Wenn Hunde nicht teilen wollen

Jennifer Göß 2017 Diplomarbeit im Rahmen der Ausbildung zur ganzheitlich orientierten Hundeverhaltenstrainerin beim Verein „TIERE HELFEN LEBEN“.

Jennifer Göß

„Pfoten weg“…Wenn Hunde nicht teilen wollen

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Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort…………………………………………………………………….…….Seite 5 1.1. Persönlicher Bezug………………………………………….……….Seite 5 1.2. Einleitung……………………………………………………….……..Seite 6 2. Aggressionsverhalten 2.1. Was ist Aggression………………………………………….………..Seite 8 2.2. Anzeichen von Aggression…………………………………….…….Seite 9 2.3. Offensive und Defensive Aggression……………………….………Seite 9 2.4. Stufenleiter der Aggression……………………………………….…Seite 10 2.5. Die Beißhemmung………………………………………………........Seite 12 3. Die Ressourcensicherung beim Hund 3.1. Was ist Ressourcensicherung?.....................................................Seite 13 3.2. Welche Arten der Ressourcensicherung gibt es?..........................Seite 14 3.3. Bestrafung – Ja oder Nein?...........................................................Seite 15 3.4. Wie sieht Ressourcensicherung aus?............................................Seite 15 3.5. Ressourcensicherung kann mild oder ernst sein………………..…Seite 16 3.6. Formen Beschreibung 3.6.1. „Mein Futter“…………………………………………..……..Seite 17 3.6.2. „Mein Spielzeug“………………………………………….…Seite 18 3.6.3. „Mein Platz“…………………………………………………..Seite 18 3.6.4. „Mein Mensch“…………………………………………..…..Seite 19 4. Körperliche Berührungen………………………………………………..……..Seite 19 4.1. Vorbeugung vom Welpenalter an……………………...……………Seite 20 4.2. Vorbeugung bei einem erwachsenen Hund………………………..Seite 21 5. So „sprechen“ unsere Hunde 5.1. Was sind Beschwichtigungssignale?.............................................Seite 21 5.2. Die häufigsten Beschwichtigungssignale…………………...………Seite 22 5.3. Wichtigkeit für das Training…………………………………………..Seite 25 6. So lernen unsere Hunde………………………………………………………..Seite 26

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6.1. Das Gehirn ist auf Dauerbetrieb………………………...…………..Seite 26 6.2. Wie schnell lernen Hunde?...........................................................Seite 27 6.3. Klassische Konditionierung………………………………………….Seite 27 6.4. Gegenkonditionierung……………………………………….……….Seite 28 6.5. Systematische Desensibilisierung…………………………………..Seite 29 6.6. Operante Konditionierung………………………………………..…..Seite 30 6.6.1. Positive Verstärkung……………………………………..…Seite 31 6.6.2. Negative Strafe……………………………………………...Seite 31 6.6.3. Positive Strafe…………………………………………….…Seite 32 6.6.4. Negative Verstärkung……………………………………....Seite 32 6.7. Generalisierung……………………………………………………..…Seite 33 7. Stress………………………………………………………………………..……Seite 34 7.1. Definition von Stress…………………………………………..………Seite 34 7.2. Stress-Symptome……………………………………………..……….Seite 36 7.3. Eustress und Distress……………………………………..…………..Seite 37 7.4. Wie läuft die Stressreaktion ab?.....................................................Seite 38 7.5. Welche Stresshormone werden ausgeschüttet?............................Seite 39 7.6. Was kann man bei offensichtlichen Stress tun?.............................Seite 40 7.7 Stress und Lernen………………………………………………..…….Seite 40 8. Das Leben mit einem Hund der Ressourcen sichert…………………...……Seite 41 8.1. Wenn ein Kind im Haus lebt…………………………………...……..Seite 41 8.2. Wenn ein anderer Hund im Haus lebt……………………………….Seite 41 8.3. Wenn ein Baby unterwegs ist………………………………..……….Seite 42 8.4. Management……………………………………………………………Seite 42 9. Trainingsansätze zur Unterstützung bei Ressourcensicherung…………….Seite 44 9.1. Markersignal………………………………………………………...….Seite 44 9.2. Target-Training…………………………………………………….......Seite 46 9.3. Aufbau von Alternativverhalten……………………………………....Seite 47 9.4. Shaping…………………………………………………………...…….Seite 48 9.5. Maulkorbtraining…………………………………………………….....Seite 49 9.6. Konditionierte Entspannung……………………………………..…...Seite 50

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10. Ressourcensicherung vorbeugen………………………………………..…..Seite 51 11. Nachwort………………………………………………………………………..Seite 53 12. Quellennachweis……………………………………………………………....Seite 54

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1. Vorwort Im Rahmen meiner Ausbildung bei Tiere Helfen Leben, habe ich viele verschiedene Bereiche kennengelernt und es fiel mir sehr schwer, mich für ein Thema zu entscheiden. Es gibt unzählige interessante Themen, die ich gerne für meine Diplomarbeit ausgewählt hätte. Letztendlich habe ich mich dafür entschieden, eine Arbeit über Ressourcensicherung zu schreiben. Warum ich mich dafür entschieden habe? Ich habe 4 Jahre in einem Tierheim gearbeitet und in dieser Zeit einige Hunde kennengelernt, die sehr starkes Verteidigungsverhalten an Ressourcen gezeigt haben. Ich habe einige unterschiedlichste Formen und Intensitäten der Sicherung gesehen und dadurch weiß ich, wie wichtig es ist, das Verhalten des Hundes zu verstehen. Im nächsten Absatz, werde ich Ihnen meinen persönlichen Bezug zu diesem Thema etwas genauer erzählen. Neben der eigentlichen Erklärung, was Ressourcensicherung ist, möchte ich Ihnen auch näher bringen, welche Arten der Sicherung es gibt und wie man erfolgreich vom Welpenalter an (oder auch bei einem ausgewachsenen Hund) vorbeugen kann, dass diese gleich gar nicht entsteht. Ich werde Ihnen auch das Aggressionsverhalten beschreiben, wie Sie Beschwichtigungssignale und Stressanzeichen richtig erkennen können und die Art und Weise wie unsere Hunde lernen.

1.1. Persönlicher Bezug Ich habe mich bewusst für dieses Thema entschieden, weil ich auch einen persönlichen Bezug dazu habe. 2012 lernte ich als Tierpflegerin in einem Tierheim meinen ersten Hund kennen, der Ressourcen sicherte. Sein Name ist Nicolai und zu diesem Zeitpunkt war er 4 Jahre alt und bereits 3 Jahre im Tierheim. Er verteidigte Futter jeglicher Art, seine Futterschüssel und alles mit dem er spielen konnte. Mit 9 Monaten, biss Nicolai das erste Mal eine Pflegerin in den Oberarm, weil er sein Futter gegen sie verteidigte. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass Nicolai

(Abb.1)

generell kein Problem mit Menschen hat, er ist ein recht aufgeschlossener Hund,

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der fremden Menschen gegenüber kein aggressives Verhalten zeigen würde, wenn es keinen Grund dazu gibt. Als ich ihn das erste Mal in einer Fütterungssituation erlebte, sah ich einen Hund, der schon beim Anblick der Futterschüssel, knurrend und bellend gegen das Gitter der Türe sprang und seine Zähne präsentierte. Eine normale Fütterung war fast nicht möglich. Mit viel Input von Hundetrainern und meiner damaligen Kollegin beschloss ich, dies zu ändern und für Nicolai und die Pfleger, einen angenehmeren Alltag zu schaffen. In vielen kleinen Schritten wurde Nicolai daran gewöhnt, dass die Kombination Mensch und Futterschüssel, oder Mensch und Futter, etwas sehr Gutes bedeutet und es nicht immer gleich für mächtig Aufregung sorgen muss, wenn ein Pfleger mit seiner Futterschüssel vor der Türe steht. Heute ist Nicolai während der Fütterung wesentlich entspannter und kein Vergleich mehr zur damaligen Zeit. Wenn man jetzt die Türe öffnet, sieht man einen Hund der ruhig auf sein Futter wartet und dabei nicht seine Zähne zeigt oder gegen die Türe springt. Da er aber immer noch im Tierheim ist, spielt natürlich der Stress der dort den ganzen Tag herrscht auch eine große Rolle. Daher wird man erst ein optimales Training bei ihm erreichen können, wenn er endlich seine Menschen findet, die das nötige Verständnis mitbringen und mit ihm weiter daran arbeiten wollen. Aber ich möchte Nicolai für all das was er mir beigebracht hat danken. Er war einer der Gründe, warum ich mich dafür entschlossen habe, die Ausbildung zur Hundeverhaltensberaterin zu machen.

1.2. Einleitung Ressourcensicherung ist ein weit verbreitetes Problem bei Hunden, allerdings wissen viele Hundebesitzer überhaupt nicht, dass ihr Hund Ressourcen für sich beansprucht, oder nehmen dies auf die leichte Schulter, denn „er knurrt ja nur“! Es kommt sehr häufig vor, dass Hundebesitzer überhaupt nicht wissen, dass der Hund Ressourcen sichert, weil sie den Hund entweder nicht richtig beobachten oder nicht verstehen, was er mit diversen Verhaltensmustern ausdrücken will. Doch in meinen Augen stellt dies ein weit größeres Problem dar, als die Tatsache, dass der Hund Ressourcen sichert! Ressourcensicherung darf auf keinen Fall unterschätzt werden, geschweige denn ignoriert werden. Nun stellen sich viele Menschen die unterschiedlichsten Fragen: „Ist mein Hund Verhaltensgestört? Ist mein Hund Jennifer Göß

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dominant? Ist der Hund schlecht erzogen? Besteht überhaupt Hoffnung auf Besserung?“ Die Antworten auf diese Fragen, sind leicht zu beantworten: Die erste gute Nachricht ist, NEIN Ihr Hund ist nicht Verhaltensgestört! Es ist ein komplett natürliches Verhalten Ihres Hundes. Bevor der Hund mit dem Menschen in so enger Verbindung lebte, war er selbst für sein Überleben und somit für die Nahrungsbeschaffung zuständig. Würde ein Wildhund seine Beute jemandem kampflos überlassen, sinken die Überlebenschancen enorm. Auch bei der Fortpflanzung spielt dieses Verhalten eine wichtige Rolle, z.B. beim Verteidigen einer läufigen Hündin. Der Glaube ein Hund sichert Ressourcen, weil er dominant ist, ist falsch! In den Köpfen der Menschen schwirrt immer noch der Gedanke der Rangordnungstheorie herum und wird gerne als Erklärung für sämtliches Aggressionsverhalten bei Hunden verwendet. Ebenso dient es hervorragend als Rechtfertigung für aversive Trainingsmethoden in der Hundeerziehung. Häufig tritt Ressourcensicherung auch mit anderen Verhaltensproblemen auf. Sie sind scheu, unsicher oder haben mangelndes Vertrauen in den Menschen. Also das komplette Gegenteil von einem „dominanten“ Hund. Zum Thema schlechter Erziehung möchte ich Ihnen folgendes sagen: Sie haben doch bestimmt schon einige Male gehört, dass man seinem Hund das Futter wegnehmen soll, während er frisst, denn schließlich muss man dem Hund jederzeit etwas wegnehmen können und der Hund darf einen dabei nicht anknurren oder gar schnappen! Genau das wäre ein Erziehungsfehler, wegen dem Ihr Hund Ressourcen sichern könnte! Wenn ihm ständig sein Futter genommen wird, wird der Hund früher oder später anfangen, sein Futter zu verteidigen. Würden Sie sich einfach Ihren Teller während Sie essen wegnehmen lassen? Ich glaube nicht! Sie wollen das nicht und Ihr Hund auch nicht! Aber auch andere Ursachen können der Grund für Ressourcensicherung sein. Sogar die harmlos wirkende Welpenschüssel (eine große, meist runde Schüssel, aus der alle Welpen gleichzeitig fressen) bei einem Züchter, kann der Auslöser dafür sein, dass bereits ein Welpe oder Junghund aggressives Verhalten gegen Artgenossen zeigt, wenn Futter im Spiel ist. Bei dieser Art der Fütterung muss ein Welpe schnell fressen und sich gegen seine Geschwister durchsetzen können, um genügen Futter abzubekommen.

