Wasser und Wind, Sonne

Wo der Nockalmkönig klettert Motor-Maut und skiliftfreie Hänge – kein Wunder, dass die Nockberge ein Paradies für Radsportler sind, neuerdings sogar m...
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Wo der Nockalmkönig klettert Motor-Maut und skiliftfreie Hänge – kein Wunder, dass die Nockberge ein Paradies für Radsportler sind, neuerdings sogar mit eigenem Radmarathon. Text & Fotografie Marco Felgenhauer

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asser und Wind, Sonne und Eis nagen Jahr für Jahr an Gestein, lösen weiche Schichten ab, sprengen harte Brocken aus dem Gebirge. Millionen Jahre ging das so in einer Region, die später als Gurktaler Alpen im österreichischen Kärnten bekannt werden sollte. Von der harten Bearbeitung durch die eiszeitlichen Gletscher größtenteils verschont, blieben charakteristische Hügel übrig, rund wie die berühmten Nockerl aus Salzburg. Mit sattem Grün von Wiesen und Wäldern bedeckt, hebt sich diese Landschaft klar von den scharfen, weiß-grauen Kanten des nördlich gelegenen Tauerngebirges ab und formt ein einzigartiges Naturreservat – die Nockberge. Geschwungene Hänge, Berge mit bis zu 2.400 Meter Höhe – ein ideales Skigebiet, möchte man meinen. Doch auch in dieser Hinsicht sind die Nockberge eine Beson-

Motorradfahrer, au­tos und busse zahlen eine nicht zu knapp bemessene maut – ein traum für radfahrer. 110

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derheit. Als man in den 1970er-Jahren versuchte, die Hochplateaus mit Skiliften zu erschließen, regte sich heftiger Widerstand in der Bevölkerung. Die Naturschutzbewegung gipfelte schließlich 1987 in der Errichtung des Nationalparks Nockberge. Skilifte, schon allein deren Planung, gehören seitdem in dem 184 Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Bad Kleinkirchheim, Krems, Radenthein und Reichenau der Vergangenheit an. Die einzige Attraktion für den Massentourismus sollte die Nockalmstraße werden. Diese Mautstraße führt über 35 Kilometer quer durch den Nationalpark und verbindet den Ort Ebene Reichenau an der Turracher Bundesstraße mit Innerkrems. Zwei steile Pässe sind auf dieser Strecke zu überwinden, beide knapp über 2.000 Meter hoch. Auf 52 Serpentinen verteilen sich die Anstiege und Abfahrten, die am Stück 1.000 Höhenmeter von Süden aus oder satte 1.500 Höhenmeter von Norden her überwinden. Ach ja – Motorradfahrer, Autos, Busse und sonstige verkehrstechnische Hindernisse zahlen eine nicht zu knapp bemessene Maut. Vierzehn Euro sind beispielsweise für einen einzelnen PKW fällig, dementsprechend dünn fällt auch das Verkehrsaufkommen aus. Ein wahrer Traum für Rennradfahrer.

Es ist also kein Wunder, dass sich das Marketing der hier ansässigen RadsportHotels schwer auf die Nockalmstraße konzentriert, selbst wenn sich die Auswahl an Routen durch den Nationalpark in Grenzen hält. Anfahrt von Süden, Anfahrt von Norden, dazu noch ein paar Varianten, wie sich die 35 Kilometer der Mautstraße vorher oder nachher verlängern lassen, mehr ist leider nicht drin. Seit 2009 organisiert nun der Radclub Feld am See einen eigenen Radmarathon mit der Nockalmstraße als Hauptattraktion und Scharfrichter. Der Ehrlichkeit halber muss man jedoch erwähnen, dass die Rennpremiere über die wunderschöne Hochstraße auf die diesjährige Saison verschoben werden musste. Gleich im ersten Jahr bewies das Wetter, dass man es eben doch mit einem Hochgebirge zu tun hat, und servierte den Veranstaltern Ende Mai eine frische Schneedecke auf beiden Pässen. Spontan wurde das Rennen damals auf eine flachere und kürzere Runde umgeleitet, die inzwischen als „Runde B“ oder auch Seenrunde mit im Programm ist. Aber natürlich liegt das Hauptaugenmerk auf der langen „Runde A“, mit 106 Kilometern und etwas über 2.000 Höhen-

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Von Norden her sind es nur 500 Höhenmeter bis auf die Schiestlscharte, der allerdings die 2.042 Meter hohe Eisentalhöhe vorangeht.

