We Too Have No Other Land

We Too Have No Other Land Ein Ball, ein Spiel, ein Land (Jerrold Kessel/ Pierre Klochendler, Israel, 2007) “We too have no other land” ist ein israel...
Author: Maximilian Blau
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We Too Have No Other Land Ein Ball, ein Spiel, ein Land (Jerrold Kessel/ Pierre Klochendler, Israel, 2007)

“We too have no other land” ist ein israelischer Film aus dem Jahr 2007 von Jerrold Kessel und Pierre Klochendler. Er beleuchtet den Fußballverein Bnei Sakhnin im Land Israel über den Verlauf einer ganzen Saison. Das Besondere an diesem Verein ist, dass er der einzige arabisch-israelische Verein in diesem Land ist, der in der ersten Liga spielt. Es sind hauptsächlich arabische Israelis, die dort spielen und das Umfeld des Vereins ausmachen, im Grunde steht die ganze Stadt Sakhnin im Zeichen des Fußballvereins. Sie hat ca. 24000 Einwohner und liegt im nördlichen Distrikt Israels. Der Film versucht, ein möglichst umfassendes Bild des Vereins über seine internen und externen Strukturen zu zeigen. Es werden einzelne Fans portraitiert, exemplarisch der praktizierende 1 Moslem und Star-Spieler Abbas Souan und seine Familie begleitet, Gespräche mit dem jüdischen Trainer Eyal Lachmann und anderen Offiziellen geführt, sowie der Bau eines neuen Stadions eingewoben. Dabei ist der Film unterteilt in einzelne Kapitel durch Bilder von Schüler-Lerntafeln, die mit verschiedenen Überschriften Thematiken vorgeben: von Identity, Home über Friendship, War, Co-Exsistenz bis hin zu Future. Ein weiteres stilistisches Mittel ist die Kommentierung einzelner Abschnitte durch die Filmemacher, mal vor der Kamera, mal aus dem Off in Form eines Dialoges, in Anlehnung einer Fußballspielkommentierung 2 , nur dass es nicht um ein Spiel, sondern um das Phänomen dieses Vereins geht und mögliche Interpretationen. Der Raum für Interpretationen ist sehr weit reichend, denn die arabischen Israelis von Sakhnin stehen in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach voller Integration in ihrem Heimatland Israel und dem Wunsch nach Verbundenheit mit der Volksgruppe der Palästinenser. So wird zum Beispiel an einer einführenden Stelle, von Kessel aus dem Off kommentiert: „So welcome to Sakhnin. A home game, but no home ground.“ Die Fremdzuschreibungen zu dieser ‚zwischen den Stühlen

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Als Beispiel wird gezeigt, wie Abbas Souan mit seiner Familie am Abend den Ramadan bricht; plus Szenen die ihn beim Beten zeigen. 2 Als deutscher Fußballfan ist man unweigerlich an das ZDF Duo Günther Netzer und Gerhard Delling erinnert.

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sitzenden’ Volksgruppe reichen von Erhöhung als eine mögliche Brücke zum Frieden bis hin zur Verachtung als Kollaborateure. 3 Die beiden Journalisten und Filmproduzenten Jerrold Kessel und Pierre Klochendler sind zwei CNN-Reporter, die seit über einem Jahrzehnt Berichte, Reportagen und Artikel über verschiedenste Themen in Israel herstellen. Der Film ist im Originalton, d.h. zum größten Teil Hebräisch und teilweise Arabisch zu sehen mit englischen Untertiteln. Bei der Frage nach ethnographischer oder dokumentarischer Prägung des Werkes liegt vor dem beruflichen Hintergrund der Filmemacher und dem oben skizzierten stilistischen Aufbau, die Vermutung nahe, dass es sich eher um einen Dokumentarfilm

