Wege zu unseren Mitmenschen: Gott liebt die Fremden!

Hartmut Weyel Predigt am 29. Juni 2003 Wege zu unseren Mitmenschen: Gott liebt die Fremden! (5. Mose 10,12-14.17-19) Einleitung: Unser Jahresthema ...
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Hartmut Weyel

Predigt am 29. Juni 2003

Wege zu unseren Mitmenschen: Gott liebt die Fremden! (5. Mose 10,12-14.17-19)

Einleitung: Unser Jahresthema 2003 - fast jeder weiß es inzwischen - heißt: „Wege zu unseren Mitmenschen“. Wer gehört eigentlich alles zu unseren Mitmenschen? Klar: Unsere Familienangehörigen, unsere Geschwister in der Gemeinde, unsere Freunde, unsere Berufskollegen, unsere Nachbarn und - jetzt wird es schon schwierig - auch die Kassiererin im Supermarkt? Auch der Gastwirt in der Eckkneipe? Auch der Skinhead in der Innenstadt? Auch die Oma im Altenheim? Und - gehören dazu auch die Menschen, die durch Sprache, Aussehen, Kleidung, Verhalten als Ausländer zu erkennen sind? Sind das wirklich auch unsere Mitmenschen? Oder sind sie nur mehr oder weniger unangenehme Leute, die sich - aus welchen Gründen auch immer - bei uns aufhalten? Man kann ja aus sehr verschiedenen Gründen „Wege zu unseren Mitmenschen“ gehen, z.B ganz privat je nach Lust und Laune oder aus sozialer Verantwortung heraus. Wenn wir als Gemeinde Kontakt zu unseren Mitmenschen pflegen wollen, dann bestimmen uns dabei vor allem geistliche Gründe: Es geht uns um das Gebot Jesu „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Mt. 22, 39) und es geht um den Auftrag von Jesus: „Geht hin zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt. 28,19-20). Wege zu unseren Mitmenschen zu gehen ist also für Christen eine Frage der Sendung durch unseren Herrn. „Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch“, sagt Jesus zu seinen Leuten (Joh. 20,21). Das ist der entscheidende Punkt: Wege zu unseren Mitmenschen gehören zum Sendungsauftrag Gottes. Nun heißt Sendung immer: Grenzen zu überschreiten! Gott hat mit der Sendung von Jesus Christus die Grenzen zwischen sich und uns Menschen überschritten. Das Johannes-Evangelium beschreibt kurz und bündig dieses Grenzüberschreiten Gottes mit dem Satz: „Das Wort wurde Fleisch“. Da fragt Gott nicht lang und breit, ob das Sinn macht, ob die Menschen das honorieren, welche Hautfarbe oder Religion sie haben, ob sie auch die Kultur haben, seinen Sohn zu empfangen, er sendet ihn einfach zu uns Menschen. Warum? Weil er uns liebt! (Joh. 3,16). Das ist alles und ist doch so unendlich viel! Wege zu unseren Mitmenschen, das hat etwas mit Liebe zu tun. I. Gott liebt den Fremden! Und was hat das alles mit unseren ausländischen Mitbürgern zu tun? Die Antwort haben wir eben aus der Bibel, aus 5.Mose 10,12-14.17-19, erfahren: Gott liebt den Fremden! Da ist es nun interessant, in welche damaligen Verhältnisse Gott dieses Wort an sein Volk richtet: In primitiven Kulturstufen wurde damals - und oft bis heute - der Fremde als Feind angesehen. Das hatte seine Grund darin, dass die

