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VORWORT

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Liebe Leser Bei mir ist das so: Küche und Keller, die reich gedeckte Tafel, ein Besuch beim Winzer im Weinberg oder beim Schnapsbauern im Tenn, wo der Brennhafen steht, sind mir lebenswichtig. Das Gespräch mit Köchen und Weinfachleuten interessiert mich allemal so heftig wie das Fischen mit der Fliege und die Jagd auf Hirsch oder Schnepfen. Dann ist da noch die Botanik der Gemüse, Kräuter und Gewürze in meinem Park in Irland; und manch andere Tätigkeiten in freier Natur, von denen mir das Pilzesuchen eine der liebsten ist. Von der klassischen Musik und den Rhododendron, die ich über alles liebe, einmal abgesehen, hängt mein Dasein eng damit zusammen, dass ich täglich Durst und Hunger habe, und ich diese Lust nur ungern en passant befriedige. Vermutlich geht es Ihnen nicht anders. Ich will Ihnen in diesem Buch deshalb erzählen, wie ich die Not zur Tugend mache. Ich betrachte das Kochen, das Essen und Trinken, ja sogar das Einkaufen nicht als notwendiges Übel, sondern als eine schöne, ja wunderschöne und manchmal allerschönste Beschäftigung. Spötter mögen lächeln und sagen: «Kein Wunder, jetzt, wo er die 60 überschritten hat.» Kein Problem, der Leser ist in seiner Interpretation genau so frei wie ich beim Schreiben. Eines aber dürfen Sie mir wirklich glauben: Nirgends sonst als in der Küche lässt sich schöner philosophieren, mit scharfem Messer in der Hand, das Rüstbrett mit Gemüse vor sich. Und wer sagt denn, dass daneben nicht ein Gläsli mit kühlem Weissem stehen darf und gute Musik im Raum dazu? Gutes Essen, heisst es, sei der Sex des Alters. Ein Buch über besseren Sex zu schreiben, will ich mir nicht anmassen. Eines über besseres Essen und

den Wein dabei traue ich mir zu. Keines, das dem Leser die Schamröte ins Gesicht treibt, weil er dem Meister am Herd – und oft auch in Gedanken – zu folgen nicht vermag. Sondern eines, das aus Normalbegabten gute Köche machen wird. Ein Buch, das zur sicheren Unterscheidung zwischen echten Hauben-Göttern und kulinarischen Scharlatanen befähigt, zwischen guten und sehr guten, aber auch schlechten Weinen. Und das – vor allem – Zutrauen schafft zum allein entscheidenden Wert des eigenen Urteils. Über Geschmack lässt sich schliesslich streiten. Aber wir sollten uns deswegen den eigenen nicht vorschreiben lassen. Das bedeutet nicht, dass höhere Einsicht und besseres Wissen unerwünscht wären. Gerne akzeptiert der Mensch, was wohl ihm tut. Gar ungern trägt er doch – zumal wenn Schweizer – das Joch der Sklaverei. Womit mir ein gewisses Urmisstrauen gegen Küchen-Päpste nachgesehen werden mag. Wie oft schon stand selbst der HRH ratlos vor deren Kochanweisungen, nicht selten, weil bereits der Material-Einkauf zu babylonischen Sprachverwirrungen führen kann. Deshalb finden Sie in diesem Buch zum Beispiel hilfreiche Tabellen, welche die eindeutige Zuordnung diverser Leckerbissen und auch gewöhnlicher Zutaten zum jeweiligen Wortschatz europäischer Muttersprachen erleichtern. Und zudem, lieber Freund der guten Küche, habe ich mir auch erlaubt, gewisse Rezepte der grössten Köche dieser Welt auf einen Nenner zu bringen. Auf den, der es auch dem wenig geübten Hobbykoch (und natürlich der Hobbyköchin) erlaubt, «Scampi an einer Pastisrahmsauce»

