VIKTOR ZEHER ZUR PROBLEMATIK DER BEWUSSTHEIT UND BEWUSSTMACHUNG DER LERNSTRATEGIEN IM DAF-UNTERRICHT

9. ŠTUDENTSKÁ VEDECKÁ KONFERENCIA 510 VIKTOR ZEHER ZUR PROBLEMATIK DER BEWUSSTHEIT UND BEWUSSTMACHUNG DER LERNSTRATEGIEN IM DAF-UNTERRICHT 1. Einle...
Author: Hilko Berger
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VIKTOR ZEHER ZUR PROBLEMATIK DER BEWUSSTHEIT UND BEWUSSTMACHUNG DER LERNSTRATEGIEN IM DAF-UNTERRICHT

1. Einleitung Die Problematik der Lernstrategien im Fremdsprachenunterricht ist heutzutage vom Interesse, da verschiedene Autoren wie Oxford (1990), Bimmel und Rampillon (2000) Neuner-Anfindsen (2005) in der Beherrschung der einzelnen Strategien eine grundsätzliche Voraussetzung für effektives und selbstgesteuertes Sprachenlernen sehen. Das heißt, dass die Lernenden im Prozess des Fremdsprachenlernens nicht nur die Sprache selbst erlernen, sondern auch die Strategien erwerben sollen, um eigene effektive Vorgehensweisen beim Sprachenlernen entwickeln zu können. Außerdem wurde auch nachgewiesen, dass die Lernstrategien den Lernerfolg wesentlich erhöhen. Damit dies passieren könnte, müssen/sollen ihnen die Lernstrategien in genügendem Maße vermittelt werden, wobei die Vermittlung der Lernstrategien im Unterricht im ersten Rang durch das verwendete Lehrwerk erfolgt. Leider ist es oft der Fall, dass die heutigen DaF-Lehrwerke die Entwicklung des Bewusstseins über die Lernstrategien nicht fördern. Wie Bimmel und Rampillon (2000, S. 91) anführen, handelt es sich dabei um das s.g. blind training, bei dem die Lerner eine durch das Lehrbuch implizierte Lernstrategie benutzen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Solches Handeln führt jedoch nicht zur Übertragung der jeweiligen Lernstrategie auf andere ähnliche Lernaufgaben. Auf der anderen Seite ist es erwünscht, dass die Lernstrategien den Lernenden so vermittelt werden, dass sie fähig sind, diese sachkundig einzusetzen. Wie Oxford (1994) anführt, geht es dabei darum, dass die Lerner nicht nur über das Bewusstsein über Lernstrategien, die Aufmerksamkeit für sie verfügen sollen und sie beabsichtigt einsetzen, sondern dass sie auch imstande sein sollen, deren Einsatz auszuwerten. Dies umfasst auch die Entwicklung der Fähigkeit, Lernstrategien auf andere Lernsituationen und Aufgaben zu übertragen, d.h. Lernstrategien kontrolliert anzuwenden. So bietet der vorliegende Beitrag zuerst eine Musteranalyse von zwei beliebig aus dem Lehrwerk Themen neu 3 ausgewählten Lernaufgaben bezüglich der angewandten Vermittlungsverfahren der Lernstrategien und anschließend eine Bearbeitung der Lernaufgaben zum Zweck der Beseitigung der durch die Analyse festgestellten Mängel in den analysierten Aspekten. Die Analyse selbst stützt sich auf drei konkrete Aspekte, die für die Analyse der Übungsmaterialien von Autoren Bimmel und Rampillon (2000, S. 86f) empfohlen werden und weswegen deren Anwesenheit bei beiden Lernaufgaben ermittelt wird. Dabei handelt es sich um: a) motivierende Aspekte; b) Lernaktivitäten; c) Regulierung des eigenen Lernens. Die Ermittlung der motivierenden Aspekte umfasst die Suche nach solchen Merkmalen in den Lernaufgaben, die die Lernenden motivieren können. Es geht also darum, ob die Lernaufgaben dazu beitragen, dass bei den Lernern Lust zum Lernen hervorgerufen wird, und zwar z.B. durch das Einbeziehen der persönlichen Betroffenheit, den Bezug zum zukünftigen Studium, die Rücksichtnahme auf verschiedene Lernstile usw. Der zweite Aspekt konzentriert sich auf die Ermittlung der Lernaktivitäten, die eine konkrete Lernaufgabe bei den Lernern auslöst. Das heißt, es wird hier festgestellt, ob die Lerner bei einer Übung z.B. Informationen wie neue Wörter speichern sollen und wenn ja, dann wie sie das tun sollen. Dabei soll auch betont werden, dass im Rahmen meines Beitrags unter einer Lernaktivität solche Aktivität der Lerner verstanden wird, die in eine Lernstrategie umgesetzt werden kann (vgl. Bimmel und Rampillon, 2000, S. 87). Der dritte Aspekt der Analyse betrifft die Regulierung des eigenen Lernens, wobei hier die Frage beantwortet wird, ob eine konkrete Lernaktivität in eine Lernstrategie umgesetzt werden kann.

