Wenn dich nun einer fragt, warum man noch das AT beibehalte, was antwortet man darauf?

Sonntagsgottesdienst 19.04.2015 Patric Pisot Altes und oder Neues Testament Vor rund 2000 Jahren wurde ein Kind geboren – es wuchs hier mitten unter u...
Author: Bernhard Junge
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Sonntagsgottesdienst 19.04.2015 Patric Pisot Altes und oder Neues Testament Vor rund 2000 Jahren wurde ein Kind geboren – es wuchs hier mitten unter uns auf, und vor wenigen Tagen erst feierten wir an Ostern. Dieser Mann hat ein ganz neues – ja – Zeitalter, Epoche, Äon oder wie auch immer man das nennen will, begonnen. Dieser Menschensohn, wie er sich auch nannte, hat wohl niemals einen Satz, geschweige denn einen Brief oder gar ein Buch geschrieben. Und doch gibt es Millionen über Millionen von Büchern in der Welt, die über oder von ihm handeln: Jesus Christus. Mit ihm kam auch das sogenannte Neue Testament (NT), mit seiner Lebensgeschichte – den Evangelien, darüber hinaus noch die theologische Briefen und eine Offenbarungsschau dessen, was noch zu erwarten ist. Doch neben dem Neuen Testament – es heißt ja das NEUE Testament – gibt es doch auch noch das Alte Testament (AT). Ist das nun eigentlich hinfällig? So, wie man vielleicht das alte Auto verkauft, um ein neues zu erhalten? Oder wird nicht ein altes, zuvor gegebenes Testament, ein Vermächtnis, mit einem neuen, aktuelleren nicht hinfällig? Warum haben wir eigentlich noch das AT? Immerhin behandelt es doch nur die Geschichte Israels, was haben wir damit zu tun? Ist das nicht altbacken und bereits aufgehoben, reicht das NT nicht völlig aus? In der Tat hat schon vor rund 1800 Jahren Marcion einen Kanon aufgestellt, der das AT nicht berücksichtigte, und nur ein bearbeitetes Lukasevangelium und ein paar andere Texte als Bibel gelten lassen wollen. Zur Zeit der Aufklärung, also vor etwa 200-300 Jahren waren viele Theologen der Meinung, das AT hätte eigentlich ausgedient; sie gingen davon aus, dass man es irgendwann links liegen lassen würde, und konnten nicht so recht etwas mit dem AT anfangen. Auch die sogenannten Deutschen Christen (zur Zeit der Nazis) wollten das AT abschaffen und nur das NT als gültig ansehen, sie hielten Christus für einen MusterArier. Auch in der liberalen Theologie war es dann die Auffassung, dass man das AT ja gar nicht mehr bräuchte, es reicht doch das Neue. Und so kam es auch, dass das AT vom NT und umgekehrt getrennt wurde, es entstanden eigene Forschungsbereiche, in denen jeweils das AT und das NT für sich betrachtet werden – das ist heute so an jeder dt. Universität. Wenn dich nun einer fragt, warum man noch das AT beibehalte, was antwortet man darauf?