nachzukochen. Mein erstes Anliegen ist nämlich, dass Sie, nebst Spass beim Lesen, den Wunsch verspüren, die Rezepturen all dieser herrlichen Gerichte auch in die Praxis umzusetzen. Und auch, dass Sie in Zukunft mit (mehr) Freude am Herd stehen. Und sich auch nicht entmutigen lassen, wenn einmal etwas daneben geht; dass solches auch dem Routinier passiert, können Sie in diesem Buch ebenso lesen. Das persönliche Gaumenerlebnis lohnt jede Mühe alleweil, aber vor allem auch der Anblick zufriedener Gesichter an der Tafel, wenn ein gut gelungenes Gericht aufgetragen ist und seinen feinen Duft verbreitet. Ein veritables Suppenhuhn zum Beispiel, oder, als krasser Gegensatz dazu, ein Tournedos Rossini. Die Bandbreite guter Speis´ ist unendlich weit. Nutzen Sie den Spielraum. Nur wenige Küchenfragen sind für mich indiskutabel. Ein hart gebratener Fisch oder ein Steak mit der Konsistenz einer Ledersohle sind und bleiben für mich ungeniessbar. Darum weise ich darauf immer wieder ganz besonders hin; Wiederholungen sind zumindest in diesem Fall volle Absicht. Nebst der Sorgfalt beim Einkauf sind die Zubereitungsart und die Kochzeit die absolute Basis der guten Küche. Das perfekte Würzen und die sorgfältige Präsentation folgen in zweiter Linie, runden aber Ihre Bemühungen ab und können das Ergebnis zum Spitzengericht geraten lassen. Ich wünsche allen Lesern die Freude und die Erfüllung, welche ich persönlich bei allen Arbeiten rund um Küche und Keller geniesse; also auch mit diesem Buch. Von Herzen gönne ich Ihnen Tafelfreuden, wie ich sie fast täglich erlebe. Und auch das Glück, an Tisch und Herd

erworbene Weisheit an unsere Kinder weiter zu geben. Gutes Essen gehört zur Kultur, die über Generationen wächst, vom Feuer der Begeisterung getragen. Möge dieser Funken überspringen; nicht «leise köchelnd», sondern ausnahmsweise auf voller Flamme.

P.S. Typisch HRH, dass ein Buch nicht reicht, um alles zu erzählen, was mir zum Thema Kochen und Geniessen einfällt. Ein zweiter Band ist schon in Vorbereitung. Dort erfahren Sie, was ich in Sachen Tafelfreuden auf meinen vielen Reisen als Fliegenfischer und Jäger rund um die Welt genossen und manchmal auch erlitten habe. Streifzüge durch die Küchen in Italien, Frankreich und der Schweiz, aber auch in Patagonien, Alaska oder Kanada und vielen anderen Ländern. Wo immer auch habe ich die besten Rezepte zusammengetragen. So finden Sie das ultimative Rösti-Rezept genauso wie die Anleitung, um draussen in der Wildnis ein Trapper-Brot zu backen. Lesen Sie alles über meine kulinarische Traumwoche mit Rosa Tschudi in Irland. Oder darüber, warum erwachsene Jäger beim Anblick von ein paar Vogelknöchlein in Tränen ausbrachen, und viele andere Geschichten von Jägern und Fischern. Oder das Geheimnis, wie Sie in Norwegen die besten Stücke vom Rind günstiger einkaufen als irgendwo sonst in Europa. Allein damit macht sich auch der zweite Band von selbst bezahlt. Und die vielen Sachen zum Schmunzeln und zum Lachen bekommen Sie gratis oben drauf. Wie den randvoll eingeschenkten Grappa beim Dorf-Wirt in der Emiglia.

GELEITWORT ROSA TSCHUDI

Gewidmet

Bacchus&Lucullus

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Lieber Hans-Ruedi Auf dieses Buch haben wir alle voller Sehnsucht gewartet. Ganz herzliche Gratulation! Das Buch wurde mit viel Liebe und Kreativität geschrieben – denn Hans-Ruedi ist nicht nur Weltmeister im Fliegenfischen, sondern auch ein grosser Künstler im Kochen und ein grosser Weinfachmann, sagen wir ehrlich, ein kulinarischer Weltmeister. Ich durfte öfter mit ihm kochen, das war immer ein Erlebnis und eine Liebeserklärung an unser Handwerk, das oft Knochenarbeit ist, die man aber vergisst, wenn man mit frohen und dankbaren Freunden zusammen kocht und anschliessend am Tisch sitzt. Das Einkaufen mit Hans-Ruedi ist ein besonderer Genuss – auch das durfte ich öfter erleben. Hier in der Schweiz auf seinem Örliker-Markt, aber auch im Elsass, in Mülhausen, wo wir uns nebst Gänseleber, Froschschenkeln und feinsten Käsen auch noch mit Landenten eindeckten – und darüber hinaus konnte er dem marmorierten Dreikilo-Kotelett von einem jungen Rind nicht widerstehen. Seine einfache Begründung war: «Dann machen wir halt zwei Hauptgänge». Wundert es, dass das neungängige Menu mit neun Freunden auch neun Stunden dauerte, von mittags bis spät nächtens? Nie vergessen werde ich unsere MeeresfrüchteEinkaufstour in Irland, wo wir in Connemara seinen Fischerfreund aufsuchten. Der war mit seinem Boot noch auf dem Meer. Als er hereinkam, war der Einkauf schnell geschehen. Wir kehrten mit fünf Kilo KönigskrabbenScheren und sechzehn Hummer zurück. Typisch Hans-Ruedi. Auf meine schüchterne Bemerkung, dass die Verarbeitung sehr viel

