Wer eine neue Welt gewinnen will, muss die alte loslassen
Fachbereich Gesundheit Ländliche Erwachsenenbildung in Niedersachsen e. V. Arbeitsmaterialien zur Bildungsarbeit Autor: Dr. Burkhard Kastenbutt Wallenhorst 2017
IMPRESSUM
© 2017 Herausgeber: Ländliche Erwachsenenbildung in Niedersachsen e.V. Redaktion:
Erwin Vartmann
Autoren:
Dr. Burkhard Kastenbutt
V.i.S.d.P.:
LEB Landesbüro Hannover Direktor Carsten Meyer
Druck:
Ländliche Erwachsenenbildung in Niedersachsen e.V.
Anschrift:
Ländliche Erwachsenenbildung in Niedersachsen e.V. Fachbereich Gesundheit & Selbsthilfe Drosselweg 2 49134 Wallenhorst 05407/ 2092 Fax 05407/31888 E-Mail:
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Inhaltsverzeichnis Vorwort zum Reader
Seine Komfortzone verlassen
Leben heißt Veränderung
Wer eine neue Welt gewinnen will
Zwischen Flucht und Suche
Alte Zöpfe abschneiden. Aber welche?
Mitbetroffenheit und Selbstverantwortung
Welcher alte Zopf soll fallen?
Wenn Veränderungen Angst machen
Was uns motiviert
Was bestimmt eigentlich unser Leben?
Öfter mal was Neues wagen
Die Macht der Gewohnheit
Selbstbestimmt leben
Alltagsleben: Zwischen Hektik und Routine
Seine Meinung auch vertreten
Nichts ist selbstverständlich
Niemand ist perfekt
Prioritäten setzen – Zeit gewinnen
Die Kleiderschrank-Methode
Sinn im Leben finden
Das Leben bunter machen
Der innere Schweinehund
Fünf Jahre später
Nicht alles auf die lange Bank schieben
Arbeitsblatt zur Methode
Nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln
Erfolgserlebnisse wahrnehmen
Nicht nur das Negative sehen
Meine Stärken – meine Ziele
Der Kritiker in uns
Stationen meines Lebensweges
Kritikfähigkeit als soziale Kompetenz
Meine Wünsche – meine Träume
Gewaltfrei kommunizieren
Literaturempfehlungen
Offenheit und Selbstakzeptanz
Über den Autor
Immer nur die alte Leier?
Vorwort zum Reader Im Zentrum dieses Readers steht das Thema „Wer eine neue Welt gewinnen will, muss die alte loslassen“. Wir alle wissen, dass es mit dem Loslassen so eine Sache ist, denn dies ist bekanntlich leichter gesagt als getan. Dazu gehört nicht zuletzt der Umgang mit neuen Lebenssituationen im Spiegel der Macht unserer Gewohnheiten. Die Texte sollen jedoch dazu ermutigen, sich nicht zu sehr in seiner Komfortzone einzurichten, sondern diese regelmäßig bewusst zu verlassen, um den einen oder anderen alten Zopf abzuschneiden und Neues im Leben zu entdecken und zuzulassen. Für alle, die sich darauf einlassen, kann dies ein spannendes und äußerst interessantes Unterfangen sein. Die einzelnen Themen des Readers umfassen immer nur eine Seite und regen durch Fragestellungen zur Diskussion an. Es sind genügend Themen dabei, mit denen sich relativ unproblematisch ein Gruppenabend gestalten lässt. Dabei macht es Sinn, die Gruppenmitglieder aktiv in die Umsetzung des Readers mit einzubeziehen, indem sie zum Beispiel alleine oder zu zweit ein Thema für einen Gruppenabend übernehmen. Auf den letzten Seiten des Readers stehen einige praxisnahe Methoden, die förmlich darauf warten, im Rahmen einer Gruppenstunde oder eines Seminars umgesetzt zu werden Sie alle haben durch die Bank einen engen Bezug zu den Themen des Readers, lassen sich also bestens damit verknüpfen. Testet mal die eine oder andere Methode und berichtet darüber, wie es damit in der Gruppe so gelaufen ist. Nur Mut! Und so wünsche ich allen Gruppen eine spannende und vor allem erfolgreiche Arbeit mit dem Reader 2017 und seinen unterschiedlichen Themen. Dr. Burkhard Kastenbutt
Leben heißt Veränderung
Alles ist im Fluss, alles verändert sich ständig. Wir verändern uns, indem wir älter werden. Auch unsere Lebensbedingungen und die Menschen um uns herum verändern sich im Laufe der Zeit. Ob es uns gefällt oder nicht, es ist so. Wir müssen lernen, mit Veränderungen umzugehen und mit ihnen Schritt zu halten. Manche der erwähnten Veränderungen sind vorhersehbar, so dass wir uns auf sie einstellen und an sie gewöhnen können. Andere Veränderungen kommen überraschend und unerwartet, denn sie treffen uns unvorbereitet. Wir werden dabei quasi ins kalte Wasser geschmissen und müssen erst einmal schwimmen lernen, wenn wir nicht untergehen wollen. Veränderungen, so merkwürdig es klingt, sind das einzig Beständige in unserem Leben. Es sind Elemente, die wir weder vermeiden noch verhindern oder vor denen wir ausweichen können. Veränderungen bedeuten Bewegung und Leben. Kein Mensch kann sich davor erfolgreich und dauerhaft schützen. Wir alle wissen aus unserer Suchtkrankengeschichte, wie schwer es ist, mit Veränderungen umzugehen. So hat es bei vielen von uns lange gedauert, bis wir vor dem Alkohol, einem Medikament oder einer Droge kapituliert haben. Um abstinent zu leben, mussten wir erst einmal den Schalter umschmeißen, um uns aus den Verstrickungen der Sucht zu lösen. Dies erforderte Mut zur Veränderung. Aber auch in der Abstinenz und in den sich wandelnden Lebensprozessen wird dieser Mut immer wieder neu von uns verlangt. Unsere Aufgabe sollte darin bestehen, mit unerwünschten Veränderungen umzugehen zu lernen, die Fähigkeit zur Flexibilität und zur Gelassenheit in uns zu entwickeln sowie Vertrauen zu uns selbst und unserem Leben zu gewinnen. Erst dann sind wir fähig und bereit, Veränderungen nicht als Last, sondern als Chance zu erkennen, sie anzunehmen und zu nutzen. Welche Veränderungen haben wir im Rahmen unseres abstinenten Lebens erlebt? Wie haben wir auf bestimmte Veränderungen reagiert? Bildet bitte Beispiele zu positiven und negativen Veränderungen. Was haben wir aus dem Umgang mit unerwünschten Veränderungen gelernt? War es schwierig, sich solchen Veränderungen zu stellen? Mussten wir Mut aufbringen, diese Veränderungen anzunehmen? Inwieweit haben wir bestimmte Veränderungen in unserem Leben als Chance begriffen und sind daran innerlich gewachsen?
1
Zwischen Flucht und Suche
Es gibt unterschiedliche Ursachen, die zur Sucht führen. Das Problem, das am Grunde aller Süchte steht, ist der Lebenshunger, der aus Mangel geboren wurde. In der Regel lassen sich – grob betrachtet – zwei Richtungen festmachen, die bei Betroffenen mehr oder weniger stark in Erscheinung treten: Das Flucht- und Such-Motiv. Beim Flucht-Motiv erscheint süchtiges Verhalten als Problem des Davonlaufens und als Bestreben, sich selbst und die soziale Umwelt nicht spüren zu müssen. Beim Such-Motiv spielen tiefere Sehnsüchte und Hoffnungen eine Rolle, die auf anderem Wege nicht erfüllbar erscheinen. Es existiert ein Sich-nicht-zufrieden-Geben mit dem, was die Welt einem bietet. In vielen Fällen sind süchtige Verhaltensweisen Ausdruck der mangelnden Fähigkeit, Bedürfnisse aufzuschieben. Ein ebenfalls bedeutendes Motiv kann in dem Versuch einer falschen Selbstheilung durch den Konsum des Suchtmittels bestehen. Sucht ist in diesem Sinne eine Abhängigkeit von einem Mittel der Ersatzbefriedigung, das in Wirklich keinen Frieden schafft, auch wenn es dies vortäuscht. Sucht ist eine seelische Kategorie von großer sozialer Mächtigkeit. Sie ist ein dauerndes Suchen bei ausbleibender Befriedigung, womit Sucht und Suche immer weiter gesteigert werden. Sucht ist das falsch verstandene Prinzip Hoffnung, ein ständiger Anspruch an die Zukunft, der so, wie er gestellt wird, nicht sinnvoll eingelöst werden kann. Jetzt ist kein Leben, sagt sich der Süchtige, jetzt nicht, aber nachher, morgen, nächste Woche. In Zukunft wird Leben sein, wenn die vage Unzufriedenheit und der Durst gelöscht sein werden: nach dem nächsten Bier, nach dem nächsten Joint, nach dem nächsten Kauf, der nächsten Pille. Das Merkmal der Unangemessenheit des süchtigen Verhaltens, wie es vom sozialen Umfeld wahrgenommen wird, dringt im Laufe der Sucht auch in das Bewusstsein der Betroffenen, sei es, weil sie mit Rechtsnormen in Konflikt geraten, sei es, weil sie negative Folgen aus dem Drogenkonsum (Erkrankungen, berufliche oder ökonomische Folgen) zu spüren bekommen. Schließlich geraten sie in einen Zustand, in dem sie nicht mehr die Herrschaft über die Droge ausüben, sondern diese zum „Organisator“ ihres Alltags wird. Der Beschaffung des Suchmittels und seinem Konsum werden dann alle anderen Lebensprozesse, Interessen und Pflichten untergeordnet. Erst wenn es zu dabei über kurz oder lang zur „Kapitulation” vor der Droge kommt, können die Weichen für den Weg in eine zufriedene Abstinenz gestellt werden. Welche Bedeutung schreibt Ihr dem Flüchten und Suchen in Bezug auf Eure Suchtkrankengeschichte zu? Welche persönlichen Bedürfnisse sollten durch ein solches Verhalten befriedigt werden? Nach was habt Ihr in der Zeit der Sucht gesucht? Habt Ihr auch in der Abstinenz schon erlebt, dass Ihr vor bestimmten Problemen geflohen seid? Wie sah es mit den Gefühlen aus, die damit in Verbindung standen? Was habt Ihr unternommen, um dem Fluchtverhalten zu begegnen? Welche Vorteile seht Ihr darin, Problemen, soweit machbar, aktiv zu begegnen? Welchen Einfluss hat die konstruktive Lösung von Problemen auf Eure seelische Zufriedenheit?
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Mitbetroffenheit und Selbstverantwortung
Neben dem oder der Suchtkranken werden oftmals Lebenspartner/innen und Kinder als Mitbetroffene in die Abhängigkeit hineingezogen. Mitbetroffenheit ist in diesem Sinne ein Teufelskreis, der sich nur schwer durchbrechen lässt. Die meisten mitbetroffenen Lebenspartner/innen haben den verständlichen Wunsch, dem oder der Suchtkranken zu helfen. Glaubt man zunächst noch an gelegentliche Ausrutscher, greift die Krise bald auch auf das eigene Leben über. Wenn beispielsweise der Job leidet oder Freunde misstrauisch werden, wird häufig versucht, den Krisenzustand zu vertuschen. Da sich die oder der Süchtige selber aber wenig darum kümmert, geht die Verantwortung meistens auf die mitbetroffenen Partner/innen über. Was als intuitives und nachvollziehbares Verhalten beginnt, nämlich in einer Krisensituation helfen zu wollen, führt oftmals in die Sackgasse. Weil aber Angehörige all ihre Kraft und Energie darauf verwenden, das Verhalten der Süchtigen zu decken, vertuschen und zu kontrollieren, sind sie bald selber am Ende ihrer Kräfte, sowohl körperlich als auch seelisch. Oft ist dies der Zeitpunkt, wo sie selbst Hilfe benötigen. Zunächst einmal sind die Mitbetroffenen genervt vom Umgang mit dem Suchtmittel. Trotzdem versuchen sie nach außen Entschuldigungen und Erklärungen zu finden. So entschuldigen sie zum Beispiel das Fehlen bei der Arbeit, das seltsame Benehmen der Suchtkranken, ihr nachlassendes Interesse an sozialen Kontakten usw. Damit beginnen sie, Verantwortung für das Suchtverhalten der Betroffenen zu übernehmen, um sie vor den Konsequenzen ihres Verhaltens zu schützen. Je mehr die oder der Süchtige konsumiert, desto mehr hat die oder der mitbetroffene Angehörige das Gefühl, versagt zu haben Das Suchtverhalten der oder des Betroffenen wirkt sich dabei auf das gesamte soziale Gefüge von Familie und auf die Partnerschaft aus. Konsumieren die Abhängigen wenig und geht es ihnen gut, geht es auch den Mitbetroffenen gut. Konsumiert sie viel und geht es ihnen schlecht, sinkt oftmals auch das Selbstwertgefühl der mitbetroffenen Partner/innen. Oft geben sich Mitbetroffene die Schuld am Verhalten der Betroffenen, wenn sie die Kontrolle über die Situation verlieren und sie mit ihrem „Helfen“ scheitern. Mit der Kapitulation der Betroffenen vor dem Suchtmittel und der Neuausrichtung in der Abstinenz können dann auch die Mitbetroffenen ihr soziales Rollenverhalten verändern, um sich um ihre Belange zu kümmern und damit mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben zu übernehmen. Welche alten Zöpfe mussten seit dem Beginn der Abstinenz fallen, um als Mitbetroffene/r aus der Rolle der oder des Co-Abhängigen herauszukommen? Wie sah es mit dem Loslassen alter Rollenmuster und Strukturen aus? Inwieweit habt Ihr als Mitbetroffene in der Zeit der Abstinenz an Selbstbewusstsein gewonnen? Wie sieht es heute mit dem Rollenverhalten zwischen Euch und Euren betroffenen Partner/innen aus? Was möchtet Ihr dafür tun, um seelisch noch stärker zu werden?