Der Radmarathon beginnt mit dem etwas kleineren Anstieg. Trotzdem wird hier das Feld schon gut sortiert.

metern nicht gerade furchteinflößend, aber dennoch nicht zu unterschätzen. Nach unserer Ankunft im Lindenhof in Feld am See rät uns Chef Hannes Nindler deshalb zu einer Besichtigungstour auf die Nockalmstraße. In Fahrtrichtung des Rennens, also von der Südseite aus Bad Kleinkirchheim kommend, scheint der erste

Anstieg ja nicht allzu schwierig zu sein. Auf ziemlich genau 1.000 Metern liegt die Turracher Bundesstraße, bleiben also noch einmal so viele Höhenmeter bis zur Passhöhe auf der Schiestlscharte. Bei zehn Kilometer Länge bleiben ziemlich genau zehn Prozent Steigung, die sich recht gleichmäßig auf die Straße verteilen, von

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wenigen zwölfprozentigen Abschnitten abgesehen. Das klingt – so gesehen – plötzlich nicht mehr ganz so einfach. Gleich die ersten Meter sind erschreckend gerade und nach dem angenehmen Rollen entlang der Bundesstraße ohne Vorwarnung gleich richtig steil. Man fährt durch dichten Wald, der sich auch auf den Serpentinen nach der Mautstation kaum lichtet. An einem sonnigen Tag wären wir wohl froh gewesen über den kühlen Schatten, doch das Wetter präsentiert sich gefährlich nahe an der Schneefallgrenze. Schon wieder! Zwischen zehn und sieben Grad werden unsere Tachos an diesem Tag noch messen, das Ganze bei Nebel und Nieselregen, der nur von richtig heftigen Regenschauern unterbrochen wird. Zumindest an der Strecke gibt es nichts zu meckern. Unsere – zum Glück kaum anwesenden – motorisierten Freunde scheinen genug Geld in die Nockalmstraße zu investieren, dass selbst auf den höchstgelegenen Abschnitten keine Schäden an der Teerdecke auszumachen sind. Abgese-

Der flache Start entlang der Turracher Bundesstraße lädt zu manch sinnloser Attacke ein.

Philip Götsch vom Team Roadbike Holidays war als erster auf der Schiestlscharte und sicherte sich so den Titel des Nockalmkönigs.

hen von den Weiderosten, insgesamt zwölf an der Zahl, rollt es richtig gut – soweit man davon bei dieser Steigung sprechen kann. 300 Höhenmeter vor dem Pass lichtet sich dann der Wald endgültig und würde den Blick auf die markant rundlichen Berge freigeben, würden die sich nicht im endlosen Grau verstecken. Nach der Scharte folgt eine aberwitzige Abfahrt, die uns klarmacht, dass schon bei minimal rutschigen Verhältnissen ein Rennen auf dieser Straße zum Roulettespiel verkommen würde. Kaum zu glauben, wie schnell die 500 Höhenmeter vorbeigehen. Mindestens ebenso abrupt dann der Wechsel von der Abfahrt in den zweiten Anstieg. Auf Höhe der Grundalm gibt es quasi kein Flachstück; man glaubt fast schon, die Kompression zu spüren, ehe es dann wieder ansteigt zur Eisentalhöhe. Wieder zehn Prozent steil, fünf Kilometer lang, zurück auf 2.042 Meter Meereshöhe. Für unsere Besichtigung ließen wir es aber schon nach wenigen Metern gut sein, stiegen ins Auto und fuhren heim. Abgesehen



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vom prasselnden Regen war uns hier bereits klar, dass die Entscheidung des Rennens entweder hier fällt oder bereits am ersten Anstieg gefallen sein wird. Wer vorne sein will, sollte also hellwach in Bad Kleinkirchheim am Start stehen. Philip Götsch vom Team Roadbike Holidays schaffte das am Renntag anscheinend am besten. Bereits am ersten Anstieg fuhr er eineinhalb Minuten auf eine vierköpfige Verfolgergruppe heraus, in der zudem noch Teamkamerad Hans-Peter Obwaller vertreten war. Mit den nassen Abfahrten zwischen den Anstiegen und hinunter Richtung Gmünd kam dann aber Andreas Traxl etwas besser zurecht, und so waren bald zwei Mann in Führung entlang des Millstätter Sees. Auf diesen 40 flachen oder abschüssigen Kilometern passierte dann auch relativ wenig; auch der langgezogene Schlussanstieg hinter Radenthein brachte noch keine Entscheidung. Erst im

Die drei-länder-tour führt zuerst nach süden ins italienische Tarviso. danach steht sloWenien auf dem Programm. 114

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Aus der vierköpfigen Verfolgergruppe konnte nur Andreas Traxl (hier an zweiter Position) zu Philip Götsch aufschließen.

