Ign. Imp., Seibel - Jesus

30.10.2008

13:33 Uhr

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Leseprobe:

Vitus Seibel (Hg.)

Was bedeutet Dir Jesus Christus? 85 Jesuiten geben eine persönliche Antwort

echter

Ign. Imp., Seibel - Jesus - 2. Aufl. 2009

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Zur Einführung Den Anstoß für dieses Buch bekam ich durch einen Ausspruch von Pater Pedro Arrupe (1907–1991), dem früheren Generaloberen des Jesuitenordens. Ein Journalist hatte ihn gefragt: »Pater Arrupe, was ist für Sie das Wichtigste?« Er antwortete: »Jesus Christus.« Der Journalist: »Was bedeutet er Ihnen?« Arrupe: »Alles!« Die spontane Antwort Pater Arrupes hat mich seither nicht mehr losgelassen. Ich dachte mir: Wie wäre es, wenn ich meine Mitbrüder nach der Kurzformel ihres Glaubens frage: »Was bedeutet Dir Jesus Christus?« Dieses Buch ist das Ergebnis. Hier finden Sie Beiträge von 85 Jesuiten unterschiedlichen Alters, die fast ausschließlich der »Deutschen Provinz der Jesuiten« angehören. Am Ende der alphabetisch geordneten Beiträge sind sie mit ihrem Namen, dem Wohnort und ihrem Geburtsjahr genannt. Manchmal schätzt man die Jesuiten als kühl, nüchtern, sachlich distanziert, intellektuell ein – hier finden Sie persönliche Glaubenszeugnisse. Jesuiten lassen ihr Herz sprechen! Es sind kleine Liebesgeschichten. Man merkt geradezu, wie sie den Schreibern kostbar sind. Immer wieder greift die Kurzformel auch auf Bibelworte zurück, oft festgehalten in einem Spruch zu den Gelübden oder zur Priesterweihe. Natürlich sind Kurzformeln fragmentarisch. Vieles, was wichtig und beglückend ist, kann so knapp nicht ausgeführt werden. Wenn die Lesenden hie und da Aussagen vermissen, die nach ihrem Verständnis unabdingbar sind, mögen sie dies berücksichtigen. Oft sprechen die Texte von Bildern, vom Schauen und vom Betrachten. Das entspricht den Exerzitien des 5

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Ordensgründers Ignatius von Loyola. Ignatius lädt immer wieder dazu ein, beim Beten die Vorstellungskraft einzusetzen und sich Jesus Christus vor Augen zu führen. Denn Jesus Christus »ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes« (Kol 1,15). Wer ihn sieht, sieht den Vater (vgl. Joh 14,9). Auch Reifungsprozesse und Entwicklungslinien werden sichtbar. Sie greifen auf, was schon Ignatius in seiner Autobiographie, dem »Pilgerbericht«, mitteilen wollte, nämlich »wie der Herr ihn geführt hat«. Schlüsselbotschaften durchziehen die Texte und bekommen in verschiedenen Lebensphasen unterschiedliche Färbungen. Die Autoren empfinden sie meist als hilfreich und bereichernd für ihren Versuch der Nachfolge. Und sie geben der Hoffnung Ausdruck, dass Gott noch nicht am Ende ist mit ihnen. Oft berichten sie von Gefährdungen, von Wankelmut, von widersprüchlichem Verhalten und von Versagen – bei aller Bereitschaft, im Lebensskript eine großherzige Antwort auf die zuvorkommende Liebe Jesu Christi zu finden, der bereit war, ans Kreuz zu gehen. Spürbar ist die Ergriffenheit, einer Liebe zu begegnen, die einen langen Atem hat, die nicht aufrechnet, sondern großzügig ist, langmütig, überwältigend. Von Gott her in Jesus Christus unverbrüchlich geliebt zu sein ist in fast allen Beiträgen zu spüren und das Staunen darüber, dass er Freundschaft anbietet und einlädt zur Gefährtenschaft. Nicht verwunderlich ist, dass in den Texten auf die Konsequenzen angespielt wird, die aus der Liebe folgen. Die Mitbrüder leben ja in einem Orden, in dem sie nicht nur für sich selbst da sind, sondern von ihrem Herrn darauf verwiesen werden, »Menschen für andere« (Arrupe) zu sein. Sie wissen sich gesandt in eine 6