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Wenn Veränderungen Angst machen
Mit Vertrautem kennen wir uns aus, aber Neues wirkt oft bedrohlich, weil wir die möglichen Gefahren nicht einschätzen können. Unsere Angst vor Neuem ist also völlig natürlich, nur dürfen wir uns davon nicht beherrschen lassen. Dazu kommt: Wir haben viele verschiedene Möglichkeiten, aktiv mit jenen Gefühlen umzugehen, die mit Veränderungen verbunden sind. Viele Menschen warten mit notwendigen Entscheidungen aber oftmals so lange, bis irgendwas auf sie zukommt und sie nur noch (passiv) reagieren können. Sie haben dann den Eindruck, dass sie selbst keine Wahl haben. In Wirklichkeit hätten sie die Situation verändern können, wenn sie die Vorzeichen besser erkannt und gehandelt hätten. Dies gilt selbstverständlich nur für solche Veränderungen, die absehbar waren und nicht für solche, die unerwartet kamen. Vor allem bei zu erwartenden Veränderungen sollten wir es uns zur Gewohnheit machen, vorab zu überlegen, was wir selbst aktiv verändern können, und zwar so, wie wir es wollen und nicht wie es andere wollen. Soweit wir uns aber zu schwach oder überfordert fühlen, mit Neuem umzugehen, sollten wir Schritt für Schritt lernen, unser Selbstvertrauen in unsere Fähigkeiten zu stärken. Dabei gibt es unterschiedliche Wege, wie wir die Angst vor Veränderungen aufspüren und sie auflösen können. Wie würden wir uns zum Beispiel fühlen, wenn wir davon überzeugt wären, dass wir dazu fähig sind, Probleme zu lösen und sogar daran zu wachsen? Dies setzt jedoch voraus, dass wir unsere Einstellungen gegenüber Veränderungen überprüfen. Welche Überzeugung bzw. welcher Glaubenssatz könnte dabei von Bedeutung sein? Jedes Gruppenmitglied soll sich bitte einen der folgenden (Glaubens-)Sätze aussuchen und darüber in der Gruppe sprechen. Zum Schluss könnt Ihr die einzelnen Aussagen miteinander vergleichen, um festzustellen, inwieweit es Übereinstimmungen oder Unterschiede gibt. In einem weiteren Schritt könnt Ihr diskutieren, welche Unterstützung diejenigen Gruppenmitglieder benötigen, die Probleme im Umgang mit Veränderungen haben. Ich verändere mich ständig. Veränderungen machen mir Angst. Ich strebe Veränderungen an, wo ich nur kann. Veränderungen kosten mich viel Kraft und Energie. Nur wenn ich mich ständig verändere, lebe ich. Wenn sich mein Verhalten zu plötzlich verändert, weiß ich nicht mehr, wer ich bin. Jede Veränderung bringt Unruhe und Stress. Wenn ich mich verändere, lieben mich die anderen vielleicht nicht mehr. Ich kann mich nur verändern, wenn ich leide. Ich kann mich nur verändern, wenn es meine Umwelt zulässt. Jede Veränderung führt mich weiter. Jede Veränderung hat einen Sinn für mich.
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Was bestimmt eigentlich unser Leben?
Was spricht dafür, dass wir unser Leben selbst bestimmen, zumindest in wichtigen Entscheidungen, die ihm eine Richtung geben? Wir können auch noch anders fragen: Haben wir wirklich die Verantwortung für die Entscheidungen, die wir treffen? Können wir also nur Verantwortung für unser Leben übernehmen, wenn wir tatsächlich frei von Fremdbestimmung sind? Ober sind wir allenfalls nur Zuschauer unseres Lebens, das von vorgegebenen Strukturen bestimmt wird? Wenn wir uns nicht frei fühlen, werden wir uns für unser Leben nicht so interessieren, als wenn wir spüren, dass es zu einem großen Teil auf uns ankommt, wie es verläuft. Indem wir selbst wichtige Entscheidungen treffen, geben wir dem Leben Gestalt und überlassen es nicht anderen Menschen oder unpersönlichen Kräften, uns zu steuern. Wenn wir richtungsgebende Entscheidungen selbst treffen, sind wir zumindest stark motiviert, bestimmte Aufgaben und Pflichten zu übernehmen, auch wenn uns diese nicht immer schmecken. Dazu gehört auch, dass wir zu unseren richtungsgebenden Entscheidungen stehen. Noch mehr Einmaligkeit erhält unser Leben dadurch, wenn wir dazu imstande sind, Probleme zu lösen. Auch wenn Probleme manchmal lästig erscheinen und wir ihnen lieber aus dem Wege gehen würden, so gestalten wir durch ihre Lösung doch die Wirklichkeit unseres Lebens ganz entscheidend. Unsere Freiheit hängt im Wesentlichen davon ab, wie wir die Weichen für unser Leben stellen, um ihm eine bestimmte Richtung zu geben. Wichtig ist es, dass wir ein tieferes Bewusstsein von Freiheit entwickeln, da dies für unsere Lebensgestaltung von zentraler Bedeutung ist. Da wir nicht allein, sondern mit anderen Menschen zusammenleben, bestimmt aber immer auch die Freiheit der anderen darüber, ob wir selbst frei sein können. Die Freiheit der anderen sollte uns daher ein wichtiges Anliegen sein. Was verstehen wir unter Freiheit? Inwieweit fühlen wir uns in unserem abstinenten Leben frei? Konnten wir unser Leben bisher relativ frei gestalten? Wann fühlen wir uns frei? Wann fühlen wir uns nicht frei? Können wir Gemeinsamkeiten zwischen den Momentan finden, in denen wir uns frei fühlen? Können wir Gemeinsamkeiten zwischen den Momenten finden, in denen wir uns nicht frei fühlen? Was macht eigentlich unsere persönliche Freiheit aus? Inwieweit haben wir in der Abstinenz gelernt, unser Leben selbst zu bestimmen? Welche Freiheiten des abstinenten Lebens haben wir besonders schätzen gelernt? Welche alten Zöpfe mussten wir abschneiden, um in der Abstinenz freier zu sein?
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Die Macht der Gewohnheit
Gewohnheiten sind Dinge, die wir täglich wiederholen, jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr. Warum tun wir eigentlich, was wir tun? Was genau prägt unsere Gewohnheiten? Wir denken oft gar nicht weiter über unsere Gewohnheiten nach, da es sich um automatische Reaktionen auf ein bestimmtes Ereignis, eine Zeit oder ein Person handelt. Die Macht der Gewohnheiten beeinflusst unser Leben weitaus mehr als wir ahnen. Sie beeinflusst unseren Charakter, unsere Gedanken, Gefühle und Beziehungen. Eine einzelne Gewohnheit allein hat noch keine große Bedeutung, aber zusammen genommen haben Gewohnheiten einen relativ großen Einfluss auf unser Leben. Die Urbotschaft der Gewohnheit lautet: Das haben wir schon immer so gemacht, das machen wir auch weiterhin so. Wir essen um eins Mittag, um vier gibt‘s Kaffee, um achtzehn Uhr Abendbrot. Und nicht umgekehrt. Solche zeitlichen Rhythmen haben wir stark verinnerlicht, sind sie doch zur Normalität unseres Alltags geworden. Dabei sind feste Essenszeiten nicht unbedingt eine schlechte, sondern eher eine gute Angewohnheit, da unser Körper und unser Stoffwechsel von solch festen Rhythmen profitieren. Es sei denn, wir haben uns angewöhnt, regelmäßig am späten Abend noch ausführlich zu speisen. Dies wäre dann tatsächlich eine schlechte Angewohnheit, die gesundheitliche Konsequenzen haben könnte. Schlechte Gewohnheiten bringen wir vor allem mit Dingen in Verbindung, die wir loswerden wollen. Positive Gewohnheiten haben dagegen eine Berechtigung, denn sie können das Leben bereichern. Es lohnt sich also, sich mit beiden Formen zu beschäftigen. Zumindest wächst dabei die Chance, dass wir die eine oder andere schlechte Gewohnheit ablegen. Was haben Gewohnheiten mit unserem abstinenten Leben zu tun? Welche Gewohnheiten sind für uns wichtig und erhaltenswert? Welche Gewohnheiten bewerten wir negativ? Inwieweit haben wir versucht, negative Gewohnheiten zu überwinden? Wenn ja, wie ist uns das gelungen? Wenn nein, woran ist es gescheitert? Welche Gewohnheiten im Gruppenalltag sind positiv zu werten, welche negativ? Welche positiven Gewohnheiten sollten wir beibehalten? Wie lassen sich negative Gewohnheiten überwinden?
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Alltagsleben: zwischen Hektik und Routine
Unsere Alltagswelt lässt sich in verschiedene Zonen unterteilen, wozu soziale Beziehungen (Familie, Partnerschaft, Freundeskreis etc.) Arbeit und Öffentlichkeit gehören. Die Vermittlung zwischen diesen unterschiedlichen Welten erfordert eine konzentrierte Orientierung. Gemeint ist die Vielfalt derjenigen Aufgaben und Probleme, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden und die wir zum überwiegenden Teil selbstständig lösen müssen. Schwierigkeiten, Möglichkeiten und Ressourcen, die sich in unserem Alltag ergeben, sind dabei zu berücksichtigen. Durch seine Pragmatik bringt der Alltag Routinen der Entlastung mit, die uns Sicherheit und Produktivität in unseren Handlungen geben und die eine gewisse Schutzfunktion haben. Es bilden sich Gewohnheiten heraus, die unseren Tagesablauf zu einem großen Teil bestimmen, auf die wir uns aber nicht immer und überall verlassen können. Die schnelllebige Welt, in der wir leben, erfordert ein flexibles Alltagshandeln, da vielschichtige Aufgaben und Probleme (manchmal sogar parallel) zu erledigen sind, so dass Hektik und Stress schnell zu negativen Begleiterscheinungen werden können. Verfahren wir bei der Lösung solcher Aufgaben zu sehr nach Schema F, reagieren wir darauf möglicherweise zu mechanisch und sind für neue Erfahrungen nicht mehr offen. In solchen Situationen kann es schwierig werden, gezielt zu reagieren und zu unterscheiden, was im Augenblick wichtig und was unwichtig ist. Darin zeigt sich die Doppelbödigkeit unseres Alltags, dessen Routinen zwar entlastende Funktion haben, andererseits aber auch zu Einschränkungen unseres Handelns führen können. Dies bedeutet, dass wir uns nicht nur mit den ruhigen und schönen Seiten unseres Alltags, sondern auch mit seinen gewachsenen Anforderungen und Widersprüchen beschäftigen müssen. Für Suchtkranke ist dies besonders wichtig, da ihr abstinentes Leben nach einer aktiven Gestaltung verlangt. Sie müssen vor allem lernen, bei der Lösung solcher Aufgaben nicht auf Nebenschauplätze auszuweichen oder zu resignieren. Stellen sie sich den Herausforderungen, besteht die Chance, dass sie an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gewinnen. Mit welchen Alltagsbelastungen wurdet ihr in der letzten Zeit konfrontiert? Wie seid Ihr damit umgegangen bzw. was hat Euch geholfen, diese zu lösen? Warum kann es risikoreich sein, sich bei der Lösung von Belastungen und Problemen nicht zu sehr auf bestimmte Gewohnheiten zu verlassen? Wie habt Ihr früher auf Probleme reagiert? Wie reagiert Ihr heute darauf? Was verbindet Ihr vor allem mit einer aktiven Gestaltung Eures Alltags?
