vor dem Hintergrund der Existenzanalyse von Viktor Frankl und einigen anderen Weisen

1 Hans-Helmut Decker-Voigt Vom Schlaf als kleinem Bruder des großen Abschieds und seiner musiktherapeutischen Umspielung – vor dem Hintergrund der Ex...
Author: Adolph Baum
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Hans-Helmut Decker-Voigt Vom Schlaf als kleinem Bruder des großen Abschieds und seiner musiktherapeutischen Umspielung – vor dem Hintergrund der Existenzanalyse von Viktor Frankl und einigen anderen “Weisen“ Ende: Lat.: FINIS hat zwei Bedeutungen: Ende und Ziel. Unter diese Doppelbedeutung des Finale unseres Lebens, der auch Viktor Frankl als Psychiater sowohl Opfer im KZ als auch Psychoherapeut folgt, stelle ich meine Überlegungen. ------------------------------Fangen wir an mit dem, was medizingeschichtlich erst die Palliativmedizin gerierte: mit dem Schmerz, dem, den unsere Physis oft genug durch nur palliativmedizinische Begleitung zu ertragen in der Lage ist. Und wandern wir danach zu dem, mit dem sich u n s e r e Psyche und unser „Geistiges“ und die Psyche und das Geistige unserer Patienten zwangsweise beschäftigt, wenn ihr Finis, ihr Ende, unser Finis, jedes Menschen Finis der Lebenszeit sich nähert. Mit dem „Geistigen“ i.S. des lat. Spiritus begegnen wir bereits dem Zentrum des Denkens um die Existenz und deren Analyse und darausfolgender Psychotherapie Viktor Frankls. Er setzt das Wissen und die therapeutische Nutzung des Geistigen über die Psyche und deren Logien, über die Psycho-Logien. Physischer Schmerz: Der Schriftsteller Siegfried Lenz beschreibt Schmerz nach langen eigenen Erfahrungen mit der medizinischen Schmerztherapie als – ich zitiere den von meiner Autorengeneration verehrten Mentor, der vor 16 Monaten starb: „Schmerz (…) ist ein Erlebnis dreidimensionaler Art und nicht nur – wie meine (Siegfried Lenz`) ärztlichen Schmerzforscher feststellen – n i c h t n u r ein Problem, sondern auch ein G e h e i m n i s. Schmerz verschlägt uns die Sprache und läßt uns tanzen, er läßt uns hadern und zerreißt uns…“ Dann geht Lenz in diesem Kon-Text auf Heinrich Heine zu, der zum Schmerz sagt, er e n t s t e l l e den Menschen, aber könne ihn auch v e r k l ä r e n. Ob Heine dies Verklären, das S. Lenz für seine Erfahrung mit Schmerzen in Anspruch nimmt, mit der lat. Doppelbedeutung von finis verband, besonders mit der des Sterbens und Todes als Z i e l?

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(Am Beispiel einer Königspuppe mit mehreren Mänteln): Das lateinische Pallium meint den Mantel, meint eine „Ummantelung“ der Lasten und Belastungen für den Patienten in den Endstadien seiner unheilbaren Erkrankung, keine Heilungsabsicht im Sinne einer kurativenTherapie. Nach und mit der Palliativm e d i z i n profilierten sich p a l l i a t i v e T h e r a p i e n auf den Palliativstationen, Palliativambulanzen und in der Arbeit der Hospize, in denen wir uns mit Musiktherapie einfinden – meistens, um unsere Klienten etwas Unerwartetes, Un-Erhörtes finden lassen zu können. Ummantelung – wir finden diese „Ummantelung“ als Zielrichtung in der Palliativm e d i z i n entsprechend in Spezialbehandlungen wie Palliativbestrahlung oder palliative Chemotherapie. Wir finden sie auch in Spezialmethoden z.B. der musikmedizinischen Schmerztherapie auch für der Palliation bedürftige Patienten eines Ralph Spintge. Seine u.anderer Musikmediziner Arbeit bezieht speziell für die Klientel komponierte Musik ein, um die Schmerzempfindungsintensität zu senken. Diese Arbeit gehört jedoch in den Bereich funktionaler Musiktherapie, nicht zentral zur Musiktherapie im phänomenologisch- psychotherapeutischen Verständnis, welche die therapeutische Beziehung als Hauptinstrument der Behandlung betont, dann erst die Rolle der Musik in dieser Beziehung. Wie beide miteinander komibiniert werden, später am Video-Fallbsp. -----------Nachdenken über Pallium, Mantel, Ummanteln: Wir können neben dem Ummanteln den Mantel um den Schmerz auch: -