Überhaupt, hat sich Paulus nicht kritisch mit den jüdischen Gesetzeslehrern, Pharisäern und Schriftgelehrten auseinander gesetzt, wie ja Christus auch, und hat Paulus das nicht auch alles abgelehnt? Warum brauchen wir also noch das AT? Ganz einfach: Die Bibel muss in ihrer Gesamtheit gelesen und so in ihrer Gesamtheit ausgelegt und nur so verstanden werden. Die Bibel ist als Ganzes Gottes Wort. Und wir wollen nicht das halbe Wort Gottes haben, sondern das ganze. AT und NT müssen in gleicher Hochachtung und Ernstname beachtet werden. Ansonsten wird Wesentliches nicht verständlich! Denn wer ist der Gott der Bibel? Der Gott des NT ist ja auch der Gott des AT. Und gerade im AT hat Gott sich zum ersten male ein ganzes Stück weit offenbart – mit seinem Namen in einer Selbstoffenbarung (Ex 3). Das erste Mal dort, wo Gott Mose den Befehl gibt, sein Volk zu befreien. Da fragt Mose Gott am brennenden Dornbusch: „Ja wie ist denn eigentlich dein Name, wenn man mich fragt, in wessen Name ich komme?“ Gott hatte dort Mose seinen Namen zum allerersten Male mitgeteilt und das ist etwas ganz Besonderes. Er lautet: Ich bin, der ich bin; oder auch: ich werde sein, der ich sein werde. Das kann jeder verstehen, nicht wahr? Wenn man emanzipiert ist, wenn man unabhängig ist, sich selbstverwirklichen will, dann sagt man das doch von sich auch, oder? Ich bin der, der ich bin – und das ist gut so... Doch ist das so gemeint? Nur Gott kann dies sagen: Ich bin. Ich existiere – und zwar aus mir selbst heraus. Der Mensch existiert stets in Abhängigkeiten, anders als Gott. Auch bei den 10 Geboten leitet Gott ein: Ich bin – dein Gott. Ich bin es; ich habe dich aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Das „Für sein für sein Volk“ und das „Ich-Sein“ – dies gehört hierbei zusammen. Ich – für die Menschen, die er auswählt, für die er ganz da sein will, nur so ist er ein Gott, wie kein anderer. Gott: Ich bin, der ich bin – und ich bin für DICH da. Ich habe dich aus Ägypten herausgeführt… Und darum sollst du keine Götzen anbeten oder verehren. Doch Gott offenbart sich an einer anderen Stelle noch mit seinem ganzen Namen. So in Ex 33,19: „Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.“ Der „ich bin, der ich bin“ spricht hier seinen langen Namen aus: ich bin, der ich bin, wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich! Völlig komplett und eindeutig dann

nochmals in 34,6; diesmal spricht hier Mose ihn mit seinem ganzen vollständigen Name an, als Gott mit seiner ganzen Herrlichkeit an ihm vorüberzieht: „JHWH, JHWH, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue.“ Dies ist der inhaltlich vollendete Name Gottes. Das Hebräische (hier mit Partizipien) trifft es allerdings besser, als es das Deutsche kann, denn es heißt vielmehr: er IST die Barmherzigkeit und er IST die Gnade. Und geduldig sein heißt auch so viel wie: den Zorn herausschiebend. Gott hat sich nun Mose mit seinem vollständigen Namen offenbart. Und das eigenartigerweise genau dann, als das Volk den ersten Bund mit Gott bereits gebrochen hatte: anstatt auf Gott zu vertrauen, machten sie sich selbst ein goldenes Kalb und verehrten es als ihren Gott, tanzten darum, trieben Unzucht und was sonst noch alles. Und dennoch machte Gott einen Bund mit diesem Volk, obwohl er drauf und dran war, seinem Zorn freien Lauf zu lassen. Nur aufgrund der Fürbitte Moses ließ Gott davon ab. Mose stieg also nochmals auf den Berg, bekam nochmals die 10 Gebot auf die Steintafeln von Gott geschrieben, und Gott offenbarte sich dennoch mit seinem ganzen Namen. Und was geschieht? Das Volk geht in Sack und Asche, bereut und tut Buße. Diese Geschichte zeigt zudem: Gott steht völlig unabhängig von unserem Verhalten zu seinem Wort – zu seinem Namen. Und er liebt keine Automaten. Er liebt Menschen, die sich für oder gegen ihn aus freien Stücken entscheiden können. Doch Israel fällt immer wieder und wieder von Gott ab; dabei ist es so begnadet wie kein anderes Volk. Und immer wieder bricht es den Bund mit Gott. So läuft es über Jahrhunderte. Schließlich schickte Gott sein Volk ins Exil nach Babylon – die Geschichte um Daniel, Jesaja als Warner und Nehemia (sowie viele andere mehr), der dann aus dem Exil zurückkam, kennt man ja. Im Exil und in der Zerstörung des Tempels und Jerusalems hat Israel den Zorn Gottes erkannt. Nun ist es endgültig zu Ende, dürfte man meinen. Doch es gab Propheten, die in diese Situation hinein den Gefangenen und Exilierten predigen sollten, dass Gott einen Neuen Bund schafft, der aber anders ist als der erste Bund; Jer 31,31-34: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein

Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.“ Aber selbst nach der Rückkehr aus dem Exil kommt immer noch ein Treuebruch nach dem anderen; mit diesem Volk ist einfach nichts anzufangen, könnte man meinen. Und kurz nach der Rückkehr aus dem Exil hören dann auch die Propheten auf zu sprechen; kein Held vollbringt mehr Taten im Namen Gottes. Mit einem der letzten Propheten, Micha (Kap 4), wird noch Ausschau nach dem kommenden Friedensreich Gottes gehalten, von der Gnade und Barmherzigkeit für die zerschlagenen Völker ist noch die Rede. Auch von einem Herrscher, der aus Bethlehem kommen würde, der in der Kraft und dem Namen des Herrn auftreten würde, der selbst Friede ist, davon ist noch die Rede (Kap 5). Ähnliches gilt auch für den wohl letzten Propheten, der in Israel öffentlich aufgetreten ist, Maleachi („mein Bote“): Er spricht im Namen Gottes, dass Gott immer noch derselbe ist, der sich nicht gewandelt hat. Der immer noch sein Volk bittet, zu ihm umzukehren, so dass er sich zu ihnen kehren kann (Kap 3). Und die letzten Verse des AT (nach unserem Bibelkanon) lauten: „Gedenkt an das Gesetz meines Knechtes Mose, das ich ihm befohlen habe auf dem Berge Horeb für ganz Israel, an alle Gebote und Rechte! Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage.“ Und damit ist es seit etwa 400 v. Chr. still. Wo ist nun der Held, der in Jesaja 53, 4-7 beschrieben wird? „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.“

Das AT endet schließlich mit dieser Aussicht – aber auch mit dem Schweigen Gottes. Und damit endet es mit einem Problem: Sein Volk, die Menschen, verhalten und verhielten sich so, dass er seinen Namen gar nicht mehr gerecht werden konnte, gar nicht gerecht werden kann. Nicht der Zorn sollte dominieren, sondern die Barmherzigkeit, Treue und Gnade. Das ist doch sein Name: Ich bin Barmherzigkeit und Gnade und Treue. Doch Was nun? Dieses Problem ist mit dem AT offen geblieben. 400 Jahre vergehen, auf einmal taucht wieder ein Prophet auf, der eigenartiges verkündet: „Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn“ Und: „siehe DAS ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ Geht es doch weiter? Auf einmal tritt einer auf, der verkündet überall, dass Sünder und Gerechte in seinem Reiche Platz haben, wenn sie denn umkehren. „Ich bin gekommen um zu verkündigen ein Gnadenjahr des Herrn“, wie es sozusagen in der „Antrittspredigt“ Jesu heißt (Lk 4,19). „Ihr seid mir nicht egal. Ich kümmere mich um euch. Ich bin zwar zornig auf all das, was ihr getan habt, wie oft habt ihr meinen Bund gebrochen, wie seid ihr untreu gewesen. Doch mein Name heißt: ich bin Barmherzigkeit, ich bin Gnade, ich bin Treue. Diesem Namen will ich nun endlich gerecht werden können.“ Und als wir noch Sünder waren, da gab er sein Leben am Kreuz, für dich und für mich. Seinen Zorn über die ganzen Verfehlungen und Bundesbrüche ließ er an seinem Sohn aus, opferte sich stellvertretend am Kreuz, er ließ damit seinen Zorn, seinen aufgeschobenen Zorn an sich selbst aus, damit wir Barmherzigkeit und Gnade vor ihm erlangen können. Und das tolle daran: Das gilt nicht nur dem Volk Gottes – Israel – sondern allen Völkern der Welt. Mir und dir!! Mit diesem Kind, dessen Geburt wir an Weihnachten gedenken, fängt die wunderbare Geschichte von Gottes Barmherzigkeit und Gnade erst richtig an! Und diese Geschichte erfahren wir aus dem Neuen Testament; doch ohne das Alte Testament wäre diese Geschichte nicht verständlich. Das NT in seiner ganzen Christusverkündigung ist nichts anderes, als die Verkündigung des endgültigen Erweisens und des Wesens Gottes, wie er sich im AT offenbart hat – und wie er dann im NT seinem Namen endlich gerecht werden konnte.

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