handelt

oder

eventuell

das,

was

Joachim

Wossidlo

als

kulturwissenschaftliche Filme im Sinne eines Subgenres des Dokumentarfilms bezeichnen würde. 4 Egal welche Etikettierung man zu schreiben möchte, bleibt doch interessant, wie die von Heinz–B. Heller in Bezug auf Dokumentarfilme konstatierte Münze mit ihren beiden Seiten „Illusionsmächtigkeit des Films […] sowie deren dokumentierende (weil vom konkret Sichtbaren lebenden) Qualitäten“ 5 zur Geltung kommt bzw. mit ihr ‚bezahlt’ wird, wenn mit diesem Film einer sehr weit reichenden Frage nachgegangen werden soll: Können die großen Fragen wie Identität, Akzeptanz und Diskriminierung mit einem kleinen Ball beantwortet werden? 6 Dass diese Frage nicht nur publikumswirksam gestellt, sondern von wirklichem Gehalt ist, zeigt alleine das wohl in seiner Erscheinung einmalige Phänomen dieses Fußballvereins. Gleich zu Beginn wird deutlich, dass es nicht nur um Fußball, sondern gesellschaftlich höchst spannende Fragen geht, die bei der Betrachtung des Clubs in Form dieses Filmes immer in Interaktion miteinander stehen. An dieser Stelle sei der interessante

Fakt

Fußballspielszene

eingeschoben, gezeigt

wird.

dass Als

so

gut

wie

Eingangssequenz

nie

eine

wurde

das

klassische jüdische

Neujahrsfest, das der Club mit seinen Spielern feiert, gewählt, sowie eine vorhergehend lesbare Einleitung: Jewish New Year: Mazen Ghnaim & Bnei Sakhnin, Israel’s Arab soccer club, - for once the majority, host their Jewish player – for once the minority. Durch das Intro werden die zum Rest Israels konträr stehenden

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Vgl. http://www.willybrandtcenter.org/en/red/reviews06/otherland. Zugriffsdatum: 26.05.08 Vgl. Wossidlo, Joachim: Dokumentarfilm als Prozess. In: Ballhaus (Hg.): Kulturwissenschaft, Film, Öffentlichkeit, Münster/New York/München/Berlin 2001, S. 119. 5 Heller, Heinz-B.: Dokumentarfilm als transitorisches Genre. In: Keitz/Hoffman (Hg.): Die Einübung des dokumentarischen Blicks. Marburg, 2001. S. 18. 6 Programmheft Ethnographic Film Festival, Göttingen, 2008. S. 70 4

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ethnischen Verhältnisse deutlich und zugleich wird eine in diesem Fest verdichtete symbolisch-harmonische Atmosphäre der Hoffnung und Friedens geschaffen. So wird man als Zuschauer in eine diffus-illusionäre Spannung aus hoffnungsvoller Erwartung bezüglich dieser Dokumentation geschickt. Doch bevor sich dieses Gefühl richtig einstellen kann, bekommt es sofort einen Bruch durch den aus dem Off kommenden Kommentar einer Frau: „Never know failure and you’ll never know victory“ und einem Kameraschwenk über das marode Stadion des Vereins. Es ist diese Ambivalenz zwischen Harmonie und fast familiärer Homogenität, die den Verein und sein Umfeld ausmachen und dem kämpferisch-kriegerischen nach Ausgleich, Anerkennung und Gerechtigkeit strebenden gesellschaftlichen Kontext, die sich wie ein dialektischer roter Faden, unterstrichen von Dialogen der Filmemacher, durch den Film zieht. Die erwähnte Stimme aus dem Off gehört der jungen Lehrerin Wurood Miari, die eine Gruppe von Kindern zur Schule durch die Stadt führt und dabei einen ersten Eindruck vom hohen Stellenwert des Fußballvereins in der Stadt vermittelt, sowie von der entwurzelten Lage der arabischen Israelis in der gesamtisraelischen Gesellschaft. 7 Somit bekommt eine weiter Aussage von ihr eine doppelte Bedeutung: „Maybe we will lose, maybe we will win, i dunno, only God knows.“ Dieser Satz wird von ihr nach einem Schnitt, während der Kamerabegleitung der Frau auf ihrem Weg geäußert, ist also möglicherweise nur auf ein Spiel bezogen. Durch den Zusammenschnitt wird aber eine Doppeldeutigkeit in Bezug auf die Situation der Araber in Israel erzeugt. Daraufhin folgen die ersten Sequenzen von einem Spiel, indem der Fanblock von Bnei Sakhnin gezeigt wird. Provokanter Weise durch die Einblendung singender Fans mit einem Fanbanner in der Mitte mit der Aufschrift: Welcome to hell. Weitere Bilder von den Platz betretenden Spielern kurz vor einem Spiel plus laut anfeuernden Fans vermitteln eine nahezu authentische Atmosphäre der Anspannung vor einem Match. Im Kamerablick durch eine Fantrommel wird der Titel eingeblendet: We too have no other land, eingebettet in die Bilder von jubelnden zumeist jungen Fans, nach einem Torerfolg des Teams. Atmosphärische Dichte, Gegensätze, pure Emotionen, starke Nähe der Kamera an den Menschen prägen die ersten Eindrücke und führen sich im weiteren Verlauf fort. Starke Nähe der Kamera mit individuellen Aufnahmen überwiegen gegenüber kurzen totalen Einstellungen, welche meist zur örtlichen Orientierung dienen. Zur thematischen Differenzierung und atmosphärischen Sensibilisierung, im 7