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Hoffnung auf Besserung besteht, allerdings kann dies je nach Heftigkeit ein zeitaufwändiges und langwieriges Training werden. Umso früher erkannt wird, dass Ihr Hund Ressourcen sichert, umso eher kann mit dem Training begonnen werden! Denn je länger der Hund dieses Verhalten zeigt, desto gefestigter wird es. Ein sehr wichtiger Faktor ist, dass ALLE Beteiligten sich an die Regeln halten!!! Ich werde Ihnen auf den folgenden Seiten nicht nur das Thema Ressourcensicherung näher bringen, sondern Ihnen auch andere wichtige Bereiche beschreiben. Dazu gehören wichtige Themen wie Aggressionsverhalten, Stress, wie unsere Hunde kommunizieren und wie sie überhaupt lernen. Zum Schluss, werde ich Ihnen noch ein paar Trainingsmöglichkeiten genauer erklären und wie man manchen Problemen vorbeugen kann. Allerdings erwähne ich gleich, dass ich in KEINEM BEREICH einen Trainingsplan wiedergeben werde!!!

2. Was ist Aggression? Aggressionsverhalten ist genetisch fest verankert und wird vielseitig eingesetzt, zum Beispiel als Selbstverteidigung, zum Schutze der Nachkommen, um Distanz zu vergrößern, zum Sichern von wichtigen Ressourcen und in vielen weiteren Bereichen. Man unterscheidet zwischenartlicher und innerartlicher Aggression. Die zwischenartliche Aggression besteht in der Auseinandersetzung unterschiedlicher Arten und beinhaltet Beutefang, Verteidigung und Angriffsverhalten, die bei Konkurrenz um Ressourcen wie Nahrung oder Wasser auftritt. Diese Art der Aggression ist lediglich Teil des Beuteerwerbs und der Sicherung des Überlebens und beinhaltet in der Regel kein Verhalten, das man als Ärger oder Wut deuten könnte. Viel interessanter aber ist die zweite Form, die innerartliche Aggression. Sie ist gegen Artgenossen gerichtet. Auf welche Weise Kämpfe durchgeführt werden (bei denen es meistens um knappe Ressourcen geht), ist in den Genen festgelegt. Aufgrund sehr ähnlicher Bedürfnisse von Artgenossen kommt es zu innerartlichen Aggressionen. Sie stehen dabei in unmittelbarer Konkurrenz um Nahrung, Geschlechtspartner und Lebensraum. Die Form des Angriffsverhaltens ist im Wesentlichen abhängig von den Risiken und möglichen Vorteilen, die sich aus aggressiven Begegnungen ergeben.

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Das Ausdrucksverhalten ist bei Aggression sehr eindeutig, damit das Gegenüber es auch unmissverständlich versteht und richtig handeln kann. Aggression besteht aus verschiedenen Elementen die von Drohung, Vertreibung, Schmerzzufügung, Verletzung bis hin zur Tötung gehen können. Um die unterschiedlichen Elemente leichter zu verstehen, gibt es eine Eskalationsleiter (siehe Seite 11), an der man sich orientieren kann.

2.1. Anzeichen von Aggression •

Zähneblecken



Fixieren (mit dem Blick)



Drohbellen



Schnappen



Knurren



Steifer Gang



Erstarren



Hoch getragene, steife Rute



Beißen

Generell gilt: umso weniger Bewegung im Hundekörper zu sehen ist, umso ernster ist die Situation und man sollte schnellstmöglich handeln.

2.2. Offensive und Defensive Aggression Wir unterteilen Aggression in zwei verschiedene Arten, der offensiven Aggression (aktives Verteidigungsverhalten) und der defensiven Aggression (passives Verteidigungsverhalten). Welche der beiden Verhaltensweisen ein Hund zeigt, hängt unteranderem davon ab •

welche Lernerfahrung ein Hund gemacht hat (welches Verhalten führte zum Erfolg)



wie sein Wesen ist



ob eine Fluchtmöglichkeit besteht

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welche Triebe und Abneigungen vorhanden sind



oder von den Konsequenzen welche das ursprünglich versuchte Verhalten hatte. Das bedeutet, hatte der Hund keinen Erfolg mit Knurren, wird seine nächste Reaktion heftiger ausfallen

Hunde die Ressourcen sichern, zeigen offensive Aggression, um eine für sie wertvolle Ressource behalten oder bekommen zu können. Hunde leben im Hier und Jetzt und bewachen das, was für sie in diesem Augenblick von hoher Bedeutung ist.

2.3. Stufenleiter der Aggression: Stufe 1: Drohungen ohne Körperkontakt •

Distanzdrohung (Fixieren, Zähneblecken, Maul aufreißen)



Distanzunterschreitung mit gelegentlichen Körperkontakt, gehemmte Beißerei

Stufe 2: Drohungen mit Körperkontakt •

Einschränkung der Bewegungsfreiheit (Queraufreiten, Runterdrücken, Schieben,…)

Stufe 3: Beschädigung •

Gehemmte Beschädigung (Anrempeln, Anspringen, gehemmtes Abwehrbeißen)



Ungehemmte Beschädigung (Beißen, Beißschütteln,…)

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Die Eskalationsleiter

(Abb.2)

Copyright: www.animal-learn.de

Dieses Bild beschreibt die normale Reaktion von einem Hund auf einen für ihn bedrohlichen Reiz. Die Eskalationsleiter beginnt bei normaler Kommunikation, mit Beschwichtigungssignalen. Werden seine Zeichen nicht beachtet oder bleibt die Situation unverändert, wird sich der Hund dazu gezwungen fühlen zu stärkeren Mitteln zu greifen. Er wird anfangen Abwehrsignale zu zeigen und zuerst knurren oder vielleicht abschnappen. Bleibt die Situation dennoch unverändert und ist die Distanz, in der sich der Hund noch wohl fühlt bereits unterschritten, kann die Situation so weit gehen, dass der Hund zubeißt. Hat der Hund bereits einen hohen Stresspegel und ist gerade im Besitz einer Ressource, kann es passieren, dass er den unteren Bereich der Eskalationsleiter überspringt und gleich knurrt. Stufen die nicht den erhofften Erfolg bringen werden ausgelassen. Lernt ein Hund zum Beispiel, dass ein Mensch die Distanz trotz starker Beschwichtigungssignale nicht vergrößert, wird der Hund mit hoher Wahrscheinlichkeit bald beginnen, die ersten Stufen auszulassen und direkt knurren, wenn sich jemand nähert.

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Wird dem Hund dann auch noch das Knurren verboten, bleibt ihm keine andere Möglichkeit als abzuschnappen, welches die meisten Menschen zurückweichen lässt. Somit lernt der Hund, dass das Schnappen wirkungsvoller ist, als das Knurren. Der Hund lernt so, welches Verhalten zu welcher Konsequenz führt. Sehr schnell kann es hier zur Generalisierung kommen. Mit immer mehr Reizen werden Angst und Frustration verknüpft und es wird immer schwieriger werden, den eigentlichen Auslöser für das Verhalten zu finden.

2.4. Die Beißhemmung Die Beißhemmung des Hundes muss beurteilt werden, um herauszufinden, wie erfolgreich das Training sein kann. Der Schweregrad der Bisse, wird in der Regel nur wenig variieren. Wenn die 5 Bisse eines Hundes bei jedem Mal in etwa gleich schwer waren (z.B. wenige oberflächliche Löcher), dann wird der 6. Biss mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder den gleichen Verletzungsgrad verursachen. Damit man die Beißhemmung etwas genauer einschätzen kann, muss man alle Bisse die der Hund bis Dato anderen Hunden oder Menschen zugefügt hat, erfassen. Dabei ist es wichtig den möglichen Auslöser, den Kontext in dem der Biss vorgefallen ist, ob Drohsignale vom Hund gesendet wurden und wie der Besitzer die komplette Situation einschätzt in der der Vorfall passiert ist, zu erfragen. Auch über das „Opfer“ sollte man so viel wie möglich erfahren. Welche Kleidung wurde getragen? Wo wurde zugebissen? Wie war die Fellbeschaffenheit des anderen Hundes (dicht, sehr kurz, lang, usw.)? Diese und viele weitere Fragen spielen bei der Beurteilung eine wichtige Rolle. Je nachdem, wie die Beißhemmung des Hundes ist, kann der Trainer dann einen möglichen Trainingserfolg einschätzen und passende Sofortmaßnahmen erstellen. Der Hundetrainer wird dann je nach Ergebnis selbst beurteilen, ob er den Hund als therapierbar einstuft oder ob er Sie lieber an eine/n andere/n Kollegen/in überweist, der/die vielleicht schon Fälle mit diesem Schweregrad an Ressourcensicherung im Training hatte.

Um den Schweregrad eines Bisses genauer beurteilen zu können, wird auch hier wie bei der Aggression in verschiedene Grade unterteilt:

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Grad 1: Knurren, Zähne zeigen, Bellen, Fixieren, Schnappen, kein Beißkontakt Grad 2: einzelner leichter Biss, kein Blut, Hund speichelt Grad 3: einzelner Biss mit 1-4 Verletzungen, die maximal so tief sind wie ein halber Hundezahn Grad 4: einzelner Biss die tiefer sind, als ein halber Hundezahn, Beuteschütteln, bei sehr festen Biss gibt es 1-2 Tage einen blauen Fleck Grad 5: Mehrere Bisse, die tiefer gehen als der halbe Hundezahn, Beuteschütteln, schwere Verletzungen Grad 6: Todesfall Dies sind nur Richtwerte, die bei der genaueren Beurteilung der Beißhemmung helfen können. Ein Hund kann sehr genau einschätzen, wie er beißt, wie fest er beißt und ob er jemandem überhaupt gezielt verletzen möchte. Daher finde ich die Aussage: „ich hatte Glück, dass er mich nicht erwischt hat“ ziemlich daneben. Denn WENN ein Hund jemanden verletzen möchte, dann schafft er das auch!

3.1. Was ist Ressourcensicherung? Was ist eine Ressource überhaupt? Eine Ressource ist alles, was ein Hund in seinen Augen zum Überleben braucht. Allerdings ist das für jeden Hund etwas Anderes. Objekte und bestimmte Orte, sind zusätzlich noch mit Wohlbefinden und Sicherheit verknüpft. Auch die Wertigkeit einer Ressource ist nicht immer die Gleiche, sondern kann eine relative Wertigkeit haben. So macht es für einen Hund vielleicht einen großen Unterschied, ob ein Spielzeug ganz neu ist, was gerade die aktuelle Motivation des jeweiligen Hundes ist, oder wie die Ressource verteilt ist, auf großer Fläche verteilt oder eine Menge auf einmal und das aber gehäufter (Futternapf, Kauknochen,…). Auch Erkrankungen des Hundes können Einfluss auf die Stärke der Ressourcensicherung nehmen.

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In den Augen unserer Hunde, macht das Sichern von Ressourcen, durchaus Sinn, denn wer sich in der Natur z.B. nicht um die Bewahrung seiner Nahrung kümmert und diese jedem anderen der sie im streitig macht gleich überlässt, der hat wenig Überlebenschancen.

3.2. Welche Arten der Ressourcensicherung gibt es? Ressourcensicherung kann in den unterschiedlichsten Formen auftreten, denn für jeden Hund ist etwas Anderes von großer Bedeutung. Das Sichern einer Ressource kann sowohl gegen Menschen als auch gegen Artgenossen gerichtet sein. Was uns das Ganze noch erschwert ist, dass Hunde meistens nicht nur eine Form der Ressourcensicherung zeigen, sondern unter Umständen mehrere auf einmal. Bei manchen Hunden kommt es sogar vor, dass sie zusätzlich auch noch ein Problem mit körperlichen Berührungen haben.

Die häufigsten Formen der Ressourcensicherung: •

Futter



Wasser



Objekte die mit Futter/Wasser verknüpft sind (Näpfe, Futterbälle, Futterbeutel, usw.)



Spielzeug



Verbotene Gegenstände (z.B. Müll)



Schlaf- und Liegeplätze



Die Bezugsperson



Artgenossen



Schnüffelstellen



Schätze (Buddellöcher, Tannenzapfen, Stöckchen, usw.)



………….

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Wie man sieht, können die verschiedensten Dinge von Hunden als Ressource gesehen und auch verteidigt werden. 3.3. Bestrafung – Ja oder Nein? Oft verstehen Menschen ihre Hunde falsch, wenn sie Ressourcen sichern und werden dann aus Frust und Verzweiflung wütend. Doch dieses Verhalten des Besitzers steigert den „Wettbewerb“ um die Ressource und veranlasst den Hund, das umstrittene Objekt der Begierde noch mehr zu bewachen. Doch einen Hund in dieser Situation zu strafen, ist alles andere als hilfereich. Stattdessen muss man versuchen das Verhalten des Hundes zu verstehen und mit ihm gemeinsam am Problem zu arbeiten. Vertrauen ist dabei das A und O und Strafe würde das Vertrauen zerstören. Bei der Arbeit mit einem Hund, der seine Ressourcen bewacht, darf der Hund weder „unterworfen“ werden, noch sollte er geschimpft oder körperlich bestraft werden.

