VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN UND KULTURELLE VIELFALT IN DER MUSIKBRANCHE

GENERALDIREKTION INNERE POLITIKBEREICHE FACHABTEILUNG B: STRUKTUR- UND KOHÄSIONSPOLITIK KULTUR UND BILDUNG VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN UND KULTURELLE...
Author: Georg Baum
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GENERALDIREKTION INNERE POLITIKBEREICHE FACHABTEILUNG B: STRUKTUR- UND KOHÄSIONSPOLITIK

KULTUR UND BILDUNG

VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN UND KULTURELLE VIELFALT IN DER MUSIKBRANCHE

STUDIE

Dieses Dokument angefordert.

wurde

vom

Ausschuss

für

Kultur

des

Europäischen

Parlaments

VERFASSER

Hellenic Foundation for European and Foreign Policy (Wissenschaftliche Koordination)1

VERANTWORTLICH Gonçalo Macedo Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik Europäisches Parlament B-1047 Brüssel E-Mail: [email protected]

SPRACHFASSUNGEN Original: EN Übersetzungen: DE, FR.

ÜBER DEN HERAUSGEBER Kontakt zur Fachabteilung oder Bestellung des monatlichen Newsletters: [email protected] Redaktionsschluss: Juni 2009 Brüssel, © Europäisches Parlament, 2009 Dieses Dokument ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.europarl.europa.eu/studies

HAFTUNGSAUSSCHLUSS Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung des Verfassers wieder und entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Nachdruck und Übersetzung – außer zu kommerziellen Zwecken – mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

1

Mitarbeit: Christine Altemark, Thomas Hoeren, Institut für Information, Telekommunikation und Medienrecht der Universität Münster, Deutschland; Violaine Dehin und María-José Iglesias, Universität Namur, Belgien; Giuseppe Mazziotti, Universität Kopenhagen, Dänemark (mit Rechercheunterstützung durch Simona Florio, Master-Studierende an der Roma-Tre-Universität, Italien); Evangelia Psychogiopoulou, Griechische Stiftung für Europäische und Aussenpolitik, Griechenland; Katharine Sarikakis, Internationales Kommunikationszentrum (CICR), Universität Leeds, Vereinigtes Königreich; Eleftherios Zacharias, Wirtschaftsuniversität Athen, Griechenland.

GENERALDIREKTION INNERE POLITIKBEREICHE FACHABTEILUNG B: STRUKTUR- UND KOHÄSIONSPOLITIK

KULTUR UND BILDUNG

VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN UND KULTURELLE VIELFALT IN DER MUSIKBRANCHE

STUDIE Kurzfassung: In dieser Studie wird untersucht, in welcher Weise sich die Politik der EU im Bereich der Lizenzierung von Musikrechten (vor allem bei Online-Diensten) auf die kulturelle Vielfalt auswirkt. Dazu werden Informationen über die Popularität analysiert, derer sich drei Arten von Repertoires (angloamerikanisches Repertoire, EU-Repertoire und Repertoire des jeweiligen Landes) in den letzten Jahren in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten erfreuten. Wie sich zeigt, schwächen die derzeitigen Maßnahmen die Stellung von Textautoren und Komponisten und stellen somit eine Herausforderung für die kulturelle Vielfalt dar.

IP/B/CULT/IC/2008_136 PE 419.110

06/2009 DE

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

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INHALT ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS..................................................................................5 LIST DER TABELLEN..............................................................................................7 LIST DER DIAGRAMMEN .......................................................................................7 ZUSAMMENFASSUNG ............................................................................................9 EINLEITUNG .......................................................................................................15 1. RECHTEWAHRNEHMUNG IN DER EUROPÄISCHEN UNION: DIE GRUNDLAGEN17 1.1.

Urheberrecht und Musikrechtewahrnehmung in der EU: einleitende Bemerkungen ..................................................................................... 18

1.2.

Kollektive Wahrnehmung von Musikrechten und kulturelle Vielfalt ..... 20

1.3.

Territorialität und traditionelle Modelle der grenzüberschreitenden Wahrnehmung von Musikrechten........................................................ 21

1.4.

Jüngste EU-Maßnahmen in Sachen kollektive Rechtewahrnehmung .... 22

1.5.

Gebietsübergreifende Musikrechtelizenzierung: Die Meinung der Branche .............................................................................................. 25

2. MULTITERRITORIALE LIZENZIERUNG FÜR DIE DIGITALE VERWERTUNG VON MUSIKRECHTEN: MARKTENTWICKLUNGEN ....................................................33 2.1.

Neu geschaffene Einheiten für die multiterritoriale Lizenzierung im digitalen Bereich ................................................................................ 33

2.2.

Weitere bereits angelaufene oder geplante Initiativen zur multiterritorialen Lizenzierung im digitalen Bereich............................ 36

2.3.

Multiterritoriale Lizenzierung für die digitale Verwertung von Musikrechten: Eine Bilanz ................................................................... 38

3. KOLLEKTIVE RECHTEWAHRNEHMUNG IN EUROPA: ERREICHTER STAND .......43 3.1.

Belgien ............................................................................................... 45

3.2.

Deutschland ....................................................................................... 59

3.3.

Italien ................................................................................................ 70

3.4.

Spanien .............................................................................................. 85

3.5.

Vereinigtes Königreich........................................................................ 92

4. KOLLEKTIVE WAHRNEHMUNG DER RECHTE IN EUROPA: KÜNFTIGES VORGEHEN ..................................................................................................109 4.1.

Neue Ansätze für die Abklärung von Musikrechten ................................ 109

4.2.

Abklärung von Musikrechten: Das Streben nach kultureller Vielfalt ....... 112

4.3.

Der Wert der einheimischen und ausländischen Repertoires in ausgewählten europäischen Ländern ..................................................... 113

4.4.

Wichtigstes ausländisches Publikum der europäischen Repertoires und wichtigste ausländische Repertoires auf europäischen Musikmärkten.... 118

4.5.

Auf der Suche nach dem geeigneten Lizenzierungsmodell ..................... 121

BIBLIOGRAFIE..................................................................................................127 BEFRAGTE ORGANISATIONEN ..........................................................................131 Anhang A ..........................................................................................................133

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Anhang B ..........................................................................................................169 Anhang C ..........................................................................................................171 Anhang D..........................................................................................................177 Anhang E ..........................................................................................................179

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ADAMI Gesellschaft für die Verwaltung der Urheberrechte von Künstlern und Musikern (Frankreich AFI Italienische Vereinigung phonographischer Produzenten AGEDI Vereinigung für die Verwaltung geistiger Eigentumsrechte (Spanien) AIE Verwertungsgesellschaft für Künstler und ausübende Künstler (Spanien) AURA Association of United Recording Artists (Vereinigtes Königreich) BEA Belgian Entertainment Association CELAS Centralised European Licensing and Administrative Service CISAC Confédération Internationale des Compositeurs (Internationaler Urheberrechtsgesellschaften)

Sociétés d’Auteurs Dachverband

et der

DPMA Deutsches Patent- und Markenamt EG Europäische Gemeinschaft EU Europäische Union EuGeI Gericht erster Instanz EuGH Gerichtshof EWR Europäischer Wirtschaftsraum FIMI Verband der italienischen Musikindustrie GD Generaldirektion GEMA Gesellschaft für musikalische AufführungsVervielfältigungsrechte (Deutschland)

und

mechanische

GESAC Groupement Européen des Sociétés d’Auteurs et Compositeurs (Europäischer Dachverband der Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung der Rechte von Autoren und Komponisten) GVL Gesellschaft zur (Deutschland)

Verwertung

von

Leistungsschutzrechen

ICMP Internationaler Verband der Musikverleger

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

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IFPI Weltverband der Phonoindustrie IMAIE Organisation für die Wahrnehmung der Rechte ausübender Künstler (Italien) MCPS Mechanical Copyright Protection Society (Vereinigtes Königreich) PAECOL Pan-European Central Online Licensing (Gesellschaft für paneuropäische Lizenzierung der mechanischen Onlinerechte) PAMRA Performing Königreich)

Artists'

Media

Rights

Association

die

(Vereinigtes

PEDL Initiative für paneuropäische digitale Lizenzierung PEL Initiative für die paneuropäische lateinamerikanischen Repertoires

Lizenzierung

des

PMI Unabhängige Musikproduzenten (Italien) PPL Phonographic Performance Limited (Vereinigtes Königreich) PRS Performing Rights Society (Vereinigtes Königreich) RAAP Recorded Artists and Performers (Irland) SACEM Verwertungsgesellschaft für Texter, Komponisten und Musikverlage (Frankreich) SABAM Belgische Verwertungsgesellschaft für Texter, Komponisten und Musikverlage SCF Konsortium von Tonträgerherstellern (Italien) SGAE Spanische Verwertungsgesellschaft für Texter, Komponisten und Musikverlage SIAE Italienische Verwertungsgesellschaft für Texter und Musikverlage SIMIM Belgische Verwertungsgesellschaft für Tonträgerhersteller UNESCO Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur WIPO Weltorganisation für geistiges Eigentum

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

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LIST DER TABELLEN 3.1. 3.2. 3.3. 3.4. 3.5. 3.6. 3.7. 3.8. 3.9. 3.10. 3.11. 3.12. 3.13. 3.14. 3.15. 3.16. 3.17. 3.18 3.19. 3.20. 3.21. 3.22. 3.23. 3.24. 3.25. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 4.6. 4.7. 4.8. 4.9. 4.10. 4.11.

IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 46 SABAM - Mitgliedschaft 47 Ausschüttungen der SABAM an die Autoren und Komponisten 49 Ausschüttungen der SABAM an die Verlage 50 Ausschüttungen der SABAM für ausländisches Repertoire (K. Aussch.: keine Ausschüttung) 52 Einnahmen der SABAM aus dem Ausland für das einheimische Repertoire 54 Lizenzierungstätigkeit der SABAM 56 IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 60 Ausschüttungen der GEMA an ihre Mitglieder 64 Ausschüttungen der GEMA für ausländisches Repertoire 65 Einnahmen der GEMA aus dem Ausland für das einheimische Repertoire 67 IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 71 SIAE-Mitglieder, an die Tantiemen gezahlt wurden 73 Der Wert der Repertoires 75 Ausschüttungen der SIAE für ausländisches Repertoire 76 Einnahmen der SIAE aus dem Ausland (für das einheimische Repertoire) 78 IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 85 Die bedeutendsten Tonträgerhersteller 86 Anzahl der von der SGAE erteilten Lizenzen 89 IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 93 Ausschüttungen der MPCS an die Mitglieder 97 Ausschüttungen der PRS an Musikschaffende 98 Ausschüttungen der PRS an Verlage 98 Von der PRS abgeführte Nutzungsgebühren für das ausländische Repertoire 99 Internationale Einnahmen der PRS für das einheimische Repertoire 101 Einheimisches Repertoire: einheimische Verwertung 114 Einheimisches Repertoire: Verwertung im Ausland 115 Europäisches Repertoire (einschließlich britisches Repertoire) 116 Europäisches Repertoire (ohne britisches Repertoire) 116 Angloamerikanisches Repertoire 117 Internationales Repertoire 117 Das europäische Publikum der deutschen, italienischen, belgischen und britischen Repertoires - die 5 führenden Länder 118 Das ausländische Publikum der deutschen, italienischen, belgischen und britischen Repertoires – die 5 führenden Länder 119 Die 5 führenden europäischen Repertoires in Deutschland, Italien, Belgien und dem Vereinigten Königreich 119 Die 5 führenden ausländischen Repertoires in Deutschland, Italien, Belgien und dem Vereinigten Königreich 120 Wachtstumsraten 122

LIST DER DIAGRAMMEN 4.1. 4.2. 4.3.

Einheimisches Repertoire Einheimisches Repertoire im Ausland Ausländisches Repertoire

7

114 115 116

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

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ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten kann generell auf zweierlei Weise erfolgen: entweder individuell durch die Rechteinhaber (d. h. Komponisten, Autoren, Musikverlage, ausübende Künstler und Tonträgerhersteller), die direkt mit dem gewerblichen Nutzer des geschützten Werkes verhandeln, oder kollektiv durch Inanspruchnahme der Dienste von Verwertungsgesellschaften. Obgleich die Rechteinhaber im Prinzip frei darüber entscheiden können, ob sie ihre Rechte persönlich oder nicht persönlich wahrnehmen, ist in bestimmten Fällen eine kollektive Rechtewahrnehmung durch einzelstaatliches oder EU-Recht zwingend vorgeschrieben. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der individuellen Wahrnehmung bei bestimmten Arten der Inhaltsverwertung hat sich die kollektive Rechtewahrnehmung in allen EU-Ländern als wesentliches europäisches Merkmal durchgesetzt. In den EU-Mitgliedstaaten wurden Verwertungsgesellschaften eingerichtet, die üblicherweise mit folgenden Aufgaben betraut sind: a) Aushandlung von Lizenzgebühren und Erteilung von Einwilligungen zur kommerziellen Verwertung von Musikinhalten; b) Einziehung von Nutzungsgebühren für die Rechteinhaber; c) Verteilung der Erträge an die Rechteinhaber und d) Überwachung der Inhaltsnutzung. In vielen europäischen Ländern sind die Verwertungsgesellschaften zudem gesetzlich verpflichtet, das künstlerische Schaffen durch die finanzielle Unterstützung bestimmter kultureller und sozialer Zwecke zu fördern. Jahrzehntelang konzentrierte sich die Wahrnehmung der Rechte von Urhebern und Musikverlagen durch Verwertungsgesellschaften auf Multirepertoire-Lizenzregelungen für nur ein Gebiet. Die meisten europäischen Verwertungsgesellschaften sind miteinander durch bilaterale Vereinbarungen verbunden, die eine gegenseitige Vertretung ihres Repertoires ermöglichen. Nach diesem System ist jede Verwertungsgesellschaft berechtigt, nicht nur für das Repertoire der eigenen Mitglieder, sondern auch für das Repertoire der mit ihr assoziierten Gesellschaften Lizenzen zur kommerziellen Auswertung im Land ihrer Niederlassung zu erteilen. Den Verwertungsgesellschaften, die ausübende Künstler und Tonträgerhersteller vertreten, ist es nicht gelungen, für diese ein so modernes und feingesponnenes System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zu etablieren wie bei den Rechten der Urheber und Musikverlage. Mit dem Vormarsch neuer Technologien und der Ausweitung von Diensten für digitale Inhalte entspann sich eine hitzige Debatte um das optimale Modell für die Wahrnehmung von Schutzrechten für Musikdienste, so dass die europäischen Institutionen schließlich zur Tat schritten. Am 18. Mai 2005 veröffentlichte die Europäische Kommission die Empfehlung 2005/737/EG für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden, und sprach sich darin für eine multiterritoriale Lizenzierung im Online-Bereich aus. Die ein paar Jahre später herausgegebene Mitteilung der Kommission über kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt verwies auf die notwendige Verbesserung der bestehenden

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__________________________________________________________________________________________ Lizenzierungsmechanismen für kreative Inhalte verschiedener Art, einschließlich Musik, damit Verfahren zur gebietsübergreifenden Abklärung von Rechten entwickelt werden können. Die sogenannte CISAC-Entscheidung der Kommission vom Juli 2008 vermittelte weitere Einblicke in das System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwischen europäischen Verwertungsgesellschaften und seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht.

Ziel der Studie Diese Studie vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebene Studie soll eine Übersicht über die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Musikrechtewahrnehmung geben und untersuchen, auf welche Weise die EU-Politik der Musikrechtelizenzierung die kulturelle Vielfalt im Musiksektor beeinflusst (oder möglicherweise beeinflusst). Im Mittelpunkt des Begriffs der kulturellen Vielfalt stehen die Produktion und Verbreitung vielfältiger kultureller Ausdrucksformen. Speziell im Musikbereich liegt das Wesen der kulturellen Vielfalt in der Schaffung und Verbreitung verschiedenartiger musikalischer Inhalte. Eine angemessene Vergütung der Schöpfer und der Zugang zu einem breiten musikalischen Repertoirespektrum sind unerlässliche Vorbedingungen für die Bewahrung und weitere Belebung des kulturellen Reichtums Europas. Die Studie beruht auf der Prämisse, dass die Wahrnehmung von Musikrechten weitreichende Auswirkungen auf die kreative Tätigkeit und die Marktverfügbarkeit vielfältiger musikalischer Inhalte haben kann. Das Geschäftsmodell für die Einziehung und Verteilung von Vergütungen an die Rechteinhaber kann den Umfang der schöpferischen Leistung beeinflussen und das Vorhandensein verschiedener Musikrepertoirearten auf dem Markt bestimmen. Zur Untersuchung der kulturellen Auswirkungen der neuesten EU-Maßnahmen im Bereich der Musikrechtewahrnehmung und entsprechender Marktentwicklungen wurden eingehende Recherchen in fünf EU-Mitgliedstaaten angestellt, die als „Fallstudien“ ausgewählt wurden: Belgien, Deutschland, Italien, Spanien und Vereinigtes Königreich. Die Koordination der Recherchen übernahm die Hellenic Foundation for European and Foreign Policy (ELIAMEP), die sich dabei auf das Fachwissen eines Teams von Wissenschaftlern und Forschern stützte, die sich auf den Bereich „geistiges Eigentum“ spezialisiert haben. Nachdem die Arbeiten am 27. November 2008 begonnen hatten, fand der Großteil der Untersuchungen im ersten Halbjahr 2009 statt. Es wurden direkte Kontakte zu den Verwertungsgesellschaften in den genannten Ländern aufgenommen, die die Rechte der Autoren, Komponisten, Musikverlage, ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller verwalten. Informationen wurden zudem von Verwertungsgesellschaften weiterer EULänder, auf nationaler und europäischer Ebene tätigen Künstlervereinigungen, Vertretungsgremien der Musikverlage, gewerblichen Nutzern geschützter musikalischer Inhalte und von der Tonträgerbranche eingeholt. Die Datenerfassung erfolgte über mündliche Befragungen und schriftliche Antworten auf eine Reihe von Fragebögen, die zu Recherchezwecken erstellt wurden.

Inhalt der Studie Das erste Kapitel der Studie behandelt folgende Themen: •

die grundlegenden Merkmale der verwandten Schutzrechten in der EU; 10

Wahrnehmung

von

Urheberrechten

und

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ •

die kulturelle Dimension der kollektiven Rechtewahrnehmung;



die Hauptmerkmale des Lizenzierungsmodells, das bisher zur grenzüberschreitenden Abklärung von Musikrechten im Offline- und Online-Bereich angewendet wird;



die jüngsten EU-Maßnahmen im Bereich der Wahrnehmung von Musikrechten und in Bezug auf die multiterritoriale und im Wesentlichen gesamteuropäische Musikrechtelizenzierung für die digitale Verwertung musikalischer Inhalte;



Art und Umfang der wichtigsten Reaktionen des Musiksektors auf den von den europäischen Institutionen propagierten neuen Ansatz zur Lizenzierung digitaler Musikrechte.

Im zweiten Kapitel werden Marktentwicklungen auf dem Gebiet der digitalen Musikrechtewahrnehmung beleuchtet und aufkommende Geschäftsmodelle untersucht. Dargelegt werden •

die neuen Strukturen, die zur Bereitstellung EU-weiter Lizenzen im digitalen Umfeld errichtet wurden, sowie



verschiedene dazu gestartete oder vorgesehene Initiativen.

Der letzte Abschnitt endet mit einer Beurteilung dieser neuen Lizenzierungstrends. Kapitel 3 enthält einen länderübergreifenden Überblick über die kollektive Wahrnehmung von Musikrechten vor und nach dem Aufkommen neuer Lizenzierungstrends für die digitale Auswertung von Werken der Musik. Dabei geht es nicht darum, die tatsächlichen Auswirkungen von EU-Maßnahmen zu digitalen Musikrechten auf die europäischen Verwertungsgesellschaften und deren Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Pflichten herauszustellen. Da Zahlenangaben zu den Erträgen, die den Rechteinhabern aufgrund der neuen digitalen Lizenzierungsmodelle zufließen, nicht offengelegt werden, ist eine kurze wirtschaftliche Analyse der Auswirkungen dieser Modelle auf die Lizenzierungsleistung europäischer Verwertungsgesellschaften nicht möglich. Vielmehr besteht das Ziel darin zu ermitteln, welche potenziellen Folgen die systemischen Veränderungen, die sich derzeit im Bereich der Musikrechtewahrnehmung vollziehen, für die kulturelle Vielfalt und konkret für die Schaffung und Marktverbreitung vielfältiger musikalischer Inhalte haben. Somit wird eine detaillierte Untersuchung des Wertes und der Handelsströme des Musikrepertoires ausgewählter EU-Länder vorgenommen. Die Analyse beleuchtet vier Repertoirearten (einheimisches, europäisches, angloamerikanisches und internationales Repertoire) und stützt sich auf quantitative und qualitative Angaben der Verwertungsgesellschaften mit Sitz in den betreffenden Ländern. Darüber hinaus werden die wichtigsten Lenkungsregeln dargelegt, die die Verwertungsgesellschaften im Tagesgeschäft anwenden, da derartige Informationen Aufschluss darüber geben, welche Interessen die verschiedenen Akteure im Bereich der kollektiven Wahrnehmung von Rechten verfolgen. Aufmerksamkeit gilt außerdem der Lizenzierungsleistung der lokalen Verwertungsgesellschaft vor allem im digitalen Umfeld, da die Auswirkungen von EUMaßnahmen im Bereich der digitalen Musikrechteverwaltung dort zuerst in Erscheinung treten (bzw. in Erscheinung treten könnten).

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__________________________________________________________________________________________ Ausgehend von dieser Analyse wird im letzten Kapitel der Studie •

herausgearbeitet, wie sich die Musikbranche gegenüber dem neuen, von den europäischen Institutionen propagierten gesamteuropäischen Lizenzierungsansatz positioniert hat;



analysiert, welche potenziellen Effekte die ermittelten neuen Lizenzierungsmodelle auf den Markt haben bzw. wie sich deren weitere Entwicklung auf die kulturelle Vielfalt auswirkt;



die derzeitige wertmäßige und repertoireverteilungsbedingte Diversifizierung des europäischen Musikmarkts vergleichend untersucht und



politische Optionen für die europäischen Institutionen im Hinblick grenzüberschreitende Wahrnehmung von Musikrechten formuliert.

auf

die

Die wichtigsten Erkenntnisse Im Zuge der EU-Maßnahmen im Bereich der Musikrechteverwaltung für die digitale Verwertung sind von den Marktakteuren verschiedene Geschäftsmodelle zur multiterritorialen Abklärung von Musikrechten in Erwägung gezogen worden. Dabei ging es im Wesentlichen um die Wahrnehmung von Urheberrechten, und zwar der Rechte von Komponisten, Textautoren und Musikverlegern, und nicht um die Wahrnehmung von verwandten Schutzrechten der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller. Obgleich nicht alle betrachteten Geschäftsmodelle zur Erteilung gesamteuropäischer Lizenzen geführt haben, liegt es doch auf der Hand, dass das EU-Ziel, die territoriale Segmentierung der Urheberrechtsverwaltung im digitalen Umfeld zu überwinden, erreicht worden ist. Die neuen Kanäle der Lizenzerteilung, die zur Bereitstellung EU-weiter Lizenzen eingerichtet wurden und sich im Einsatz befinden, betreffen bestimmte Repertoirearten, vor allem das angloamerikanische Repertoire. Dies steht im Gegensatz zum bisherigen Gegenseitigkeitssystem der Verwertungsgesellschaften, wonach jede Gesellschaft den Zugang zum gesamten Repertoire der auf ihrem Territorium am System beteiligten Verwertungsgesellschaft gewähren konnte. Die neuen Lizenzregelungen ermöglichen die Erteilung von Einzelrepertoirelizenzen für mehrere Gebiete. Ein wirklich mehrere Gebiete und mehrere Repertoirearten umfassendes System besteht also nicht. Somit stellt die Fragmentierung des Repertoires eines der Hauptergebnisse der EU-Maßnahmen im Bereich Musikrechteverwaltung dar. Die meisten Geschäftsmodelle, die auf dem Markt der digitalen Musikrechte-Lizenzierung als Reaktion auf EU-Maßnahmen entstanden sind, stammen von großen Musikverlagen. Diese Verlage haben viel Zeit und Geld in die Entwicklung von MehrgebietslizenzMechanismen investiert. Die meisten dieser Mechanismen beruhen auf der Abkehr vom System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen für ihre mechanischen Vervielfältigungsrechte am angloamerikanischen Repertoire in Bezug auf die digitale Lizenzierung. Diese Rechte wurden speziellen Verwertungsgesellschaften oder neu geschaffenen Verwertungsstellen für die gesamteuropäische digitale Auswertung übertragen. Viele europäische Verwertungsgesellschaften (vor allem kleine und mittelgroße) haben diese Marktentwicklungen kritisiert und darauf hingewiesen, dass sie zu einer übermäßigen Zentralisierung der Marktmacht und der Repertoires auf EU-Ebene sowie zu einem unerwünschten Wettbewerb zum Nachteil kommerziell weniger erfolgreicher und lokaler

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Repertoires führen würden. Auch das Argument, dass ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit in Gefahr gerate, wurde angebracht. Den Komponisten und Textautoren sind die neuen Trends bei der Lizenzierung und deren Auswirkungen auf ihre schöpferische Tätigkeit offenbar weitgehend unbekannt. Dagegen räumen die Musikverlage ein, dass die Einführung wirksamer Wege für die Erteilung von Mehrgebietslizenzen notwendig sei, wobei jedoch die Meinungen zur optimalen Vorgehensweise auseinandergehen. Gewerbliche Nutzer beklagen die Fragmentierung der Repertoires aufgrund der Abkehr großer Verlage vom Netzwerk der Gegenseitigkeitsvereinbarungen sowie die Rechtsunsicherheit dahingehend, welche Verwertungsstellen zur Lizenzvergabe berechtigt sind und welchen Umfang diese Lizenzen haben. Der Ausstieg großer Musikverlage aus dem System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen bei der EU-weiten digitalen Lizenzierung ist nicht gleichbedeutend mit der vollständigen Aufgabe des Netzwerks von Gegenseitigkeitsvereinbarungen. Große Verlage nehmen auch weiterhin die Dienste nationaler Verwertungsgesellschaften für andere Rechte in Anspruch, die sie am gleichen oder an anderen Repertoires innehaben, und verfügen über größere Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Lizenzierungstätigkeit der Verwertungsgesellschaften generell, etwa indem sie einen Abzug weiterer Repertoires und Rechte androhen. Daraus ergibt sich die Frage der ausgewogenen Vertretung der Interessen von Rechteinhabern. Komponisten und Autoren, die nicht von großen Musikverlagen vertreten werden. Auch lokale Musikverleger verfügen nicht über ausreichende Mittel zur Verfolgung und Wahrnehmung ihrer Interessen, was die kulturelle Vielfalt vor eine gewaltige Herausforderung stellt. Kapitel 3 belegt die Bedeutung des angloamerikanischen Repertoires als Einnahmequelle für die europäischen Verwertungsgesellschaften. Es ließe sich mit Fug und Recht darauf verweisen, dass die Verwertungsgesellschaften, die von der Verwaltung dieses Repertoires ausgeschlossen werden, nach und nach mit einem Rückgang der Umsätze rechnen müssen, was ihre Fähigkeit, sich um die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu kümmern, beeinträchtigen könnte. Außerdem scheint es, dass für gewerbliche Nutzer jetzt weniger Anreize zum Erwerb von Lizenzen für kleinere oder speziellere Repertoires vorhanden sind. Für einen Markteinsteiger, der gesamteuropäisch tätig sein will, stellt die Abklärung der Rechte für das kommerziell erfolgreichste, also das angloamerikanische, Repertoire eine Grundvoraussetzung dar. Da dieses zurzeit auf verschiedene Verwertungsgesellschaften aufgeteilt ist, müssen die Nutzer eine Vielzahl von Verhandlungen für die Abklärung führen. Die dabei entstehenden hohen Kosten könnten sie dazu veranlassen, von einer Rechtelizenzierung für lokale Repertoires abzusehen. Eine Direktlizenzierung könnte weiter erfolgen und sogar auf andere Repertoires und Musikrechte ausgeweitet werden, doch die Frage ist, welche Marktakteure sich der Bedürfnisse einzelner Autoren, Komponisten und Musikverleger annehmen. Sollte die Direktlizenzierung die Fähigkeit europäischer Verwertungsgesellschaften – zumindest der kleinen oder mittelgroßen Gesellschaften – beeinträchtigen, die Interessen aller ihrer Mitglieder wahrzunehmen, so wird sich dies nachteilig auf das Kulturschaffen und die Verbreitung vielfältiger Musikrepertoires in Europa auswirken.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ All das ist umso beunruhigender, wenn man bedenkt, dass der europäische Musikmarkt nicht so vielfältig ist, wie zu vermuten wäre. Den Erkenntnissen von Kapitel 3 und 4 zufolge entwickeln sich die Repertoires der EU-Mitgliedstaaten nicht im gleichen Tempo und zirkulieren innerhalb der EU nicht mit dem gleichen Erfolg. Für die Repertoires kleinerer EULänder und insbesondere der neuen Mitgliedstaaten ist der Zugang zu europäischen Märkten nicht leicht. Angesichts der Herausforderung der grenzüberschreitenden Lizenzierung von Musikrechten haben die Organe der EU mehrere politische Optionen: Sie können es dem Markt überlassen, seinen Rhythmus zu finden, oder sich für ein regulatorisches Eingreifen entscheiden. Mit der letztgenannten Option ergeben sich die verschiedensten Alternativen – nicht bindende Maßnahmen, Koregulierungssysteme oder legislative Intervention durch Harmonisierung. Zwar obliegt die Entscheidung darüber den europäischen Institutionen, doch steht zu befürchten, dass Geschäftsmodelle entstehen könnten, die die Diversifizierung der europäischen Musikszene noch mehr behindern, wenn die Marktentwicklung sich selbst überlassen bleibt. Letzen Endes ist die Wahrnehmung von Musikrechten nicht einfach eine Rechtsfrage. Aufgrund der Folgen für die Erhaltung und die Förderung der kulturellen Vielfalt in Europa handelt es sich um eine Angelegenheit von hoher politischer Relevanz. Vielleicht würde ein System, das es allen in der EU ansässigen Verwertungsgesellschaften und Lizenzerteilungsstellen ermöglicht, gesamteuropäische Lizenzen für mehrere Repertoires zu erteilen, und gleichzeitig den Wettbewerb um die Effizienz der erbrachten Leistungen und der Transaktionskosten fördert, allen beteiligten Seiten zugutekommen, also den Rechteinhabern, den Nutzern, aber auch den Endverbrauchern von Musik. Wirklich wichtig in Europa ist ein Mechanismus, mit dem die Musikrechteverwaltung durch eine verstärkte Zusammenarbeit der Verwertungsgesellschaften und anderen Lizenzerteilungsstellen folgende Ziele verfolgt: a) breite Verfügbarkeit und breiter Zugang zu vielfältigen Repertoires, einschließlich kleiner und spezialisierter Repertoires; b) eine ausgewogene Berücksichtigung der Interessen aller Rechteinhaber mit neuer Schwerpunktsetzung auf die Interessen der Schöpfer lokaler oder spezialisierter kultureller Inhalte; c) benutzerfreundliche, unkomplizierte und umfassende Dienste zur Rechteabklärung; d) höhere Transparenz und Rechenschaftspflicht der Verwertungsgesellschaften.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

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EINLEITUNG Der Wahrnehmung von Musikrechten wurde in den letzten Jahren auf Gemeinschaftsebene große Beachtung geschenkt. Am 18. Mai 2005 veröffentlichte die Europäische Kommission die Empfehlung 2005/737/EG für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden, und sprach sich darin für eine multiterritoriale Lizenzierung im Online-Bereich aus.2 Die ein paar Jahre später herausgegebene Mitteilung der Kommission über kreative OnlineInhalte im Binnenmarkt verwies auf die notwendige Verbesserung der bestehenden Lizenzierungsmechanismen für kreative Inhalte verschiedener Art, einschließlich Musik, damit Verfahren zur gebietsübergreifenden Abklärung von Rechten entwickelt werden können.3 Die kartellrechtliche Entscheidung der Kommission vom Juli 2008 in der Sache CISAC vermittelte weitere Einblicke in die Thematik der Musikrechtewahrnehmung.4 Diese Studie vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebene Studie soll eine Übersicht über die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Musikrechtewahrnehmung geben und untersuchen, auf welche Weise die EU-Politik der Musikrechtelizenzierung die kulturelle Vielfalt im Musiksektor beeinflusst (oder möglicherweise beeinflusst) In den letzten Jahren fanden die Themen Kultur, Kreativität und kulturelle Vielfalt immer mehr Resonanz in der Europapolitik. Die Mitteilung der Kommission von 2007 „über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“5 sowie die aktive Mitwirkung der Europäischen Gemeinschaft an der Aushandlung des UNESCO-Übereinkommens von 2005 zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen6 und ihr schneller Beitritt zu diesem Übereinkommen sind Ausdruck dafür, dass Kultur und kulturelle Vielfalt seitens der europäischen Institutionen verstärkte Beachtung genießen. Beide Dokumente sollten als Ergänzung zu Artikel 151 des EG-Vertrags betrachtet werden, insbesondere zu Absatz 4, in dem es heißt: „Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen dieses Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen.“ Im Mittelpunkt des Begriffs der kulturellen Vielfalt stehen die Produktion und Verbreitung vielfältiger kultureller Ausdrucksformen. Speziell im Musikbereich liegt das Wesen der kulturellen Vielfalt in der Schaffung und Verbreitung verschiedenartiger musikalischer Inhalte. Eine angemessene Vergütung der Urheber und der Zugang zu einem breiten musikalischen Repertoirespektrum sind unerlässliche Vorbedingungen für die Bewahrung und weitere Belebung des kulturellen Reichtums Europas.

2

3

4

5

6

Europäische Kommission, Empfehlung 2005/737/EG vom 18. Mai 2005 für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden, ABl. L 276 vom 21.10.2005, S. 54. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt, KOM(2007) 836, 3.1.2008. Europäische Kommission, Entscheidung C(2008) 3435 vom 16.7.2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 des EG-Vertrags und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/C2/38.698 – CISAC), abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/antitrust/cases/decisions/38698/de.pdf. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung, KOM(2007) 242. UNESCO-Übereinkommen von 2005 zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, abrufbar unter: http://www.unesco.de/konvention_kulturelle_vielfalt.html?&L=0.

