Wer viel hat, gibt viel Gemeinschaft braucht klare Strukturen - auch in Sachen Geld Thomas Begrich

Quelle: http://zeitzeichen.net/meinung/contra-kirchensteuer/ Auszug vom 3. Februar 2015 pro und contra: Kirchensteuer - Fluch oder Segen? Für viele M...
Author: Heini Winkler
6 downloads 0 Views 148KB Size
Quelle: http://zeitzeichen.net/meinung/contra-kirchensteuer/ Auszug vom 3. Februar 2015

pro und contra: Kirchensteuer - Fluch oder Segen? Für viele Menschen ist die Kirchensteuer ein rotes Tuch. Immer wieder ist sie Gegenstand von Diskussionen. Was spricht dafür, was spricht dagegen? Ist diese besondere Steuer gerecht, und welches Bild von Kirche steht dahinter? Entschieden für das System Kirchensteuer ist Oberkirchenrat Thomas Begrich, Leiter der Finanzabteilung des EKDKirchenamtes. Entschieden dagegen ist der bayerische Pfarrer Jochen Teuffel.

Wer viel hat, gibt viel Gemeinschaft braucht klare Strukturen - auch in Sachen Geld Thomas Begrich

Damit die Kirche für den Einzelnen und für die Gesellschaft segensreich wirken kann, braucht sie eine solide Finanzierung. Besser und gerechter als mit der Kirchensteuer geht es nicht, findet Thomas Begrich. (Foto: EKD/Ulrich Hacke)

Die Argumentation ist leidenschaftlich: Nein, wir brauchen keine Kirchensteuer. Wir brauchen auch keine Kirchen, keine Gemeindehäuser, keine Pfarrerinnen und Pfarrer, keine Kindergärten ... Als Christ kann ich doch auch ohne das alles leben? Doch ganz so einfach ist es nicht! Man kann nicht als Christ allein vor sich hin leben, man braucht die Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft aber gibt sich Strukturen, sie schafft Bedingungen und Regeln, in denen sie lebt und wirkt. Unsere Strukturen sind tausend Jahre alt. In allen Dörfern und Städten künden Kirchtürme davon: Hier ist Gemeinde, hier leben Christen ihren Glauben. Wir haben also Gebäude, Kirchen, Gemeindehäuser, Kindergärten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir wollen das alles. Wir brauchen es. Die christliche Gemeinde ist vielfältig organisiert. Und darum die Kirchensteuer? Ja. Darum die Kirchensteuer. Sie ist Teil unserer Struktur und Teil unserer Kultur. Warum eigentlich steht sie immer wieder in der Kritik? Vielleicht macht es das Wort "Steuer" - das klingt harsch, ungeliebt und nach staatlichem Zwang. Was ist da dran?

Seite 2 von 6: "pro und contra: Kirchensteuer - Fluch oder Segen?" zeitzeichen Ausgabe 2/2015

Weit verbreitet sind drei große Irrtümer. Irrtum eins: "Die Kirchensteuer ist Zwang." Richtig ist: Jede Kirchenmitgliedschaft ist freiwillig und damit auch die Kirchensteuer. Mitglied der Kirche bin ich zunächst durch die Taufe. Wenn ich als Kind getauft bin, kommt dennoch irgendwann der Zeitpunkt - und das wohl immer wieder neu -, an dem ich mir die Frage stelle: Will ich Mitglied dieser Kirche sein? Und wenn ich das will, trage ich sie auch mit, durch mein Tun und durch mein Geld. Ganz freiwillig. Ich trage auch mit, dass meine Kirche - so wie jeder Verein auch - Regeln hat, wie ich zu den finanziellen Lasten beitrage. Ich füge mich ein. Aus Überzeugung, um der Liebe willen oder auch nur aus Gewohnheit. Vielleicht auch aus Bequemlichkeit. Aber ich tue es freiwillig.

