Wer sind die Donauschwaben?

Wer sind die Donauschwaben? Der Weg, der Werdegang der Donauschwaben kann wie bei kaum einem anderen deutschen Stamm bis in die Einzelheiten zurückver...
Author: Ralph Graf
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Wer sind die Donauschwaben? Der Weg, der Werdegang der Donauschwaben kann wie bei kaum einem anderen deutschen Stamm bis in die Einzelheiten zurückverfolgt werden. I. Politische Voraussetzungen Die Geschichte dieser Volksgruppe aus tüchtigen Bauern und Handwerkern begann mit dem Sieg christlicher Heere anno 1683 am Kahlenberg bei Wien. Die Türken wurden damals vor Wien abgewehrt und in den anschließenden Befreiungskriegen unter Karl von Lothringen, Max Emanuel von Bayern, Ludwig von Baden, dem „Türkenlouis“ und dem vielbesungenen Prinzen Eugen aus dem Raum der mittleren Donau hinausgedrängt. (S. die nächste Tafel mit den Bildnissen der Feldherren. Abbn. 2-5). Die habsburgischen Kaiser sowie weltliche und geistliche Grundherren wollten aus den menschenleeren und verwüsteten Landschaften Pannoniens, die ja bis zur Verselbständigung Ungarns 1867 zum Reich gehörten, einen geschützten und durch befestigte Städte zu schützenden Lebensraum gestalten, dessen natürliche Grenzen die Ostalpen, Donau und Save bildeten. (Vgl. Abb. 14) Ähnliche Ziele verfolgten ab 1712 weiter östlich z.B. die Grafen Karolyi mit der Kolonisierung des Sathmarer Gebietes.

Abb. 1: Seit 1526 waren die österreichischen Habsburger auch Könige von Böhmen und Ungarn. Sie mussten allerdings fast 200 Jahre lang mit den Türken um die südöstlichen Besitzungen kämpfen. Erst die Friedensschlüsse von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) bestätigten die territorialen Gewinne nach dem Entsatz von Wien (1683). Für die Anwerbung der „Donauschwaben“ kamen den Habsburgern ihre westlichen Besitzungen (dklgrün.) zugute. Die rotgepunktete Fläche von der Adria bis weit den Karpatenbogen hinauf zeigt die „Militärgrenze“ zum Osmanischen Reich. Die gelblichen Flächen (mit Jahreszahl) markieren die größte Ausdehnung des Habsburgerreichs.

Abb. 2: Karl (V.) von Lothringen (1643-1690)

Herzog v. Lothringen, Schwager Kaiser Leopolds I. Statthalter v. Tirol u. den Vorlanden, kaiserlicher Feldherr. 1683 Mitbefreier Wiens, 1686 Miteroberer von Ofen, 1687 Sieg bei Mohács.

Abb. 4: Max Emanuel (1662-1726), der „Blaue Kurfürst“. Großmachtträumer, Draufgänger, Feldherr, Kunstfreund, Schlösserbauer. 1683 (Mit-) Entsatz Wiens gegen türkische Belagerer, 1688 1.Eroberung Belgrads gegen türkische Verteidiger 1704 Niederlage bei Höchstädt (Span. Erbfolgekrieg; (Reichsacht für M. E.), 1705 „Sendlinger Mordweihnacht“ (österr. Besetzung Bayerns), Bau des Neuen Schlosses Schleißheim; Fürstenrieds, Gemäldesammlung für heutige Alte Pinakothek. (Münchner Türkenstraße).

Abb. 3: Ludwig von Baden (1655-1707), „Türkenlouis“

Markgraf v. Baden, kaiserl. Feldmarschall (1686), Oberbefehlshaber an der Osmanischen Front (1689; über 20 Schlachten), Obh. a. d. Franzosenfront (1693), barocker Bauherr („Versailles“ in Rastatt ab 1697). 1683 Mitbefreier von Wien, 1691 Sieger bei Slankamen (Theiß-Mündung) gegen Türken. Sein Vetter, Prinz Eugen, führt den Kampf erfolgreich weiter.

Abb. 5: Prinz Eugen von Savoyen-Carignan (16631736), Feldherr, Staatsmann, Kunstliebhaber (Mäzen, Sammler, Bauherr > Belvedere), Philosoph. 1683 1693 1697 1699

Oberstleutnant in der Schlacht am Kahlenberg, Feldmarschall, Sieg über Türken bei Senta/Theiß als Oberbefehlshaber, Friede von Karlowitz: Österreich erhält TürkischUngarn, Siebenbürgen, Slawonien, 1704 Sieg (mit Herzog von Marlborough) bei Höchstädt (Blindheim > Blenheim Palace) im Span. Erbfolgekrieg, 1717 Sieg über Türken bei Peterwardein, Wiedereroberung Belgrads (Lied: „Prinz Eugen, der edle Ritter“), 1718 Friede von Passarowitz: Österreich erhält nördl. Serbien, Banat, westl. Walachei.