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__________________________________________________________________________________________ Die Studie beruht auf der Prämisse, dass die Wahrnehmung von Musikrechten weitreichende Auswirkungen auf das kreative Schaffen und die Marktverfügbarkeit vielfältiger musikalischer Inhalte haben kann. In der Absicht, die Organe der EU bei der Konzipierung und Entwicklung von Politiken zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt zu unterstützen, werden in der Studie die kulturellen Auswirkungen der neuesten EU-Maßnahmen im Bereich der Musikrechtewahrnehmung. Zur Erreichung des genannten Ziels wurden eingehende Recherchen in fünf Mitgliedstaaten der EU angestellt, die als „Fallstudien“ ausgewählt wurden: Belgien, Deutschland, Italien, Spanien und Vereinigtes Königreich. Die Auswahl dieser Länder erfolgte ausgehend von der Notwendigkeit, qualitative und quantitative Daten zu sammeln, die die Realität der EU-27 im Großen und Ganzen widerspiegeln sowie eine vergleichende Analyse und aussagekräftige Schlussfolgerungen ermöglichen. Die Koordination der Recherchen übernahm die Hellenic Foundation for European and Foreign Policy (ELIAMEP), die sich dabei auf das Fachwissen eines Teams von Wissenschaftlern und Forschern mit Spezialrichtung geistiges Eigentum stützte. Nach Beginn der Arbeiten am 27. November 2008 fand der Großteil der Untersuchungen im ersten Halbjahr 2009 statt. Es wurden direkte Kontakte zu den Verwertungsgesellschaften in den genannten Ländern aufgenommen, die die Rechte der Autoren, Komponisten, Musikverlage, ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller verwalten. Informationen wurden zudem von Verwertungsgesellschaften weiterer EU-Länder, auf nationaler und europäischer Ebene tätigen Künstlervereinigungen, Vertretungsgremien der Musikverlage, gewerblichen Nutzern geschützter musikalischer Inhalte und von der Tonträgerbranche eingeholt. Die Datenerhebung erfolgte über mündliche Befragungen und schriftliche Antworten auf eine Reihe von Fragebögen, die zu Recherchezwecken erstellt wurden. Die Verfasser dieser Studie möchten betonen, dass die vollkommen freiwillige Offenlegung von Daten durch die Verwertungsgesellschaften ein entscheidendes Moment der Analyse darstellte. Auch wenn das Engagement der von uns Befragten unterschiedlich war, möchte ELIAMEP allen Akteuren danken, die sich an der Studie beteiligt und genaue und zuverlässige Angaben bereitgestellt haben.

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1. RECHTEWAHRNEHMUNG IN DER EUROPÄISCHEN UNION: DIE GRUNDLAGEN Die EU setzt sich seit langem für die Harmonisierung des Urheberrechts der Mitgliedstaaten ein. Seit Anfang der 1990er Jahre wurden mehrere Regulierungsmaßnahmen eingeleitet, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Kulturgüter und -dienstleistungen zu gewährleisten. In gesetzlichen Anordnungen wurden spezielle Kategorien von Rechten und Verwertungsarten anerkannt, sie hatten bestimmte Schutzelemente zum Gegenstand, wie z. B. die Befristung des Urheberrechts, oder die Durchsetzung.7 Insbesondere die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft hatte in Anbetracht der technologischen Entwicklung die Anpassung des Rechtsrahmens zum Ziel und brachte den Urheberrechtsschutz der EU mit den „Internetverträgen“ der WIPO in Einklang.8 Aspekte der kulturellen Vielfalt sind integraler Bestandteil der legislativen Maßnahmen. Obwohl die Harmonisierungsinstrumente auf EU-Ebene vorrangig dazu bestimmt sind, gesetzgeberische Disparitäten zwischen dem Urheberrecht der Mitgliedstaaten zu korrigieren, geht es auch darum, ein Rechtsumfeld zu schaffen, das der Kreativität und Innovation förderlich ist. Für die europäischen Institutionen ist ein wirksames System zum Schutz der Urheberrechte „eines der wichtigsten Instrumente, um die notwendigen Mittel für das kulturelle Schaffen in Europa zu garantieren“.9 Im Zuge der Bewertungen des EuGH und der wettbewerbsrechtlichen Prüfungen der Kommission seit Anfang der 1970er Jahre10 rückte das Thema Wahrnehmung der Musikrechte in letzter Zeit mit dem Anbruch des Multimediazeitalters und der Ausbreitung digitaler Dienste ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Das Aufkommen neuer Möglichkeiten der Produktion und Bereitstellung von Werken der Musik sowie des Zugriffs darauf löste eine Neubewertung traditioneller Modelle der Musikrechteverwaltung aus. Bislang haben die Maßnahmen der EU noch nicht die Form von Harmonisierungsmaßnahmen angenommen,

7

8

9 10

Richtlinie 92/100/EWG des Rates zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346 vom 27.11.1992, S. 61 (aufgehoben durch die Richtlinie 2006/115/EG, ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 28), Richtlinie 93/83/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. L 248 vom 6.10.1993, S. 15), Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. L 290 vom 24.11.1993, S. 9 (aufgehoben durch die Richtlinie 2006/116/EG, ABl. L 372 vom 27.12.2006, S. 12), Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001,S. 10, Richtlinie 2001/84/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks, ABl. L 272 vom 13.10.2001, S. 32, und Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. L 157 vom 20.4.2004, S. 45. Siehe auch Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte, KOM(2008) 464. Mit dem WIPO-Urheberrechtsvertrag zum Schutz der Urheber von Werken der Literatur und der Kunst sowie mit dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger zum Schutz der ausübenden Künstler und der Tonträgerhersteller wurden internationale Mindeststandards für das Urheberrecht im Online-Bereich festgelegt. Richtlinie 2001/29/EG, s. o., Erwägung 11. Siehe z. B. EuGH, Rechtssache 127/73, BRT/SABAM, Slg. 1974, 51, Rechtssache 7/82, GVL/Kommission, Slg. 1983, 483, Rechtssache 395/87, Strafverfahren gegen Tournier, Slg. 1989, 2521, Rechtssache 110/88, Lucazeau und andere/SACEM und andere, Slg. 1989, 2811. Siehe auch Europäische Kommission, Entscheidung 82/204/EWG vom 4. Dezember 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags (IV/29.971GEMA-Satzung), ABl. L 94 vom 8.4.1982, S. 12, und Entscheidung 81/1030/EWG vom 29. Oktober 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags (IV/29.839 - GVL), ABl. L 370 vom 28.12.1981.

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__________________________________________________________________________________________ sondern bauen vielmehr auf nicht bindenden Rechtsinstrumenten und die Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln auf. Als Ausgangspunkt für die anschließende Analyse werden in diesem Kapitel folgende Themen erörtert: die grundlegenden Merkmale der Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in der EU (Abschnitt 1.1), die kulturelle Dimension der kollektiven Rechtewahrnehmung (Abschnitt 1.2), die Hauptmerkmale des Lizenzierungsmodells, das bisher zur grenzübergreifenden Abklärung von Musikrechten angewendet wird (Abschnitt 1.3), die jüngsten Maßnahmen der EU in diesem Bereich (Abschnitt 1.4) sowie Art und Umfang der wichtigsten Reaktionen des Musiksektors auf neue Trends bei der Lizenzierung digitaler Musikrechte (Abschnitt 1.5).

1.1. Urheberrecht und Musikrechtewahrnehmung einleitende Bemerkungen

in

der

EU:

Das Urheberrecht schützt den Urheber eines Werks der Literatur, der Kunst, der Musik oder der Wissenschaft. Es zieht das ausschließliche Recht nach sich, die Verwertung des Werkes zu erlauben oder zu untersagen. Im Musikbereich erstreckt sich der urheberrechtliche Schutz auf die Urheber musikalischer Werke (d. h. Komponisten und Texter). Die Rechteinhaber profitieren von der Anerkennung zweier Hauptkategorien von Rechten: mechanische Rechte und Aufführungsrechte. Mechanische Rechte stehen für das Recht auf Vervielfältigung des geschützten Werkes durch die Herstellung physischer und immaterieller Kopien. Die Aufführungsrechte beziehen sich auf das Recht, das Werk öffentlich zu Gehör zu bringen oder darzustellen, einschließlich des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung. Musikverlage genießen keinen gesetzlichen (d. h. automatischen) Urheberrechtsschutz; sie erwerben mechanische und Aufführungsrechte derivativ von den Urhebern durch entsprechende Verträge mit diesen. Die „verwandten Schutzrechte“, die auch als „Leistungsschutzrechte“ bezeichnet werden, unterscheiden sich vom Urheberrecht dahingehend, dass sie Inhabern zustehen, die als Vermittler bei der Herstellung oder Verbreitung von Werken betrachtet werden. Im Musikbereich gelten derartige Rechte für ausübende Künstler und Tonträgerhersteller. Musiker und Sänger führen Musikwerke auf, die von Komponisten und Textern geschrieben wurden; Tonträgerhersteller übernehmen die Aufnahme und Produktion von Musikwerken, die von Komponisten und Textern geschrieben, von Musikern eingespielt oder von Interpreten eingesungen wurden. Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten kann generell auf zweierlei Weise erfolgen: entweder individuell durch den Rechteinhaber, der direkt mit dem gewerblichen Nutzer des geschützten Werkes verhandelt, oder kollektiv durch Inanspruchnahme der Dienste von Verwertungsgesellschaften. Bei der kollektiven Wahrnehmung übertragen die Rechteinhaber ihre Rechte an den kollektiven Rechtewahrnehmer bzw. vertrauen sie ihm an; dieser agiert in ihrem Interesse und in ihrem Namen und handelt mit Nutzern die entsprechende Vergütung und die Verwertungsbedingungen aus. Obgleich die Rechteinhaber im Prinzip frei darüber entscheiden können, ob sie ihre Rechte persönlich oder nicht persönlich wahrnehmen, ist in

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__________________________________________________________________________________________ bestimmten Fällen eine kollektive Rechtewahrnehmung durch einzelstaatliches oder EURecht zwingend vorgeschrieben.11 Die kollektive Wahrnehmung von Musikrechten ist ein europäisches Schlüsselmerkmal. Sie geht bis ins 19. Jahrhundert zurück und hat sich aufgrund der Schwierigkeiten bei der individuellen Wahrnehmung bei bestimmten Arten der Inhaltsverwertung in allen EULändern durchgesetzt. Aus praktischen Gründen sind Rechteinhaber nicht immer in der Lage, alle Fälle von Nutzung ihres Werkes zu kontrollieren und zu überwachen. So vermag ein Komponist nicht ohne Weiteres, alle verschiedenen Hörfunk- und Fernsehsender auszumachen, die seine Werke senden, und über Lizenzen zu verhandeln bzw. die entsprechende Vergütung einzutreiben. Eine nicht minder wichtige Rolle spielt die Tatsache, dass die Zahl der Nutzer, die urheberrechtlich geschützte Inhalte verwerten wollen, und der Umfang der Werke, die ein gewerblicher Nutzer zur Verwertung bringen möchte, die individuelle Wahrnehmung sowohl für Rechteinhaber als auch für die Nutzer zu einem ausgesprochen komplexen und aufwändigen Unterfangen machen können. Daraus, dass die kollektive Rechtewahrnehmung oft – zum Vorteil sowohl der Rechteinhaber als auch der Musikrechtelizenznehmer – die wirksamste Möglichkeit des Rechtehandels darstellt, erklärt sich weitgehend das bereits langjährige Wirken von Verwertungsgesellschaften in Europa. Ursprünglich als Vertreter der Urheber und Musikverlage, dann auch der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller sind die Verwertungsgesellschaften üblicherweise mit folgenden Aufgaben betraut worden: a) Aushandlung von Lizenzgebühren und Erteilung von Einwilligungen zur kommerziellen Verwertung von Musikinhalten, b) Einziehung von Nutzungsgebühren für die Rechteinhaber, c) Verteilung der Erträge an die Rechteinhaber und d) Überwachung der Inhaltsnutzung. In vielen europäischen Ländern sind Verwertungsgesellschaften zudem gesetzlich verpflichtet, das künstlerische Schaffen durch die finanzielle Unterstützung bestimmter kultureller und sozialer Zwecke zu fördern.12 Das reicht in der Regel von der Ausrichtung von Kulturfestivals und -veranstaltungen bis zur gezielten Lenkung von Mitteln in Sozialkassen für Künstler. Obgleich die Verwertungsgesellschaften nicht gewinnorientiert arbeiten, handelt es sich doch um wirtschaftliche Einheiten, die am Markt agieren. Um sich zu finanzieren und die eigenen Verwaltungskosten zu decken, ziehen sie normalerweise von den an die Rechteinhaber zu überweisenden Erträgen eine Gebühr ab. Gelegentlich erheben sie auch einen Mitgliedsbeitrag. Um ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sicherzustellen, müssen Verwertungsgesellschaften generell eine beträchtliche Zahl von Mitgliedern an sich binden und sich (für die Nutzer) attraktive Rechtekataloge und Repertoires zulegen. Aus Gründen insbesondere im Zusammenhang mit dem exklusiven Charakter der Urheberrechts und der Notwendigkeit, die genannten Leistungen abzusichern, stellen die Verwertungsgesellschaften in den meisten EU-Mitgliedstaaten einflussreiche Organisationen dar. Während sie in einigen EU-Ländern ausdrücklich als gesetzliche Monopole benannt sind13, wirken sie in anderen als De-facto-Monopole. Dieser Umstand löste sowohl bei Rechteinhabern als auch bei Lizenznehmern Kritik aus, und es wurden Forderungen nach

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12

13

In Richtlinie 93/83/EWG beispielsweise ist die obligatorische kollektive Wahrnehmung von Kabelweiterverbreitungsrechten vorgesehen. Einzelheiten siehe KEA, Study on collective management of rights in Europe: The quest for efficiency, abrufbar unter: http://www.keanet.eu/report/collectivemanpdffinal.pdf, S. 79. Siehe auch Capgemini, Music in Europe: sound or silence?, Study of domestic music repertoire and the impact of cultural policies of collecting societies in the EU25, abrufbar unter: http://www.soundorsilence.nl/ CapGemini_SoS_2005.pdf, S. 29. Siehe dazu KEA, Study on collective management of rights in Europe: The quest for efficiency (s.o.), S. 15.

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__________________________________________________________________________________________ höherer Verwaltungseffizienz und nach mehr Transparenz bei Tarifen, Einnahmenverteilung und Rechnungslegung laut. Die Tätigkeit europäischer Verwertungsgesellschaften ist auf EU-Ebene nicht harmonisiert. Daher bestehen von einem EU-Mitgliedstaat zum anderen erhebliche Unterschiede bei den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Aktivitäten dieser Gesellschaften.

1.2. Kollektive Wahrnehmung von Musikrechten und kulturelle Vielfalt Das System der kollektiven Wahrnehmung von Musikrechten hat unbestritten einen wichtigen kulturellen Bezug. Da Verwertungsgesellschaften in erster Linie für die Einziehung von Nutzungsgebühren und deren Verteilung an die Rechteinhaber verantwortlich sind, ermöglichen sie es mehr Kunstschaffenden (d. h. Urhebern und ausübenden Künstlern), ein Einkommen aus ihrem Kulturberuf zu erzielen, als es auf dem Wege der individuellen Rechtewahrnehmung möglich ist. Im Vergleich zu den potenziellen Ergebnissen der individuellen Wahrnehmung sind die von Verwertungsgesellschaften für die Rechteinhaber erzielten Erträge größer, da sie über einen signifikanten Vorteil bei der Kosteneffizienz verfügen. Es liegt auf der Hand: je effizienter Verwertungsgesellschaften bei der Maximierung des Inkasso und bei der Minimierung der Kosten für die Rechteverwaltung agieren, desto mehr Geld wird an die Künstler ausgezahlt. Die Künstler können somit leichter ihren Lebensunterhalt verdienen, was wiederum das kulturelle Schaffen erleichtert. Das Gleiche gilt in Bezug auf Musikverlage und Tonträgerhersteller. Die Vergütung von Investitionen in das kulturelle Schaffen und in die kulturelle Produktion wirkt als Anreiz für weitere Investitionen zur Förderung von Kreativität und Innovation. Als einheitliche Rechte-Clearingstelle ersparen Verwertungsgesellschaften den gewerblichen Nutzern zudem die sonst notwendigen Verhandlungen mit verschiedenen Rechteinhabern. Da hohe Transaktionskosten bei der Rechtelizenzierung (besonders für Einzelpersonen und für mittlere oder kleine Firmen) abschreckend wirken können, bewirkt die kollektive Rechtewahrnehmung verminderte Transaktionskosten und übt einen positiven Einfluss auf das Volumen des Rechtehandels aus. Die Nutzer müssen bei der Einholung von Lizenzen nicht sämtliche verschiedenen Rechteinhaber der Werke, die sie verwerten wollen, ausfindig machen. Mit einer einzigen Lizenz (statt einer Vielzahl) können sie die Rechte für eine ganze Serie von Musikwerken abklären. Aus dieser Sicht ließe sich argumentieren, dass Verwertungsgesellschaften dazu beitragen, dass ein breiteres Spektrum von musikalischen Werken und Repertoires auf den Markt gelangt. Sie fördern also den Vertrieb musikalischer Inhalte und den Zugang zu ihnen. Interessanterweise wirkt die kollektive Rechtewahrnehmung auch als Absicherung für „schwächere“ Rechteinhaber, vor allem für junge, nicht so berühmte oder weniger populäre Künstler. Verwertungsgesellschaften kümmern sich um alle ihre Mitglieder, ungeachtet ihres Talents oder ihres Erfolgs. Auf diese Weise konnte ein gewisses Maß an Solidarität zwischen den Rechteinhabern institutionalisiert werden, und zwar in dem Sinne, dass Gebühren und Tarife nicht von Popularität abhängig sind. Weniger erfolgreiche Künstler erhalten ihre Vergütung nach den gleichen Bedingungen wie die Topstars und im gleichen Abstand. Dementsprechend basieren die europäischen Verwertungsgesellschaften auf einem System der Quersubventionierung unter ihren Mitgliedern, wobei ein Teil der Kosten für die Verwaltung kommerziell weniger erfolgreicher Musikgenres von anderen, populäreren Musiksegmenten ausgeglichen wird. 20

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1.3. Territorialität und traditionelle Modelle der schreitenden Wahrnehmung von Musikrechten

grenzüber-

Urheberrechte und verwandte Schutzrechte sind territorial ausgerichtet. Sie werden aufgrund inländischer Rechtsvorschriften gewährt, in denen der Umfang des Schutzes innerhalb der Landesgrenzen festgelegt ist. Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten wird durch das Territorialitätsprinzip bestimmt, indem es den Ausschlag dafür gibt, welches Recht für den Akt der Verwertung geschützter Inhalte Anwendung findet. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Lizenzierung von Musikrechten auf das nationale Hoheitsgebiet beschränkt werden sollte. Es bestehen tatsächlich keine gesetzlichen oder praktischen Auflagen zur Beschränkung der Rechteverwertung für die Inhaber auf das Inland. Die Rechteinhaber können die Gebiete frei wählen, in denen die Lizenzierung ihrer Rechte möglich sein sollte. Jahrzehntelang konzentrierte sich die Wahrnehmung der Rechte von Urhebern und Musikverlagen durch Verwertungsgesellschaften in Europa auf MultirepertoireLizenzregelungen für nur ein Gebiet. Die meisten europäischen Verwertungsgesellschaften sind miteinander durch bilaterale Vereinbarungen verbunden, die eine gegenseitige Vertretung ihres Repertoires ermöglichen. Nach diesem System ist jede Verwertungsgesellschaft berechtigt, nicht nur für das Repertoire der eigenen Mitglieder (also das einheimische Repertoire), sondern auch für das Repertoire der mit ihr assoziierten Gesellschaften (also das ausländische Repertoire) Lizenzen zur kommerziellen Auswertung im Land ihrer Niederlassung zu erteilen. In Anbetracht des Modells der Gegenseitigkeitsvereinbarungen haben die aufgrund der Verwertung von Rechten auf nationaler Basis erfolgte Einziehung von Nutzungsgebühren und die Ausschüttung von Tantiemen eine grenzüberschreitende Dimension erlangt. Verwertungsgesellschaften ziehen Nutzungsgebühren nicht nur für die eigenen Mitglieder ein, sondern auch für die Mitglieder der verbundenen Gesellschaften. Die aus der Verwertung des ausländischen Repertoires im Inland erzielten Erträge werden dann an die verbundenen Gesellschaften zur Verteilung an die Rechteinhaber überwiesen. Was die Rechte der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller betrifft, so ist es den Verwertungsgesellschaften nicht gelungen, ein so modernes und feingesponnenes System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zu etablieren wie bei den Rechten der Urheber und Musikverlage. Obgleich viele europäische Verwertungsgesellschaften, die ausübende Künstler vertreten, Gegenseitigkeitsvereinbarungen für das von ihnen vertretene Repertoire abgeschlossen haben, werden die meisten dieser Vereinbarungen aufgrund des Fehlens einer geeigneten computergestützten Infrastruktur und aufgrund von Meldeproblemen nicht vollständig umgesetzt. In manchen Vereinbarungen wird zudem in der Erwartung, dass sich die gegenseitigen Vergütungsströme ungefähr ausgleichen, ausdrücklich auf die Einnahmenübertragung verzichtet. Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwischen Verwertungsgesellschaften, die Tonträgerhersteller vertreten, sind nur in geringer Zahl vorhanden. Generell wird die Entwicklung eines umfassenden Netzes von Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwischen Verwertungsgesellschaften, die die Rechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern vertreten, dadurch gehemmt, dass kein breites Rechteportfolio vorliegt, mit dessen Verwaltung die Gesellschaften beauftragt sind.

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__________________________________________________________________________________________ Ausübende Künstler übertragen ihre Rechte in der Regel an den Tonträgerhersteller.14 Das gilt jedenfalls beispielsweise für das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung. Andererseits greifen große Plattenfirmen, aber auch einige größere Independent-Labels, häufig auf die individuelle Rechtewahrnehmung zurück.15 Für andere Rechtearten stellt die Unterlizenzvergabe die Hauptform für die grenzüberschreitende Einziehung und Verteilung von Tantiemen dar. Multinationale Unternehmen (und in gewissem Umfang auch unabhängige Plattenfirmen) lagern ihre Rechte an lokale Labels – Mitglieder lokaler Verwertungsgesellschaften – aus, um Tantiemen für die Verwertung ihrer Rechte im Niederlassungsland der betreffenden Gesellschaften einnehmen zu können. Im Übrigen ist mit der direkten Mitgliedschaft ausländischer Rechteinhaber ein zusätzlicher Weg für die Einziehung und Verteilung von Tantiemen im Ausland entstanden. Bereits vor langem stellte die Europäische Kommission fest, dass die von Verwertungsgesellschaften praktizierte Ablehnung von Wahrnehmungsaufträgen aus Gründen der Staatsangehörigkeit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht der EG darstellt, und bereitete damit den Boden für die Aufnahme ausländischer Rechteinhaber als Mitglieder lokaler Verwertungsgesellschaften. Dies gilt sowohl für die Verwertungsgesellschaften, die Urheber und Musikverlage vertreten, als auch für diejenigen, die als Vertreter von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern agieren.16

1.4. Jüngste EU-Maßnahmen in Sachen kollektive Rechtewahrnehmung Mit dem Vormarsch neuer Technologien und der Ausweitung von Diensten für digitale Inhalte in Europa entspann sich eine hitzige Debatte um das optimale Modell für die Wahrnehmung von Schutzrechten für Musikdienste, so dass die EU-Organe schließlich zur Tat schritten. Unter Hinweis darauf, dass die Lizenzierung von „Online-Rechten“, d. h. die Lizenzerteilung für die Rechte, die für die Online-Verwertung geschützter Werke benötigt werden, gemeinhin auf ein Gebiet beschränkt ist, unterstrich die Kommission in ihrer Empfehlung von 2005 die Notwendigkeit eines Lizenzierungssystems, das der Grenzenlosigkeit der Onlinewelt gerecht wird. Obgleich sie auf die Vorgabe eines bestimmten Modells verzichtete, bedauerte die Kommission, dass gewerbliche Nutzer, die europaweit tätig sein wollen, gezwungen sind, die Rechte in jedem Mitgliedstaat mit jeder jeweiligen Verwertungsgesellschaft abzuklären. Die Kommission sprach sich daher für eine 14

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In diesem Zusammenhang sei auf den Mangel an legislativen Maßnahmen auf EU-Ebene zum Schutz der Rechte der ausübenden Künstler auf eine angemessene Vergütung vor der „räuberischen“ Aneignung ihrer ausschließlichen Rechte durch die Tonträgerhersteller hingewiesen. Lediglich die Richtlinie 92/100/EWG bietet ausübenden Künstlern einen derartigen Schutz allein bei der Übertragung oder Abtretung des Vermietrechts. Einige EU-Länder haben das Problem erkannt und Rechtsvorschriften zum Schutz der ausübenden Künstler eingeführt, so z. B. Spanien. Im spanischen Urheberrechtsgesetz wird zwar das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung der ausübenden Künstler anerkannt, zugleich aber eine Vermutung der Übertragung an den Produzenten begründet. Wenn die Künstler also einzeln oder gemeinsam einen Vertrag mit einem Tonträgerhersteller oder Hersteller von audiovisuellen Datenträgern abschließen, wird vermutet, dass ihr Recht der öffentlichen Zugänglichmachung an den Hersteller abgetreten wird, wobei es jedoch nicht möglich ist, dass sie auf das Recht auf angemessene Vergütung verzichten; vielmehr wird dieses dann durch Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. Nach Ansicht der AIE, der spanischen Verwertungsgesellschaft für ausübende Künstler, sollte diese in Spanien geltende Lösung auch auf andere europäische Länder ausgedehnt werden, da sie dazu beiträgt, die Nutzung von Darbietungen im Online-Bereich zu kontrollieren. So zum Beispiel die jüngste Vereinbarung von YouTube und Universal über die Einrichtung einer neuen Online-Plattform für Musikvideos mit der Bezeichnung VEVO, die unter Lizenz über Leistungsschutzrechte von Universal laufen wird (www.nytimes.com/2009/04/10/technology/internet/10google.html). Entscheidung 82/204/EWG vom 4. Dezember 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWGVertrags (IV/29.971-GEMA-Satzung), ABl. L 94 vom 8.4.1982, S. 12, und Entscheidung 81/1030/EWG vom 29. Oktober 1981 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 des EWG-Vertrags (IV/29.839 - GVL), ABl. L 370 vom 28.12.1981. Bis heute jedoch stammen die meisten Mitglieder der Verwertungsgesellschaften aus dem eigenen Land oder sind Unternehmen mit Sitz im eigenen Land.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ multiterritoriale Lizenzierung aus, um die Entwicklung gesamteuropäischer digitaler Musikdienste zu fördern, und schlug vor, dass die Rechteinhaber das Recht haben sollten, die Verwaltung von Online-Rechten für ein geografisches Gebiet ihrer Wahl einer Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl zu übertragen, und zwar unabhängig von Überlegungen zur Staatsangehörigkeit und zum Sitzstaat. Es wurden noch weitere Empfehlungen abgegeben, und zwar a) zur gerechten Einziehung und Verteilung der Entgelte ohne Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes, der Staatsangehörigkeit oder der Kategorie der Rechteinhaber, b) zur erhöhten Rechenschaftspflicht der Verwertungsgesellschaften, c) zur gerechten Vertretung der Rechteinhaber im internen Entscheidungsprozess der Verwertungsgesellschaften sowie d) zu wirksamen Verfahren für die Beilegung von Streitigkeiten. In der Empfehlung wurde darauf hingewiesen, dass die Rechteinhaber nach Ankündigung ihres Vorhabens innerhalb einer angemessenen Frist das Recht haben sollten, alle OnlineRechte aus der mit ihrer Wahrnehmung betrauten Gesellschaft herauszunehmen und die Wahrnehmung dieser Rechte einer anderen Verwertungsgesellschaft zu übertragen. Damit wurden die traditionellen Strukturen der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten angezweifelt. Insbesondere wurde das hoch entwickelte System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwischen den Verwertungsgesellschaften, die Urheber und Musikverlage vertreten, in Frage gestellt. Wie bereits erläutert, ermöglichte dieses System jeder nationalen Verwertungsgesellschaft, das gesamte Repertoire der mit ihr verbundenen Gesellschaften in ihrem Einzugsgebiet zu vertreten. Das Europäische Parlament kritisierte, dass für eine derart brisante und heikle Angelegenheit nichtzwingendes Recht angewandt und das Parlament nicht konsultiert und förmlich beteiligt wurde.17 Zwar räumte das Parlament ein, dass Rechteinhaber eine Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Prinzip frei wählen können sollten, äußerte jedoch Sorge über die möglichen negativen Auswirkungen der Empfehlung auf lokale und Nischen-Repertoires, da die Gefahr bestehe, dass eine Konzentration von Rechten bei größeren Verwertungsgesellschaften gefördert wird. Das Europäische Parlament sprach sich für die Einführung eines fairen und transparenten wettbewerbsbasierten Systems aus, mit dem negative Auswirkungen auf die Einkünfte der Autoren vermieden werden können, und ersuchte die Kommission, einen Vorschlag für eine flexible Rahmenrichtlinie zur Regelung der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten für grenzübergreifende Online-Musikdienste vorzulegen. Die Kommission vertrat jedoch die Auffassung, dass es den Märkten in einem sich rasch verändernden Umfeld vorzugsweise ermöglicht werden sollte, sich zu entwickeln, und beschränkte sich auf die Beobachtung neuer Trends bei der Online-Lizenzierung.18 Obwohl es in der Mitteilung der Kommission von 2008 über kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt nicht ausschließlich um Musik ging, wurde darin die gebietsübergreifende

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Siehe Europäisches Parlament, Bericht über die Empfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2005 für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden (2005/737/EG) (2006/2008(INI)), Rechtsausschuss, Berichterstatterin: Katalin Lévai, A6-0053/2007, 5.3.2007. Siehe auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2007 zu der Empfehlung der Kommission vom 18. Oktober 2005 für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden (2005/737/EG) (2006/2008(INI)), ABl. C 301E vom 13.12.2007, S. 64, und die Entschließung vom 25. September 2008 zur länderübergreifenden kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten für legale Online-Musikdienste, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-20080462+0+DOC+XML+V0//DE&language=DE. Europäische Kommission, Monitoring of the 2005 Music Online Recommendation, 7.2.2008, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/copyright/docs/management/monitoring-report_en.pdf.

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__________________________________________________________________________________________ Lizenzierung als eine der wichtigsten Herausforderungen für die Verbreitung von OnlineInhaltsdiensten in Europa angeführt. Aufgrund der Feststellung, dass in diesem Bereich Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind, wurde im Zuge der Mitteilung ein Prozess der öffentlichen Konsultation eingeleitet, der sich unter anderem mit der gebietsübergreifenden Rechteabklärung befasste, und zur Förderung der Debatte wurde eine Plattform für die Zusammenarbeit der Beteiligten geschaffen, die „Plattform für Online-Inhalte“. Inmitten tiefgreifender Marktentwicklungen in Bezug auf die multiterritoriale (und im Wesentlichen gesamteuropäische) Lizenzierung warf die im Juli 2008 erteilte CISACKartellentscheidung neues Licht auf das System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwischen europäischen Verwertungsgesellschaften und seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht. Die Entscheidung betraf die Bedingungen für die Verwaltung und Lizenzierung von Aufführungsrechten an Musikwerken durch Mitgliedsgesellschaften der CISAC (Internationaler Dachverband der Verwertungsgesellschaften) und stellte die Praxis der Gegenseitigkeitsvereinbarungen nicht in Frage. Allerdings wurde festgestellt, dass in den Vereinbarungen enthaltene Mitgliedschaftsklauseln, nach denen Rechteinhaber verpflichtet werden, für die Wahrnehmung ausschließlich ihre nationale Verwertungsgesellschaft in Anspruch zu nehmen, mit den EG-Wettbewerbsregeln unvereinbar sind. Auch gebietsbezogene Ausschließlichkeitsklauseln, die verhindern, dass Verwertungsgesellschaften Lizenzen an gewerbliche Nutzer außerhalb des nationalen Einzugsgebiets zu vergeben, wurden als Behinderung des Wettbewerbs betrachtet. Insbesondere im Hinblick auf die Lizenzvergabe für die Übertragung per Internet, Satellit und Kabel entschied die Kommission, dass die einheitliche und systematische territoriale Abgrenzung der Vereinbarungen nach nationalen Einzugsgebieten eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise darstellt.19 Die Kommission stellte die daraus resultierende De-facto-Ausschließlichkeit für die Lizenzierung des Gesamtrepertoires der am System beteiligten Verwertungsgesellschaften sowie die strikte territoriale Aufteilung nach Einzugsgebieten in Frage und verlangte, dass die Verwertungsgesellschaften ihre Vereinbarungen überprüfen, wobei sie klarstellte, dass die territoriale Abgrenzung zwar weiterhin möglich ist, aber unabhängig und bilateral beschlossen werden sollte.20 Aus der vorstehenden Analyse geht hervor, dass die EU-Maßnahmen im Bereich der Musikrechtewahrnehmung von den verschiedensten Akteuren in den Institutionen ausgingen. Vor allem innerhalb der Europäischen Kommission suchen mehrere Generaldirektionen (GD) eine angemessene Antwort auf die Herausforderung der gebietsübergreifenden Lizenzierung. Während die Empfehlung der Kommission von 2005 auf Arbeiten der GD Binnenmarkt und Dienstleistungen basierte, ging die CISAC19

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In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die CISAC gemäß Artikel 230 EG beim EuGeI Klage auf Nichtigerklärung von Artikel 3 der Kommissionsentscheidung mit der Begründung eingereicht hat, dass die Verwertungsgesellschaften durch die Koordinierung der territorialen Abgrenzungen der einander gegenseitig erteilten Mandate, durch die der Geltungsbereich einer Lizenz auf das jeweilige Inlandsgebiet der Verwertungsgesellschaft beschränkt wird, gegen Artikel 81 EG und Artikel 53 des EWR-Abkommens verstoßen haben. Zur Unterstützung ihres Klagebegehrens führte die Klägerin Folgendes an: Dass in allen von ihren Mitgliedern abgeschlossenen Gegenseitigkeitsvereinbarungen eine territoriale Abgrenzungsklausel vorhanden sei, sei nicht das Ergebnis einer abgestimmten Verhaltensweise zur Einschränkung des Wettbewerbs, sondern darauf zurückzuführen, dass nach Ansicht der Gesellschaften die Aufnahme einer solchen Klausel in die Gegenseitigkeitsvereinbarungen den Interessen ihrer Mitglieder entspreche. Siehe dazu im Einzelnen Klage, eingereicht am 3. Oktober 2008 – CISAC/Kommission, Rechtssage T-442/08, ABl. C 82 vom 4.4.2009, S. 25. Ähnliche Klagen auf Nichtigerklärung von Artikel 3 der CISAC-Entscheidung wurden beim EuGeI von der SAZAS, der slowenischen Verwertungsgesellschaft für Autoren, Komponisten und Musikverlage, und der SOZA, der slowakischen Verwertungsgesellschaft für Autoren, Komponisten und Musikverlage eingereicht. Sie Klage, eingereicht am 29. September 2008 SOZA/Kommission, Rechtssache T-413/08, ABl. C 301 vom 22.11.2008, S. 56, und Klage, eingereicht am 29. September 2008, SAZAS/Kommission, Rechtssache T420/08, ABl. C 313 vom 6.12.2008, S. 42. Die Europäische Kommission setzte den Verwertungsgesellschaften für die Änderung ihrer Vereinbarungen ursprünglich eine Frist von 120 Tagen, die dann bis zum 15.3.2009 verlängert wurde.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Entscheidung und die Mitteilung zu den Online-Inhalten auf die GD Wettbewerb bzw. die GD Informationsgesellschaft und Medien zurück. Die GD Wettbewerb veranstaltete zudem eine Gesprächsrunde über Aussichten und Schranken beim Internethandel im Europäischen Binnenmarkt, auf dem ausgewählte Vertreter der Verbraucher und der Industrie ihre Meinungen äußern konnten.21 Interessanterweise tauchten in der Presse nur wenige Wochen vor der Fertigstellung der vorliegenden Studie Berichte über eine neue Gesetzesinitiative der GD Informationsgesellschaft und Medien sowie der GD Gesundheit und Verbraucherschutz zur Schaffung einer europaweiten Urheberrechtslizenz für OnlineInhalte auf.22 Die Beteiligung all dieser Institutionen mit jeweils eigenem Zuständigkeitsbereich und eigener politischer Agenda vermittelt ein verwirrendes Bild und kompliziert die Weiterverfolgung. Ohne wirksame Koordinierung und konstruktive dienststellen- und institutionenübergreifende Abstimmung könnte sich die Entwicklung von Strategien im Bereich multiterritoriale Rechteabklärung als ein sehr schwieriges Unterfangen erweisen.

