachliche und menschlich auszeichnen? In welchen Kontexten haben wir wie viele Brückenmenschen? Gibt es spezifische (eigene) Konzepte (Themen, Bildungsverständnis, Didaktik, Methoden)? Mit wem ist die Einrichtung vernetzt und welche Rolle kann sie in Netzwerken gut spielen? Welche Kreativität und welche Anforderungen braucht die Finanzbeschaffung und Preisgestaltung? Gibt es spezifische Räume, Formen und bewusst gewählte Zusammenhänge? Mit wem lohnt es sich zu verbünden? Mit wem müssen wir in welcher Sprache uns vermitteln? Für welche Zielgruppen haben wir wie viele Vertrauenspersonen? Wie geht man am klügsten vor, damit bildungsferne Menschen im Blickfeld der Arbeit bleiben?
Pädagogische Konzepte Netzwerke und Netzwerkkompetenz Bildungsökonomie Lernorte – Raumangebote, Lernarrangements Kooperationsstrategien Kommunikation und Marketing Prozessorganisation
Erfahrung/Profil Weitbildungseinr.
Wo ist die Einrichtung mit ihrer Geschichte und ihrem Handeln zuhause?
Quelle: „Nah dran: Weiterbildungseinrichtungen konzentriert auf Bildungsferne“ - Anforderungen und Herausforderungen für die Organisationsentwicklung. Von Leo Jansen, Nell-Breuning-Haus, Herzogenrath. Formatierung durch HB/ MKG.
Wie weiter? • Anknüpfen an Debatte „Bildungsgerechtigkeit“ g zwischen „„Inklusion“ und „„Exklusion“ • Weiterbildung • neue Formen und Wege der Ansprache, Themenfindung und Seminargestaltung finden
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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10.07.2012
Welche Rolle spielt (Weiter-)Bildung?
Wie steht man (Weiter-)Bildung gegenüber?
Wie ist der Zugang zu Weiterbildung?
Wie ist der Zugang zum politischen Feld?
Obere Milieus
Selbstverwirklichung Soziale und kulturelle Hegemonie
Intrinsisch, Selbstsicher
Aktiv aufsuchend
Beherrschen der legitimen politischen Kompetenz und Artikulationsformen Selbstrepräsentation
Respektable Milieus
Nützlichkeit und Anerkennung (mehr) Autonomie und Status
Pragmatische Horizonterweiterung Ambivalenz: Zumutung oder Chance
Teilnahme über soziale Netze
Entwertung der politischen Kompetenz und Artikulationsformen Repräsentation über Verbände
Unterprivilegierte Milieus
Notwendigkeit und Mithalten, Vermeiden von Ausgrenzung, mitunter Zwang
Bildung als Bürde, Unsicherheit. Selbstausschluss („Auswärtsspiel“), Misstrauen
Aufsuchende Bildungsarbeit
Nicht-Anerkennung der politischen Kompetenz und Artikulationsformen Oft keine Repräsentation
Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
Wie weiter? • Anknüpfen an Debatte „Bildungsgerechtigkeit“ g zwischen „„Inklusion“ und „„Exklusion“ • Weiterbildung • neue Formen und Wege der Ansprache, Themenfindung und Seminargestaltung finden • WB-Gesetz: Spielräume dafür erweitern • WB-Gesetz = „Benachteiligtengesetz“? • Bildung und/oder Soziale Arbeit: Phantomdebatte? Weiterbildung muss in der Lage sein, Bildungsarbeit für alle Bevölkerungsgruppen zu machen • „Bildungsferne“ = „Demokratieferne“: problematische Analogie? Wer ist „demokratiefern“? Was würde daraus folgen? Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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Mehr: • http://www.die-weiterbildung-in-nrw.de/positionen/agbildungsgerechtigkeit/ag-bildungsgerechtigkeit.html • www.uni-due.de/politische-bildung/ • Bremer, Helmut/ Kleemann-Göhring, Mark (2011): WEITERBILDUNG UND „BILDUNGSFERNE". FORSCHUNGSBEFUNDE, THEORETISCHE EINSICHTEN UND MÖGLICHKEITEN FÜR DIE PRAXIS • Bremer, Helmut/ Kleemann-Göhring, Mark (2010): POTENZIALE DER WEITERBILDUNG DURCH DEN ZUGANG ZU SOZIALEN GRUPPEN ENTWICKELN (ABSCHLUSSBERICHT ) Prof. Dr. Helmut Bremer (Uni Duisburg-Essen)
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Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer
Wie erreicht politische Bildung „bildungsferne“ und demokratieferne Gruppen? Thesen zum Expertenworkshop des DGB-Bildungswerks NRW „Zugänge zur Weiterbildung für sogenannte Bildungsferne“, Düsseldorf, 23.4.2012