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In Bezug auf den letzten genannten Aspekt wird von der Hypothese ausgegangen, dass die Übungen die Lernstrategien nur indirekt oder sogar gar nicht fördern. Das heißt, entweder benutzen die Lerner bei der Durchführung einer Lernaufgabe eine Lernstrategie, ohne sich dessen bewusst zu sein, wobei dadurch die Effektivität des Lernprozesses beeinträchtigt wird oder deren Anwendung findet gar nicht statt. 2. Analyse der Lernaufgaben Beispiel 1

Motivierende Aspekte Was die Motivation der Lerner durch diese Übung angeht, lässt sich feststellen, dass die Aufgabe keine Merkmale beinhaltet, die die Zielgruppe zum Lernen und zum Sprachgebrauch motivieren könnten. Die Anleitung zur Aufgabe: Wo tun die Leute das? ist nicht hinreichend, damit die Lerner handeln bzw. kommunizieren. Das liegt daran, dass die Aufgabe den Lernenden keinen wirklichen Grund für das Sprechen anbietet. Die persönliche Betroffenheit der Lerner wird hier nicht hervorgerufen. Lernaktivitäten Die Lernaktivität, die durch diese Aufgabe herbeigeführt wird, ist das Herstellen von mentalen Bezügen. Die Lerner sollen bereits bekannte Sprachelemente, d.h. hier die präpositionalen Wendungen, in anderen Zusammenhängen gebrauchen, d.h. in Sätzen verwenden, um sich diese zu merken. Regulierung des eigenen Lernens In dieser Übung wenden die Lernenden eine Lernstrategie an, und zwar Sprachelemente in anderen Zusammenhängen verwenden/Kombinieren, um sie zu behalten, ohne dies bewusst zu tun, weil die Übung keine Möglichkeit für die Bewusstmachung dieser Lernstrategie anbietet. Die Lerner lernen also nicht, dass wenn sie Sprachelemente behalten wollen/sollen, können sie es effektiv machen, indem sie diese in anderen Zusammenhängen benutzen. Zu diesem Zweck sowie wegen der fehlenden Motivation soll diese Aufgabe überarbeitet werden. Beispiel 2

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Motivierende Aspekte In Bezug auf die Motivation der Lerner ist im Falle dieser Aufgabe anzumerken, dass hier keine motivierenden Aspekte bestehen. Der Hinweis zur Aufgabe gibt den Lernenden gar keinen wirklichen Grund zu handeln. Das liegt daran, dass es nicht reicht, dass die Aufgabe die Schüler lediglich auffordert, Bedeutungen der Wörter zu erklären, ohne entweder ihre persönliche Betroffenheit hervorzurufen, oder den Lernenden den Eindruck der Authentizität zu vermitteln. Deswegen setzt diese Aufgabe ein bereits hohes Maß der inneren Motivation bei den Lernern voraus. Lernaktivitäten Die Lernaktivität, die durch diese Lernaufgabe herbeigeführt wird, ist die Analyse der Wörter und Ausdrücke. Da es sich bei den Wörtern in dieser Übung um Komposita handelt, kann ihre Bedeutung so erklärt werden, dass sie analysiert werden, d.h. in ihre Komponenten zerlegt werden, wobei die Gesamtbedeutung jeweils aus den Bedeutungen der Bestandteile abgeleitet wird. So ist der angestrebte Effekt dieser Aufgabe, die Bedeutungen der zusammengesetzten Wörter durch deren Analyse klarzustellen. Regulierung des eigenen Lernens Bei der Durchführung dieser Lernaufgabe wenden die Lerner zwar eine Lernstrategie an, nämlich Wörter und Ausdrücke analysieren, um deren Bedeutungen zu erklären, ohne sich dessen bewusst zu sein, aber sie lernen dabei nicht, dass es für sie nützlich ist, diese Lernstrategie jeweils einzusetzen, wenn sie die Bedeutungen der zusammengesetzten Wörter erklären und sie anschließend behalten sollen/wollen. So findet hier keine Bewusstmachung des beabsichtigten Effekts ein. Damit die Lernaktivität in eine Lernstrategie umgesetzt werden könnte, muss es zur Bewusstmachung des eigenen strategischen Handelns auf der Seite der Lerner kommen. Zu diesem Zweck sowie wegen der fehlenden Motivation soll diese Aufgabe weiter bearbeitet werden. 3. Bearbeitung der Lernaufgaben Modellaufgabe 1: I. Wenn Sie bestimmte Sprachelemente behalten wollen, dann wird es Ihnen helfen, wenn Sie sich mit ihnen aktiv auseinandersetzen. Eine Möglichkeit dazu besteht darin, dass Sie diese in anderen Zusammenhängen, d.h. in neuen Kombinationen, z.B. in Sätzen benutzen. Wo würden Sie das tun?