„Nothing, nothing, nothing, that’s what we have here.“

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Kontrast zu emotionaler Dichte des Stadions während eines Spiels, werden einzelne tiefe Interviews genutzt. Bei den nahen Porträtierungen sind aber keine losen Abfolgen oder lange Sequenzen prägend. Man kann eher eine bewusste Konstruktion durch Schnitte im Hergang der Bilder, teilweise auch in den Erzählungen einzelner Personen konstatieren. Ziemlich am Anfang erscheinen auch die beiden Filmmacher das erste Mal im Bild, und zwar vor dem Hintergrund der Stadionatmosphäre, um mit dem berühmten Fußballzitat von Bill Shankley scheinbar ein letztes Ausrufezeichen hinter die Thematik des Filmes und dessen Bedeutung zu setzen. So sagt Kessel zu Klochendler: „You know what it reminds me of? [...] Bill Shankely once said about soccer: ‘It’s not a matter of life and death it’s much more than that’.” Greifbar wird diese extremste Bedeutung des Spiels und des Clubs durch die im Verlauf folgenden Porträtierungen einzelner enthusiastischer Fans des Vereins und ihres Verhaltens auf der Tribüne: unwillkürliche Verfluchungen, vor Hoffen und Bangen verzerrte Gesichter und ihre Close-Ups gehören zum Empathie erzeugenden Bildmaterial, genauso wie ausgewählte Fokussierungen auf zitternde Hände, Nägelkauen, extatische Tänze während des Anfeuerns oder spontane Stoßgebete. Das sind, bis auf die starke religiöse Konnotation, auch in deutschen Stadien beobachtbare Szenen. In Interviews mit Anhängern und Clubvertretern erzählte Verbundenheit mit dem Verein unterstreichen selbige. Es wird der familiäre Charakter der Vereins und seiner Anhängerschaft betont, der Glaube an Gottes Willen bei der Hoffnung auf einen Sieg hervorgehoben, Niederlagen werden als Tests von Gott verstanden. Bei der Einführung der Schlüsselspielers Abbas Souan, der das Team zur Meisterschaft geführt hat und Leistungsträger in der Nationalmannschaft Israels ist, werden von Kochendler emphatische und bedeutungsschwangere Worte gewählt, welche aber im Folgenden durch die starke Polarisierung des Spielers seitens der eigenen und gegnerische Fans, sowie die Verwobenheit von Souan und seiner eigenen Familie im Nexus der problematischen Gesellschafts- und Besitzverhältnisse in Israel, Bestätigung finden. Ein gewisser journalistischer Populismus ist aber bei Kochendlers Worten nicht von der Hand zu weisen: „He is the captain of The-teamof-all-Minorities for a State-of-all-Citizens.“ Der Kontext dieser Vorstellung und angestellten Aussage Mazen Ghnaims, Präsident des Clubs: „Soccer opens many doors, changes attitudes”, führt zu einer Dramatisierung, aber auch zu der schon oben angedeuteten Leitfrage, die wieder rum von Kessel aus dem Off formuliert wird: 4