3.4. Wie sieht Ressourcensicherung aus? Ressourcensicherung kann bei einer Vielzahl von Objekten auftreten. Einige Hunde bewachen nur, was sie gerade in ihrem Besitz haben (Spielzeug, Knochen, etc.) oder wenn sie gerade fressen. Andere Hunde bewachen Spielsachen oder andere Dinge die sich in ihrer unmittelbaren Nähe befinden, selbst wenn sie gerade kein offensichtliches Interesse daran zeigen. Manche Hunde bewachen Plätze, wie das Sofa oder das Bett. Hunde können Ressourcen sowohl vor anderen Hunden, als auch Menschen oder beidem bewachen. Ressourcensicherung zeigt sich in verschiedenen Schweregraden. Dies beginnt bei dem Hund der seine Ressource wegträgt bis hin zu dem Hund, der knurrt, schnappt oder beißt, wenn sich ihm jemand nähert. Diese Verhaltensweisen (z.B. Knurren) sind Warnungen. Man darf dafür seinen Hund nicht bestrafen, sonst läuft man Gefahr, dass der Hund aufhört zu Warnen und gleich anfängt zu schnappen oder beißen.

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3.5. Ressourcensicherung kann mild oder ernst sein Wie Sie an diesen Beispielen erkennen können, umfasst die Ressourcensicherung nicht nur eine Vielzahl von Verhaltensweisen, sondern unterscheidet sich auch in der Ernsthaftigkeit. Es ist normales Hundesozialverhalten, einen anderen Hund von ihren guten Sachen mit einem Blick oder einem Knurren fernzuhalten; Die sozial angemessene Antwort vom anderen Hund ist, den Versuch die Ressource zu bekommen abzubrechen. Wenn die beiden Hunde im Allgemeinen gut miteinander auskommen und solche Begegnungen nie oder nur sehr selten eskalieren, gibt es keinen Grund für die Menschen einzugreifen.

Ein paar, der von mir oben genannten Beispiele, werde ich Ihnen etwas genauer beschreiben. Wie die jeweilige Form der Ressourcensicherung entstehen kann, wie sie aussieht und gegen wem der Hund das Verteidigungsverhalten zeigen könnte.

3.6.1. „Mein Futter“ Die am häufigsten gezeigte Form der Ressourcensicherung, ist das Verteidigen von Futter. Häufig wird dies ausgelöst durch das Wegnehmen des Futters, durch Mangel an Futter, durch Krankheit oder auch falsches Handhaben des Züchters bei der Fütterung der Welpe. Aber auch bei ehemaligen Straßenhunden, kann das Sichern von Futter durch den einst

(Abb.3)

geführten Kampf ums Überleben entstanden sein.

Mögliche Anzeichen: •

Der Hund droht, wenn man sich ihm nähert, während er frisst



Der Hund droht, wenn man ihm etwas abnehmen möchte, dass er sich gestohlen hat

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Der Hund droht, wenn ein anderer Hund einem Gegenstand zu nahe kommt, der etwas mit Futter zu tun hat. Das kann der Futterbeutel des Besitzers sein, ein Mülleimer, wenn ein Mensch gerade selbst etwas isst, die Futterschüssel, sein Kauknochen, usw.

Das verteidigen von Futter kann gegen Menschen, Artgenossen und andere Tiere gerichtet sein. Wie heftig das Verhalten des Hundes ausfällt, während er etwas Fressbares hat, hängt davon ab, wie hochwertig das Futter für ihn ist.

3.6.2. „Mein Spielzeug“ Spielzeug ist bei Hunden auch eine sehr beliebte Ressource, die oft verteidigt wird. Nehmen wir mal an, bei Ihnen im Haushalt leben zwei Hunde. Einer der Beiden, nimmt bei jeder Gelegenheit dem Anderen das Spielzeug weg. Irgendwann wird der Hund (dem ständig das Spielzeug weggenommen wird) damit anfangen, sein Spielzeug nicht mehr so einfach abzugeben. Dies kann anfangs vielleicht nur dadurch gezeigt werden, dass er mit dem Spielzeug weggeht. Reagiert der andere Hund nicht auf dieses Signal, wird der „betroffene“ Hund in seiner Körpersprache etwas deutlicher werden. Dies kann je nach Hartnäckigkeit des zweiten Hundes, sich solange steigern, bis wir einen Hund haben, der mit ziemlich heftigen Reaktionen seine Ressource gegen den Artgenossen verteidigt.

Mögliche Anzeichen: •

Der Hund droht, wenn er ein Spielzeug hat und sich ihm ein anderer Hund oder Mensch nähert



Der Hund droht, wenn ihm ein anderer Hund oder Mensch versucht das Spielzeug wegzunehmen



Der Hund droht, wenn ein anderer Hund ein beliebtes Spielzeug hat

Diese Form der Ressourcensicherung kann gegen Artgenossen, andere Tiere oder Menschen gerichtet sein. Je nach Wertigkeit des jeweiligen Spielzeuges, kann die Reaktion des Hundes ausfallen.

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3.6.3. „Mein Platz“ Auch Liegeplätze werden des Öfteren nicht gerne geteilt. Dies muss allerdings nicht immer nur das eigene Körbchen sein. Es kann auch sein, dass Ihr Hund das Sofa, das Bett, seine Box oder vielleicht auch einen begehrten Sonnenplatz auf der Terrasse verteidigt. Eine mögliche Form der Entstehung dieser Art von Ressourcensicherung könnte sein, dass Ihr Hund zum Beispiel seine Box als Sicherheitszone sieht. Sicherheit ist ja, wie wir schon gelesen haben, auch eine wichtige Ressource für einen Hund. Wenn er sich nun in seiner Sicherheitszone bedrängt fühlt, oder diese als gefährdet betrachtet, kann es zu aggressiven Verhalten zum Schutze dieser Zone kommen.

Mögliche Anzeichen: •

Der Hund droht, wenn er auf einem Möbelstück liegt und sich ihm jemand nähert



Der Hund droht, wenn jemand versucht, ihn von dem Möbelstück runter zu befördern



Der Hund droht, wenn jemand seiner Box zu nahe kommt, oder gar hineinfasst



Der Hund droht, wenn ein anderer Hund versucht, auf das Möbelstück, in sein Körbchen in dem er gerade liegt, oder in seine Box zu gehen

Diese Form der Sicherung kann gegen Menschen, Artgenossen oder andere Tiere gerichtet sein. Auch hier variiert die Heftigkeit je nach Motivation und Wichtigkeit. Auch ob sich die Bezugsperson gerade auf dem Sofa befindet und ein anderer Mensch/Hund nähert sich, kann eine große Rolle spielen, aber dazu komme ich im nächsten Beispiel.

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3.6.4. „Mein Mensch“ Eine oft unterschätze und „schöngeredete“ Form der Ressourcensicherung, ist das Verteidigen der Bezugsperson. Ich habe bewusst „schöngeredet“ geschrieben, weil genau hier der Knackpunkt liegt. Viele Menschen finden es amüsant, wenn der Hund die ersten Ansätze des Verteidigens der Bezugsperson zeigt. Oft wird darüber gelacht oder der Hund sogar gelobt, wenn er jemanden anbellt oder anknurrt, sobald derjenige sich seiner Bezugsperson nähert. Damit wird das Verhalten des Hundes nur noch verstärkt und das Übel nimmt seinen Lauf.

Mögliche Anzeichen: •

Der Hund droht, sobald sich jemand seiner Bezugsperson nähert



Der Hund droht, sobald jemand seine Bezugsperson berührt



Der Hund droht, sobald er denkt seine Bezugsperson wäre in Gefahr (Rumalbern mit dem Partner)

Auch dies kann wieder gegen Mensch, Artgenossen und andere Tiere gerichtet sein. Das Verhalten kann je nach Situation und unbewusste Bestärkung des Besitzers ausfallen.

4. Körperliche Berührungen Wenn wir unsere Hunde streicheln und ihnen auf diese Art und Weise unsere Zuneigung zeigen wollen, kann es leider sein, dass unsere Hunde dies alles andere als angenehm empfinden. Wir „erwarten“ uns, dass das Kraulen am Bauch oder das streicheln der Pfoten, für Hunde genauso angenehm ist, wie wir es uns vorstellen. Doch an diese Berührungen muss ein Hund gewöhnt werden. Ja, das ist mein voller Ernst! Ein Hund kann eine Berührung, die er nie kennengelernt hat, nicht von der ersten Sekunde an als wohltuend empfinden, sondern wird sich erst einmal recht unwohl dabei fühlen. Aber auch auf die Art, wie wir unsere Hunde berühren kommt es an. Kennt der Hund nur sanftes Streicheln und wird dann plötzlich wild gekrault, können Sie sich sicher vorstellen wie verunsichernd dies dann für ihn sein wird.

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Die häufigsten Schwierigkeiten: •

Berührungen am Kopf, oder das Ausstrecken der Hand in Richtung Kopf



Krallenschneiden



Berühren der Rute



Berühren der Pfoten – Vorderpfoten, Hinterpfoten oder beides



Greifen nach dem Halsband oder dem Brustgeschirr



Festhalten von Körper, Kopf, Maul oder Gliedmaßen



Öffnen des Mauls (Untersuchungen)



Berühren der Ohren



Fellpflege



Untersuchungen des Genital- und Analbereichs

4.1. Vorbeugung vom Welpenalter an Um einen Hund an all diese Berührungen zu gewöhnen, sei es wegen der nötigen Fellpflege, Untersuchungen beim Tierarzt oder seinen Hund bei Krankheit/Verletzungen richtig und stressfreier behandeln zu können, muss ein Hund schon von klein auf lernen, dass die Berührungen nichts Schlimmes sind. Kommt also ein Welpe zu ihnen ins Haus, sollten sie nach einer Eingewöhnungsphase und wenn ein gewisses Vertrauen aufgebaut wurde, so schnell wie möglich damit anfangen. Normale Berührungen, müssen nicht wirklich geübt werden, sondern sie sollen einfach für den Welpen ganz normal werden. Wenn er neben Ihnen liegt und Sie ihn streicheln, dann berühren Sie ganz nebenbei auch mal seine Pfoten, seine Rute, die Ohren usw. Es soll einfach in die Streicheleinheiten mit eingebaut werden. Allerdings bitte immer nur so, dass es nicht unangenehm für Ihren Hund wird. Das Untersuchen der Ohren, des Mauls, der Augen und der Pfoten, können Sie mit Ihrem Welpen trainieren. Lassen Sie sich von einem guten Hundetrainer Tipps geben, wie Sie dies am besten über positive Verstärkung aufbauen können.

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4.2. Vorbeugung bei einem ausgewachsenen Hund Sollte ein bereits erwachsener Hund bei Ihnen einziehen, so müssen Sie etwas behutsamer vorgehen. Viele Hunde die Beispielsweise aus dem Tierschutz kommen, haben leider nicht immer gute Erfahrungen in ihrer Vergangenheit gemacht, oder haben einfach nie die angenehmen körperlichen Berührungen kennengelernt. Sollten Sie bei Ihrem Hund bemerken, dass er sich bei Berührung etwas unwohl fühlt, sollten Sie eine/n Hundetrainer/in zu Rate ziehen, um Fehler zu vermeiden. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Hund sich weder bedrängt fühlt, noch sich in einem Konflikt befindet, dann können Sie wie bei einem Welpen vorgehen. Streicheln Sie ihn, während er neben Ihnen auf dem Sofa liegt. Sie sollten Ihn aber trotzdem dabei gut beobachten und auf mögliche Anzeichen von Unbehagen achten!

5.1. Was sind Beschwichtigungssignale So wie wir unsere Stimme zum Unterhalten verwenden, verwenden Hunde untereinander hauptsächlich ihren Körper um zu kommunizieren. Viele Menschen glauben, dass Hunde sich nur mit Knurren, Bellen oder Winseln verständigen, aber das ist nicht ganz richtig, denn es steckt viel mehr dahinter. Beschwichtigungssignale (auch Calming Signals genannt) wurden von der Hundetrainerin Turid Rugaas erforscht. Sie hat sich jahrelang damit beschäftigt, die Kommunikation von Wölfen und Hunden genau zu beobachten. Beschwichtigungssignale werden gegeben, um Situationen zu besänftigen, wenn aggressives, ängstliches, gestresstes oder rüpelhaftes Verhalten vom Gegenüber an den Tag gelegt wird. Ein Hund setzt diese Signale aber auch dann ein, wenn er sich überfordert fühlt, wenn er Spannungen abbauen, Stress signalisieren oder sich selbst beruhigen möchte. Wenn Sie Ihren Hund gähnen sehen, heißt das nicht immer, dass er auch müde ist. Denn ein Gähnen kann auch ein Anzeichen dafür sein, dass Ihr Hund sich in einer Situation gerade nicht wohl fühlt. Es braucht schon einiges an Übung, um die Beschwichtigungssignale unserer Hunde richtig deuten und erkennen zu können. Aber mit ein bisschen Übung und Beobachtungsgabe, kann man relativ schnell die deutlichsten Beschwichtigungssignale seines Hundes erkennen und dementsprechend richtig reagieren.