psychologisch lüften mit der Übertragung von Gadamers Frage nach der „Verborgenheit der Gesundheit“ in die „Verborgenheit des Denkens an die eigene Sterblichkeit“. D.h. wie sind die Folgen einer Gesellschaft für das Individuum und seine Angehörigen, die erst dann das Sterben und den Tod bedenken, wenn das Leben endet und nicht vorher (wie wir auch an Gesundheit erst denken, wenn sich diese entzieht)

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psychoanalytisch lüften lernen: Wieweit ähneln die Rituale des In-das-LebenKommen (prä-, peri-, postnatale Geburtsrituale) denen des Aus-dem-Leben Gehen, den das Sterben vorbereitenden Ritualen? Wieweit sind mögliche hilfreiche Kompatibilitäten von früher verschüttet? Wir können den Mantel auch

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religionsphilosophisch mit Martin Buber beiseite schlagen mit der Frage: Wieweit sind in die Übergangsrituale hinein in das Leben bereits die Rituale hinaus aus ihm integriert? Unsern Eingang segne Gott – unsern Ausgang g l e i c h e r m a ß e n?

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Wir können den Mantel - christlich gesprochen bzw. gebetet - so beiseite zu ziehen versuchen: Den Anfang - Mitt-und Ende, ach Herr, zum Besten wende.

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Wir können den Mantel musiktherapeutisch lüften, indem wir die Funktionen reflektieren, die die Musik, die schon ihr einzelne Ton, als Ritual für Übergänge in sich birgt. Für kleinste Übergänge, für letzte Übergänge. Z.B. die bei Isabelle FrohneHagemann genannten Funktionen des Übergangsphänomens, der Projektion u.a. Zu den mir bekannten Arbeiten zur Mth. in der Palliativversorgung und auch in einigen der im o.e. MU-Beitrag erfaßten Studien wird bisher n i c h t erwähnt die für die Palliativtherapie eminent wichtige Funktion des „T r a n s c e n d i e r e n s“, die transcendierende Funktion von Musik, wie ich sie seit etlicher Zeit mitdenke und mitgebe, wenn ich Isabelle Frohne-Hagemanns „Funktionen der Musik“ vermittele – Studierenden ebenso wie teilweise durchaus Patienten und ihren Angehörigen und Mitbegleitern ohnehin.

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Transcendere, lat.= hinübergleiten, hinüberwandeln, Transcendenz: Die immer nur winzigen Durchsichtigkeit von unserem Diesseits in eine andere Welt.

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Mit Viktor Frankl gesprochen heißt das Lüften, das Beiseiteziehen des Palliums: Dem Ende sein Ziel geben im Sinne von: Sinn.

Brücke zu Viktor Frankl: Frankl: KZ – Opfer und Therapeut. Theorem: Jeder Mensch stirbt ohne einen Fixpunkt in der Zukunft, er stirbt an der End-Losigkeit jetzigen Seins. Unterbrechung dieser Endlosigkeit durch Sinngebung (Logos), methodologisch gesehen durch Gestaltung von Anfängen-Mitten-Enden – mitten in der End-Losigkeit: Das Mittel zum Sinngeben gerade dem Ende, wo es end-lich sich nähert: Das Erinnern eines geliebtes Gedichtes, das Gestalten des Logos, des Wortes, als geistiger Gestalt zu einem kleinen eigenen Ge-Dicht, in dem die einzelnen Wörter sich verdichten zu Botschaften mit einem Anfang, einer Mitte, einem Ende, erlauben dem in Endlosigkeit lebenden Menschen die Grunderfahrung von Kunst, wie sie auch Joseph Beuys sieht: Eine Gestalt gestalten zu können dort, wo vorher keine war – und danach keine sein wird, wir aber davon zehren können. 3