Arbeit geben würde, meinte er, dass er genug Weissen im Keller hätte. Kürzlich hat mich Hans-Ruedi zu Hause bei seiner lieben Heidi zum Osteressen eingeladen, welch ein Genuss. Ein typisches leichtes, elegantes Essen mit allen Köstlichkeiten, die der Frühling zu bieten hat. Die Kräuter, den Löwenzahn, den Bärlauch und sogar einige Morcheln hat er selbst gesucht (und diese mit einer Geflügelmousse gefüllt), und für alle gab es eine frisch gefangene Bachforelle. Eine einzige Liebeserklärung an den Frühling. Lieber Hans-Ruedi, mach weiter so, Du hast so viele Fans, die Dich und Dein Können respektieren. Für mich bist Du der Grösste. Deine Rosa Tschudi

KOCHEN

Noch ein

Kochbuch

?

Ist noch ein Kochbuch wirklich überflüssig? Gibt es denn noch etwas zum Thema, worüber nicht schon alles ein- und mehrmals niedergeschrieben wurde? Ja! Gerade weil ich kein Profi-Koch bin, sage ich Ihnen vieles über wesentliche Dinge, von denen der Sternekoch glaubt, dass Sie das ohnehin schon wüssten. Dieses Buch soll zwar in erster Linie der Unterhaltung auf dem Felde von Küche und Keller dienen. Ich will Ihnen aber auch Einblick geben in die wunderbar nahrhafte und spannende Welt des guten Geschmacks. Alles aus Sicht eines leidenschaftlichen Hobbykochs und Wein-Liebhabers, der für sich in Anspruch nimmt, ein Gourmet zu sein, weil er zu Hause seit über vierzig Jahren täglich mit Freude am Herd steht. Und für den es Meditation ist, das Gemüse zu rüsten. Als Fliegenfischer habe ich die halbe Welt bereist und bin da und dort erstklassig bekocht worden. Es ist ja erstaunlich, welch grosse Unterschiede in Sachen Ess- und Kochkultur auf unserem Planeten herrschen. Auch davon will ich Euch erzählen. Aber dazu braucht es ein weiteres Buch, wie dieses mit vielen Rezepten, aber auch mit genüsslichen Streifzügen durch die Küchen Italiens und Frankreichs. Namhaften und namenlosen Köchen und Köchinnen in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich habe ich über die Schulter geschaut und auch in Übersee einige kulinarische Abenteuer bestanden. Sogar in Irland und England gelang mir die Suche nach der feinen Küche am Rande meiner Reisen als Jäger und Fischer binnen über 40 Jahren. Sie müssen also nur noch Platz nehmen an einer reichlich gedeckten Tafel und geniessen.

Das ist kein Kunstbuch, sondern ein Sachbuch, und Sie sollten es auch so lesen und gebrauchen. Wenn Sie etwas Spezielles interessiert, dann versehen Sie die Seite mit einem farbigen Selbstkleber oder bringen eine Bleistiftnotiz an. Verwenden Sie ruhig auch farbige Filzstifte, um Textstellen zu markieren, die Ihnen wichtig sind. Meine Koch-, Wein- und Botanikbücher sind voll von solchen Markierungen. So finde ich das Gesuchte zügig wieder.