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II. Beantworten Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin die folgenden Fragen: Welches Ziel sollten präpositionale Wendungen aus dem Kasten Sie erreichen? lernen Was haben Sie gemacht, um das Ich habe die einzelnen präpositionalen Ziel zu erreichen? Wendungen in neuen Sätzen verwendet, d.h. die Sprachelemente in neuen Zusammenhängen benutzt. Was war das Ergebnis? Woher Ich habe die Wendungen durch ihre wiewissen Sie es? derholte Verwendung in unterschiedlichen Sätzen im Kopf behalten. Wie erklären Sie sich, dass dieses Ergebnis dabei herausgekommen ist? Würden Sie ein nächstes Mal in solch einer Lernsituation wieder so vorgehen? - Wenn ja: warum?

Das Herstellen von mentalen Bezügen hat mir geholfen, die Wendungen zu behalten. Dies ist viel besser als sie nur zu büffeln. Ja, selbstverständlich.

Wenn Ich bestimmte Sprachelemente erlernen will, soll ich diese in neuen Zusammenhängen gebrauchen.

- Wenn nicht, was würden Sie anders machen? ----Wie?

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Warum?

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In der Modellaufgabe 1 wurden parallel zwei Aspekte der ursprünglichen Aufgabe bearbeitet, und zwar die motivierenden Aspekte und die Regulierung des eigenen Lernens. Was die Motivation zum Handeln/Lernen betrifft, wurde diese erheblich erhöht, indem die Anleitung personalisiert wurde. Dadurch kann die persönliche Betroffenheit der Lerner hervorgerufen werden, was wiederum die Interessen der Lerner an der Übung weckt. Was die Regulierung des eigenen Lernens angeht, kann man hier bemerken, dass die Lerner am Anfang in einer zusätzlichen Anweisung darauf hingewiesen werden, wie sie die Aufgabe erfolgreich lösen können. Die Lernstrategie wird also explizit formuliert. Im Anschluss werden sie nach der Lösung der Übung zum Reflektieren über ihr eigenes Verfahren angespornt, indem sie die Fragen in der Tabelle beantworten sollen. So kann die Bewusstmachung des angestrebten Lernziels schließlich eintreten, was ihnen in ähnlichen Lernsituationen in der Zukunft helfen kann. Dieses Verfahren resultiert schließlich in dem sachkundigen Einsatz der Lernstrategie. Wie die Lernenden auf die Fragen in der Tabelle antworten können, wurde in dieser Aufgabe veranschaulicht. Modellaufgabe 2: I. Schauen Sie sich die folgende Aufgabe an und versuchen Sie, die Fragen in der Tabelle zu beantworten: Welches Ziel sollen Sie erreichen? Was werden Sie machen, um das Ziel zu erreichen? Was wird wohl das Ergebnis sein?

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Wählen Sie fünf aus den folgenden Wörtern, die Sie interessieren, dann wählen Sie einen Gesprächspartner und versuchen Sie, diese Wörter im Gespräch zu erklären:

II. Beantworten Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin die folgenden Fragen in der Tabelle und machen Sie sich dabei Notizen: Welches Ziel sollten Sie erreichen? Was haben Sie gemacht, um das Ziel zu erreichen? Was war das Ergebnis? Woher wissen Sie es? Wie erklären Sie sich, dass dieses Ergebnis dabei herausgekommen ist? Würden Sie ein nächstes Mal in solch einer Lernsituation wieder so vorgehen? - Wenn ja: warum? - Wenn nicht, was würden Sie anders machen? Wie? Warum?