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Nichts ist selbstverständlich
Früh am Morgen beginnt schon die erste Tatsache, die wir als selbstverständlich wahrnehmen: Wir können aufstehen! Wir gehen ins Bad duschen. Ganz selbstverständlich fließt wohlig warmes Wasser aus dem neuen Duschkopf. Unser Lieblingsduschgel und auch das Shampoo sind griffbereit. Wir trocknen uns ab. Das Handtuch ist weich und riecht frisch gewaschen. Wir greifen zum Föhn, trocknen uns das Haar. Ganz selbstverständlich erledigt alles seinen Dienst. Nehmen wir die angenehmen wärmenden Wassertropfen auf unserer Haut wirklich wahr? Wie sieht es mit dem Duschgel und dem Shampoo aus? Können wir uns an den Duft erinnern? Welche liebevolle Perle hat es wohl dort hingestellt? Wie sieht es mit dem Handtuch aus? Nach was riecht es gleich nochmal? Und welche Zauberhand hat es gewaschen und griffbereit auf den Handtuchhalter gelegt? Unsere Hand greift nach dem Föhn. Wir können ihn ganz selbstverständlich halten. Wir schalten ihn an, und er trocknet unser Haar. Wieviel hiervon nehmen wir wirklich wahr? Sind wir mit unserer Aufmerksamkeit in jeder Minute gewahr, was passiert? Oder hat uns schon unser unangenehmes Meeting in 2 Stunden voll im Griff? Wie sollten da diese einfach wohltuenden Kleinigkeiten eine Chance haben, wenn sie uns gar nicht erreichen können? Wie sollten sie denn? Wir geben ihnen doch gar keine Möglichkeit dazu. Sind sie das denn wirklich? Ist es nicht vielmehr so, dass gerade diese unscheinbaren Kleinigkeiten uns den Tag versüßen? Wir streben, suchen und jagen nach dem großen Glück und opfern hierfür das Kleine. Ist das, was uns umgibt, wirklich selbstverständlich? Hat das alles nicht auch etwas mit uns zu tun? Wie wir was, wie und ob überhaupt und vor allem in welcher Intensität an uns heranlassen? Wir hinterfragen oftmals nicht mehr, nehmen alles bedenkenlos als selbstverständlich hin. Vieles ist einfach zu normal geworden. Dies bedeutet, wir haben es verinnerlicht und in uns selbst aufgenommen. Dies muss nicht bedeuten, dass wir es missachten bzw. nicht wertschätzen. Ganz im Gegenteil! Erst wenn wir auch auf Kleinigkeiten in unserem Alltag achten, können wir sie richtig wahrnehmen, uns darüber freuen und dankbar dafür sein. Dann zaubern sie uns ein Lächeln in unser Gesicht. Wir haben es selbst in der Hand, wie viele glückliche Momente wir in unser Leben lassen. Je nachdem, wie aufmerksam wir unseren Tag gestalten. Und wie viele wundervolle Kleinigkeiten wir sammeln und aneinanderreihen. Somit entscheiden wir jede einzelne Sekunde ganz selbstverständlich über unser Glück. Okay, es gibt auch Momente, in denen der Chef, die Frau, der Mann, die Kinder oder wer auch immer nervt. Doch auch wenn wir diese Zeiten abziehen, bleibt noch genug unterm Strich übrig, um Glücksmomente wahrzunehmen. Mal ganz ehrlich: warum nervt die Situation gerade? Kann es sein, dass wir soeben aus der Suche nach Glück herausgefallen sind und wieder die Momente wahrnehmen, die wir nicht wollen? Aber Achtung, denn auch hier gibt es versteckte Selbstverständlichkeiten, die den Schlüssel zu einer glücklichen Lösung beinhalten. Inwieweit sind wir für die kleinen Dinge des Alltags offen? Wie sieht unser Tageablauf aus, wie sensibel sind wir für die schönen Momente? Was bedeuten uns solche Kleinigkeiten überhaupt? Warum können „Kleinigkeiten“ unser Leben bereichern?
8
Prioritäten setzen – Zeit gewinnen
Viele Menschen scheinen heute einfach keine Zeit mehr zu haben. Sie hasten von einem Termin zum anderen, bewegen sich wie im Kreise, um ja nichts zu verpassen. Ihre Gedanken sind stets auf die Zukunft gerichtet, allerdings auf eine Zukunft, die sie hetzt und unter Druck setzt. Sie sind abgelenkt von dem, was möglicherweise passieren könnte, wenn sie bestimmten Anforderungen nicht gewachsen sind oder die sie nicht fristgerecht angehen. Ein Großteil ihres Lebens ist geprägt von diesem Denken. Sie agieren nicht mehr frei, sondern unter dem Einfluss ihrer negativen Gedanken. Dies kann sogar so weit gehen, dass sei das Vertrauen in sich selbst verlieren. Betrachtet wir unser Leben aus dieser Perspektive, dann trifft für viele von zu, dass wir in manchen Situationen unseres Alltags zu wenig Zeit haben, weil wir uns immer auf etwas konzentrieren, das uns hetzt, uns von uns selbst entfernt und das Leben wie eine Bürde erscheinen lässt. Wir lassen uns dabei zu sehr ablenken und zerstreuen von jenen Gedanken und Erfahrungen, die uns verunsichern, die uns aus unserer Mitte reißen und uns von uns selbst und unserer gegenwärtigen Situation entfernen. Der Fokus unserer Gedanken liegt dabei außerhalb von uns. Negative Gedanken (Stichworte: Hetze, Stress) können zudem einen negativen Kreislauf in Gang setzen. Der Schwerpunkt unseres Denkens liegt dann auf dem, was vielleicht daneben gehen könnte. In solchen Augenblicken fällt es uns das Loslassen schwer, da eine Endlosschleife in unserem Kopf kreist, die uns seelisch und auch körperlich unter Druck setzt. In all dem liegt jedoch eine große Chance, wenn wir wissen, dass unser Fokus dafür verantwortlich ist, wie sich unser Leben entwickelt. Wir können uns davon ein Stück weit entfernen, wenn wir lernen, uns in solchen Augenblicken auf positive Gedanken zu konzentrieren. Dies ist möglich, indem wir Prioritäten setzen und uns fragen, wohin wir wollen und was im Augenblick für uns wichtig ist. Die neuen Strukturen unseres Denkens und Handelns, die wir uns selbst zurechtlegen, sollten unser ganzes Wesen berücksichtigen. Sie sollten Arbeitsphasen genauso einbeziehen wie Pausen, die wir uns bewusst einräumen, weil wir wissen, dass sie uns die nötige Energie geben, die wir für die zielgerichtete Erledigung unserer Aufgaben benötigen. Das bedeutet, dass wir lernen, mit dem Faktor Zeit anders umzugehen: Wir sehen dann, dass wir uns durch unsere Gedanken nicht mehr so stark unter Druck setzen lassen, sondern unsere Zeit vernünftig gestalten und einteilen. Die Zeit ist dann nicht mehr zu wenig, sondern wird Teil unserer Gestaltungskunst. Auch im Arbeitsleben können wir lernen, Prioritäten zu setzen. Auch wenn der Zeitdruck in vielen Arbeits- und Lebensbereichen zugenommen hat, so sollten wir uns davon nicht zu sehr einnehmen lassen, denn auch hier gilt, was der alte Goethe bereits vor gut 200 Jahren erkannt hat: „In der Ruhe liegt die Kraft!“
Wie sah der Umgang mit Zeit in der nassen Phase der Sucht aus? Welche Veränderungen haben sich seitdem im Umgang mit Zeit ergeben? Wo setzen wir Prioritäten, wenn es um die zeitliche Gestaltung unseres Alltags geht? Inwieweit sehen wir uns im Beruf mit Hetze und Stress konfrontiert? Welche Möglichkeiten bieten sich an, um auch hier neue Prioritäten zu setzen? Was kann zur „Entschleunigung“ unseres Alltags beitragen?
9
Sinn im Leben finden
Menschsein bedeutet, authentisch mit sich selbst zu sein und deutet auf einen Sinn hin, den es im Leben zu finden gilt. Erfüllung kann ein Mensch in der Liebe zu einer Person oder im Dienst an einer Sache finden. Je mehr er darin aufgeht, umso mehr ist er Mensch, umso mehr wird er er selbst. Verwirklichen kann er sich in dem Maße, indem er in seinem Handeln einen Sinn sieht. Mit Sinn ist der Sinn in Bezug auf eine konkrete Situation gemeint. Und genauso wie jede einzelne Situation etwas Einmaliges ist, genauso ist jede einzelne Person etwas Einzigartiges. Jeder Tag, jede Stunde wartet mit einem neuen Sinn auf. Und auf jeden Menschen wartet ein anderer Sinn. So gibt es für jeden Menschen einen besonderen Sinn. Sinn kann aber nicht erzeugt, sondern muss gefunden werden. Drei Bereiche sind dabei hervorzuheben: Zum einen findet der Mensch Sinn, indem er etwas schafft oder sich einer Aufgabe hingibt. Weiter findet oder erlebt er Sinn in der Begegnung. Am deutlichsten wird dies, wenn Menschen die Erfahrung machen, geliebt zu werden. Aber auch in der Begegnung der Natur kann Sinn wahrgenommen werden. Eine weitere Dimension ist das Leiden oder Ausharren in scheinbar ausweglosen Situationen. In einer Gesellschaft, in der sich die Lebens- und Arbeitsverhältnisse in einem rasanten Tempo entwickeln und in der schon morgen nicht mehr gilt, was heute noch galt, wächst jedoch das Leiden am sinnlosen Leben. Sinnlosigkeitsgefühle sind vor allem dort verbreitet, wo es zu einer Auflösung traditioneller Lebensweisen und zu einem raschen Wandel von Normen und Werten gekommen ist. Dabei besteht die Gefahr, dass Menschen zu sehr auf sich selbst zurückgeworfen werden und in ein existentielles Vakuum geraten. Untersuchungen zum Alkoholismus zeigen in diesem Zusammenhang, dass Frustrationen und Sinnlosigkeitsgefühle eine wichtige Rolle für die Entwicklung einer Sucht spielen. Wer aber sein eigenes Leben als sinnlos empfindet, ist nicht nur unglücklich, sondern auch wenig lebensfähig. Die Sinnfrage ist demnach ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Existenz. Sie kann aber nur von jedem einzelnen wahrgenommen und beantwortet werden. Diskutiert daher bitte über folgende Fragen im Rahmen einer Gruppenstunde: Welche Bedeutung schreiben wir der Sinnfindung in der Abstinenz zu? Worin sehen wir im Rahmen unserer Abstinenz vor allem Sinn? Welche Bedeutung hat die Sinnfindung? Was mussten wir aufgeben, um mehr Sinn im Leben zu finden? Inwieweit beeinflussen Sinn und Sinnfindung unser Lebensgefühl?
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Der innere Schweinehund
„Ich habe heute keine Lust auf Gruppe und bleibe einfach mal zuhause.“ Allein das Hinfahren, das An- und Umziehen ist an solchen Tagen schon zu viel. Dies ist ein bekanntes Beispiel für den inneren Schweinehund, der uns in bestimmten Situationen gerne quält. Wenn es nicht die Gruppe ist, dann eben eine andere Begebenheit, die wir meiden oder vernachlässigen wollen. Meist sind es unangenehme Tätigkeiten (z. B. das Lösen von Problemen) oder Notwendigkeiten, die wir angehen sollten (z. B. eine Diät einzuhalten). Der innere Schweinehund, der sich in solchen Augenblicken einschleicht, hat viele Gesichter und wird besonders stark, wenn man ihn machen lässt. Klug, wie dieses „Vieh“ nun mal eben ist, hindert es uns daran, bestimmte Tätigkeiten auszuführen. Es animiert uns förmlich, wichtige Dinge auf die lange Bank zu schieben. Es ist dann wie ein Programm, das in uns abläuft, wenn wir uns bestimmten Entscheidungen stellen müssen. Nehme ich Weg A, der mit Aufwand verbunden ist, oder den Weg B, der bequemer erscheint und ohne großen Kraftakt zu meistern ist? Oder lasse ich es heute sogar ganz sein? Um den inneren Schweinehund zu überwinden, benötigen wir Selbstdisziplin und Motivation, um uns aus unserer Komfortzone zu befreien, die in Wirklichkeit gar keine echte Komfortzone ist. Wenn wir gewisse Dinge nämlich vermeiden, sie auf die lange Bank schieben, haben wir oft ein schlechtes Gewissen. Wie soll man dabei richtig entspannen können? Was hindert uns eigentlich daran, das Sofa zu verlassen, einmal durchzulüften und die Entscheidung zu treffen, etwas Sinnvolles zu tun? Die Antwort liegt auf der Hand. Es ist der erste Schritt, wie bei allem, der dazu führt, dass wir den inneren Schweinehund zulassen. Wenn wir seinen faulen Tricks aber immer wieder folgen, wird es höchste Zeit, zu handeln. Der innere Schweinehund ist gewieft, denn er blockiert unser Denken, so dass wir manchmal keinen klaren Gedanken mehr fassen können. Es macht daher Sinn, früh genug innezuhalten, Klarheit zu schaffen, um sich mit den Absichten dieses nicht gerade putzigen Tieres zu beschäftigen. Welchen Namen würdet Ihr Eurem inneren Schweinehund geben? In welchen Situationen wird er besonders aktiv? Wann wurde er das letzte Mal aktiv? Was wollte er verhindern? Wie viel Terrain darf er überhaupt einnehmen? Was ist verkraftbar, wo stoßen wir an unsere Grenzen? Wann ist es sinnvoll, ihn zu bekämpfen?