Rezepte persönlich interpretieren Eines meiner Hauptanliegen beim Schreiben dieses Buches ist, in Ihnen nicht nur die Freude am Kochen zu erwecken (oder wieder zu erwecken?). Das bedeutet auch, dass ich Ihnen ausschliesslich Rezepte präsentiere, die auch in einer normalen Haushaltsküche gelingen. Einige Rezepturen grosser Köche habe ich mir erlaubt, so zu stauchen, dass das Resultat immer noch sehr gut, aber eben auch nachvollziehbar ist, was den handwerklichen und den zeitlichen Aufwand betrifft. Was nützt es mir und Ihnen, wenn ich das zweiseitige Originalrezept der Scampi an Pernodrahmsauce vom grossen Chez präsentiere? Es geht Ihnen wie mir, ich lese es und sage mir: «Das mach ich dann mal, wenn ich viel Zeit habe». Kurz, ich koche es nie nach. Was ja de facto bedeutet, dass sowohl meine Schreiberei als auch Ihre Leserei für die Füchse wären, und das wollen wir doch beide nicht. Seien Sie doch auch frei in Ihren Gedanken und betrachten die Rezepte nicht als Gesetze. Wenn Sie Pernod nicht mögen, dafür Calvados umso mehr, dann kochen Sie doch ganz einfach Scampi an Calvadosrahmsauce. Wenn Sie keine Scampi haben und auch den Calvados nicht mögen, dann kochen Sie halt zur Abwechslung einmal Dorsch mit einer Noilly PratRahmsauce. Und wenn Sie meinen, dass Rahm dick macht, dann lassen Sie ihn doch einfach weg. Aber eben, dann nicht später vor dem Fernseher noch einen Sack Pommes Chips futtern, da wären die Kalorien für den Rahm in der Sauce besser investiert. Auf einen Nenner gebracht, interpretieren Sie alle Rezepturen grundsätzlich mit freiem Geist. Essen als Quelle der Lust Keine Generation vor der unseren hatte derart fantastische Möglichkeiten, die Nahrungsaufnahme als Quelle der Lust zu gestalten. Die Geschäfte sind voll mit Zutaten, aus aller Welt und rund ums Jahr. Kulinarische Weltreisen sind erschwinglicher geworden. Für jene, die nicht Hunger leiden, besteht die Gefahr, dass das «tägliche Brot» im allgegenwärtigen Überfluss seinen wahren Sinn verliert. Die Freude am Einfachen bleibt immer öfter auf der Strecke; und auch die Freude am Kochen selbst, obwohl es einen guten Teil der Tafelfreude ausmacht. Lust am Essen heisst für mich auch Freude an der dazu gehörigen Arbeit – vom Einkauf an frühlingsbunten MarktStänden über die Zubereitung in der Küche mit all ihren verlockenden Düften. Was entgeht den Menschen, die sich dafür die Zeit nicht mehr nehmen wollen in einem Leben zwischen

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Tiefkühler und Mikrowelle! Vorfreude, Freude an der Arbeit – und letztendlich auch die Lust an der eigenen Kreativität. Denken Sie nur, was so manches Hobby kostet, mit dem die Menschen sich die in der Küche eingesparte Zeit vertreiben. Damit liesse sich vom Feinsten einkaufen, statt vom Minderwertigen. Lust hat ein wenig mit Luxus zu tun; aber viel mehr mit dem Wissen um den Wert der Dinge. Ein ofenwarmes, knuspriges Brot von einem redlichen Bäcker und darauf nur gute Butter, das kann ein wahrer Luxus sein – sogar im Überfluss.

Essen als Quelle des Lebens Statt Ihnen nun einen Sermon über die Notwendigkeit des Essens zu halten, lese ich Ihnen lieber eine feine, passende Kirchengeschichte vor, die ich aus dem empfohlenen Buch von Josef Imbach entnahm; es ist eines der drei Bücher, die mich inspirierten, dieses Buch zu schreiben. Die Legende wird dem heiligen Franziskus zugeschrieben. Eines Nachts, während die Brüder schliefen, schrie plötzlich einer um Mitternacht: «Ich sterbe, ich sterbe». Alle erwachten erschreckt und waren verwundert. Der heilige Franz erhob sich und sagte: «Stehet auf Brüder und macht Licht!» Als es geschehen war, sagte er: «Wer hat da gerufen: Ich sterbe?» Der Betreffende meldete sich: «Ich bin es.» «Was hast du Bruder, dass Du sterben willst?» Sprach jener «Ich sterbe vor Hunger.» Da liess der heilige Franz sogleich den Tisch herrichten, und klug und liebevoll, wie er war, ass er selbst mit ihm, damit jener sich nicht zu schämen brauchte, allein zu essen. Und nach seinem Wunsche assen auch alle anderen mit. Nachdem sie gegessen hatten, sagte Franz zu diesen:

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Wärme der Küche entsteht, der kann ja mit einem kühlen Weissen bekämpft werden. Kurzum, die Welt ist in Ordnung. Besonders, wenn Friede im Haus ist und noch etwas schöne Musik im Raum erklingt.