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5.2. Die häufigsten Beschwichtigungssignale Es gibt eine Vielzahl an Beschwichtigungssignale, die unsere Hunde zeigen, aber ich werde Ihnen einmal die häufigsten nennen, die für Sie beim späteren Training an der Ressourcensicherung mit Ihrem Hund wichtig sind:

 Blick/Kopf abwenden Das Abwenden des Blickes oder sogar des gesamten Kopfes ist ein oft zu beobachtendes Beschwichtigungssignal. Ohnehin gilt direkter Blickkontakt und Anstarren unter Hunden als unhöflich und wird von gut sozialisierten Hunden vermieden.

(Abb.4)

 Sich abwenden Hunde beschwichtigen uns Menschen und ihres gleichen, indem sie sich umdrehen und ihrem Gegenüber den Rücken zudrehen.  Gähnen Ganz klar: Hunde gähnen genau wie wir, wenn sie müde sind! Aber: Gähnen gehört auch zu den häufig gezeigten Beschwichtigungssignalen und hat dann nichts mit Müdigkeit zu tun. Achten Sie einmal darauf, wenn Sie Anstalten machen, zum Spaziergang aufzubrechen und Ihr Hund ist deshalb schon ganz aufgeregt. Viele Hunde gähnen in solchen Situationen – vermutlich, um sich selbst zu beruhigen. (Abb.5)

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 Über den Fang lecken Natürlich benetzt sich Ihr Hund auch die Nase, wenn er gerade etwas Leckeres verspeist hat oder ihm vor dem Essen das Wasser im Mund zusammenläuft. Es gibt jedoch eine Menge Situationen, in denen das „Züngeln“ (Zunge fährt über die Nase, kurz oder auch deutlich wahrnehmbar) als Calming Signal eingesetzt wird. Achten Sie einmal darauf, wenn Sie sich beim Anleinen oder im Hundetraining etwas zu sehr über Ihren Hund beugen oder ihm ein Besucher etwas unbeholfen von oben auf den Kopf greift. Ganz häufig kommt dann kurz die Zunge heraus.

(Abb.6)

 Schnüffeln Hunde lieben Gerüche – und haben ihre Nasen häufig am Boden, das ist klar. Allerdings wird das Schnüffeln auch – deutlich wahrnehmbar – als Beschwichtigungssignal eingesetzt, denn es wirkt stark deeskalierend.

(Abb.7)

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 Blinzeln

Ein weiteres Calming Signal ist das Zusammenkneifen der Augen. Einige Hunde senken auch den Blick oder lassen die Augen von rechts nach links wandern. Das kommt zum Beispiel vor, wenn wir unseren Hunden ins Gesicht starren oder die Kamera auf sie richten, Im Bild rechts scheint dem Hund die auf ihn gerichtete Kamera etwas unangenehm zu sein.

(Abb.8)

 Pfote heben

Das heben der Pfote, wird auch sehr häufig als Beschwichtigungssignal von Hunden eingesetzt. Diego (auf dem Foto rechts) fühlt sich in der Situation mit der Kamera und der geringen Ausweichmöglichkeit nicht wohl und beschwichtigt, indem er seine Pfote hebt.

(Abb.9)

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 Verlangsamung der Bewegung

Bestimmt kennen Sie Situationen wie diese: Sie gehen morgens mit Ihrem Hund spazieren und haben es vielleicht schon ein bisschen eilig, weil Sie gleich in die Arbeit müssen. Weil Ihr Hund wieder einmal ewig an einem Baum die Zeitung liest, rufen Sie ihn mit etwas Ungeduld in der Stimme. Doch was tut er? Trödelt scheinbar noch mehr herum und kommt ganz langsam auf Sie zu. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Ihr Hund auf Ihre Anspannung reagiert, die er durch kleinste Veränderungen in Ihrer Stimme oder Körpersprache bemerkt. Die Verlangsamung von Bewegungen gehört zu den Beschwichtigungssignalen – und ist in den beschriebenen Situationen oft ein gut gemeinter Versuch des Hundes, die Situation zu entspannen („Alles gut, bloß keinen Stress“). Von uns Menschen wird das häufig missverstanden: „Warum trödelt er denn schon wieder so?“ Sein Beschwichtigungsversuch wird von uns oftmals als Ungehorsam, Ignoranz oder gar „Dominanz“ interpretiert. Übrigens: Untereinander zeigen Hunde dieses Beschwichtigungssignal ebenfalls. Die Verlangsamung von Bewegungen kann dabei helfen, Begegnungen zu entspannen.

5.3. Wichtigkeit für das Training Es ist deswegen so wichtig, die Sprache des Hundes zu verstehen, weil gerade wenn man mit dem Hund trainiert, muss man wissen, wann es dem Hund zu viel ist. Zeigt Ihnen Ihr Hund schon deutlich durch Beschwichtigungssignale, dass es ihm bereits zu viel ist, und Sie reagieren nicht darauf, kann das vieles beim Training ruinieren. Ein weiteres Problem ist, dass ein Hund nur Handlungen zeigt, die für ihn auch einen Erfolg mit sich ziehen. Wenn wir also ständig ignorieren, was er uns mitteilen möchte, kann es sein, dass er dieses Verhalten (also das Zeigen von Beschwichtigungssignalen) irgendwann einstellt. Doch genau das, wollen wir ja nicht! Bei einem Hund der Ressourcen sichert, ist es sehr wertvoll für uns, wenn er viel mit uns „spricht“ und nicht gleich mit Angriff reagiert.

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Wer auf Beschwichtigungssignale achtet und seinem Hund aus beunruhigenden Situationen heraus hilft, kann vielen Problemen vorbeugen. Beißvorfälle, die vermeintlich „ohne Vorwarnung“ und „aus heiterem Himmel“ geschehen, haben häufig eine klassische Vorgeschichte – und sind oftmals vermeidbar.

6. So lernen unsere Hunde „Man kann sich nicht aussuchen, ob man die empirisch nachgewiesenen Prinzipien des Lernens anwendet oder nicht. So wie die Gesetze der Schwerkraft sind auch die Prinzipien des Lernens immer am Werk. Die Frage ist also nicht, ob man die Prinzipien des Lernens anwendet, sondern wie man sie am effektivsten einsetzt.“ (Spreat und Spreat, Learning Principles, 1982)

Im modernen Hundetraining bilden die Erkenntnisse der unterschiedlichen Lernformen und das Wissen über die Funktionsweisen des Gehirns unserer Hunde eine wichtige Grundlage. Lernen spielt für das Überleben des Organismus und einer Spezies eine sehr wichtige Rolle. Verstehen wir erst einmal, wie Hunde lernen, dann können wir auch bis zu einem gewissen Punkt verstehen, wieso ein Hund eine bestimmte Handlung ausführt.

6.1. Das Gehirn ist auf Dauerbetrieb Das Gehirn des Hundes arbeitet rund um die Uhr, ohne eine Pause. Sogar im Schlaf verarbeiten Hunde gelerntes und erlebtes noch weiter. Somit kann man nie eine „fixe“ Trainingszeit festlegen. Durch eine Verbindung der wahrgenommenen Reize und den für den Hund verbundenen Folgen und Gefühlen, stellen Hunde im Gehirn Verknüpfungen her. Die Folgen und die Gefühle, werden mit dem Reiz assoziiert den der Hund gerade wahrnimmt. Um Ihnen dies ein bisschen zu verdeutlichen, werde ich es Ihnen an Hand eines Beispiels erklären: Nehmen wir an, Sie gehen mit Ihrem Hund gemütlich spazieren. Irgendwann sehen Sie, das Ihnen eine Person mit einem anderen Hund entgegenkommt. Sie haben Ihren Hund an der Leine und er trägt ein Halsband. Wenn die Ihnen entgegenkommende Person und der Hund nahe genug

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sind, möchte Ihr Hund den anderen freudig begrüßen und läuft dabei mit voller Wucht in die Leine. Dabei gibt es ihm so einen Ruck am Hals, dass Ihr Hund das als schmerzhaft empfindet. Nun die Problematik…Ihr Hund weiß in diesem Moment nicht, dass der Schmerz dadurch verursacht wurde, dass er in die Leine gelaufen ist, sondern er Verknüpft den Schmerz mit dem Anblick des Hundes. Passiert dies regelmäßig, lernt der Hund, unangenehme Gefühle mit dem Anblick eines Artgenossen zu verbinden.

6.2. Wie schnell lernen Hunde? Hunde unterscheiden sich auf vielen verschiedenen Ebenen voneinander, daher kommt es auch beim Lernen auf das Individuum an, wie leicht oder schnell es lernt. Ob dies genetisch bedingt ist oder es auf die Erfahrungen des jeweiligen Hundes ankommt, ist noch nicht bekannt. Allerdings ist bekannt, dass Hunde die schon „gelernt haben zu lernen“ leichter zu trainieren sind, als Hunde, die dies erst lernen müssen. Beim Training mit einem Hund der Ressourcen sichert, kann eine vorhandene Trainingserfahrung (oder Leichtigkeit beim Lernen) daher vom Vorteil sein.

6.3. Klassische Konditionierung Klassische Konditionieren findet ständig in unserem Leben statt und ist manchmal von sehr großer Bedeutung. Es kann grundlegend für alle Arten von Lernen sein, die sich auf lebenswichtiges Verhalten auswirken. In der klassischen Konditionierung wird durch gleichzeitige Präsentation zweier Reize „gelernt“, dass der eine Reiz, den anderen praktisch ankündigt. Wie so oft in der Forschung begann alles mit einem großen Zufall – und diesmal waren es die Schritte eines Laborassistenten. Der russische Mediziner und Physiologe Iwan Pawlow (1846–1936) untersuchte seit langer Zeit den Verdauungsprozess bei Hunden. Dabei machte er eine überraschende Entdeckung: Der Verdauungsprozess seines Versuchstiers begann nicht erst, wenn es sein Futter im Maul hatte. Der Speichel begann bereits zu fließen, wenn der Hund die Schritte des Laborassistenten hörte – für das Tier offensichtlich das Signal für Futter.

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Pawlows Interesse war geweckt, und er ging diesem Phänomen auf den Grund. Der Forscher implantierte Hunden eine Röhre an der Speicheldrüse, um den Speichelfluss zu messen. Ab diesem Zeitpunkt, kündigte er den Tieren mit einer Glocke das Futter an. Anfangs interessierten sich die Hunde nicht für das Erklingen der Glocke. Das ist wenig überraschend, denn es gibt keinerlei natürlichen Zusammenhang zwischen Glockenklang und Fressen. Doch nach einigen Malen hatte das Klingeln für die Tiere eine Bedeutung gewonnen und löste auch ohne Futter den Speichelfluss aus. Die Hunde hatten gelernt, dass sich im Anschluss an das Geräusch der Futternapf füllt. Und Pawlow hatte einen wichtigen Lernmechanismus entdeckt: die klassische Konditionierung. Auch bei uns Menschen, tritt dieses Phänomen auf. Denken Sie mal an die typische Szene – Kinder und der Eiswagen. Wenn Kinder das Erklingen der Melodie des Eiswagens hören, sind sie schon ganz aufgeregt und wollen so schnell wie möglich nach draußen, um sich ein Eis kaufen zu können. Die klassische Konditionierung, ist eine der Trainingsformen, die bei der Ressourcensicherung angewandt wird.

6.4. Gegenkonditionierung Eine andere Methode der klassischen Konditionierung ist die Gegenkonditionierung. Dabei wird ein Reiz, der bisher eine unangenehme emotionale Reaktion auslöste, mit einem für den Hund sehr positiven Reiz (z.B. sehr beliebtes Futter, ein Spiel,…) belegt. Das heißt, der für den Hund bisher unangenehme Reiz, soll in Zukunft etwas Positives ankündigen und so auch die negativen Emotionen in positive umgeändert werden. Damit man eine emotionale Reaktion längerfristig verändern kann, muss der unangenehme Reiz mit etwas kombiniert werden, das eine sehr angenehme Reaktion auslöst. Ein kleines Beispiel dazu: Luke ist ein 3 Jahre alter Schäfermischling. Immer wenn er von seinem Frauchen einen Knochen bekam, verteidigte er diesen dann auch gegen sie. Er knurrte, fletsche die Zähne und manchmal schnappte er sogar in ihre Richtung (ohne sie dabei zu verletzen). Dieses Verhalten zeigte er immer, wenn sich die Besitzerin ihm während er seinen Knochen hatte, näherte. Das heißt, bis jetzt war sein Frauchen für ihn der unangenehme Reiz. Beim Training wurde mittels Gegenkonditionierung die negative Emotion, wenn sein Jennifer Göß

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Frauchen sich näherte, verändert, indem er jedes Mal, wenn sich seine Besitzerin ihm näherte noch ganz tolles Futter dazu bekam. Somit wurde die Annäherung seines Frauchens positiv verknüpft und die negative Emotion in eine positive geändert. Das Annähern während er einen Knochen hatte, bedeutete für ihn jetzt nicht mehr in den Verteidigungsmodus zu gehen, sondern „Juhuuu noch mehr Futter“.