1.5. Gebietsübergreifende Musikrechtelizenzierung: Die Meinung der Branche Die Empfehlung der Kommission von 2005 und die CISAC-Verbotsentscheidung von 2008 haben weitreichende Veränderungen auf dem Markt ausgelöst und zu einer Umstrukturierung der Kanäle für die Rechtewahrnehmung geführt. Derzeit prüft die Kommission das Ergebnis der bilateralen Verhandlungen der von der Rechtssache CISAC betroffenen Verwertungsgesellschaften über eine neue Generation von Gegenseitigkeitsvereinbarungen. Obwohl bislang nur wenige Informationen dazu bekanntgegeben wurden, ist doch klar, dass die Verwertungsgesellschaften nach anfänglicher Zurückhaltung verschiedene Verhandlungsrunden führten, so dass es zwischen größeren und kleineren Akteuren zu einem erbitterten Kampf um die Durchsetzung der Interessen kommt. Andererseits wurden im Gefolge der Kommissionsentscheidung 2005/737/EG verschiedene Mehrgebietslizenzvereinbarungen von Rechteinhabern und Verwertungsgesellschaften geprüft. Die Entwicklungen vollziehen sich in raschem Tempo, und die Welt der kollektiven Rechtewahrnehmung befindet sich im Umbruch. Neue Akteure sind auf den Markt gelangt, und es werden neue Lizenzierungsmodellen erprobt. Die Auswirkungen der Kommissionsempfehlung von 2005 auf den Markt werden im folgenden Kapitel ausführlich erörtert. An dieser Stelle sei lediglich angeführt, dass die Umsetzung der Empfehlung in erster Linie im Abzug der Musikverlagsrechte aus dem System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen besteht. Große Verlage haben ihre mechanischen Rechte an bestimmten Repertoirearten – vor allem am angloamerikanischen Repertoire – abgezogen und spezielle Verwertungsgesellschaften oder neu geschaffene Verwertungsstellen mit der Wahrnehmung dieser Rechte für die gesamteuropäische digitale Auswertung betraut.23

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Das erste Treffen fand am 17. September 2008 statt (http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do? reference=IP/08/1338&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en). Ein Folgetreffen, auf dem der Online-Musikvertrieb im Mittelpunkt stand, wurde am 16. Dezember 2008 veranstaltet. Die Ansichten der Teilnehmer wurden in dem Dokument „Online commerce retailing: Report on opportunities and barriers to online retailing“ zusammengefasst, der am 26. Mai 2009 unter folgender Adresse veröffentlicht wurde: http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/832&format=HTML&aged=0&language=DE& guiLanguage=en). Siehe K.J. O’Brien, „EU to hear proposals on cross-border net copyright“, abrufbar unter: http://www.nytimes.com/2009/05/05/business/global/copyright.html?_r=3. Andere Lizenzierungsmodelle, die in Kapitel 2 eingehend erörtert werden, haben noch nicht zur Erteilung gesamteuropäischer Lizenzen geführt.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Obwohl sich die Empfehlung sowohl auf Urheberrechte als auch auf Leistungsschutzrechte bezieht, machen sich die Auswirkungen hauptsächlich im Bereich der Wahrnehmung von Urheberrechten bemerkbar. In der Tat deutet nichts darauf hin, dass die Empfehlung spürbaren Einfluss auf die Wahrnehmung der Rechte der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller hat. Überdies ist die in der Empfehlung so nachdrücklich verfochtene „Freiheit“ der Rechteinhaber, die Verwertungsgesellschaft zu wählen, die sie für die Wahrnehmung ihrer Rechte auf EU-Basis am geeignetsten halten, nur für Musikverlage zustande gekommen. Von Komponisten und Textern, die ihre Rechte abgezogen haben, um Zugang zu EU-weiten Lizenzierungsstrukturen zu erlangen, ist nichts bekannt. Die Abkehr vom System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen für die Wahrnehmung der Rechte großer Verlage am offensichtlich kommerziell erfolgreichsten (also am angloamerikanischen) Repertoire ist Gegenstand heftiger Kritik. Viele europäische Verwertungsgesellschaften sprachen sich gegen die direkte Mitgliedschaft großer Musikverlage in speziellen kollektiven Rechtelizenzierungsgremien für die gesamteuropäische Wahrnehmung ihrer Online-Rechte aus.24 Als Hauptargument wurde angeführt, dass die direkte Wahrnehmung ohne Nutzung des Systems der Gegenseitigkeitsvereinbarungen eine übermäßige Zentralisierung der Marktmacht und der Repertoires auf EU-Ebene und somit einen unerwünschten Wettbewerb zum Nachteil lokaler oder spezialisierter Repertoires zur Folge hätte. Eine Vielzahl von europäischen Verwertungsgesellschaften wies darauf hin, dass der Abzug des kommerziell attraktiven angloamerikanischen Repertoires ihren Umsatz wesentlich verringern und ihre Kosteneffizienz beeinträchtigen werde. Der dadurch entstehende Anstieg der Verwaltungskosten werde einen spürbaren Rückgang der Tantiemeneinkünfte für die Mitglieder, vor allem für einheimische Urheber und Musikverlage verursachen. Stark beeinträchtigt würden zudem auch Investitionen in das kreative Schaffen sowie die Verfolgung kultureller und sozialer Ziele. Nach Auskunft unserer Befragten wird die Übertragung der Rechte großer Verlage an spezielle Stellen zur digitalen Verwertung vor allem die Arbeit mittlerer und kleiner Verwertungsgesellschaften erschweren. Wenn keine großen Repertoires zu verwalten sind, ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit weitgehend an den Umfang des bei der Gesellschaft verbleibenden Repertoires und dessen kommerzieller Attraktivität gekettet. Sollte das Überleben vom Umfang des Repertoires abhängig werden, würden osteuropäische Verwertungsgesellschaften zuerst verschwinden, da sie nur ein kleines einheimisches Portfolio verwalten. Folgen würden dann westeuropäische Gesellschaften in Ländern wie Griechenland und Portugal. Obwohl der Umfang einheimischen Repertoires in diesen Ländern nicht unbeträchtlich ist, fehlt es den dortigen Verwertungsgesellschaften am erforderlichen Know-how für die Bereitstellung von Mehrgebietslizenzen. Ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit wird davon abhängen, inwieweit es ihnen gelingt, ihre Tätigkeit auf breitere Einzugsgebiete auszudehnen und ihre Lizenzierungsverfahren zu modernisieren. An dritter Stelle kommen Verwertungsgesellschaften in Skandinavien, den Niederlanden und Belgien. Sie sind zwar mit Verfahren der gebietsübergreifenden Lizenzvergabe vertraut,25 doch ist ihr einheimisches Repertoire für den Start europaweiter

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Siehe Gemeinsamer Standpunkt zur Empfehlung für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden, vom 18. Oktober 2005, geäußert von den Verwertungsgesellschaften AEPI (Griechenland), AKKA-LAA (Lettland), AKM (Österreich), Artisjus (Ungarn), Austro Mechana (Österreich), Buma/Stemra (Niederlande), EAU (Estland), HDS (Kroatien), IMRO (Irland), KODA (Dänemark), LATGA-A (Litauen), Musicautor (Bulgarien), OSA (Tschechische Republik), SABAM (Belgien), SAZAS (Slowenien), SOZA (Slowakei), SPA (Portugal), STEF (Island), TONO (Norwegen), UCMR-ADA (Rumänien), ZAIKS (Polen), Juni 2007. Verwertungsgesellschaften in Skandinavien verfügen über eine zentralisierte Rechteverwaltung für alle skandinavischen Länder. Niederländische und belgische Gesellschaften erbringen zentrale

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Online-Musikdienste nicht vollkommen unentbehrlich. Gewerbliche Nutzer, die auf EUEbene agieren wollen, könnten sich sehr wohl mit der Genehmigung zur Verwertung des Repertoires lediglich von großen Musikverlagen zufriedengeben. Auffallend ist, dass den Urhebern die derzeitigen Debatten um die gebietsübergreifende Lizenzierung sowie die möglichen Konsequenzen unterschiedlicher Lizenzierungsmodelle auf die Verwertungsgesellschaften, die ihre Rechte wahrnehmen, und somit auf ihr eigenes kreatives Schaffen weitgehend unbekannt sind. In den Augen der meisten Künstlerverbände, die im Rahmen dieser Studie angesprochen wurden, stellt die Rechtelizenzierung eine technische und äußerst komplexe Frage dar, um die sich die Verwertungsgesellschaften kümmern müssen. Trotz des festgestellten geringen Problembewusstseins betrachteten einige Verbände ein System des freien Wettbewerbs, bei dem jede europäische Verwertungsgesellschaft berechtigt ist, gesamteuropäische Multirepertoirelizenzen anzubieten, als positiv. Wie bemerkt wurde, sollte der Wettbewerb auf die Bedingungen und die Qualität der erbrachten Verwaltungsdienstleistungen beschränkt sein und sich nicht auf die Preisgestaltung oder die Bedingungen der Lizenzvergabe erstrecken, da sonst die Tätigkeit kleinerer Verwertungsgesellschaften in Gefahr geraten könnte, was schwerwiegende Folgen für die Einnahmen einheimischer Künstler hätte. Die Musikverlage dagegen befassen sich sehr aufmerksam mit der Frage der Mehrgebietslizenzen. Die meisten von ihnen betrachten die Empfehlung von 2005 generell als flexibles Instrument, das es der Branche ermöglicht, verschiedene Lizenzierungsmodelle zu ermitteln und zu testen. Obwohl die kollektive Rechteverwaltung nach wie vor einen sehr wichtigen, praktischen und wirksamen Mechanismus für die Nutzung von Rechten in großem Umfang darstellt, sind sich die Verlage einig, dass den Nutzern effektive und kosteneffiziente Lizenzierungsstrukturen für die Gebiete geboten werden müssen, in denen sie agieren wollen. Außerdem gelte es, die Rechenschaftspflicht der Verwertungsgesellschaften gegenüber ihren Mitgliedern zu stärken und dafür zu sorgen, dass die Rechteinhaber von transparenten und geeigneten Vergütungsmodellen profitieren. Einige der Geschäftsmodelle, die derzeit für die Mehrgebietslizenzierung im digitalen Umfeld entstehen, könnten diesbezüglich eine angemessene Antwort liefern. Dennoch wurde Besorgnis im Hinblick auf den Abzug von Rechten großer Musikverlage aus dem System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen laut. Mit diesem Abzug würde ein Markt „der zwei Geschwindigkeiten“ geschaffen, und zwar zum einen für das internationale Repertoire, da sich die abgezogenen Rechte im Wesentlichen auf das angloamerikanische Repertoire beziehen, und zum anderen für das lokale Repertoire. In diesem Zusammenhang heißt es, dass das Repertoire kleiner Verlage in Gefahr sei. Es sei zu erwarten, dass einheimische und spezialisierte Musikverlage im paneuropäischen OnlineMusikmarkt an den Rand gedrängt werden (wenn sie es nicht schon sind). Vorzuziehen wäre eine EU-weite Lizenzierung, bei der lokale Agenturen als zentrale Anlaufstellen dienen und dazu jeweils das „gesamte“ Musikrepertoire vorrätig haben. Nach Auffassung gewerblicher Nutzer ist das Lizenzierungsverfahren kompliziert und sollte flüssiger gestaltet werden. Der Abzug von Rechten großer Musikverlage aus dem System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen habe eine Aufteilung der Repertoires verursacht. Die Nutzer beklagen diese Segmentierung, sind sie doch gezwungen, mehrere Abschlüsse zu

Lizenzierungsdienste für bestimmte Plattenfirmen und haben somit ihre Lizenzierungssysteme auf mehrere Gebiete ausgedehnt.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ tätigen, um Zugang zu einem breiten Repertoire zu erlangen.26 Beim System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen konnten Online-Dienstanbieter von der nationalen Verwertungsgesellschaft eine Pauschallizenz für ein Gebiet einholen, die das Repertoire aller am System beteiligten Verwertungsgesellschaft umfasste. Jetzt sei zwar eine europaweite Lizenzierung möglich, doch nur für jeweils bestimmte Repertoiregenres. Anbieter von europaweiten digitalen Dienste müssten nunmehr a) mit verschiedenen kollektiven Rechteverwaltern verhandeln, die für die Lizenzierung der Rechte großer Musikverlage zuständig sind, und b) auf die traditionellen Verwaltungsdienste der nationalen Verwertungsgesellschaften zurückgreifen, wenn es außerdem um Musikwerke mit „einheimischem“ oder „speziellem“ Kolorit gehen soll. Ihre Bereitschaft und Fähigkeit, all diese unterschiedlichen Abschlüsse zu tätigen, ist fraglich. Die Nutzer beklagen sich außerdem über die allgemeine Rechtsunsicherheit dahingehend, welche Verwertungsstellen zur Lizenzvergabe berechtigt sind und welchen Umfang diese Lizenzen haben, d. h. wer welche Rechte und an welchen Werken kontrolliert. Noch komplizierter ist die Lage, wenn man berücksichtigt, dass die digitale Auswertung von Musikwerken die Abklärung sowohl der mechanischen als auch der Aufführungsrechte erfordert. Große Musikverlage haben bislang ihre mechanischen Vervielfältigungsrechte aus dem System der Gegenseitigkeitsvereinbarungen zurückgezogen.27 Für Lizenzen der Aufführungsrechte müssen die Anbieter weiterhin mit den nationalen Verwertungsgesellschaften verhandeln, was das Repertoire großer Musikverlage betrifft. Eine Rechtebündelung würde allgemein als erhebliche Erleichterung der Rechteabklärung angesehen. Werke mit aufgeteilter Urheberrechtsinhaberschaft stellen eines der frustrierendsten Hindernisse bei der Rechteabklärung dar. Liegen ein oder mehrere Verwertungsrechte für ein einzelnes Werk bei mehreren Rechteinhabern,28 müssen die Nutzer alle ausfindig machen und von allen die Genehmigung einholen. Werden diese Rechteinhaber von verschiedenen Verwertungsgesellschaften vertreten, steigt die Zahl der notwendigen Abschlüsse und somit auch der Kostenaufwand. Beim Abschluss eines Vertrags mit einem Musikverlag kann der Komponist sein Urheberrecht dem Verlag vollständig oder teilweise abtreten. Daher verwalten Verlage nicht immer das Urheberrecht an einem Werk zentral. In derartigen Fällen haben die Nutzer einen zusätzlichen Verhandlungsaufwand, da für ein und dasselbe Werk mehrere Genehmigungen eingeholt werden müssen. Natürlich machen Musikwerke, die von mehreren Urhebern verfasst sind (z. B. von 2 Komponisten und 2 Textern), oder Werke, an deren mehrere Verlage mit unterschiedlichen Anteilen am Urheberrecht beteiligt sind, die Lage noch komplizierter. Was die Endverbraucher anbelangt, so sind diese kaum über die Entwicklungen informiert, die die Kommissionsentscheidung von 2005 ausgelöst hat. Wie der zunehmende Anteil legaler Online-Musikumsätze in den letzten Jahren zeigt, sind zumindest einige von ihnen

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Außerdem fürchten die Nutzer, dass sich aufgrund der CISAC-Wettbewerbsentscheidung der Trend zur Fragmentierung des Repertoires verstärken könnte. Besorgt über die möglichen Auswirkungen dieser Fragmentierung auf die Tätigkeit ihrer Mitglieder hat die Europäische Rundfunkunion (EBU) beantragt, als Streithelfer bei den von der CISAC (T-442/08) und der SAZAS (T-420/08) eingereichten Klagen auf Nichtigerklärung der CISAC-Entscheidung zugelassen zu werden. Siehe oben, Fußnote 18. Dem Antrag wurde mit Beschluss vom 2. Juni 2009 stattgegeben. Siehe jedoch in Kapitel 2, Abschnitt 2.2.1 die PEL-Initiative, die auch Rechte der öffentlichen Wiedergabe (einschließlich Rechte der öffentlichen Zugänglichmachung) einschließt. Das betrifft rund 40 % der Musikwerke. Siehe „Making online commerce a reality in the EU“, Zuarbeit der MCPS-PRS Alliance zur Gesprächsrunde der GD Wettbewerb über den Internethandel, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2008_online_commerce/mcps_prs_alli ance_contribution.pdf, S. 2.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ bereit, für digitale Musik zu bezahlen.29 Dennoch sollten Aspekte der Piraterie nicht vernachlässigt werden.30 Falls neue europaweite Lizenzierungsmodelle zu einem Preisanstieg führen (z. B. weil die Nutzer überhöhte Lizenzgebühren an die Verbraucher weitergeben) oder das Spektrum verfügbarer Musikwerke geringer wird (z. B. aufgrund von Urheberrechtsstreitigkeiten oder weil sich die Nutzer die Abklärung der Rechte für eine Vielzahl von Musikwerken nicht leisten können), ist es gut möglich, dass sich die Verbraucher illegalen Download-Plattformen für Musik zuwenden.

Anmerkung zur kollektiven Wahrnehmung von Leistungsschutzrechten Obgleich die jüngsten EU-Maßnahmen im Bereich der Rechtewahrnehmung die Lizenzverfahren bei den verwandten Schutzrechten nicht wesentlich beeinflusst haben, wurden von den Verwertungsgesellschaften für Leistungsschutzrechte in Belgien, Deutschland, Italien und Spanien sowie im Vereinigten Königreich sehr viele Informationen zusammengetragen, die einen Einblick in die derzeit vorhandenen Strukturen zur kollektiven Wahrnehmung der Rechte von ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern vermitteln und so als Ausgangsmaterial für die weitere Politikgestaltung auf EU-Ebene dienen können. Die erfassten Daten sind im Anhang dieser Studie (Anhang A) aufgeführt und beleuchten die grundlegenden Führungsaspekte der entsprechenden Einrichtungen, die verwalteten Rechte, die angewandten Verwaltungsmethoden sowie die Höhe der für die Rechteinhaber eingezogenen Erträge. Ebenfalls untersucht wird der Beitrag dieser Verwertungsgesellschaften zum kreativen Schaffen im Wege der Finanzierung von kulturund sozialpolitischen Aktivitäten sowie ihre Lizenzvergabebilanz im digitalen Bereich.

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Dem „Digital Music Report 2009 – Key statistics“ der IFPI zufolge wuchs das digitale Musikgeschäft im Jahr 2008 international um etwa 25 %. Auf digitale Plattformen entfallen inzwischen 20 % der erfassten Musikverkäufe. Nach Schätzungen der IFPI lag der Anteil illegaler Downloads bei ca. 95 % (ebenda).

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Wichtigste Erkenntnisse •

Die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten kann generell auf zweierlei Weise erfolgen: entweder individuell durch die Rechteinhaber (d. h. Komponisten, Texter, Musikverlage, ausübende Künstler und Tonträgerhersteller), die direkt mit dem gewerblichen Nutzer des geschützten Werkes verhandeln, oder kollektiv durch Inanspruchnahme der Dienste von Verwertungsgesellschaften. Obgleich die Rechteinhaber im Prinzip frei darüber entscheiden können, ob sie ihre Rechte persönlich oder nicht persönlich wahrnehmen, ist in bestimmten Fällen eine kollektive Rechtewahrnehmung durch einzelstaatliches oder EU-Recht zwingend vorgeschrieben.



Aufgrund der dabei entstehenden Skaleneffekte kann die kollektive Rechtewahrnehmung höhere Erträge für die Rechteinhaber sichern. Sie dient zudem Nutzern als kostengünstige Methode für die Einholung von Lizenzen für ganze Musikrepertoires. Somit stützt die kollektive Rechtewahrnehmung das kreative Schaffen und verbessert den Zugang zu musikalischen Inhalten.



Verwertungsgesellschaften, die Urheberrechte und verwandte Schutzrechte wahrnehmen, stellen in den meisten EU-Mitgliedstaaten einflussreiche Institutionen dar. In der Regel sind sie mit folgenden Aufgaben betraut: a) Aushandlung von Lizenzgebühren und Erteilung von Einwilligungen zur kommerziellen Verwertung von Musikinhalten; b) Einziehung von Nutzungsgebühren für die Rechteinhaber; c) Verteilung der Erträge an die Rechteinhaber und d) Überwachung der Inhaltsnutzung. Einige von ihnen unternehmen auch kulturelle und soziale Aktivitäten. Ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit hängt weitgehend davon ab, inwieweit es ihnen gelingt, eine beträchtliche Zahl von Mitgliedern an sich zu binden und sich (für die Nutzer) attraktive Rechtekataloge und Repertoires zuzulegen.



Seit Jahrzehnten sind die europäischen Verwertungsgesellschaften, die Urheber und Musikverlage vertreten, miteinander durch Gegenseitigkeitsvereinbarungen verbunden, die ihnen eine gegenseitige Vergabe von Lizenzen für ihr Gesamtrepertoire auf nationaler Basis (d. h. Lizenzen für mehrere Repertoires und für ein Gebiet) ermöglichen.



Durch neue Technologien und die Verbreitung von Online-Musikdiensten ist die Frage der gebietsübergreifenden Lizenzierung ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Innerhalb der Europäischen Kommission befassen sich verschiedene Generaldirektionen mit dieser Thematik.



Im Gefolge der Empfehlung der Kommission von 2005 für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden, befinden sich derzeit neue Lizenzierungsmodelle für die Rechteabklärung im digitalen Bereich in der Erprobung. Hauptergebnis der Empfehlung ist die Aufgabe des Systems der Gegenseitigkeitsvereinbarungen vonseiten großer Musikverlage für einen Teil ihrer Rechte. Ihre mechanischen Rechte für bestimmte Repertoirearten, vor allem für das angloamerikanische Repertoire, haben sie speziellen Verwertungsgesellschaften oder neu geschaffenen Verwertungsstellen für die gesamteuropäische digitale Auswertung übertragen.



Viele europäische Verwertungsgesellschaften (vor allem kleine und mittlere), die Urheber und Musikverlage vertreten, haben diese Marktentwicklungen kritisiert und darauf hingewiesen, dass das neue Lizenzierungsmodell zu einer übermäßigen Zentralisierung der Marktmacht und der Repertoires auf EU-Ebene sowie zu einem

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__________________________________________________________________________________________ unerwünschten Wettbewerb zum Nachteil kommerziell weniger erfolgreicher und lokaler Repertoires führen würde. Auch das Argument, dass ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit in Gefahr gerate, wurde angebracht. •

Den Komponisten und Textautoren sind die neuen Trends bei der Lizenzierung und deren Auswirkungen auf ihre schöpferische Tätigkeit offenbar weitgehend unbekannt. Dagegen räumen die Musikverlage ein, dass die Einführung wirksamer Wege für die Erteilung von Mehrgebietslizenzen notwendig sei, wobei jedoch die Meinungen zur optimalen Vorgehensweise auseinandergehen. Gewerbliche Nutzer beklagen die Fragmentierung der Repertoires aufgrund der Abkehr großer Verlage vom Netzwerk der Gegenseitigkeitsvereinbarungen sowie die Rechtsunsicherheit dahingehend, welche Verwertungsstellen zur Lizenzvergabe berechtigt sind und welchen Umfang diese Lizenzen haben.



Falls neue europaweite Lizenzierungsmodelle zu einem Preisanstieg führen oder das Spektrum verfügbarer Musikwerke geringer wird, könnte sich die Zahl illegaler Downloads erhöhen.

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2. MULTITERRITORIALE LIZENZIERUNG FÜR DIE DIGITALE VERWERTUNG VON MUSIKRECHTEN: MARKTENTWICKLUNGEN Bei der Lizenzierung digitaler Dienste haben sich in den letzten Jahren wesentliche Veränderungen vollzogen, und diese Entwicklung setzt sich fort. Besonders Musikverlage, aber auch Verwertungsgesellschaften haben viel Zeit und Geld in die Umsetzung der Empfehlung 2005/737/EG investiert und eine ganze Reihe von Verträgen geschlossen. Zwecks Erkennung der Marktentwicklungen und besseren Erfassung der entstehenden Geschäftsmodelle wurden die Verwertungsgesellschaften sowie andere Einheiten zur kollektiven Rechtelizenzierung in den fünf Ländern, aus denen der Großteil der Informationen für diese Studie stammt (Belgien, Deutschland, Italien, Spanien und Vereinigtes Königreich), gebeten, sich zu ihren Lizenzvergabestrategien für die EU-weite Rechteabklärung zu äußern.31 In diesem Kapitel werden die entsprechenden Aktivitäten erörtert und die neuen Strukturen zur Bereitstellung paneuropäischer Lizenzen (Abschnitt 2.1) sowie die verschiedenen dazu angelaufenen oder vorgesehenen Initiativen (Abschnitt 2.2) dargelegt. Abschnitt 2.3 schließlich enthält eine Beurteilung der neuen Lizenzierungstrends.

2.1. Neu geschaffene Einheiten Lizenzierung im digitalen Bereich

für

die

multiterritoriale

2.1.1. Centralised European Licensing and Administrative Service (CELAS) Die CELAS GmbH ist ein neues Unternehmen, das 2007 mit Sitz in München gegründet wurde und sich in gemeinsamem Besitz der GEMA und der PRS for Music (also der deutschen und der britischen Verwertungsgesellschaft für die Wahrnehmung der Rechte von Textern, Komponisten und Musikverlagen) befindet. Errichtet wurde die CELAS, um für Rechteinhaber grenzüberschreitende Lizenzierungs- und Verwaltungsdienstleistungen auf gesamteuropäischer Basis zur Verwertung im Online- und Mobilbereich zu erbringen. Die GmbH steht „Rechteinhabern aller Art“ offen,32 vergibt jedoch zurzeit nur Lizenzen für die mechanischen Rechte des angloamerikanischen Repertoires der EMI Music Publishing Ltd. Den Angaben zufolge plant das Unternehmen keine Repertoireerweiterung und unterhält keine Aktivitäten für kulturelle und soziale Zwecke.33 Geleitet wird die CELAS von einem Chairman und zwei Geschäftsführern mit Sitz in Deutschland und im Vereinigten Königreich. Die Geschäftsführer sind für die CELAS zuständig, werden jedoch jeweils von der GEMA bzw. der PRS for Music beschäftigt. Die Geschäftsräume der CELAS befinden sich in den Räumlichkeiten der GEMA und der PRS for Music. Im Rahmen von Dienstleistungsvereinbarungen hat die CELAS Zugang zur technischen Infrastruktur und zu den Datenbanken beider Gesellschaften. Nach Angaben der CELAS werden die Kosten der für EMI Music Publishing angebotenen Leistungen, aber

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Allerdings haben auch Verwertungsgesellschaften in anderen europäischen Ländern Schritte zur Umsetzung der Kommissionsempfehlung von 2005 eingeleitet. Ein gutes Beispiel dafür ist der gemeinsame Rahmen, wie er von der Universal Music Publishing Group (UMPG) und der französischen SACEM (Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverlage) zur Lizenzierung und Verwaltung der Online-Rechte, die sich im Eigentum der UMPG befinden oder von ihr kontrolliert werden, zusammen mit den Werken des SACEM-Repertoires, das von der UMPG verlegt wird, eingerichtet wurde. Antwort der CELAS auf den Fragebogen der Studie. Ebenda.

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__________________________________________________________________________________________ auch die Kosten für die Einrichtung durch eine Provision gedeckt, die EMI Music Publishing zu zahlen hat. Die CELAS vertritt etwa eine halbe Million Werke; ein erheblicher Teil davon (40 %) sind Werke mit mehr als einem Rechteinhaber (siehe Kapitel 1, Abschnitt 1.5). Da diese Werke nur zum Teil von der CELAS vertreten werden, müssen sich die gewerblichen Nutzer noch an weitere Verwertungsgesellschaften wenden, um alle notwendigen Rechte für ihre digitalen Aktivitäten abzuklären. CELAS-Lizenzen für die Online- und Mobilnutzung des angloamerikanischen Repertoires von EMI Music Publishing erstrecken sich auf alle interaktiven und einige nichtinteraktive Formen der Verwertung, einschließlich Klingeltöne, Downloads, Streaming und Webcasting. Im Jahr 2008 schloss die CELAS Verträge mit mehreren gewerblichen Nutzern, darunter mit 7Digital, iTunes, Nokia, Real und Omnifone. Bis Ende Januar 2009 wurden an mehr als 20 der größten Digitalanbieter in Europa Lizenzen vergeben.34 Was die Preisbildung betrifft, so gab das Unternehmen an, dass es als Richtwert die öffentlich bekanntgegebenen Tarife der Verwertungsgesellschaften in den Verwertungsgebieten heranzieht.35 Wie die CELAS erklärte, gewährte ihr EMI Music Publishing zunächst Exklusivität.36 Mit ihrem Einverständnis wurde die Exklusivität anschließend aufgehoben, so dass die Abklärung der der CELAS zur Wahrnehmung anvertrauten Rechte im Prinzip auch über andere Agenturen und Verwertungsgesellschaften erfolgen kann. Interessanterweise scheint die CELAS gewillt, ihre ursprüngliche Berufung als „exklusiver“ Lizenzgeber der mechanischen Rechte des angloamerikanischen Repertoires von EMI aufrechtzuerhalten. Wie es auf ihrer Website heißt (besucht am 28.5.2009), „sind diese Rechte nur über die CELAS oder von der CELAS bevollmächtigte Agenturen erhältlich“.37 Daher lässt sich mit einiger Sicherheit vermuten, dass einige gewerbliche Nutzer Verträge mit der CELA in der Annahme abgeschlossen haben, dass sie die genannten Rechte exklusiv vertritt. Zudem scheint der Exklusivstatus auch für die Verwertungsgesellschaften unklar, da einige von ihnen die CELAS nach wie vor als ausschließliche Lizenzgeberin für das EMI-Repertoire bezeichnen.38 Die CELAS gibt an, dass sich ihr Vertrag mit EMI Music Publishing an den Grundsatz der Wahlfreiheit für Rechteinhaber hält und dass damit Transparenz und Kontrolle für Rechteverwalter gemäß der Kommissionsempfehlung 2005/737/EG eingeführt werden.39 Sie vertritt die Auffassung, dass ihre Kooperation mit EMI Music Publishing der Förderung der kulturellen Vielfalt dient – die Urheber werden angemessen für ihre Musik vergütet, die wiederum einem breiten Nutzerkreis zugänglich gemacht wird.

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Diese sind auf folgende Gebiet beschränkt: Albanien, Andorra, Österreich, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Gibraltar, Griechenland, Ungarn, Island, Republik Irland, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Malta, Moldau, Monaco, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Serbien und Montenegro, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz und Vereinigtes Königreich. In einigen Ländern werden jedoch Tarife nicht in vergleichbarer Weise veröffentlicht. Antwort der CELAS auf den Studienfragebogen und Meinungsaustausch mit dem Rechercheteam der Studie. Siehe http://www.celas.eu/CelasTabs/Licensing.aspx. In ihrer Antwort auf den Aufruf zur Stellungnahme vom 17. Januar 2007, mit dem sich die Europäische Kommission ein Bild vom europäischen Online-Musiksektor im Gefolge der Empfehlung 2005/737/EG verschaffen wollte (http://ec.europa.eu/ internal_market/copyright/ management/management_en.htm#call), vertrat die CELAS die Auffassung, dass ein Wettbewerb der Rechteverwalter um dasselbe Repertoire zu einem Wertverlust der Musik in Europa führen könnte. Insbesondere die Antwort der SABAM auf den Fragebogen der Studie. Siehe Antwort der CELAS auf den weiter oben angeführten „Aufruf zur Stellungnahme“ der Europäischen Kommission.

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__________________________________________________________________________________________ Insbesondere machte die CELAS auf die Schritte aufmerksam, die sie unternommen hat, um die europäischen Verwertungsgesellschaften über ihre Gründung und ihre Tätigkeit zu informieren.40 Sie habe ihnen zudem verwaltungstechnische Unterstützung angeboten, und zwar a) in Form eines Zugangs zur CELAS-Datenbank, so dass die europäischen Verwertungsgesellschaften die erforderlichen Repertoireanpassungen vornehmen können, und b) durch Hilfestellung bei den Meldeformaten, um Störungen an der Schnittstelle mit digitalen Diensteanbietern zu minimieren.41 Unterdessen wurden die gewerblichen Nutzer direkt und indirekt über die Gründung und die Funktion der CELAS informiert. Die CELAS wandte sich im Dezember 2006/Januar 200742 schriftlich an alle wichtigen Nutzer und unterrichtete sie im Zuge des Starts ihrer Website und in vielen Presseartikeln und Presseerklärungen über Veränderungen bei der Rechtevertretung und -lizenzierung. Eine beträchtliche Anzahl von angeforderten Daten zur Tätigkeit des Unternehmens wurde aus Vertraulichkeitsgründen nicht offengelegt. Konkret wurden keine Angaben zu folgenden Punkten gemacht: a) Höhe der Bruttoeinnahmen aufgrund der Vergabe EU-weiter Lizenzen, b) Höhe der an EMI Music Publishing ausgeschütteten Tantiemen, c) die von gewerblichen Nutzern zu zahlenden Gebühren, d) die EMI Music Publishing berechnete Verwaltungsgebühr für die erbrachten Leistungen, und e) Abzüge. Zum CELAS-Muster einer EU-weiten Lizenz wurde ebenfalls kein Zugang gewährt. 2.1.2. Pan-European Central Online Licensing GmbH (PAECOL) Die PAECOL GmbH, eine 100%ige Tochter der GEMA, wurde im Juli 2008 in München gegründet. Sie wurde für die multiterritoriale Lizenzierung der mechanischen Online-Rechte der Sony/ATV Music Publishing eingerichtet und hat im Augenblick keine konkreten Pläne für eine Ausweitung ihres Repertoires. Den eingegangenen Informationen zufolge erfolgte die Rechteabtretung nichtexklusiv, und die europäischen Verwertungsgesellschaften wurden über einen PAECOL-Newsletter sowie auf der Website der GEMA entsprechend in Kenntnis gesetzt.43 Im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags mit der GEMA darf die PAECOL Verwaltungsstrukturen und Datenquellen der GEMA nutzen. Die im Angebot der PAECOL befindlichen Verträge erstrecken sich auf alle Arten der digitalen Verwertung und basieren bei den Tarifen auf dem Bestimmungslandprinzip (d. h. Anwendung des lokalen Tarifs, wo ein derartiger Tarif vorhanden ist und angewandt wird). Die PAECOL gab an, dass sie bereits Lizenzen an verschiedene Diensteanbieter vergeben hat. Zur Identität der Lizenznehmer und zu den Grundzügen der geschlossenen Verträge wurden jedoch keine Angaben gemacht. Keine Informationen wurden zudem zu folgenden Punkten bereitgestellt: a) Höhe der Bruttoeinnahmen aufgrund der multiterritorialen Lizenzierung, b) Höhe der an Sony/ATV Music Publishing bisher ausgeschütteten Tantiemen, c) die von gewerblichen Nutzern zu zahlenden Gebühren, d) die Sony/ATV Music Publishing berechnete Verwaltungsgebühr für die erbrachten Leistungen und 40

41 42 43

Nach Aussage der CELAS lief die Informationsverbreitung in folgenden Phasen ab: Im April 2006 wurden die lokalen Verwertungsgesellschaften davon in Kenntnis gesetzt, dass bestimmte Rechte aus ihrem Repertoire herausgenommen werden. Im Juli 2006 veranstalteten die GEMA und die PRS for Music ein für alle europäischen Verwertungsgesellschaften offenes Seminar, um sie über den Umfang des CELAS-Geschäfts und über die Pläne von CELAS bei der Rechtelizenzierung zu unterrichten. Im Dezember 2006 startete die CELAS ihre Website (www.celas.eu) und informierte einen Monat später alle europäischen Verwertungsgesellschaften schriftlich über ihre Lizenzvergabetätigkeit. Im März 2007 stellte die CELAS Online-Informationen zu den Rechten, zum Repertoire und zu den Gebieten, die sie vertritt, bereit. Im Januar 2008 gab das Unternehmen in einer Pressemitteilung seine erste multiterritoriale Lizenz bekannt. Im März 2008 ging es in einem Schreiben an die Verwertungsgesellschaften auf weitere Veränderungen bei der multiterritorialen Lizenzierung ein. Die CELAS wirbt für die Meldestandards der DDEX (Digital Data Exchange). Die CELAS kontaktiert weiter dieselben Nutzer sowie neue Nutzer, die ihr bekannt werden. Antwort der PAECOL auf den Studienfragebogen.