Von der Sauberkeit Sie ist das Allerwichtigste in der Küche, darum soll das Thema auch vorne im Buch stehen. Das fängt an bei allen, die in der Küche hantieren, und hört auf bei der Sauberkeit in allen Schränken. Ein Mensch, der von draussen kommt und Speisen anrührt, ohne sich vorher die Hände zu waschen, ist ein «Seuniggel». Wer mit Teig und anderen Dingen, die mit der Hand geknetet oder gemischt werden, umgehen will, der benutzt sogar die Handbürste. Und wer die Küche auch nur für kurze Zeit verlässt, ja vielleicht sogar nur, um eine Zigarette zu rauchen, wäscht sich die Hände erneut, bevor er weiter arbeitet. Was ich von Menschen halte, die aus der Toilette kommen und anschliessend ungewaschen mit Lebensmitteln in der Küche hantieren, mag ich hier gar nicht sagen – aber wenigstens laut denken. Küchengeräte, Herd und auch der Kühlschrank sind immer blitzsauber. Das ist die allererste Voraussetzung für eine gute und auch gesunde Küche. Von der Exaktheit Von der Sorgfalt redeten wir schon, ich komme zur Exaktheit, das ist fast dasselbe, aber nicht ganz. Ich bin für absolute Exaktheit nicht der Typ, aber genau der muss man sein, um 16, 17 oder gar mehr Gault&Millau-Punkte, oder überhaupt auch nur einen Michelin Stern zu verdienen. Muss ich eine grössere Menge (das sind drei) Karotten in allerfeinste Würfelchen schneiden, dann kürze ich bei der zweiten schon das Verfahren etwas ab, und die Stücklein der dritten Karotte sind sichtbar grösser als die von der ersten. Im Gegensatz zu Rosa Tschudi, von der ich auch in dieser Beziehung viel lernte, als wir gemeinsam eine Woche lang in Irland kochten: Wenn es wirklich darauf ankommt, bin auch ich seitdem exakter. Die Exaktheit beeinflusst das Resultat. In Küchen, die höchste Kochkultur zelebrieren, wird mit der Stoppuhr gearbeitet. Soweit wollen wir nicht gehen, aber doch weit. Die Mise en place Etwas vom Wichtigsten für das Gelingen eines guten, grösseren Mahles ist die exakte Vorbereitung, Mise en place genannt. Knoblauch schälen, Petersilie hacken, eine Hühnerbouillon übertun, die Erbsen pürieren, die Safran-Sauce reduzieren, oder eine feine Kräuterbutter kneten. Einfach alle nötigen, kleinen Vorbereitungsarbeiten, die sollten getan sein, bevor man überhaupt mit dem Kochen beginnt. Auch deshalb, weil auch der Koch Freude haben soll, und nicht nur die Gäste. Je besser Sie vorbereitet sind, desto lockerer können Sie nicht nur dem Geschehen begegnen, sondern sich auch auf das Wesentliche der Kochkunst konzentrieren. Macht ja keine Freude, wenn die Zwiebeln anbrennen, weil Sie noch rasch die

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Vinaigrette machen mussten. Und wenn wir schon bei der Zwiebel sind, die dürfen Sie zwar vorher schälen, aber erst direkt vor dem Gebrauch hacken, sonst beginnt sie bald einmal zu stinken. Rosa Tschudi braucht, wenn sie in einem guten Haus für einige Zeit Gastköchin ist, zwei Tage Vorlauf für ihr Mise en place, bis alle die Fonds und vieles mehr in genügender Menge und Qualität bereit stehen. So viel Zeit haben und brauchen wir nicht. Aber trotzdem und nochmals: Gehen Sie Ihr ganzes Menü bis zum Dessert durch und machen Sie eine Liste mit all den Dingen, die Sie, vielleicht sogar schon am Tag zuvor, vorbereiten können, damit Ihr Festmahl nicht nur gelingt, sondern auch Ihnen als Koch Freude macht, weil Sie gar nicht erst in Stress-Gefahr geraten.

Garzeiten generell Verlassen Sie sich lieber auf Ihr Gefühl, als auf die in den Kochbüchern aufgeführten Kochzeiten. Erstens sind die Backöfen sehr verschieden und 200 Grad ist nicht in jedem Ofen dasselbe. Zweitens kommt es auch darauf an, wie lang der Ofen vorgewärmt wurde, und weiter ist die Tendenz klar erkennbar, dass eher zu lange als zu kurze Bratzeiten angegeben werden. Dann gibt es auch noch den Druckfehlerteufel. Las ich doch in einem neuen, guten Kochbuch, dass man einen Kartoffelgratin mit einem Kilo Kartoffeln eineinhalb bis zwei Stunden im Ofen bei einer Temperatur von 200 Grad zubereiten soll. Dann ist’s mit Käse überbackener Kartoffelstock, aber kein Gratin mehr. Wenn Sie etwas aus dem Ofen oder