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Nicht alles auf die lange Bank schieben
Wenn wir innerlich blockiert sind, da bestimmte Dinge in unserem Kopf kreisen, die bisher nicht gelöst bzw. erledigt sind, können wir uns schlecht konzentrieren. Dies ist besonders dann der Fall, wenn uns etwas Belastendes oder Bedrückendes auf der Seele liegt. In diesen Augenblicken macht es Sinn, Frieden mit unserer Blockade zu schließen, um anschließend davon zu profitieren, produktiver zu sein. Es nutzt nichts, sich dabei auf „später“ zu vertrösten, wenn solche Blockaden akut gelöst werden können. Natürlich kostet so etwas Zeit, und Zeit ist bekanntlich eine große Mangelware. Allerdings werden wir beim Lösen solcher Blockaden deutlich entspannter, konzentrierter und auch produktiver, da wir dadurch Dinge vom Tisch schaffen, die uns belasten. Dazu ein paar Beispiele: Ihr müsst dringend beim Finanzamt anrufen, um eine unangenehme Sache zu klären. Hier macht es Sinn, dies nicht aufzuschieben und keine Ausreden zu erfinden, um sich dabei selber auszutricksen. Besser ist es, einfach anzurufen, um die Sache klären, damit sie aus dem Kopf kommt. Nächstes Beispiel: Ihr wolltet Euch schon ewig bei einem alten Freund melden, habt es aber nie getan und bekommt langsam ein schlechtes Gewissen. Das kennen wir alle. Wir wissen aber auch, dass es immer schlimmer wird und nicht besser. Das schlechte Gewissen bleibt. Ruft den alten Freund an, schreibt ihm eine Nachricht oder verabredet Euch mit ihm. Dies ist der beste Weg, denn er löst Blockaden, was dazu führt, dass Ihr vielleicht eine sehr angenehme Zeit mit einem netten Gesellen verbringt. Letztes Beispiel: Ihr müsst mit Jemandem sprechen, aber es „scheint“ erstmal nicht so wichtig. Wenn etwas angeblich nicht wichtig erscheint, Euch aber dennoch andauernd im Kopf herumspukt, dann solltet Ihr es nicht länger ignorieren, sondern erledigen. Vielleicht ist es alles auf den ersten Blick nicht so wichtig, aber scheinbar ist es Eurem Unterbewusstsein doch wichtig. Auch hier ist es hilfreich, den Kontakt aufzunehmen, um eine innere Blockade zu lösen. Dies alles kostet zwar Zeit, aber eben nicht zu viel Zeit, da solche Aktionen sinnvoll sind. Den restlichen Tag könnt Ihr konzentrierter und deutlich produktiver arbeiten. Probiert es einfach mal aus. Wann habt Ihr zum letzten Mal etwas auf die „lange Bank“ geschoben? Wie ging es Euch dabei? Wie waren Eure Gefühle in diesem Augenblick? Habt Ihr es bereut, dass Ihr die Sache, um die es ging, nicht direkt gelöst habt? Inwieweit habt Ihr in der Abstinenz gelernt, Aufgaben oder Probleme direkter anzugehen? Wie lassen sich die positiven Gefühle beschreiben, die damit verbunden sind?
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Nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln
Der Weg in eine zufriedene Abstinenz ist möglich, wenn wir uns aktiv mit uns und unserem Leben beschäftigen. Wir sollten dabei vor allem darauf achten, dass ein gesundes Verhältnis zwischen dem besteht, was wir sollen und dem was wir wollen. Dies verlangt nach einer konzentrierten Betrachtung unserer Lebensgewohnheiten und nach einem aktiven und zielgerichteten Handeln. Denn nur wer sich bewegt, spürt seine Fesseln. Notwendig erscheint vor allem eine realistische Selbsteinschätzung. Sie ist schon deshalb wichtig, weil man sonst seine Ziele zu hoch oder zu niedrig setzt und sie dann möglicherweise aufgibt. Für eine solche Selbsteinschätzung kann die Rückmeldung aus der Selbsthilfegruppe von großem Wert sein. Zentral für das Selbstbild jedes Abhängigen ist darüber hinaus auch das Wissen über die eigene Unfähigkeit, mit Suchtmitteln umgehen zu können. Nur auf dieser Grundlage kann sich die Erkenntnis entwickeln, zwischen dem zu unterscheiden, was man ändern kann und dem, was man hinnehmen muss. Zur Selbsteinschätzung gehört des Weiteren die Fähigkeit, Warnsignale eines möglichen Rückfalls frühzeitig zu erkennen. Ohne Bewegung geht dies aber alles nicht, denn für seine Ziele muss man etwas tun. Die bedeutet, aktiv zu werden, um das Heute bewusst zu gestalten. Abstinenz meint aber auch, dass man sich selbst weiterentwickelt, indem man positiv denkt und handelt, zu seinen eigenen Gefühlen steht und sie direkt äußert sowie seine eigenen Rechte und die der anderen achtet. Dazu gehört nicht zuletzt, kontinuierlich etwas für sein körperliches und seelisches Wohlbefinden zu tun, regemäßig zur Gruppe zu gehen und Ehrlichkeit und Klarheit zur Richtschnur seines Handelns zu machen. Kurz gesagt: es geht um den Mut, Dinge zu ändern, die man ändern kann und den Erwerb jener Fähigkeit, dies auch zu tun. Dazu einige Fragen, die sich für eine Diskussion im Rahmen eines Gruppenabends anbieten: Was könnte meine positiven Vorsätze zur Abstinenz erschüttern? Schone oder überfordere ich mich in der Abstinenz eher zu viel? Welche meiner Eigenschaften könnten mich in diesem Zusammenhang in eine Zwickmühle bringen? Inwieweit spielen Ehrlichkeit und Klarheit ein Rolle, wenn es um die Vermeidung eines Rückfalls geht? Wie sieht meine Lebensgestaltung im Spiegel des abstinenten Lebens aus? Welche Rolle spielt für mich die Auseinandersetzung mit Alltagsbelastungen und -problemen? Welche Erfahrungen habe ich damit in den letzten Jahren meiner Abstinenz gemacht? Was macht mich sicherer, was gibt mir Halt? Was möchte ich noch dazulernen?
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Nicht nur das Negative sehen
Um Änderungen im Leben zu spüren, sollten wir nicht nur das Negative sehen, sondern auch unsere positiven Gedanken stärken. Vor Störenfrieden wie Frustrationen und Ärger sollten wir dabei nicht weglaufen, sondern uns diese genauer anschauen, um sie erträglicher zu machen. Wir sollten vor allem prüfen, ob eine Situation wirklich so schlimm ist, wie wir sie empfinden. Dabei macht es Sinn, danach zu fragen, inwieweit unsere Gedanken und Gefühle von früheren Geschehnissen beeinflusst werden und ob unsere Befürchtungen, wie wir sie in gewissen Situationen empfinden, vielleicht zu übertrieben sind. Der Sinn solcher Überlegungen ist ganz einfach: Unsere Gedanken sind das Flussbett, die Gefühle der Fluss. Indem wir das Flussbett selbst gestalten, entscheiden wir darüber, welchen Gefühlen wir Macht einräumen wollen und welchen nicht. Wichtig dabei ist vor allem, dass wir loslassen lernen, um uns nicht noch tiefer ins Geschehen hineinzusteigern, sondern offen mit vertrauten Personen darüber sprechen. Die Unterstützung durch unsere Selbsthilfegruppe kann ein guter Beitrag dazu sein, gelassener mit solchen Situationen umzugehen, indem gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die im Lebensalltag in ein funktionierendes soziales Netzwerk eingebunden sind, ihre Zukunft positiver bewerten und mehr Sinn in allem sehen, was sie tun. Sie sind körperlich auch oft gesünder als Menschen aus Vergleichsgruppen, die solche Unterstützung nicht erfahren. Des Weiteren sind sie konfliktfähiger, wenn sie erkannt haben, dass es wenig Sinn macht, vor Belastungen und Konflikten wegzulaufen. Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe kann daher als eine positive Aufwärtsspirale betrachtet werden. Dazu kommt: Sie vermittelt ihren Mitgliedern auch außerhalb der Gruppenabende ein Gefühl der Zuversicht und Stärke. Des Weiteren können Gruppenmitglieder im Prozess der Hilfe zur Selbsthilfe lernen, offener zu kommunizieren, um mehr Konfliktfähigkeit und Selbstvertrauen zu gewinnen. Was hat sich in den Jahren der Abstinenz bei Euch verändert, wenn es um den Umgang mit Belastungen und Konflikten geht? Inwieweit könnt Ihr die Teilnahme an Eurer Selbsthilfegruppe als eine positive Aufwärtsspirale betrachten? Woran würdet Ihr das vor allem festmachen? Was gibt Euch die Gruppe auch außerhalb der Gruppenabende? Inwieweit ist sie vor allem hilfreich, wenn es um die Stärkung positiver Gedanken geht? Was ist mit Eurem inneren Kritiker (siehe den Text auf der nächsten Seite), der Euch gerne „klein“ halten möchte und Euch Frust bereiten kann? Wie sieht es mit Eurer Konfliktfähigkeit aus? Ist sie in den letzten Jahren gewachsen?
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Der Kritiker in uns
Ein geringes Selbstvertrauen ist oft erlernt. Wenn wir uns nichts zutrauen, dann haben wir in unserem Leben schon früh Erfahrungen gemacht, die uns das Gefühl vermittelten, mit uns stimme etwas nicht oder wir seien nicht in Ordnung. Solche Erfahrungen führten dazu, dass wir als Erwachsene eine Stimme in uns tragen, die nie ein gutes oder freundliches Wort für uns übrig hat und die man als inneren Kritiker bezeichnen könnte. Der innere Kritiker wirft uns oft Worte an den Kopf wie „Dummkopf“, „Idiot“, „Versager“, „Feigling“ und „Schlappschwanz oder bezeichnet uns als „hässlich“, „unfähig“ und „schwach“. Er unternimmt aber nichts, um unser Selbstvertrauen zu stärken. Im Gegenteil: Er hat immer nur eines im Sinn: uns „klein“ zu machen. Er erledigt seine Aufgaben so raffiniert und geschickt, dass seine Kritik sogar als berechtigt oder gerechtfertigt erscheint. Der Kritiker entstand vielfach in den früheren Lebensjahren, in denen man uns ständig auf unsere Fehler und Schwächen aufmerksam machte und uns mit Worten und abweisendem Verhalten bestrafte. Vielleicht kommen Euch die folgenden Sätze bekannt vor: „Du taugst nichts!“ „Aus Dir wird nie etwas!“ „Du hast zwei linke Hände!“ „Du bist stinkfaul!“ „Mit Dir hat man nur Ärger!“ Mit der Zeit lernten wir, uns mit den Augen unserer Kritiker zu sehen und so zu uns zu sprechen wie einst sie. Wenn wir mehr Selbstvertrauen gewinnen wollen, müssen wir aufhören, den Worten des inneren Kritikers zu vertrauen. Wir müssen lernen, uns selbst aufzubauen, um uns den Rücken zu stärken. Auch sollten wir damit aufhören, uns selbst klein zu machen und uns einzureden, dass wir nicht in Ordnung oder minderwertig sind. Nur so stärken wir unser Selbstwertgefühl und erlangen mehr Selbstvertrauen. In der Selbsthilfegruppe können wir lernen, unser eigener Coach zu sein und das Vertrauen in unsere Fähigkeiten stärken. So begegnen wir Fehlschlägen, Schwächen und Niederlagen im Leben nicht mehr mit Resignation, sondern mit mehr Selbstbewusstsein und aufrechtem Gang. Welche Bekanntschaft habt Ihr in Eurem Leben mit dem inneren Kritiker gemacht? Wann trat er besonders intensiv in Erscheinung? Welche Rolle spielte er vor allem in den Zeiten der Sucht? Welche Rolle spielt er heute? Was ist wichtig, um den inneren Kritiker klein zu halten? Welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht? Wenn es einen negativen inneren Kritiker gibt, gibt es dann auch einen positiven? Kritik ist ja nicht generell schlecht, es kommt aber darauf an, was dadurch bewirkt wird.