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__________________________________________________________________________________________ e) Abzüge. Die PAECOL stellte jedoch klar, dass sie keinen kulturellen und sozialen Aktivitäten nachgeht.

2.2. Weitere bereits angelaufene oder geplante Initiativen zur multiterritorialen Lizenzierung im digitalen Bereich 2.2.1. Die Initiative PEL (Paneuropäische Lizenzierung des lateinamerikanischen Repertoires) Die SGAE, die spanische Verwertungsgesellschaft zur Vertretung von Textern, Komponisten und Musikverlagen hat Berechtigungsverträge mit Verlagen (Sony/ATV Music Publishing und Peer Music) und mittel- und südamerikanischen Verwertungsgesellschaften44 über die Verwaltung des lateinamerikanischen Repertoires für Online-Verwertung und mobile Verwertung geschlossen. Damit verfolgt die SGAE die Absicht, zentraler Lizenzgeber für die digitalen Nutzungen des lateinamerikanischen Repertoires in Europa zu werden, und verhandelt dazu noch mit anderen Verlagen und Verwertungsgesellschaften. Die PEL-Initiative weist die folgenden Merkmale auf: Die von der Initiative erfassen Rechte sind auf Rechte für mobile und Online-Nutzungen beschränkt, und zwar auf die Vervielfältigungsrechte und die Rechte der öffentlichen Wiedergabe (einschließlich Rechte der öffentlichen Zugänglichmachung) bei der Erbringung von Internet- und mobilen Musikdiensten. Die Rechteinhaber von PEL sind Sony/ATV Music Publishing und Peer Music (die den Katalog ihrer lateinamerikanischen Töchter vertreten), sowie die Textdichter, Komponisten und Verlage, die Mitglied der an der Initiative beteiligten mittel- und südamerikanischen Verwertungsgesellschaften sind. Das PEL-Repertoire ist das „lateinamerikanische“ Repertoire der genannten Rechteinhaber. Die Ermittlung der in diesem Repertoire enthaltenen Werke erfolgt über eine Online-Datenbank, die alle Werke umfasst, für die die SGAE einen Wahrnehmungsauftrag von den Rechteinhabern erhalten hat.45 Grundlage für die Tarife ist das Prinzip des Bestimmungslandtarifs. Die allgemeinen Tarife des SGAE für Nutzungen im mobilen und Online-Bereich gelten für die Verwertung im Gebiet Spanien.46 Nach Angaben der SGAE wurde ein spezieller Umsetzungsplan erstellt, um einen reibungslosen Übergang zu sichern: Die Verlage gaben den Abzug ihres lateinamerikanischen Repertoires bekannt, bevor sie den Vertrag mit der SGAE unterzeichneten. Nach dem Inkrafttreten des Vertrags sandte die SGAE Informationsschreiben an alle europäischen Verwertungsgesellschaften und wies sie an, weiterhin Nutzungsgebühren für lokale Verwertungen des lateinamerikanischen Repertoires von Peer Music und Sony/ATV Music Publishing einzuziehen. Vor kurzem nahm die SGAE Verhandlungen mit europäischen Verwertungsgesellschaften über den Abschluss von Berechtigungsverträgen auf, nach denen lokale Gesellschaften in ihren Einzugsgebieten als 44

45

46

Bei den mittel- und südamerikanischen Verwertungsgesellschaften besteht der Berechtigungsvertrag aus einer Erweiterung des geografischen Geltungsbereichs der Gegenseitigkeitsvereinbarungen, die diese Gesellschaften mit der SGAE abgeschlossen hatten, auf den gesamten EWR und nicht nur das Gebiet Spaniens für die Onlineund mobile Verwertung. Der Zugriff auf diese Datenbank ist über die SGAE-Website möglich. Dazu sind jedoch bei der SGAE ein Benutzername und ein Passwort zu beantragen (http://212.101.75.90:8080/spectrav/NAV/EN/index.jsp). Obgleich die SGAE keine unterschiedlichen Tarife nach lizenziertem Repertoire (d. h. Repertoire ihrer Mitglieder und PEL-Repertoire) anwendet, soll im Falle der PEL bei der Feststellung der Höhe der Lizenzgebühr nur der vom Anbieter für Online-/mobile Musikdienste erzielte Umsatz in Bezug auf das PEL-Repertoire berücksichtigt werden. Bei On-demand-Downloads ist die Identifizierung der heruntergeladenen Werke und ihre Repertoirezuordnung relativ leicht. Beim Streaming oder bei anderen Diensten, bei denen die Einnahmen des Online-/Mobilmusikanbieters auf Werbung beruhen, wird der Lizenzgebühranteil auf einen gewichteten Umsatz angewendet, der der Nutzung von Werke im lateinamerikanischen Katalog entspricht.

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__________________________________________________________________________________________ Unteragenturen der SGAE für die Verwaltung des lateinamerikanischen Repertoires im digitalen Bereich agieren würden. Da die ersten PEL-Lizenzen erst vor sehr kurzer Zeit vergeben wurden, liegen zu folgenden Punkten noch keine Informationen vor: a) Höhe der Bruttoeinnahmen aufgrund der multiterritorialen Lizenzierung durch PEL, b) Höhe der an die Rechteinhaber ausgeschütteten Tantiemen, c) die von gewerblichen Nutzern zu zahlenden Gebühren, d) die Rechteinhabern berechnete Verwaltungsgebühr für die erbrachten Leistungen und e) Abzüge. 2.2.2. Die Initiative PEDL (Pan-European Digital Licensing) Nach Presseinformationen wurde die PEDL-Initiative im Juni 2006 von Warner Chappell Publishing ins Leben gerufen. Zum Beitritt wurden europäische Verwertungsgesellschaften eingeladen, die Urheber und Musikverlage vertreten, und wie es heißt, beteiligen sich derzeit fünf von ihnen an PEDL: PRS for Music (Vereinigtes Königreich), STIM (Schweden), SACEM (Frankreich), SGAE (Spanien) und BUMA-STEMRA (Niederlande).47 Die Verwertungsgesellschaften werden als nichtexklusive Lizenzvergabeagenturen von Warner/Chappell Music für die mechanischen Rechte an ihrem angloamerikanischen Repertoire eingesetzt und sind berechtigt, paneuropäische Lizenzen für die digitale Verwertung zu vergeben. Die Lizenzvergabe erfolgt für einen kurzen Zeitraum (1-2 Jahre), und die Tarife basieren auf dem Bestimmungslandprinzip. Der Initiative kann im Prinzip jede europäische Verwertungsgesellschaft beitreten, sofern sie eine Reihe von konkreten Kriterien einhält, die für Transparenz, Effizienz und Rechenschaftspflicht sorgen sollen. Nach Angaben der GESAC (Europäischer Dachverband der Verwertungsgesellschaften zur Wahrnehmung der Rechte von Autoren und Komponisten) beinhalten die Bedingungen von Warner Chappell Publishing höchstmögliche Provisionen und keine Abführungen für kulturelle und soziale Zwecke.48 Auf Anfrage im Rahmen der Recherchen für die vorliegende Studie machte PRS for Music keine genaueren Angaben zu PEDL. Die Gesellschaft bestätigte lediglich, dass sie von Warner Chappell Publishing zur Lizenzierung der mechanischen Rechte seines angloamerikanischen Repertoires für die digitale Verwertung bevollmächtigt wurde und dass die Verwertungsgesellschaften in Europa über die bilateralen Kommunikationswege und die einschlägige Fachpresse über diese Entwicklung informiert wurden. Sie äußerte sich nicht zur Höhe der im Rahmen der PEDL-Initiative eingezogenen Nutzungsgebühren und machte geltend, dass es sich um vertrauliche Informationen handele. Die SGAE wollte ihre Teilnahme an PEDL weder bestätigen noch Angaben dazu machen. 2.2.3. Die Initiative ARMONIA Im Januar 2007 unterzeichneten SGAE und SACEM – die spanische und die französische Verwertungsgesellschaft für Texter, Komponisten und Musikverlage – eine Absichtserklärung zur Bildung einer gemeinsamen Rahmenorganisation für die Lizenzierung von Werken für die Online- und Mobilverwertung. Später trat die italienische Gesellschaft für diese Art von Rechteinhabern, die SIAE, der Initiative bei. In den Jahren 2007 und 2008 arbeiteten die drei Verwertungsgesellschaften zusammen, um verschiedene 47

48

Die Presse berichtete auch über eine Beteiligung der GEMA, der deutschen Verwertungsgesellschaft für Urheber und Musikverlage. Auf Anfrage im Rahmen der Recherchen zur vorliegenden Studie erklärte die GEMA, dass sie zwar ursprünglich Interesse an PEDL gezeigt hätte, sich aber letztendlich gegen einen Beitritt entschieden habe. Beitrag der GESAC zum Thema „Kollektive Rechteverwaltung bei grenzüberschreitenden Musikdiensten“ auf einer Konferenz der Association belge pour le droit d'auteur in Brüssel am 9. März 2009.

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__________________________________________________________________________________________ unternehmensrechtliche, steuerrechtliche und technische Fragen im Zusammenhang mit dem ARMONIA-Projekt zu lösen.49 Obwohl sich einige Punkte noch in der Diskussion befinden, liegen dem Projekt folgende Überlegungen zugrunde: ARMONIA würde von SGAE, SACEM und SIAE gemeinsam geleitet und würde EU-weite Lizenzen vergeben. Bei dem lizenzierten Repertoire würde es sich um das Gesamtrepertoire von SGAE, SACEM und SIAE handeln, das ihnen durch Mitgliedsverträge der Rechteinhaber übertragen wurde. Nach Aussage der SGAE hat die wettbewerbsrechtliche CISAC-Entscheidung der Europäischen Kommission die Entwicklung von ARMONIA erheblich verzögert, vor allem weil darin die Auflage zu bilateralen Verhandlungen unter den Verwertungsgesellschaften zwecks Änderung der traditionellen Gegenseitigkeitsvereinbarungen erteilt wurde. Bislang ist ARMONIA noch nicht arbeitsfähig, es wurden keine Lizenzen erteilt und keine Schritte zur Unterrichtung ausländischer Verwertungsgesellschaften über den Abzug des gemeinsamen Repertoires von SACEM, SGAE und SIAE unternommen. Wie die SIAE erklärte, würde die ARMONIA, sollte sie ihre Tätigkeit aufnehmen, auf zwei verschiedenen Ebenen tätig sein: a) Erarbeitung neuer technischer Hilfsmittel, die eine gemeinsame kollektive Rechtewahrnehmung ermöglichen, und b) Anwerbung von Nutzern, die innovative Dienste erbringen. Was die technischen Merkmale betrifft, so besteht die größte Herausforderung für die drei am Projekt beteiligten Verwertungsgesellschaften in der Einrichtung einer Repertoiredatenbank, die zur Bestimmung des Anteils jeder Gesellschaft an den erbrachten Lizenzierungsleistungen dient.50 Im Hinblick auf die gewerblichen Nutzer werden strukturierte Verhandlungen mit Akteuren konkret festgelegter Gebiete bevorzugt, um Synergien zu verstärken, Know-how zusammenzuführen und um Erfahrungen und Informationen auszutauschen. 2.2.4. Die Initiative SOLEM SOLEM ist eine Struktur, die von der SABAM, der belgischen Verwertungsgesellschaft für Urheber und Musikverlage, unmittelbar nach der Kommissionsempfehlung von 2005 gebildet wurde, um durch Vergabe von multiterritorialen Lizenzen einen zentralen Zugang zum Weltrepertoire sicherzustellen. Die SABAM lud ausländische Verwertungsgesellschaften ein, Anteilseigner an SOLEM zu werden und dafür verantwortlich zu sein, die Nutzungsgebühren im eigenen Einzugsgebiet einzuziehen. Da keine ausländische Verwertungsgesellschaft Interesse an einer Mitwirkung zeigte, ist die Initiative SOLEM zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Studie zunächst auf Eis gelegt.

2.3. Multiterritoriale Lizenzierung für die digitale Verwertung von Musikrechten: Eine Bilanz Nach der Veröffentlichung der Kommissionsempfehlung wurden die verschiedensten Geschäftsmodelle für die EU-weite Lizenzierung von Musikrechten für die digitale Verwertung entwickelt. Diese Modelle haben im Wesentlichen folgende Formen: •

49

50

neue gegründete Einheiten, die als nichtexklusive Lizenzvergabeagenturen für große Musikverlage eingesetzt wurden (CELAS und PAECOL);

Ursprünglich wollten die drei Verwertungsgesellschaften eine neue und unabhängige rechtliche Einheit für die Lizenzierung ihres Gesamtrepertoires auf gesamteuropäischer Ebene gründen. Hauptproblem dabei wären die Steuerregelungen, die bei einer solchen neuen Struktur gelten würden, sowie Fragen der Doppelbesteuerung. Auf der Basis eines gemeinsam genutzten Formats sollen die Werkidentifizierung automatisch und die Abrechnung gesondert für jede Verwertungsgesellschaft erfolgen.

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__________________________________________________________________________________________ •



• •

Verträge zwischen großen Musikverlagen und mehreren Verwertungsgesellschaften, mit denen Letztere als nichtexklusive Lizenzvergabeagenturen für das Repertoire der Verlage eingesetzt werden (PEDL-Initiative); Verträge zwischen Musikverlagen (einschließlich großer Musikverlage) und mehreren Verwertungsgesellschaften, so dass eine der Letzteren zentral Lizenzen für das Gesamtrepertoire aller beteiligten Akteure vergeben kann (z. B. PEL-Initiative); Verträge zwischen mehreren Verwertungsgesellschaften über die gemeinsame Exklusivvertretung ihrer Repertoires (ARMONIA-Projekt); und neu geschaffene Strukturen mit verschiedenen Verwertungsgesellschaften als Anteilseigner zur Erteilung von multiterritorialen und Multirepertoire-Lizenzen (SOLEM-Initiative).

Obgleich einige dieser Geschäftsmodelle noch keine Ergebnisse bei der Erteilung EU-weiter Lizenzen erzielt haben, liegt es doch auf der Hand, dass derzeit eine Vielzahl neuer Muster für die multiterritoriale Lizenzierung erkundet wird. Aus diesem Blickwinkel ließe sich anführen, dass die Empfehlung der Kommission von 2005 ihr Ziel erreicht hat, die territoriale Segmentierung der Urheberrechtswahrnehmung zu beseitigen. Gleichzeitig jedoch hat sie auch neue Markttrends bei der Repertoirevertretung ausgelöst und im Grunde eine Fragmentierung des Repertoires bewirkt. Mit Ausnahme von SOLEM und ARMONIA, die, obwohl sie ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen haben, auf die Erteilung von Multirepertoirelizenzen abzielen, orientieren alle anderen Geschäftsmodelle auf Formate der Einzelrepertoirelizenzierung. Paneuropäische Lizenzen können im Prinzip nur für das angloamerikanische und das lateinamerikanische Repertoire vergeben werden. Das bisherige System mit nur einer Anlaufstelle, das sich auf dem Netz von Gegenseitigkeitsvereinbarungen europäischer Verwertungsgesellschaften gründete, ermöglichte es einer einzigen Verwertungsgesellschaft, in ihrem Einzugsgebiet den Zugang zum gesamten Repertoire der am System beteiligten Gesellschaften zu gewähren. Die neu geschaffenen Lizenzregelungen ermöglichen die Erteilung von Einzelrepertoirelizenzen für mehrere Gebiete. Ein wirklich mehrere Gebiete und mehrere Repertoires umfassendes System besteht also nicht. Die von uns Befragten haben keine Angaben zur Höhe der Nutzungsgebühren gemacht, die im Namen der hauptsächlich aus großen Musikverlagen bestehenden Rechteinhaber eingezogen wurden. Derartige Informationen gelten als marktrelevant, da sich damit bestimmte Marktakteure ihren Einnahmen zuordnen lassen. Auch andere relevante Daten, beispielsweise zu den für die EU-weite Lizenzierung berechneten Verwaltungsgebühren und zu Abzügen, wurden nicht herausgegeben. Das erschwert eine Beurteilung der Auswirkungen der neuen Lizenzierungsmodelle auf die Arbeit der nationalen Verwertungsgesellschaften, ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit und somit auf ihr Vermögen, sich um die Bedürfnisse lokaler Urheber und Musikverlage zu kümmern. Somit sind Angaben zu einem Musikrepertoire beträchtlichen Umfangs praktisch nicht mehr zugänglich. Abgesehen davon sei ebenfalls angemerkt, dass die Errichtung neuer Einheiten für die Rechteabklärung im digitalen Umfeld wichtige rechtliche Fragen aufwirft. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), das für die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften in Deutschland zuständig ist, hat Ermittlungen zum Rechtsstatus der CELAS GmbH angestellt und geprüft, ob die CELAS als neue (oder andere) Verwertungsgesellschaft im Sinne des deutschen Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes (UrhWG) betrachtet werden sollte. Nach einer Zwischeneinschätzung im April 2009 legte das DPMA die Angelegenheit dem

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__________________________________________________________________________________________ Bundesministerium der Justiz (BMJ) zur Prüfung im Rahmen der Fachaufsicht vor. Zwar hat das BMJ seine Prüfung noch nicht abgeschlossen, sollte jedoch die CELAS nicht als Verwertungsgesellschaft im Sinne des UrhWG bewertet werden, würde dies im Grunde bedeuten, dass sich die CELAS GmbH der Aufsicht und der normalerweise für Verwertungsgesellschaften in Deutschland geltenden Transparenzregeln entziehen könnte.51 So könnte sie beispielsweise die Vergabe von Lizenzen an bestimmte gewerbliche Akteure verweigern oder die Erteilung von Lizenzen nach diskriminierenden Bedingungen beschließen. Auch die Frage der „(Nicht-)Exklusivität“ verdient Beachtung. Sowohl die CELAS als auch die PAECOL geben an, dass sie nichtexklusive Agenturen von EMI Music Publishing bzw. Sony ATV sind. Nichtexklusivität ergibt einen Sinn, wenn die diesen Stellen anvertrauten Rechte auch von Dritten lizenziert werden. Dies wurde von keinem der von uns Befragten bestätigt. Überdies ist uns auch keine offizielle Erklärung von EMI Music Publishing und Sony ATV, anderen Agenturen oder Verwertungsgesellschaften zur Kenntnis gelangt, die mit der Lizenzierung derselben Rechte beauftragt sind, wie sie der CELAS und der PAECOL übertragen wurden. Natürlich sollte die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass EMI Music Publishing und Sony/ATV sich das Recht vorbehalten, entsprechende Lizenzen auch selbst zu vergeben. Wenn Verwertungsgesellschaften mit der Lizenzierung des Repertoires großer Musikverlage auf paneuropäischer und nichtexklusiver Basis (PEDL-Initiative) parallel zur Lizenzierung ihres eigenen einheimischen Repertoires beauftragt werden, lautet zudem die Frage, ob eine Gleichbehandlung des einheimischen Repertoires und des Repertoires der Großverlage erfolgt. Nach dem in der Empfehlung selbst enthaltenen Grundsatz der Nichtdiskriminierung sollten Verwertungsgesellschaften ihre eigenen Mitglieder nicht nach ungünstigeren Bedingungen behandeln. Ausgehend von den im Rahmen der Studien eingeholten Auskünften können wir nicht bestätigen, ob dies tatsächlich der Fall ist.52

51

52

Allerdings könnte die CELAS auch als Lizenzvergabesparte der GEMA betrachtet werden. Damit wäre sie an die deutschen Aufsichts- und Transparenzvorschriften gebunden. Wie es heißt, erteilt Warner Chappell Publishing den Verwertungsgesellschaften, die seiner PEDL-Initiative beitreten, spezielle Auflagen, bei denen es u. a. um Höchstgrenzen für Provisionen geht (siehe Abschnitt 2.2.2).

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Wichtigste Erkenntnisse •

Zur Umsetzung der Empfehlung der Kommission von 2005 haben sich die Marktakteure mit folgenden Modellen befasst:

a) Einsetzung neu geschaffener Verwaltungsstellen Lizenzierungsagenturen großer Musikverlage (CELAS und PAECOL);

als

nichtexklusive

b) Einsetzung verschiedener Verwertungsgesellschaften Lizenzierungsagenturen großer Musikverlage (PEDL-Initiative);

als

nichtexklusive

c) Einsetzung einer Verwertungsgesellschaft als zentrale Lizenzvergabestelle für das Repertoire verschiedener Musikverlage (darunter großer Musikverlage) und von Verwertungsgesellschaften, die zum gleichen Musikgenre gehören (PEL-Initiative); d) gemeinsame Vertretung des Gesamtrepertoires mehrerer Verwertungsgesellschaften auf exklusiver Basis (ARMONIA-Initiative); und e) Schaffung neuer Strukturen mit verschiedenen Verwertungsgesellschaften als Anteilseigner zur Vergabe multiterritorialer Lizenzen, die sich auf das Repertoire aller angeschlossenen Verwertungsgesellschaften erstrecken (SOLEM-Initiative). •

Somit hat die Kommissionsentscheidung von 2005 ihr Ziel erreicht, die territoriale Segmentierung der Urheberrechtswahrnehmung im digitalen Bereich zu beseitigen.



Die neuen Lizenzvergabekanäle, die geschaffen wurden und einsatzbereit sind, ermöglichen nur die Vergabe von paneuropäischen Lizenzen für das angloamerikanische und das lateinamerikanische Repertoire. Ein wirklich mehrere Gebiete und mehrere Repertoires umfassendes System ist nicht vorhanden.



Die Nichtherausgabe von Informationen zur Höhe der Nutzungsgebühren, die von den neu geschaffenen EU-weiten Lizenzierungsplattformen im Namen der Rechteinhaber eingezogen wurden, behindert eine eindeutige Analyse und Beurteilung der Auswirkungen neuer Lizenzierungsmodelle auf den Betrieb nationaler Verwertungsgesellschaften und generell auf den Markt der Musikrechteverwaltung.



Eine der wichtigsten rechtlichen Fragen, die die Schaffung neuer Einheiten zur Musikrechtewahrnehmung im digitalen Umfeld aufwirft, lautet, ob diese Einheiten als Verwertungsgesellschaften im Sinne des Gesetzes im Land ihrer Niederlassung zu betrachten sind. Von der Auslegung ihres Rechtsstatus wird es abhängen, ob sie denselben Transparenzund Aufsichtsregeln unterliegen, die für Verwertungsgesellschaften gelten. Auswirken wird sich die Antwort auf diese Frage zudem darauf, wie die Verwertungsgesellschaften und die neuen Lizenzvergabeeinheiten gegeneinander in Wettbewerb treten.



Bei Verwertungsgesellschaften, die parallel zur Lizenzierung ihres eigenen einheimischen Repertoires mit der paneuropäischen nichtexklusiven Lizenzierung des Repertoires großer Musikverlage beauftragt sind, spielt die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung eine maßgebliche Rolle. Die eigenen Mitglieder sollten nicht weniger günstig behandelt werden als große Musikverlage.

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3. KOLLEKTIVE RECHTEWAHRNEHMUNG ERREICHTER STAND

IN

EUROPA:

Zu den großen Herausforderungen bei der Gestaltung und Durchsetzung einer Musikrechteverwertung, die die kulturelle Vielfalt auf der Ebene der EU wirksam schützt und fördert, gehören der Zugang zu objektiven und verlässlichen Daten über die Höhe der Zahlungen an die Urheber und das Vorhandensein unterschiedlicher Arten von Musikrepertoires auf dem Markt. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig stattfindenden Neuordnung der digitalen Musikrechteverwertung wurde mehrfach argumentiert, dass sich die Umsetzung der Empfehlung 2005/737/EG der Kommission negativ auf die traditionellen Aufgaben und Tätigkeiten der nationalen Verwertungsgesellschaften ausgewirkt habe. Viele europäische Verwertungsgesellschaften sind der Ansicht, dass die Herausnahme des kommerziell erfolgreichen Repertoires aus dem Gegenseitigkeitssystem ihre Fähigkeit unterminiert, sich für die Belange aller ihrer Mitglieder einzusetzen – zum Nachteil der lokalen und speziellen Repertoires und Künstler und damit der kulturellen Vielfalt. Wie in Kapitel 2 erläutert, erschwert die Nichtoffenlegung von Zahlen zu den Erträgen, die durch die Lizenzierung des Repertoires, das die großen Musikverleger zur digitalen Verwertung überall in Europa speziellen Vertretungsgremien und Verwertungsgesellschaften anvertraut haben, entstehen, die Untersuchung der Frage, welche Auswirkungen die neuen Lizenzierungsverfahren erstens auf die digitale Lizenzierungstätigkeit der nationalen Verwertungsgesellschaften und zweitens auf ihre Musikrechteverwertungstätigkeit insgesamt haben. Jedoch kann eine Untersuchung der Online- und Offline-Leistung der Verwertungsgesellschaften helfen, zu einem besseren Verständnis der Höhe der in der Regel an die Kulturschaffenden geleisteten Zahlungen und des Stellenwerts der verschiedenen, auf dem Markt verfügbaren Arten von Repertoires zu gelangen. Vor diesem Hintergrund und ungeachtet der Tatsache, dass die Empfehlung der Kommission von 2005 lediglich den Online-Bereich und damit einen Markt betrifft, der in Europa immer noch relativ klein ist (weniger als 10 % der Musikverkäufe insgesamt53), aber ein großes Potenzial besitzt, wird in den folgenden Punkten (3.1 bis 3.5) ein länderübergreifender Überblick über die kollektive Wahrnehmung von Musikrechten vor und nach der Annahme der Kommissionsempfehlung von 2005 gegeben. Bei der Schaffung einer soliden Wissensgrundlage über die Tätigkeit der europäischen Verwertungsgesellschaften vor und nach dem Aufkommen neuer Lizenzierungstrends für die digitale Verwertung von Werken der Musik geht es nicht darum, die tatsächlichen Auswirkungen der Empfehlung von 2005 auf die europäischen Verwertungsgesellschaften herauszustellen (zumal sich diese großenteils noch nicht in Zahlen widerspiegeln), und auch nicht deren Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Pflichten und damit, wie in Kapitel 1 erläutert wurde, deren Beitrag zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt. Vielmehr besteht das Ziel darin zu ermitteln, welche potenziellen Folgen die systemischen Veränderungen, die sich derzeit im Bereich der Musikrechtewahrnehmung vollziehen, für die kulturelle Vielfalt und konkret für die Schaffung und Marktverbreitung vielfältiger musikalischer Inhalte haben. Diese Analyse erlaubt aussagekräftige Rückschlüsse zu der Frage, von welchen kulturpolitischen Erwägungen sich die Organe der Europäischen Union 53

Siehe zum Beispiel die Abschnitte 3.1.1, 3.2.1, 3.3.1 und 3.4.1 mit Angaben aus dem Bericht der IFPI “Recording industry in numbers ” von 2008.

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__________________________________________________________________________________________ bei der Einführung von Maßnahmen leiten lassen sollten, die auf die Musikbranche abzielen oder sie berühren (mehr dazu in Kapitel 4). Die Punkte 3.1 bis 3.5 sollten als „Referenz”, als „Länder-Fallstudien”, betrachtet werden, die im Großen und Ganzen repräsentativ für die EU27 sind. Gestützt auf detaillierte Angaben der in Belgien, Deutschland, Italien und Spanien54 sowie im Vereinigten Königreich zur Vertretung der Autoren und Musikverlage gegründeten Verwertungsgesellschaften, bieten sie ein allgemeines Spiegelbild der kollektiven Verwaltung der Rechte der Autoren und Musikverlage in Europa. Ihr Hauptziel ist die Untersuchung des Wertes und der Diversifizierung der Musikrepertoires, die in den ausgewählten Ländern und somit in ganz Europa gehört werden. Die Daten betreffen die Zeit vor und nach der Annahme der Kommissionsempfehlung von 2005 und vier verschiedene Repertoirearten (einheimisches, europäisches, angloamerikanisches und internationales Repertoire). Als „einheimisches” Repertoire wird das Repertoire betrachtet, das aus den Werken der Mitglieder der lokalen Verwertungsgesellschaft besteht. Das „europäische“ Repertoire steht für das Repertoire der Werke der Mitglieder der Verwertungsgesellschaften, die ihren Sitz in EU-Mitgliedstaaten haben. In aller Regel wird dabei unterschieden zwischen a) einem „aggregierten“ (oder „kombinierten“) europäischen Repertoire, das die Werke der Mitgliedstaaten der Verwertungsgesellschaft des Vereinigten Königreichs einschließt, und b) einem „nicht aggregierten“ europäischen Repertoire, das die Werke der Mitgliedstaaten der Verwertungsgesellschaft des Vereinigten Königreichs ausschließt. Angesichts des hohen Stellenwerts, den das Repertoire des Vereinigten Königreichs im globalen Musikmarkt im Allgemeinen genießt, ermöglicht dies bei der Analyse wichtige Aussagen. Mit dem „internationalen” Repertoire wiederum sind die Repertoires gemeint, die von den Verwertwertungsgesellschaften der Drittländer (außer den USA) verwaltet werden. Das angloamerikanische Repertoire schließlich ist das Repertoire, das aus den Werken besteht, die von den Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs und der USA verwaltet werden. Was das einheimische Repertoire betrifft, so gehen wir in dieser Studie davon aus, dass die Höhe der von der lokalen Verwertungsgesellschaft an ihre Mitglieder verteilten Erträge als Indikator für dessen Wert dienen kann.55 Gleichfalls Berücksichtigung findet die finanzielle Unterstützung, die die lokale Verwertungsgesellschaft (gegebenenfalls) für kulturelle und soziale Maßnahmen bereitstellt. Die für solche Zwecke ausgegebenen Mittel können in der Regel als Beitrag zum Wert des einheimischen Repertoires angesehen werden. Was das europäische, das angloamerikanische und das internationale Repertoire anbelangt, so stützt sich die Analyse auf das Netzwerk der Verwertungsgesellschaften zu ihrer gegenseitigen Vertretung. Die Studie beruht auf der Annahme, dass die Höhe der Gebühren, die die lokale Verwertungsgesellschaft für die Nutzung des ausländischen Repertoires auf ihrem Gebiet an die ausländischen Verwertungsgesellschaften überweist, ein Indikator für den Wert und die Diversifizierung des in ihrem Sitzland konsumierten 54

55

Was Spanien anbetrifft, so enthielten die von der SGAE, der spanischen Verwertungsgesellschaft der Autoren, Komponisten and Musikverleger, gelieferten Informationen keine quantitativen Daten. Im Sinne möglichst genauer Daten wurde versucht, aus den Zahlenangaben die Einnahmen der „zentralen Lizenzierung“ und die den Subverlagen zufließenden Einnahmen herauszunehmen. Während erstere in der Regel aus einem System der zentralen Lizenzverteilung stammen, bei dem multinationale Plattenfirmen die mechanischen Vervielfältigungsrechte für mehrere Repertoires und Gebiete von einer einzigen Verwertungsgesellschaft abklären lassen können, sind Einnahmen aus der Vergabe von Sublizenzen Einnahmen, die die lokale Verwertungsgesellschaft einem Verleger zuweist, der ihr Mitglied ist, wobei dieser Verleger auf der Grundlage eines Sublizenzvertrags die Rechte eines anderen (in der Regel großen), ausländischen Verlags inne haben. Beide Arten von Einnahmen sind nach dem Verständnis der Verfasser dieser Studie nicht unbedingt mit dem Konzept des „einheimischen“ Repertoires verbunden.

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__________________________________________________________________________________________ ausländischen Repertoires ist. Dementsprechend ermöglicht ein Vergleich zwischen den an die ausländischen Verwertungsgesellschaften verteilten Erträgen und den von den ausländischen Verwertungsgesellschaften für die Nutzung des einheimischen Repertoires im Ausland eingenommenen Gebühren eine Untersuchung der Handelsströme in der Musikbranche. Die Handelsströme widerspiegeln die Position der einzelnen Repertoires im europäischen und im weltweiten Musikmarkt. Neben dem Wert der Repertoires und den Trends im innergemeinschaftlichen und internationalen Handel im Musikbereich liefern die Punkte 3.1 bis 3.5 auch eine kurze Analyse der Hauptmerkmale des einheimischen Musikmarktes und der Regeln, die die Verwertungsgesellschaften im Tagesgeschäft anwenden, da derartige Informationen Aufschluss darüber geben, welche Interessen die verschiedenen Akteure im Bereich der kollektiven Wahrnehmung von Rechten verfolgen. Aufmerksamkeit gilt außerdem der Lizenzierungsleistung der lokalen Verwertungsgesellschaft vor allem im Bereich der digitalen Musikrechteverwaltung, da hier die Auswirkungen der Empfehlung der Kommission von 2005 zuerst in Erscheinung treten (bzw. in Erscheinung treten dürften).

3.1. Belgien 3.1.1. Hauptmerkmale des belgischen Musikmarktes IFPI-Angaben zufolge belegte der belgische Musikmarkt im Jahr 2007 beim Verkauf physischer Tonträger weltweit Platz 15, bei den digitalen Verkäufen Platz 19 und bei den Einnahmen aus den Aufführungsrechten Platz 10.56 Im selben Jahr betrug der Handelswert der Branche auf dem belgischen Musikmarkt insgesamt 136,4 Millionen EUR. Dabei machten die physischen Verkäufe 85 %, die Aufführungsrechte 9 % und die digitalen Verkäufe 6 % aus.57 Von den physischen Verkäufen entfielen 89 % auf CDs, 8 % auf Musikvideos und 3 % auf sonstige Formate.58 Von den digitalen Verkäufen entfielen 46 % auf Download-Einzeltracks, 17 % auf Online-Alben, 12 % auf Mastertones und 25 % auf sonstige Formate.59 Das einheimische Repertoire hatte 2008 einen Anteil von 11 % an den insgesamt verkauften Alben (2007 waren es 13 % und 2006 15 %).60 Wie Tabelle 1 zeigt, weisen die Zahlen für den belgischen Musikmarkt einen deutlichen Rückgang der physischen Verkäufe (-17 % im Zeitraum 2004-2007) aus. Im selben Zeitraum nahmen die digitalen Verkäufe zwar zu, konnten die Verluste bei den physischen Verkäufen jedoch nicht ausgleichen. Auch die Einnahmen aus den Aufführungsrechten nahmen zu. Insgesamt blieb der Musikumsatz 2007 jedoch unter dem Stand von 2004.

56 57 58 59

60

IFPI-Bericht „Recording industry in numbers“, 2008, S. 25. Ebenda. Sonstige Formate: Singles, Kassetten, Schallplatten usw. Sonstige Formate: Musikvideos, Streams, Ringback Tones (Freizeichenmelodien), Mobile Single Tracks und andere nicht kategorisierte Verkäufe. Marktforschung der IFPI von Mai 2007 (für die Zahlen von 2006) und Antwort der SIMIM auf den Studienfragebogen (für die Zahlen von 2007 und 2008).