Schweden zog nach Irrtum zwei: "Die Kirchensteuer verletzt das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat." Richtig ist: Die Kirchensteuer besiegelt die Trennung von Kirche und Staat. Sie wurde etwa in Preußen 1905 eingeführt, um den Staat von den Lasten für eine staatsnahe Kirche zu entlasten. Das gerade schuf die finanzielle Voraussetzung für die Trennung von Staat und Kirche, die dann in der Weimarer Republik vollzogen wurde. Folgerichtig verankerte die Weimarer Reichsverfassung (und heute das Grundgesetz) das Steuererhebungsrecht der Kirchen, um diese Trennung dauerhaft zu gewährleisten. Das haben auch andere Staaten erkannt. So haben Schweden und Finnland erst in diesem Jahrhundert die Staatskirche abgeschafft und die Kirchensteuer eingeführt: als Siegel der Trennung von Staat und Kirche. Irrtum drei: "Die Kirchensteuer ist nicht evangeliumsgemäß." Richtig ist: Auch Jesus zahlte Tempelsteuer. Er sandte seine Jünger ohne Geld in die Städte und Dörfer, darauf vertrauend, dass sie versorgt werden. Er vertraute auch darauf, dass die Frauen als Jüngerinnen ihnen mit ihrer Habe dienten. Aber er zahlte auch die Tempelsteuer. Er verteidigte die rechte Art, den Zehnten zu geben. Paulus sammelte eine Kollekte für die notleidende Gemeinde in Jerusalem. Viele Formen einer frühen Finanzierung. Aus der Zeit des Wanderpredigens und der frühen Kirche aber lässt sich schwer ableiten, wie die Kirche sich heute evangeliumsgemäß finanzieren kann. Gewiss gibt es viele Möglichkeiten, kirchliche Arbeit zu finanzieren. Unsere Synoden haben sich für die Kirchensteuer entschieden. Nicht evangeliumsgemäß? Bei den Reformatoren kann man lernen: "Von Kirchenordnungen, die von Menschen gemacht sind, lehrt man diejenigen einzuhalten, die ohne Sünde eingehalten werden können und die dem Frieden dienen und der guten Ordnung der Kirche..." (Augsburger Bekenntnis, Artikel 15). Das kann man wohl getrost auch von der Ordnung der Kirchensteuer voraussetzen. Was aber ist nun gut an der Kirchensteuer? Gut ist: Die Gerechtigkeit. Die Kirchensteuer knüpft an das staatliche Steuersystem an. Dies bemüht sich um eine gerechte Bemessung aller Steuerzahlenden. Wer viel hat, gibt viel. Wer wenig hat, gibt wenig. Wer nichts beitragen kann, gibt nichts. Aber alle haben im gleichen Maß Teil an dem, was die Gesellschaft - hier also die Kirche - für alle leistet. Jeder bringt sich nach dem Maß seiner Möglichkeiten ein, jedem ist Teilhabe ermöglicht. So geht Gerechtigkeit.

Seite 3 von 6: "pro und contra: Kirchensteuer - Fluch oder Segen?" zeitzeichen Ausgabe 2/2015

Solidarisch und unabhängig Gut ist: Die Planbarkeit. Die Erhebung des Finanzbeitrages der Mitglieder als Steuer schafft eine regelmäßige und planbare Grundlage. Die kirchliche Arbeit kann so verlässlich geplant und gestaltet werden. Die Abhängigkeit von staatlichen Regelungen und wirtschaftlicher Blüte schafft zwar gewisse Unwägbarkeiten - die aber sind weniger bedeutsam als jedes andere Finanzbeitragssystem, bei dem diese Unwägbarkeiten noch obendrein kommen. Gut ist: Die Unabhängigkeit. Eine feste Regel als Steuer macht unabhängig vom Willen einzelner Zahler. Die kirchliche Arbeit ist so nicht vom Willen und Wollen finanzkräftiger Gemeindeglieder abhängig. Und auch nicht von der Akzeptanz - oder Nichtakzeptanz verschiedener Meinungs- und Glaubensverständnisse, wie sie gerade der evangelischen Kirche eigen sind. Nicht Einzelne steuern so mit ihrem Geld direkt oder indirekt die Kirche. Die Kirche wird von der ganzen Gemeinde verantwortet - ohne Rücksicht und ohne heimlichen Blick auf den Geldbeutel. Gut ist: Die Solidarität. Die Kirchensteuer schafft den Ausgleich zwischen den Gemeinden. Weil sie nicht abhängig ist vom Einzelnen, vermag sie den Ausgleich zu schaffen, zwischen armen und reichen Gemeinden, zwischen armen und weniger armen Landeskirchen. Eine rein spendenbasierte Gemeindefinanzierung würde vermutlich eine breite Spur kahler Landschaften hinter sich lassen. Unser Anspruch als Volkskirche ist aber: Das Evangelium möge überall lebendig gepredigt werden können. Was kann die Kirchensteuer nicht? Lebendige Gemeinden schaffen, das kann sie nicht. Das kann kein Geld der Welt, das können keine Finanzierungsarten. Geld benötigt man wohl. Aber Gemeinde ist immer mehr als Geld. Ohne Engagement, ohne Bewusstsein, ohne Bereitschaft geht es alles nicht. Eine lebendige Gemeinde braucht lebendige Menschen. Nicht einfach nur Geld. Sie braucht uns. Und sie braucht Seine Gnade. Gott sei Dank.