Die Ofentemperaturen Ich mache nochmals darauf aufmerksam, dass die Temperaturen vieler Backöfen nicht mit dem angezeigten Wert übereinstimmen. Sie müssen die richtige Justierung Ihres Ofens selber herausfinden; und so kann es sein, dass Sie bei Ihrem Herd immer 20, 30 oder gar mehr Grade zugeben oder reduzieren müssen. Hier eine Liste der gängigen Umrechnung, auch in Fahrenheit, wer weiss, vielleicht kommt Ihnen ja sogar einmal ein amerikanisches Kochbuch in die Hände.

°Celsius 110 130 140 150 170 180 190 200 220 230 240

°Fahrenheit 225 250 275 300 325 350 375 400 425 450 475

Gasofen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

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aus der Pfanne nehmen, was zu kurz gebraten wurde, lässt sich das doch korrigieren. Sie legen das Bratgut halt einfach nochmals zurück. Ist es zu lange gegart und trocken, lässt sich nichts mehr retten. Ein Fisch muss halt einfach am Grat noch ganz leicht glasig sein. Was hat man mir doch schon die schönsten Dover Soles (Seezunge) oder Turbotins (Steinbutt) durchgegart, dass ich hätte weinen mögen. Die Steaks können Sie ruhig nach Ihrer Façon braten, aber die Fleischstücke haben unisono eine niedrigere Idealtemperatur, als selbst auf den Küchen-Thermometern angegeben. Und nicht vergessen, ein grosses Stück Fleisch, und auch ein Steak, muss einfach noch eine bis einige Minuten ruhen, es gart doch von der viel höheren Temperatur an den Oberflächen noch nach. Dieses Rastenlassen ist etwas vom Wichtigsten bei der Fleischzubereitung. Dabei zieht das Fleisch den Saft wieder ein, welcher ausläuft, wenn Sie ihm keine Ruhe nach dem Braten gönnen. Zarter Lammrücken oder gut gelagertes Rindfleisch, ein Hochrücken oder eine Zwischenrippe gehört bei 45 Grad Kerntemperatur aus dem Ofen, um noch offen auf dem Brett zu rasten. Ein Gigot, welchen Sie bei 55 Grad Kerntemperatur, also am Knochen, aus dem Ofen nehmen, auf ein Brett legen und mit Alufolie zudecken, um ihn idealerweise 10 Minuten ruhen zu lassen, hat nachher schon über 60 Grad, ist aber noch rosa, jedoch nicht roh. Ein Kalbsrücken am Stück darf ums Himmels Willen keine 70 Grad Kerntemperatur haben, und auch ein Schwein ist mit 80 Grad, wie leider oft empfohlen, nur trocken. Rosa Tschudi hat uns einmal bewiesen, dass man sogar eine Landente in knapp dreissig Minuten zubereiten kann. All dieses furztrockene, harte Zeug ist doch für die Füchse und schade ums Geld, wenn man bedenkt, wie viel heutzutage Fisch und Fleisch kosten. Mich schauderte schon gewaltig beim Schreiben der Worte «Innen grau – durch». Wer ein Filetsteak so gebraten vorzieht, der soll lieber gekochtes Rindfleisch essen. Das Braten eines Steaks bis zu diesem Garpunkt würde mich körperlich dermassen schmerzen, dass ich das schon aus Rücksicht auf meine Gesundheit nicht verantworten könnte. In Patagonien, also Argentinien, spricht man zwar auch spanisch, aber dort sagen Sie, wenn Sie ein Steak Rare wollen, wie sich das gehört, «muy jugoso» (mui chugosso). Ich bestelle immer «muy jugoso, casi crudo», dann ist es wenigstens

«muy jugoso». Wenn Sie ein durchgebratenes Steak wollen, sagen sie einfach nichts, denn so wird es dort üblicherweise serviert, weil alle Südländer von der Tradition her nur durchgebratenes (und auch kein abgehangenes) Fleisch essen. Das hat damit zu tun, dass es noch vor gar nicht so langer Zeit keine Kühlanlagen gab und ein geschlachtetes Tier bis spätestens anderntags gegessen sein musste.