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Welt, in der so viele Kleine und klein Gemachte leben, die Geringsten eben, die Jesus so teuer sind. Spürbar ist, dass die Liebe danach verlangt, sich auszuweisen im Dienst am Glauben, der den Einsatz für die Gerechtigkeit mit einschließt. Wenn diese Glaubenszeugnisse Sie anregen, Ihre eigene Kurzformel des Glaubens ans Licht zu heben und darüber zu staunen, wie Sie von Jesus Christus geführt werden, soll es mir recht sein. Wenn Sie sich darüber hinaus eingeladen sehen, frohgemut im Glauben an ihn zu leben und es hie und da anderen weiterzusagen, verwirklichen Sie, was wir im ersten Petrusbrief lesen und was man auch diesen Glaubenszeugnissen voranstellen könnte: »Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt« (1 Petr 3,15). Vitus Seibel SJ Folgende Mitbrüder haben einen Beitrag geschrieben: Hans Abart, Holger Adler, Bengt Almstedt, Anton Altnöder, Peter Balleis, Andreas R. Batlogg, Josef Bill, Hans-Bernd Bollmann, Norbert Brieskorn, Arnold Brychcy, Erwin Bücken, Jörg Dantscher, Ludwig Dehez, Wolfgang Felber, Philip Geister, Eberhard von Gemmingen, Johannes Günter Gerhartz, Thomas Gertler, Herbert Graupner, Hans Grünewald, Herbert Günther, Bernd Hagenkord, Michael Hainz, Julian Halbeisen, Bernhard Heindl, Christian Herwartz, Ernst Heurich, Ludger Hillebrand, Eugen Hillengass, Gundikar Hock, Alfons Höfer, Wolfgang Hoffmann, Werner Holter, Bernward Jensch, Ulf Jonsson, Ludger Joos, Tobias Karcher, Medard Kehl, Christoph Kentrup, Stephan Ch. Kessler, Stefan Kiechle, Alois Koch, Felix Körner, Petrus Köst, Wendelin Köster, Karl Adolf Kreuser, Hermann Küg7

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ler, Erhard Kunz, Willi Lambert, Alex Lefrank, Herbert Liebl, Stephan Lipke, Alexander Löffler, Fabian Loudwin, Markus Luber, Martin Maier, Adrian Marbacher, Josef Maureder, Klaus Mertes, Lutz Müller, Franz-Anton Neyer, Frido Pflüger, Raymond Rambatoson, Manfred Richter, Georg Maria Roers, Theodor Rogoß, Otto I. Schabowicz, Josef Schmidt, Wolf Zanorashe Schmidt, Michael Schneider , Josef Schuster, Vitus Seibel, Johannes Siebner, Josef Singer, Tobias Specker, Johann Spermann, Martin Stark, Stefan Taeubner, Christian Troll, Klaus Väthröder, Ansgar Wiedenhaus, Otto Winkes, Tobias Zimmermann, Patrick Zoll, Hans Zollner.

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Er verwandelt Mein seelisches Betriebssystem läuft über die Software Leistung: Ich arbeite, also bin ich. Was ich schaffe, ist mein Wert. Folglich vergleiche ich mich, taxiere den Wert der anderen, fühle mich über- oder unterlegen, hungere nach mehr. So funktioniert die Gesellschaft und auch – ein bisschen zumindest – die Gesellschaft Jesu. Alles wird dem Götzen Arbeit und Erfolg untergeordnet. Immer wieder erschrecke ich über diesen Mechanismus in mir – und trage dennoch den hohen Namen »Jesuit«. Jesus war genau anders, nämlich barmherzig. Mich provoziert er ständig: Er isst mit Verfemten, vergibt Schuld ohne Gegenleistung, kritisiert die ach so perfekten Pharisäer, heilt Kaputte, bleibt treu ohne Rücksicht auf sein Ansehen, schenkt alles, liebt einfach, und am Ende bezahlt er sein Anderssein mit dem Leben. Die Welt ertrug ihn nicht und musste ihn ermorden. Und doch: In absoluter Schwäche wirkt Gottes Stärke, in völliger Armut ist unendlicher Reichtum. Alles ist umgewertet. Das Leben siegt. Jeder Mensch ist wertvoll und geliebt und gerettet. Für mich ist Jesus das Bild Gottes und somit der Kern meines Glaubens: So ist Gott, so die Liebe, so das Leben, so das Menschsein. Im Terziat in Chile zeigte mir die Kirche der Armen, wer Jesus ist, und in den dortigen Exerzitien wurde meine Seele neu »formatiert«: Aus der Software Leistung wurde, wenigstens anfanghaft, die Software Jesus – gebe Gott, dass sie wachse und Frucht bringe. Stefan Kiechle SJ, Mannheim, geb. 1960