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Mit Zuhörern zusammen: -

KreisVisuelle Gestalt von A bis O ohne (Wachkoma) und mit einer Klangschalenausschwingung (Hospiz Bevensen, Uelzen, Wienebüttel Koma) Auditive Gestalt von A bis O im Quintenraum (Dreiklang aufwärts und die Quinte abwärts)

Oder ein Lied (Singen) Nun ruhen alle Wälder, Vieh Menschen, Städt und Felder, es schläft die ganze Welt (TROPHOTROPES überwiegend, aber immer auch Ergotropes: Wunschlied auch: FDJ Lieder zum Frühstück (s. kommenden Fallbsp.) Mit Frankl wurde deutlich, welche Funktionen die Theatergruppen in Lagern hatten, ob Profis oder Semiprofis oder Laien dort spielten und jedes Spiel Anfang-Mitt-undEnde hatte und der Endlosigkeit den geistigen Haltepunkt bot. Welche Funktion Kammermusikgruppen in Lagern einnahmen, Chöre, Kochgruppen und Literaturkreise – das waren keine Psychotherapien, aber das waren die Anlässe, eine solche zu entwerfen, die speziell für Menschen in endlos scheinenden Zeiten war – beziehungsweise zu beziehen auf Menschen, die sich dem Ende näherten und auch diesem nicht passiv entgegengehen, nicht stoisch, nicht resignierend, nicht fatalistisch, nicht nihilistisch begegnen, sondern das Ende einbeziehend in die Gestaltung von lauter kleinen Events mit Enden. Folgen wir ihm und teilweise seinem Freund Karl Jaspers, dann ist nicht die Psyche für unser Arbeiten an der Gegenwart hauptsächlich zuständig. Diejenige Gegenwart, auf deren Nadelspitze sich nach S.Freud Vergangenheit und Zukunft begegnen. Sondern das Geistige in uns, vertreten durch den Logos, der in der Logotherapie wie in der Antike eben nicht nur „das Wort“ meint, sondern: Sinn. ------------------Sehr wohl aber erleben wir in der beziehungsbasierten Musiktherapie dort, wo wir palliativ orientiert rezeptiv mit unseren Patienten arbeiten, dass n e b e n den Zielen der Kommunikationsförderung und Unterstützung der sog. „spirituellen Erlebensebene“ eine Schmerz– und Disstressreduktion möglich ist. Sozusagen als die psychodynamische Welt unterstützende physiodynamische Erleichterung. ----------Ein Bei-Spiel (Aus dem Film das erste Bild fixiert halten)

