Wann ist arglistiges Maklerverhalten dem Versicherungsnehmer zuzurechnen?

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Wann ist arglistiges Maklerverhalten dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ? Forschungsstelle für Versicherungswesen Münster, 15.03.2017

Rechtsanwalt Norbert Elfert Fachanwalt für Versicherungsrecht Fachanwalt für Medizinrecht

Grundkonstellation VN/Kläger Versicherungsantrag ohne Angaben Vorerkrankung Mitteilung Vorerkrankung

Empfehlung, Vorerkrankung nicht anzugeben

VR

Versicherungsmakler (VM) Kläger hält dem Vorwurf der Arglist plausibel entgegen, dass er im Vertrauen auf die Angabe des „Versicherungsfachmanns“ = des Maklers davon ausging, dass Vorerkrankung nicht für VREntscheidung relevant ist.

Seite: 2

I.

Darlegungs- und beweisbelasteter VR hat Arglist des VN selbst nicht bewiesen, da VN plausible Erklärung für objektive Falschangabe darlegt (bedingter Vorsatz VN zur Einwirkung auf Vertragsentscheidung des VR nicht bewiesen). Grenze: • Zweifelhaftigkeit der Auskunft des VM drängt sich auch einem Laien auf • Offenkundiger Widerspruch zwischen Informationen / Fragen des VR und ihrer Wiedergabe durch VM

II.

Seite: 3

Kein Problem, wenn arglistiger VM selbst Antrag stellt (§ 166 Abs. 1 BGB) oder als Wissenserklärungsvertreter (§ 166 Abs. 1 BGB analog) agiert („Mitunterzeichnen“; entsprechende Erklärung), da VM auch nach außen erkennbar entsprechend auftritt.

III. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung, wenn VM nicht mit eigener Erklärung (Willens- oder Wissenserklärung) auftritt: Entscheidend ist, ob • VM „Dritter“ gem. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB ist Folge: VN hat auf Erklärung VM vertraut, also keine Kenntnis von „Täuschung“ des VM; damit ist keine „Kenntnis des Erklärungsempfängers“ (der Anfechtungserklärung = VN) von der Täuschung gegeben keine wirksame Anfechtung

• oder nicht; dann Anfechtung gem. § 123 Abs. 1 BGB

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Ist für die Einordnung des Versicherungsmaklers (VM) als „Hilfsperson“ des VN (= „kein Dritter“ i.S.d. § 123 Abs. 2 S .1 BGB) entscheidend, ob dies der VR erkennen kann?

Position der Senate des OLG Hamm. „Keine Zurechnung, wenn bloß interne Beratung durch den Makler ohne Auftreten nach außen als Verhandlungsgehilfen oder Vertrauensperson Beispiel: • VM händigt Antragsformular aus und leitet es „gestempelt“ weiter • VM berät bei Antragsstellung

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OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.06.2010, Az.: 5 U 272/08 (1) •



• •





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Entscheidend für die Zurechnung des Wissens und des Willens des VM zum VN ist Wertung, ob für den (durch ein Verhalten des VM beeinflussten) Erklärenden (der Anfechtungserklärung =VR) der VM erkennbar (?) als Verhandlungsgehilfe aufgetreten ist. Auch wenn VM auf Antragsformular ausgewiesen ist (= damit nicht als im Lager des VR stehend und damit nicht als „Auge und Ohr“ anzusehen) darf sich VN in gewissen Grenzen auf dessen Rat verlassen, so dass ihm Arglist des VM nicht zuzurechnen ist. VM ist VR durch Courtagevereinbarung in gewissem Maße verbunden und führt diesem Kunden zu. VR darf allein aus Stempelung des Antrags durch den VM nicht entnehmen, dass sich VN die Kenntnisse, das Wissen oder die Erklärungen des VM zurechnen lassen will. VN hat in keiner Weise deutlich gemacht, dass VM seine Vertrauensperson sei und er bereit sei, hinzunehmen, dass jegliche Erklärungen und jegliche („der Beklagten nicht einmal bekannten Informationen“) ihm gegenüber gelten sollen. Andernfalls würde VN das Risiko eines falschen Rates seines VM uneingeschränkt tragen, obwohl VM mit VR durch pauschale Courtagevereinbarung verbunden ist; Schadensersatzanspruch des VN gegen VM (Maklerhaftung), ginge im Falle der Insolvenz des VM ausschließlich zu Lasten des VN, da in Fällen der Arglist ein wissentliches Fehlverhalten vorliegt (= keine Deckung durch die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung; vgl. § 4 Nr. 5 AVB-VH)

OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.06.2010, Az.: 5 U 272/08 (2)

Frage / Diskussionsanstoß: 1. Woran knüpft im Rahmen des § 123 Abs. 1 BGB die Anforderung an, eine „Hilfsperson“ = Vers.-Makler (i.S.e. „Nicht-Dritten“) müsse als solche für den VR erkennbar sein? 2. Hat nicht in Fällen dieser Art („VN beruft sich auf Rat VM“ als Begründung für fehlende Arglist) unter Berücksichtigung der Pflichten eines VM („Sachwalterhaftung“) der VN deutlich gemacht, er sei bereit, sich Erklärungen des Maklers entgegenhalten zu lassen?