6.5. Systematische Desensibilisierung Dies ist eine weitere Methode der klassischen Konditionierung und ähnelt der Gegenkonditionierung. Bei der systematischen Desensibilisierung wird mit Berücksichtigung auf Abstand, Dauer und Ablenkungsgrad, an dem für den Hund unangenehmen Reiz gearbeitet. In einer kontrollierten Situation, wird der Hund dem Reiz ausgesetzt und genau darauf geachtet, dass er keine sensibilisierte Reaktion zeigt und sich dabei an den Reiz in dieser Stärke gewöhnt. Wenn er sich in diesem Schwierigkeitsgrad an den Auslösereiz gewöhnt hat, wird um einen Schwierigkeitsgrad erhöht (entweder Abstand, Dauer oder Ablenkungsgrad). Es darf immer nur eine Sache verändert werden! Also wenn ich meinen Abstand verringern möchte, muss ich aber mit der Dauer und der Ablenkung wieder dort anfangen, wo ich beim ersten Trainingsschritt angefangen habe. Möchte ich die Dauer verlängern, die der Hund dem Reiz ausgesetzt ist, muss ich meinen Abstand halten, den ich beim ersten Trainingsschritt hatte usw. Bei der systematischen Desensibilisierung wird in kleinsten Schritten gearbeitet, um den Hund die besten Chancen zu geben, nicht in sein altes Verhalten und in seine alten Emotionen zurück zu verfallen. Fast immer wird die systematische Desensibilisierung gemeinsam mit der Gegenkonditionierung angewandt. Durch die schrittweise Annäherung und die gleichzeitige Änderung der Emotionen, kann man ein optimales Trainingsergebnis erzielen, um das Verhalten des Hundes zu ändern.

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6.6 Operante Konditionierung Wir Menschen streben stets danach, unser Wohlbefinden zu steigern und versuchen, Verhaltensweisen die unangenehme Dinge wie Schmerz und Unbehagen mit sich bringen zu vermeiden. Wenn eine Handlung von uns, eine negative Folge erzielt, so werden wir in Zukunft versuchen, diese Handlung zu meiden. Handlungen die eine positive und angenehme Folge haben, werden wir sie häufiger ausführen. Auch unsere Hunde lernen auf diese Weise, welches Verhalten welche Konsequenz mit sich bringt. Kurz gesagt, unsere Hunde lernen durch Erfolg und Irrtum. Auf das Training bei Ressourcensicherung bezogen, kann man die operante Konditionierung zum Beispiel anwenden, wenn der Hund den Kopf von einem Knochen abwenden oder den Kopf heben soll. Er wird für das richtige Verhalten (den Kopf anheben/abwenden) bestätigt und wird, wenn das Training richtig durchgeführt wird, dieses Verhalten öfters zeigen. Die Anwendung der operanten Konditionierung hat viele Vorteile beim Training mit Hunden, die Ressourcen sichern. Zum einen ist das Risiko, die Reizschwelle des Hundes zu überschreiten geringer (es ist einfach zu erkennen, ob ein Hund den Kopf hebt/abwendet), zum anderen, wird die Situation für den Hund anders empfunden, wenn er etwas zum Denken bekommt. Anstatt in seine typische Abwehrreaktion zu verfallen, wirkt das Denken auf den Hund beruhigend und hat einen gewissen „Schnuller-Effekt“. Skinners Lehren unterscheiden vier verschiedene "Konsequenzen", diese werden in zwei Möglichkeiten der Verstärkung, sowie in zwei Möglichkeiten der Bestrafung unterteilt. Ein fünfter Bestandteil ist der sogenannte Vorgang der Auslöschung (keine Konsequenz in Folge eines belanglosen Verhaltens).

- Verstärkung ist eine Konsequenz, die bewirkt, dass ein Verhalten häufiger auftritt - Bestrafung ist eine Konsequenz, die bewirkt, dass ein Verhalten seltener auftritt - Auslöschung bedeutet das Ausbleiben einer Konsequenz nach einem belanglosen Verhalten.

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6.6.1. Positive Verstärkung Bei der positiven Verstärkung, erhält der Hund etwas Angenehmes, wie eine Belohnung oder sein liebstes Spielzeug. Erhält der Hund jedes Mal, wenn er etwas richtig gemacht hat von Ihnen etwas, das er als angenehm empfindet, wird er das gewünschte Verhalten öfters zeigen. Das Timing ist hierbei extrem wichtig! Es wird das Verhalten verstärkt, das der Hund gerade zeigt. Also wollen Sie ihn für ruhiges Sitzen belohnen und er springt in diesem Moment an Ihnen hoch, würde das Springen verstärkt und belohnt werden. Beispiel für positive Verstärkung: Sie rufen Ihren Hund bei seinem Namen und er kommt sofort auf Sie zugelaufen. Sie loben ihn mit freundlicher Stimme und er bekommt ein Leckerli. Da dies ein positives Erlebnis für Ihren Hund ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass er wieder kommt, wenn Sie ihn das nächste Mal rufen.

6.6.2. Negative Strafe Bei der negativen Strafe, wird dem Hund etwas Angenehmes weggenommen. Wenn Ihr Hund unerwünschtes Verhalten, wie Beispielsweise Hochspringen zeigt, weil er gerade Aufmerksamkeit von Ihnen möchte und Sie drehen sich weg und gehen, hat dies für den Hund eine negative Konsequenz für sein Verhalten. Da sein Verhalten nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat, wird er (wenn er nie damit Erfolg hat) das Verhalten weniger zeigen oder sogar ganz einstellen, wenn es konsequent durchgezogen wird. Beispiel für negative Strafe: Sie möchten von Ihrem Hund, dass er sich hinsetzt. Er steht vor Ihnen schon voller Vorfreude auf sein Leckerli. Sie sagen ihm das Signal und Ihr Hund ignoriert es und springt nur hin und her, weil er sein Leckerli haben möchte. Daraufhin drehen Sie sich weg und gehen und Ihr Hund bekommt das erhoffte Leckerli nicht.

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6.6.3. Positive Strafe Bei der positiven Strafe erfährt Ihr Hund etwas, dass er als unangenehm oder als aversiv empfindet. Zum Beispiel wäre das ein heftiger Ruck an der Leine, den Ihr Hund als schmerzhaft empfinden wird. Oder wenn der Hund eine Rütteldose hingeworfen bekommt, vor dem Geräusch er sich schrecken wird. Hunde versuchen Strafen zu vermeiden und somit werden sie auch das auslösende Verhalten weniger zeigen. Es gibt viele Möglichkeiten, einen Hund so zu bestrafen, doch ist das wirklich Sinnvoll? Wollen Sie wirklich Ihrem Hund immer wieder Schmerzen oder Angst bereiten? Positive Strafe sollte auf keinen Fall eingesetzt werden, solange es möglich ist, über positive Verstärkung zu arbeiten. Aus ethischen Gründen muss die positive Strafe abgelehnt werden! Denn nicht korrekt ausgeführte positive Strafe kann und wird extrem nach hinten losgehen! Es kann sehr schnell zu Fehlverknüpfungen kommen. Wenn ein Hund einen Leinenruck bekommt, weil er an der Leine zieht und ein paar Meter entfernt gerade ein anderer Hund steht zu dem er rüber sieht, kann es schnell dazu kommen, dass der Hund den Anblick eines Artgenossen mit Schmerz verbindet! Nicht mal ein Profi schafft es, den Hund korrekt über diese Methode zu erziehen!

6.6.4. Negative Verstärkung Bei der negativen Verstärkung wird etwas entfernt, das der Hund als unangenehm empfindet. Dies mag auf den ersten Blick harmlos klingen, basiert aber bei genauerem Betrachten auf einer unschönen Trainingsgrundlage: Denn, um etwas Unangenehmes entfernen zu können, muss man den Hund zuerst in eine für ihn unangenehme Situation bringen - sonst funktioniert diese Methode nicht. Man versetzt den Hund also fortlaufend in Situationen, in welchen es ihm nicht richtig gut oder sogar schlecht geht - um dann das Gefühl von „Erleichterung“ als Belohnung zu nutzen. Beispiel für negative Verstärkung: Nehmen wir auch hier das klassische „Sitz“ zur Verdeutlichung. Sie wollen Ihrem Hund das „Sitz“ beibringen. Früher wurde dies den Hunden mittels Druck auf die Kruppe beigebracht und der Hund so in das „Sitz“ gedrängt. Wenn Sie dies bei Ihrem Hund tun, wird er sich mit großer

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Wahrscheinlichkeit hinsetzen, um den unangenehmen Druck zu entweichen. Sobald der Hund sitzt nehmen Sie den Druck weg und der Hund verspürt Erleichterung

Positive Verstärkung – etwas Gutes kommt hinzu Negative Verstärkung – etwas Unangenehmes wird entfernt Positive Strafe – etwas Unangenehmes kommt hinzu Negative Strafe – etwas Gutes wird entfernt

(Abb.10)

6.7. Generalisierung Nur weil ein Hund eine Übung in Ruhe und ohne Ablenkung zu Hause beherrscht, kann er diese noch lange nicht an einem anderen Ort. Ihr Hund muss lernen, dass ihre Signale überall gelten. Ebenfalls muss er lernen, diese auch unter Ablenkung auszuführen. Er muss das gegebene Signal generalisieren. Und das für jede einzelne Übung, die Sie ihm beibringen. Eine Ablenkung können Kinder, Fahrräder, andere Menschen, Tiere, Gerüche, Geräusche, Futter, "Beute", Autos, einfach alles kann eine Ablenkung sein, was für einen Hund eben spannend oder beängstigend sein kann. Ihr Hund steht im ständigen Zwiespalt. Setze ich mich oder laufe ich zu dem Baum dort? Es ist Ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass die Motivation Ihr Signal auszuführen größer ist, als jede Ablenkung die um Sie herum ist. Fangen Sie jede neue Übung in einer ruhigen Umgebung ohne Ablenkung an. Idealerweise in der Wohnung oder im Haus.

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Steigern Sie die Ablenkung immer erst, wenn die Übung 100%ig klappt. Üben Sie dann in der Wohnung/im Haus mit leichter, dann mittlerer und dann starker Ablenkung. Wenn auch dies klappt, üben Sie draußen bei möglichst geringer Ablenkung und steigern Sie diese langsam bis Ihr Hund jede Übung überall und unter starker Ablenkung ausführt. Wiederholen Sie die Übungen an vielen verschiedenen Orten. Zu Hause, auf der Straße, im Wald, auf der Wiese, im Restaurant etc.

7. Stress Beim Training gibt es noch einen sehr wichtigen Punkt, der nicht unterschätzt werden sollte…STRESS! Ein Hund der gerade eine für ihn wichtige Ressourcen sichert, ist von seinem Erregungslevel etwas höher als er es sonst wäre. Daher ist es umso wichtiger, sich mit dem Thema Stress zu befassen und Stressanzeichen rechtzeitig erkennen zu können.

7.1. Definition von Stress Zuerst müssen wir mal wissen, was Stress überhaupt ist. In dem medizinischen Fachlexikon steht folgende Definition drin: „Stress (engl. Druck, Belastung, Spannung) meint einen Zustand des Organismus, der durch ein spezifisches Syndrom (erhöhte Sympathikus Aktivität, vermehrte Ausschüttung von Katecholaminen, Blutdrucksteigerung u.a.) gekennzeichnet ist, jedoch durch verschiedenartige unspezifische Reize (Infektionen, Verletzungen, Verbrennungen, Strahlenentwicklung, aber auch Ärger, Freude, Leistungsdruck und anderen Stressfaktoren) ausgelöst werden kann. Unter Stress kann man auch die äußeren Einwirkungen selbst verstehen, an die der Körper nicht in genügender Weise adaptiert ist. Psychischer Stress entsteht in Folge einer Diskrepanz zwischen spezifischen Anforderungen und subjektiven Bewältigungsverhalten (Coping). Andauernder Stress kann zu Allgemeinreaktionen im Sinne eines allgemeinen Anpassungssyndroms führen.“ (Buch „Stress bei Hunden“, animal Learn Verlag, Seite 8) Jennifer Göß

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Stress ist also eine Reaktion des Organismus, auf innere und äußere Reize, um eine Situation bewältigen zu können.