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Ein solches Beispiel aus einer Fernsehsendung von DAS/NDR, die mit dem Einverständnis des Patienten Herrn Gerd Meyer und seiner Familie zwei Monate vor seinem Tod gedreht wurde. Das „Gerät, dies Ding“ in dem Film ist ein Liegemonochord, gebaut von Joachim Marz. Das Setting mit Herrn Dassauer ist das erste mit dem Instrument und vorher gab es für mich im Gespräch mit dem Patienten in seiner Endphase des malignen Tumors im Rippenfell, Wichtigeres, als ihm instrumentenkundliche Erläuterungen zum Liegemonochord zu geben. Der Patient beschrieb auf Einladung hin seine akuten Schmerzen ausführlich, immer neue Worte findend, bereits durch die Metastasierung verstreut im ganzen Rumpf und den Extremitäten, mehrmals als kommend und gehend, als kontinuierlich, als immer da. Danach lud ich ihn – nach einer Induktionsphase für den Körper und die Atmung – ein, die kommenden und gehenden Schwingungen der Töne des Monochords – mit den Schmerzen zu verbinden, sie – wie die Töne – kommen zu lassen – und auch gehen zu lassen. DAS-Video Medizinisch wie psychologisch wissen wir darum, wie abhängig die Immunsysteme unseres Organismus vom Affekthaushalt sind. Frankl spricht deutsch und nennt Lebensmut oder Lebensmüdigkeit als die Bereiche, die von der Aussicht unserer Psyche auf Zukunft abhängen. Hier im Video, in unserer alle Palliativarbeit, mischen sich also schmerztherapeutische Ziele durch Veränderung des Wachbewußtseins (speziell hier: MTE, s. MHErickson) mit der, den Patienten erlebnisorientiert in frühe Erfahrungen bis hin zum fetalen Narzißmus zu begleiten – wozu die Vitalitätsspeicher unseres Körpergedächtnisses (s. Stern) große Hilfe leisten. Bausewein (2010, zitiert nach MU 4/2014 mit einer s.g. Übersicht mit demselben Thema wie diese Tagung) weist auf diese sich leiblich funktional auswirkende Arbeit mitten in der phänomenologisch angesiedelten Musiktherapie hin, besonders dann, wenn wir obertonreiche und monochrome Instrumente wie Klangstuhl, Monochord oder Klangschale anbieten und vom Patienten angenommen erleben -------------------------------Kurz zum weiteren Verlauf dieser Begleitung, weil sie diesem Vortrag den Titel gab: Herr Meyer und ich gingen in guter Methodik der musikalischen Biografie die Lieder durch, die ihm fragmentiert einfielen, die ich ihm zum Erinnern anbot. Ich sang verschiedene weltliche und geistliche Einschlaflieder für Kinder erst allein an, dann –wenn ich eilig zuhause die Texte einigermaßen sicher wieder repetiert hatte, mit ihm zusammen: Weltliches, „Abendstille überall…“, dann Geistliches, das ihn interessierte, „Geh aus mein Herz“ („in dem der liebe Gott am wenigsten vorkommt“) FDJ-Liederschatz – und auch Mundorgel 5

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Lieder (DDR) wie Bolle reiste jüngst zu Pfingsten H. Dessauer war DDR-sozialisiert aufgewachsen – sowie die frühen Beatles, die Idole seiner jüngeren Jugend. „Love“ der Beatles und Paul Gerhards Lied „Nun ruhen alle Wälder“ lösten besondere positive Triggerfunktion aus. „Dieses Lied von den Wäldern - das war Omas Schlager für mich…das wirkte immer auf mich, weil Oma auch oft mit mir einschlief, manchmal vor mir.…“ Schlafen, Einschlafen, als Abschiede eines gewesenen Tags als Einübung in den großen Abschied. -----------------------------------------------

Meyers Favorit wurde dieses Lied erst trotz, später wegen der Strophe „Der Leib eilt nun zur Ruhe, legt ab das Kleid die Schuhe… das Bild der Sterblichkeit“ (Nun ruhen alle Wälder/ Paul Gerhardt ) „Das Bild der Sterblichkeit“. Es erschrak Herrn Meyer nicht, weil die ihm seit Kindheit vertraute und nur zwischenzeitlich vergessene Melodie textunabhängig die ausreichend ummantelnde Atmosphäre bot, um den Mantel Stück für Stück zu öffnen und sich darunter zu sehen im Gehen auf das Ziel FINIS zu. (Latein und solche konstruktiven Übersetzungen auch für Patienten erklären!)