Auch in der Modellaufgabe 2 wurden zwei Aspekte der ursprünglichen Version der Übung überarbeitet, und zwar die motivierenden Aspekte und die Regulierung des eigenen Lernens. Was die Motivation betrifft, wurde die Anleitung so angepasst, dass die persönliche Betroffenheit der Lerner dadurch erregt wird, was wiederum den Lernenden Lust zum Handeln einflössen kann. Bezüglich der Regulierung des eigenen Lernens ist anzumerken, dass die Lerner über ihr Verfahren bei der Durchführung der Lernaufgabe noch vor deren Beginn hypothetisieren sollen, indem sie die Fragen in der ersten Tabelle beantworten. Dies führt zum Auslösen des Prozesses des Reflektierens über ihr eigenes Lernen und zugleich zu ihrer Stimulation, wobei sie das hypothetische Verfahren im Laufe der Ausführung der Aufgabe überprüfen. Anschließend sollen sie am Ende, nachdem die Aufgabe gelöst worden ist, weitere Fragen beantworten, mithilfe von denen sie erkennen können, ob der vermutete Vorgang richtig und wirksam war. Dabei sollen sie sich der angewandten Lernstrategie, und zwar Wörter und Ausdrücke analysieren, um deren Bedeutung zu erschließen, bewusst werden. Außerdem können sie mithilfe von derartig umfangreicher Reflexion lernen, wie sie in einer ähnlichen Lernsituation in der Zukunft effektiv vorgehen sollen. So kommt es zur endgültigen Bewusstma-

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chung des beabsichtigten Effekts der Lernaufgabe und zur sachkundigen Anwendung derjenigen Lernstrategie. 4. Zusammenfassung Die innerhalb von diesem Beitrag durchgeführte Analyse hat die aufgestellte Hypothese bestätigt, und zwar der Einsatz der Lernstrategien wird in den Originalaufgaben nur indirekt gefordert, weswegen deren weitere Bearbeitung für den Zweck der bewussten und sachkundigen Vermittlung der Lernstrategien notwendig ist, wobei gezeigt wurde, wie dies gemacht werden kann. Der Nutzen von diesem Beitrag besteht darin, dass hier ein Modell für die Analyse und Bearbeitung der in unterschiedlichen DaF-Lehrwerken vorkommenden Aufgaben in Hinblick auf die direkte und sachkundige Förderung der Lernstrategien für andere Lehrer anbietet, so dass sie erfolgreiche, effektive und allmählich autonome Lerner hervorbringen können.

Literaturverzeichnis: BANNERT, M. – SCHNOTZ, W.: Vorstellungsbilder und Imagery-Strategien. In Handbuch Lernstrategien. Göttingen: Hogrefe Verlag GmbH 2006, S. 414. BIMMEL, P. – RAMPILLON, U.: Lernautonomie und Lernstrategien (Fernstudienangebot Deutsch als Fremdsprache 23). München: Langenscheidt 2000. S. 208. KONRAD, K.: Lernen eigenständig reflektieren, überwachen und kontrollieren: explorative Analyse handlungsleitender Kognitionen. Landau: Verlag Empirische Pädagogik 1997. S. 145. NEUNER-ANFINDSEN, S.: Fremdsprachenlernen und Lernautonomie: Sprachlernbewusstsein, Lernprozessorganisation und Lernstrategien zum Wortschatzlernen in Deutsch als Fremdsprache. Band 1. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2005. S. 436. OXFORD, R.: Language Learning Strategies. What every teacher should know. Boston: Heinle & Heinle Publishers 1990. p. 342. OXFORD, R.: Language learning strategies: an update. In ERIC Digest Clearinghouse on Languages and Linguistics [online]. Washington: Call Center for Applied Linguistics, 1994 [cit. 2013–03– 20]. Dostupné na: OXFORD, R.: Language learning strategies around the world: cross cultural perspectives. University of Hawaii: Second language teaching & curriculum center 1996. p. 299. OXFORD, R. – SHEARIN, J.: Language learning motivation: Expanding the theoretical framework. In The Modern Language Journal, 1994, vol. 78, nr. 1, p. 12-28. RAMPILLON, U.: Lernen leichter machen. Ismanig: Max Hueber Verlag 1995. S. 175. SCHARLE, A. – SZABÓ, A.: Learner Autonomy. A guide to developing learner responsibility. Cambridge: Cambridge University Press 2000. pp. 112. SPERBER, H. G.: Mnemotechniken im Fremdsprachenerwerb: mit Schwerpunkt „Deutsch als Fremdsprache“. München: Iudicium Verlag GmbH 1989. S. 344. WENDEN, A.: Learners Strategies for learner autonomy. Planning and implementing learner training for language learners. Cambridge: University Press 1991. p. 299.

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