Was kann die Forensische Psychiatrie und was kann sie nicht

Was kann die Forensische Psychiatrie und was kann sie nicht nic 22. Forensische Tagung, 4.12.2015, Justizpalast Wien Sigrun Roßmanith Forensische Ps...
Author: Erna Rosenberg
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Was kann die Forensische Psychiatrie und was kann sie nicht nic 22. Forensische Tagung, 4.12.2015, Justizpalast Wien Sigrun Roßmanith

Forensische Psychiatrie ist ein Spezialgebiet der Psychiatrie, das sich mit allen Fragen im Überschneidungsbereich von Recht und Psychiatrie beschäftigt. Forensische Psychiatrie und klinische Psychiatrie weisen Spannungsaspekte auf Forensische Psychiatrie stellt ein „Schaufenster“ in die Psychiatrie dar

Psychisch Kranke, die straffällig geworden sind, zu identifizieren. In Einklang mit dem Recht, das sich zunehmend seit der Aufklärung humanistischen Prinzipien verpflichtet fühlte, einer anderen als ausschließlich der strafrechtlichen Behandlung zuzuführen

Forensische Psychiater, die als Gutachter vor Gerichten auftreten oder Prognosen zur kriminellen Rückfälligkeit abgeben, haben ihre Rolle als Ärzte und die medizinische Ethik aufgegeben. Es fehlen ihnen Richtlinien, was richtig und was falsch ist und sie tragen als Doppelagenten dazu bei, die von ihnen Betreuten zu stigmatisieren und wegzusperren.

Die traditionelle medizinische Ethik gelte für forensische Psychiater nicht, da diese „keine richtigen“ Arzt Patienten Beziehungen eingehen und nicht wirklich Medizin praktizierten. Vielmehr sollten sie eine eigenständige Ethik entwickeln, deren Grundlage "Wahrhaftigkeit" ist.

Wohl sollten die ethischen Prinzipien der gutachterlichen Tätigkeit transparent und dauerhaft sein Auch im Umgang miteinander-in foro-sollten Diskussionen fachlich gehalten, frei von Globalentwertungen anderer Meinungen sein

"Der amerikanische forensische Psychiater des 21. Jahrhunderts hat seine Profession neu erfunden. Er ist zum Sucher der Wahrheit geworden und kein Arzt. … Es ist der Preis, den die forensische Psychiatrie für die Rolle als Wahrheitsfinder zahlen muss. Stone A: The Journal of Forensic Psychiatry (2002),13, p.487

Forensische Psychiater bewegen sich zwischen Psychiatrie und Justiz. Sie sind in ihrer Begutachtungsfunktion sachkundige Gehilfen Sie sind Grenzgänger und Brückenbauer Sie bekommen die Funktion des „Sprachrohrs“, des „Übersetzers“

Psychiater haben immer wieder den Eindruck erweckt, jedes menschliche Verhalten verstehbar ( und damit verzeihbar ?, ANM) zu machen. Dadurch wurden Omnipotenzansprüche geltend gemacht. Es kam zu Befürchtungen, dass es zu einer „Aufweichung“ des Strafrechts kommen könnte durch „Richter in Weiß“ (Rasch 1989) .

Das Motiv spielt auf der Rechtsebene keine Rolle. Psychiater (haben) sicher kein überlegenes Wissen darüber, ob ein Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt das Unrecht seines Handelns erkannt hat, sie können lediglich besser als andere die Frage beantworten, ob dieser Mensch an einer Krankheit oder Symptomatik leidet, die üblicherweise die Unrechtseinsicht beeinträchtigt“. Nedopil 2003

Kausalitätsvermutungen, dass strafbares Verhalten generell durch neurobiologische Defizite verursacht sei. Kritik am Konzept des freien Willens, These, dass alles menschliche Verhalten neurobiologisch determiniert sei.