„What, can soccer beat poltics!“ Die Antwort Kochendlers folgt direkt und stellt eine Art Hypothese dar, die eine mögliche Intention des gesamten Films ausspricht: „I’m sure it can. Sakhnin may be political to the core but soccer changed its identity, killed its politics.” Diese wünschenswerte Lesart des Phänomens dieses Clubs, der unter seinem Wappen, Moslems, Juden, Christen und Ausländer vereint, und der arabischen Minderheit in Israel eine Identifikation bietet, wäre aber verkürzt. Es würde eine im Film zum Vorschein kommende Differenzierung von präsentem Schmerz, aufgrund von Verlusten bei der letzten Intifada im Jahr 2000 in Sakhnin, ausblenden, tradierte rassistische Ressentiments von anderen Fangruppierungen (exemplarisch dafür stehen im Film die Fans von Betar Jerusalem) nicht zu Kenntnis nehmen, und einem Ungerechtigkeitsempfinden in der Landverteilung nicht die nötige Bedeutung beimessen. Diese Facetten werden mit jeweiligen Bildern eindrucksvoll

untermalt.

Bilder

von

Gedenkprotesten

für

die

verstorbenen

Familienmitglieder, die Trauer um sie und Formen der Erinnerung, eine Hass erfüllte Atmosphäre im Stadion beim Spiel des Clubs gegen Betar Jerusalem mit gegenseitigen Beleidigungen seitens der Fans bis zum Rande des Erträglichen, sowie die Begleitung der Familie Souan zum Land des Vaters von Abbas Souan, das laut einer Besitzurkunde von 1927 sein Eigentum ist, welche aber seit 1948 keinen rechtlichen Bestand mehr hat. Wie tief Gräben und Unterschiede sind, wird im Fortgang immer deutlicher, zum Beispiel auch bei dem eindrucksvollen Versuch des Pressesprechers Mundar Haleileh, über die erlittenen historischen Grausamkeiten beider Religions-/Volksgruppen zu sprechen. Somit wird die Frage für den Verlauf des Films auch defensiver und vorsichtiger formuliert, und zwar ob der Club und sein Fußball diese Wunden überbrücken können. Die nähere Begleitung von Abdullah Ghnaim, betitelt als Bnei Sakhnins Fan Nummer Eins, bekommt in der Beantwortung dieser Frage eine metaphorische Bedeutung. Seine Identifizierung mit dem Verein ist so stark, dass er sogar die Bereitschaft zur Selbstaufgabe zu Gunsten des Clubs zeigt. Er baut selbst, scheinbar sogar freiwillig, am neuen Stadion mit, auf welches immer wieder Bezug genommen wird. Am Anfang nur mit Bildern und vereinzelt, dann immer konkreter und direkter mit Bildsequenzen und Gesprächen auf der Baustelle bis zum Aussäen des neuen Rasen. Der Vorgang bei der Anordnung der ‚Neues-Stadion’- Szenen im Gesamtaufbau, nicht zuletzt, wenn der Schnitt nach der Begleitung der Familie Souan zum ursprünglichen Grund und Boden ins neue Stadion erfolgt, macht klar, 5