Der Truthahn Nicht nur Amerikaner essen Truthähne, die für mich dort allerdings besonders langweilig schmecken. Aber Ihrer soll wenigstens perfekt zubereitet sein, also ist die richtige Garzeit in Relation zur Kochtemperatur wichtig. Hier ist der richtige Schlüssel: Bei 180 Grad wird ein 5 kg schwerer Truthahn in gut zweieinhalb Stunden gar, wiegt er 7 kg, dauert die perfekte Garzeit drei Stunden. Bei 160 Grad wird ein 5 kg schwerer Truthahn erst in gut dreieinhalb Stunden gar, wiegt er 7 kg, dauert die perfekte Garzeit viereinhalb Stunden. Die Wochenplanung Sie reduziert die Arbeit, steigert die Qualität in der Küche und schont das Budget. Etwas weiter- (oder wieder) zu verwenden hat sicher nichts mit Geiz zu tun. Man denke nur an den Vorteil der Profiküche, in welcher der Chef jederzeit auf alle Saucen und Fonds zurückgreifen kann und nicht erst noch zwei Deziliter Hühnerbouillon kochen muss. Gewisse Dinge werden auch besser und besser, wenn sie eine Zeit lagern. Schönstes Beispiel ist der Sugo einer italienischen Hausfrau in der Grossfamilie. Am Freitag wird mit Zwiebeln, Olivenöl und Tomaten, meist noch mit Peperoni und etwas Karotten ein grosser Topf Sugo oder eine Peperonata gekocht. Die gibt es abends auf der Pasta. In den kommenden Tagen kommen weitere Gemüse- und Fleischreste nach und nach und fein gehackt in diesen Sugo, der tagtäglich wieder aufgewärmt wird. Wetten, dass er am Donnerstag der Woche drauf am besten schmeckt? Mit Glück und einigen Fleischresten mutiert der Sugo im Laufe der Woche so zur Bolognese. Am Montag ein Risotto oder eine Paella und erst am Dienstag das Suppenhuhn zu kochen, macht wenig Sinn; umgekehrt ist ideal.

Auf den G-Punkt kommt es an Es ist wichtig, die Garpunkte eines Steaks oder Filets vom Rind in fünf Sprachen zu kennen.

Innen roh Innen vollrot Voll rosa Im Kern rosa Innen grau

Deutsch Blau Blutig Rosa Halbrosa Durch

Französisch Bleu Saignant Anglais A Point Biencuit

Englisch Underdone Rare Medium rare Medium Well done

Italienisch Molto al Sangue Al Sangue — Al puntino ben cotto

Spanisch muy poco hecho poco hecho — mediano hecho muy hecho

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ziplin. Eine Pastete ist letztendlich einfach eine Terrine, welche in einem Teigmantel gebacken wird. Und nun zu den Ofentemperaturen, sie sind ganz wichtig, weil sie ja die Temperatur des Wasserbads bestimmen. Wählen Sie Ober- und Unterhitze, besser noch Umluft. Bei allen Fleisch- und Fischterrinen immer maximal 140 Grad Ofentemperatur, wirklich maximal, damit das Wasserbad nicht über 75 Grad steigt. Sie brauchen einfach einen Temperaturmesser, um exakt zu arbeiten. Wenn Sie eine Enten- oder Gänseleber-Terrine machen, unter keinen Umständen mehr als 120 Grad Ofentemperatur, damit die Wassertemperatur keinesfalls an die 70 Grad herankommt. 65 Grad sind optimal; und dann rate ich auch zu einer Garzeit von rund 20 bis 30 Minuten, maximal. Die Leberterrine muss nämlich innen noch rosafarbig bleiben und sie sollte das Fett nicht ausscheiden. Ist trotzdem etwas gelbliches Öl auf der Gänseleberterrine, kratzen Sie es nach dem Erkalten mit einem Löffel ab, bevor Sie die Sülze darüber geben. Wie lange die Garzeit bei den anderen Terrinen sein muss, hängt von deren Grösse ab. Aber eine Stunde ist für eine grosse Terrine schon lange. Ich habe aber auch schon eine Kilo-Hirschterrine im Backofen vergessen und erst nach drei Stunden herausgenommen, die war auch noch gut. Einfach ausprobieren und selber Erfahrung sammeln. Es macht wirklich Freude, ist wahrlich einfacher als Sie denken – und all diese Dinge schmecken unheimlich gut. Sie sind zudem eine grosse Bereicherung an der Tafel und strömen immer eine gewisse Festlichkeit aus. Kaufen Sie keine Terrinen-Gefässe aus innen glasierter Terracotta und auch keine aus Blech; diese leiten zu stark. Ideal sind Terrinenformen aus Porzellan oder – ganz perfekt – solche aus Gusseisen, die innen emailliert sind. Elegantere Sülzen, zum Beispiel zum Abdecken von Gänseoder Entenleberterrinen, sind aus reinem, weissem Portwein und Gelatine gemacht. Vergessen Sie aber nicht, den Port zu salzen. Und merken Sie sich folgenden Schlüssel: Es braucht pro Liter Flüssigkeit nicht wie angegeben 12, sondern 20 Gelatineblätter, damit die Sülze schön fest wird. Weichen Sie die Blätter kurz zuvor für einige Minuten in einem Wasserbad ein. Das Wasser soll nicht kalt, sondern lauwarm sein, aber nur ganz, ganz leicht lauwarm. Dann den gesalzenen Port aufwärmen und vor dem Siedepunkt die schlabbrigen Sulzblätter dazu geben und diese dann mit einem Schwingbesen sachte unterziehen. Einmal kurz aufkochen und dann wegstellen. Wenn Sie mit Knorr-Sülze arbeiten, dann mischen Sie diese in einem Verhältnis von 1:12 und nicht wie angegeben 1:20. Von Lacroix gibt es diverse anständige, klare Fonds, die Sie für alle Arten von Sülzen zu Terrinen gut verwenden können. Geben Sie aber immer die noch gut flüssige Sülze erst dann dazu, wenn erstens die Terrine schon eiskalt, und zweitens auch die Sülze so abgekaltet ist, dass sie zwar noch gut läuft, aber nicht die Terrine wärmt und so die Fettstoffe löst, sonst steigen hässliche Fettaugen an die Oberfläche. Das ist mir