Politische Erwachsenenbildung erreicht üblicherweise die durch Bildung und soziale Situation eher gut integrierten Gruppen und Milieus. Das hat Konsequenzen für die Bildungsprogramme: Denn einmal ist das eine sichere Planungsgröße, zum anderen erwarten diese Gruppen von den Bildungsinstitutionen, ihren Vorstellungen entsprechend bedient zu werden. (Phänomen des „circulären Irreseins“), Es hat sich vielfach so ein planungsstrategischer und struktureller Konservatismus etabliert. Dieser müsste von den in den Institutionen arbeitenden pädagogischen Mitarbeiter/innen reflektiert werden. Zu bezweifeln ist, ob das überhaupt realistisch ist. Dagegen sprechen folgende Umstände: • die meist langjährige berufliche und politische Sozialisation der Pädagoginnen und Pädagogen, • die gesellschaftliche Situation der Pädagoginnen und Pädagogen, die der ihrer Teilnehmerinnen und Teilnehmer entspricht. • eine Planungsarbeit, die eher auf Sicherheit und weniger auf Risiko, eher auf Bewährtem und weniger auf Experimenten beruht, • der internalisierte betriebswirtschaftliche Blick, der sich vornehmlich auf Veranstaltungen richtet, die sich finanziell „lohnen“, • die häufige Vielfachbelastung von pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (nur die allerwenigsten arbeiten ausschließlich in der politischen Bildung), • die Erwartungen der Träger, dass die Einrichtungen sichere Stunden und wenig „Ausfall“ realisieren. Geplant wird so eher das, was sicher ist und sich in der Vergangenheit bewährt hat. Damit aber bleibt der Blick verstellt auf die Mehrheit, die keine Veranstaltungen zur politischen Bildung besucht. Doch auf eine beträchtliche zusätzliche Zahl von Menschen kommt es an, wenn politische Bildung ihren Aufgaben gerecht werden will: für Demokratie zu begeistern, zivilgesellschaftliches Engagement zu fördern, die Menschenrechte zu verteidigen. Zu erinnern ist an wachsenden Unmut über Politik, Skepsis gegenüber demokratischen Verfahren, beträchtliche fremdenfeindliche, rechtspopulistische und rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung (siehe meine Ausführungen im ersten Workshop)
Eine zersplittert erscheinende und unübersichtlich wirkende Welt ist ein Grund dafür, warum sich viele Menschen in Nischen zurückziehen, privatisieren, politikabstinent, gar politikfeindlich und letztendlich demokratiefern werden. Dagegen steht die schwierige Aufgabe der „Wiederherstellung der wirklichen Zusammenhänge der Welt. Der aufgeklärte Mensch ist der diese Zusammenhänge begreifende Mensch, und das ist die Grundlage seiner Mündigkeit.“ (Oskar Negt: Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform, Göttingen 20110, S. 211). Politische Bildung hat die Aufgabe, die Urteilskraft der Menschen zu fördern, und zwar der Urteilskraft, die eine politische Dimension hat. Politische Bildung will anregen und anstiften, öffentlich die Vernunft zu gebrauchen (nach ebd., 379) Zu identifizieren wäre also zunächst, welche Gruppen fern von politischer Bildung und/oder Demokratie sind, welche nicht in der Lage oder bereit sind, öffentlich ihre Vernunft zu gebrauchen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit der Zurückweisung einer Unterstellung, Gruppen pauschal zu diskreditieren, seien genannt: • sozial abgehängte, • fremdenfeindlich, rassistisch, national- und sozialchauvinistisch eingestellte, • fundamentalistische und ethnozentristisch orientierte, • im Hier und Jetzt, lediglich hedonistisch lebende • primär „ego-taktisch“ handelnde, • an ihrer Emanzipation gehinderte Menschen. Statistisch unterrepräsentiert sind bei den Teilnehmerzahlen der politischen Erwachsenenbildung: Menschen mit geringer schulischer Bildung, Migrantinnen und Migranten, Arbeitslose ...aber auch wohl und gut Etablierte... - nicht zuletzt Politikerinnen und Politiker… Will politische Bildung diese Menschen erreichen, dann gibt es drei grundlegende Hindernisse: ein soziales, ein psychologisches und eines, das in Nützlichkeitserwägungen begründet ist. Die soziale Barriere besteht in der räumlichen, mentalen, sprachlichen und sozialen Distanz zu potenziellen Adressatinnen und Adressaten (jugendliche Migranten ohne Schulabschluss, Menschen ohne ausreichende formale