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.1. IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 Musikumsatz (Millionen USD) Physisch Digital Online Mobile Abonnements Aufführungsrechte

2004

2005

2006

2007

190 1 34 % 62 % -

174 3,3 70 % 23 % 7% -

167 10,6 54 % 46 % 11,1

157,9 11,3 67 % 33 % 17,6

Der digitale Markt in Belgien ist noch längst nicht voll entwickelt. Wie Tabelle 1 zeigt, gab es hinsichtlich der Quelle der digitalen Einnahmen (Online, Mobile oder Abonnements) über die Jahre starke Schwankungen, wobei jedoch der Trend zu einer Präferenz für OnlineNutzungen digitaler Musik geht.61 Die wichtigsten Plattenlabels in Belgien sind Universal Music, Sony Music, EMI Music, Warner Music, Pias und CNR, gefolgt von einer ganzen Reihe von kleineren Unternehmen. Der belgische Musikmarkt ist geprägt von großen Unterschieden in der Branche, die auf das Herangehen der Medien an Musik und den Geschmack des Publikums im Norden (flämischsprachiger Teil) und im Süden (französischsprachiger Teil) des Landes62 zurückzuführen sind und sich auf die Charts auswirken, die unterschiedlich sind.63 Dabei überwiegt in beiden Teilen des Landes der Einfluss der angelsächsischen Musik. Der zwischen Norden und Süden geteilte Markt ist offenbar einer der Gründe dafür, dass belgische Musik in der Regel kaum den Weg ins Ausland findet.64 In einer Pressemitteilung von Januar 2009 hoben die BEA (Belgian Entertainment Association), der Berufsverband für die Musik-, Video- und Spieleindustrie, und die belgische IFPI den hohen Anteil der illegalen Musik-Downloads in Belgien hervor. Die BEA verwies auf eine Studie von GFK Retail & Technology Benelux, laut welcher über einen Zeitraum von zwei Monaten 80 % der Downloads von „Almost Bangor“ (das Album des belgischen Künstlers Novastar) illegal waren.65 3.1.2. Verwertungsgesellschaften und Musikrepertoires Die Artikel 65 bis 78 des belgischen Urheberrechtsgesetzes regeln die rechtlichen Rahmenbedingungen für Verwertungsgesellschaften in Belgien.66 Kurz gesagt ist es so, dass Verwertungsgesellschaften die Erlaubnis der Regierung benötigen, um ihre Tätigkeiten

61

62

63

64 65

66

Dies deckt sich mit der Entwicklung in anderen europäischen Ländern wie Spanien oder Italien, wo digitale Musikdienste in erster Linie über Mobiltelefone genutzt werden. Antworten auf den Studienfragebogen der BIMA (Belgium Independent Music Association), der GALM (Genootschap Auteurs Lichte Muziek, the Flemish Authors of Light Music Association) und der CONSTANT vzw (fachbereichsübergreifender Künstlerverband ohne Erwerbszweck, der vor allem in der Entwicklung von Copyright-Alternativen und freien Lizenzen tätig ist). Siehe die belgische Hitparade ULTRATOP (www.ultratop.be), die zeigt, dass Nordbelgien von den Neuerscheinungen in den Niederlanden und Südbelgien von den Neuerscheinungen in Frankreich beeinflusst wird. Antwort der GALM auf den Studienfragebogen. Pressemitteilung der BEA vom 16. Januar 2009, zugänglich unter www.belgianentertainment.be/index.php/fr/. Laut den Angaben der BEA wurde die Studie auf ihren Wunsch hin während zweier Monate am Ende des Jahres 2008 durchgeführt und ergab, dass das Album täglich 90 bis 100 mal illegal heruntergeladen wurde. Gesetz vom 30. Juni 1994 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte. Dieses Rechtssystem wird ergänzt durch mehrere andere Gesetze und königliche Dekrete. Im Mai 2006 wurde ein Gesetzentwurf (Projet de loi modifiant, en ce qui concerne le statut et le contrôle des sociétés de gestion des droits, la loi du 30 juin 1994 relative au droit d’auteur et aux droits voisins, DOC 51 2481/001) eingeführt, um das Urheberrechtsgesetz bezüglich des Statuts der Verwertungsgesellschaften und ihrer Beaufsichtigung zu ändern.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ auf belgischem Staatsgebiet ausführen zu können.67 Sie müssen von einem Wirtschaftsprüfer kontrolliert und (insbesondere, was die Anwendung der Tarife und der vom Vorstand beschlossenen Regeln für Inkasso und Verteilung anbelangt) von einem Vertreter des Wirtschaftsministers überwacht werden. Für einige Arten von Rechten 68ist die kollektive Wahrnehmung vorgeschrieben, dies gilt auch für die gerechte Vergütung für ausübenden Künstler und Produzenten für den Rundfunk und die öffentliche Wiedergabe auf einem öffentlichen Platz. In allen anderen Fällen ist die kollektive Wahrnehmung nicht vorgeschrieben. Die Rechteinhaber können diese Rechte selbst wahrnehmen oder eine Verwertungsgesellschaft damit beauftragen. Das belgische Urheberrechtsgesetz gibt ihnen auch die Möglichkeit, die Rechtewahrnehmung auf mehrere Verwertungsgesellschaften aufzuteilen. Demzufolge können die Rechteinhaber ihre Rechte ganz oder teilweise einer Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl anvertrauen, wie es in der Kommissionsempfehlung von 2005 empfohlen wird.69 Es gibt in Belgien drei Verwertungsgesellschaften, die im Musiksektor aktiv sind, und zwar die SABAM, die SIMIM und die URADEX. Die SABAM und die SIMIM haben sich aktiv an der Studie beteiligt. Die SABAM wird im Folgenden vorgestellt. Die Tätigkeiten der SIMIM sind in Anhang A analysiert. 3.1.2.1. SABAM Die SABAM ist die Verwertungsgesellschaft (insbesondere von musikalischen Werken) der Autoren, Verleger und Komponisten. Sie ist eine privatwirtschaftliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die folgende Tabelle zeigt die Anzahl der SABAM-Mitglieder über mehrere Jahre. Etwa 10 % der SABAM-Mitglieder sind keine belgischen Staatsbürger. Dies war schon vor der Annahme der Kommissionsempfehlung von 2005 so. Tabelle 3.2. SABAM-Mitgliedschaft SABAM-Mitglieder Mitglieder insgesamt Mitglieder, an die Tantiemen gezahlt wurden

2003

2004

2005

2006

2007

2008

28 487

29 708

30 361

31 919

32 588

33 416

8 454

9 352

10 270

9 980

9 225

9 842

Die Zahlen beziehen sich auf musikalische und nicht musikalische Werke.

Wie in Anhang B (Tabelle a) angegeben, haben sich die Bruttoeinnahmen und die ausschüttbaren Nettoeinnahmen im Zeitraum 2001-2007 um 109 % bzw. 135 %, erhöht. Die Nettoeinnahmen machten 2001 77,5 % der Bruttoeinnahmen aus. Dieser Anteil hatte sich 2007 auf 87,2 % erhöht, was eine höhere Verteilungsquote bei den Einnahmen aus den Nutzungsgebühren bedeutet. Die SABAM erklärte, dass dies auf die Einführung neuer Managementmethoden zurückzuführen sei, die sich als effizienter erwiesen hätten. Der Aufsichtsrat der SABAM wird von den stimmberechtigten Mitgliedern gewählt.70 Er besteht aus 16 Mitgliedern, von denen zwölf im Musikschaffen aktiv sein müssen. Dabei 67 68

69 70

Dies gilt auch für Verwertungsgesellschaften mit Sitz in anderen EU-Ländern. Gilt insbesondere für die Kabelweiterverbreitung, die private Kopie, die fotomechanische Vervielfältigung und das öffentliche Verleihwesen. Dieses System war schon vor der Kommissionsempfehlung von 2005 in Kraft. Gemäß der Satzung der SABAM genießen Mitglieder, die beschließen, einen vollen Gesellschaftsanteil der SABAM im Wert von 125 EUR zu zeichnen, Stimmrechte.

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__________________________________________________________________________________________ handelt es sich um acht Autoren und Komponisten musikalischer Werke und vier Verleger (unter denen sich ein „Großverleger“ befindet). Laut der Satzung der SABAM sind ein Drittel der für Werke der Musik bestimmten Sitze im Aufsichtsrat den Verlegern vorbehalten. Die SABAM begründete dies mit einer gemeinsamen Erklärung der GESAC (Groupement Européen des Sociétés d'Auteurs et Compositeurs) und des internationalen MusikverlegerVerbands ICMP/CIEM (International Confederation of Music Publishers) zu den Mindestanforderungen an das Management von Verwertungsgesellschaften. Der Auslöser dieser Erklärung vom 7. Juli 2006 war die Kommissionsempfehlung von 2005. Die SABAM finanziert sich in erster Linie über Verwaltungsgebühren, die sie für die erbrachten Wahrnehmungsleistungen berechnet. Die Gebühren werden als prozentualer Anteil an der Gesamtheit der Lizenzgebühren berechnet, die an die Rechteinhaber verteilt oder an die ausländischen Verwertungsgesellschaften, mit denen die SABAM Gegenseitigkeitsvereinbarungen abgeschlossen hat, abgeführt werden. Vor dem Hintergrund der in Kapitel 1 beschriebenen umfassenden Neuordnung der Verwertungsgesellschaften wurde bisher kein voller Zugang zu den Informationen über die Verwaltungsgebühren gewährt. Ob und in welchem Maße die Kommissionsempfehlung von 2005 das Ziel einer besseren Transparenz und Gleichbehandlung aller Rechteinhaber erreicht hat, kann daher nicht beurteilt werden. Es kann jedoch Folgendes festgestellt werden: Die Gebührensätze, die die für die Einziehung der Nutzungsgebühren getätigten Aufwendungen reflektieren sollen71, schwanken zwischen 0 und 20 %72. Die Prozentsätze, die anzuwenden sind, wenn die SABAM Nutzungsgebühren an ihre Mitglieder ausschüttet oder auf der Grundlage einer Gegenseitigkeitsvereinbarung Nutzungsgebühren an eine ausländische Verwertungsgesellschaft abführt, sind gleich, es sei denn, es wurde ein anderer Prozentsatz vereinbart.73 Dagegen ist die Rolle der SABAM in dem Fall, dass eine ausländische Verwertungsgesellschaft auf der Grundlage einer Gegenseitigkeitsvereinbarung Nutzungsgebühren einzieht, darauf beschränkt, die Nutzungsgebühren zwischen den verschiedenen Rechteinhabern aufzuteilen. Die hier anwendbaren Gebührensätze sind daher niedriger; sie liegen zwischen 0 und 3,5 %, wobei die Gründe hierfür unklar sind, da der Arbeitsaufwand, der der SABAM durch die Verteilung entsteht, immer gleich sein dürfte. Die Gebührensätze werden vom Aufsichtsrat beschlossen, durch dessen Zusammensetzung sichergestellt ist, dass alle Kategorien von Rechteinhabern – Autoren, Komponisten und Musikverlage – angemessen vertreten sind. Dennoch ist es den großen Verlagen gelungen, auch außerhalb der politischen Organe der SABAM Einfluss auf die Gebührenhöhe zu nehmen. Laut der SABAM haben die großen Verlage über die Vereinbarungen von Cannes, die 1997 zwischen sämtlichen Verwertungsgesellschaften der EU und den großen Verlagen ausgehandelt (und 2002 neu verhandelt) wurden, im Bereich der mechanischen Rechte

71

72 73

Dementsprechend liegt der Gebührensatz für die mechanischen Vervielfältigungsrechte im Offline-Bereich (in dem die Rolle von SABAM hauptsächlich darin besteht, den Nutzeranträgen auf die Genehmigung der Reproduktion von CDs und der Erhebung einer Lizenzgebühr nachzukommen) weit unterhalb des Satzes für die Aufführungsrechte (bei denen SABAM einen personellen Aufwand für die Überwachung der Nutzung von Musik bei Konzertveranstaltungen, im Hörfunk usw. betreiben muss). Laut der SABAM beträgt der anwendbare Prozentsatz im Durchschnitt 9 %. Zum Maß der Abweichung dieses Satzes und zur Anzahl der davon profitierenden ausländischen Verwertungsgesellschaften wurden keine Angaben gemacht. Es lässt sich daher nur schwer abschätzen, ob und, wenn ja, in welchem Ausmaß eine solche unterschiedliche Behandlung eine Diskriminierung einheimischer Künstler gegenüber Künstlern darstellte, die Mitglied einer ausländischen Verwertungsgesellschaft sind.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Höchstsätze bei den Provisionen für die Verwaltungsleistungen „erzwungen“.74 Diese Vereinbarungen zeugen davon, dass die großen Verlage im Offline-Bereich über eine Verhandlungsmacht verfügten, die es ihnen ermöglichte, in den Genuss niedrigerer Verwaltungsgebühren zu kommen.75 Inzwischen haben die großen Verlage eine vorzeitige Beendigung und Neuverhandlung dieser Vereinbarungen verlangt.76 Der Umfang der einschlägigen Diskussionen ist unbekannt. Gesetzt den Fall, die großen Verlage würden ungeachtet der Auswirkungen, die dies auf andere Repertoirearten und auf die kulturelle Vielfalt hätte, beschließen, die Diskussionen in einer Weise zu beeinflussen, die ihrem Repertoire zuträglich ist, so wäre es unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen kaum möglich, sie daran zu hindern, vor allem seit die Drohung mit der Herausnahme von Repertoires ihre Verhandlungsmacht gegenüber den Verwertungsgesellschaften gestärkt hat. Das wirft die Frage nach dem Ausgleich zwischen den Interessen der Rechteinhaber auf, finden doch die Diskussionen außerhalb der politischen Organe der Verwertungsgesellschaften statt und ohne dass die kleineren Rechteinhaber vertreten sind. 3.1.2.2.

Der Wert der Repertoires

Die Tabellen 3 und 4 geben Aufschluss über die Nutzungsgebühren, die die SABAM im Zeitraum 2002-2008 an die Autoren/Komponisten und Musikverleger ausgeschüttet hat.77 Tabelle 3.3. Ausschüttungen der SABAM an die Autoren und Komponisten (EUR)

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Mech. Rechte

1 474 678

1 736 969

1 596 053

1 628 332

1 571 029

1 664 386

17,1

18,7

15,4

16,6

15,5

16,7

7 104 600

7 562 558

8 721 071

8 124 688

8 553 635

8 283 830

82,7

81,3

84,3

83,1

84,5

83,3

14 255

0

25 417

29 135

k. A.

k. A.

0,2

0

0,3

0,3

k. A.

0

8 593 533

9 299 527

10 342 541

9 782 155

10 124 664

9 948 216

% Aufführung srechte % OnlineNutzung % Gesamt

74

75

76 77

Laut der SABAM ist die Präsenz wenigstens eines großen Verlegers im Aufsichtsrat, die in der Satzung der SABAM nicht verlangt wird, gleichfalls ein Ergebnis der Cannes-Vereinbarungen. Bei den mechanischen Vervielfältigungsrechten werden für die großen Verlage ermäßigte Sätze von 7 % (wenn die Einziehung der Nutzungsgebühren durch die SABAM erfolgt) und 0 % (wenn sie durch ausländische Verwertungsgesellschaften erfolgt) angewandt. Die Cannes-Verlängerungsvereinbarung von 2002 läuft Ende Juni 2009 aus. Die Zahlen betreffen die mechanischen Vervielfältigungsrechte und die musikalischen Aufführungsrechte sowie die Rechte der Online-Nutzung. Die Einnahmen aus der zentralen Lizenzierung sind in der Kategorie mechanische Rechte enthalten; die Subverlagseinnahmen sind in den Angaben nicht berücksichtigt.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.4.: Ausschüttungen der SABAM an die Verlage (EUR)

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Mech. Rechte

2 991 456

2 263 278

2 667 162

1 634 624

1 648 720

1 571 357

52

44,2

40,7

29,6

30

32,4

2 474 764

2 853 140

3 312 954

3 256 091

3 855 437

3 272 100

43

55,8

50,5

59,1

70

67,6

291 821

0

579 536

621 751

k. A.

k. A.

5

0

8,8

11,3

k. A.

k. A.

5 758 041

5 116 418

6 559 652

5 512 466

5 504 157

4 843 457

% Aufführung srechte % OnlineNutzung % Gesamt

Laut diesen Daten stieg der Wert des einheimischen Repertoires zwischen 2003 und 2008 von 14 351 574 EUR auf 14 791 673 EUR, also um 3,1 %.78 Die Nutzungsgebühren für die mechanischen Rechte verringerten sich, während die Einnahmen durch die Aufführungsrechte stiegen. Was die Nutzungsgebühren durch die digitale Verwertung von Musikwerken anbelangt, so erhöhten sie sich zwischen 2003 und 2006 (für 2007 und 2008 lagen keine Angaben vor). Der Wert des in Belgien genutzten ausländischen Repertoires erhöhte sich, wie Tabelle 5 zeigt, im Berichtszeitraum um 23,3 %.79 Bei allen Kategorien ausländischer Repertoires, die untersucht wurden, nahmen die Nutzungsgebühren für mechanische Rechte ab und die Nutzungsgebühren für Aufführungsrechte zu. Die Beträge in Verbindung mit der digitalen Verwertung des ausländischen Repertoires in Belgien machten nur einen kleinen Teil der von der SABAM an die ausländischen Verwertungsgesellschaften abgeführten Einnahmen aus. Die Wertsteigerung des ausländischen Repertoires in Belgien ist vor allem auf die Wertsteigerung des Repertoires des Vereinigten Königreichs (25,7 %), des Repertoires der USA (26,1 %) und des internationalen Repertoires (22,6 ) zurückzuführen. Das europäische Repertoire (das kombinierte Repertoire aller EU-Mitgliedstaaten) wuchs nur um 3,6 %. Zieht man die Ausschüttungen für das Repertoire des Vereinigten Königreichs (d. h. die Nutzungsgebühren, die an die Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs verteilt wurden) ab, so ergibt sich sogar ein Rückgang um 3,4 %. Die Daten von Tabelle 5 belegen, dass das angloamerikanische Repertoire im belgischen Markt einen erheblichen Stellenwert hat. 2008 machten die an die Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs und der USA gezahlten Nutzungsgebühren zusammen 42,8 % aller Zahlungen der SABAM für ausländische Repertoires aus. Auch der Anteil des europäischen Repertoires ist hoch: Die Nutzungsgebühren der SABAM für die Repertoires der EU-Mitgliedstaaten ohne das 78

79

Die Gesamtausschüttungen an die Autoren und Komponisten haben sich im Untersuchungszeitraum um 15,8 % erhöht, dabei wuchsen die Ausschüttungen bei den mechanischen Rechten um 12,9 % und bei den Aufführungsrechten um 16,6 %. Die Gesamtausschüttungen an die Verlage nahmen um 15,9 % ab, dabei schrumpften die Ausschüttungen bei den mechanischen Rechten um 47,5 % und wuchsen bei den Aufführungsrechten um 32,2 %. Die Tabelle zeigt den Wert der Nutzungsgebühren, die für die mechanischen Rechte und die Aufführungsrechte sowie für die Rechte der Online-Nutzung an ausländische Verwertungsgesellschaften abgeführt wurden. Die Zahlen für die mechanischen Rechte beinhalten die Erträge der zentralen Lizenzierung und betreffen nur Musikwerke. Die Kategorie Aufführungsrechte beinhaltet die Nutzungsgebühren für die Nutzung von Musikwerken in audiovisuellen Werken.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Vereinigte Königreich beliefen sich im selben Jahr auf 40,5 % (mit dem Vereinigten Königreich sogar auf 57,3 %). Die übrigen 16,7 % der Ausschüttungen der SABAM betrafen das internationale Repertoire, also das der Drittländer. Den vorstehenden Informationen ist zu entnehmen, dass das angloamerikanische Repertoire einen besonders großen Teil des Umsatzes der SABAM generiert, da es (für alle Rechtekategorien zusammen) das größte ausländische Repertoire ist. Zudem ist es das einzige Repertoire, das in den vergangenen Jahren erheblich zugelegt hat, während das europäische Repertoire (ohne das des Vereinigten Königreichs) einen Rückgang verzeichnet. Würde der SABAM die Verwaltung dieses Repertoires entzogen, so hätte dies große Auswirkungen darauf, wie sie ihre Verwaltungskosten refinanziert. Um weiter rentabel wirtschaften zu können, müsste sie die Verwaltungsgebühren für das übrige Repertoire aller Wahrscheinlichkeit nach erhöhen, was wiederum Auswirkungen auf die Vergütung des einheimischen Repertoires hätte. Bei der Bewertung der Notwendigkeit von Maßnahmen der EU zur Förderung der kulturellen Vielfalt sollte dieser Realität Rechnung getragen werden.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.5. Ausschüttungen der SABAM für ausländisches Repertoire (k. Aussch.: keine Ausschüttung) SABAM-Ausschüttungen für ausländisches Repertoire (EUR) Aggregate EU % Mech. Rechte Aufführungsrechte Online-Nutzung EU (ohne Vereinigt. Königr.) % Mech. Rechte Aufführungsrechte Online-Nutzung Vereinigt. Königr. % Mech. Rechte Aufführungsrechte Online-Nutzung US % Mech. Rechte Aufführungsrechte Online-Nutzung Vereinigt. Königr./USA % Mech. Rechte Aufführungsrechte Online-Nutzung Übrige Welt % Mech. Rechte Aufführungsrechte Online-Nutzung Gesamt Mech. Rechte Aufführungsrechte Online-Nutzung

2003

2004

2005

2006

2007

2008

15 693 552 68,1 5 141 557 10 474 089 77 905,53 11 907 327 51,7 4 674 636 7 165 106 67 585 3 786 225 16,4 466 921 3 308 983 10 320,53 5 866 744 25,5 79 478 5 743 854 43 412,20 9 652 969 41,9 546 399 9 052 837 53 732,73 1 466 740 6,4 173 376 1 291 503 1 860,68 23 027 035 5 394 411 17 509 446 123 178

15 020 972 64,5 3 262 058 11 758 915 k. Aussch. 10 876 127 46,7 2 728 540 8 147 587 k. Aussch. 4 144 845 17,8 533 518 3 611 328 k. Aussch. 5 949 496 25,5 45 980 5 903 516 k. Aussch. 10 094 341 43,3 579 498 9 514 844 k. Aussch. 2 340 282 10 84 216 2 256 066 k. Aussch. 23 310 750 3 392 254 19 918 496 k. Aussch.

15 175 487 58 3 780 028 11 216 785 178 674 10 667 712 40,8 2 902 135 7 610 620 154 957 4 507 775 17,2 877 893 3 606 165 23 717 7 030 022 26,9 59 677 6 898 115 72 230 11 537 797 44,1 937 570 10 504 280 95 947 3 950 618 15,1 153 770 3 777 745 19 103 26 156 127 3 993 476 21 892 645 270 007

14 672 304 57,4 2 495 685 12 039 811 136 808 10 536 595 41,2 2 366 917 8 044 973 124 705 4 135 709 16,2 128 768 3 994 838 12 103 7 374 704 28,9 36 736 7 282 314 55 654 11 510 413 45 165 504 11 277 152 67 757 3 508 628 13,7 110 814 3 380 698 17 116 25 555 637 2 643 235 22 702 823 209 578

16 706 689 58 2 514 021 14 088 634 104 034 11 746 344 40,8 2 369 703 9 286 430 90 211 4 960 345 17,2 144 318 4 802 204 13 823 7 660 218 26,6 34 951 7 552 868 72 398 12 620 563 43,8 179 269 12 355 072 86 221 4 435 418 15,4 119 963 4 241 642 73 814 28 802 324 2 668 934 25 883 144 250 246

16 263 156 57,3 2 546 492 13 598 840 117 824 11 505 010 40,5 2 419 593 8 988 415 97 001 4 758 146 16,8 126 899 4 610 425 20 823 7 396 674 26 24 114 7 334 448 38 112 12 154 820 42,8 151 013 11 944 873 58 935 4 732 580 16,7 84 929 4 639 595 8 056 28 392 410 2 655 535 25 572 883 163 992

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ 3.1.2.3. Handelsströme im Musiksektor Tabelle 6 liefert Angaben zur Präsenz des belgischen Repertoires in ausländischen Märkten.80 Wie sich anhand der Zahlen zeigt, nahm der Wert des belgischen Repertoires im Ausland im Untersuchungszeitraum um 12,3 % zu, was allein auf die von den Verwertungsgesellschaften der EU überwiesenen Einnahmen zurückzuführen ist, die um 15,3 % stiegen (ohne die Nutzungsgebühren aus dem Vereinigten Königreich sogar um 20,1 %). Tatsächlich gingen die entsprechenden Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und den Drittländern um 39,1 %, 45,1 % bzw. 8,9 % zurück. Die EU-Nutzerschaft macht den Löwenanteil am Auslandserlös des belgischen Repertoires aus. 2008 beliefen sich die Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten auf 88,7 % des Gesamtwerts der Nutzungsgebühren aus, die die SABAM von den ausländischen Verwertungsgesellschaften für ihr Repertoire erhielt (92,7 %, wenn auch das Vereinigte Königreich berücksichtigt wird). Die Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und den Drittländern beliefen sich auf 3,9 %, 0,9 % bzw. 6,4 %.

80

Die Einnahmen betreffen die Aufführungsrechte und die mechanischen Rechte. Während sich die mechanischen Rechte nur auf die Musikwerke beziehen, sind in der Kategorie Aufführungsrechte auch Rechte aus der Verwendung von Musik in audiovisuellen Werken enthalten. Die Erträge aus der zentralen Lizenzierung und die Erträge aus der Online-Nutzung sind in der Kategorie mechanische Rechte enthalten. Die Zahlen beziehen sich im Allgemeinen auf Musikwerke, außer bei den Aufführungsrechten, diese decken auch die audiovisuelle Werke ab.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________

Tabelle 3.6. Einnahmen der SABAM aus dem Ausland für das einheimische Repertoire Einnahmen der SABAM aus dem Ausland für das einheimische Repertoire (EUR) Aus den EU-Mitgliedstaaten % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus den EU-Mitgliedstaaten (ohne das Vereinigt. Königr.) % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus dem Vereinigten Königreich % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus den USA % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus dem Vereinigten Königreich und den USA % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus der übrigen Welt % Mech. Rechte Aufführungsrechte Gesamt Mech. Rechte Aufführungsrechte

2003

9 291 90,3 5 417 3 874 8 544

2004

669 471 198 486

9 334 88,7 4 990 4 344 8 584

2005

909 077 832 543

8 944 88,6 4 685 4 259 8 341

2006

268 028 241 296

8 103 89 4 151 3 951 7 556

2007

445 508 937 549

7 681 91,4 3 535 4 146 7 380

2008

726 401 325 413

10 716 491 92,7 3 850 196 6 866 294 10 261 834

83 5 156 784 3 387 702 747 183

81,6 4 661 318 3 923 225 750 366

82,6 4 389 258 3 952 038 602 972

83 3 706 453 3 850 096 546 896

87,8 3 260 069 4 120 344 301 313

88,8 3 479 353 6 782 481 454 657

7,3 260 687 486 496 190 039 1,8 11 680 178 359 937 222

7,1 328 759 421 607 223 677 2,1 23 797 199 879 974 043

6 295 770 307 203 237 457 2,4 19 946 217 511 840 429

6 445 055 101 841 169 946 1,9 15 481 154 464 716 842

3,6 275 332 25 981 157 413 1,9 3 786 153 627 458 726

3,9 370 843 83 813 104 246 0,9 25 260 78 986 558 903

9,1 272 367 664 855 811 449 7,9 361 147 450 302 10 293 157 5 790 298 4 502 859

9,3 352 556 621 486 964 654 9,2 444 722 519 932 10 523 240 5 458 597 5 064 644

8,3 315 716 524 714 911 286 9 334 034 577 252 10 093 012 5 039 007 5 054 005

7,9 460 536 256 305 834 080 9,1 530 144 303 936 9 107 470 4 697 133 4 410 337

5,5 279 118 179 608 565 728 6,7 164 665 401 063 8 404 867 3 703 851 4 701 015

4,8 396 103 162 799 740 020 6,4 316 678 423 341 11 560 839 4 192 134 7 368 704

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PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Tabelle B in Anhang B vermittelt einen Überblick über die Handelsströme für die untersuchten Arten von Repertoires im Zeitraum 2003-2008. 2008 beliefen sich die Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten für das belgische Repertoire auf 66 % der Einnahmen für das europäische Repertoire, die in Belgien eingezogen und ins Ausland abgeführt wurden. Die mit dem belgischen Repertoire erzielten Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich und den USA waren rückläufig. Machten sie 2003 noch 10 % der Einnahmen aus, die von der SABAM für das Repertoire des Vereinigten Königreichs und der USA zusammengenommen abgeführt wurden, waren es 2008 nur noch 5 %. An der Schnittstelle zwischen dem belgischen Repertoire und den Repertoires der Drittländer war der Rückgang dramatischer, indem der entsprechende Prozentsatz zwischen 2003 und 2008 von 55 % auf 16 % sank. Kurz gesagt, der Wert der von der SABAM an die ausländischen Verwertungsgesellschaften abgeführten Nutzungsentgelte (erfasst für die Kategorien EU, USA und Vereinigtes Königreich sowie Drittländer) übersteigt den Betrag, den die SABAM von diesen erhält. Besonders groß ist das Ungleichgewicht gegenüber dem Vereinigten Königreich und den USA. 3.1.2.4. Die Verfolgung kultureller und sozialer Ziele In Belgien sind die Verwertungsgesellschaften nicht per Gesetz verpflichtet, sich für sozialund kulturpolitische Belange einzusetzen.81 Dennoch fördert die SABAM kulturelle und soziale Maßnahmen, die ihren Mitgliedern zugutekommen. Im Bereich der Musik gibt sie finanzielle Unterstützung für in Belgien stattfindende Konzerte/Festivals und die sie vorbereitenden SABAM-Mitglieder. Sie zahlt außerdem „aufgeschobene Lizenzgebühren” an alle Mitglieder, die 60 Jahre alt werden, darunter auch Verlage.82 Die SABAM finanziert diese Maßnahmen, indem sie von den Nutzungsgebühren für die Aufführungsrechte, die nach Abzug der Verwaltungsgebühr gemäß Punkt 3.1.2.1 an die Berechtigten verteilt werden, 10 % einbehält. Der gleiche Satz von 10 % nach Abzug der Kosten wird von der SABAM auf die Beträge für die Aufführungsrechte angewandt, die für die ausländischen Verwertungsgesellschaften eingezogen wurden. Die SABAM gab an, dass bei Gesprächen mit der CISAC ein Abzug von höchstens 10 % für kulturelle und soziale Zwecke vereinbart worden sei. Die Aufteilung dieser Einnahmen auf soziale und kulturelle Maßnahmen wird jährlich vom Aufsichtsrat beschlossen. Laut den Angaben der SABAM für den Zeitraum 2001-2008 waren die Beträge, die jährlich für kulturelle und soziale Zwecke ausgegeben wurden, unterschiedlich hoch und schwankten zwischen 4 Millionen EUR und 6,5 Millionen EUR. Die für soziale Zwecke bestimmten Beträge nahmen in diesem Zeitraum ständig zu, außer im Jahr 2008 (als sie sich gegenüber 2007 um 26 % verringerten). Der gleiche Wachstumstrend ist bei den Beträgen für kulturelle Zwecke festzustellen, bis diese im Jahr 2007 plötzlich um 67 % sanken (wobei die Höhe, die sie 2008 erreichten, immer noch 50 % unter dem Stand von 2006 liegt). Ob dies ein Ergebnis der Kommissionsempfehlung von 2005 ist, in der es heißt, von den Verwertungsgesellschaften „sollte auch festgehalten werden ob, und wenn ja in welchem Umfang, Einnahmen von den zu verteilenden Lizenzgebühren für andere Zwecke als die erbrachten Wahrnehmungsleistungen einbehalten werden“, ist nicht bekannt. 81

82

Gemäß Artikel 58 §2 des belgischen Urheberrechtsgesetzes kann der Föderalstaat die Verwertungsgesellschaften zwar zwingen, 30 % des Ertrags aus der Heimkopievergütung zur Förderung der Schaffung von Werken an den Föderalstaat abzuführen, aber der Föderalstaat hat diese Bestimmung bislang nicht angewandt. Jeder Verlag wird vertreten durch eine natürliche Person, die im Alter von 60 Jahren diese aufgeschobenen Lizenzgebühren, die genauso berechnet werden wie für Einzelmitglieder, erhält.

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PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________

Die SABAM gab an, dass der für kulturelle und soziale Zwecke vorgenommene Abzug von einigen europäischen Verwertungsgesellschaften, vor allem solchen, bei denen solche Abzüge nicht üblich sind, kritisiert worden sei. Ob diese Frage bei den bilateralen Revisionen der Gegenseitigkeitsvereinbarungen im Anschluss an die CISAC-Entscheidung (bezüglich der Neuverhandlungen, siehe dazu Kapitel 1 Punkt 1.4) eine Rolle spielte, ist nicht bekannt. 3.1.2.5. Digitale Lizenzierungstätigkeit Die ersten digitalen Lizenzverträge wurden von der SABAM im Jahr 2003 vergeben. Daten zur Zahl der vergebenen Lizenzen liegen ab 2007 vor und sind in der folgenden Tabelle dargestellt.83 Tabelle 3.7. Lizenzierungstätigkeit der SABAM Lizenzierungstätigkeit*

Download

Klingeltöne

Streaming

Webcasting**

Podcasting

2007

41

22

368

3

9

Erstes Halbjahr 2008

33

15

143

2

5

* Es gibt keine speziellen Simulcasting-Lizenzverträge. Diese sind Teil des umfassenden Rundfunkvertrags. ** Online-Konzerte

Diese Lizenzen deckten traditionell das einheimische Repertoire und das ausländische Repertoire ab, das der SABAM über Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit ausländischen Verwertungsgesellschaften zur Verwertung übertragen worden war. Ihr geografisches Anwendungsgebiet war bei den Sparten Download und Klingeltöne das belgische Hoheitsgebiet, bei den Sparten Streaming, Webcasting und Podcasting jedoch die Welt.84 Die Lizenzen hatten in der Regel eine Laufzeit von einem Jahr und konnten stillschweigend auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Die Tarife wurden jährlich angepasst, vor allem, um neue Nutzungsarten zu berücksichtigen, unterschieden sich jedoch nicht in Abhängigkeit vom genutzten Repertoire und erfuhren im Laufe der Jahre auch kaum Änderungen. In der Regel beliefen sie sich auf einen Anteil von 8 % bis 12 % (je nach der Art der angebotenen Musikdienstleistung), der auf den Gesamtumsatz (einschließlich Werbeeinnahmen) des Onlinemusikdiensteanbieters berechnet wurde. Die SABAM gab an, dass sie noch immer digitale Lizenzen nach dem vorstehend beschriebenen Muster vergebe, obwohl die Kommissionsempfehlung von 2005 wie auch die CISAC-Entscheidung der Kommission ernsthafte Auswirkungen auf die Lizenzierungstätigkeit gehabt habe. Die SABAM erklärte, dass sie unmittelbar betroffen sei von der Herausnahmen von Repertoires im Anschluss an die Empfehlung (siehe Kapitel 1, Punkt 1.4 und 1.5). Ihrer Meinung nach habe dies folgende Auswirkungen:85 Erstens entstehe Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Repertoire, für das die SABAM digitale Lizenzen vergeben darf. Der Entzug werfe eine Reihe rechtlicher und praktischer Probleme auf (siehe Kapitel 1, Punkt 1.5), die offenbar noch nicht gelöst seien. Die Nutzer beriefen sich auf diese Rechtsunsicherheit, um zu rechtfertigen, weshalb sie keine 83

84

85

Onlinemusikdiensteanbieter, die die Erlaubnis beantragt haben, Musikwerke zu nutzen, und denen dies von der SABAM entsprechend in Rechnung gestellt wurde, sind in der Tabelle nicht berücksichtigt. Da in Belgien die Online-Nutzung digitaler Musik noch in den Anfängen steckt, haben einige Provider anstelle der Lizenzbeantragung dieses Verfahren genutzt, insbesondere im Zeitraum 2003-2007. Dabei ist zu beachten, dass der Formatlizenzvertrag der SABAM für solche Nutzungen vom Januar 2009 stammt und sich nicht auf ein spezielles Gebiet bezieht. Antwort der SABAM vom 19. Mai 2009 auf den am 14. Mai 2009 verschickten Fragebogen.