Wenn das Wetter mitspielt, gehört der erfrischende Sprung in den See zu jeder Radtour durch die Nockberge.

Schlusssprint zog Anreas Traxl an Philip Götsch vorbei, der sich jedoch schon den Titel des Nockalmkönigs gesichert hatte. So gab es also zwei Sieger an diesem verregneten, doch glücklicherweise schneefreien Rennsonntag. Genauso einträchtig teilten sich auch die Damen das Klasse-

ment auf: Karin Gruber durfte als erste die Schiestlscharte überqueren, Lisa Pleyer holte sich mit einer halben Minute Vorsprung den Sieg nach 106 Kilometern. Unsere Prognose war damit also nicht ganz zutreffend – als rennentscheidend erwies sich die Nockalmstraße allemal.

Nun sollte aber keinesfalls der Eindruck entstehen, rund um die Nockberge gäbe es nur die Nockalmstraße. Zurück im Hotel und zurück vom wärmenden Saunabesuch, widmeten wir uns gemeinsam mit Hotelchef Hannes dem dicken Ordner mit Tourenvorschlägen. Hätten wir etwas mehr Zeit mitgebracht, wäre eine der „Pflichtstrecken“ sicherlich die Drei-Länder-Tour. Die Route führt nach Süden, also erst einmal gemächlich bergab nach Villach, dann wieder leicht ansteigend bis ins italienische Tarvisio. Als drittes Land steht dann Slowenien auf dem Programm. In Richtung des bekannten Skiortes Kranjska Gora folgt die einzige Schwierigkeit hinauf auf 1000 Meter Höhe, bevor man in einer rasanten Abfahrt wieder österreichischen Boden erreicht. Über Villach kehrt man wieder zurück nach Feld am See und hat 126 Kilometer und etwas über 1700 Höhenmeter absolviert Auf der Heimfahrt passiert man dann den Ossiacher See, der Teil einer schönen Runde zum Einrollen sein könnte. Gemeinsam mit Brennsee, Afritzer See und dem bekannten Wörthersee entsteht so die vier Seen-Runde mit 115 Kilometern und

Gegen Ende des Rennens hatte der Regen zwar aufgehört, nass blieb es aber bis zum Schluss.

1210 Höhenmetern. Leichter geht es kaum im hügeligen Kärnten. Ausgehend von diesen Basis-Routen sind zahlreiche Kombinationen und Erweiterungen möglich, mit steilen Pässen und zusätzlichen Kilometern rund um die vielen Seen. Fürs abschließende Fotoshooting tags darauf entschieden wir uns jedoch für die nähere Umgebung von Feld am See. Der Sonnenschein, der sich urplötzlich vor uns auftat, erschien uns etwas zu fragil, um eine längere Fahrt zu riskieren. Dafür bekamen wir aber auch Kärnten von seiner schönsten Seite geboten. Während der Nacht hatte es in den Bergen doch tatsächlich etwas Neuschnee gegeben, und so präsentierten sich die schroffen Gipfel schneeweiß, währen die Nockberge darunter grün leuchteten. Das farbliche i-Tüpfelchen setzte schließlich der Feldsee, der in schönstem Blau den Himmel widerspiegelte. Eigentlich war es viel zu schön, um schon wenige Stunden später den Heimweg anzutreten. Zwar hatte sich der Himmel inzwischen wieder zugezogen, doch wir haben Blut geleckt und hätten doch ganz gerne die Nockalmstraße bei Sonnenschein und Fernsicht befahren. Dieses

Erlebnis haben wir nun einfach auf nächstes Jahr verschoben, wenn beim 3. Kärnten Radmarathon die Sonne über uns lachen wird. Irgendwann müssen die Jungs ja mal Glück haben mit dem Wetter.

Infos Kärnten Landhotel Lindenhof Hannes Nindler Dorfstraße 8, A-9544 Feld am See Tel.: 0043 4246 2274 www.landhotel-lindenhof.at Weitere spezialisierte Betriebe Harmony‘s Kärntnerhof, www.harmonys.at Brennseehof, www.brennseehof.com Infos zu weiteren Regionen & Hotels www.roadbike-holidays.com Nockberge Tourismus Marketing GmbH Dorfstraße 30, A-9546 Bad Kleinkirchheim Tel.: 0043 4240 20600 www.nockberge.at Kärnten Radmarathon Tel.: 0043 699 14145104 [email protected] www.kaernten-radmarathon.at Nächster Termin: 29. Mai 2011



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