Äußere Stressoren sind z.B. •

Wohnsituation



Kinder



Viel Unruhe Zuhause



Unwetter



Straßenlärm



Schmerzen



Verlust eines Artgenossen/der Bezugsperson

Innere Stressoren sind z.B. •

Krankheiten



Hypersexualität



Läufigkeit der Hündin



Zu wenig Schlaf



Erwartungsunsicherheiten



Zu hohe Ansprüche des Besitzers



Unerfüllte Grundbedürfnisse



Plötzliche Veränderungen (z.B. Umzug)

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7.2. Stress-Symptome Stress ist nicht nur bei uns Menschen ein sehr verbreitetes Thema, sondern auch bei unseren Hunden. Wenn Sie mit Ihrem Hund ein optimales Training gegen das Sichern von Ressourcen erreichen wollen, achten sie darauf, was Ihr Hund Ihnen mitteilen möchte. Es gibt einige Anzeichen, die darauf hinweisen, dass Ihr Hund gerade gestresst ist. Beobachten Sie ihn ganz genau, und versuchen Sie zu erkennen, was die Ursache dafür sein könnte. Die häufigsten Stressanzeichen: •

Hecheln



Zittern



Speicheln



Weit aufgerissene Augen



Unruhiges Hin und Her Blicken



Hund zeigt vermehrt Beschwichtigungssignale



Häufiges Kot und Urin absetzen



Ruhelosigkeit



Stressmotiviertes Aufreiten



Schweißpfoten



Unangenehmer Körper- oder Mundgeruch



Leicht ausgeschachteter Penis



Vermehrtes Kratzen



Schuppen

Natürlich bedeutet das nicht, dass Ihr Hund immer gestresst ist, wenn er hechelt! Vielleicht ist ihm wirklich gerade einfach nur heiß. Wichtig ist, dass man den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Verhaltensweisen erkennt. Angenommen, Ihr Hund hechelt und liegt dabei gemütlich im Schatten, die Augen wirken sehr entspannt und er sieht aus, als würde er bald einschlafen. Dann braucht man sich keine Gedanken darüber machen, ob der Hund eventuell gestresst sein könnte. Wenn Ihr Hund allerdings hechelt, dabei vielleicht auch noch zittert und die

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Blicke wandern hektisch hin und her, sollten Sie der Sache auf den Grund gehen. Denn dies sind schon eindeutige Anzeichen dafür, dass Ihr Hund mit einer Situation gerade überfordert ist. Hier sollte schnellstens etwas geändert werden, um den Hund nicht noch mehr zu stressen.

7.3. Eustress und Distress Wenn wir das Wort „Stress“ hören, verbinden wir immer sofort etwas Negatives damit. Doch genauer betrachtet, ist Stress nicht nur etwas Schlechtes. Stress wird in Eustress und Distress unterteilt. Etwas vereinfacht gesprochen ist Eustress guter Stress und Distress schlechter Stress. Hinter dieser Unterscheidung steckt die Beobachtung, dass Stress, der mit negativen Gefühlen einhergeht, sehr viel belastender ist, als wenn der Grund für den Stress ein positiver ist. Das klingt zunächst einmal logisch, ist aber bei näherer Betrachtung tatsächlich sehr beeindruckend. Es verdeutlicht nämlich, dass nicht das Ausmaß einer StressSituation entscheidend ist, sondern viel mehr, wie der Stress entstanden ist und wie man sich dabei fühlt.

Unterscheidung

Eustress beschreibt den positiven Stress und wird nicht als belastend empfunden. Dies kann beim Hund zum Beispiel die Vorfreude auf einen Spaziergang sein oder das Nachhause kommen des Besitzers. Diese Ereignisse bedeuten zunächst einmal Stress für den Hund und es werden dieselben Stresshormone wie während einer Gefahrensituation ausgeschüttet. Aufgrund der gleichzeitigen Ausschüttung von Glückshormonen wie Serotonin, werden das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit gesteigert und somit Glücksgefühle hervorgerufen. Distress hat dem gegenüber eine Verschlechterung des Wohlergehens, der Leistungsfähigkeit und Gesundheit des Tieres zur Folge und ist für den Hund schädlich.

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„Mit Distress wird der Zustand eines Tieres bezeichnet, das nur noch über unzureichende biologische Reserven verfügt, um die körperliche Belastung der Stressreaktion auszugleichen. Somit müssen Ressourcen umgeleitet werden, die eigentlich anderen biologischen Vorgängen vorbehalten sind.“ Moberg (2000) zitiert nach O`Heare (2009)

Wie ein Hund mit Distress umgeht und welche Bewältigungsstrategien er wählt, hängt von unterschiedlichen Faktoren und dem jeweiligen Individuum ab. Was für den einen Hund sehr starke Belastung bedeutet, kann für den anderen gar keine Belastung sein.

7.4. Wie läuft die Stressreaktion ab? Die Stressreaktion läuft in 3 Phasen ab: 1. Alarmreaktionsphase: Das Zusammenspiel von Nervenimpulsen und Hormonausschüttungen (siehe unten) führt zur optimalen Reaktionsbereitschaft für Flucht oder Kampf. 2. Widerstandsphase: Der Widerstand gegenüber dem Auslöser des primären Stresses ist erhöht, jener gegenüber anderen Reizen jedoch herabgesetzt. Der Versuch den primären Stress zu bewältigen geht also zu Lasten der Widerstandsfähigkeit gegenüber anderen Stressoren. (Das kann man sich ca. so vorstellen: Wenn ich permanent Stress mit meinem Chef habe, gewöhne ich mich sukzessive an diesen Stress, aber habe vielleicht öfters wegen Kleinigkeiten Streit mit meinem Partner.) 3. Erschöpfungsphase: Andauerndem Stress kann der Organismus trotz der ursprünglich erfolgten Anpassung nicht mehr standhalten. Die Symptome der Alarmreaktion stellen sich wieder ein, aber nun dauerhaft, wodurch es zur Ausbildung organischer Krankheiten kommen kann.

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7.5. Welche Stresshormone werden ausgeschüttet? Die Wahrnehmung von Stress führt zu einer sofortigen Adrenalinausschüttung, der Höhepunkt ist nach etwa 10-15 Minuten erreicht. Adrenalin wird primär in den Muskel ausgeschüttet und macht schnell und abwehrbereit für Flucht oder Kampf! Beim Menschen führt stressbedingte Adrenalinausschüttung zu verstärktem Gestikulieren und Herumlaufen. Auf den Hund umgelegt bedeutet das, dass wir auch unserem Hund nach erlebten Stresssituationen die Möglichkeit geben müssen, sich ausreichend durch Bewegung „abzureagieren“. Es ist also völlig verkehrt, einem Hund, der gerade auf seinen Erzfeind trifft, ein Sitz- oder Platzsignal zu geben, das würde die Situation höchstens verschärfen!!! Parallel dazu werden jedoch noch andere Hormone ausgeschüttet: Aldosteron ist ein Hormon, das den Wasserhaushalt steuert und im Stress zu vermehrtem Absetzen von Harn, aber auch Kot führt und außerdem zu vermehrtem Hecheln. Cortisol wirkt entzündungshemmend, aber unterdrückt auch die Produktion von Abwehrzellen. Sexualhormone steigern die Abwehr- und Aggressionsbereitschaft. Außerdem steigert Stress die Produktion des Magensaftes, der Hund wird also buchstäblich „sauer“! Das kann entweder zu Völlegefühl oder aber auch zu stressbedingten Fressattacken führen. Aus der Sicht des Hormonstatus betrachtet, braucht der Hund – je nach Intensität und Dauer des Stressreizes – von ½ bis zu 6 Tagen, um wieder in den Normalzustand zurückzukehren. Das heißt sowohl nach positivem, als auch nach negativem Stress braucht der Hund auf jeden Fall PAUSE! Wenn sich Stresshormone ansammeln, kommt es zu überschießenden Reaktionen.

ACHTUNG: Die Toleranz gegenüber anderen Reizen ist nach Stresssituationen herabgesetzt, daher kann der Hund, in der Zeit, in der die Stresshormone noch aktiv sind, unerwartete (Über-) Reaktionen zeigen, also z.B. sich mit Hunden, mit denen er sonst friedlich spielen würde, in die Haare kriegen!

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7.6. Was kann man bei offensichtlichen Stress tun? Zur Stressvermeidung gibt es leider kein Patentrezept. Wenn ein Hund Stressverhalten zeigt, muss die Situation genau analysiert werden, denn oft hat das „Stressverhalten“ nicht direkt etwas mit der Situation zu tun. Eine alleinige Therapie der Symptome ist meist nicht die Lösung, sondern verschlimmert das Problem oft noch. Man sollte sich also immer fragen, wann hat das unerwünschte Verhalten begonnen und welche Veränderungen oder Ereignisse haben davor oder zu dieser Zeit stattgefunden, um dann wirklich die Situation für den Hund zu entschärfen, den Stress abzubauen und das Hundeleben wieder erträglich und erfreulich zu gestalten.

7.7. Stress und Lernen Die Behauptung, dass man unter Stress nicht lernen kann, ist so nicht ganz richtig. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Bewertung des Stressors, nämlich ob die Situation für das Lebewesen als bewältigbar (kontrollierbar = Herausforderung) oder als nicht bewältigbar (unkontrollierbar = kommt sich ausgeliefert vor) empfunden wird. •

Unter kontrollierbaren Stress versteht man, dass ein Lebewesen sich mit einer Situation auseinandersetzen muss, auf die es reagieren kann.



Unter unkontrollierbaren Stress versteht man, dass ein Lebewesen eine Situation für nicht beeinflussbar empfindet.

In beiden Situationen wird in der Anfangsphase Adrenalin ausgeschüttet. Dadurch wird die Aufmerksamkeit gebündelt und erhöht. Das Gehirn wird reaktions- und lernbereit. Bei andauerndem und unkontrollierbarem Stress, steigt der Adrenalinspiegel immer weiter an und immer mehr Cortisol (Stresshormon) wird freigesetzt. Bestimmte Formen des Lernens sind in diesem Stressstadium unmöglich und bereits erlernte Verhaltensweisen könnten gelöscht werden. Ein Lernprozess der weiterhin abläuft, ist die klassische Konditionierung, sie kann jetzt sehr nachhaltig sein.

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8. Das Leben mit einem Hund der Ressourcen sichert Wenn man einen Hund Zuhause hat, der Futter, Spielzeug oder sonst etwas für sich beansprucht, ist der erste wichtige Schritt, sich an einen guten Hundetrainer zu wenden. Dieser darf ausschließlich mit positiven Trainingsmethoden arbeiten und muss sich mit der Arbeit an Ressourcensicherung auskennen. Zusätzlich können Sie sich gute Bücher besorgen, die sich mit diesem Thema befassen. Es wird Ihnen dann leichter fallen Ihren Hund zu verstehen und auch das zukünftige Training mit dem Hundetrainer gemeinsam, wird für Sie verständlicher. Die eigene Disziplin sich an ALLES zu halten, was der Hundetrainer Ihnen sagt und regelmäßig zu trainieren ist von enormer Wichtigkeit! Sie können auch mit Management (siehe nächstes Kapitel) schon Ihr Leben um einiges erleichtern, bis sich Trainingserfolge vermerken lassen.

8.1. Wenn ein Kind im Haus lebt Wenn ein Kind und ein Hund der Ressourcen sichert gemeinsam Leben, ist es Ihre Pflicht, für die Sicherheit des Kindes zu sorgen! Hierfür müssen Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Der Hund darf je nach Art der Ressourcensicherung, nicht im selben Raum sein, wenn das Kind isst oder spielt. Kind und Hund dürfen NIEMALS!! zusammen alleine sein und umso dringender ist es, sich Hilfe von einem Hundetrainer zu holen! Dieser wird dann beurteilen, wie es weitergeht!

8.2. Wenn ein anderer Hund im Haus lebt Auch hier gilt Management, Management, Management! Sie müssen stets darauf achten, dass die Hunde in keine Konfliktsituation kommen und sie immer im Auge haben. Die Sicherheitsmaßnahmen sollten Sie je nach Art der Ressourcensicherung auswählen, zum Beispiel die Hunde getrennt füttern. Hier rate ich Ihnen ebenfalls, sich umgehend an einen guten Hundetrainer zu wenden, der Ihnen ein optimales Training zusammenstellen kann und Sie auf Ihrem Weg begleitet.

