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AMYNA e.V. München

Wenn Worte nicht reichen… Sexuelle Gewalt bei Hörgeschädigten und wie sehen die notwendigen Hilfen aus? Dr. med. Ulrike Gotthardt Bereichsleitende Oberärztin Hörgeschädigtenambulanz Behandlungszentrum für Hörgeschädigte LWL-Klinik Lengerich 17.04.2015 Dr. med. Ulrike Gotthardt, LWL-Klinik Lengerich

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Inhalte des Vortrages Hörschädigung und ihre kommunikativ-psychosoziale Bedeutung Leben von hörgeschädigten Menschen Beispiele sexueller Gewalt bei hörgeschädigten Menschen und ihre Folgen Vorhandene Hilfen und Behandlungsangebote für Betroffene Möglichkeiten für hörende Helfer, sexuell misshandelte hörgeschädigte Menschen zu unterstützen

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„Hörgeschädigte Menschen“ Gehörlose: • ganz taub oder mit geringen Hörresten • ohne Hörgerät, mit Hörgerät oder mit CI • schwer verständlich sprechend (meist) bis gut sprechend • vorwiegend Gebärdensprache nutzend (meist) bis vorwiegend Lautsprache nutzend (seltener) • Schriftsprache schlecht beherrschend (meist) bis Schriftsprache sehr gut beherrschend • in jedem Fall: auch mit technischen Hilfsmitteln kein Verstehen von Lautsprache • in der Kommunikation mit Hörenden: Ablesen von den Lippen (= max. 30-40% möglich!) • Identität: gehörlos

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„Hörgeschädigte Menschen“ Schwerhörige: • starker Hörverlust bis geringer Hörverlust • ohne Hörgerät, mit Hörgerät oder mit CI • schwer verständlich sprechend bis gut sprechend • vorwiegend Lautsprache nutzend (meist) bis vorwiegend Gebärdensprache nutzend (seltener) • Schriftsprache schlecht beherrschend bis Schriftsprache sehr gut beherrschend • Lautsprache kann mit und ohne technische Hilfsmittel in unterschiedlichem Maße verstanden werden • in unterschiedlichem Maße Anwendung von „Hörtaktik“ und Ablesen von den Lippen • häufiger in der Kommunikation: „So tun als ob!“ • Identität: schwankend (hörend/schwerhörig/gehörlos)

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„Hörgeschädigte Menschen“ Spätertaubte (= nach Abschluss des Spracherwerbs): • unterschiedlicher, jedoch insgesamt starker Hörverlust; • ohne Hörgerät, mit Hörgerät oder mit CI; • ganz überwiegend gut sprechend und die Lautsprache nutzend; • Lautsprache wird von ihnen jedoch nicht oder kaum verstanden; • Schriftsprache meist mindestens gut beherrschend; • in unterschiedlichem Maße Anwendung von „Hörtaktik“; • Ablesen von den Lippen wird oft nicht beherrscht; • Kommunikation mit Hörenden/Schwerhörigen/Gehörlosen öfters extrem schwer; • Identität: oft hörend Vs: Altersschwerhörigkeit

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Aspekte des Lebens von seit der Kindheit gehörlosen oder stark schwerhörigen Menschen -

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90% wachsen in hörenden Familien auf: keine hörgeschädigtenspezifischen Kenntnisse, keine angemessene Kommunikation einschließlich Fehlen von Gebärdensprache Primat der oralen Kommunikation erster Gebärdenspracherwerb und damit Kommunikationsmöglichkeit mit der Umwelt bei Eintritt in Kindergarten/Schule eingeschränkter Laut-/Schriftspracherwerb vermindertes Bildungsniveau verzögertes psychosoziales Entwicklungsniveau oft niedrigerer sozialer Level im Erwachsenenleben oft anhaltende Bevormundung/Überbehütung durch hörende Eltern

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Nicht gleichzusetzen mit Minderbegabung!