Stammesgemeinschaften einen geschlossenen Kreis bildeten, um sich zu schützen und das Überleben zu sichern. Alles, was außerhalb dieses Kreises lag, galt als Reich der Dämonen. Dort herrscht, so meinte man, das Chaos, das Tohuwabohu, das Böse. Alles, was von außen in den Kreis eindrang, wurde als Bedrohung empfunden. Der Fremde, der eindrang, wurde nicht als Mensch angesehen, sondern als Dämon, als Tier, als Unmensch. Besonders die magischen Kräfte, die man bei Fremden vermutete, fürchtete man, weil sie unbekannt waren und man nicht wusste, wie man sie in den Griff kriegen konnte. Vor Fremden hatte man deshalb grundsätzlich Angst. Allerdings gab es auch den Glauben, dass sich Götter in der Gestalt eines Fremden zeigen und offenbaren können. Daher konnte es auch passieren, dass ein Fremder mit großer Verehrung aufgenommen und entsprechend zuvorkommend behandelt wurde. Wir kennen auch aus dem NT eine solche Geschichte, in der berichtet wird, dass die Leute der kleinasiatischen Stadt Lystra fremde Gäste, nämlich die Apostel Paulus und Barnabas, als Götter verehrten: „Die Götter sind in Menschengestalt zu uns herabgestiegen“, riefen die Einwohner der Stadt, „und sie nannten den Barnabas Zeus und den Paulus Hermes, weil er der Wortführer war.“ „Der Priester des Zeus“, so erzählt die Apostelgeschichte weiter, „brachte Stiere und Kränze an die Tore und wollte zusammen mit der Volksmenge ein Opfer darbringen.“ „Männer, was tut ihr?“ wehrten Barnabas und Paulus heftigst diese göttliche Verehrung ab, „auch wir sind nur Menschen, von gleicher Art wie ihr“ (Apg. 14,8-18). Es ist kaum vorstellbar, dass ausländische Mitbürger und Gäste heutzutage als Götter verehrt und entsprechend zuvorkommend behandelt würden. Das Gegenteil ist der Fall! Viele empfinden Ausländer eher als Bedrohung. Von nicht wenigen Leuten werden sie als lästige Mitesser an unserem Tisch und als Ausbeuter unseres sozialen Systems gesehen. Dass aber ein Teil unseres Wohlstands auch auf Kosten der Länder, aus denen viele von ihnen kommen, entstanden ist - wenn nicht sogar geraubt wurde -, vergessen viele. Es ist keine Frage, dass der Zuzug von Ausländern und fremden Menschen in unsere Städte und Dörfer auch Probleme mit sich bringt. Sie dürfen nicht verschwiegen werden. Sie müssen mit einem Zuwanderungsgesetz geregelt werden. Aber wir werden uns der Realität stellen müssen, dass sich die Welt und damit auch unsere Gesellschaft sehr verändern. Wir leben in einer globalen multikulturellen, multinationalen und multireligiösen Gesellschaft. Das ist unsere Welt im 21. Jahrhundert. Darin liegen nicht nur Schwierigkeiten, sondern auch große Chancen. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Wie gehen Christen damit um? Reagieren wir so, wie die Menschen auf primitiven Kulturstufen vor tausenden von Jahren oder wie aufgeklärte Menschen, die dankbar sind für den Reichtum an unterschiedlichen Hautfarben, Kulturen und Lebenseinstellungen? Was sagt dazu die Bibel? Wir haben aus der Bibel gehört, dass Gott trotz der verbreiteten Dämonisierung und Ablehnung von Fremden, sein Volk anweist, den fremden Gast zu lieben und ihm Gastrecht zu gewähren. Besonders, wenn Fremde aus Hungersnot oder Krieg oder drohender Rache oder wegen Vertreibung nach Israel geflüchtet waren - also auch sogenannte