In Der Traum vom Reich von M. Jelusich (1941) findet der „Edle Ritter“ Prinz Eugen von Savoyen, des Kaisers Feldherr, etwas schönfärberische - insofern sie Mühelosigkeit suggerieren - , aber folgenschwere Worte, gemünzt auf die (damals) südungarischen Gebiete: „Ich will zu Ihnen von einem Lande sprechen, das Sie nicht kennen, davon Sie kaum gehört haben...(...)Ich habe das Land gesehen, ich bin über seine fette, schwarze Erde geritten, ich habe dort meine Schlachten geschlagen, wünschend, ich könnte als Gutsherr darüber reiten. Dort ist noch Brot für viele Tausende, dort ist Arbeit für zahllose Hände. Das Land wartet auf Sie, Majestät. Sie haben im Reich Überfluss an Menschen, die nach Land hungrig sind (...) Sie sollen Ihnen ein neues Reich gründen, nicht mit dem Schwerte, wie Reiche sonst gegründet werden, sondern mit Spaten und Pflug.“ Abb. 6: Nebenstehende Tafel zeigt, dass es sich dabei um ein freies Zitat von Stefan Augsburgers (1840-1893) Spruch „Nicht mit dem Schwerte…“ handelt. (Augsburger, geb. in Filipovo, gest. in Batschsentiwan, war Pfarrer, Dichter, Professor und Abgeordneter. Er ist auch als Rónay-Augsburger bekannt.) Die markante Äußerung war zuerst an der Kirche von Parabutsch zu sehen und bald unter Donauschwaben sehr verbreitet. (Vgl. den Pflug im Wappen der Ungarndeutschen und vor dem HDD.)

Der gewaltige Gedanke überwältigt den Kaiser nicht zuletzt, weil er mittel- und langfristig bedenken musste, dass „die Abgaben an den Lehensherrn eine wesentliche Grundlage des ganzen Systems [bildeten]“ (Jakob Huff, „Die Donau“), und dass „Fachleute“ die beste Gewähr dafür boten. Die Wichtigkeit dieses Gedankens zeigt z.B. auch die Anwerbung italienischer Seidenraupenzüchter). So siedelten sich zwischen 1683 und 1786 rund 150 000 Menschen im Donaubecken an. Es entstanden Siedlungsgebiete mit geschlossener oder verdichteter deutscher Bevölkerung. Schwerpunktmäßig bildeten sich sechs Gebiete heraus, (vgl. die sechs Türme der Burg Temeswar im Wappen der Donauschwaben, Abb.7; Reihenfolge = etwa Nähe zur Donau). 1. Das Ungarische Mittelgebirge nördl. des Plattensees bis zum Donauknie mit dem heutigen Budapest, 2. die Schwäbische Türkei zwischen Plattensee, Drau und Donau mit dem Zentrum Fünfkirchen/ Pécs. (Das Wappen der Ungarndeutschen – vgl. Schrank-wand oben Mitte – vereinigt beide Gebiete), 3. die Batschka zwischen Donau und Theiß (das alte Komitat Bács-Bodrog lag überwiegend auf heute serbischem Gebiet; nach dem Ersten Weltkrieg gab es also eine kleinere - ungarische - und eine größere - serbische - Batschka), 4. das Banat zwischen Mieresch/ Maros, Theiß und Donau mit dem Zentrum Temeswar/ Temeschburg/ Timişoara. (seit 1920 – Vertrag von Trianon – liegt der größere Teil in Rumänien, der kleinere, das Westbanat, in Serbien), 5. Syrmien/Srem (serb.), Slawonien, Kroatien zwischen Drau Donau und Save mit Esseg/ Osijek und (als östliche Begrenzung) Belgrad und 6. das Sathmarer Gebiet im Nordosten davon (heute rumänisch) um die Städte Sathmar/ Satu Mare und Großkarol/ Carei. (S. nächste Tafel und Abb. 14) Die Einwanderung bzw. Kolonisation zog sich über mehr als ein Jahrhundert hin.

Abb. 7: Das Donauschwaben-Wappen wurde 1950 von dem Banater Hans Diplich (1909-1990) entworfen und von M. Kopp-Krumes (*1930 in Tscherwenka; s. a. Abb. 17) künstlerisch ausgestaltet. Das Wappen zeigt die deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold und die donauschwäbischen Stammesfarben Grün-Weiß; SchwarzRot-Gold, Sinnbild des deutschen Einheitswillens und Farben des deutschen Bundes, sind in das Wappen aufgenommen worden, weil sich die donauschwäbische Stammesgeschichte bis 1806 im Rahmen des römisch-deutschen Reiches vollzog. Weiß ist das Symbol der friedlichen Gesinnung der Donauschwaben, Grün als Farbe der Hoffnung und für das durch Aufbauarbeit zur Kornkammer gewordene Neuland ihrer Heimat. Der schwarze Adler hält seine Schwingen schirmend über die pannonischen Landschaften an der mittleren Donau und symbolisiert die Schutzpflicht der römisch-deutschen Kaiser auch für diese Reichsteile. Der blaue Wellenbalken symbolisiert die Donau, auf oder entlang welcher die deutschen Siedler ins damalige Südungarn kamen. Inmitten fruchtbaren Ackerlandes steht die Festung Temeschburg, flankiert links vom abnehmenden islamischen Halbmond und rechts von der aufgehenden Sonne, dem Symbol für Christus, der das wahre Licht der Welt ist. Die sechs Festungstürme stehen für die sechs donauschwäbischen Hauptsiedlungsgebiete: Ungarisches Mittelgebirge, Schwäbische Türkei, Slawonien-Syrmien, Batschka, Banat, und Sathmar. Der Wappenspruch lautet "Semper atque semper liberi ac indivisi" oder "Für immer frei und ungeteilt", was die Haltung der Donauschwaben symbolisiert.