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Aspekte des Lebens von seit der Kindheit gehörlosen oder stark schwerhörigen Menschen -

Überwiegender Teil heiratet ebenfalls hörgeschädigten Partner Kinder sind überwiegend hörend, werden nicht selten in die Dolmetscherrolle gedrängt Beruflich überwiegend einziger Hörgeschädigter unter Hörenden Freizeitleben erfolgt überwiegend mit anderen Hörgeschädigten Aufgrund von kommunikativen (auch: lese-/schriftsprachlichen) Schwierigkeiten: Unterversorgung bzgl. somatischer und psychischer Gesundheit, Unzureichende soziale- und gesellschaftliche Kompetenzen, mangelhafter Informationserwerb (trotz Internet und TV- Untertitel!) u.a.m.

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Wie können hörgeschädigte Menschen die kommunikativen Einschränkungen ansatzweise ausgleichen? -

Ablesen von den Lippen des Gesprächspartners Gebärdensprache (Deutsche Gebärdensprache, Lautsprachbegleitende Gebärden) Gebärdensprach-, Schriftsprachdolmetscher Aufschreiben (einfache Sätze, keine Nebensätze, Nutzung Präsens) Kommunikationstaktik (gut ausgeleuchteter Sprecher, kein Bart, kurze, klare Sätze, 4-Augen-Gespräche, ruhige Umgebung) Technische Hilfsmittel (Hörgeräte, Cochlear Implantate, Übertragungsanlagen, Telefonverstärker) Möglichkeiten des Internets (abhängig von (oftmals begrenzter) Schriftsprachkompetenz)

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Im Kontakt mit Hörenden ergeben sich jedoch nicht selten folgende Schwierigkeiten: -

Betroffene teilen oft ihre kommunikativen Bedürfnisse nicht (ausreichend) mit Betroffene geben sich öfters mit (begrenzter) Hilfestellung durch z.B. Angehörige zufrieden bzw. wissen sich bei Unzufriedenheit nicht zu wehren Bei guter Lautsprache wird das Ausmaß der Hörschädigung seitens der Hörenden oft nicht angemessen wahrgenommen oder anerkannt Hörende halten oft als kommunikative Alternative einen schriftsprachlichen Austausch für ausreichend Nicht selten entscheiden Hörende nach ihrem eigenen, subjektiven Eindruck darüber, welche Hilfen Hörgeschädigte benötigen bzw. ihnen zur Verfügung gestellt werden

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Mit dem Gesagten haben Sie als hörgeschädigte oder hörende ZuschauerIn / ZuhörerIn einige „Fallstricke“ bzgl. Ihrer Kommunikation miteinander erfahren. Nun stellt sich vielleicht für manchen von Ihnen die Frage, ob dies für den Bereich der Beratung für sexuell missbrauchte Menschen so relevant ist? Es melden sich doch kaum Hörgeschädigte… Also kann der Bedarf nicht so groß sein…

oder doch???? Dr. med. Ulrike Gotthardt, LWL-Klinik Lengerich

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Wie sieht es mit sexueller Gewalt speziell bei gehörlosen Frauen aus? Erstmals liegen seit Oktober 2012 Forschungsergebnisse vor durch die Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigung in Deutschland“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2011. Dabei erfolgte auch eine Zusatzbefragung von gehörlosen Frauen. Es fanden sich wichtige Erkenntnisse, die ich auszugsweise benennen möchte: • Die befragten Frauen mit unterschiedlichen Behinderungen und Beeinträchtigungen waren im Lebensverlauf allen Formen von Gewalt deutlich häufiger ausgesetzt als Frauen insgesamt im Bevölkerungsdurchschnitt.

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• Je nach der Untersuchungsgruppe hat jede zweite bis vierte Frau der Studie sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend erlebt. Besonders betroffen sind gehörlose Frauen (52 %), und dann vor allem in Einrichtungen/Internaten/Schulen. Nur in relativ wenigen Fällen kam der Täter aus der Familie. • Von erzwungenen sexuellen Handlungen im Erwachsenenleben waren die Frauen mit Behinderungen/Beeinträchtigungen auch im Erwachsenenleben etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (13 %). Auch hiervon waren die gehörlosen Frauen (43 %) am stärksten belastet. • Gehörlose Frauen haben insgesamt gesehen bei körperlicher und sexueller Gewalt die höchsten Zahlen: Drei Viertel (75 %) der gehörlosen Frauen haben körperliche Gewalt seit dem 16. Lebensjahr erlebt. 43 % waren von sexueller Gewalt im Erwachsenenleben betroffen, 84 % von seelischen Übergriffen und seelisch verletzenden Handlungen. Dr. med. Ulrike Gotthardt, LWL-Klinik Lengerich