Wirtschaftsflüchtlinge -, sollte das Volk Gottes sie aufnehmen und ihnen dauerndes Gastrecht als sogenannte „Schutzbürger“ gewähren. Weil solche Schutzbürger abhängig waren und leicht ausgebeutet werden konnten, gebietet Gott seinem Volk, ihnen ein gesicherten sozialen Status einzuräumen, der dem von Witwen und Waisen entsprach, den Sozialhilfeempfängern der damaligen Zeit. Damit war Israel verpflichtet, sie mitzuversorgen und sie besonders zu schützen. Dieses Sozialrecht der Witwen und Waisen und der Fremden stand nicht im Belieben irgendwelcher Politiker, sondern es war Gottesrecht. „Gott verschafft den Witwen und Waisen ihr Recht. Er liebt die Fremden und gibt ihnen Nahrung und Kleidung“, sagt die Bibel (5.Mose 10,18). Und Gott geht noch weiter: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst“ (3.Mose 19,34). Man glaubt kaum, dass dieser Satz im AT steht. Aber so ist Gott! Diese Haltung mag unseren menschlichen Gefühlen und Erfahrungen widerstreben. Da mögen politische oder gesellschaftliche Gründe gegen stehen. Gottes Haltung in dieser Frage ist aber eindeutig. Was die Bibel von der Zuwendung Gottes zu den Fremden und Gästen sagt, wie Gott ihnen nah ist, und wie er sie liebt, ist von beeindruckender Kraft. Die Motive, weshalb Fremde und Flüchtlinge und Aussiedler zu uns kommen, sind in Gottes Augen zweitrangig. Erstrangig ist, dass sie von Gott geliebt sind und dass Gott will, dass sein Volk sie auch liebt wie sich selbst. II. „Ihr seid Gäste und Fremde in dieser Welt“ Dabei erinnert Gott sein Volk immer wieder an dessen eigene Vergangenheit: „Ihr seid auch Fremde in Ägypten gewesen“ (5.Mose 10,19). Als euer Vorfahre Jakob mit seiner großen Familie in seinem Heimatland Hunger litt, zog er als Wirtschaftsflüchtling nach Ägypten und erhielt dort mit seinen elf Kindern Asyl. Das hat ihnen das Leben gerettet. Und selbst als Israel endlich ins verheißene Land Kanaan einziehen konnte und dort Heimat und Eigentum gewonnen hatte, erinnerte Gott sein Volk daran, dass sie ihren Gaststatus auch im eigenen Land nie vergessen: „Ja, wir sind Gäste und Fremde vor dir, wie alle unsere Väter“, bekennt Israel deshalb vor Gott (1.Chron. 29,15). Im NT wird die Gemeinde Gottes genau auf diese Grundlage auch ihrer Existenz hingewiesen. Auch den Christen wird gesagt, dass sie „Fremde und Gäste in dieser Welt“ sind (1.Petr. 2,11). Von daher muss das Volk Gottes des alten und des neuen Bundes eine ganz besondere Beziehung zu Fremden und Gästen und eine besondere Solidarität mit ausländischen Mitbürgern haben. Durch unsere ausländischen Mitbürger können wir außerdem etwas Wesentliches lernen, nämlich dass auch wir keinen Rechtsanspruch an Heimat, Wohlstand und Eigentum haben, sondern ganz und gar auf Gottes gnädige Zuwendung angewiesen seid. Alles ist geliehene Gabe Gottes. Alles ist reine Gnade. Der Herr hat es gegeben, der Herr kann es nehmen. Jesus Christus weist einmal seine Jünger auf eine Konsequenz hin, die erfolgen kann, wenn sie ihm nachfolgen: Es kann euch passieren, dass ihr keinen Ort habt, wohin ihr euer Haupt legen könnt. Es kann euch passieren, dass ihr Haus und Hof verliert, Lebensversicherung und Rentenversicherung, dass ihr gejagt und verfolgt werden, dass ihr nur noch von einem Ort zum anderen flüchten könnt.

Das kann immer, aber besonders in der letzten Endzeit passieren: Dann ergeht es euch nicht anders als eurem Herrn. Aber dann seid ihr auch so nah bei ihm, wie man auf dieser Erde nicht näher bei Jesus sein kann. Dann erlebt ihr auch ein Stück von dem mit, was ich mit meinen Eltern kaum ein paar Tage nach meiner Geburt durchleiden musste: die ganze Not und Fremdheit einer Flüchtlingsexistenz. Man fragt sich heute, was geworden wäre, wenn Ägypten der Flüchtlingsfamilie aus Bethlehem kein Asyl gewährt, sondern sie an den Mörder Herodes ausgeliefert hätte. Nicht auszudenken! III. „Ihr seid Hausgenossen Gottes“ Wir haben zu Beginn gehört, dass das Jahresthema „Wege zu unseren Mitmenschen“ etwas mit Sendung zu tun hat. Sendung heißt: Grenzen zu überschreiten! Und Grenzen überschreiten hat etwas mit Liebe zu tun. Weil Gott den Fremden liebt und uns gebietet, so auch die Fremden zu lieben, sind wir aufgerufen, mit Liebe Grenzen zu unseren ausländischen Mitmenschen zu überschreiten. Gott sind alle falschen Grenzziehungen ein Gräuel. Weil Christen zwar Fremde und Gäste in der Welt sind, aber gleichzeitig durch Gottes Gnade „Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen“ (Eph. 2,19), ist das eine Option, die wir auch unseren ausländischen Mitbürgern eröffnen können, wenn wir ihnen das Evangelium von Jesus Christus weitersagen. Durch den Glauben an Jesus Christus kann jeder Mensch, wie fremd er sich auch fühlt und wie fremdartig er auch ist, sein Zuhause bei Gott finden. Das kann auf dieser Welt, das kann hier und heute schon beginnen. Dann wird schon jetzt manches anders aussehen, auch wenn uns noch manches aneinander fremd bleiben wird. In Christus können wir geliebte Kinder Gottes und bei Gott zu Hause sein, egal welche Hautfarbe, Haarfarbe oder Kulturfarbe wir tragen. Gott sendet uns auf Wege zu unseren Mitmenschen: Dazu gehören auch unsere ausländischen Mitbürger, wo immer wir ihnen begegnen. „Geht hin zu allen Völkern und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“, sagt Jesus Christus (Mk. 16,15).

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