Grundbildung z.B.). Die psychologische Kluft ergibt sich aus einem Muster an Ressentiments und Vorurteilen gegen „die“ Politik und „die“ Demokratie (Rechtspopulisten und Politikverweigerer z.B.). Vielfach wird die Frage danach gestellt, wem und was politische Bildung überhaupt nützt – vor allem wenn der „Eintritt“ auch noch mit Gebühren belegt ist. Daher muss verdeutlicht werden, dass politische Bildung nicht unbedingt eine instrumentelle Nützlichkeit, wohl aber einen persönlichen und gesellschaftlichen Nutzen bringt. Soll politische Bildung trotz dieser Hindernisse dennoch Anknüpfungspunkte finden, dann muss sie einmal – allerdings ohne Substanz- und Theorieverlust – ihren häufig zu beobachtenden elitären
Duktus (Sprache, Habitus, Erscheinungsbild, Themenwahl) verlassen. Zum anderen muss politische Bildung ihre Anspracheform ändern: weg von einer Komm-, hin zu einer Geh-Institution; d.h. Politische Bildung muss aufsuchende politische Bildung werden. Des Weiteren muss politische Bildung Vertrauen genau bei denjenigen finden, die kein Vertrauen in Politik haben. Das geschieht am ehesten durch Menschen, die in den Milieus und Quartieren leben, diese zumindest genuin kennen und Brücken zwischen den Welten (der etablierten und der randständigen) bauen können. Sie sind die „Türöffner“ zum Besuch von Bildungsveranstaltungen. Dafür muss eine Infrastruktur aufgebaut werden. Das erfordert Zeit, nicht wenig Geld und die Gelassenheit und Unterstützung, scheitern zu können. In erreichten Stundenvolumina ist dann die Arbeit von politischen Bildnerinnen und Bildnern nicht zu bemessen. Politische Bildung darf dann nicht zum betriebswirtschaftlichen Faktor werden – sie muss außerhalb eines Kosten-Leistungs- und Renditedenkens sein. Am ehesten bestehen Aussichten auf Erfolg, wenn politische Bildung Beziehung herstellt zur beruflichen, interkulturellen und sozialen Bildung. Damit muss sie auch einen weiten (aber keinen ins Beliebige entgrenzten!) Politikbegriff zu Grunde legen, einen der von der Lebenswelt ausgeht und von da zu den Systemfragen kommt. Methodisch gibt es bewährte Beispiele: Zukunftswerkstätten, Stadtteilarbeit, Lernen vor Ort, sozialräumliche Bildungsarbeit, historisch-politische Bildung durch Stadtteilmütter, Argumentationstrainings... Wenn eine Gruppe angesprochen werden kann, dann ist vieles möglich. So gibt es beispielswiese Erfahrungen darüber, dass in Alphabetisierungs-/Grundbildungskursen erfolgreich politische Bildung mit Karikaturen als Medium, durch Erkundungen des politischen Nahbereichs, mit Hilfe von aufbereiteten Zeitungsartikeln, in Argumentationstrainings, in Sokratischen Gesprächen durchgeführt werden konnte (Referenz: Jens Korfkamp) Trotzdem bleibt die entscheidende Frage nach dem Transfer von der Subjektivität zur Objektivität, von Persönlichen zum Allgemeinen, vom Privaten zum Öffentlichen: „Wie bekommt man zehn türkische Frauen, die man zu gemeinsamen Nähen bewegen konnte, dazu, sich mit Metaphysik zu beschäftigen?“ (Ulrich Jung)
TeilnehmerInnen der Expertenworkshops Bremer, Prof. Dr. Helmut
Universität Duisburg-Essen
Brülls, Dr. Klaus
DGB-Bildungswerk NRW e.V.
Disselnkötter, Andreas Grigo, Wiebke
Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW DGB-Bildungswerk NRW e.V.
Heinemann, Dr. Ulrich
Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW
Heitmann, Frauke
Paritätisches Bildungswerk LV NRW e.V.
Hufer, Prof. Dr. Klaus-Peter
Universität Duisburg-Essen/VHS Kreis Viersen
Jung, Dr. Ulrich Kleemann-Göhring, Mark
GEW NRW Univ. Duisburg-Essen/Fakultät für Bildungswissenschaften
Klein, Wilfried
Willi-Eichler-Bildungswerk
Loreit, Franziska
Justus-Liebig-Universität Giessen
Maschner, Heike
Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW
Schemmann, Prof. Dr. Michael
Justus-Liebig-Universität Giessen
Schneider, Günter
Arbeit und Leben NRW
Schröder, Olaf
Moderation
Schudoma, Laura
Universität Duisburg-Essen
Werdin, Bernd
Landeszentrale für politische Bildung NRW
Witt, Iris
Landesverband der Volkshochschulen von NRW
Wupper-Tewes, Dr. Hans
Landeszentrale für politische Bildung