Der forensische Psychiater arbeitet in einem Konfliktfeld, in welchem der Interessensstreit zum Haupttenor gehört. Er steht auch im Blickpunkt der Sensationsgier der Öffentlichkeit

Die beauftragten Gutachten werden meist mit dem Zeitdruck ausgestattet, unter dem die Justiz selbst steht, sollten innerhalb kürzester Zeit erstattet werden nicht zu ausführlich sein überschaubar , EINDEUTIG und nicht widerlegbar klar strukturiert sein und ! Eine umfassende Zusammenfassung enthalten

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach im Jahr 2001 vom „Kartell Kartell der Gutachter“, Gutachter“ das die Sicherheit der Allgemeinheit gefährde: Gefährliche Straftäter würden trotz Begutachtungen entlassen oder aus der Sicherheitsverwahrung entweichen würden

Wenn forensischen Psychiatern Fragen gestellt werden, die sie aufgrund ihres empirischen Wissens nicht beantworten können ! Fragen nach der Kriminalprognose, wo zu beantworten ist, ob von einem Untergebrachten "keine Gefahr mehr zu erwarten ist, um ihn zu entlassen, oder wenn Rückfallprognosen von Menschen abgeben sollen, die nicht psychisch krank sind

exakte Angaben zu machen über zukünftige Gefährlichkeit zahlenmäßige und inhaltliche Präzisierung von Taten Beurteilung des allgemeinen Verhaltens von Menschen in der Zukunft

Geht’s gut, sind alle stolz, geht’s schief wars niemand Oh DOCH Der Gutachter

Manchmal macht es den Anschein, als wenn forensische Psychiater bebe-urteilen sollten !

Mit welchen Maßnahmen nach welcher Zeit bedingt entlassbar, rehabilitierbar oder arbeitsfähig, Strafvollzugstauglich, Verhandlungsfähig sein, Suizid begehen oder doch inhaftierbar sein ohne Gesundheitsschädigung ua. gehören zum Alltag forensischer Psychiater.

Leidet die Zeugin durch die Nichterfüllung der Erwartung, mit dem Angeklagten in eine Liebesbeziehung einzutreten, an einer Persönlichkeitsstörung, die bewirkt, dass sie diesen Tathandlungen vorwirft, die sie freiwillig begangen hat und dies aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung so darstellt, als wäre es unter Zwang passiert ?????

Es sollen verlässliche Aussagen von an sich unwägbaren Faktoren der Zukunft erfolgen. Diese Forderung ist an sich unerfüllbar. Es entspricht der Naturwissenschaft, dass Wahrscheinlichkeitsangaben gemacht werden. Die Psyche sollte messbar, operationalisierbar exakt kalkulierbar und wenn möglich prozentual aufschlüsselbar sein. Prognoseinstrumente, Skalen, Ratings und Tests verbessern nur zusätzlich zur psychiatrisch klinischen Untersuchung die Beurteilungsqualität

In Verhandlungen spiegelt sich der Präzisierungsdruck in „Kreuzverhören“ wider und in Unzufriedenheiten bei allen Beteiligten. Andererseits hat jeder Untersuchte Anrecht auf wissenschaftlich begründetes Gutachten, das sogfältig Kriterienorientiert verfasst ist. Nicht nur die Öffentlichkeit verlangt die exakte Begründung für die Expertise von forensischen Psychiatern. Immerhin werden über 90% der forensisch psychiatrischen Beurteilungen von Gerichten übernommen.

Wer wird wann, unter welchen Umständen, mit welchem Delikt rückfällig? Und wie können wir es verhindern ? Nedopil 2003 b

Im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 Abs 1 oder Abs2 StGB wird weiters um Erstattung einer Gefährlichkeitsprognose ersucht, wobei konkret der Grad der Wahrscheinlichkeit und konkrete Prognosetaten, insbesondere welche Tat mit schweren Folgen durch dem Beschuldigten zu befürchten sind, anzuführen sind !

Statistische Methode: Beurteilung des „Basisrisiko“ auf dem sich die individuelle Einzelfallbeurteilung aufbaut. Intuitive Prognose: Beurteilung als gefühlsmäßige Erfassung, keine methodische Vorgehensweise, „Prophezeiung“ (Dahle, 2000).

Klinische Prognose:

Beurteilung auf Basis einer „Kriterienorientierten strukturierten Risikokalkulation (Dittmann, 2000).