Weitere Brücke zu Viktor Frankl: Im Kern beschäftigt sich Frankls gesamte existenzialanalytische Therapie mit Endlosigkeit und Ende und dem Umgang damit. Also Situationen des Menschen, in dem er an der Endlosigkeit eines Zustands leidet, dem er nur durch Tod entgehen zu können scheint. Tod als Erlösung von der Re-Signation. Palliativarbeit gehört dazu: Da rückt ein Zeitpunkt des Endes nahe, des letzten Endes und von daher sieht Frankl diese Lebensstrecke lebendiger als jede Erfahrung in einem Gefängnis ohne Ende, Wie z.B. das Gefängnis 6

des Menschen im KZ

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lebenslang verurteilter Straftäter, wie ich sie in der Forensischen Psychiatrie in Orenburg 3 Jahre projektorientiert begleitete. einer oder mehrerer schweren chronischen Erkrankung, deren Gefängniszeit ebensowenig abzusehen, end-los ist

Zu den weniger dramatisch wirkenden Gefängnissen: Noch nie sprach ich öffentlich über mich und meine Kindheit, aber bei diesem Thema: Schlafen, Einschlafen, als Abschiede eines gewesenen Tags als Einübung in den großen Abschied, denn mit Viktor Frankl verbinde ich auch dies Erkennen aus meinen frühen Jahren: Je älter ich werde desto dankbarer bin ich meinen Behandlern und Begleitern, meiner Familie, meinen Ärzten und Pflegern, die mich während meiner 13 Jahre Liegezeiten (die Therapiekonzepte einer Polio-Erkrankung standen denen einer Lungen-TBC und Hirnhautentzündung jahrelang gegenüber) mit unzählbaren Spielen den intermediären Raum zwischen mir und der Welt füllten. Eine Großfamilie hatte ohne jedes Wissen um Logotherapie, um Musiktherapie deren Funktionen übernommen und mich die Jahre gefüttert mit Liedern, mit Instrumentalspiel am Bettrand , mit Geschichten, die ich anfangs hörte, später mitgestaltete, noch später allein gestaltete – und diese Menge Gestaltungen von Anfang-Mitten-Enden füllten eine eigentlich endlose Zeit aus, die mich immer schon, wenn ich an sie dachte, mit Dankbarkeit füllte und füllt.) Und Frankls Existenzanalytische Psychotherapie, in deren Gesellschaft (für Logotherapie und existenzanalytische Psychotherapie) ich seit 5 Jahren auf den Tagungen in Musiktherapie einführe, gilt für noch eine Therapiewelt: Opfer im Cyber-Mobbing, dem nach wie vor rechtsfreien Raum trotz aller Löschungen, die auch Personen des Öffentlichen Lebens nicht vornehmen lassen können (zu denen ich leider auch gehöre). Die japanischen Kollegen von uns, z.B. Prof. Masuko, melden uns 400 Therapiezentren, die Opfer begleiten, weil diese in der Endlosigkeit ihres Internetverfolgtseins schweren psychischen Schaden nahmen, oft genug Frankls Erfahrung bestätigend, dass End-losigkeit = Zukunftslosigkeit = Tod ohne Sinn bedeutet.

Zurück zu H. Meyer: Ich brauchte nicht die christlich fokussierenden Zeilen zu singen „die zieh ich aus, dagegen Wird Christus mit anlegen, den Rock der Ehr und Herrlichkeit.“ Der Mantel öffnete sich schon ausreichend für ihn. 7

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Mir ist nicht mehr so wichtig, wie die verschiedenen Religionen oder der einzelne Mensch sich diese vorstellen. Adorno, Kämpfer gegen Bildungsbürger und ihre Religiösität, schrieb in einem seiner letzten Briefe von jener Verunsicherung, die ihn beim Hören großer oratorischer Werke in sacralen Architekturen erfasse. Ob der aufgeklärte Mensch sich vielleicht doch irrt, wenn er kategorisch ein Jenseits, eine Anderswelt nach dem Tod als unmöglich beweist. ---------------------------Also: Sehr wohl Schlafes Bruder ü b e n , indem wir mit seiner Gestalt spielen: Schlafen, Einschlafen, als Abschiede eines gewesenen Tages als Einübung in den großen Abschied. -----------------------------------------------