Seite 4 von 6: "pro und contra: Kirchensteuer - Fluch oder Segen?" zeitzeichen Ausgabe 2/2015

Lackmustest evangelischer Freiheit Warum eine steuerfinanzierte Pfarramtskirche keine Zukunft hat Jochen Teuffel

Die Kirchensteuer ist ein unseliges Erbe des landesherrlichen Kirchenregiments. Es wird höchste Zeit, dass sich die Kirchen aus dieser "babylonischen Gefangenschaft" befreien, meint Jochen Teuffel. (Foto: privat)

"Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!" (Galater 5,1). Der Freiheitsruf des Apostels Paulus gilt in der evangelischen Kirche, will diese doch "Kirche der Freiheit" sein. Dabei ist die evangelische Freiheit im höchsten Maße anspruchsvoll: Wo Jesus Christus mit der Hingabe seines Lebens sich mir im Glauben zusagt, werde ich von Sünde und Tod befreit. Die Freiheit eines Christenmenschen gewinne ich in der kirchlichen Lebensgemeinschaft mit Christus. Das Evangelium von der selbstlosen Hingabe Christi regiert die Kirche, das Gesetz hat außen vor zu bleiben. Es gelten geschwisterliche Liebe und Freiwilligkeit, gesetzlich darf nichts erzwungen werden. Der Lackmustest evangelischer Freiheit ist die Organisationsform der Kirche mit ihrem Finanzwesen. Und da geschieht ja Erstaunliches: Fast alle Kirchen weltweit erheben weder festgesetzte Mitgliedsbeiträge, die zivilrechtlich eingeklagt werden können, noch Kirchensteuern, die hoheitlich beigetrieben werden können. Stattdessen geben die Gläubigen in den Gemeinden freiwillig, was der Kirche zukommen soll. Damit beherzigt man die Worte des Apostels Paulus im Zweiten Korintherbrief: "Jeder aber gebe, wie er es sich im Herzen vorgenommen hat, ohne Bedauern und ohne Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb." (2. Korinther 9,7) Freiwillig hingeben dürfen, ist etwas ganz anderes, als gezwungenermaßen abgeben müssen. Mit selbstbestimmten Gaben gewinnen Christen nämlich Anteil am Dienst des Evangeliums und stehen füreinander geschwisterlich ein.

Zwang statt Freiwilligkeit Wie anders zeigen sich Landeskirchen, wenn von deren Mitgliedern Steuern kraft staatlicher Hoheitsgewalt erhoben werden. Man hat als Steuerschuldner keine eigene Wahl, ob man zahlen, wieviel man zahlen und für was man zahlen will. So charakterisiert der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD Wolfgang Huber die Kirchensteuer rechtlich zutreffend: "Von allen anderen finanziellen Leistungen der Mitglieder an die Kirche unterscheidet sich die

Seite 5 von 6: "pro und contra: Kirchensteuer - Fluch oder Segen?" zeitzeichen Ausgabe 2/2015