Prognosebegutachtungen expandieren ungemein stark. Es gibt seit Jahren einen stetig steigenden Wissenszuwachs bezüglich der Risikofaktoren für selbstselbst-und fremdgefährdendes Verhalten.

Exakte Vorhersagen menschlichen Verhaltens sind mit keiner Methode möglich !

Mehr Bewusstsein wäre nötig, dass verschiedene Äußerungen / Stellungnahmen implizite prognostische Einschätzungen sind ! Eher 2012

= Irrfahrt kleiner Teilchen Aufgrund der prognostischen Einschätzung der GutachterInnen wird etwas in Bewegung gesetzt, das gleichzeitig die Grundlage der Einschätzung wiederum verändert

Sie stellen zum Zeitpunkt X eine besonders negative Prognose Dies führt zu einer Reihe von intensiven Kontroll- und Behandlungsmaßnahmen Das negative Ereignis tritt nicht ein Sie wissen nicht, ob die Prognose falsch war oder die Maßnahmen so wirksam waren

Sie stellen zum Zeitpunkt X eine günstige Prognose Sie empfehlen Weisungen Das negative Ereignis tritt ein Sie wissen nicht, ob die Prognose falsch war oder die Weisungen nicht angewandt wurden

Ein Einzelereignis kann für die Zukunft von forensischen Psychiatern nicht vorhergesagt werden Die Richtigkeit der Prognose hängt nicht vom Rückfall oder Nicht-Rückfall des Individuums ab.

Wenn wir forensischen Psychiater etwas vorhersagen zu können, sich die kritische Frage, ob wir recht haben mit unserer Prognose

behaupten, dann stellt denn auch ????

Insbesondere dann, wenn schwerwiegende Entscheidungen Zusammenhang stehen

damit in

Vorhersage eines Einzelereignisses ist per definitionem falsch und somit eine falsche Prognose unabhängig vom Eintritt oder Nicht-Eintritt des Ereignisses

…..Wir

können nur über die Analyse der Einzelzusammenhänge zwischen den Risikomerkmalen und dem zu untersuchenden Ereignis eine Aussage treffen (Eher 2012)

Humanwissenschaftler können Risikofaktoren nur empirisch erfassen. Die Individualprognose ist mit großen Unsicherheiten verbunden, um Kriterien der Naturwissenschaften zu genügen Monahan, Monahan, 1981

Es gibt nur Wahrscheinlichkeitsangaben Für äquivalente selbstselbst-und fremdaggressive Handlungen. Bei Unterbringung, Einweisung und Maßregelvollzug geht es nicht ausschließlich um Risikoeinschätzung, SONDERN um Risikoreduktion und management. management.

Psychiater können keine Prognosen abgeben •

wenn sie keine empirischen Prognosekriterien haben



Wenn sie nicht genau wissen, was vorhergesagt werden soll



für unbekannte oder nicht definierte Lebensbedingungen



für unbegrenzte Zeiträume



Wenn sie nicht in der Lage sind, Hypothesen gefahrlos zu überprüfen

Diskussionen unter Forensikern sollten in foro und in der medialen Öffentlichkeit sachlich bleiben ! Ein andere fachliche Meinung braucht nicht mit der entwertenden„Vernichtung“des Vorgutachtens einhergehen, sondern sollte sich an Kriterien und Anknüfungstatsachen orientieren, die verständlich und klar artikuliert werden. Die Beweiswürdigung obliegt dem Gericht !!

Abbildung und Diskussion risikorelevanter Merkmale des Individuums Risikorelevant sind Merkmale dann, wenn sie in Zusammenhang mit Ereignissen stehen, deren Auftreten wir mit „Risiko“ in Zusammenhang stehend definieren (z.B. „Rückfall“, etc.)

Das Nein das ich endlich sagen will ist hundertmal gedacht still formuliert nie ausgesprochen. Es brennt mir im Magen nimmt mir den Atem wird zwischen meinen Zähnen zermalmt und verlässt als freundliches Ja meinen Mund

Am liebsten erinnere ich mich an die Zukunft Salvador Dali 19041904-1989

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