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Einzelne Beispiele sexueller Gewalt bei hörgeschädigten Menschen und ihre Folgen aus dem beruflichen Alltag im BZH der LWLKlinik Lengerich • 14jähriges Mädchen (g), wiederholt vom Vater (h) missbraucht, teilt sich der Internatserzieherin mit • ca. 30jährige geistig behinderte Wohnheimbewohnerin (g), wiederholte sexuelle Annäherung vom WGBetreuer (h), teilt sich WG-Mitarbeiterin mit • 40jährige Frau (g), verheiratet, Kinder, wird schwer depressiv mit schweren Schlafstörungen, i.R. der stationären Behandlung wird eine PTBS deutlich und sie teilt sich erstmals über den jahrelangen sexuellen Missbrauch durch den Vater (h) vom 9.-16. LJ. mit

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Fortsetzung: Beispiele sexueller Gewalt… • 22jährige Frau (g) wird auf einer öffentlichen Veranstaltung von zwei Männern (g) vergewaltigt, teilt sich einer Lehrerin mit, kommt aufgrund von PTBS in stationäre Behandlung • 13jähriger geistig behinderter Schüler (g) wird im WH von einem älteren Mitschüler (g) wiederholt missbraucht, Personal wird wegen Verhaltensauffälligkeiten aufmerksam, beobachten später entspr. Tat • 55jähriger (g) ist aufgrund von psychischer Erkrankung in stationärer Behandlung, berichtet i.R. der Psychotherapie von im Internat beobachteten sexuellen Missbräuchen (g) bei denen er Schmiere stehen musste Dr. med. Ulrike Gotthardt, LWL-Klinik Lengerich

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Besonderheiten bei Opfern und Tätern Gehörlose/schwerhörige Opfer • • •

wissen als Jugendliche oft nicht, dass das, was ihnen widerfahren ist, sexueller Missbrauch und strafbar ist. stehen oft vor einer riesengroßen kommunikativen Hürde, die die Mitteilung des Erlebten ungemein erschwert. kennen sehr oft ihre Rechte und die bestehenden Hilfsmöglichkeiten nicht, der Zugang zu entsprechenden Informationen (Medien, Internet etc.) ist massiv erschwert. möchten oft das Erlebte nicht preis geben, da sie Angst vor sozialen/gesellschaftlichen Sanktionen, Klatsch u.a. haben.

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Opfer und Täter Täter sind - hörende Familienmitglieder, Verwandte, die sich aufgrund stark eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeiten sicher fühlen, üben zudem massiven Druck aus. • gehörlose Jugendliche. Dies oft aufgrund von Informationsdefiziten, u.a. bzgl. Definition sex. Missbrauchs, unzureichende Vermittlung von Normen, unzureichende Erfüllung der Aufgaben durch Betreuungspersonen. • hörende Betreuungspersonen; auch hier gibt die fehlende bzw. unzureichende Kommunikation ein Sicherheitsgefühl. • eher selten Unbekannte. • aber auch gehörlose Erwachsene ggü. den eigenen (Stief-) Kindern oder ihnen bekannten Kindern, z.B. aus dem Wohnumfeld.

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Entsprechend dem Ergebnis der genannten Untersuchung und unseren Erfahrungen aus dem Behandlungs- und Beratungsalltag im Behandlungszentrum für Hörgeschädigte der LWL-Klinik Lengerich gibt es somit einen hohen Anteil gehörloser und schwerhöriger weiblicher, aber auch männlicher, sexueller Missbrauchsopfer! Diese erscheinen nicht nur aus Angst oder Scham nicht bei den professionellen Helfern, sondern vor allem aus nicht Wissen und nicht kommunizieren Können!!!! Dr. med. Ulrike Gotthardt, LWL-Klinik Lengerich