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PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Lizenzgebühren an die SABAM zahlten, oder um Finanzgarantien zu fordern, bevor sie eine Lizenz von ihr einholten.86 Zweitens nehme der Entzug von Repertoires den großen Nutzern den Anreiz, einen Lizenzvertrag für das kleinere einheimische Repertoire abzuschließen. Während früher ein einziger Vertrag ausgereicht habe, um Zugang zum Repertoire aller am Netzwerk zur gegenseitigen Vertretung beteiligten Verwertungsgesellschaften zu erlangen, müssten die Nutzer jetzt mehrere repertoirespezifische Verträge abschließen. Verträge mit großen Verwertungsgesellschaften und/oder Verlagen würden bevorzugt, da diese eine größere Zahl von Werken anbieten könnten, darunter das erfolgreiche angloamerikanische Repertoire. Der Entzug dieser Repertoires habe die Verhandlungsmacht der SABAM geschwächt, mit Folgen auch für die Vergütung ihres einheimischen Repertoires: Die großen Nutzer seien nicht mehr bereit, einen Lizenzvertrag mit der SABAM abzuschließen, und wenn doch, dann nur zu Sonderkonditionen. Drittens verwies die SABAM auch auf die Schwierigkeit, ihre Unkosten einzuspielen. Denn die Lizenzgebühren würden auf der Grundlage der Playlisten der Nutzer berechnet, und die SABAM müsse ermitteln, welche Werke zu ihrem Repertoire gehörten, bevor sie sie den Nutzern in Rechnung stellen könne. Diese Ermittlung sei sehr aufwändig, und die Vergütung, die dabei herauskomme, sei wegen des kleinen Repertoires der SABAM gering. Dies stelle die Rentabilität ihrer digitalen Lizenzierungstätigkeit in Frage. Außerdem bedrohe dies ihre Fähigkeit, in neue Dienstleistungen zu investieren, um abgezogene Repertoires zurückzuholen, und insgesamt ihre Fähigkeit, rentable paneuropäische digitale Lizenzierungsdienste anzubieten, obwohl sie über das Know-how und die Managementinstrumente dafür verfüge.87 Die CISAC-Entscheidung habe die Neuverhandlung der Gegenseitigkeitsvereinbarungen der Verwertungsgesellschaften bewirkt. Bei diesen Gesprächen hätten die großen Verwertungsgesellschaften dafür optiert, ihre Repertoires im Ausland selbst zu verwerten. Die SABAM habe nur noch das Recht, lokale Lizenzen an kleine Nutzer zu vergeben, unter sehr strengen Bedingungen, was die Provisionsgebühren, den Zeitpunkt der Tantiemenverteilung und das Berichtswesen anbelange. Die CISAC-Entscheidung habe keine Abhilfe für die vorstehend beschriebenen Probleme der SABAM infolge der Kommissionsempfehlung von 2005 geschaffen. Die bei dieser Studie erfassten Daten gestatten keine quantitative Bewertung des Gewinns oder Verlusts der SABAM nach der Herausnahme von Repertoires. Auf die Abhängigkeit der SABAM vom ausländischen und insbesondere vom angloamerikanischen Repertoire wurde jedoch in den Punkten 3.1.2.2 und 3.1.2.3 eingegangen. Die Position, die die Nutzer heute inne haben und die auch ein direktes Ergebnis der Repertoiresegmentierung ist, könnte die Vergütung für das einheimische Repertoire der SABAM weiter in Mitleidenschaft ziehen. Vor diesem Hintergrund sprach sich der belgische Beirat für geistiges Eigentum unter Betonung der Wichtigkeit einer effizienten und transparenten kollektiven Wahrnehmung der Urheberrechte im Interesse der Harmonisierung bestimmter Aspekte der kollektiven Wahrnehmung der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte für eine europäische Richtlinie aus, die den Zielen des EU-Vertrags und insbesondere der kulturellen Vielfalt Rechnung trägt.88 86

87

88

Die SABAM gab an, dass sich Apple, in Belgien bei den Onlinemusikverkäufen marktführend, dieses Arguments bedient habe, um für 2007 und 2008 keine Lizenzgebühren zu zahlen, und von der SABAM Finanzgarantien zur Abdeckung des Risikos, durch Rechteinhaber der Verletzung von Urheberrechten beschuldigt zu werden, gefordert habe. SABAM verwies auf die Verbesserung und Modernisierung ihrer Verfahren nach dem Abschluss des zentralen Lizenzvertrags mit Universal Music im Jahr 2004. Siehe „Avis concernant la Recommandation de la Commission européenne relative à la gestion collective transfrontière du droit d’auteur et des droits voisins dans le domaine des services licites de musique en ligne“, 15. Februar 2008, available at: http://mineco.fgov.be/intellectual_property/patents/news/advice_author_rights_fr.htm.

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PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________

Wichtigste Ergebnisse •

Obwohl Belgien ein kleines Land ist, belegte es 2007 bei den physischen Verkäufen Platz 15., bei den digitalen Verkäufen Platz 19 und bei den Einnahmen aus den Aufführungsrechten Platz 10. Im selben Jahr belief sich der Handelswert auf insgesamt 136,4 Millionen EUR. Die physischen Verkäufe gingen gegenüber 2004 um 17 % zurück. Dagegen wuchs der Markt der digitalen Verkäufe zwischen 2005 und 2006 erheblich (+220 %) und in einem geringeren Maße auch noch 2007 (+7 %), macht aber immer noch nur einen kleinen Prozentsatz der Gesamteinnahmen aus (2007: 6 %). Er kann deshalb noch nicht als entwickelter Markt bezeichnet werden.



Die in Belgien eingezogenen Nutzungsgebühren für das einheimische Repertoire haben seit 2003 um 3,1 % zugenommen. Die von den ausländischen Verwertungsgesellschaften an die SABAM abgeführten Nutzungsgebühren nahmen im Zeitraum 2003-2008 ebenfalls zu (+12,3 %). Dies ist vor allem auf die Abführungen der europäischen Verwertungsgesellschaften (+20,1 % ohne das Vereinigte Königreich) zurückzuführen. In der Tat waren erhebliche Rückgänge bei den Zahlungen aus dem Vereinigten Königreich (-39,1 %) und den USA (-45,1 %) und den Zahlungen der international Verwertungsgesellschaften (-8,9 %) zu verzeichnen. Die Verwertungsgesellschaften der EU (ohne das Vereinigte Königreich) tragen am meisten zu den Einnahmen für das einheimische Repertoire bei und machten im Jahr 2008 89 % der Nutzungsgebühren aus, die an die SABAM gezahlt wurden. Auf die Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs und der USA entfielen nur 3,9 % bzw. 1 %.



Bei den in Belgien beliebtesten ausländischen Repertoires dominiert das angloamerikanische (42,8 %), gefolgt vom Repertoire „Europa ohne Vereinigtes Königreich“ (40,5 %). Den Daten ist ferner zu entnehmen, dass das Repertoire „USA plus Vereinigtes Königreich“ in Belgien weiterhin wächst (+25 % im Zeitraum 2003-2008), während das Repertoire „Europa ohne Vereinigtes Königreich“ um 3,4 % zurückgeht (das Repertoire des Vereinigten Königreichs mitgerechnet dagegen wächst es um +3,6 %) Die Handelsbilanz zwischen dem einheimischen und dem ausländischen Repertoire fällt also deutlich zugunsten des ausländischen Repertoires aus.



Die SABAM ist nicht gesetzlich verpflichtet, sich für sozial- und kulturpolitische Belange einzusetzen, stellt aber finanzielle Unterstützung dafür bereit (im Zeitraum 2001—2008 jährlich zwischen 4 Millionen EUR und 6,5 Millionen EUR), die sie finanziert, indem sie von den Tantiemen, die an die Rechteinhaber und an die ausländischen Verwertungsgesellschaften für die Aufführungsrechte auszuschütten sind, 10 % einbehält. Zwar wurde für 2007 und 2008 ein Rückgang bei den Einnahmen festgestellt, aber es ist kann nicht gesagt werden, ob dies an Marktentwicklungen liegt, die von der Kommissionsempfehlung von 2005 angestoßen wurden. Ebenso ist nicht klar, ob die Bestimmungen, auf deren Grundlage diese Abzüge von den an die ausländischen Verwertungsgesellschaften abgeführten Nutzungsgebühren erfolgten, Gegenstand der in der CISACEntscheidung verlangten bilateralen Überprüfung der Gegenseitigkeitsvereinbarungen waren.



Im Gefolge der Kommissionsempfehlung von 2005 wurden der SABAM wichtige vorher von ihr verwaltete Repertoires entzogen. In welchem Maße dies auch heute noch uneingeschränkt gilt, ist jedoch unklar, und es ist kaum möglich, die genauen Wirkungen zu quantifizieren. Erschwert wir dies durch den Umstand, dass die Online-Nutzung digitaler Musik in Belgien noch in den Anfängen steckt, dass die Zahl der abgeschlossenen förmlichen Lizenzverträge gering ist und die in diesem 58

PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Bereich erzielten Einnahmen gering ausfallen. Der hohe Beitrag des angloamerikanischen Repertoires zum Umsatz der SABAM legt jedoch nahe, dass die Herausnahme angloamerikanischen Repertoires die Rentabilität der Arbeit der SABAM beeinträchtigen könnten. Die Vergütung für das einheimische Repertoire könnte gefährdet sein, denn a) müsste die SABAM ihre Unkosten mit einem kleineren Repertoirestrom hereinholen (was möglicherweise dazu führt, dass die Verwaltungsgebühren steigen), und b) versuchen die Nutzer niedrigere Lizenzgebühren auszuhandeln (indem sie geltend machen, dass ein Repertoire, das die Repertoires der „Großen“ nicht mehr enthält, weniger attraktiv ist). Durch die CISAC-Entscheidung hat sich die Lage nicht verbessert. Vor diesem Hintergrund hat sich der belgische Beirat für geistiges Eigentum für die Einführung einer Harmonisierungsrichtlinie ausgesprochen, die eine effiziente und transparente kollektive Rechtewahrnehmung unter Beachtung der Ziele des EU-Vertrags und insbesondere der kulturellen Vielfalt sicherstellt.

3.2. Deutschland 3.2.1. Hauptmerkmale des deutschen Musikmarktes IFPI-Angaben zufolge belegte der deutsche Musikmarkt im Jahr 2007 beim Verkauf physischer Tonträger weltweit Platz 4, bei den digitalen Verkäufen Platz 5 und bei den Einnahmen aus den Aufführungsrechten Platz 2.89 Im selben Jahr betrug der von der Branche auf dem deutschen Musikmarkt erzielte Handelswert insgesamt 1 142 Millionen EUR. Dabei machten die physischen Verkäufe 89 %, die digitalen Verkäufe 6 % und die Aufführungsrechte 5 % aus. Von den physischen Verkäufen entfielen 85 % auf CDs, 10 % auf Musikvideos und 5 % auf sonstige Formate.90 Von den digitalen Verkäufen entfielen 38 % auf Download-Einzeltracks, 23 % auf Online-Alben, 11 % auf Master Ringtones (Klingeltöne von Originalaufnahmen), 5 % auf Mobile Single Tracks, 5 % auf Abonnements, 2 % auf Ringback Tones (Hörtöne) und 16 % auf sonstige Formate.91 Der deutsche Musikmarkt ist geprägt durch die Präsenz von vier großen Plattenlabels (EMI, Sony BMG, Universal Music und Warner Music) und ca. 1400 kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Der Musikkonsum in Deutschland zeigt eine starke Präsenz des deutschsprachigen Repertoires neben dem angloamerikanischen Repertoire. Obwohl letzteres laut dem Deutschen Musikverleger-Verband e.V. (DMV) und der International Confederation of Music Publishers (ICMP) einen separaten Markt im Bereich der „U-Musik” darstellt, haben sich die deutschsprachigen Produktionen in den letzten Jahren in diesem speziellen Musiksegment wieder etablieren können.92 Die Wiederbelebung beschränkt sich nicht auf deutsche Schlager und die Volksmusik, sondern erstreckt sich auch auf die Popund Rockmusik. Der Marktanteil der deutschsprachigen Produktionen in den deutschen Charts wurde mit ca. 50 % bei den Singles und 40 % bei den Alben angegeben.93 Darüber hinaus ist Deutschland ein wichtiger Markt für klassische und zeitgenössische Musik und die Heimat einer quicklebendigen, facettenreichen Szene für alle möglichen Arten von Musik. Laut IFPI-Zahlen beliefen sich die Einnahmen aus den Aufführungsrechten im Jahr 2006 auf 83 Millionen USD und im Jahr 2007 auf 85,8 Millionen USD (Tabelle 1).

89 90 91 92 93

IFPI-Bericht „Recording industry in numbers“, 2008, S. 30. Sonstige Formate: Singles, Kassetten, Schallplatten usw. Sonstige Formate: Musikvideos, Streams usw. Antworten des DMV und der ICMP auf den Studienfragebogen. Ebenda.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Verantwortlich für den Wandel, der es den letzten Jahren auf dem deutschen Musikmarkt eingetreten ist, sind geänderte Konsumgewohnheiten, namentlich die wachsende Inanspruchnahme digitaler Musikdienste (vor allem bei der Gruppe der unter 30-Jährigen).94 Laut Tabelle 1 verringerte sich der Umsatz der Musikindustrie 2007 um 4,4 %, nachdem er 2006 schon einmal um 3,2 % gesunken war, während die digitalen Verkäufe zunahmen: 2006 um 77,6 % und 2007 um 13,5 %.95 2007 beliefen sich die digitalen Verkäufe auf 5,5 % des Musikumsatzes insgesamt.96 Der Online-Konsum und der mobile Musikkonsum machten 75 % bzw. 20 % der Gesamteinnahmen im Digitalgeschäft aus. Mit den Download-Einzeltracks wurden2008 37,4 Millionen USD erwirtschaftet, das sind 22 % mehr als 2007, während die digitalen Alben mit insgesamt 4,4 Millionen USD um 57 % zulegten.97 Tabelle 3.8. IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 Musikumsatz (Millionen USD) Physisch Digital Online Mobile Abonnements Aufführungsrechte

2004

2005

2006

2007

1 574,6 16,4 63 % 36 % 1% -

1 554,4 42,9 65 % 35 % -

1 470,3 76,2 58 % 39 % 3% 83

1 392,1 86,5 75 % 20 % 5% 85,8

Trotz der Zunahme bei den digitalen Musikverkäufen wird allgemein anerkannt, dass die Branche nun schon seit ein paar Jahren in der Krise steckt, mit Einnahmen aus dem Tonträgergeschäft, die sich den letzten zehn Jahren halbiert haben.98 Einige sind der Auffassung, dass dies die Zukunft von Tonträgern als Musikmedium gefährde, wenigstens auf lange Sicht.99 Laut der deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA, die Autoren, Komponisten und Musikverleger vertritt, lassen sich die Einnahmenverluste bei den Tonträgern nicht durch die Einnahmen aus dem Online-Umwelt kompensieren. Für die DMV liegt es am Internet und am digitalen Kopieren, wenn viel Musik konsumiert, aber nicht mehr dafür bezahlt wird. Laut den Angaben der IFPI sind 77 % aller Musik-Downloads illegal.100 In den letzten Jahren wurden die Maßnahmen zur Eindämmung der illegalen Downloads systematisch ausgebaut. Gegenüber 2006 ist die Zahl der aus P2P-Netzen heruntergeladenen Dateien um fast 17 % zurückgegangen.101 Das ist zum Teil der Tatsache geschuldet, dass Deutschland das Land mit der höchsten Zahl von Verfahren wegen illegalem Filesharing ist. GFK-Untersuchungen haben ergeben, dass ca. 74 % aller Deutschen bewusst ist, dass das Filesharing über P2P-Plattformen ungesetzlich ist.102 Besonders ausgeprägt ist dieses Bewusstsein anscheinend bei Studenten und jungen Berufstätigen (20 bis 29 Jahre alt).

94 95

96 97 98 99 100 101 102

Antwort des Westdeutschen Rundfunks (WDR) auf den Fragebogen der Studie. Die Einnahmen aus den Aufführungsrechten sind in den Zahlenangaben nicht enthalten, da nicht für alle Berichtsjahre Daten vorliegen. Die Einnahmen aus den Aufführungsrechten sind in den Zahlenangaben enthalten. IFPI, Digital Music Report 2009, S. 6. Antwort des DMV auf den Studienfragebogen. Antwort des WDR auf den Studienfragebogen. IFPI-Bericht „Recording industry in numbers“, 2008, S. 30. Ebenda. Ebenda.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ 3.2.2.

Verwertungsgesellschaften und Musikrepertoires

Die Verwertungsgesellschaften sind ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Urheberrechtssystems. In der Tat sieht das deutsche Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz – UrhG) vor, dass bestimmte Rechte nur von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden können.103 Die Rechteübertragung zur Wahrnehmung an die Verwertungsgesellschaften, die in einigen Fällen sogar in der Weise erfolgt, dass den Schöpfern der Klageweg genommen wird, ist eine zulässige politische Entscheidung. Der Gesetzgeber will den Rechteinhaber bei der umfassenden und effizienten Wahrnehmung helfen, indem sie hierfür auf eine zentrale Verwertungsorganisation zurückgreifen können. Er erkennt damit ihre schwache wirtschaftliche Position gegenüber den Nutzern ihrer Werke an, zumal es Mittel gibt, die das Kopieren und die Verbreitung geschützter Werke immer einfacher machen. Das deutsche Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz - UrhWG) regelt die Gründung und die Tätigkeiten der Verwertungsgesellschaften in Deutschland. Letztere unterstehen der Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamt). Eine der bedeutendsten Verwertungsgesellschaften in Deutschland ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Wer zum Beispiel seine Kunden in seinem Geschäft mit Hintergrundmusik unterhalten oder auf einer öffentlichen Party CDs abspielen möchte, muss Nutzungsgebühren an die GEMA zahlen. Die GEMA verteilt die gezahlten Gebühren abzüglich ihrer Verwaltungskosten an die von ihr vertretenen Rechteinhaber. Eine andere Verwertungsgesellschaft, die in der Musikbranche in Deutschland aktiv ist, ist die GVL, die in der Hauptsache ausübende Künstler und Tonträgerhersteller vertritt. Sowohl die GEMA als auch die GVL haben sich aktiv an der Studie beteiligt. Die GEMA wird nachstehend vorgestellt. Die Tätigkeit der GVL wird in Anhang A analysiert. 3.2.2.1.

GEMA

Die GEMA ist die Verwertungsgesellschaft der Komponisten, Textautoren und Musikverleger. Sie ist ein wirtschaftlicher Verein mit Rechtsfähigkeit gemäß § 22 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Ihr Tätigkeitsfeld, „der Schutz des Urhebers und die Wahrnehmung seiner Rechte“ ist in Artikel 2 ihrer Satzung und in ihren Verträgen mit den Komponisten, Textautoren und Musikverlegern geregelt. Die Gesellschaft vertritt die Rechteinhaber als Treuhänderin und schließt Verträge zur Rechteabklärung mit kommerziellen Nutzern musikalischer Inhalte. Sie handelt in eigenem Namen und ist Vertragspartei der von ihr geschlossenen Verträge. Die GEMA vertritt zurzeit 62 888 Rechteinhaber, davon 54 398 Komponisten und Textdichter, 4 931 Musikverlage und 3 559 Rechtsnachfolger. Als kollektive Rechteverwalterin ist sie verantwortlich für die „Nutzungsrechte“, „Einwilligungsrechte“ (siehe Paragraph 1 (1) UrhWG) und Vergütungsansprüche. Anhang C enthält ein Verzeichnis der verwalteten Rechte gemäß Paragraph 1 des Vertrags mit den Rechteinhabern.

103

Siehe zum Beispiel §§ 20b Abs. 1, 26 Abs. 6, 27 Abs. 3, 45a Abs. 2, 49 Abs. 1, 52a Abs. 4 and 54h Abs. 1 UrhG.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Laut Paragraph 5 der GEMA-Satzung sind die Organe der GEMA die Mitgliederversammlung, der Vorstand und der Aufsichtsrat. Geführt wird die GEMA durch Vorstand und Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat wird von der Mitgliederversammlung gewählt; er besteht aus sieben Musikverlegern, acht Komponisten und sechs Textdichtern. Damit erfüllt die GEMA die Anforderungen der gemeinsamen Erklärung des internationalen Musikverleger-Verbands ICMP/CIEM (International Confederation of Music Publishers) und der Dachorganisation der europäischen Verwertungsgesellschaften GESAC (Groupement Européen des Sociétés d'Auteurs et Compositeurs) von 2006, der zufolge Musikverleger als Mitglieder in die Aufsichtsgremien der Gesellschaften gewählt werden können und mindestens ein Drittel der für die Musikrechteinhaber im Aufsichtsgremium bestimmten Sitze erhalten müssen.104 Wie aus Anhang C (Tabelle A) hervorgeht, blieben die Bruttoeinnahmen und die Nettoeinnahmen der GEMA im Zeitraum 2001-2008 relativ stabil. Die Bruttoeinnahmen erhöhten sich um 1,5 % und die Nettoeinnahmen um 1 %. Auch das Verhältnis zwischen den Bruttoeinnahmen und den Nettoeinnahmen blieb im Berichtszeitraum stabil (die Bruttoeinnahmen überstiegen die Nettoeinnahmen um etwa 17 %). Die GEMA finanziert sich im Großen und Ganzen durch eine Aufnahmegebühr, einen Mitgliedsbeitrag und verschiedene Kommissionen. Die Aufnahmegebühr beträgt zurzeit für Textdichter 51,13 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer) und für Musikverlage 102,26 EUR (zuzüglich Mehrwertsteuer). Der jährlich zu zahlende Mitgliedsbeitrag beträgt für alle Mitglieder 25,56 EUR. Was die Kommissionen anbelangt, so wurde vor dem Hintergrund der derzeitigen Neuordnung der Verwertungsgesellschaften in Europa kein voller Zugang zu den Informationen gewährt. Ob und in welchem Maße die Kommissionsempfehlung von 2005 ihr Ziel einer besseren Transparenz und Gleichbehandlung aller Rechteinhaber erreicht hat, kann daher nicht beurteilt werden. Im Lichte der zusammengetragenen Informationen sind jedoch folgende Feststellungen möglich: Zur Abdeckung der Verwaltungskosten kommen drei verschiedene Kostensätze zur Anwendung: a) ein Kostensatz für das Aufführungs- und Senderecht; b) ein Kostensatz für das mechanische Vervielfältigungsrecht und das Online-Nutzungsrecht und c) ein mittlerer Kostensatz. Die Kostenzuordnung für die Aufführungsrechte erfolgt nach Paragraph 1 Ziffer 2 der „Allgemeinen Grundsätze zum Verteilungsplan für die Aufführungsrechte“.105 Bei allen Einnahmen für die Aufführungs- und Senderechte kommt ein einheitlicher Kostensatz zur Anwendung. Dieser berechnet sich auf der Grundlage der Gesamtbruttoeinnahmen der GEMA aus diesen Rechten und der Gesamtkosten, die ihr durch deren Wahrnehmung entstanden sind. Die Festlegung des Kostensatzes erfolgt in jedem Geschäftsjahr neu und gilt nur für die Arten von inländischen Erträgen, für die die Verteilung vorgesehen ist. Die Inkassobeträge der GEMA für ausländische Verwertungsgesellschaften unterliegen einem verringerten Kostensatz von ca. 5 % für Aufführungsrechte. Zur Deckung der Kosten, die durch die Verwaltung der mechanischen Rechte entstehen, berechnet die GEMA eine Kommission. Diese kann gemäß Paragraph 1 Ziffer 1 der „Allgemeinen Grundsätze zum Verteilungsplan für das mechanische Vervielfältigungsrecht”106 bis zu 25 % der Bruttoeinnahmen aus den mechanischen Verfielfältigungsrechten betragen. Der genaue Kostensatz wird vom Aufsichtsrat beschlossen und kann für mehrere Geschäftsjahre gelten. Eine ähnliche Regelung findet 104

105 106

Siehe ICMP/GESAC, Common Declaration on governance in collective management societies and on management of on-line rights in music works, 7. Juli 2006. Siehe GEMA-Geschäftsbericht 2008/2009, S. 285. Ebenda., S. 322.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ sich in Paragraph 1 Ziffern 2 und 3 der „Allgemeinen Grundsätze zum vorläufigen Verteilungsplan für den Nutzungsbereich Online”107 bezüglich der Kommission, die die GEMA auf alle Arten von Einnahmen im Online-Bereich berechnet (deckt auch das Aufführungs- und Senderecht sowie das mechanische Vervielfältigungsrecht ab). Die Beträge, die der GEMA von den ausländischen Verwertungsgesellschaften zufließen und in denen die Unkosten dieser Gesellschaften schon berücksichtigt sind, unterliegen einem ermäßigten Kostensatz, der sich bei den Vervielfältigungsrechten auf 2 % beläuft. Schließlich wird auf der Grundlage der Gesamtbruttoeinnahmen (Erträge) und der Gesamtkosten (Aufwendungen) der GEMA ein mittlerer Kostensatz berechnet, der sowohl bei den GEMA-Mitgliedern als auch bei den ausländischen Verwertungsgesellschaften zur Anwendung kommt.108 Dieser Kostensatz belief sich 2001 auf 14,5 %, 2002 auf 14,6 %, 2003 auf 14,7 %, 2004 auf 14,4 %, 2005 auf 14,1 %, 2006 auf 13,9 % und 2007 auf 14,2 % in 2007.109 Was die mechanischen Rechte anbelangt, so spricht viel dafür, dass die großen Musikverleger in Anbetracht der Cannes-Vereinbarungen in den Genuss ermäßigter GEMAKostensätze kamen, obwohl die GEMA diese nicht bestätigt hat. Da die Vereinbarungen Ende 2009 auslaufen, haben die Musikverleger verlangt, dass neu über diese Vereinbarungen verhandelt wird, aber das Ergebnis der einschlägigen Gespräche ist noch nicht bekannt. 3.2.2.2.

Der Wert der Repertoires

Tabelle 2 zeigt die Beträge, die die GEMA im Zeitraum 2001-2008 an die Autoren/Komponisten und Musikverleger ausgeschüttet hat.110 Die Ausschüttungen an Subverleger betreffen das Repertoire großer Verlage, die mittels Subverlagsvertrag auf deutschem Gebiet vertreten sind. Die Subverlagstätigkeit betrifft jedoch nicht das einheimische Repertoire. Um ein genaues Bild vom Wert des deutschen Repertoires zu erhalten, muss man auf die Zahlen in der Zeile „Ausschüttungen an die Autoren/Komponisten und Musikverleger“ zurückgreifen. Laut diesen Daten stieg der Wert des einheimischen Repertoires zwischen 2001 und 2008 von 188 380 000 EUR auf 210 138 000 EUR, dies entspricht einer Zunahme um 11,6 %.111

107 108 109 110

111

Ebenda., S. 336. In den Gesamteinnahmen der GEMA sind auch Zinserträge enthalten. GEMA-Geschäftsbericht 2008/2009, S. 54. Aggregierte Daten für die mechanischen Vervielfältigungsrechte, die Aufführungsrechte und die OnlineRechte. Der Anteil der Ausschüttungen an die Autoren/Komponisten und Musikverleger an den Ausschüttungen der GEMA an ihre Mitglieder insgesamt hat sich zwischen 2001 und 2004 von 59,3 % auf 68,3 % erhöht. Im übrigen Zeitraum lag er bei ca. 65 %. Der Betrag der Gesamtausschüttungen war unterschiedlich hoch und war 2008 um 1,6 % höher als 2001.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.9. Ausschüttungen der GEMA an ihre Mitglieder GEMA-Ausschüttungen (EUR)

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Autoren/Komponisten und Musikverleger

188 380 000

188 975 000

241 854 000

223 972 000

222 163 000

204 167 000

209 635 000

210.138.000

59,3

60,6

68,3

68,3

66,4

65,4

64,4

65,1

129 550 000

122 975 000

112 484 000

104 047 000

112 343 000

108 079 000

115 986 000

112.771.000

40,7

39,4

31,7

31,7

33,6

34,6

35,6

34,9

317 930 000

311 916 000

354 338 000

328 019 000

334 506 000

312 246 000

325 621 000

322.909.000

% Subverleger % Gesamt

Wie Tabelle 3 zeigt, stieg im selben Zeitraum der Wert des in Deutschland konsumierten ausländischen Repertoires um 15 %.112 Die Wertsteigerung ist vor allem auf die Wertsteigerung des Repertoires des Vereinigten Königreichs (+35,5 %) und des Repertoires der USA zurückzuführen (+34 %).113 Auch das internationale Repertoire (Repertoire der Drittländer ohne USA) legte zu (+23,7 %). Das europäische Repertoire (das aggregierte Repertoire aller EU-Mitgliedstaaten) wuchs nur um 3,3 %. Zieht man die Ausschüttungen für das Repertoire des Vereinigten Königreichs ab, so ergibt sich sogar ein Rückgang um 9,2 %.

112

113

Die Angaben zum Wert des in Deutschland genossenen ausländischen Repertoires basieren auf den Einnahmen aus den mechanischen Vervielfältigungsrechten und den Aufführungsrechten für verschiedene Nutzungsarten, einschließlich der Nutzung durch digitale Mittel. Die Höhe der für die mechanischen Rechte ausgeschütteten Nutzungsgebühren blieb für die Repertoires des Vereinigten Königreichs, der USA und der Drittländer gleich. Für das europäische Repertoire verringerte sie sich. Für die meisten untersuchten ausländischen Repertoires erhöhten sich die Nutzungsgebühren für die Aufführungsrechte. Für das US-amerikanische Repertoire blieben sie gleich. Der Wert des Repertoires des Vereinigten Königreichs und der USA zusammen erhöhte sich um 34,5 %.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.10. Ausschüttungen der GEMA für ausländisches Repertoire GEMA-Ausschüttungen für ausländ. Repertoire (EUR) EU aggregiert % Mech. Rechte Aufführungsrechte EU (ohne Vereinigt. Königr.) % Mech. Rechte Aufführungsrechte Vereinigt. Königr. % Mech. Rechte Aufführungsrechte US % Mech. Rechte Aufführungsrechte Vereinigt. Königr./USA % Mech. Rechte Aufführungsrechte Übrige Welt % Mech. Rechte Aufführungsrechte Gesamt Mech. Rechte Aufführungsrechte

2001

55 889 59,4 20 625 35 264 40 185

2002

744,32 164,65 579,67 571,25

54 295 55,6 18 707 35 587 37 997

2003

897,99 969 928,99 146,51

54 398 56,1 15 409 38 989 38 115

2004

516,98 400,41 116,57 793,61

57 378 55,3 17 107 40 271 39 442

182,06 142,67 039,39 169,27

2005

2006

60 56 17 43 40

58 000 54,5 15 266 42 733 37 902

311 720,66 075 252,12 236 468,54 959 407,69

2007

053,78 093,44 960,34 195,28

59 051 54,1 15 002 44 049 36 977

2008

633,60 256,88 376,72 961,42

57 754 53,3 14 634 43 119 36 472

632,59 890,82 741,77 790,64

42,7 18 625 440,49 21 560 130,76 15 704 173,07 16,7 1 999 724,16 13 704 448,91 31 458 075,23 33,4 440 799,65 31 017 275,58 47 162 248,30

38,9 16 397 740 21 599 406,51 16 298 750,84 16,7 2 310 228,36 13 988 522,48 35 237 024,95 36,1 551 027,40 34 685 997,55 51 535 775,79

39,3 13 566 805,94 24 548 987,67 16 282 723,40 16,8 1 842 594,47 14 440 128,93 34 085 254,93 35,2 611 646,14 33 473 608,79 50 367 978,33

38 14 886 038,30 24 556 130,97 17 936 012,79 17,3 2 221 104,37 15 714 908,42 38 835 875,54 37,4 531 761,96 38 304 113,58 56 771 888,33

38 14 922 006,28 26 037 401,41 19 352 312,97 18 2 153 245,84 17 199 067,13 38 609 555,95 35,8 546 063,48 38 063 492,47 57 961 868,92

35,6 13 120 625,45 24 781 569,83 20 097 859,21 18,9 2 145 467,99 17 952 391,22 39 253 485,93 36,9 434 083,97 38 819 401,96 59 351 345,14

33,9 12 860 226,97 24 117 734,45 22 073 672,18 20,2 2 142 029,91 19 931 642,27 41 699 164,03 38,2 332 116,11 41 367 047,92 63 772 836,21

33,7 12 493 463,14 23 979 327,50 21 281 841,95 19,6 2 141 427,68 19 140 414,27 42 138 711,42 38,9 312 745,02 41 825 966,40 63 420 553,37

50,1 2 440 523,81 44 721 724,49 6 821 815,30 7,2 1 847 287,76 4 974 527,54 94 169 634,85 22 913 252,06 71 256 382,79

52,8 2 861 255,76 48 674 520,03 8 084 696,99 8,3 1 892 208,14 6 192 488,85 97 617 619,93 21 151 204,54 76 466 415,39

52 2 454 240,61 47 913 737,72 8 408 732,31 8,7 1 493 875,68 6 914 856,63 96 892 504,22 17 514 922,23 79 377 581,99

54,7 2 752 866,33 54 019 022,00 7 604 380,69 7,3 1 734 638,70 5 869 741,99 103 818 438,29 19 373 543,33 84 444 894,96

53,8 2 699 309,32 55 262 559,60 8 825 464,83 8,2 1 678 362 7 147 102,83 107 746 741,44 19 299 677,60 88 447 063,84

55,8 2 579 551,96 56 771 793,18 9 102 702,38 8,6 2 018 852,88 7 083 849,50 106 356 242,09 17 719 030,29 88 637 211,80

58,4 2 474 146,02 61 298 690,19 8 457 971,29 7,7 1 685 590,77 6 772 380,52 109 208 768,92 17 019 963,76 92 188 805,16

58,5 2 454 172,70 60 966 380,67 8 436 815,01 7,8 1 644 916,81 6 791 898,20 108 330 159,02 16 592 552,65 91 737 606,37

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________

Trotz seiner geringen Wertsteigerung hat das europäische Repertoire im deutschen Markt einen wichtigen Stellenwert. 2008 beliefen sich die von der GEMA für die Repertoires der EU-Mitgliedstaaten gezahlten Nutzungsgebühren auf 53,3 % der von ihr insgesamt an das Ausland gezahlten Gebühren. Zieht man allerdings die Zahlungen für das Repertoire des Vereinigten Königreichs ab, dann machen die von der GEMA für das europäische Repertoire gezahlten Nutzungsgebühren nur noch 33,7 % der insgesamt an die ausländischen Verwertungsgesellschaften gezahlten Gebühren aus. Die an die Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs und der USA abgeführten Nutzungsgebühren machten 58,5 % der Zahlungen der GEMA für ausländisches Repertoire aus.114 Die Nutzungsgebühren für das internationale Repertoire machten nur 7,8 % der Zahlungen der GEMA insgesamt aus. Die Tatsache, dass das angloamerikanische Repertoire einen sehr erheblichen Teil des Umsatzes der GEMA generiert und in den letzten Jahren erheblich gewachsen ist, erklärt vielleicht die Bereitschaft der GEMA, die Kommissionsempfehlung von 2005 durch die Schaffung von Einrichtungen, die berechtigt sind, dieses Repertoire europaweit zu lizenzieren, umzusetzen. Wie in Kapitel 2 bereits erläutert, ist die PAECOL GmbH eine 100-%ige Tochter der GEMA. Die CELAS GmbH dagegen ist ein Gemeinschaftsunternehmen der GEMA und der PRS (Verwertungsgesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverlage des Vereinigten Königreichs). 3.2.2.3. Handelsströme im Musiksektor Tabelle 4 liefert Angaben zur Präsenz des deutschen Repertoires in ausländischen Märkten.115 Die Zahlen zeigen, dass der Wert des deutschen Repertoires im Ausland im Zeitraum 2001-2008 Schwankungen unterlag.116 2008 waren die Einnahmen um 1,9 % höher als 2001. Die von den Verwertungsgesellschaften der EU überwiesenen Nutzungsgebühren erhöhten sich um 4,3 % (8,9 %, wenn die aus dem Vereinigten Königreich nicht berücksichtigt werden). Die entsprechenden Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und den Drittländern verringerten sich um 22,9 %, 23 % bzw. 14,6 %. Die EU-Zuhörerschaft macht den Löwenanteil am Auslandserlös des deutschen Repertoires aus. 2008 beliefen sich die Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten auf 75 % des Gesamtwerts der Nutzungsgebühren, die die GEMA von den ausländischen Verwertungsgesellschaften für ihr Repertoire erhielt (67,1 %, wenn das Vereinigte Königreich nicht berücksichtigt wird). Die Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und den Drittländern beliefen sich auf 7,9 %, 6 % bzw. 19 %.