Kirchensteuer schließlich dadurch, dass sie den Charakter einer Zwangsabgabe trägt. Zur Eintreibung der Steuer stellt der Staat der Kirche seine Zwangsgewalt zur Verfügung." Werden Kirchensteuern erhoben, tritt an die Stelle von Freiwilligkeit ein Zwangsverhältnis. Natürlich, jedes Kirchenmitglied kann sich durch Kirchenaustritt der Steuerpflicht entziehen, aber das hebt deren Zwangscharakter nicht auf. "Kirche der Freiheit" heißt ja nicht, dass man freien Entschlusses von der Landeskirche und deren Steuern loskommen kann, sondern dass die Gläubigen mit ihrer Hingabe innerhalb der Kirche frei sind. So gilt, was Jesus selbst in Sachen Steuer gesagt hat: ,,Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!" (Markus 12,17) Steuern hat man an den Staat zu zahlen; Gott aber gibt man sich in seiner Kirche freiwillig mit Leib und Seele hin. Die Kinder Gottes leben aus der bedingungslosen Selbsthingabe Jesu Christi. Kirchensteuern sind das Erbe des landesherrlichen Kirchenregiments. Sie stehen für die Vorfinanzierung einer territorial organisierten Pfarramtskirche, die religiöse Dienstleistungen unverbindlich im Angebot hat. Ganz anders das biblische Zeugnis, demzufolge sich Kirche als gottesdienstlich versammelte Gemeinde vor Ort findet. Nicht Kirche gilt es zu finanzieren, aber in und mit den Gemeinden lassen sich Dienste und Dinge finanzieren, wenn diese von der Hingabe der Gläubigen getragen werden.

Auf Distanz Wenn es um die Verteidigung der Kirchensteuer geht, werden religiöse und soziale Dienste herausgestellt, die einer verlässlichen Finanzierung bedürfen. Kirche scheint maßgeblicher gesellschaftlicher Handlungsträger zu sein - sie will, sie macht, sie tut und sie braucht. Solche Begründungen lassen Jesus Christus unerwähnt. Stattdessen wird Kirche gemeindeunabhängig eine eigene Handlungsmächtigkeit zugeschrieben, die fremdfinanziert sein muss. Kirchensteuer hält Kirchenmitglieder auf Distanz zum Evangelium und zur Gemeinschaft der Gläubigen. Sie können damit selbst keinen Anteil an der kirchlichen Sendung gewinnen. Es erwächst ein beziehungsloses finanzielles Vermögen, das eigendynamische Zwecksetzungen bedingt. Je weiter die Bandbreite an landeskirchlichen Aktivitäten und Einrichtungen ist, umso größer erscheint dann auch der Finanzierungsbedarf für deren Fortsetzung. Je mehr Geld im Spiel ist, umso mehr Entscheidungen werden in Abhängigkeit von Geld getroffen. Vordergründig lässt sich eine Zwangslage plausibel machen: Ohne Kirchensteuer gäbe es die Kirche nicht länger. So sind also die steuerfinanzierten Landeskirchen in der "babylonischen Gefangenschaft" des Geldes gehalten. Der Ausstieg aus der Kirchensteuer lässt sich kaum über Nacht vollziehen. Aber man könnte beispielsweise den Hebesatz der Kirchensteuer über einen Zeitraum von 40 Jahren stufenweise auf null zurückführen. Das gibt genügend Zeit für eine fällige Kirchenreform: An die Stelle der parochialen Pfarramtskirche mit ihrem latenten Untertanen- beziehungsweise Kundengeist tritt die Gemeindekirche. Christinnen und Christen sammeln sich in Gemeinden, die eigenverantwortlich für das Evangelium vor Ort einstehen. Sie wählen ihre Amtsträger auch die Pfarrer - selbst und bringen die Mittel für gemeindliche wie auch übergemeindliche Dienste freiwillig auf. Dabei sind die Gemeinden nicht auf sich allein gestellt. An die Stelle

Seite 6 von 6: "pro und contra: Kirchensteuer - Fluch oder Segen?" zeitzeichen Ausgabe 2/2015

einer obrigkeitlichen Kirchenaufsicht tritt die geschwisterliche Visitation, ein geistlicher Dienst, bei dem Gemeinden regelmäßig durch Glieder anderer Gemeinden besucht und gegebenenfalls korrigiert werden. Wenn es um die Zukunft der Kirche in Deutschland geht, wird das Engagement der Gläubigen entscheidend sein, ihre Bereitschaft, Gottesdienste zu feiern, Glauben zu bezeugen und Mitmenschen zu helfen. Eine solche Hingabe erwächst dort, wo Menschen in der Gemeinschaft vor Ort immer wieder neu erfahren, dass es in der Kirche Jesu Christi um das eigene Leben geht. In einer steuerfinanzierten Pfarramtskirche ist das aber nicht wirklich zu erreichen.