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Kritikfähigkeit als soziale Kompetenz
Das Wort „Kritik“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet in unsere Sprache übersetzt so viel wie unterscheiden oder trennen, was keinesfalls negativ klingt. In Form der Kommunikation über Probleme bildet Kritik eine unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Probleme behoben werden können. Niemand sieht jedoch seine Handlungen gern in Frage gestellt, so dass wir Kritik meist als unangenehm empfinden. Umgekehrt erteilen Menschen auch ungern Kritik, weil sie wissen, dass diese kaum willkommen ist. Die erlernte Fähigkeit, Kritik nicht als Angriff gegen die eigene Person, sondern als nützlichen Hinweis für Handlungsverbesserungen aufzunehmen und diese auch konstruktiv zu üben und zu formulieren, bezeichnet man als Kritikkompetenz. Dies bedeutet, Kritik annehmen zu können, soweit diese sachlich korrekt formuliert und gerechtfertigt ist. Wer in der Lage ist, konstruktive Kritik anzunehmen und die beanstandeten Punkte zu verbessern, hat große Chancen, dazuzulernen. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass man Kritik nicht nur annehmen, sondern auch andere Menschen konstruktiv kritisieren kann. Wenn jemand jedoch mit Kritik nicht umgehen kann oder diese als ungerechtfertigt empfindet, kann es zu Konflikten kommen. Aus diesem Grunde ist es wichtig, Kritik nicht als etwas Negatives zu betrachten, soweit sie korrekt angebracht ist, denn wir können dadurch geistig und seelisch wachsen. Konstruktive Kritik, die zum Beispiel Vorschläge zur Verbesserung bietet, kann zur Problemlösung beitragen. Dennoch fühlen sich einige Menschen auch dadurch oft ungerechtfertigt behandelt und werten jedes Wort als Angriff auf ihre Person ab. Änderungsvorschläge werden dann zum Teil als Bevormundung missverstanden. Bei dieser Art der mangelnden Kritikfähigkeit errichtet der Kritisierte eine Mauer, die kaum mehr ein Argument passieren lässt. Kritikfähigkeit lässt sich aber trainieren. Zunächst sollten die Argumente des Kritikers angehört werden. Danach sollte der Kritisierte ehrlich zu sich selbst sein und schauen, ob die Argumente tatsächlich greifen oder nicht. Sind die Argumente überzeugend, sollte er die Kritik annehmen und bei der nächsten ähnlichen Aufgabe anwenden. Wichtig es ist, zu versuchen, die Perspektive des anderen einzunehmen. Ist der Kritisierte aber weiterhin von seiner Handlungsweise überzeugt, sollte er selbst sachlich darstellen, welche Vorteile sein Ansatz bietet und warum er ihn gewählt hat. Wie kritikfähig sind wir im Laufe unseres abstinenten Lebens geworden? Wie gehen wir heute mit Kritik um, wie nehmen wir sie an? Sind wir dazu imstande, selbst konstruktiv zu kritisieren? Welche Beispiele aus der Gruppenpraxis fallen Euch dazu ein? Welche alten Zöpfe mussten fallen, um kritikfähiger zu werden? Welche müssen noch fallen, um kritikfähiger zu werden?
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Gewaltfrei kommunizieren
Häufig richten Menschen in ihrer Kommunikation die Aufmerksamkeit darauf, was andere falsch machen bzw. was „verkehrt“ an ihnen ist. Der Ausgangspunkt all dieser Verhaltensweisen ist häufig eine negative Bewertung der anderen Person oder ihres Verhaltens. Menschen sehen den Grund für ihre aufkommenden Gefühle daher in den Handlungen der anderen, woraus im negativen Fall Ärger, Frustration, Ohnmacht oder Hilflosigkeit entstehen, die dann reflexartig mit Vorwürfen, Kritik oder Drohungen abgewehrt werden. Die üblichen Reaktionen der Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner sind wiederum Rechtfertigung, Gegenangriff, beleidigt Sein und Rückzug. Es kommt zu einer Spirale, die, egal ob in Beziehungen, im Beruf oder in der Politik, mit Streit und Krieg endet. Marshall Rosenberg, Vertreter der „Gewaltfreien Kommunikation“, bezeichnet eine aggressive Sprache daher als „Wolfssprache“, die dazu führt, dass sich der andere schlecht fühlt, sich wehrt oder ausweicht. Laut Rosenberg verursacht diese Kommunikation gegenseitige Aggressionen, die u. a. gekennzeichnet sind durch:
Analyse: „Wenn du das beachtet hättest …“ Kritik: „So ist das falsch, das macht man so …“ Interpretationen: „Du machst das, weil …“ Wertungen: „Du bist klug, faul, du liegst richtig, falsch …“ Strafandrohungen: „Wenn du nicht sofort, dann …“ Sich im Recht fühlen
In der Gewaltfreien Kommunikation richtet man die Aufmerksamkeit dagegen darauf, was einem wichtig ist und vermeidet in der Kommunikation alles, was beim Gegenüber als Bewertung, Beschuldigung oder Angriff ankommen könnte – daher die Bezeichnung „Gewaltfreie Kommunikation“. Welche Bedeutung scheibt Ihr der gewaltfreien Kommunikation für das Miteinander in Eurer Gruppe zu? Warum ist die „Wolfssprache“ im Prozess der Hilfe zur Selbsthilfe negativ zu werten? Inwieweit kann Rosenbergs Methode zu einem besseren Verständnis zwischen den Gruppenmitgliedern beitragen? Warum könnte diese Methode hilfreich sein, wenn es um das Loslassen und das Sich-Verändern geht?
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Offenheit und Selbstakzeptanz
Offenheit ist ein wichtiges Persönlichkeitsmerkmal, denn es beschreibt, wie aufgeschlossen wir gegenüber anderen Menschen, neuen Situationen oder Ideen sind. Jemand der offen ist, ist meist auch fantasievoll, neugierig und aufgeschlossen. Personen mit einem hohen Wert an Offenheit stehen ungewöhnlichen Ideen weniger skeptisch gegenüber. Vielen Menschen wurde jedoch die Fähigkeit zur Offenheit nicht gerade in die Wiege gelegt. Sie probieren Neues daher auch nicht so gerne aus, da sie das Gewohnte schätzen und mit bestimmten Veränderungen im Leben schlecht umgehen können. Sie sind allgemein verschlossener und haben Probleme damit, über sich und ihre Belange zu reden. Menschen, die weniger offen sind, benötigen Zeit, um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, um ihre Stärken und Schwächen zu erkennen und um zu wissen, was sie als Persönlichkeit ausmacht. Probleme mit der Offenheit werden in der Psychologie auf unterschiedliche Ängste zurückgeführt: Dazu gehört u. a. die Angst, sich vor anderen Menschen zu blamieren oder davor, dass andere sich lustig machen könnten, wenn man Details von sich preisgibt. Des Weiteren kann dazu gehören, dass man sich zu viele Gedanken darüber macht, dass einem Fehler unterlaufen oder man den Ansprüchen seiner Gesprächspartner nicht gerecht wird. Wichtig ist, auf Dauer ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln, um gelassener zu werden und mit weniger Angst und Hemmungen auf andere Menschen zugehen zu können. Offener zu werden bedeutet, sich zu trauen, Informationen über sich preiszugeben, ohne gleich sein ganzes Leben vor anderen Menschen auszubreiten. Hilfe zur Selbsthilfe ist ein dankbarer Weg, um im Laufe der Abstinenz schrittweise offener zu werden. Viele von uns haben in der Gruppe gelernt, freier zu kommunizieren, manche schneller, manche langsamer. Wenn wir genau hinschauen, so hat das Erlernen von Offenheit viel mit unserem Jahresthema zu tun. Daher wäre es schön, wenn Ihr über dieses Thema im Rahmen einer Gruppenstunde oder eines Seminars diskutieren könntet. Dazu ein paar Fragen: Wie sah es mit Eurer Offenheit zu Beginn der Abstinenz aus? Wie schwer ist es Euch gefallen, offener zu werden? Was hat vor allem dazu geführt, dass Ihr offener geworden seid? Was hat sich im Laufe der Zeit getan, wenn es um Offenheit und Ehrlichkeit geht? Welche positiven Erfahrungen habt ihr durch mehr Offenheit im Privat- und Berufsleben gewonnen? Könnt Ihr Menschen im Alltag heute aufgeschlossener begegnen? Welche Erfahrungen habt Ihr mit Eurer Offenheit in Eurem sozialen Umfeld gemacht (Partnerschaft, Familie, Freundes- und Bekanntenkreis)? Welche alten Zöpfe mussten fallen, um offener zu werden?
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Immer nur die alte Leier?
Die Drehleier ist ein Instrument, das im 9. Jahrhundert erfunden wurde. Ihre Saiten, die mittels einer Kurbel und eines Rades geschlagen werden, erzeugen beim Spielen eine monotone und leicht klagende Melodie, die nicht variiert werden kann. Schon früh bezeichnete man mit sprachlichen Wendungen wie „immer die alte Leier“ oder „immer dieselbe Leier“ die beschränkte Tonfähigkeit dieses Musikinstruments als Sinnbild des Eintönigen. Später entstanden daraus die uns bekannten Redensarten wie „immer dasselbe Lied" oder „immer dieselbe Platte". Gemeint ist die Eintönigkeit in Lebenssituationen, in denen alles mehr oder weniger nach „Schema F“ läuft. Langeweile ist oftmals das Resultat eines solchen Prozesses, da es im Alltag an Abwechslung hapert. Auch das abstinente Leben kann an Schwung und Würze verlieren, wenn wir tagein, tagaus im gleichen Trott leben. Dabei ist mit Abstinenz mehr als der Verzicht auf das Suchtmittel gemeint, denn auch die Befreiung aus alten Zwängen und Abhängigkeiten gehört dazu. Dies bedeutet, dass wir im Leben ruhig mal etwas Neues ausprobieren sollen, um ausgetrampelte Pfade zu verlassen. Leistung und Sicherheit scheinen jedoch bei vielen von uns an oberster Stelle zu stehen, so dass an ein Ausbrechen aus festgefahrenen Strukturen oft gar nicht gedacht wird. Was aber ist aus unserer Begeisterung und Neugierde für das Leben geworden, die wir alle zumindest in der Kindheit einmal hatten? Heißt Erwachsenwerden etwa, dass wir vergessen haben, wie wir unser Leben genießen können? In diesem Sinne hat die Abstinenz mehr zu bieten als den gewohnten Alltagstrott und die Sache mit der alten Leier. Wie können wir es schaffen, aus festgefahrenen Bahnen und Routinen auszubrechen? Inwiefern haben wir bereits nach neuen Wegen gesucht? Welche Wege waren besonders hilfreich, um dem Leben wieder Würze zu geben? Inwieweit lassen sich die Fragen auch auf das Gruppenleben beziehen? Besteht oder bestand die Notwendigkeit, allzu festgefahrene Strukturen zu überwinden? Was können wir tun, um nicht immer die alte Leier zu bedienen?
