Was wir (nicht) wissen. Explorationen auf unsicherem Terrain

Institut für Gerontologie an der TU Dortmund Was wir (nicht) wissen. Explorationen auf unsicherem Terrain Dr. Elke Olbermann Interdisziplinäre Veran...
Author: Paula Schubert
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Institut für Gerontologie an der TU Dortmund

Was wir (nicht) wissen. Explorationen auf unsicherem Terrain Dr. Elke Olbermann

Interdisziplinäre Veranstaltung „Alter und Flucht“, DGGG-Kongress „Leben und Altern – Funktionalität und Qualität“ 07. - 10. September 2016, Stuttgart

Institut für Gerontologie an der TU Dortmund

Inhalt  Ältere Geflüchtete in Deutschland  Lebenslagen älterer Geflüchteter  Internationaler Forschungsstand „Alter und Flucht“    

Relativität des Integrationsbegriff Gesundheit Status und Rolle der Älteren in community und Familie Konzeptioneller Rahmen

 Fazit und Ausblick 2

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 Ältere Geflüchtete in Deutschland

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Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016). Das Bundesamt in Zahlen 2015. Asyl. Nürnberg. 4S.17

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Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016). Das Bundesamt in Zahlen 2015. Asyl. Nürnberg. S.18

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 Lebenslage älterer Geflüchteter

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Lebenslage älterer Geflüchteter  Thema Alter und Flucht hat in der deutschen Forschung bislang kaum Beachtung gefunden!  Über die aktuelle Situation älterer Geflüchteter ist fast nichts bekannt!

 Erste Einschätzungen basieren auf Beobachtungen und Erfahrungen von Einrichtungen und Initiativen, die in der Unterstützung und Betreuung von Geflüchteten aktiv sind und aus vereinzelten Interviews und Fallbeschreibungen 7

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Lebenslage älterer Geflüchteter: erste Einschätzungen 

Flucht überwiegend zusammen mit Familienangehörigen



Unterbringungen eher selten über längere Zeit in Sammelunterkünften, primär in Privatwohnungen



Formaler Bildungsstand ist eher gering, wobei es allerdings auch Unterschiede gibt



dankbar und froh in Deutschland zu sein



Verlust der Heimat und die Trennung von Familienangehörigen besonders schmerzhaft und belastend



Gesundheitszustand ist häufig schlecht, während gleichzeitig die Inanspruchnahme von gesundheitlicher und pflegereicher Versorgung erheblich eingeschränkt ist.



Sind nur schwer in der Lage sind, sich in der fremden Kultur und Umgebung zurecht zu finden und den Erfordernissen des Asylverfahrens zu entsprechen.



Ältere Geflüchtete haben aber auch Potenziale und Kompetenzen und wollen nicht auf die Opferrolle und die der Hilfeempfangenden reduziert werden. Der Wunsch und die Bereitschaft sich in das neue Umfeld einzubringen sind offenbar groß, aber neben fehlenden Gelegenheitsstrukturen fehlt ihnen oft die Energie und die Kraft dazu. 8

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Lebenslage älterer Geflüchteter  laut EU-Aufnahmerichtlinie gehören ältere Menschen zu den „besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen“  jedoch gegenwärtig wenig Auswirkungen

 Spezielle Beratungs- und Fördermöglichkeiten für ältere Flüchtlinge gibt es in der Regel nicht

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 Internationaler Forschungsstand „Alter und Flucht“

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Internationaler Forschungsstand „Alter und Flucht“  Studien in verschiedenen Ländern haben sich vor allem mit der Frage befasst, welche zentralen Merkmale und Einflussfaktoren das Leben älterer Menschen im Exil prägen (Atwell et al. 2007, Hatzidimitriadou 2010, Knapp & Kremla 2002, Kremla 2003, Marshall et al, 2005, Scott & Bolzman 2002, Zagozen 2004).  Allerdings stammen die meisten aus den Jahren zwischen 2000 und 2011 Aktuelle Untersuchungen gibt es kaum.

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Internationaler Forschungsstand „Alter und Flucht“: Ausgewählte Ergebnisse 

Relativität des Integrationsbegriffs: Ein vollständiger Erwerb einer Zweitsprache und die Aufnahme einer regulären Beschäftigung sind für ältere Geflüchtete i.d.R. nicht realisierbar. Damit wird die Begrenztheit des herkömmlichen, bei Sprache und Arbeit ansetzenden Integrationsbegriffs deutlich.