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8.3. Wenn ein Baby unterwegs ist Sie erfahren, dass Sie schwanger sind und leben mit einem Hund zusammen, der Ressourcen sichert. Jetzt heißt es handeln und sich umgehend an einen Hundetrainer zu wenden. Denn wenn das Baby erst einmal auf der Welt ist, haben Sie nicht mehr die Zeit, intensiv mit Ihrem Hund zu trainieren. Zusätzlich kann das neue Familienmitglied in der ersten Zeit ein Stressfaktor für den Hund sein. Vieles ändert sich im Alltag und auch Ihre Stimmung kann manchmal etwas erregter sein, weil auch Ihr Leben auf den Kopf gestellt ist. Fangen Sie umgehend an mit einem Hundetrainer die neuen Regeln für den Hund zu bestimmen und trainieren Sie mit ihm, damit es dann schon Routine für Ihren Hund und Sie ist, wenn das Baby da ist. Auch das neben einem Kinderwagen laufen, sollte geübt werden. Viele „Trockenübungen“ sind in der Schwangerschaft von hoher Wertigkeit! Aber trotz den ganzen Übungen und Training, muss auch hier Management betrieben werden, wenn das Baby auf der Welt ist! Hund und Kind dürfen nie unbeobachtet in einem Raum sein! Die Situationen sollten von Ihnen immer kontrolliert werden und Sie müssen immer vorausschauend sein!

8.4. Management Unter Management versteht man, dass die komplette Umgebung des Hundes so gestaltet werden muss, dass Probleme vermieden werden und Situation in denen Ihr Hund ein problematisches Verhalten zeigen könnte, nicht auftreten können. Diese Vorkehrungen müssen zu Ihrem eigenen Schutz, dem Ihrer Familie, Ihrer Freunde, jedem Besucher und anderen Tieren im Haushalt getroffen werden. Management ist der erste wichtige Schritt, den Sie gehen müssen, um Probleme zu vermeiden. Wenn Management betrieben wird, muss ALLES was der Hund verteidigt (soweit dies möglich ist) entfernt werden. Denn jedes Mal, wenn der Hund eine Ressource sichert, festigt sich das Verhalten umso mehr. Bei einem Hund der Spielzeug verteidigt, muss sämtliches Spielzeug unerreichbar für den Hund aufbewahrt werden. Zeigt Ihr Hund ressourcensicherndes Verhalten bei Futter, oder alles was mit etwas Fressbarem zu tun hat, wird es schon etwas schwieriger. In diesem Fall muss alles bei dem der Hund problematisches Verhalten zeigt so verstaut oder weggeräumt

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werden, dass es für ihn keinen Anlass gibt, eine Ressource sichern zu müssen. Lassen Sie keine Müllsäcke in der Wohnung herumstehen, sondern tragen Sie diese immer sofort raus. Wenn Sie zwei Hunde haben und einer von ihnen verteidigt das Essen, dass bei Ihnen auf dem Tisch steht, kann man die Hunde z.B. mit einem Kindergitter von diesem Bereich fernhalten. Wenn es in der Küche zu Spannungen kommt, egal ob ein anderer Hund oder ein Mensch der Auslöser ist, versuchen Sie auch hier ein Kindergitter anzubringen, so dass der Hund nicht mehr in die Küche kann. Sollte Ihr Hund jedes Mal das Bett verteidigen, wenn Sie sich abends hinlegen möchten, dann müssen Sie streng mit sich selbst sein und der Hund darf, bis Sie mit einem professionellen Hundetrainer gemeinsam daran arbeiten, nicht mehr in das Schlafzimmer. So hart das klingen mag, aber nur so vermeiden Sie jeden Abend das Risiko, dass der Hund sein Verhalten noch mehr festigt und auch das Risiko gebissen zu werden. Dies sind nur ein paar Beispiele, wie man Situation, bei denen es zu Problemen kommen könnte, vermeiden kann. Am besten setzen Sie sich ein paar Minuten hin und schreiben in aller Ruhe eine Liste, in welchen Situationen Ihr Hund schon mal Ressourcen gesichert hat, welche Ressource, dass das war und überlegen sich dazu, wie man dies vermeiden kann. Ich werde Ihnen nochmal ein paar Managementmaßnahmen aufzählen, die bei Ressourcensicherung gegen Menschen als auch gegen andere Hunde angewendet werden können: Management Mensch: •

Futter unerreichbar aufbewahren



Spielzeug unerreichbar aufbewahren



Kindergitter für gewisse Bereiche



Futterschüssel wegräumen

Management Hund: •

Hunde getrennt füttern



Kausachen getrennt voneinander



Mit den Hunden getrennt voneinander trainieren

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9. Trainingsansätze zur Unterstützung bei Ressourcensicherung Es gibt im Internet oder auch in Büchern die verschiedensten Möglichkeiten, mit einem Hund der Ressourcen sichert zu trainieren und somit das Problem zu lösen. Doch wie Sie sicher mittlerweile mitbekommen haben, gehört zu einem erfolgreichen Training an Ressourcen sehr viel Wissen und Feingefühl. Ich bin der Meinung, dass man zwar das Vorbeugen von Ressourcensicherung ohne viel Fachwissen üben kann, aber sollte Ihr Hund schon Ansätze der Sicherung oder gar schon ein starkes Verteidigungsverhalten gegen Sie, andere Menschen oder Artgenossen zeigen, gebe ich Ihnen den Rat, dies nicht auf eigene Faust durch irgendwelche Trainingsanleitungen die Sie im Internet finden, in Angriff zu nehmen. Auch bei der Auswahl des Hundetrainers, sollten Sie nicht zu schnell aus der Not heraus handeln, sondern sollten großen Wert darauflegen, dass der von Ihnen gewählte Trainer, weder über Strafe noch Schreckreize oder dergleichen arbeitet. Viele Hundetrainer trainieren mit aggressiven Hunden über aversive Trainingsmethoden und prahlen dann damit, wie schnell dies zum erwünschten Ergebnis führt. Doch mit diesen Mitteln, kann man lediglich ein Verhalten unterdrücken oder vermeiden, aber nicht die dahintersteckende Emotion. Die von mir zusammengefassten Trainingsansätze sind lediglich ein paar mögliche Trainingselemente, aber keine Trainingsanleitungen! Zusätzlich muss im Training jeder Hund als Individuum gesehen werden und das Training auf ihn, seinen Halter und alle Begleitumstände angepasst werden. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, sondern viele Möglichkeiten, das Leben unserer Hunde zu verbessern.

9.1. Markersignal Der Einsatz von Markersignalen und positiver Verstärkung im Umgang und Training mit unserem Hund wird begründet durch die Lerntheorie (Siehe Kapitel 6). So wie wir in Texten wichtige Wörter oder Sätze „Fett“ schreiben oder mit Farbe hervorheben, können wir auch das von uns gewünschte Verhalten eines Hundes hervorheben, also markieren. Daher brauchen wir für unseren Hund einen Marker! Damit sagen wir dem Hund, welches Verhalten uns gefällt. Es vergeht einfach viel zu viel Zeit, bis wir unseren Hund gelobt haben und umständlich ein Leckerli oder Spielzeug hervorgekramt haben. Bis dahin tut der Hund längst etwas Anderes. Unser

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Lob kann er dann nicht mehr eindeutig zuordnen. Ein kurzes, knackiges und eindeutiges Signal, hilft dem Hund zu verstehen, welches Verhalten sich für ihn lohnt. Der Lernprozess wird optimiert, wenn der Hund für sein gezeigtes Verhalten belohnt wird. Je mehr Zeit zwischen gezeigtem Verhalten und der Belohnung liegt, desto schlechter ist der Lernerfolg. Das Markersignal verbindet das erwünschte Verhalten und die Konsequenz. Man kann das Markersignal als Brückensignal betrachten, es überbrückt die Zeitspanne zwischen dem Verhalten und der Belohnung. Ein Verhalten und seine Konsequenz können vom Hund nur binnen weniger Millisekunden verknüpft werden. Wirklich effektiv werden Konsequenzen nur eingesetzt, wenn der Hund zuverlässig Verhalten und Konsequenz verknüpfen kann. Zusätzlich löst das Markersignal eine positive Grundstimmung und eine freudige Erwartung aus, weil es mit vielen für den Hund wichtigen Sachen wie Futter und Spiel verknüpft ist. Diese positiven Emotionen wirken den negativen Emotionen einer Aggression entgegen. Ein weiterer positiver Effekt beim Trainieren mit Markersignal ist, dass Sie anfangen, beim Training mit Ihrem Hund auf das gute und erwünschte Verhalten zu achten und Ihr Hauptaugenmerk nicht mehr auf das „schlechte“ Verhalten gerichtet ist. Voraussetzungen sind genaues Beobachten und ein gutes Timing. Als Markersignale können eingesetzt werden:

Akustische Marker •

Ein Wort



Ein Geräusch



Der Clicker



Pfeife



Zungenschnalzen



……

Ein akustischer Marker bietet den Vorteil, dass man mit dem Hund auch auf Distanz arbeiten kann (was für das Training an Ressourcen sehr wichtig ist). Als akustische Markersignale bieten sich ein Markerwort und/oder ein Clicker an.

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Gute Markerworte sind u.a.: •

Bingo



Jep



Top



Yess



Click



….

Hier ist Ihrer Kreativität im Prinzip keine Grenzen gesetzt, wichtig ist einfach, dass es kurz und knackig ist! Der Aufbau und die Anwendung von Markersignalen, sind ein unglaublich wichtiges Konzept bei einem Training mit einem Hund. Ihre Wirksamkeit ist sogar wissenschaftlich belegt. WICHTIG! Nach einem Markersignal MUSS eine für den Hund direkte Konsequenz folgen.

9.2. Target-Training Target ist Englisch und bedeutet „Ziel“. Man hat das Wort aber im Bereich des Hundetrainings nicht mit Zieltraining übersetzt, sondern das englische Wort beibehalten. In der Literatur wird auch für das Zielobjekt einfach die Bezeichnung Target verwendet. Bei einem Hund der Objekte oder Orte sichert, kann das Target-Training ein sehr wichtiges Hilfsmittel sein. Wenn Ihr Hund gerade auf dem Sofa liegt was er verteidigt oder einen Ball auf einer Wiese während des Spaziergangs gefunden hat, können Sie mit Hilfe des Targets

(Abb.11)

Distanz zwischen den Hund und dem begehrten Objekt aufbauen. Beim TargetTraining lernt der Hund, mit einem bestimmten Körperteil das von Ihnen ausgewählte Ziel (zum Beispiel Ihre offene Handfläche) zu berühren. Meist ist das die Pfote oder

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die Nase des Hundes. Der große Vorteil, Übungen über Target-Training aufzubauen besteht darin, dass die Aufgabe sehr klar definiert ist, nämlich „berühre mit der Nase die Hand“ oder „berühre mit der Pfote die Hand“ usw. Hierbei fällt es dem Menschen leicht, das richtige Verhalten zu erkennen und zu bestätigen und dem Hund ist die Aufgabe klar und er lernt leichter und schneller.

9.3. Aufbau von Alternativverhalten Die Konditionierung von Alternativverhalten wird auch als Ablösung von Verhalten bezeichnet. Dabei soll neben dem unerwünschten Verhalten ein zweites erwünschtes Verhalten konditioniert werden, welches das unerwünschte ablöst. Bellt Ihr Hund zum Beispiel, wenn es an der Tür klingelt, soll er statt zu bellen als Alternative, auf seinen Platz gehen. Für das erwünschte Verhalten wird der Hund belohnt, für das Bellen jedoch nicht. Künftig wird der Hund sich also für die Verhaltensweise entscheiden, die belohnt wird und deswegen lieber auf seinen Platz gehen als zu bellen. Soweit die Theorie. Wie sieht es aber in der Praxis aus?

Durch das Konditionieren von alternativen Verhaltensweisen wird mittels positiver Verstärkung ein neues Verhalten aufgebaut. Ist die Motivation das erwünschte konditionierte Alternativverhalten zu zeigen größer als das unerwünschte, wird der Hund sich auch für das erwünschte Verhalten entscheiden. Was aber, wenn sich die Motivationslage des Hundes nicht ändert? Dann wird er auch das unerwünschte Verhalten beibehalten.

Für welches Verhalten sich der Hund entscheidet, hängt von seinen jeweiligen Bedürfnissen ab. Wenn er zum Beispiel Aggression gegen Artgenossen entwickelt, dann deshalb, weil er ein Bedürfnis nach Sicherheit hat. Er sieht in dieser Situation seine eigene Sicherheit durch den fremden Hund in Gefahr. Will man nun ein erwünschtes Alternativverhalten konditionieren, muss die Motivation des Hundes das Alternativverhalten anzunehmen größer sein, als sein Interesse sein eigenes Leben zu verteidigen. Ich denke Sie können selbst beurteilen, dass das sehr unwahrscheinlich ist.

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Was Ihnen niemand sagt, weil es viele vielleicht auch nicht wissen ist, dass ein konditioniertes erwünschtes Verhalten immer in Konkurrenz zum unerwünschten Verhalten steht. Die aktuelle Motivationslage des Hundes entscheidet dann darüber, für welches Verhalten er sich entscheiden wird.