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Hilfs- und Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene Erster Schritt: Allgemeine Hilfe und Beratung z.B. Polizei, Arzt, Beratungsstelle für Opfer (sex. Missbrauch bzw. Straftaten) Hindernis, hohe Schwelle des Zugangs für Gehörlose / Schwerhörige: - sprachlich-kommunikative Barrieren bei Nutzung von akustischem Telefon-Onlinenotdienst, Opferberatungsstellen u.a. Lösung: z.B. TESS, Gebärden-, Schriftsprachdolmetscher - schriftliche Barrieren bei Nutzung von schriftlichen OnlineNotdiensten - kulturelle Barrieren bei Nutzung von Notdiensten für Hörende Lösung: z.B. Begleitung durch Vertrauenspersonen, Mitarbeiter von Beratungsstellen für Gehörlose/Schwerhörige

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Hilfs- und Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene Zweiter Schritt: Hörgeschädigtenspezifische Hilfen z.B. - ambulante psychiatrische/psychotherapeutische Beratung bzw. Krisenintervention (Süddeutschland: z.B. Ambulanz der Hörgeschädigtenabteilung der Klinik am Europakanal in Erlangen) - ambulante Psychotherapie (Süddeutschland: z.B. Herr Dipl.-Psych. W. Wirtz, Ottobeuren) - stationäre psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung (Süddeutschland: Erlangen, s.o., Münsterland: Behandlungszentrum für Hörgeschädigte der LWL-Klinik Lengerich) Am besten spezialisierte Angebote für Hörgeschädigte für direktes Gespräch nutzen. Wenn nicht möglich, immer mit neutralem Gebärden-/Schriftsprachdolmetscher. Keine unprofessionellen Übersetzungsmöglichkeiten nutzen, z.B. Lehrer, Eltern, Kinder. Dr. med. Ulrike Gotthardt, LWL-Klinik Lengerich

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Neue Hilfs- und Behandlungsmöglichkeiten für hörgeschädigte Betroffene Teilweise z. Zt. noch in Entwicklung/Verbesserung Spezielles Angebot für Gehörlose und Schwerhörige beim Frauennotruf SMS-Notruf über 112 Projekt zur weitergehenden Erforschung von Gewaltsituationen bei gehörlosen Frauen Wünschenswert: Projekte der Frauenselbsthilfe mit gehörlosen/stark schwerhörigen Frauen in Zusammenarbeit von Bundesministerien mit dem Deutschen Gehörlosen-Bund (DGB) Einsatz und Schulung von gehörlosen Laienhelfern, z.B. Weißer Ring, auch regionsübergreifend Immer da Gehörlose für Gehörlose einsetzen, wo möglich!

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Künftig denkbare Hilfs- und Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene Z.B. durch bestehende Hörenden-Anlaufstellen für allgemeine/sexuelle Gewalt leistbar: - Vermehrtes Wissen der Anlaufstellen und Schulung von deren Mitarbeitern bzgl. dem Umgang mit und die Besonderheiten von gehörlosen / schwerhörigen Opfern - Vermehrte Präventionsarbeit in Einrichtungen für Gehörlose / Schwerhörige (Kindergärten, Schulen, BBWs, Internate, Heime) entweder mit dem ohnehin überwiegend hörenden Personal oder auch für gehörlose / schwerhörige Betroffene unter Hinzuziehung gehörloser Ehrenamtlicher oder entsprechender Hilfen, z.B. Dolmetscher - Einbeziehung und Schulung gehörloser / schwerhöriger Ehrenamtlicher in die Angebote der Anlaufstellen

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Weitere künftige, denkbare Hilfs- und Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene Z.B. durch bestehende Hörenden-Anlaufstellen für allgemeine/sexuelle Gewalt leistbar: - Online-Beratung speziell auf die Schriftsprache Hörgeschädigter abgestellt - Anonymisierte Online-Beratung über TESS mit der Möglichkeit, z.B. das Gesicht unkenntlich zu machen -

Verpflichtende Zusammenarbeit der Angebote mit dem Dt. Gehörlosen- und Dt. Schwerhörigen-Bund, um angemessene Angebote zu entwickeln und diese zu bündeln

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Zum Abschluss: Titel der Veranstaltung: "Wenn Worte nicht reichen"

Im Vordergrund stehen für mich weniger die Worte im Sinne der sprachlichen Kommunikation, als das gegenseitige Verständnis und die Akzeptanz der emotionalen, sozialen und kulturellen Besonderheiten und Bedürfnisse unter Einbeziehung der selbst Betroffenen