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Seine Komfortzone verlassen
Es gibt eine Sache auf der Welt, die der Grund dafür ist, dass wir bestimme Vorhaben in unserem Leben noch nicht verwirklicht haben. Dies liegt oftmals daran, dass wir unsere Komfortzone nur selten verlassen. Die Komfortzone ist natürlich bequem, weil wir uns seit Jahren darin eingerichtet haben. Sie ist ein Ort, der uns aber in bestimmter Hinsicht bewegungslos macht und inaktiv werden lässt, wobei wir hoffen, dass morgen alles besser wird. Die Welt wird aber nicht besser, wenn wir nichts unternehmen. Überlegt daher bitte, was passiert, wenn Ihr Eure Komfortzone verlasst und ob davon vielleicht die Welt untergeht? Stellt Euch dabei vor, was Positives geschehen kann, wenn Ihr Euch traut, Veränderungen im Leben vorzunehmen. Vielleicht fühlt Ihr Euch dann einfach zufriedener. Es macht also Sinn, die positiven Seiten dieses Prozesses zu sehen, um zu spüren, dass Veränderungen etwas sehr Schönes und Lebendiges sein können. Hilfreich ist es, sich Notizen zu machen, um sich vor Augen zu halten, wie notwendige Veränderungen herbeigeführt werden können. Wenn wir Ihr Euer Vorhaben schriftlich fixiert, vergesst Ihr es nicht so schnell und entlastest Euren Kopf. Ihr habt es dann schwarz auf weiß vor Euch und wisst, was zu tun ist. Ihr könnt den Zettel mit Euren Notizen an eine Stelle hängen, an der Ihr dauernd an das Vorhaben erinnert werdet. Legt dabei bitte genau fest, bis wann Ihr eine bestimmte Veränderung im Leben erzielen wollt. Wenn Ihr einen bestimmten Zeitpunkt festsetzt, hilft es Euch, nicht wieder nach Ausreden zu suchen und andere (vielleicht unwichtigere) Dinge vorzuziehen. Ihr könnt zum Beispiel einfach ein konkretes Datum festsetzen und den Termin in den Kalender eintragen. Hilfreich ist es auch, in der Gruppe darüber zu sprechen, was Ihr konkret vorhabt und wann Ihr die Sache angehen wollt. Dies ist eine gute Möglichkeit, um zu schauen, wie andere Gruppenmitglieder damit umgehen, um aus ihrer Komfortzone auszubrechen. Bezieht in Eure Diskussion auch den inneren Schweinehund mit ein, der bekanntlich gerne dafür sorgt, dass man wichtige Vorhaben aufschiebt oder erst gar nicht in Angriff nimmt. Ihr könnt Euch dabei gegenseitig motivieren, um Euer Vorhaben gezielt zu realisieren. Auch solltet Ihr auch an eine kleine Belohnung denken, sobald Ihr Euer Vorhaben in die Tat umgesetzt habt. Natürlich ist die Tatsache, dass ihr das Vorhaben realisiert schon Belohnung genug, aber ein wenig zusätzliche Motivation kann nicht schaden. Wenn es eine größere Sache ist, die Ihr vorhabt, tastet Euch langsam an sie heran. Manche Wege aus der Komfortzone lassen sich nur schrittweise verwirklichen, da sie Zeit benötigen. Hier macht es Sinn, sich Zwischenschritte zu überlegen, die ebenfalls schriftlich festgehalten werden können. Auch für die Zwischenschritte solltet Ihr letztmögliche Termine („Deadlines“) setzen und Euch dafür belohnen. Tauscht Euch in der Gruppe über Eure Komfortzone aus und fragt Euch, wo diese in Eurem abstinenten Leben vielleicht hinderlich war oder ist. In einem weiteren Schritt könnt Ihr darüber diskutieren, was Ihr konkret in Angriff nehmen wollt, um auch hier alte Zöpfe abzuschneiden. Wobei hindert Euch das Verharren in der Komfortzone vor allem?
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Wer eine neue Welt gewinnen will, muss die alte loslassen
Das Loslassenkönnen ist ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens, mit dem wir immer wieder konfrontiert werden. In manchen Lebenssituationen fällt uns dies jedoch schwer. Erinnern wir uns nur an die Zeit kurz vor der Kapitulation vor dem Alkohol. Gerade in der letzten Phase der Sucht mussten wir eingestehen, dass es mit dem Trinken nicht so weitergeht, da unsere alte Welt aus betäubten Träumen, verdrängten Sehnsüchten und erfrorenen Gefühlen bestand. Mit der Abstinenz begann eine neue Welt, in der es nicht nur um den Verzicht auf das Suchtmittel ging, sondern auch um die Befreiung aus alten Verstrickungen der Abhängigkeit. Das Loslassenkönnen, seien wir ehrlich, war für viele von uns ein harter Kampf, der immer lauter wurde, bis wir anfingen, unsere Situation zu erkennen, um sie zu verändern. Nach dieser dunklen Zeit müsste es uns das Loslassen eigentlich leichter fallen. Dem ist aber nicht immer so, denn wir müssen diese „Kunst“ oft mühsam erlernen, um sie zu beherrschen. Und auch dann ist das Loslassenkönnen noch immer kein leichter Akt. Es wird erst besser, je öfter wir es praktizierten und es als einen wichtigen Teil unseres Lebens annehmen. Erst dann ist es so, dass wir intuitiv und im höchsten Vertrauen loslassen können. Wir sind dann entspannter und können das Leben genießen, da uns weniger Ängste und Selbstzweifel plagen. Solche Erfahrungen sind wichtig, um die Abstinenz und alles was damit zusammenhängt, mit mehr Hingabe annehmen und umsetzen zu können. Denn wer eine neue Welt empfangen will, muss die alte loslassen können. Wie sieht es mit dem Loslassenkönnen in Eurem Leben aus? Ist es Euch im Laufe der Abstinenz leichter gefallen, loszulassen? In welchen Lebensbereichen fällt es Euch heute noch schwer? Was hat das Loslassenkönnen mit Selbstvertrauen zu tun? Welche Rolle spielt die Macht der Gewohnheit, wenn es um das Loslassen geht? Wie geht Ihr mit Veränderungen im Gruppenleben um, z. B. wenn neue Mitglieder kommen und alte gehen? Könnt Ihr Euch auch im Gruppenleben auf neue Prozesse einlassen? Was fällt Euch dabei besonders schwer? Was fällt Euch leicht?
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Alte Zöpfe abschneiden. Aber welche?
Gute Vorsätze haben meist einen Haken: Ihre Haltbarkeit ist begrenzt. Denn was zum Jahreswechsel noch als edles Ziel unverrückbar im Raum stand, schleift der Alltag mühelos ab zu einem frommen Wunsch, privat wie beruflich. Meist wird auch der Zeitpunkt für den notwendigen Schnitt verpasst. Dabei bietet der Beginn des Jahres eine ausgesprochen gute Gelegenheit, sein persönliches Denken und Handeln zu hinterfragen. Es lohnt sich, die Sicht nach innen zu richten, um bestimmte Handlungen und Abläufe auf Verbesserungsmöglichkeiten abzuklopfen. Mit etwas Abstand zum Alltag lassen sich Veränderungen in aktuellen und zukünftigen Belangen besser entwickeln. Dazu bedarf es eines Freiraums und Zeit, um mit scharfem Blick alte Zöpfe unter die Lupe zu nehmen. Sie abzuschneiden, schmerzt nicht so sehr, hat man sich erst einmal dazu durchgerungen. Doch leichter gesagt als getan: das Problem ist, sich zu entscheiden, welcher alte Zopf denn nun fallen soll. Alte Zöpfe rufen alte Erinnerungen wach. Um sie abzuschneiden, kommt man nicht darum herum, sich mit seinen alten Gewohnheiten und Zielen zu beschäftigen. Dies wiederum führt zu der Überlegung, welche Gewohnheiten und Ziele man beibehalten und welche man loswerden möchte. Das kann Ängste hervorrufen, vielleicht den falschen Zopf abzuschneiden. Daher macht es Sinn, in Ruhe zu überlegen, was wir losgelassen wollen und was nicht. Dabei sollten wir uns aber auch vor Augen führen, dass das, was wir loslassen wollen, garantiert Platz für Neues schafft. Erstens: Um die Diskussion um das Abschneiden alter Zöpfe zu erleichtern, findet Ihr auf der nächsten Seite ein Arbeitsblatt. Kopiert diese Seite bitte und gebt es im Rahmen einer Gruppenstunde oder eines Seminars an die Gruppenmitglieder weiter. Alle Anwesenden sollen auf dieser Vorlage ein Stichwort oder einen kurzen Satz eintragen und bekunden, welchen alten Zopf sie in ihrem Leben schon lange abschneiden wollten. Wenn Gruppenmitglieder keinen Zopf abschneiden möchten, fragt sie danach, wann sie zum letzten Mal einen Zopf abgeschnitten haben. Auch dies darf eingetragen werden. Wenn alle Gruppenmitglieder ein Stichwort oder einen kurzen Satz eingetragen haben, sprecht über die Ergebnisse. Versucht dabei vor allem zu erläutern, welche Hürden dabei genommen werden müssen oder mussten. Auch solltet Ihr festhalten, welchen alten Zopf ihr nicht abschneiden möchtet und warum. Zweitens: Darauf aufbauend könnt Ihr in einer weiteren Runde darüber sprechen, welche alten Zöpfe in der Gruppenarbeit fallen sollen und welche erhaltenswert sind. Hier macht es Sinn, das Arbeitsblatt noch einmal gesondert zu kopieren und in Einsatz zu bringen.
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Welcher alte Zopf soll fallen?
Schreibt bitte auf die linke Seite, welchen alten Zopf Ihr abschneiden wollt und auf die rechte, welcher Zopf dranbleiben soll. Sprecht vor allem darüber, was Ihr mit dem Zopf verbindet, den Ihr abschneiden wollt und warum er fallen soll. Danach könnt ihr erläutern, warum der andere alte Zopf wichtig ist und nicht fallen soll.
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Was uns motiviert
Neugierde, Gefühle und Erfolgserwartungen sind innere Anreize, die uns dazu anhalten, uns mit vielen Dingen unseres Lebens zu beschäftigen. Solche Anreize wirken sich unterschiedlich auf unsere sozialen Handlungen aus. So bewirkt Neugierde das Verlangen, Neues kennenzulernen und Verborgenes zu entdecken. Der Unterschied zwischen gefühlsmäßigem Anreiz und Neugierde liegt darin, dass für eine Handlung erst bestimmte Bedürfnisse geweckt werden müssen. Dabei gilt es zu erkennen, dass wir etwas Bestimmtes wollen. Ein Beispiel dazu ist die Abstinenz. Durch den Verzicht auf das Suchmittel erhoffen wir uns nicht nur mehr Zufriedenheit, sondern auch Anerkennung in unserem sozialen Umfeld. Auch können wir in der Abstinenz viele neue Seiten an uns und unserem Leben entdecken. All dies kann uns motivieren, an uns zu arbeiten, das Leben mit Freude zu genießen und darin einen Sinn zu sehen. Dabei können Erfolgserwartungen unsere Motivation steigern. Dies ist besonders dann der Fall, wenn wir davon überzeugt sind, dass wir mit unserer inneren Handlung etwas Positives bewirken können. Psychologen sprechen hier von „intrinsischer Motivation“. Im Arbeitsleben sind wir besonders motiviert, wenn uns bedeutsame, ganzheitliche und abwechslungsreiche Aufgaben übertragen werden. Hierzu gehören Aufgaben, die uns fordern, aber nicht permanent überfordern und uns neugierig machen. Wir sind noch stärker motiviert, wenn wir dabei in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Soweit wir einen Sinn in unseren Aufgaben sehen und sie als konstruktive Herausforderung betrachten, sind wir bereit, uns diesen zu stellen. Wir werden sie dann nicht nur erledigen, weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen. Solche Aufgaben machen neugierig und treiben unsere innere Motivation voran. Und zwar besonders dann, wenn wir dabei auch noch durch unsere Mitmenschen wertgeschätzt werden. Inwieweit bin ich motiviert, mich mit meinem Leben intensiver zu beschäftigen? Wie schaffe ich es, mich immer wieder neu zu motivieren, um das Leben wach und aufmerksam an- und wahrzunehmen? Was motiviert mich, regelmäßig zur Gruppe zu gehen? Was macht mich auf das Miteinander in der Gruppe neugierig? Was könnte das Gruppenleben noch interessanter gestalten? Was könnte mich motivieren, mich aktiver ins Gruppengeschehen einzubringen? Welche Aufgaben würde ich gerne übernehmen? Was würde ich tun, um meine Ideen praktisch umzusetzen?