114 115

116

Die Anteile der Repertoires der USA und des Vereinigten Königreichs lagen bei 38,9 % bzw. 19,6 %. Die Einnahmen betreffen die mechanischen Vervielfältigungs- und die Aufführungsrechte. In beiden Einnahmenkategorien sind die Einnahmen aus der digitalen Nutzung berücksichtigt. Was die mechanischen Rechte anbelangt, so hat sich der Betrag der aus den EU-Mitgliedstaaten (mit und ohne Vereinigtes Königreich) kommenden Nutzungsgebühren verringert. Auch der Betrag der Nutzungsgebühren, die von den Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs, der USA und der Drittländer an die GEMA ausgeschüttet wurden, hat sich verringert. Was die Aufführungsrechte betrifft, so haben sich die von den Verwertungsgesellschaften aus den EU-Mitgliedstaaten und Drittländern an die GEMA gezahlten Beträge erhöht, während die aus den USA und dem Vereinigten Königreich abgenommen haben.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.11. Einnahmen der GEMA aus dem Ausland für das einheimische Repertoire Einnahmen der GEMA aus dem Ausland für das einheimische Repertoire (EUR) Aus den EU-Mitgliedstaaten % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus den EU-Mitgliedstaaten ( ohne Vereinigt. Königr.) % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus dem Vereinigten Königreich % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus den USA % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus dem Vereinigten Königreich und den USA % Mech. Rechte Aufführungsrechte Aus der übrigen Welt % Mech. Rechte Aufführungsrechte Insgesamt Mech. Rechte Aufführungsrechte

2001

39 767 70,5 17 739 22 028 34 083

2002

000 000 000 000

2003

41 564 71,7 17 645 23 919 36 718

000 000 000 000

39 860 74,4 15 565 24 295 35 097

2004

000 000 000 000

38 011 73,9 13 883 24 128 32 999

2005

000 000 000 000

39 145 75,5 14 524 24 621 33 566

2006

000 000 000 000

38 909 74,7 14 575 24 334 33 303

2007

000 000 000 000

43 412 78,9 16 799 26 613 37 460

2008

000 000 000 000

41 75 14 26 37

491 000 658 000 000 833 000 108 000 000

60,4 14 450 000 19 633 000 5 684 000

63,4 15 420 000 21 298 000 4 846 000

65,5 13 340 000 21 757 000 4 764 000

64,2 11 666 000 21 333 000 5 013 000

64,7 11 480 000 22 086 000 5 579 000

63,9 11 598 000 21 705 000 5 606 000

68,1 13 159 000 24 301 000 5 952 000

67,1 12 445 000 24 663 000 4 383 000

10,1 3 289 000 2 395 000 4 323 000 7,7 1 780 000 2 543 000 10 007 000

8,3 2 225 2 621 4 380 7,6 1 937 2 443 9 226

8,9 2 226 000 2 538 000 2 672 000 5 928 000 1 744 000 7 436 000

9,7 2 218 000 2 795 000 2 480 000 4,8 714 000 1 766 000 7 493 000

10,8 3 044 000 2 535 000 2 887 000 5,6 809 000 2 078 000 8 466 000

10,8 2 977 000 2 629 000 2 603 000 5 512 000 2 091 000 8 209 000

10,8 3 640 000 2 312 000 2 708 000 4,9 493 000 2 215 000 8 660 000

7,9 2 213 2 170 3 329 6 1 087 2 242 7 712

17,8 5 069 000 4 938 000 12 284 000 21,8 6 079 000 6 205 000 56 374 000 25 598 000 30 776 000

15,9 4 162 000 5 064 000 11 990 000 20,7 5 222 000 6 768 000 57 934 000 24 804 000 33 130 000

13,9 3 154 000 4 282 000 11 013 000 20,6 4 330 000 6 683 000 53 545 000 20 823 000 32 722 000

14,6 2 932 000 4 561 000 10 929 000 21,3 3 808 000 7 121 000 51 420 000 18 405 000 33 015 000

16,3 3 853 000 4 613 000 9 825 000 18,9 3 186 000 6 639 000 51 857 000 18 519 000 33 338 000

15,8 3 489 000 4 720 000 10 602 000 20,3 3 800 000 6 802 000 52 114 000 18 887 000 33 227 000

15,7 4 133 000 4 527 000 8 887 000 16,2 2 909 000 5 978 000 55 007 000 20 201 000 34 806 000

13,9 3 300 000 4 412 000 10 484 000 19 3 578 000 6 906 000 55 304 000 19 323 000 35 981 000

000 000 000 000 000 000

67

000 000 000 000 000 000

PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Tabelle B in Anhang C gibt einen Überblick über die Handelsströme für die untersuchten Arten von Repertoires. Die Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten für das deutsche Repertoire sind niedriger als die Einnahmen, die in Deutschland für das europäische Repertoire eingezogen und abgeführt werden. Ohne die Transaktionen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich beliefen sich die aus den EU-Mitgliedstaaten eingegangenen Einnahmen für das deutsche Repertoire 2008 auf 102 % der in Deutschland für das europäische Repertoire eingezogenen und abgeführten Einnahmen. Die aus dem Vereinigten Königreich und den USA für das deutsche Repertoire eingegangenen Beträge sind erheblich kleiner als die in Deutschland für die Repertoires des Vereinigten Königreichs und der USA eingetriebenen und abgeführten Beträge. Setzt man die für das deutsche Repertoire eingegangenen Nutzungsgebühren ins Verhältnis zu den für die aggregierten Repertoires des Vereinigten Königreichs und der USA gezahlten Nutzungsgebühren, so ergibt sich ein Rückgang von 21 % im Jahr 2001 auf 12 % im Jahr 2008. Die Einnahmen, die für das deutsche Repertoire in den Drittländern erzielt werden, sind in der Regel höher als die für das internationale Repertoire gezahlten Beträge. Das Verhältnis allerdings wird kleiner und ist zwischen 2001 und 2008 von 180 % auf 124 % zurückgegangen. Somit überschreitet der Betrag der aus den EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs) und den Drittländern erhaltenen Nutzungsgebühren den Betrag der für das europäische und das internationale Repertoire gezahlten Nutzungsgebühren. Dagegen ist der Betrag der an die Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs und der USA gezahlten Nutzungsgebühren höher als der Betrag der Nutzungsgebühren, die diese Länder für das einheimische Repertoire zahlen. 3.2.2.4.

Die Verfolgung kultureller und sozialer Ziele

Die deutsche Gesetzgebung verpflichtet die Verwertungsgesellschaften nicht, sich für sozial- und kulturpolitische Belange einzusetzen, ermutigt sie jedoch dazu. Laut Paragraph 7 Satz 2 UrhWG sind „kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern“. Außerdem sind laut Paragraph 8 UrhWG „Vorsorge- und Unterstützungseinrichtungen“ für die Mitglieder der Verwertungsgesellschaften einzurichten. Die GEMA hält sich an diese Bestimmungen. Gemäß Paragraph 1 Ziffer 4 Buchstabe a) ihrer „Allgemeinen Grundsätze zum Verteilungsplan für das Aufführungsrecht- und Senderecht“ werden jeweils 10 % von der „Verteilungssumme“ (Einnahmen aus den Aufführungs- und Senderechten abzüglich der Verwaltungskosten) für soziale und kulturelle Zwecke bereitgestellt.117 Der Satz von 10 % wird auch von den Gebührenbeträgen einbehalten, die für die ausländischen Verwertungsgesellschaften eingetrieben werden. Auch Zinserträge, Aufnahmegebühren und andere anfallende Beträge, die keine Lizenzerlöse sind, können sozialen und kulturellen Zwecken zugeführt werden. Während die finanzierten kulturellen Zwecke vielfältig sind, werden die sozialen Zwecke in Form einer GEMA-Sozialkasse und einer Form der Alterssicherung für die Mitglieder finanziert.118 Zu ihren kulturellen und sozialen Ausgaben hat sich die GEMA nicht im Einzelnen geäußert. Es ist daher nicht möglich zu beurteilen, ob die Kommissionsempfehlung von 2005 Auswirkungen auf die betreffende Tätigkeit der GEMA hatte.

117 118

Siehe GEMA-Geschäftsbericht, S. 285. Die Sozialkasse gibt es seit 1976. Sie gewährt den Mitgliedern Altersbezüge und hilft ihnen in Notfällen. Finanziert wird sie durch den Satz von 10 %, der von den Einnahmen im Aufführungs- und Senderecht einbehalten wird. Die Alterssicherung wird von den Mitgliedern finanziert. Sobald sie das Alter von 60 Jahren erreichen, erhalten sie einen jährlichen Betrag.

68

PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ 3.2.2.5.

Digitale Lizenzierungstätigkeit

Zwischen 2001 und 2008 vergab die GEMA ca. 300 Lizenzen für Music-on-demand-Dienste (mit oder ohne Download) und ca. 100 Lizenzen für die Nutzung ihres Repertoires durch Klingeltöne.119 Die gewährten Lizenzen deckten die Rechte im Repertoire der Musikwerke ab, deren Wahrnehmung der GEMA von ihren Mitgliedern oder von im Rahmen eines Gegenseitigkeitsvertrags assoziierten Verwertungsgesellschaften übertragen worden waren. Die Lizenzen wurden in der Regel für ein Jahr gewährt und betrafen das Vervielfältigungsrecht (§16 UrhG) und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§19a UrhG). Dabei ging es um Nutzungen in Deutschland oder für Deutschland.120 Die Tarife haben sich im Laufe der Jahre nicht erheblich geändert. Infolge der Kommissionsempfehlung von 2005 ist bei der digitalen Lizenzierungstätigkeit der GEMA seit einiger Zeit eine große Veränderung eingetreten. Die GEMA hat zur Umsetzung der Empfehlung zwei Unternehmen geschaffen, die im Bereich der EU-weiten Lizenzierung von Rechten zur digitalen Verwertung tätig sind, und zwar (zusammen mit der PRS für Musik) die CELAS GmbH und die PAECOL GmbH. Die Tätigkeiten beider Unternehmungen werden in Kapitel 2 eingehend behandelt.

Wichtigste Ergebnisse •

Im Jahr 2007 lag der deutsche Musikmarkt bei den physischen Verkäufen weltweit auf Platz 4, bei den digitalen Verkäufen auf Platz 5 und bei den Einnahmen aus den Aufführungsrechten auf Platz 2. Im selben Jahr betrug der von der Branche auf dem deutschen Musikmarkt erzielte Handelswert insgesamt 1 142 Millionen EUR. Die physischen Verkäufe gingen 2006 um 5,4 % und 2007 um 5,3 % zurück. Dagegen wuchsen die digitalen Musikverkäufe 2006 um 77,6 % und 2007 um 13,5 %. Im Jahr 2007 machten die digitalen Verkäufe 5,5 % des Musikumsatzes insgesamt aus, stecken also immer noch in den Kinderschuhen.



Die in Deutschland eingetriebenen und verteilten Einnahmen aus dem einheimischen Repertoire erhöhten sich seit 2001 um 11,6 %. Die von den ausländischen Verwertungsgesellschaften an die GEMA abgeführten Nutzungsgebühren erhöhten sich nur um 1,9 %. Die Nutzungsgebühren aus den EU-Staaten erhöhten sich um 4,3 % (8,9 % ohne das Vereinigte Königreich). Die Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich (-22,9 %), den USA ( 23 %) und den Drittländern ( 14,6 %) waren rückläufig. 2008 machten die Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten 75 % des Gesamtwerts der von der GEMA erhaltenen Nutzungsgebühren aus (67,1 % ohne die Abführungen aus dem Vereinigten Königreich). Die Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und den Drittländern beliefen sich auf 7,9 %, 6 % bzw. 19 %.



Bei den in Deutschland beliebtesten ausländischen Repertoires dominiert das angloamerikanische Repertoire (58,5 %), gefolgt vom europäischen Repertoire (35,3 % [33,7 % ohne das Repertoire des Vereinigten Königreichs]). Ferner offenbaren die Daten, das das aggregierte Repertoire „Vereinigtes Königreich + USA“ in Deutschland weiter wächst (+34,5 % im Zeitraum 2001-2008), während das europäische Repertoire ohne das Repertoire des Vereinigten Königreichs um 9,2 % abnimmt (wird das Repertoire des Vereinigten Königreichs mit berücksichtigt, wächst es um +3,3 %). Die Handelsströme zwischen dem einheimischen und dem ausländischen Repertoire zeigen, dass 2008 der Wert der Nutzungsgebühren, den die GEMA aus den EU-Mitgliedstaaten (ohne das Vereinigte Königreich) erhielt, den Wert der Nutzungsgebühren, den sie für

119

Einige Lizenznehmer kombinierten Music-on-demand-Angebote mit Klingelton-Dienstleistungen. Der Endverbraucher war in Deutschland ansässig, oder der Inhaltsanbieter war in Deutschland ansässig, oder die Verwendung des GEMA-Repertoires war Gegenstand eines Vertrages zwischen dem in Deutschland ansässigen Inhaltsanbieter und einem Endverbraucher mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands.

120

69

PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ das europäische Repertoire zahlen musste, überstieg. Dagegen war der an die Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs und der USA gezahlte Gebührenbetrag höher als der von diesen Ländern für das einheimische Repertoire erhaltene Betrag. •

Obwohl die nationale Gesetzgebung die Verwertungsgesellschaften nicht zur Verfolgung kultur- und sozialpolitischer Ziele verpflichtet, finanziert die GEMA kulturelle und soziale Maßnahmen, indem sie hierfür von ihren Nettoeinnahmen aus den Aufführungs- und Senderechten 10 % einbehält. Auch Zinserträge, Aufnahmegebühren und andere anfallende Beträge, die keine Lizenzerlöse sind, werden sozialen und kulturellen Zwecken zugeführt. Da keine detaillierten Angaben zu den Ausgaben der GEMA für kulturelle und soziale Zwecke vorliegen, ist unklar, ob und wie sich die Kommissionsempfehlung von 2005 auf die Durchführung solcher Maßnahmen ausgewirkt hat.



Was schließlich die digitale Lizenzierung anbelangt, so vergab die GEMA zwischen 2001 und 2008 ca. 300 Lizenzen für Music-on-demand-Dienste und ca. 100 Lizenzen für die Nutzung ihres Repertoires durch Klingeltöne. Bei den entsprechenden Lizenzen ging es um Nutzungen in bzw. für Deutschland und die Rechte am einheimischen Repertoire und an ausländischen Repertoires (die von der GEMA auf der Grundlage von Gegenseitigkeitsvereinbarungen vertreten wurden) Ferner hat die GEMA den Schritt in die europaweite Lizenzierung gewagt und hierzu (zusammen mit der PRS für Musik) die CELAS GmbH und die PAECOL GmbH gegründet.

3.3. Italien 3.3.1. Hauptmerkmale des italienischen Musikmarktes IFPI-Angaben zufolge belegte der italienische Musikmarkt im Jahr 2007 beim Verkauf physischer Tonträger weltweit Platz 8, bei den digitalen Verkäufen Platz 10 und bei den Einnahmen aus den Aufführungsrechten Platz 8.121 Im selben Jahr betrug der Handelswert der Branche auf dem italienischen Musikmarkt insgesamt 266 Millionen EUR. Dabei machten die physischen Verkäufe 87 %, die digitalen Verkäufe 7 % und die Aufführungsrechte 6 % aus.122 Von den physischen Verkäufen entfielen 94 % auf CDs, 5 % auf Musikvideos und 1 % auf sonstige Formate.123 Von den digitalen Verkäufen entfielen 21 % auf Download-Einzeltracks, 15 % auf Online-Alben, 27 % auf Master Ringtones (Klingeltöne von Originalaufnahmen), 17 % auf Mobile Single Tracks, 2 % auf Ringback Tones (Freizeichenmelodien) und 7 % auf sonstige Formate.124 Das einheimische Repertoire hatte 2008 einen Anteil von 11 % an den insgesamt verkauften Alben (2007 waren es 13 % und 2006 15 %).125

121 122 123 124

125

IFPI-Bericht „Recording industry in numbers“, 2008, S. 34. Ebenda. Sonstige Formate: Singles, Kassetten, Schallplatten usw. Sonstige Formate: Musikvideos, Streams, Ringback Tones (Freizeichenmelodien), Mobile Single Tracks und sonstige nicht kategorisierte Verkäufe. Sonstige Formate: sonstige nichtkategorisierte Verkäufe.

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PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.12. IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 Musikumsatz (Millionen USD)

2004

2005

2 006

2007

Physisch

467,1

452,4

393,8

317,2

Digital

4

17,2

26

26,3

Online

23 %

30 %

30 %

44 %

Mobile

77 %

69 %

57 %

53 %

Abonnements

-

1%

1%

-

-

-

20,3

21,2

Aufführungsrechte

Beim Addieren der Prozentsätze ergeben sich wegen der Rundungen und der nichtkategorisierten Verkäufe nicht unbedingt ganze Zahlen.

Laut den vorstehend erwähnten Musikumsatzzahlen sank der Handelswert in der Musikindustrie 2007 um 18,2 %, nachdem er 2006 schon einmal um 10,6 % zurückgegangen war. Die physischen Musikverkäufe verringerten sich zwischen 2005 und 2007 um 30 %, während die digitalen Verkäufe 2006 um 51,2 % zunahmen und 2007 stabil blieben.126 Allerdings ist zu bedenken, dass die Einnahmen aus den Online- und mobilen Dienstleistungen kaum Einfluss auf das wirtschaftliche Ergebnis der italienischen Musikbranche insgesamt haben. 2007 machten die digitalen Verkäufe 7,2 % des Musikumsatzes insgesamt aus. Die durch die Mobiltelefondienste eingenommenen Nutzungsgebühren sind zwar generell höher als die Einnahmen aus den lizenzierten OnlineNutzungen, aber ihr Anteil an den Einnahmen im digitalen Bereich insgesamt hat sich von 77 % im Jahr 2004 auf 53 % im Jahr 2007 verringert. Der italienische Musikmarkt ist geprägt durch die Präsenz von vier großen Plattenlabels (EMI, Sony BMG, Universal Music und Warner Music) und um die 400 kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Diese werden kollektiv vertreten durch Dachvereinigungen wie die Federazione Industria Musicale Italiana (FIMI), die die „Großen“ und eine Handvoll unabhängiger Labels vertritt, und die Associazione Italiana Fonografici (AFI), die Produttori Musicali Indipendenti (PMI) und die AudioCoop, die alle drei unabhängige Plattenhersteller vertreten. Während AFI and AudioCoop selbst die Aufgaben einer Verwertungsgesellschaft wahrnehmen, verlassen sich die FIMI- und die PMI-Mitglieder (zusammen mit 200 Produzenten, die keiner Organisation angeschlossen sind) auf die Lizenzierungs- und Inkassotätigkeit der Konsortialgesellschaft Società Consortile Fonografici (SCF). Die SCF deckt etwa 95 % des Marktes ab. Der Marktanteil der AFI beträgt ca. 4 % und der der Audiocoop ca. 1 %.127 Die verfügbaren Daten zeigen, dass die italienische Musikbranche weiter mit großen finanziellen Verlusten zu kämpfen hat, die offenbar direkt mit einer der höchsten Piraterieraten bei Tonträgern in ganz Westeuropa verbunden sind. Der Anteil der Raubkopien liegt in Italien bei über 20 %, obwohl nach wie vor streng dagegen vorgegangen wird.128 Italien hat auch einen hohen Anteil illegaler P2P-Aktivität. Über acht Millionen Italiener sind Nutzer von P2P-Anwendungen.

126

127

128

In den Zahlen sind die Einnahmen aus den Aufführungsrechten nicht enthalten, da nicht für alle Berichtsjahre Daten vorliegen. Diese Angaben wurden in einem Bericht veröffentlicht, der den Verfassern dieser Studie am 25. März 2009 per E-Mail übermittelt wurde. IFPI-Bericht „Recording industry in numbers“, 2008, S. 34 (laut diesem Bericht wurden 2007 über 1,5 Millionen raubkopierte CD-Rs und DVD-Rs eingezogen, zusammen mit über 5 000 Hochgeschwindigkeitsbrennern).

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PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ 3.3.2.

Verwertungsgesellschaften und Musikrepertoires

Die Rahmenbedingungen für die kollektive Wahrnehmung der Urheberrechte in Italien sind im italienischen Urheberrechtsgesetz geregelt.129 Laut der nationalen Gesetzgebung ist allein die SIAE berechtigt, alle Urheberrechtsinhaber (Autoren, Komponisten und Verleger) auf ausschließlicher Grundlage zu vertreten. Es kann daher nach italienischem Recht keine weitere Einrichtung für denselben Zweck gegründet werden. Für bestimmte exklusive oder Vergütungsrechte ist die kollektive Wahrnehmung vorgeschrieben (insbesondere für die Kabelweiterverbreitung, das private Kopieren von Tonaufzeichnungen und audiovisuellen Werken und die fotomechanische Vervielfältigung). In allen anderen Fällen ist die kollektive Rechtewahrnehmung nicht obligatorisch vorgeschrieben. Die Rechteinhaber können ihre Rechte selbst wahrnehmen oder die Wahrnehmung einer Verwertungsgesellschaft übertragen. Das italienische Recht regelt auch die Tätigkeiten und Befugnisse der IMAIE, der Verwertungsgesellschaft, die für alle ausübenden Künstler im Musikbereich unabhängig von der Mitgliedschaft für eine faire Vergütung der Rechte sorgt, wie sie für das öffentliche Abspielen und das private Kopieren von Tonträgern vorgesehen sind.130 Es gibt in Italien fünf Verwertungsgesellschaften, die im Musiksektor aktiv sind, und zwar die SIAE, die IMAIE, die SCF, die AFI und die Audiocoop. Während für die SIAE und die IMAIE spezielle Regelungen gelten, haben die Tonträgerhersteller-Gesellschaften SCF, AFI und Audiocoop die Form von Organisationen (Verein) ohne Erwerbszweck nach italienischem Privatrecht. Die SIAE, die IMAIE, die SCF und die AFI haben sich aktiv an dieser Studie beteiligt. Die SIAE wird im Folgenden vorgestellt. Die Tätigkeiten der anderen Gesellschaften sind in Anhang A der Studie analysiert. 3.3.2.1.

Die SIAE

DIE SIAE übernimmt die notwendige Vermittlungsrolle zur Durchsetzung der ausschließlichen Rechte in den Bereichen öffentliche Aufführung, Hörfunk und Fernsehen, Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit sowie mechanische und kinematografische Vervielfältigung für die Rechteinhaber. Die SIAE vertritt durch Mitgliedschafts- oder Mandatsvertrag die Autoren, Komponisten, Verleger und Verteiler urheberrechtlich geschützter Werke. Die der Sektion Musik angeschlossenen (eingetragenen) Mitglieder sind eingestuft als a) Komponisten, b) Textdichter oder c) Musikverleger. Die Sektion Musik verwaltet für sie gemäß der Satzung der Verwertungsgesellschaft und ihrer Geschäftsordnung die vorstehend genannten Rechte an Werken, deren Inhaber sie sind. Die SIAE-Sektion Musik hat etwa 77 000 Mitglieder. Dazu gehören vor allem italienische Staatsbürger, aber auch EU-Bürger und Drittstaatsangehörige. Die EU-Bürger können ordentliche Mitglieder der SIAE werden. Drittstaatsangehörige können zwar nicht eingetragenes Mitglied der SIAE werden, aber mit ihr einen Mandatsvertrag abschließen. Von den Mitgliedern der SIAE-Sektion Musik waren Ende 2007 etwa 700 Drittstaatsangehörige und 7000 EU-Bürger. Aus Tabelle 2 ist für den Zeitraum 2001-2008 die Zahl der SIAE-Mitglieder und insbesondere der Mitglieder ersichtlich, an die Tantiemen gezahlt wurden.

129 130

Siehe Artikel 180-182 des Gesetzes Nr. 633/1941 und dessen spätere Änderungen. Siehe Genaueres in Anhang A der Studie.

72

PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.13. SIAE-Mitglieder und Mitglieder, an die Tantiemen gezahlt wurden SIAEMitglieder

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

Mitglieder insgesamt

53 620

57 130

61 171

64 558

68 035

72 811

74 640

75 797

Autoren

51 814

55 237

59 209

62 511

65 787

70 504

72 406

73 456

Verleger

1 806

1 893

1 962

2 047

2 248

2 308

2 234

2 341

Mitglieder, an die Tantiemen gezahlt wurden

39 963

41 969

45 111

48 306

51 266

55 223

59 050

60 442

Die SIAE-Sektion Musik nimmt normalerweise die Rechte der öffentlichen Aufführung, mechanischen Vervielfältigung und Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit über Kabel und Satellit wahr.131 Es besteht jedoch gemäß der Allgemeinen Geschäftsordnung, die im Juni 2007 angenommen und im November 2008 geändert wurde, die Möglichkeit, einige normalerweise von der SIAE wahrgenommene Rechte sowie Lizenzrechte für Werke in bestimmten Ländern oder Gebieten auszuschließen. Dass die SIAE-Mitglieder die Möglichkeit haben, die Wahrnehmung der Rechte der Vervielfältigung und Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit in den Nutzungsbereichen Online und Mobiltelefon (digitale Lizenzierung) vom Geltungsbereich ihrer Mandatsverträge auszunehmen, ist ganz klar darauf zurückzuführen, dass die SIAE der Kommissionsempfehlung von 2005 folgen will. Die Organe der SIAE sind a) der Präsident, der nach der Ernennung der Mitgliederversammlung der Gesellschaft vom Ministerpräsidenten (im Benehmen mit dem Minister für das kulturelle Erbe und kulturelle Veranstaltungen) vorgeschlagen und per Dekret vom Präsidenten der Republik ernannt wird und die SIAE gesetzlich vertritt; b) der Verwaltungsrat, der für die Ausarbeitung des internen Reglements und des jährlichen Haushaltsplans zuständig ist; c) die Mitgliederversammlung, die die allgemeine Aufsichtspflichten wahrnimmt, da sie es ist, die letztendlich über die meisten Regelungen und Etats befindet; und schließlich d) ein Ausschuss mit beratender Funktion, der in jeder Sektion der Gesellschaft eingerichtet ist. Der Verwaltungsrat besteht aus dem Präsidenten der SIAE und acht Mitgliedern, von denen fünf alle vier Jahre von der Mitgliederversammlung ernannt werden, wobei die Autoren und die Verleger angemessen vertreten sein müssen. Die übrigen drei Mitglieder werden alle vier Jahre vom Ministerium für das kulturelle Erbe und kulturelle Veranstaltungen ernannt, das als Aufsichtsbehörde der SIAE handelt.132 Wie aus Anhang D (Tabelle A) hervorgeht, haben sich die Bruttoeinnahmen und die ausschüttbaren Nettoeinnahmen zwischen 2001 und 2005 erhöht, während sie zwischen 2006 und 2008 ungefähr gleich blieben. Während des gesamten Zeitraums (2001-2008) wuchsen die Bruttoeinnahmen der SIAE um 18,8 % and ihre Nettoeinnahmen um 20,1 %. Der prozentuale Anteil der Nettoeinnahmen an den Bruttoannahmen erhöhte sich zwischen 2001 und 2008 von 82,3 % auf 83,7 %. 131

132

Allgemein gilt, dass bis auf wenige Ausnahmen die Rechte der Synchronisation und der Verwendung geschützter Werke zur Werbung und insbesondere zur Fernsehwerbung, zur grafischen oder visuellen Vervielfältigung nicht Gegenstand der Vermittlungstätigkeit der SIAE sind. Laut Satzung und Geschäftsordnung der SIAE ist die SIAE berechtigt, auch Inhaber von mit dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten (sogenannte „Leistungsschutzrechte“) zu vertreten, aber zurzeit ist dies kaum der Fall. Siehe Artikel 6 der Satzung der SIAE.

73

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________

Die SIAE finanziert sich im Wesentlichen durch a) eine auf die eingezogenen Nutzungsgebühren erhobene Provision, b) Erträge aus der Anlage von nicht verteilten Tantiemen und c) Einnahmen aus sonstigen Dienstleistungen, darunter solchen, die in Zusammenarbeit mit dem italienischen Finanzministerium und mit ENPALS (der Rentenversicherung der ausübenden Künstler) zur Erhebung von Steuern auf öffentliche Aufführungen bzw. Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung der Musiker übernommen werden. Aufgrund der Doppelfunktion der SIAE als generalistisches Unternehmen, das eine Reihe von Repertoires verwaltet, und als Unternehmen, das eine Reihe von Dienstleistungen für den Staat und andere Einrichtungen erbringt, von denen einige nach der Maßgabe von Satzungsbestimmungen zu erbringen sind, hat die SIAE ein komplexes Finanzmanagement. Bisher wurde kein voller Zugang zu den Informationen über die Verwaltungsgebühren der SIAE gewährt. Ob und in welchem Maße die Kommissionsempfehlung von 2005 das Ziel einer besseren Transparenz und Gleichbehandlung aller Rechteinhaber erreicht hat, kann daher nicht beurteilt werden. Die zusammengetragenen Informationen gestatten jedoch folgende Feststellungen: Die SIAE zieht ihre Provisionen von den Bruttoeinnahmen (vor Steuern) ab. Dabei gibt es Unterschiede je nach der Art des wahrgenommenen Rechts und der Art der Musiknutzung, die den Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsgebühr begründet. Wie aus Anhang D (Tabelle B) hervorgeht, schwankt der Provisionssatz je nach den Aufwendungen, die für das Gebühreninkasso anfallen, zwischen 3 % und 22 %. Die Prozentsätze werden vom Verwaltungsrat festgelegt, durch dessen bereits beschriebene Zusammensetzung sichergestellt ist, dass die Autoren und Komponisten wie auch die Verleger angemessen vertreten sind. Die zur Anwendung kommenden Prozentsätze sind gleich, ob es sich nun um Werke von SIAE-Mitgliedern handelt oder um Repertoires, die im Rahmen von Gegenseitigkeitsverträgen für ausländische Verwertungsgesellschaften verwaltet werden. Wenn ausländische Verwertungsgesellschaften auf der Grundlage der gleichen Gegenseitigkeitsvereinbarungen Nutzungsgebühren einziehen und an die SIAE abführen, teilt diese die Tamtienen aus den Ausland nur zwischen den verschiedenen Rechteinhabern auf, wobei ein niedrigerer Provisionssatz zur Anwendung kommt (z. B. 3 % bei der Kategorie „Nutzungen im Ausland“ von Tabelle B in Anhang D).133

133

Die SIAE hat außerdem noch andere Einnahmen in geringerer Höhe, darunter die jährlichen Mitgliedsbeiträge und die Vergütung für andere Dienstleistungen, die jedoch nichts mit der Wahrnehmung von Urheberrechten durch die Sektion Musik zu tun haben. Für die Mitglieder der Sektion Musik sind die einzigen Einnahmen der SIAE, die diese im Rahmen ihres Verhältnisses mit den Autoren, Komponisten und Verlegern erzielt, a) die Mitgliedsbeiträge bzw. b) die Verwaltungskosten, die bei andere Dienstleistungen anfallen (z. B. Bereitstellung von Kopien von Dokumenten oder registrierten Werken, Gebühren für die Prüfung von Werken, Ausarbeitung von gemeinfreien Werken, usw.).

74

PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ 3.3.2.2. Der Wert der Repertoires Tabelle 3 gibt Aufschluss über die Nutzungsgebühren, die die SIAE im Zeitraum 2001-2007 an ihre Mitglieder verteilt hat.134 Laut den übermittelten Daten erhöhten sich die Ausschüttungen der SIAE an die Mitglieder zwischen 2001 und 2007 von 251 853 457 EUR auf 319 133 651, das ist eine Zunahme um 26,7 %. Tabelle 3.14. Ausschüttungen der SIAE an die Mitglieder SIAE-Ausschüttungen 2001 2002 2003 an die Mitglieder (EUR) Autoren/Komponisten % Verlage % Gesamt

2004

2005

2006

2007

96 488 375

97 149 141

103 362 072

108 251 724

118 182 352

120 882 634

127 933 686

38,3

38

38,2

38,7

39,5

38,8

40,1

155 365 082

158 781 416

166 971 112

171 153 456

180 797 648

190 352 609

191 199 965

61,7

62

61,8

61,3

60,5

61,2

59,9

251 853 457

255 930 557

270 333 184

279 405 180

298 980 000

311 235 243

319 133 651

In den verteilten Beträgen an Verlage sind auch die Einnahmen für Subverlagsverträge (über die Vertretung von ausländischem Repertoire auf italienischem Gebiet) enthalten, sodass es nicht möglich ist, den Wert des einheimischen Repertoires auf dieser Grundlage effektiv zu bestimmen. Um sich ein Bild von der Größe des italienischen Repertoires zu verschaffen, muss man auf die Angaben zu den von der SIAE an die Autoren/Komponisten ausgeschütteten Tantiemen zurückgreifen.135 Diese haben sich im Berichtszeitraum um 32,6 % erhöht. Während sie im Jahr 2001 96 488 375 EUR betrugen, erreichten sie 2007 127 933 686 EUR.136

134

135

136

Es handelt sich um aggregierte Daten für die Autoren/Komponisten und die Musikverlage, die die mechanischen Rechte und die Aufführungsrechte sowie die OnlineNutzung abdecken. Die Zahlen beinhalten auch die sogenannten „proportionalen Vergütungen“, die den Mitgliedern proportional zu der Zahl ihrer Werke, die Einnahmen aus Nutzungsgebühren erzielen, gezahlt werden. Die Zahlen widerspiegeln somit den „tatsächlichen Ertrag“, den das Repertoire der SIAE-Mitglieder erwirtschaftet hat. Bringt man diese besondere Vergütungsart in Abzug, so erhielten die Autoren/Komponisten im Jahr 2001 80 992 879,38 EUR, im Jahr 2002 81 329 919,75 EUR, im Jahr 2003 87 567 392,27 EUR, im Jahr 2004 91 184 517,55 EUR, im Jahr 2005 93 723 368,46 EUR, im Jahr 2006 100 960 032,19 EUR und im Jahr 2007 103 576 097,66 EUR. Die Verlage erhielten im Jahr 2001 67 008 524,45 EUR, im Jahr 2002 68 871 457,24 EUR, im Jahr 2003 71 325 307,14 EUR, im Jahr 2004 73 944 213,33 EUR, im Jahr 2005 76 803 38,90 EUR, im Jahr 2006 80 548 032,21 EUR und im Jahr 2007 79 748 171,56 EUR. Die Tantiemen im Musiksektor werden in der großen Mehrheit der Fälle (bei 95 % der Veröffentlichungsverträge) zwischen den Autoren/Komponisten und den Verlegern gleichmäßig aufgeteilt werden (50 % zu 50 %). Daher ist der Betrag, den die Autoren/Komponisten für das einheimische Repertoire einnehmen, ungefähr so hoch wie der, den die Verleger erhalten. Zieht man die „proportionalen Vergütungen“ ab, so haben sich die Ausschüttungen an die Autoren/Komponisten im Berichtszeitraum um 27,9 % erhöht.