Während der Regierungszeit Kaiser Karls VI. (des Sohnes von Leopold I.; 1711 - 1740), der Landesmutter Maria Theresia (1740 – 1780) und Kaiser Josephs II. (1780 – 1790) kamen Ansiedler in drei großen (1722-27, 1763-73 und 1782-87) und vielen kleinen „Schwabenzügen“ in die pannonischen Landschaften.

Abb. 8: Kaiser Karl VI (1685-1740) 1., „karolingischer“, Schwabenzug 1722-1726: ca. 23.000 Siedler. Ansiedlung von Bauern aus Deutschland in Teilen der Länder der ungarischen Krone Im Zuge der „Karolingischen Transmigration“ wurden aber auch protestantische Bewohner aus dem Hochstift Salzburg zwangsumgesiedelt. („Landler“). 1713 Pragmatische Sanktion (weibl. Erbfolge): anerkannt von England u. vom Reich 1731, von Frankreich 1735, Großmachtpolitik mit Rückschlägen (Verzicht auf Kolonialtäume – Ostendekompanie, 1727; Verlust Lothringens - 1735, der Gebiete südl. von Donau und Save – 1739), Barocke Kunstliebe: Blütezeit der Hofkapelle (J.J. Fux); Karlskirche (J.B. Fischer v. Erlach), Erweiterung der Hofburg, Universitätsgründung (Ödenburg); Wien Erzbistum.

Abb. 9: Kaiserin Maria Theresia (1717-1780) 2., „theresianischer“, Schwabenzug 1763-1772: ca. 50.000 Siedler. 1736

Ehe mit Herzog Franz Stephan von Lothringen (1745 Kaiser Franz I. Stephan), 1740-48 Österreichischer Erbfolgekrieg: Verlust Schlesiens, 1756-63 Siebenjähriger Krieg, 1774 „Allgemeine Schulordnung“ (Einführung der Schulpflicht vom 6. – 12. Lebensjahr), 1775 Erwerb der Bukowina von den Osmanen, Hauptbauherrin von Schloss Schönbrunn, Heiratspläne für ihre 14 überlebenden Kinder verbesserten die Kommunikation zwischen Habsburgern und Bourbonen .

Abb. 10: Kaiser Joseph II. (1741-1790 3., „josephinischer“, Schwabenzug 1781-1787: ca. 45.000 Siedler. Von seinen vielen Maßnahmen als Vertreter eines „aufgeklärten Absolutismus“ seien genannt: Aufhebung der Leibeigenschaft, Abschaffung der Todesstrafe (Zivilstrafrecht), 1781,1782,1785 Toleranzpatente (weitgehende Glaubensfreiheit und damit Ansiedlungsmöglichkeit für protestantische Donauschwaben; vgl. – Schrankseite – Abb. 15), Gründungen: Allg. Krankenhaus Wien, Schulen, Waisen- u. Armenhäuser. Der Versuch, in seinem Herrschaftsbereich Deutsch als Amtssprache einzuführen, scheiterte.

II. Herkunft, Gruppenbildung und Leistung Anfangs überwogen die schwäbischen Zuwanderer, später die Franken und Bayern, zu denen sich Elsässer, Lothringer, Pfälzer, Hessen, Böhmerwäldler, Schlesier, Westfalen, Schweizer, nicht zuletzt auch Österreicher und, in geringem Ausmaß, Italiener, Tschechen und Slowaken gesellten. Die zahlenmäßige Verteilung der deutschen Kolonisten, zu deren Aufhellung donauschwäbische Familienforscher sehr viel beigetragen haben, ergibt grob gerechnet zu je einem Drittel …  Alemannen (Schwaben, Badener, Süd-Elsässer, Schweizer),  Franken, Hessen, Pfälzer, Nord-Elsässer, Lothringer (die mundartlich auf den alten Großstamm der Franken zurückgehen) und  Bayern, Sudetendeutsche, Österreicher (also mehrheitlich Bairischstämmige). Im neuen deutschen Stamm der Donauschwaben sind im Verlauf der Geschichte alle Kolonisten ohne Rücksicht auf ihren Herkunftsbereich aufgegangen. Wie die Einwanderung selbst beanspruchte auch die Bildung eines Gruppenbewusstseins unter diesen Menschen einen langen Zeitraum. In Mundart und Tracht, Sitte und Brauchtum gab es Unterschiede, die sich auf örtlicher Ebene allmählich anglichen und den Dörfern ihren je eigenen Charakter verliehen. (Das HDD präsentiert verschiedene Trachten im EG. Vgl. dazu auch die Ortschaftsporträts im Keller!)