was gemeint ist: Der Heimspiel-Platz als Kompensation für den verlorenen Heimatboden (und Identitätsersatz-Projektionsfläche). Zurück zu Abdullah Ghnaim: Er bezieht sehr viel Lebensenergie aus seiner Mitarbeit am Stadion, wobei natürlich kritisch zu hinterfragen wäre, wie viel eine Inszenierung für die Kamera ausmacht. Die Mitarbeit lässt ihn eine, nicht unbedingt intendierte, sondern primär Stolz ausdrückende, aber dennoch Wunden überbrückende Aussage machen: „it’ll be ready for the whole country to come!“. Ausdruck von Ambivalenz bis hin zu einer Art Antagonismus in Bezug zum gesellschaftlich integrativen Anteil des Vereins ist die kämpferisch, bis Weilen kriegerische Fußballphilosophie von Trainer Lachmann: „When someone fears u, it means you exist.“ Dies wiederum korrespondiert mit einem Gespräch unter Juden und Arabern in Bezug auf das Thema Angst (fear). Es würden sich weitere Motiv-Analogien zwischen dem gelebten Fußball und Gesellschaft angeben lassen. Getragen werden diese oft von einer starken Symbolik, beispielhaft ist dafür das Tragen der israelischen Flagge, von arabischen Fans während einiger Spiele, was für den westlichen Zuschauer befremdlich wirken kann. Dabei drückt sich wie so oft eine Doppelseitigkeit aus und man fragt sich als Zuschauer, welche wohl die stärkere ist: Wunsch nach Integration in Israel, gar Stolz, Teil zu sein aber auch Provokation. Letztendlich lassen diese Symboliken, Analogien, Ambivalenzen, Antagonismen oder Wechselwirkungen, mit denen der Film durchgängig arbeitet, auch zweiseitige Interpretationen in Bezug auf die Thematik und Ausgangsfrage zu. Es ermöglichen sich sowohl Argumente, die dafür sprechen, dass der Fußball und der Verein eine so starke integrative und identitätsstiftende Kraft haben, um eine Brücke zur Wunden Überwindung und Heilung zu kreieren. Es lassen sich aber ebenso Bilder als Argumente für das Gegenteil nennen. Ich neige zu einer Art Kompromissinterpretation des Dargestellten: Mittelfristig kann Akzeptanz und Integration über ‚den kleinen Ball’ erzeugt werden, denn er und das Milieu, für das er in Sakhnin steht, schaffen Selbstvertrauen und eine Art therapeutische Form der gesellschaftlichen Neu- Verwurzelung. Stichwort: eigenes Stadion als eigenes Land und Akzeptanz über Erfolg. Langfristig ist diese Brücke allerdings zu schwach, um alle Probleme lösen zu können, somit schlägt Fußball wohl kaum die Politik, wie zu Beginn des Films kommentierend gefragt. Es liegen nämlich auch durchaus Gefahren in der starken Emotionalisierung durch den Fußball 8 , denn es gibt nur Leitbilder von Gewinnern und Verlierern oder Feinden und Freunden, welche sich 8

Ein Anfeuerungsgesang lautet: Krieg! Krieg! Krieg!

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mitunter radikalisieren. Die hohe Symbolik in vielem kann so auch zu Hemmungen führen, dafür steht exemplarisch die Diskussion um Abbas Souan und seine Akzeptanz in der Nationalmannschaft. Somit kann der Fußball vielleicht helfen, Kommunikation zu etablieren. Gesamtgesellschaftlich müssen aber, um von wirklichen Lösungen reden zu können, andere Strategien entwickelt werden. Für die kann aber durchaus eine Basis geschaffen sein. Für die Vorgehensweise von Kessel und Kochendler in der Präsentation dieses Films und der verwendeten Methodiken liegt vielleicht sogar die gleiche Konklusion zu Grunde. Denn, indem sie den Film mit Wurood Miari, der Lehrerin vom Beginn enden lassen: „We too have no other land. If the ground can say that, so that both people can say: We have no other land” vollziehen sie einen künstlerisch-schönen Bogen, aber veranschaulichen gleichzeitig die faktische Notwendigkeit einer gemeinsamen Lösung und die Hoffnung darauf. Die Transparenz der beiden Filmemacher, sei es vor der Kamera oder aus dem Off trägt zwar zu einer einsehbaren Analyse ihrer Interaktion mit dem Feld bei, wirkt aber auf der anderen Seite in ihrer Konstruktion und Setzung im Gesamtfilm ebenfalls stark suggestiv. Es wird Dramatik erzeugt und verdeutlicht die benannte Illusionsmächtigkeit des Films, wirkt dadurch aber wiederum sehr kommunikativ, dynamisch und unterhaltsam. Insgesamt lässt sich sagen, dass sie ein differenziertes Bild der Thematik abliefern, sich aber klar identifizierbar zu einem Sprecher des Feldes auf Seiten der arabisch-israelischen Minderheit machen. Ich denke, dass dies nicht