Was spielen, umspielen, bespielen? Das Ende von etwas. Den Ton, das Lied, das Streicheln einer Hand im Sinne basaler Stimulation – als Beiträge zur Vorbereitung und Mitgestaltung des letzten Endes. ---------------------------------Jede Gestaltung eines Endes macht uns auch schon vor dem Lebensende vertraut mit diesem. Selbst im Schlaf üben wir das, was der letzte große Abschied anbietet: Beschäftigtsein mit dem Schlaf durch ein nicht deprimierendes, sondern kunstvolles Memento Mori. ------------------In der Stunde seines Sterbens im Lüneburger Hospiz haben Frau Meyer und die Nachtschwester , die ihre Freizeit unterbrach, dann wieder die Strophe gesungen: Singen: Legt ab das Kleid, die Schuhe, das Bild der Sterblichkeit. Zum Schluß und über diesen hinaus haben sie nur noch die Melodie gesungen, gesummt. Frauenstimmen…die wir zuerst in unserem intrauterinen Leben hörten. Und wenn es gnädig zuende geht, vielleicht auch an unserem Ziel, dem Finis, des Endes, das lebenslang Ziel ist. Nachtrag So zeigt sich Enter- Tainment als komplex, als lebenserhaltend, als das Lebensziel begleitend. Das Tainment im Enter-Tainment stammt von tenere, lat. = halten. EnterTainment ist die Hineinführung in dieses Gehaltensein. Zum Schluß: 8

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Meine mich und einige meiner Patienten transcendierende Musik, die mir die Überschrift zu dieser Arbeit für Augsburg gab, in der ich das musikalische Umspielen des Schlafes als kleinem Bruder des Todes - als Mitgestaltung der Vorbereitung des eigenen Finis - beende ich mit transcendierender Musik, wie ich sie mir einmal wünsche. BACH- Schlußchoral aus BWV 56: Komm, o Tod, du Schlafes Bruder

Literatur: Bänninger, Jörg/Mauch, Ueli: Handreichungen im Kreise des Todes, Selbstverlag Gemeinde Mettmennstetten/ CH, o.J.

Bausewein (2010) zitiert nach Warth, M., Koenig, J., Keßler, J., Wormit, A.F., Hillecke, T.K., Bardenheuer H.J. in „Musiktherapie in der palliativmedzinischen Versorgung: Gegenwärtiger Stand und aktuelle Entwicklungen“ in MU 4/2014 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014 Decker-Voigt, H.-H.: „…und berührt mich tief“ – Musiktherapie und Basale Stimulation vor dem Hintergrund der Logotherapie und Existenzanalytischen Psychotherapie, hgg. vom Institut für Soziale Berufe, Ravensburg 2015 (in Vorber.) Frank, Viktor E.: Ärztliche Seelsorge (mit den „10 Thesen über die Person“), dtv, 2. Aufl., München 2009 Lenz, Siegfried: Über den Schmerz, Hoffmann und Campe, Hamburg 1993 Sonntag, Jan: Demenz und Atmosphäre, Musiktherapie als ästhetische Arbeit, Mabuse, Frankfurt/M. 2013 Tugendhat, Ernst, Über den Tod, Suhrkamp, Frankfurt/M. 2006 Zimmermann, J./ Gräßler, W./ Sülz, C./ Heinze, M.: Psychotherapie, Naturwissenschaft und Religion, Schriftenreihe „Sein und Sinn“, hgg. von der Ges. f. Logotherapie und Existenzanalytische Psychotherapie, Pabst, Lengerich 2015 CDs zum Thema “Transcendierende Musik” aus diesem Kulturkreis: Morimur, The Hilliard Ensemble Christoph Poppen, darin “Den Tod…” in Verbindung mit der Partita in a – Moll (Ciaconna) von J.S. Bach nach einer Analyse von Helga Thoene, ECM New Series 1765 461 895 – 2001

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„Komm, o Tod, du Schlafes Bruder“, Bass-Solo und Choral a.d. Kantate „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“, BWV 56, Bach Ensemble Helmut Rilling, Edition Bachakademie, Hänssler, Holzgerlingen 2011

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