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Jesus UND Jesus – manchmal die Erinnerung an das Bild eines toten KZ-Gefangenen: nackt, nur noch Haut und Knochen; tot und in Kreuzesform auf dem Boden liegend. Jahrelang hing dies als Christus-Bild in meinem Zimmer. Ich weiß nicht, ob ich an Gott glauben könnte ohne Seine Menschennähe im Gekreuzigten. Jesus – nicht selten die Frage aus den Augen von hungrigen Kindern, Armen, Vertriebenen, Elenden, Seelengeschädigten: Und Du? Siehst Du mich? Bitte … Und wenn sich meinem Geist die Frage stellt: »Gott und Mensch« – wie geht das zusammen in einem Atemzug? Dann ist Jesus für mich das »und«. »Jesus UND« ist dann meine Kurzformel des Glaubens. In vielen Begegnungen, in Exerzitien gilt für mich: »Wo zwei oder drei in meinem Namen beieinander sind, da bin ich – im Heiligen Geist – mitten unter ihnen.« Es ist schön, in Seinem Dienst zu sein und manchmal von Ferne Musik aus dem Hochzeitssaal zu hören. Für eine letzte Not und Dunkelheit habe ich keinen anderen Namen als den Seinen. Wer ist Jesus für mich? – Sicher der, dessen Frage in mir lebt: »Wer bin ich für Dich?« Wenn ich einmal sterbe, so möchte ich, dass man mich mit einer Bibel auf der Brust beerdigt. Ich möchte sie umarmen. Mit ihr zu Staub werden. Und im Buch der Lebenden verzeichnet sein. Zusammen mit Ihm. Willi Lambert SJ, München, geb. 1944

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Begegnung konkret Als Kind schon hatte ich eine Frage, die mir niemand zufriedenstellend beantworten konnte: Warum durften die Jünger damals dem auferstandenen Herrn begegnen – und ich nicht? Bin ich zu spät geboren? Die Frage hat einen wesentlichen Anteil daran, dass ich Jesuit wurde. Heute sehe ich das so: Ich kenne Jesus aus der Betrachtung der Evangelien, ich begegne ihm in der Liturgie, er spricht mich an in Menschen. All dies wird aber erst dann bedeutsam für mich, wenn die Begegnung konkret wird. Das ist in meinem Leben geschehen. Und wenn es geschieht, dann zieht mich Jesus über meine Grenzen hinweg in die eigene Menschwerdung hinein: Ich lasse mich auf die Liebe ein, die mich in meinem Leben konkret trifft. Ich lasse zu, dass sie mich verändert, dass sie mein Denken und mein Sehen verändert (vgl. Mk 1,13). Ich beginne mit Leib und Seele zu spüren, dass ich manchmal nur noch auf seinen Geist angewiesen bin, um unterscheiden zu können, welche Grenzen ich überschreiten soll, weil ich von Ihm gerufen werde, und welche Grenzen ich besser respektieren sollte. Eine wichtige Hilfe für das Leben mit Jesus ist mir dabei Maria geworden, besonders im Rosenkranzgebet. Ich betrachte mit Maria das Leben Jesu und empfinde so die Freude einer sehr intimen Liebe mit, wie sie zwischen Eltern und Kind, Braut und Bräutigam waltet. Klaus Mertes SJ, Berlin, geb. 1954

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