Hat zum Beispiel ein verfressener Labrador, der über ein sehr abgeschwächtes Territorialverhalten verfügt die Alternative durch ein konditioniertes Verhalten an Futter zu gelangen, anstatt am Zaun zu bellen, wird er möglicherweise diese Alternative eher annehmen, als ein Hund der in der gleichen Situation sein Zuhause für gefährdet sieht und deshalb das Verteidigen für ihn wichtiges ist, als das Fressen.

Allein das Konditionieren von Verhalten durch positive Verstärkung genügt in den meisten Fällen jedoch nicht, um dem Hund in einer ernsthaften Konfliktsituation eine echte Alternative zu bieten. Erfolgreich können Sie nur dann Verhalten ändern, wenn Sie die Motivation für das unerwünschte Verhalten abschwächen und ihm zusätzlich eine Alternative bieten.

9.4. Shaping Shaping (zu Deutsch “freies Formen”) ist für Mensch und Hund eine interessante Herausforderung. Während der Mensch sein eigenes Timing trainiert, erlernt der Hund nach und nach neue Handlungen. Der Hund erarbeitet sich Schrittweise sein Verhalten selbst. Shaping ist eine Variante der operanten Konditionierung. Der Hund lernt, welches Verhalten für ihn Erfolg bedeutet und er somit eine Belohnung bekommt. Diese Art des Trainings, bringt den Hund dazu, nachzudenken und steigert auch nebenbei noch sein Selbstbewusstsein. Shaping kann man optimal nutzen, um ein Alternativverhalten aufzubauen. Zum Beispiel, kann man den Hund dadurch beibringen, den Kopf von einer Ressource zu heben oder abzuwenden. Mit dem zuvor gut aufgebautem Markersignal, kann man das erwünschte Verhalten des Hundes im richtigen Moment Bestätigen. Der Hund wird für alles bestätigt, was „nach oben geht“, das ist zu Beginn vielleicht nur der Blick. Dann die Nase, dann vielleicht

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schon der ganze Kopf. Er bekommt nur ein Markersignal und die Belohnung, wenn er sich auf dem richtigen Weg befindet und keine weitere Hilfestellung. Der Hund lernt dabei, dass er selber Verhalten anbieten kann, um sich damit eine Belohnung zu verdienen. Er muss gut „nachdenken“. Das freie Formen stellt also eine gute Möglichkeit dar, den Hund geistig auszulasten. Aber: Das freie Formen kann sehr schnell frustrierend für das Tier sein. Viele Hunde zeigen das, indem sie anfangen zu bellen oder auch andere Stresszeichen zeigen.

9.5. Maulkorbtraining Gerade wenn man mit einem Hund trainiert der Aggressionsverhalten zeigt, ist es zum Wohle der eigenen Sicherheit, aber auch für die Sicherheit von Menschen in Ihrem Umfeld und anderen Hunden von enormer Wichtigkeit, einen Hund an den Maulkorb zu gewöhnen. Sei es, weil der Hund keine Artgenossen mag, oder weil er unsicher fremden Menschen gegenüber ist, aber auch beim Training an der Ressourcensicherung, ist ein Maulkorb unabdingbar! Der Hund sollte schrittweise (Abb.12)

und mittels positiver Motivation an den Maulkorb herangeführt werden.

Dem Hund den Maulkorb einfach aufzuzwingen und zu sagen „er wird sich schon daran gewöhnen“, ist nicht der richtige Weg. Ein ungewohntes Ding auf seiner Nase tragen, das einen auch in einer gewissen Form ein bisschen einschränkt und sich komisch anfühlt, kann ein zusätzlicher Stressfaktor sein, den wir eigentlich vermeiden wollen! Beim Kauf sollte darauf geachtet werden, dass der Maulkorb gut sitzt. Der Hund muss ohne Probleme hecheln können und es sollte ihn nirgends drücken. Wenn Ihr Hund kein Problem damit hat, Sie in ein Zoofachhandel zu begleiten, dann nehmen Sie ihn am besten zum Kauf des Maulkorbes mit. Dann ersparen Sie sich den

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nervigen Umtausch und der Maulkorb kann passend ausgesucht werden, oder Sie lassen einen passenden Maulkorb für Ihren Hund anfertigen. Den Hund an einen Maulkorb zu gewöhnen, ist nicht nur sehr ratsam als Sicherheitsvorkehrung. Schon einen Welpen oder Junghund kann man an das Tragen eines Maulkorbs gewöhnen. Denn es kann sein, dass die Situation kommt, in der Ihr Hund einen Maulkorb tragen muss und dann sind Sie und Ihr Hund optimal darauf vorbereitet! Dies kann ein Besuch beim Tierarzt sein, oder das Fahren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, oder Sie treffen sich mit einer Freundin zum Kaffee im Kaffeehaus und möchten den Hund mitnehmen.

9.6. Konditionierte Entspannung Konditionierte Entspannung bedeutet nicht, dass Ihr Hund sich sofort hinlegt und für die nächsten Stunden schläft. Es bedeutet, dass das Erregungsniveau etwas absinkt und der Hund wieder auf Signale reagieren kann. Wenn das Erregungsniveau extrem hoch ist, weil er vielleicht gerade eine Ressource gegen einen Artgenossen verteidigt, dann kann ein konditioniertes Entspannungswort, den Hund wieder in den denkenden Zustand zurückbringen. In diesem Zustand, wird es dem Hund wieder möglich sein, erlerntes Alternativverhalten auszuführen und somit

(Abb.13)

auch wieder ruhiger zu werden. Zeigt Ihr Hund keine Reaktion mehr auf das Wort, muss man versuchen, den Hund aus der Situation zu holen! Also in diesem Fall wäre es, den anderen Hund zu sich zu rufen.

(Abb.14)

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Ein konditionierter Effekt tritt auf, wenn während Ihr Hund entspannt ist, Sie das zu konditionierende Wort immer wieder sagen und kann auch bei Hunden angewandt werden, wenn ein Hund sich nicht gerne Anfassen lässt. Jeder Hund ist im Laufe des Tages mal entspannt und diesen Moment kann man nutzen und mit dem Wort verknüpfen. Mögliche Signale können sein: •

Easy



Calm down

Diese Signale müssen immer sehr ruhig gesagt und ziemlich lang gesprochen werden, also z.B. eeeeeeeasyyy.

10. Ressourcensicherung vorbeugen Um ein harmonisches Zusammenleben zwischen Hund und Mensch zu erreichen, müssen beide Seiten viel lernen. Dazu gehört, dass der Hund lernt, dass keine Bedrohung von Menschen ausgeht und er auch keine Konkurrenz ist. Aber auch, dass der Mensch lernt, seinen Hund zu respektieren und ihm mit viel Geduld alles Notwendige beizubringen. Ressourcensicherung kann man vom Welpenalter an vorbeugen und macht auch durchaus Sinn, denn Ressourcensicherung, kann jederzeit im Leben eines Hundes auftreten. Auch beim (Abb.15)

erwachsenen Hund, der noch keine Ansätze von

Verteidigungsverhalten zeigt, kann man mit bestimmten Übungen, Ressourcensicherung vorbeugen. Allerdings muss es nicht immer ein direktes Training sein. Es reicht schon, wenn Sie einfach nur anwesend sind, während Ihr Hund gerade etwas frisst. Ohne ihn dabei zu beachten, sitzen Sie einfach nur in seiner Nähe. Lesen Sie vielleicht ein Buch oder die Tageszeitung. Wichtig ist, einfach nur präsent zu sein und der Hund auch in Ihrer Anwesenheit entspannt bleibt. Natürlich gibt es auch ein paar Übungen, die man regelmäßig mit einem Welpen, oder einem ausgewachsenen Hund machen kann:

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Tauschen Der Hund lernt, dass sich das Abgeben einer Ressource für ihn lohnen kann. Er gibt das Spielzeug oder den Kauartikel ab, dafür bekommt er eine meeega gute Belohnung und anschließend sein Spielzeug oder Kauartikel zurück. Die Belohnung muss immer mindestens gleichwertig oder hochwertiger sein, als das Objekt das getauscht wird! Ansonsten lohnt es sich für den Hund nicht zu tauschen!



Handfütterung Hierbei lernt der Hund, dass die Hand des Menschen bedeutet, dass etwas gegeben wird und nicht entfernt wird. Bitte nur bei Hunden, die in dieser Situation sich nicht bedrängt fühlen!! Der Hund kann sonst in einen Motivationskonflikt kommen  Er hat Hunger, möchte aber nicht so nahe an den Menschen heran (z.B. Tierschutzhund).



Das „Napf-Spiel“ Der Hund bekommt bei jeder Annäherung während er frisst, noch zusätzliche Superleckerli in den Napf



Berühren und Spielen Der Hund wird beim Spielen einfach an der Brust, dem Hals oder dem Kopf gestreichelt



Futter großflächig verteilen Leben zwei oder mehr Hunde im Haushalt, kann man immer wieder ein Leckerlisuchspiel machen, bei dem viel Futter auf großer Fläche verteilt wird. So lernt der Hund, dass er um das Futter nicht konkurrieren muss. Aber auch der Mensch hat eine große Bedeutung bei dieser Methode, denn man kann immer wieder Futter dazu geben ohne dabei den Hund in einen Konflikt zu bringen.

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Wichtig ist bei diesen Übungen, Frustration, Stress oder gar Angst zu vermeiden und bei einer bereits bestehenden Problematik mit Ressourcen, eine/n Hundetrainer/in dazu zu holen!!!

11. Nachwort Das Thema Ressourcensicherung ist ein sehr vielschichtiges Thema! Sie haben von mir einen kleinen Einblick in diesen Bereich erhalten und verstehen jetzt Ihren Hund besser. Er zeigt sein Verhalten nicht aus Spaß oder weil er Sie dominieren möchte! Es liegt in seiner Natur um zu überleben und auch um das Überleben seiner Nachkommen zu sichern. Auch wenn ein Hund seit Jahren bei Ihnen lebt und nie ein Problem an Ressourcen gezeigt hat, macht es durchaus Sinn mit ihm zu üben und Ressourcensicherung vorzubeugen. Denn wie wir jetzt wissen, kann dieses Verhalten jederzeit im Leben eines Hundes auftreten, ausgelöst durch verschiedenste Faktoren (z.B. Krankheit). Beim Training aber auch im Alltag, sollte immer ein Augenmerk auf Stressanzeichen oder Überforderung gerichtet sein! Denn ein überforderter Hund neigt zu Problemverhalten. Ich lege Ihnen auch nochmal nahe, auf die Körpersprache Ihres Hundes zu achten! Viele Probleme entstehen, weil Leute die Zeichen des Hundes ignorieren. Hunde schnappen nach Kindern, weil die Eltern die Körpersprache des Hundes nicht lesen können und der Hund manchmal keinen anderen Ausweg mehr weiß. Bitte respektieren Sie Ihren Hund und gestalten Sie das Leben des Hundes und auch Ihr eigenes so angenehm wie möglich. Erfolgreich an Ressourcensicherung zu trainieren ist möglich, wenn Sie sich an die Regeln des Hundetrainers halten und das Training auch wirklich machen! Der Hund ist nicht Verhaltensgestört!!! Wir müssen ihm nur helfen, eine Alternative zu finden und ihm das nötige Vertrauen zurückgeben. Geben Sie ihm die Zeit und das Verständnis, das er benötigt, er wird es Ihnen danken!

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12. Quellennachweis

Bilder: Abbildung 1 - Privat Abbildung 2 - Animal Learn Abbildung 3 - Unbekannt Abbildung 4 - Privat Abbildung 5 - Privat Abbildung 6 - Privat Abbildung 7 - Privat Abbildung 8 - Privat Abbildung 9 - Privat Abbildung 10 - RespekTIERt Abbildung 11 - Privat Abbildung 12 - Privat Abbildung 13 - Privat Abbildung 14 - Easy Dogs Abbildung 15 – Privat

Internet: www.canesance.de www.easy-dogs.net www.markertraining.de www.positively.com www.yourdogsfriend.org www.respektiert.at Jennifer Göß

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Bücher, Webinare usw. James O’Heare: Das Aggressionsverhalten des Hundes animal Learn Verlag, Nadin Matthews: Duell auf offener Straße Cadmos, 2011 Jean Donaldson: Fight! Birgit Laser Verlag, 2011 Martina Nagel, Clarissa v. Reinhardt: STRESS bei Hunden animal Learn Verlag, 2003 Jean Donaldson: Meins! Birgit Laser Verlag, 2006 Dorothée Schneider: Die Welt in seinem Kopf animal Learn Verlag, 2005 Turid Rugaas: Calming Signals-Die Beschwichtigungssignale der Hunde animal Learn Verlag, 2001 Anne Rosengrün: Webinar 2016 Ute Blaschke Berthold: Webinar 2017

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