negativ

zu

beurteilen

ist,

sondern

eher

zu

einer

fruchtbaren

Auseinandersetzung mit der Problematik beiträgt, da sie nicht polarisieren. Es erfüllt nur nicht den Anspruch einer wissenschaftlich ethnographischen Ganzheitlichkeit auf Seiten des gesellschaftlichen Kontexts, der eine jüdisch-israelische Position so gut wie unbeachtet lässt. Meiner Meinung nach ist dieser Anspruch sowieso zu nah an einem utopischen Ideal, und ich denke, dass Kessel und Kochendler sich als „Filmmacher, [der] versucht, durch seinen Film eine Beziehung zwischen Protagonisten und Zuschauer herzustellen und […] sich demzufolge in der Rolle eines Vermittlers“ 9 befinden und sehen. Ich denke We too have no other land ist ein gutes Beispiel für das, was Wossidlo mit „Ein kulturwissenschaftlicher Film ist […] immer ein Kompromiss zwischen einer Selbstinszenierung der Gefilmten und ihrer

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Wossidlo, Joachim: Dokumentarfilm als Prozess. In: Ballhaus (Hg.): Kulturwissenschaft, Film, Öffentlichkeit, Münster/New York/München/Berlin 2001, S.129.

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Fremddefinition durch den Filmmacher“ 10 meint. Denn gerade im politisch so sensiblen Israel ist sich wohl jede Partei bewusst über die Wirkmächtigkeit der Medien und der Anwesenheit einer Kamera. Kessler und Kochendler legen dies durch die Dopplung der Selbstinszenierung vor ihrer eigenen Kamera künstlerisch geschickt offen und umgehen damit einen wissenschaftlichen Dissens.

Der Film wurde im Rahmen des internationalen ethnographischen Filmfestivals in Göttingen am 04.05.2008 gezeigt. Unter der Überschrift „Intercultural Dialogue through football“ entsprach er als vierter und letzter Film dieser Kategorie am meisten dem, was der thematische Titel vorgab, und fügte sich in einem weit gefassten Sinne in den Kontext des Ethnographischen Filmfestivals. Als klassisch ethnographischer Film ist er aber sicherlich nicht zu bezeichnen. Im Gegensatz zu den drei vorhergehend gezeigten Filmen („The Unknown World champions - Football Manufacture in Pakistan“, „Zinedine Zidane: The Glory of Wrath“ und „Eating Football“), beleuchtet er aber wie oben erläutert, welche gesellschaftlichen Chancen im Sinne einer kulturell-politischen Überbrückung stecken – eines interkulturellen Dialogs. Die drei Filme zuvor waren entweder eine Werbung für „Fair Trade Handel“, eine kurze Reminiszenz an Zinedine Zidane, ohne besonders viele neue Sichtweisen oder das sicherlich interessante Portrait eines südafrikanischen Fußballspielers. Durch seine hauptsächliche Fokussierung auf die arabischisraelische Seite, zeigt er wohl mehr, welche Voraussetzung im Fußball für einen interkulturellen Dialog liegen und nicht primär, wie sich ein solcher vollzieht, höchstens dadurch, dass er Grenzen für ihn sichtbar macht. Dennoch zeugt die vielseitige und intensive Beleuchtung des Phänomens für einen breiten Überblick des Phänomens Bnei Sakhnin und liefert viel Interpretationsstoff. Das hat den Film im Rahmen des Festivals und seiner Kategorie zu einem sowohl unterhaltsamen als auch erkenntnisreichen Film gemacht. Ich finde, dass durch diese Symbiose von Unterhaltung und Erkenntnis, die „We too have no other land“ liefert, es wünschenswert wäre, weiterer Filme dieser Art auf kommenden ethnographischen Festivals sehen zu können.

Christian Schlüter

10

Ebenda S.130f

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