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Öfter mal was Neues wagen
Kinder wollen alles testen und untersuchen. Sie sind neugierig darauf, was die Welt ihnen zu bieten hat. Sie erleben Neues oft als spannend und ungemein interessant. Sie können darüber auch noch staunen, was viele Erwachsene leider verlernt haben. Je älter wir werden, umso mehr verlieren wir unsere Neugier und lassen uns von unseren Alltagsroutinen fast erdrücken. Dabei verbauen wir uns viele Chancen und Möglichkeiten, unser Leben interessant und erfüllter zu gestalten. Habt Ihr Euch vielleicht schon mal bei folgenden Bemerkungen ertappt? „Da komm ich nicht mehr mit!“ „Dazu bin ich schon zu alt!“ „Das ist nichts mehr für mich!“ Wenn ja, dann seid Ihr gefährdet, Euch in Euren Entwicklungsmöglichkeiten zu begrenzen. Und nicht nur das, denn Ihr entscheidet im Vorherein, wo Eure Leistungsgrenzen liegen, ohne die Probe aufs Exempel zu machen. Neugierde und Interesse sind jedoch wichtige Eigenschaften, die Menschen auszeichnen, die selbst noch im hohen Alter aktiv und flexibel sind. Neben dem Bedürfnis nach Abwechslung haben Menschen auch das Bedürfnis nach Sicherheit, Gewohnheit und Vertrauen. Beide Bedürfnisse können miteinander in Widerstreit geraten. Menschen mit einem Bedürfnis nach Sicherheit sind bestrebt, Ihr Leben unter Kontrolle zu halten und sich vor Überraschungen zu schützen. Sie benötigen feste Strukturen und empfinden Befriedigung, wenn alles überschaubar und vorhersehbar ist. Sie haben die Einstellung, dass es ihnen gut tut, in eingefahrenen Bahnen zu leben. Nur keine Aufregung, nur keinen Streit! Harmonie ist ihnen wichtig: „Hoffentlich bleibt alles beim alten.“ Mit neuen Aktivitäten verbinden sie Risiko, Angst und Unsicherheit, Versagen und Gefahr. Vertraute Aktivitäten verknüpfen sie mit Geborgenheit, Heimat, Überschaubarkeit, Wohlbefinden und Entspannung. Menschen mit einem starken Bedürfnis nach Abwechslung benötigen dagegen ein dynamischeres Leben mit Herausforderungen. Sie sind experimentierfreudig, wenn es zum Beispiel um kulinarische Genüsse oder ein Hobby geht. Sie haben die Lebenseinstellung: „Wer rastet, der rostet!“ „Vertrautes ist langweilig.“ „Was gibt es Spannendes im Leben, das ich ausprobieren kann?“ Neue Aktivitäten verknüpfen sie mit Spaß, Abenteuer, Selbsterfahrung, Veränderung, Verbesserung und Dazulernen. Jeder Mensch hat beide Bedürfnisse in sich, nur unterscheiden wir uns darin, wie viel Sicherheit bzw. Abwechslung wir benötigen. Eines ist jedoch klar: wir können uns nicht grundsätzlich umkrempeln, wir können aber lernen, dem Leben offener und neugieriger zu begegnen. Dies sind zumindest grundlegende Voraussetzungen dafür, um neue und befriedigende Erfahrungen zu machen und unser Leben farbiger, interessanter und abwechslungsreicher zu gestalten. Wie sieht es bei Euch aus? Habt Ihr mehr das Bedürfnis nach Sicherheit oder nach Abwechslung? Was hat sich in den Jahren der Abstinenz in dieser Hinsicht getan? Seid Ihr, was das Leben anbelangt, „experimentierfreudiger“ und offener für neue Erfahrungen geworden? Warum kann ein gewisses Maß an Abwechslung für das abstinente Leben bereichernd sein? Welche Erfahrungen habt Ihr damit gemacht?
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Selbstbestimmter leben
Die Autonomie des Einzelnen, seine Begegnung mit der Liebe, seine Auseinandersetzung mit Schmerz und Verlust und die Suche nach Glück, das sind die vier entscheidenden Wege, die zur Erfüllung unseres Daseins führen. Selbstbestimmt leben ist der erste Weg, den ein jeder für sich erobern muss, der eine unabhängige Persönlichkeit entwickeln will. Wie kann ich mich selber wahrnehmen? Wie schaffe ich es, mich von den Wünschen und Projektionen anderer, mit denen ich mein Leben verbringe, frei zu machen? Selbstbestimmt zu leben heißt, dass ein Mensch für sich selbst eigenständig bestimmt, wie er sein Leben mit allen Facetten gestalten will. Als denkendes Individuum bezieht er dabei alternative Möglichkeiten ein. Veränderungen strebt er bewusst an oder verneint sie. Sein Bestreben ist darauf gerichtet, unabhängig zu sein und weitestgehend zu bleiben. Ratschläge anderer werden gern angehört, geprüft und auch befolgt, wenn es einen gemeinsamen Konsens mit der eigenen Vorstellung gibt. Selbstbestimmt leben heißt: die Abhängigkeiten in Bezug auf andere Personen, Abläufe des Alltags oder Situationen zu minimieren. Es ist kein Widerspruch und deutet auch nicht auf ein egoistisches Verhalten hin, wenn ein Mensch mit dieser Vorstellung sein Dasein meistert. Voraussetzung einer Selbstbestimmung ist die Freiwilligkeit. Das Maß des „Bestimmenden“ legt jeder individuell fest. Die persönlichen Grenzen zur Überforderung sollte man dabei erkennen, um rechtzeitig die „Reißleine“ zu ziehen. Ein Vorteil der Selbstbestimmung ist, „Nein“ zu meinen, wenn „nein“ gesagt wird. Das ist eine Kunst! Wer überwiegend selbstbestimmt lebt, schafft für sich einen inneren Ruhepol und ein Freiheitsgefühl. Es werden Prioritäten gesetzt und genügend Freiraum zur Erholung geschaffen. Was können wir als Betroffene und Mitbetroffene tun, um selbstbestimmter zu leben? Warum kann ein selbstbestimmtes Leben gerade für uns von Bedeutung sein? Welche Bedeutung hat Selbstbestimmung vor allem für den Weg in eine zufriedene Abstinenz? Inwieweit kann Hilfe zur Selbsthilfe dazu beitragen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Welche Vorteile stehen mit einem selbstbestimmten Leben in Verbindung? Welche Nachteile kann ein solches Leben mit sich bringen? Inwieweit kann Selbstbestimmung zu mehr Verantwortung beitragen, wenn es um das eigene Leben, aber auch das der Gemeinschaft geht?
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Seine Meinung auch vertreten
Wir ticken alle unterschiedlich. Einer braucht die Kritik, ein anderer zerbricht fast daran. Wir erwarten aber dennoch die Meinung unserer Mitmenschen. Dies liegt daran, dass wir in vielen Lebensbereichen auf Rückmeldungen angewiesen sind. Rückmeldungen ermöglichen es uns, uns selbst zu erkennen. Daran können wir u. a. sehen, wo wir stehen. Wir brauchen diesen Spiegel unserer Gesprächspartner, da ihre Meinungen für uns wichtig sind. Meinungsäußerungen zeigen das Wertesystem an, was jedem von uns etwas bedeutet. Dabei gibt es grundlegende Werte, die wir als Menschen teilen, und es gibt individuelle Werte, die einen persönlichen Charakter haben und unterschiedlich sind. Wichtig ist vor allem, dass wir die Werte anderer Menschen achten, auch wenn wir sie vielleicht nicht immer und überall teilen. Die Achtung der Werte der anderen bedeutet jedoch, dass wir ihnen ihre Würde lassen. Wir sollten dennoch unsere eigenen Meinungen haben, um unseren Gegenübern auf diese Weise unsere persönlichen Standpunkte und Werte zu signalisieren. Soweit wir eine Meinung von etwas haben, vertreten wir einen Standpunkt. Wir stellen etwas fest und stehen zu dieser Meinung. Unsere Erkenntnis ist somit eine Aussage, die sich an ein Urteil bindet. Das besagt jedoch nicht, dass unsere Meinungen sich nicht ändern können. Dies liegt daran, dass wir im Leben ständig neue Erfahrungen sammeln und neue Eindrücke gewinnen, die uns wiederum neue Erkenntnisse bescheren. Und mit jeder Erkenntnis, die wir erlangen, bilden wir oft auch ein Urteil. Sammele ich zum Beispiel die Erkenntnis, dass das Leben bunt ist, aber auch Schmerz und Freude beinhaltet, vertrete ich mit meinem Denken einen Standpunkt. Wenn wir eine Erkenntnis gewinnen, beeinflusst diese unser Urteil. Wir kommen damit aus dem Urteilen und Beurteilen nicht heraus. Wir finden Anerkennung, wenn wir eine bestimmte Meinung zu einer Sache haben, einen Standpunkt vertreten. Wer eine Meinung hat, zeigt damit auch, dass er sich Gedanken über einen bestimmten Sachverhalt gemacht hat, dass ihm also etwas wichtig ist. Redet aber jemand um den heißen Brei, so können wir mit seinen Äußerungen oftmals wenig anfangen. Am Ende erfolgen daraus keine Antworten und auch keine Taten. Nur wer einen Standpunkt vertritt, wird meistens ernst genommen und kann etwas bewirken. Auch wer Verantwortung übernimmt, gibt Antworten. Wer standhaft ist, steht fest auf seinem Platz im Leben. Kommen dann die Stürme des Lebens, ist ein solcher Mensch nicht so leicht zu entwurzeln. All dies bedeutet nicht, dass sich unsere Meinungen nicht auch ändern können, wenn es neue Erkenntnisse gibt. Hier geht es vor allem darum, eine Meinung zu den Dingen zu haben, die im Augenblick wichtig sind. Dabei dürfen wir auch Fehler machen, was menschlich ist. Auch müssen wir nicht immer im Recht sein, da es auch andere Meinungen oder Standpunkte gibt. Wer dem Leben seine Antworten gibt, kommt jedoch um das Urteilen nicht herum. Was bedeutet es für das abstinente Leben, eine eigene Meinung zu haben und diese offen zu vertreten? Was lässt sich daraus vor folgern, wenn es um in unserer Kommunikation um Offenheit und Ehrlichkeit geht? Welchen Einfluss könnte ein solches Handeln auf unsere seelische Zufriedenheit haben?
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Niemand ist perfekt
Immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft scheitern an zu hoch gesteckten Ansprüchen und reagieren mit innerer Leere, Depression, Antriebslosigkeit und Suchtverhalten auf ihr vermeintliches „Versagen“. Viele kommen mit den vielschichtigen Anforderungen in der Arbeits- und Lebenswelt nicht mehr zurecht, da sie sich diese zu sehr zu Eigen machen und meinen, sie müssten sie übermäßig erfüllen. Besonders kritisch wird es, wenn noch der Drang zur Selbstperfektionierung hinzukommt, der die bereits stressgeplagten Menschen vollends überlastet. Der Druck auf unsere seelische Stabilität hat sich in vielen Bereichen des Lebens in den letzten Jahren immer mehr erhöht. Dies betrifft vor allem die wachsenden Ansprüche und Anforderungen im modernen Berufsalltag, der nach dem allseits flexiblen und mobilen Menschen verlangt, der trotz betrieblicher Hektik und Arbeitsstress gesund und ausgeglichen leben soll. Dass dadurch psychische Blockaden entstehen, Menschen handlungsunfähig und hoffnungslos werden, ist oftmals das Resultat eines solchen Prozesses. Daher es wichtig, im Rahmen des Themas „Wer eine neuer Welt empfangen will, muss die alte loslassen“ auch über steigende Belastungen im Privat- und Berufsleben nachzudenken. Besonders unter den gegebenen Arbeitsbedingungen ist es in vielen beruflichen Bereichen schwerer geworden, Veränderungen in Richtung Entlastung zu erzielen. Viele Betroffene neigen im Beruf zu einer übermäßigen Perfektionierung und sind daher bei Arbeitgebern sehr gefragt. Gegen die Anerkennung ihres Arbeitsfleißes ist nichts Negatives zu sagen. Seien wir aber ehrlich: vielen von uns fällt es schwer, „Nein“ zu sagen, so dass die Gefahr besteht, dass wir leicht an unsere seelischen und körperlichen Grenzen stoßen. Wie sieht es mit Euren Perfektionsansprüchen im Privat- und Berufsleben aus? Welche Erfahrungen habt Ihr in beiden Bereichen gemacht? Wann und wo seid Ihr schon mal an Eure Grenzen gestoßen? Welcher Zusammenhang könnte zwischen Perfektionsanspruch und früherem Suchtverhalten bestehen? Wie lassen sich vor allem gesundheitsriskante Perfektionsansprüche überwinden? Oder: Mit welchen Mitteln haben wir diese bereits überwunden?