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OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.11.2016, Az.: I - 4 U 4/15 • •





Makler täuscht den VR – für diesen nicht erkennbar - mittelbar durch den gutgläubig unterschreibenden VN als instrumentalisiertem Werkzeug. VR weiß, dass der Makler bei den Erklärungen im Antrag dem VN geholfen hat. Er weiß, dass der Makler im Lager des VN steht, da der Makler im Antrag als „Vermittler“ angegeben ist. Der VN hat eine Maklervereinbarung mit Makler abgeschlossen mit dem Pflichtenkatalog des Maklers. Der VR darf davon ausgehen, dass „branchentypische“ Maklerpflichten zwischen Makler und VN vereinbart wurden. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen Nähe zwischen dem Makler und dem VR. Frage / Diskussionsanstoß:

1. Kommt es darauf an, dass der VR davon Kenntnis hat, dass der Makler dem VN bei Ausfüllung des Antrags geholfen hat? 2. Kommt es auf die Existenz einer „Maklervereinbarung“ (im Sinne eines schriftlichen Vertrags mit ausdrücklich definierten Pflichten/Aufgaben) an? 3. Reicht nicht das Bestehen eines Maklervertrags (z.B. auch konkludent) i.V.m. den geltenden Pflichten gem. der „Sachwalterhaftung“ des Vers.-Maklers, damit der VR von zwischen dem Makler und dem VN vereinbarten “branchenüblichen“ Maklerpflichten ausgehen darf? Seite: 8

OLG Hamm, Urt. v. 03.11.2010, Az.: I - 20 U 38/10 •

„Dritter“ ist nur der am Geschäft Unbeteiligte; Dritte können daher diejenigen sein, die unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dem Kreis des Erklärungsempfängers zuzurechnen sind. Kein Dritter ist, wer auf Seiten des Erklärungsempfängers steht und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrags mitgewirkt hat. Im Zweifel ist der Täuschende als Nichtdritter anzusehen; denn nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip des § 123 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist im Regelfall von der Anfechtbarkeit bei arglistiger Täuschung auszugehen.



Ein Makler ist kein Dritter, wenn er nicht die Interessen beider Parteien wahrnimmt, sondern die Verhandlungen nur für eine Partei führt oder aufgrund enger Beziehungen als deren Vertrauensperson anzusehen ist oder Aufgaben übernimmt, die typischerweise einer Partei obliegen.

Anmerkung/Diskussionsanstoß Erkennbarkeit der „Vertrauenssituation VN/Makler“ für den VR wird vom OLG Hamm nicht gefordert / angesprochen.

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BGH, Urt. v. 12.03.2008, Az.: IV ZR 330/06 (Versicherungsmakler) Eine arglistige Täuschung des Versicherers allein durch die Maklerin – die nicht Dritte i.S.v. § 123 Abs. 2 S. 1 BGB ist – wäre dem VN zuzurechnen (§ 166 Abs. 1 BGB) Anmerkung/Diskussionsanstoß In der Parenthese trifft der BGH eine Feststellung und definiert nicht eine weitere Bedingung (z.B. : „… - wenn diese nicht Dritte i.S.v. § 123 Abs.2 S.1 BGB ist …“).

BGH, Urt. v. 24.11.1995, Az.: V ZR 40/95 (Grundstücksmakler) „Der Makler ist nicht generell als Erfüllungsgehilfe seines Vertragspartners zu betrachten. Die Zurechnung ist davon abhängig, dass der Makler mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn zur Erfüllung von Pflichten tätig wird, die dem Geschäftsherrn obliegen. Der Makler muss – von der Vertragspartei zurechenbar veranlasst – Aufgaben übernommen haben, die dem Pflichtenkreis dieser Partei zuzuordnen sind. Anmerkung/Diskussionsanstoß Der BGH macht die Frage der Einordnung des Maklers - hier Grundstücks-, nicht Versicherungsmakler (keine „Sachwalterhaftung“) – nicht von deren Erkennbarkeit für den Vertragspartner abhängig. Seite: 10

These: Ist der VN durch einen Maklervertrag (auch konkludent) mit dem Versicherungsmakler verbunden und zieht er den Makler bewusst als seine Vertrauens-/Hilfsperson bei der Erstellung eines Antrags beratend hinzu, so ist die Arglist des Makler dem VN zuzurechnen, mit der Folge, dass der VR den Vertrag gem. § 123 Abs. 1 BGB anfechten kann. Ob der VR dies erkennen kann, ist nicht entscheidend: Ob der Täuschende „Dritter“ ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob der Anfechtende (VR) subjektiv den Täuschenden (VM) als Vertrauens-/Hilfsperson wahrnimmt, sondern ob dieser objektiv entsprechend einzuordnen ist. Macht der VN geltend, er habe bei den unrichtigen Angaben im Antrag auf die entsprechende Beratung des Maklers vertraut, habe dementsprechend keine Vorstellung gehabt, durch die unrichtigen Angaben auf die Entscheidung des VR einzuwirken, und sei demzufolge auch nicht arglistig gewesen, trägt er grundsätzlich die Kriterien für die Annahme der Hinzuziehung des Maklers als „Hilfs-/Vertrauensperson“ vor.

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Ich wünsche uns eine angeregte Diskussion …

… und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit

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