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PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Wie Tabelle 4 zeigt, erhöhte sich der Wert des in Italien konsumierten ausländischen Repertoires im Zeitraum 2001-2007 um 56,7 %.137 Die Wertzunahme des europäischen Repertoires (kombiniertes Repertoire aller EU-Mitgliedstaaten) betrug 51,1 %. Bringt man die Nutzungsgebühren für das Repertoire des Vereinigten Königreichs in Abzug (an die Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs gezahlte Tantiemen), so ergibt sich eine Zunahme um 33,7 %. Der Wert des angloamerikanischen Repertoires nahm zu, mit 85,8 % Wachstum im Falle des Repertoires des Vereinigten Königreichs und 59,8 % Wachstum im Falle des Repertoires der USA.138 Die Tantiemenzahlungen für das internationale Repertoire schließlich, also das Repertoire der Drittstaaten (ohne USA), wuchsen um 64,7 %. Tabelle 3.15. Ausschüttungen der SIAE für ausländisches Repertoire SIAE-Ausschüttungen für ausländisches Repertoire (EUR)

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

EU insgesamt

18 513 058

17 872 660

20 740 865

21 443 587

23 658 877

25 609 161

25 670 862

27 979 150

41,1

39,3

39,2

38

39

39,6

40,3

39,7

12 313 103

11 542 835

13 361 573

13 526 135

15 009 773

15 253 111

15 257 463

16 461 219

27,3

25,4

25,3

24

24,8

23,6

23,9

23,4

6 199 955

6 329 825

7 379 292

7 917 453

8 649 104

10 356 050

10 413 399

11 517 931

13,8

13,9

13,9

14

14,3

16

16,4

16,3

22 413 597

23 917 458

26 729 813

29 818 452

31 517 339

33 271 916

32 841 156

35 830 410

49,8

52,5

50,6

52,7

52

51,5

51,5

50,8

28 613 552

30 247 283

34 109 105

37 735 905

40 166 442

43 627 966

43 254 555

47 348 341

63,6

66,4

64,5

66,8

66,3

67,5

67,9

67,1

4 080 633

3 740 602

5 372 365

5 269 785

5 428 746

5 720 559

5 208 307

6 721 765

9,1

8,2

10,2

9,3

9

8,9

8,2

9,5

45 007 288

45 530 720

52 843 042

56 531 825

60 604 962

64 601 636

63 720 325

70 531 325

% EU (ohne Vereinigt. Königr.) % Vereinigt. Königr. % USA % Vereinigt. Königr. + USA % Übrige Welt % Gesamt

137

138

Tabelle 4 zeigt die an die ausländischen Verwertungsgesellschaften abgeführten Tantiemen in aggregierten Zahlen für die mechanischen Rechte, die Aufführungsrechte und die Rechte der Online-Nutzung. Aggregiert erhöhte sich ihr Wert um 65,5 %.

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PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________

Die Daten offenbaren, dass das angloamerikanische Repertoire auf dem italienischen Markt eine dominierende Rolle inne hat. 2008 belief sich der von der SIAE für das kombinierte Repertoire „Vereinigtes Königreich + USA“ gezahlte Betrag auf 67,1 % der insgesamt an das Ausland gezahlten Nutzungsgebühren. Dabei betrug der Anteil des Vereinigten Königreichs 16,3 % und der Anteil der USA 50,8 %. Die Ausschüttungen der SIAE für das europäische Repertoire machten 39,7 % des insgesamt an die ausländischen Verwertungsgesellschaften abgeführten Einnahmen aus (ohne das Repertoire des Vereinigten Königreichs 23,3 %). Die für das internationale Repertoire eingezogenen und abgeführten Tantiemen machten nur 9,5 % des insgesamt von der SIAE abgeführten Betrags für ausländisches Repertoire aus. 3.3.2.3. Handelsströme im Musiksektor Tabelle 5 enthält Angaben zur Präsenz des italienischen Repertoires in ausländischen Märkten im Zeitraum 2001-2008.139 Die Zahlen zeigen, dass der Wert des italienischen Repertoires im Ausland um 16,3 % sank. Die Einnahmen aus den EU-Ländern zusammengenommen sanken um 14,2 % (wenn die Nutzungsgebühren aus dem Vereinigten Königreich nicht berücksichtigt werden, um 12,8 %). Die entsprechenden Einnahmen aus dem Vereinigten Königreich, den USA und den Drittländern verringerten sich um 29,4 %, 22,6 % bzw. 20,1 %.

139

Es handelt sich um aggregierte Daten für die mechanischen Rechte, die Aufführungsrechte und die Rechte der digitalen Verwertung.

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PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Tabelle 3.16. Einnahmen der SIAE aus dem Ausland (für das einheimische Repertoire) Einnahmen der SIAE aus dem Ausland (für das einheimische Repertoire) (EUR) Aus den EUMitgliedstaaten % Aus den EUMitgliedstaaten (ohne Vereinigt. Königr.) % Aus dem Vereinigten Königreich % Aus den USA % Aus dem Vereinigten Königreich und den USA % Aus der übrigen Welt % Insgesamt

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

25 516 243,43

25 099 317,05

24 215 190,74

22 804 750,14

21 342 730,54

21 445 899,09

22 671 296,80

21 880 113,91

71,7 23 314 684,69

68,7 23 131 690,25

76,8 22 558 013,68

72,3 20 672 553,28

73,4 19 294 462,90

72,9 19 487 572,57

75,1 20 314 787,99

73,4 20 327 085,12

65,5 2 201 558,74

63,3 1 967 626,8

71,5 1 657 177,06

65,5 2 132 196,86

66,4 2 048 267,64

66,3 1 958 326,52

67,3 2 356 508,81

68,2 1 553 028,79

6,2 3 373 575,27 9,5 5 575 134,01

5,4 5 145 149,70 14,1 7 112 776,50

5,3 1 875 458,48 6 3 532 635,54

6,8 2 380 545,99 7,5 4 512 742,85

7 2 166 357,94 7,4 4 214 625,58

6,6 2 404 894,51 8,2 4 363 221,03

7,8 2 027 074,11 6,7 4 383 582,92

5,2 2 610 833,81 8,8 4 163 862,60

15,7 6 721 361,39

19,5 6 288 701,90

11,2 5 430 047,31

14,3 6 363 188,38

14,5 5 585 465,06

14,8 5 559 049,76

14,5 5 502 337,57

14 5 310 328,36

18,8 35 611 180,09

17,2 36 533 168,65

17,2 31 520 696,53

20,2 31 548 484,51

19,2 29 094 553,54

18,9 29 409 843,36

18,2 30 200 708,48

17,8 29 801 276,08

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PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ Obwohl die Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten gesunken sind, wird das italienische Musikrepertoire in der EU sehr geschätzt. Das zeigen auch die Zahlen: 2008 machten die Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten 73,4 % des Gesamtbetrags an Nutzungsgebühren aus, den die SIAE von den ausländischen Verwertungsgesellschaften für ihr Repertoire insgesamt einnahm. Ohne das Vereinigte Königreich machten die in den EU-Mitgliedstaaten für das italienische Repertoire erzielten Nutzungsgebühren 68,2 % aller im Ausland dafür erzielten Nutzungsgebühren aus. Auf die Einnahmen aus den USA und aus Drittländern entfielen 8,8 % bzw. 17,8 %. Tabelle C in Anhang D gibt einen Überblick über die Handelsströme für die untersuchten Arten von Repertoires im Zeitraum 2001-2008. Allgemein ist festzustellen, dass sich das Verhältnis zwischen dem für das italienische Repertoire eingenommenen Betrag und dem für das ausländische Repertoire an die ausländischen Verwertungsgesellschaften gezahlten Betrag verringert hat. Genauer sank es von etwa 80 % in den Jahren 2001 und 2002 auf 42,2 % im Jahr 2008. Während des Berichtszeitraums waren nur bei den EU-Ländern (ohne Vereinigtes Königreich) die von Italien eingenommenen Beträge höher als die gezahlten Beträge (wobei sich das Verhältnis im Laufe der Zeit verringert hat). 2008 beliefen sich die für das italienische Repertoire erzielten Einnahmen aus den EU-Mitgliedstaaten (ohne Vereinigtes Königreich) auf 123,5 % des für das europäische Repertoire in Italien eingenommenen und abgeführten Betrages (78,2 %, wenn das Vereinigte Königreich berücksichtigt wird). Die im Vereinigten Königreich und in den USA für das italienische Repertoire erzielten Nutzungsgebühren machten 13,5 % der in Italien für das angloamerikanische Repertoire erzielten Nutzungsgebühren aus. Was den Musikhandel mit den Drittländern anbelangt, so beliefen sich die dort erzielten Einnahmen für das italienische Repertoire auf 7,3 % der in Italien für das internationale Repertoire erhobenen und abgeführten Nutzungsgebühren. Somit überschreitet der Wert der für das italienische Repertoire von den EU-Mitgliedstaaten (bei Ausschluss des Vereinigten Königreichs) erhaltenen Nutzungsgebühren den Wert der für das europäische Repertoire gezahlten Nutzungsgebühren. Dagegen ist der für das angloamerikanische und das internationale Repertoire gezahlte Betrag an Nutzungsgebühren höher als der für das einheimische Repertoire erhaltene Betrag. 3.3.2.4. Die Verfolgung kultureller und sozialer Ziele Die italienische Gesetzgebung verpflichtet die Verwertungsgesellschaften nicht, sich für sozial- und kulturpolitische Belange einzusetzen. Dennoch finanziert die SIAE die Verfolgung solcher Ziele allein zum Vorteil ihrer Mitglieder. Die Finanzierung kultureller Maßnahmen durch die Sektion Musik erfolgte bislang aus nicht verteilten Einnahmen innerhalb der Grenze von 10 % des Ertrags der Gebühreneinnahmen aus den öffentlichen Aufführungsrechten nach Steuern. Kulturmaßnahmen werden ferner durch die Gewährung „zusätzlicher“ Tantiemen an einzelne SIAE-Mitglieder unterstützt. Auf diese Weise werden bestimmte Kategorien von Werken unterstützt, die darauf nach Meinung der SIAE angewiesen sind, da sie in der Regel viel niedrigere Einnahmen erzielen als etwa Werke der Kategorie „Rock und Pop“. Außerdem erhalten die SIAE-Mitglieder zusätzliche Vergütungen für die Nutzung ihrer Werke im Ausland und als Belohnung für den außergewöhnlich hohen Tantiemenbetrag, den ihre erfolgreichsten Werke erzielen. Laut der Satzung der SIAE werden Solidaritätsmaßnahmen durch die Einbehaltung von 4 % der Nach-Steuer-Erträge der Autoren und von 2 % der Erträge der Verleger finanziert. Diese Mittel fließen der Solidaritätskasse der Gesellschaft zu, die satzungsgemäß verschiedene Leistungen erbringt, darunter solche der Sozialversicherung und der

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PE 419.110

Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ Rentenversicherung.140 Die Bereitstellung von Mitteln für kulturelle und soziale Zwecke erfolgt im Rahmen einer jährlichen Verteilungsverordnung durch den Verwaltungsrat nach Anhörung des Ausschusses der Sektion Musik (dem 10 Autoren und 10 Verleger angehören, die von der Mitgliederversammlung der SIAE gewählt wurden. Laut den Angaben der SIAE für den Zeitraum 2001-2008 waren ihre Ausgaben für kulturelle und soziale Zwecke unterschiedlich hoch und schwankten zwischen 11 Millionen EUR und 23 Millionen EUR. Ab 2004 wurde für kulturelle Zwecke und für soziale Zwecke etwa gleich viel ausgegeben, wobei 2008 die kulturellen Ausgaben die sozialen um 8,3 % übertrafen. Über den gesamten Zeitraum erhöhten sich die Ausgaben für kulturelle Zwecke um 30 % und die für soziale Zwecke um 56 %. Insgesamt stiegen die Ausgaben um 41,3 % und machten zwischen 3,34 % und 5,73 % der Nettoeinnahmen der SIAE aus. Ob die Mittelbereitstellung für diese Zwecke in irgendeiner Weise von der Kommissionsempfehlung von 2005 beeinflusst wurde, in der von den Verwertungsgesellschaften die Angabe verlangt wird, ob und wenn ja in welchem Umfang neben den Verwaltungsgebühren weitere Abzüge erfolgen, ist noch nicht bekannt. Die Tatsache, dass in den letzten Jahren die von der SIAE einbehaltenen Beträge erheblich zugenommen haben, spricht jedoch dafür, dass das Transparenzerfordernis der Empfehlung zu keiner Absenkung der Höhe der für diesen Bereich bereitgestellten Finanzmittel geführt hat. 3.3.2.5. Digitale Lizenzierungstätigkeit der SIAE Die SIAE hat verschiedene Standardlizenzen entwickelt, um die digitale Nutzung urheberrechtlich geschützter Musikwerke im Internet und auf Mobiltelefonen zu erlauben. Schon 1999 entwickelte die SIAE ihr wichtigstes Multimedia-Lizenzmodell für OnlineNutzungen, die so genannte Musikdiensteanbieter-Lizenz, mit der Nutzern wie Webradios, Wiederverkäufern von Online-Inhalten und Erstellern von Websites (natürliche oder juristische Personen), die geschützte Musik nutzen, für alle zum Repertoire der Sektion Musik der SIAE gehörenden Musikwerke einschließlich derer, die von der SIAE auf der Grundlage von Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit ausländischen Verwertungsgesellschaften verwaltet werden, die Upload-, Streaming- (Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit) und Download-Rechte eingeräumt werden. Die SIAE stellt klar, dass diese umfassende Lizenz, die nur für das italienische Hoheitsgebiet und nur für ein Jahr (mit der Möglichkeit der automatischen Verlängerung) gilt, nicht die Nutzung von Tonaufzeichnungen erlaubt, für die Leistungsschutzrechte (Schutzrechte von Produzenten, ausübenden Künstlern und Sendeanstalten) bestehen und für deren Nutzung die WebsiteBetreiber die ausdrückliche Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers einholen müssen. Im Rahmen der Regelung für Musikdiensteanbieter müssen die Nutzer in Abhängigkeit vom Geschäftsmodell des Lizenznehmers eine Nutzungsgebühr von 8 % auf den Einzelhandelspreis der verkauften Werke oder auf die Werbeeinnahmen der Website zahlen. Weitere Kriterien der SIAE für die Festlegung der Nutzungsgebühren in diesem Lizenzierungsbereich sind Mindestgebühren (sogenannte Minima) für jedes gestreamte oder heruntergeladene Werk sowie, für den Fall, dass geschützte Werke für die Endnutzer kostenfrei übertragen werden, spezielle Entgeltbeträge, die im Verhältnis zu den Sponsoring- und Werbeerträgen oder sonstigen Arten wirtschaftlichen Gewinns des Website-Betreibers berechnet werden. Die vorstehend beschriebene wichtigste Multimedia-Lizenz umfasst Nutzungsrechte, die im Rahmen enger gefasster separater Lizenzverträge mit Nutzern, die sowohl nicht interaktive 140

Siehe Artikel 20 der SIAE-Satzung.

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PE 419.110

Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________ als auch interaktive Webdienste wie Hörfunk- und TV-Webcasting, Podcasting, Musikuntermalung, web-basierte Werbespots usw. anbieten möchten, gewährt werden. Was speziell die Urheberrechtsabklärung für das Simulcasting anbelangt, so ist zu beachten, dass Tätigkeiten dieser Art für das italienische Staatsgebiet durch Erweiterung der Lizenzverträge lizenziert werden, die von der SIAE-Sektion Rundfunk mit Hörfunk- und Fernsehanstalten abgeschlossen werden, die ihre Programme parallel zur analogen Verbreitung über öffentliche Frequenzen, Kabel und Satellit digital über das Internet verbreiten möchten. Eine weitere Art von Lizenzmodellen wurde von der SIAE für Nutzungen von Musikwerken auf Mobiltelefonen („Musik auf Mobiltelefonen“) entwickelt. Mit dem einen dieser Modelle genehmigt die SIAE die technische Anpassung, das Hochladen, die Wiedergabe und das Herunterladen von Musikwerken aus dem Repertoire ihrer Sektion Musik zur Verwendung als Klingeltöne für Mobiltelefone. Die SIAE macht deutlich, dass mit dieser Lizenz nicht die Leistungsschutzrechte abdeckt sind, die an den für die Produktion der Klingeltöne verwendeten Originalaufzeichnungen bestehen und für die der Nutzer eine ausdrückliche Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers benötigt. Bei dieser Lizenz, die nur für das italienische Hoheitsgebiet gilt, belaufen sich die Nutzungsgebühren auf 12 % des Einzelhandelspreises des Werks, jedoch mindestens 0,10 Cent je Werk. Zu ähnlichen Bedingungen vergibt die SIAE eine weitere Lizenz für das Herunterladen sogenannter Full Tracks (Musiktitel und Videoclips) auf Handys, bei der für jeden Musiktitel eine Gebühr von 8 % des Einzelhandelspreises fällig wird (in der selben Weise wie bei Musikwerken, die über das Internet heruntergeladen werden). Den erhaltenen Informationen zufolge vergibt die SIAE ihre Lizenzen für die Nutzung von Tracks und von Klingeltönen anscheinend sowohl an Intermediäre wie die Musikanbieter DADA und BUONBIORNO als auch an italienische Mobilfunkbetreiber (TIM, VODAFONE, WIND und H3G). Die SIAE betonte, dass sie trotz der großen Auswirkungen, die die Empfehlung der Kommission von 2005 und ihre CISAC-Entscheidung von 2008 auf die Lizenzierungstätigkeit gehabt habe, weiterhin digitale Lizenzen auf der Grundlage der vorstehend beschriebenen Modelle vergebe. Nach dem Dafürhalten der SIAE bestand die offenkundigste und unmittelbarste Folge der Empfehlung für die digitale Lizenzierungstätigkeit der SIAE darin, dass sie durch den Rückzug der großen Musikverlage, darunter EMI Music Publishing, SONY/BMG Music Publishing, UNIVERSAL Music Group und Peer Music, schrittweise die wirtschaftlich wichtigen Wahrnehmungsaufträge im Online- und Mobiltelefonbereich verloren habe. Diese Verlage hätten das in der Satzung der Gesellschaft verankerte Recht genutzt, die SIAE von der Wahrnehmung der Rechte der Online- und Mobilfunknutzung auf italienischem Staatsgebiet auszunehmen, und diese gemäß einem der wichtigsten Grundsätze der Kommissionsempfehlung einer Verwertungsgesellschaft ihrer Wahl anvertraut, die sie für diese Nutzungsrechte auf gesamteuropäischer Ebene vertrete. Der Rückzug der „Majors“ hatte erkennbare Folgen. Zunächst führte er zu Unsicherheit bezüglich des Repertoires, für das die SIAE Online-Verwertungslizenzen vergeben darf, und warf verschiedene technische Fragen auf, die bisher noch nicht geklärt sind. Dazu gehört, dass die SIAE nicht in der Lage ist, automatische Methoden der Werkidentifizierung anzuwenden, um die Werke, die die Gesellschaft für die Online-Nutzung und die Mobilfunknutzung verwalten darf, von denen zu unterscheiden, die nicht unter ihr Wahrnehmungsmandat fallen. Zweitens ist es wegen der genannten Unklarheiten für die großen Nutzer (z. B. „iTunes“), nicht mehr so interessant, mit der SIAE einen Lizenzvertrag über die digitale Verwertung

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

__________________________________________________________________________________________ des von ihr verwalteten kleinen einheimischen Repertoires abzuschließen. Während früher ein einziger Vertrag ausgereicht hat, um Zugang zum weltweiten Repertoire zu erhalten und es in Italien nutzen zu können, müssen die Nutzer dafür jetzt mehrere repertoirespezifische Verträge abschließen. Durch dieses neue Szenario wird die Position der Inhaber der Rechte für das italienische Musikrepertoire, die schon dadurch im Nachteil sind, weil der Wert dieses Repertoires viel kleiner ist als der des dominierenden angloamerikanischen Repertoires, weiter geschwächt. Die großen Nutzer, die sich umfassende, das italienische Staatsgebiet abdeckende Online-Verwertungslizenzen wünschen, werden dadurch dazu ermutigt, mit den Unternehmen zu verhandeln, die die erfolgreichen Repertoires der großen Musikverlage verwalten, statt kosten- und zeitaufwändige Verhandlungen mit Unternehmen zu führen, die kleinere Repertoires wie das der SIAE verwalten. EU-weite Maßnahmen zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt im Musiksektor sollten dieser schwierigen Situation Rechnung tragen. Was schließlich die CISAC-Entscheidung der Kommission von 2008 anbelangt, so bestand ihre unmittelbarste Folge für die digitale Lizenzierungstätigkeit der SIAE in der Schaffung des Gemeinschaftsunternehmens ARMONIA durch die SIAE und die Verwertungsgesellschaften SACEM (Frankreich) und SGAE (Spanien). Die Kommissionsentscheidung verpflichtete die SIAE, ihre Gegenseitigkeitsvereinbarungen neu auszuhandeln, um diejenigen der Bestimmungen zu streichen, die der Analyse der Kommission zufolge zu abgestimmten und wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und letztendlich zur Aufteilung des Gebiets der Europäischen Union in starr voneinander abgegrenzte nationale Märkte führten. Insbesondere zwang die Entscheidung Verwertungsgesellschaften wie die SIAE zur Aufhebung von Bestimmungen, die sie daran hinderten, für ihre Repertoires multiterritoriale Lizenzen für die Nutzungsbereiche Satellit, Kabel und Internet zu vergeben und für diese Nutzungen Wahrnehmungsmandate von Rechteinhabern anzunehmen, die zu einer anderen Gesellschaft gehören oder in einem anderen Land ansässig sind. Wie in Kapitel 2 erläutert wurde, entschied sich die SIAE, um auf den Abzug der Mandate der großen Verlage zu reagieren und gleichzeitig die Anforderungen der CISAC zu erfüllen, für ein autorenbasiertes Model der multiterritorialen Lizenzierung, indem sie ARMONIA die Befugnis erteilte, EU-weite Lizenzen für die Onlineund Mobiltelefonnutzung von Musikwerken zu vergeben, die ihr gesamtes Repertoire zuzüglich der ursprünglich von der SACEM und der SGAE verwalteten Repertoires abdecken. Dieses Lizenzierungsmodell ist das Gegenteil des verlegerbasierten Modells, dem sich die anderen Verwertungsgesellschaften und die Verlage anschlossen, indem sie Unternehmen wie CELAS gründeten (siehe Kapitel 2), die multiterritoriale Lizenzen für das Repertoire eines einzelnen Verlegers vergeben. ARMONIA wurde im Gegensatz zu den auf den Verlagsportfolios basierenden Lizenzierungsmodellen geschaffen, um die EU-weite digitale Lizenzierung aller nationalen Musikrepertoires, zu deren Verwaltung das Unternehmen befugt ist, einfacher, effizienter und rentabler zu gestalten. Bislang bemühte sich ARMONIA um den Ausbau der Beziehungen mit wichtigen Nutzern urheberrechtlich geschützter Werke (wie dem Mobiltelefonhersteller NOKIA, der erst unlängst das Programm „Nokia comes with music“, eingeführt hat, das Handybesitzern über ihr Gerät während einer bestimmten Zeitdauer unbeschränkt Zugang zum ARMONIARepertoire gewährt) und mit den Eigentümern wichtiger Musikbibliotheken (wie der Universal Music Group, die einem Unternehmen der SACEM ein ausschließliches Mandat für die EU-weite Lizenzierung digitaler Nutzungsrechte erteilt hat).

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

__________________________________________________________________________________________

Wichtigste Ergebnisse •

Italien belegte 2007 bei den physischen Verkäufen weltweit Platz 8, bei den digitalen Verkäufen Platz 10 und bei den Einnahmen aus den Aufführungsrechten Platz 8. Im selben Jahr betrugen die Handelseinnahmen der Branche auf dem italienischen Musikmarkt insgesamt 266 Millionen EUR. Dabei machten die physischen Tonträger 87 %, die digitalen Verkäufe 7 % und die Aufführungsrechte 6 % des Gesamtumsatzes aus. Die physischen Verkäufe gingen zwischen 2005 und 2007 um 30 % zurück. Dagegen nahmen die digitalen Musikverkäufe 2006 um 51,2 % zu und blieben 2007 stabil, aber ihr Anteil ist nach wie vor gering (2007 machten die digitalen Verkäufe 7,2 % des Musikumsatzes insgesamt aus). Der digitale Musikmarkt kann deshalb noch nicht als entwickelter Markt betrachtet werden.



Die in Italien ausgeschütteten Einnahmen aus dem einheimischen Repertoire erhöhten sich zwischen 2001 und 2007 um 26,7 %. Das ausländische Aufkommen an Nutzungsgebühren verringerte sich im Zeitraum 2001-2008 (-16,3 %) wegen der stark rückläufigen Entwicklung der Gebühren, die von den Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs (-29,4 %), der USA (-22,6 %) und der Drittländer (-20,1 %) für die Nutzung des italienischen Musikrepertoires im Ausland gezahlt wurden. Selbst die Einnahmen aus den EULändern sanken im untersuchten Zeitraum um 14,2 %. Die Verwertungsgesellschaften der EU (ohne das Vereinigte Königreich) machen den größten Anteil an den Einnahmen aus dem einheimischen Repertoire aus; im Jahr 2008 entfielen auf diese Einnahmen 68,2 % des im Ausland für das italienische Repertoire erzielten Betrags. Im selben Jahr machten die von den Verwertungsgesellschaften der USA und der Drittländer abgeführten Beträge 8,8 % bzw. 17,8 % aus.



Unter den beliebtesten ausländischen Repertoires dominiert klar das angloamerikanische Repertoire, das 67,1 % des Gesamtbetrags an Nutzungsgebühren ausmacht, der 2008 von der SIAE verteilt wurde; es folgt das Repertoire „Europa ohne Vereinigtes Königreich“ (23,3 %). Den Daten ist ferner zu entnehmen, dass das Repertoire des Vereinigten Königreichs und der USA in Italien weiterhin wächst (+85,8 % bzw. +59,8 % im Zeitraum 2001-2008), während das kombinierte Repertoire der EU-Mitgliedstaaten (ohne Vereinigtes Königreichs) um 33,7 % zunahm (wird das Repertoire des Vereinigten Königreichs mit berücksichtigt, so sind es +51,1 %). Die Handelsströme zwischen dem einheimischen und den ausländischen Repertoires zeigen, dass die SIAE für ihr Repertoire im Jahr 2008 a) von den Verwertungsgesellschaften des Vereinigten Königreichs und der USA , b) von den Verwertungsgesellschaften der EU (ohne das Vereinigte Königreich) und c) von den Verwertungsgesellschaften der Drittländer 13,5 %, 123,5 % bzw. 7,3 % der an diese für deren Repertoires gezahlten Nutzungsgebühren erhielt.



Obwohl die italienische Gesetzgebung die SIAE nicht zur Verfolgung kultur- und sozialpolitischer Ziele verpflichtet, stiegen die Gesamtausgaben der SIAE für kulturelle und soziale Maßnahmen zugunsten der SIAE-Mitglieder im Zeitraum 2001-2008 um 41,3 % und machten 3,34 bis 5,73 % ihrer Nettoeinnahmen aus. Wenn auch noch nicht klar ist, welche Auswirkungen die Kommissionsempfehlung von 2005 auf die Verfolgung dieser Ziele hatte, spricht die erhebliche Zunahme in den letzten Jahren dafür, dass das Transparenzerfordernis der Empfehlung zu keiner Absenkung der Höhe der für diesen Bereich bereitgestellten Finanzmittel geführt hat.

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Fachabteilung B: Struktur- und Kohäsionspolitik

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Was schließlich die digitale Lizenzierung anbelangt, so haben alle Standardlizenzmodelle, die die SIAE für die Nutzung ihres Musikrepertoires im Internet und bei Mobiltelefonen entwickelt hat, eine Dauer von einem Jahr (mit der Möglichkeit der Vertragsverlängerung) und erlauben die Nutzung des italienischen Repertoires sowie der Repertoires der ausländischen Verwertungsgesellschaften, die Gegenseitigkeitsvereinbarungen mit der SIAE abgeschlossen haben, nur auf dem italienischen Hoheitsgebiet. Allerdings hat die digitale Lizenzierungstätigkeit der SIAE in den letzten Jahren aufgrund der Kommissionsempfehlung von 2005 und der CISAC-Entscheidung von 2008 Änderungen erheblichen Ausmaßes erfahren. So hat einerseits der allmähliche Abzug der Repertoires der großen Verlage bei der digitalen Nutzung zu Rechtsunsicherheit geführt, was die Repertoires anbelangt, die von der SIAE in diesem Nutzungsbereich verwaltet werden, und zugleich verschiedene technische Probleme zum Vorschein gebracht, darunter bezüglich der Verfahren zur Werkidentifizierung und Einziehung der Nutzungsgebühren, Probleme, die bislang noch nicht gelöst sind. Angesichts des geringen Anteils der digitalen Musikverkäufe ist noch immer unklar, wie sich die die Herausnahme von Repertoires auf den italienischen Musikmarkt auswirken. Unter wirtschaftlichem Gesichtspunkt ist jedoch klar, dass die rechtliche Notwendigkeit, für die digitalen Nutzungen mehrere Lizenzen zu erwerben, um Zugang zu den großen und erfolgreichen Repertoires zu erhalten, den großen Nutzern den Anreiz nimmt, auch noch mit der SIAE Lizenzverträge für deren kleineres einheimisches Repertoire abzuschließen. Andererseits wurde mit der Schaffung des Gemeinschaftsunternehmens ARMONIA zusammen mit den Verwertungsgesellschaften SACEM (Frankreich) und SGAE (Spanien) – als Folge der von der Kommission in ihrer CISAC-Entscheidung verlangten Änderung der Gegenseitigkeitsvereinbarungen – das Ziel verfolgt, die EU-weite digitale Lizenzierung aller von diesem neuen Unternehmen verwalteten nationalen Musikrepertoires einfacher, effizienter und rentabler zu gestalten.

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Verwertungsgesellschaften und kulturelle Vielfalt in der Musikbranche

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3.4. Spanien Anmerkung zur spanischen Fallstudie Die spanische Verwertungsgesellschaft für Autoren, Komponisten und Musikverlage (SGAE) leistete von Anfang an Zuarbeit zu dieser Studie und stellte die Informationen zur Verfügung, auf denen die folgenden Abschnitte (und Kapitel 2) beruhen. Allerdings übermittelte die SGAE keine der erbetenen quantitativen Daten. Daher ist es im Falle Spaniens nicht möglich, den Wert der verschiedenen Arten von Repertoires (d. h. einheimisches, europäisches, angloamerikanisches und internationales Repertoire) zu beziffern und den Umfang der innergemeinschaftlichen und internationalen Handelsströme im Musikgeschäft einzuschätzen. Daher kommen diese Fragen im folgenden Teil nicht zur Sprache.

3.4.1. Hauptmerkmale des spanischen Musikmarktes Der IFPI zufolge rangierte der spanische Musikmarkt im Jahr 2007 bei den physischen Verkäufen weltweit auf Platz 9, bei den digitalen Verkäufen auf Platz 11 und bei den Einnahmen aus Aufführungsrechten auf Platz 6.141 Im selben Jahr beliefen sich die Handelseinnahmen des spanischen Musikmarktes auf insgesamt 223 Mio. EUR.142 Davon entfielen 83 % auf physische Verkäufe, 8 % auf digitale Verkäufe und 6 % auf Aufführungsrechte. Bei den digitalen Verkäufen stellten sich die Anteile wie folgt dar: 37 % Mastertones, 22 % Einzeltitel für Mobiltelefon, 7 % Online-Einzeltitel, 7% Online-Alben, 6 % Freizeichentöne, 5 % Musikvideos und 16 % sonstige Formate.143 Wie aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich, gingen die physischen Verkäufe von Musikaufnahmen seit 2004 um 40 % zurück. Im digitalen Sektor stiegen die Einnahmen zwar im Zeitraum 2004-2007 größtenteils an, aber keineswegs so stark, dass damit der Einbruch bei den physischen Verkäufen kompensiert wurde. Auch die Einnahmen aus Aufführungsrechten entwickelten sich positiv. Dennoch blieben die Gesamterlöse aus Musikaufnahmen 2007 unter dem Stand von 2004. Tabelle 3.17. IFPI, Musikindustrie in Zahlen, 2008 Verkauf von Musikaufnahmen (in Mio. USD)

2004

2005

2006

2007

Physisch

423,7

399,7

339,6

252,4

Digital

2,2

4,5

18,6

25

Online

7%

24 %

17 %

18 %

Mobil

93 %

76 %

80 %

71 %

Abonnements

-

-

-

-

Aufführungsrechte

-

-

23,3

28,1

141 142

143

IFPI, Recording industry in numbers 2008, S. 40. In den Jahresberichten von Promusicae, der spanischen Vereinigung von Tonträgerherstellern, werden für 2007 Umsätze von 284 Mio. EUR und für 2008 von 254 Mio. EUR angegeben, wobei physische, mobile und Online-Verkäufe eingeschlossen sind. Zu Promusicae siehe http://promusicae.es/english.html. „Sonstige“: Musikstreams und andere nicht näher bezeichnete digitale Anwendungen.

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__________________________________________________________________________________________ Der digitale Markt wies zwischen 2005 und 2006 ein kräftiges Wachstum auf (+310 %), das sich dann aber verlangsamte (+36 % im Jahr 2007144). Die Präferenzen der Verbraucher gehen in Richtung digitale Musik für Mobiltelefone; ein Trend, der sich im Laufe der Jahre anscheinend gefestigt hat. Bei den Albumverkäufen insgesamt erreichte die nationale Musik einen Anteil von 58 %, während auf ausländische Musik 41 % und auf klassische Musik 1 % entfielen.145 Im Großen und Ganzen rangieren das spanischsprachige und das lateinamerikanische Repertoire in der Gunst der Verbraucher höher als die Repertoires in den anderen Sprachen einschließlich Englisch. Die bedeutendsten Tonträgerunternehmen in Spanien sind multinational und halten gemeinsam einen Marktanteil von über 90 %. Tabelle 3.18. Die bedeutendsten Tonträgerhersteller in Spanien146 2008

Physischer Markt (gesamt)

Digitaler Markt (gesamt)

Digitaler Markt

Digitaler Markt

Internet

Mobil

Sony BMG

29 %

35 %

28 %

39 %

Universal Music

31 %

35 %

41 %

32 %

EMI Music

12 %

13 %

16 %

11 %

Warner

19 %

12 %

12 %

13 %

Blanco y Negro [1]

3%

4%

2%

5%

Sonstige [2]

6%

1%

0,99 %