Besondere gesundheitliche Belastungen erfordern spezifische Versorgungsangebote (unter Berücksichtigung psycho-sozialer Aspekte, traumatisierende Erfahrungen)



Der Status der Älteren und die familiären Rollen können sich im Exil verändern. Dies verweist auf Risiken (infolge von Status- und Rollenverlusten) aber auch auf Entwicklungsperspektiven und Gestaltungserfordernisse (neue Aufgaben, Rollenangebote und Betätigungsmöglichkeiten) 12

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Internationaler Forschungsstand „Alter und Flucht“: Konzeptioneller Rahmen Konzept der komplexen Unsicherheit 

Das von dem Wiener Soziologen Christof Reinprecht (2006) entwickelte Konzept der komplexen Unsicherheit betont die Bedeutung der Erfahrung von Instabilität und Unsicherheit, Ungewissheit und Schutzlosigkeit im Altersübergang.



Der Ausdruck komplexe Unsicherheit bezieht sich dabei auf das Zusammentreffen verschiedener Dimensionen von Unsicherheit.



Die Gleichzeitigkeit von Ungesichertheit, Ungewissheit und Ungeschütztheit umreißt den Erfahrungs- und Handlungsspielraum von MigrantInnen im Alter in besonderer Weise.



Das Gemenge aus Unsicherheit und Uneindeutigkeit erhöht das Risiko von Gestaltungsverlusten: Neuorientierung im Alter erfolgt unter restriktiven Bedingungen. 13

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Konzept der komplexen Unsicherheit Ungesichertheit

Ungeschütztheit

Ungewissheit Meint die Ebene der rechtlichen, sozialen und materiellen Sicherheit

Bezieht sich auf die Antizipierbarkeit von Verhalten und Erwartungen

Berührt die Ausgesetztheit gegenüber sozialökologischen Gefährdungen wie Rassismus

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© eigene Darstellung, vgl. Reinprecht (2006)

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„Alter und Flucht“: Konzeptioneller Rahmen - eine Erweiterungsperspektive 

Flucht → erzwungene Migration, die nicht nur mit Unsicherheiten, sondern in vielerlei Hinsicht auch mit Verlusten verbunden ist (Geflüchtete haben i.d.R. ihr gesamtes Hab und Gut, ihre Arbeit, ihre Heimat, ihre vertraute Umgebung und ihr soziales Umfeld und häufig sogar Familienangehörige und enge Bezugspersonen verloren)



Erfordert erweiterte Konzeptualisierung von Flucht im Alter

Kumulation von migrations- und altersbedingten Unsicherheiten und Verlusten 15

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 Fazit und Ausblick

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Literatur: 

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Atwell, R, Correa-Velez, I. & Gifford, S.(2007). Ageing Out of Place: Health and Well-Being Needs and Access to Home and Aged Care Services for Recently Arrived Older Refugees in Melbourne, Australia. International Journal of Migration, Health and Social Care, 3, 4-14. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016). Das Bundesamt in Zahlen 2015. Asyl. Nürnberg. Hatzidimitriadou, Eleni (2010). Migration and Ageing: Settlement Experiences and Emerging Care Needs of Older Refugees in Developed Countries. Hellenic Journal of Psychology,7,1-20. Knapp, Anni & Kremla, Marion (2002). Older Refugees in Europe. Survey Results and Key Approaches. Wien: Asylkoordination, London: ECRE Kremla, Marion (2003). Ältere Flüchtlinge im Abseits. Wien: Asylkoordination Marshall, G. et al (2005). Mental Health of Cambodian Refugees 2 Decades After Resettlement in the United States. JAMA, 5, 571-579. Zagozen, I. (2004). Old Asylum Seekers. Kakovostna starost, 4, S. 17 - 23 Scott, Helena & Bolzman, Claudio (2002). Age in Exile: Europe´s older refugees and exiles. In Bloch, Alice & Levy, Carl (Hrsg.), Refugees, Citizenship and Social Policy in Europe (S. 168-186). London. UN High Commissioner for Refugees (UNHCR) (2000). UNHCR's Policy on Older Refugees. URL: http://www.refworld.org/docid/47036b502.html (Stand: 03.08.2016). Vereinte Nationen (2002). Kein Sicherheitsnetz für ältere Migranten und Flüchtlinge. Bonn. Zemann, Peter & Kalisch, Dominik (2008). Die Situation älterer Flüchtlinge – Belastungen und Potenziale. informationsdienst altersfragen, 4 (35), 2-6. Reinprecht, Christoph (2006): Nach der Gastarbeit. Prekäres Altern in der Einwanderungsgesellschaft. Wien. Rehman, Cedric (2016). Alte Flüchtlinge in Stuttgart. Das Ende in der Fremde. Stuttgarter Zeitung vom 15. Februar 2016. 17

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Kontakt: Dr. Elke Olbermann Forschungsgesellschaft für Gerontologie e.V./ Institut für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund Evinger Platz 13 44339 Dortmund Tel: 0231 728 488 29 Fax: 0231 728 488 55 E-mail: [email protected] URL: http://www.ffg.uni-dortmund.de 18