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Die Kleiderschrank-Methode
Die Methode lässt sich im Rahmen eines Gruppenabends oder eines Seminars relativ unproblematisch umsetzen. Wie der Titel schon sagt, geht es darum, in unserem „Kleiderschrank des Lebens“ Übersicht, Ordnung und Platz für Neues zu schaffen. Zeit: nach Gruppengröße ca. 60 bis 80 Minuten Die Methode bietet mehrere Möglichkeiten der Umsetzung: Erste Möglichkeit: Es lassen sich symbolisch all die Dinge aus dem Kleiderschrank aussortieren, die alt und überholt und nicht mehr attraktiv sind. Was darf also, um es salopp auszudrücken, in die „Altkleidersammlung“? Welche „alten Schätzchen“ sind über? Zum Beispiel: alte Gewohnheiten, Verhaltensweisen und Ansichten sowie der Napf und die Kuscheldecke vom kleinen Schweinehund. Zweite Möglichkeit: In welche Fächer würden wir die wichtigsten Dinge unseres Lebens einsortieren? Wie sehen diese Dinge aus? Warum sind sie uns wichtig? Die oberen Fächer sind die wichtigsten, die anderen darunter haben einen nicht so großen Stellenwert. Dritte Möglichkeit: Die Übung lässt sich auch auf die Gruppenarbeit beziehen. Beispiel: Was wollen wir aussortieren? Was soll neu hinzukommen? Was soll nach oben gepackt werden, was ist nicht so wichtig und sollte eher nach unten wandern? Kopiert bitte diese Seite und verteilt sie an alle Gruppenmitglieder. Sie sollen im Rahmen der erwähnten Möglichkeiten die einzelnen Fächer beschriften. Dabei muss nicht jedes Fach beschriftet werden (5 Fächer reichen vollkommen aus). Die Gruppenmitglieder haben 10 Minuten Zeit, um die Beschriftung vorzunehmen. Dies macht Sinn, da die Methode eine gewisse Spontaneität verlangt, da nicht nur der Kopf (Vernunft), sondern auch der Bauch (Gefühle) gefragt ist. Viel Erfolg dabei!
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Das Leben bunter machen
Diskutiert bitte über die einzelnen Zitate im Rahmen einer Gruppenstunde und verteilt diese Seite in kopierter Form an alle Gruppenmitglieder. Im Anschluss daran sollen alle einen kurzen Satz oder ein Stichwort in das noch freie Kästchen eintragen. In einer weiteren Runde soll jedes Gruppenmitglied seine Aussagen vorstellen. Ein paar Fragen dazu: Was macht das abstinente Leben bunter und lebenswerter? Welche Rolle spielt unser Lebenswandel dabei? Wie oft habt Ihr schon Anlauf genommen, um Euer Leben lebenswerter zu machen? Was ist Euch bisher geglückt, was ist noch offen? Eigentlich möchte ich fröhlich durchs Leben gehen. Aber manchmal fällt es mir schwer, die Sorgen bunt anzumalen und sie als Regenbogen zu sehen.
Das Leben ist ein buntes Abenteuer für jeden, der den Mut zur Neugierde hat.
Alles Alte, soweit es den Anspruch darauf verdient hat, sollen wir lieben; aber für das Neue sollen wir eigentlich leben.
Es ist eine Lebenskunst, die schönen Dinge im Leben nicht aufhören, sondern ausklingen zu lassen.
Achte auf das Kleine in der Welt, das macht das Leben reicher, zufriedener und bunter.
Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück; es kommt nicht darauf an, wie lange es ist, sondern wie bunt.
Wer am Gipfel des Baumes Früchte sehen will, der nähre seine Wurzeln.
Die Dinge sind nie so, wie sie sind. Sie sind immer das, was man aus ihnen macht. Es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen.
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Fünf Jahre später
Material: Arbeitsblatt „5 Jahre später" (siehe nächste Seite) Erste Phase: Jedes Gruppenmitglied bekommt das Arbeitsblatt. Alle Gruppenmitglieder haben 10 Minuten Zeit, um das Arbeitsblatt auszufüllen. Zweite Phase: Die Ergebnisse können (je nach Teilnehmerzahl) entweder in Kleingruppen oder in der Gesamtgruppe vorgestellt werden. Die Gruppenmitglieder sollen besprechen, was sie dafür tun würden, damit persönliche Wünsche in Erfüllung gehen. Welche Wünsche sind möglicherweise nicht in 5 Jahren zu erfüllen? Wann wären diese Wünsche vielleicht erfüllbar? Wer möchte, kann seine Ergebnisse im Kreis vorstellen. Gibt es einige Dinge, die sich mehrere Personen wünschen? Welche Schwierigkeiten müssen überwunden werden, um bestimmte Ziele zu erreichen? Welche alten Zöpfe müssen vielleicht abgeschnitten werden, um bestimmte Wünsche zu erfüllen? Wie groß schätzt jede/r Einzelne die Wahrscheinlichkeit ein, seine Ziele erreichen zu können?
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Arbeitsblatt zur Methode „5 Jahre später“
Stell Dir vor, dass Du 5 Jahre älter bist. Wie soll dein Leben dann aussehen? Bitte beantworte daher kurz die folgenden Fragen:
Wo willst Du leben? _________________________________________________________________ Womit willst Du den größten Teil Deiner Zeit verbringen? _________________________________________________________________ Was wirst Du an einem durchschnittlichen Tag tun? _________________________________________________________________ Wer soll Dir dann besonders nahestehen? _________________________________________________________________ Was wirst Du tun, um Spaß zu haben? _________________________________________________________________ Worauf kommt es Dir dann im Leben an? _________________________________________________________________ Was wird der wesentliche Unterschied zu Deinem heutigen Leben sein? _________________________________________________________________ Was könnte Dein wichtigstes Ziel für die nächste Zukunft sein? _________________________________________________________________
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Erfolgserlebnisse wahrnehmen
Wir haben oft unsere Misserfolge vor Augen und sind unserer Erfolge zu wenig bewusst. Diese Methode könnt Ihr im Rahmen einer Gruppenstunde einsetzen, um zu schauen, was Ihr im Leben schon alles erreicht habt. Die Erkenntnisse, die Ihr durch diese Methode gewinnen könnt, können für zukünftige Vorhaben von Nutzen sein. Nicht zuletzt geht es auch um die Frage: was bedeutet für mich eigentlich der Begriff „Erfolg“ – und woran messe ich ihn? An anderen oder an meinen persönlichen Entwicklungsschritten? Und so geht die Methode: Die Gruppenleitung oder ein Gruppenmitglied schreibt die einzelnen Fragen auf Karteikarten und legt sie im Gruppenraum aus (z. B. in die Mitte des Stuhlkreises). Die Teilnehmenden schreiben dann auf eigenen Karteikarten, welche Erfolge sie im Leben bisher gehabt haben. Danach wählen sie sich einen Erfolg aus und arbeiten damit die nächsten Punkte anhand der vorgegebenen Fragen durch. Es ist sinnvoll, sich mehrere Erfolge auf diese Art anzuschauen, um nachher vergleichen zu können, ob es vielleicht gemeinsame Grundstrukturen gibt, die dann für die weitere Diskussion oder bestimmte Vorhaben der Gruppe genutzt werden können. Die Teilnehmenden arbeiten die einzelnen Fragen ab und notieren Stichpunkte auf ihren Karteikarten: Welche Erfolge hattest Du bisher? Worin bestanden diese? Was war Deine Motivation, das zu tun? Was hast Du getan, um Erfolg zu haben? Wer oder was hat Dich bei Deinem Vorhaben/ Tun unterstütz? Was waren/ sind dabei Deine Fähigkeiten / Stärken? Inwieweit beziehst Du Deine Erfolge auf andere Menschen? Welche (günstigen) Umstände / Situationen haben Deine Erfolge möglich gemacht?
Wenn alle Gruppenmitglieder ihre Stichworte notiert haben, können zum Austausch Kleingruppen gebildet werden. Ansonsten kann weiterhin im Plenum gearbeitet werden. Zum Schluss werden die Ergebnisse in der Gesamtgruppe vorgestellt. Mögliche Fragen zur Struktur dieses Austausches: Welche Erkenntnisse hast Du aus dieser Übung gewonnen? (auf eigene Erfolge bezogen) Welche ersten Ideen hast Du? Wie lässt sich die Übung auf die Arbeit der Gruppe übertragen (z. B. im Rahmen des Jahresthemas)? Wie kannst Du die Erkenntnisse für deine Zielerreichung nutzen? Was war besonders wichtig für dich?
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Meine Stärken – meine Ziele Diese Übung bietet sich für einen Gruppenabend oder ein Seminar an, um auszuloten, was Eure Stärken ausmacht und worin Eure drei wichtigsten Ziele bestehen. Danach könnt Ihr Euch auf die drei wichtige Ziele konzentrieren, die Ihr in naher Zukunft erreichen wollt. Lasst Euch beim Ausfüllen 10 bis 15 Minuten Zeit und tauscht Euch anschließend in der Gruppe über Eure Antworten aus. Diskutiert vor allem darüber, wie Ihr Eure Stärken am besten für die Erreichung Eurer Ziele nutzen könnt.
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Stationen meines Lebensweges
Nutzt die Grafik im Rahmen einer Gruppenstunde oder eines Seminars, um die unterschiedlichen Stationen Eures Lebens darzustellen. Ihr könnt dabei die einzelnen Punkte mit einem Stichwort versehen, über das Ihr in der Gruppenrunde sprechen wollt. Fragt vor allem danach, in welchen Lebensabschnitten es zu Veränderungen kam, in denen Ihr Euch ganz oder zum Teil neu ausrichten musstet. Wie seid Ihr mit diesen Veränderungen umgegangen? Konntet Ihr sie annehmen? Was haben sie in Eurem Leben bewirkt? Welche Auswirkungen hatten sie auf Euren weiteren Lebensweg? Was habt Ihr daraus gelernt? Welche Weichenstellungen musstet Ihr vornehmen? Inwieweit seid Ihr durch die Lösung solcher Aufgaben seelisch gewachsen? Wann habe ich zum ersten Mal innere Zufriedenheit auf dem Weg meiner Abstinenz gespürt?
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Meine Wünsche – meine Träume Diese Methode ist einfach zu handhaben und bietet sich für einen Gruppenabend an, um sich näher mit seinen Wünschen und Träumen zu beschäftigen. Wir alle haben im Leben bestimmte Wünsche und Träume, die wir uns vielleicht gerne erfüllen möchten, diesen Schritt aber vielleicht noch nicht gewagt. Es müssen nicht unbedingt die hochgesteckten Ziele sein, die wir uns dabei vorstellen, sondern es können auch kleine Dinge sein, die wir immer schon realisieren wollten. Für einen gemeinsamen Austausch reicht es aus, wenn jedes Gruppenmitglied einen Wunsch (Stichwort reicht) in die Wolke schreibt. Sprecht vor allem darüber, warum gerade dieser Wunsch oder Traum für Euch wichtig ist und was ihr damit verbindet. Fragt Euch auch, wie er sich verwirklichen lässt und was die Voraussetzungen dafür sind.
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Literaturempfehlungen
Anke van Beekhuis (2016): Wer sich selbst findet, darf's behalten. Berlin. Jorge Bucay/Lisa Grüneisen (2016): Selbstbestimmt leben. Wege zum Ich. Frankfurt am Main. Anton Erhart (2015): Mach Dich Un-Abhängig. Vom Sollen zum Wollen. Münster. Günter Fassbender (2009): „Na dann prost": Alkoholprobleme erkennen und überwinden. Hohengehren. Stefan Frädrich/Tim Würz (2011): Das Günter-Prinzip: So motivieren Sie Ihren inneren Schweinehund. Offenbach. Erich Fromm (2008): Die Furcht vor der Freiheit. München. Bernhard Kraus/Gaby Melcher (1992): Wer keinen Mut zum Träumen hat. Freiburg im Breisgau. Inge Patsch/Sebastian Schmidt (2016): Mehr als glücklich: Den Sinn des Lebens entdecken mit Viktor E. Frankl. Kevelaer. Horst Eberhardt Richter (2008): Umgang mit Angst. Wiesbaden. Christian Schüle (2009): Vom Ich zum Wir: Was die nächste Gesellschaft zusammenhält. Die neue Suche nach Zugehörigkeit. München. Christiane Schlüter (2015): Der innere Jakobsweg: Aufbrüche wagen, eigene Wege gehen, neue Ziele finden. München. Linda Siegmund (2014): Die Macht der Gewohnheit. Frei werden von schlechten Gewohnheiten und gute Gewohnheiten entwickeln. Kindle Edition. Paul Verhaege (2013): Und ich? Identität in einer durchökonomisierten Gesellschaft. München. 37
Der Autor: Dr. phil. Burkhard Kastenbutt, Diplom Sozialarbeiter/Sozialpädagoge (FH), Erziehungs- und Sozialwissenschaftler, langjähriger pädagogischer und freier wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fachbereichs Gesundheit der Ländlichen Erwachsenenbildung in Niedersachsen. Lehrtätigkeit am Fachbereich Kulturund Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück im Bereich der Familienund Jugendsoziologie. Sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung zu den Ursachen des Erwachsenen- und Jugendalkoholismus. Neuste Veröffentlichung (zusammen mit Heinz-Werner Müller): Alkoholabhängigkeit, Abstinenz und Suchtselbsthilfe. Analysen, Perspektiven, Handlungsempfehlungen. Norderstedt.
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