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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Dr. med. Ulrike Gotthardt Bereichsleitende Oberärztin Hörgeschädigtenambulanz Behandlungszentrum für Hörgeschädigte LWL-Klinik Lengerich Parkallee 10 49525 Lengerich Internet: www.lwl-klinik-lengerich.de Mail: [email protected] Fax: 05481 – 12 456 Tel: 05481 – 12 279 Beisitzerin im Deutscher Gehörlosen-Bund e.V. Prenzlauer Allee 180 10405 Berlin Mail: [email protected]

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Haus 23

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Hauptgebäude

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Sexueller Missbrauch bei Kindern (allgemein) Schätzungen gehen davon aus, dass zehn bis fünfzehn Prozent aller Frauen und fünf bis zehn Prozent aller Männer in ihrer Kindheit sexuell missbraucht wurden. -

Die meisten Fälle bleiben unbemerkt, weil es einen starken Verdrängungsmechanismus wegen vielen gesellschaftlichen Tabus gibt Fast immer ist sexueller Missbrauch mit einem Nicht-darüberreden-können und Nicht-darüber-reden-dürfen verbunden. Vor allem beim sexuellen Missbrauch innerhalb der Familie ist Schweigen das oberste Gebot. Das Schweigen wird oft mit Drohungen beim Kind durchgesetzt!

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Ob, wie und in welchem Umfang jemand den sexuellen Missbrauch ohne oder mit Folgen verarbeitet, ist sehr unterschiedlich. U.a. ist dieses abhängig von - der seelischen Stabilität des Opfers - den Erfahrungen und Möglichkeiten des Opfers, mit belastenden Ereignissen des Lebens umzugehen - gesellschaftlich-kulturellen Unterschieden Manche Menschen leiden kurze Zeit, danach hat das belastende Erlebnis keine weitere Folgen für sie. Andere Opfer leiden an vergleichbaren Erlebnissen lange oder die Folgen werden erst viel später deutlich. Die Folgen können bis hin zu massiven Einschränkungen der Lebensgestaltung und schweren seelischen (= psychischen) Erkrankungen führen.

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Bei vielen Opfern von sexuellem Missbrauch kommen die unterdrückten Erlebnisse erst Jahre später zum Vorschein. Vor allem dann, wenn sie eine Partnerschaft eingehen und/oder eine Familie gründen wollen. Nicht selten gibt es auch andere Ereignisse, die zum Ausbruch von Symptomen und zur Behandlungsbedürftigkeit führen. Es dauert also oft viele Jahre, bis die Opfer sich klar werden, dass sie Probleme haben und dass diese die Folgen des sexuellen Missbrauchs sind. Erst dann können sie den ersten Schritt tun und Hilfe holen.

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Was geschieht mit den betroffenen Gehörlosen /Schwerhörigen nach ihrem Outing als Opfer einer sexuellen Gewalttat? Wichtige Ziele sind: - Stabilisierung und Entlastung des Opfers - Schutz: geschützte Umgebung bieten, Beendigung des Täter-OpferKontaktes - adäquaten Umgang mit der Belastung / dem Trauma entwickeln - Bearbeitung / Behandlung der Folgen Angebote psychiatrisch-psychotherapeutischer Beratungen und Behandlungen in Deutschland - Ambulant/stationär LWL-Klinik Lengerich, Klinik am Europakanal Erlangen - Ambulant psychotherapeutisch: Münster, Braunschweig, Göttingen, Bad Honnef, Frankfurt am Main, Hamburg, begrenzt: Essen

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Wichtige Faktoren in der Behandlung • • • • • • •

Entlastende, stützende Gespräche Verhaltenstherapeutische, tiefenpsychologische, psychoanalytische Behandlungssitzungen Entspannungstechniken (z.B. Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training) Schaffen eines „inneren, sicheren Ortes“ „Tresorübungen“ ggf. Unterstützung mit Medikamenten, z.B. gegen Depressionen Techniken zur Selbstkontrolle und Steuerung von dissoziativen Zuständen (z.B. „Stresstoleranz-Skills“ aus der DBT)

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