RUNDHERUM

auch schon passiert, aber da ich diesbezüglich ein erfinderisches Köpfchen bin, habe ich das Problem wie folgt gelöst: Im Backofen den oberen Grill auf die höchste Stufe gestellt. Die fertige Terrine wenige Sekunden knapp darunter gestellt und die oben verflüssigte Sülze mitsamt den Fettaugen abgeschüttet. Lassen Sie den Deckel von der Terrine weg, bis die Sülze völlig hart und kalt ist, sonst bildet sich Dampfwasser, welches auf die Sülze tropft; oder trocknen Sie halt den Deckel mit einem Haushaltspapier gut aus. Noch ein Sülzen-Tipp zum Schluss. Wer in Zürich lebt, kennt die Metzgerei Bär am Rennweg, das ist der mit dem grandiosen Fleischkäse mit der kräftigen, dunklen Sülze drumherum. Unschlagbar fand und findet meine Heidi seit jeher diese «Bär-Sülze», die ja zusammen mit dem Fleischkäse in Zürich Kult-Status hat. Ich weiss, wie die geht. Nehmen Sie einfach die Maggiflasche und schütten davon solange in die flüssige Sülze, bis Ihnen entweder die Hände abfallen oder aber die Sülze schon schwarz und schwärzer erscheint. Seit ich das herausgefunden habe, mag mich die Heidi noch lieber.

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Lieber Gott, kannst du nicht machen, dass die Vitamine in Zukunft im

RUNDHERUM

Vegetarier/Veganer Zuerst ist es einmal wichtig, woher denn der Name der Menschen kommt, die kein Fleisch zu sich nehmen. Von der Sprache der Ureinwohner Amerikas, früher, ohne despektierlich zu sein, Indianer genannt. Bei ihnen bedeute das Wort Vegetarier «Schlechter Jäger», womit (fast) alles gesagt ist. Ausser, dass dies natürlich nur ein kleiner Scherz war, in der festen Überzeugung, dass wohl alle Exzesse und Einseitigkeiten nicht von Vorteil sein können. Eine ausgewogene Nahrung ist sicher für den Menschen am bekömmlichsten. Aber immer wieder habe ich den letzten Satz aus einem Leserbrief einer begeisterten Veganerin im Kopf: «Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass Veganer sehr gesund leben, wenn sie sich nicht einseitig ernähren». Immerhin räume ich sehr gerne ein, dass auch die fleischlose Küche hervorragend sein kann, man denke da nur an die indische, und das «Hiltl» wird ja sehr gelobt. Auch bei uns muss es nicht immer nur Fleisch sein, ein gutes Omelett, ein feiner Teller Pasta oder im Sommer ein knackiger Salat, das kann auch sehr gut schmecken. Aber halt schon noch besser, wenn ein paar Scampi, Hühner- oder Schinkenstücklein drin sind. Und mit meinem Rezept für «Wienerschnitzel» aus Kohlrabi und Knollensellerie begeistere ich sicher nicht nur Kinder, sondern eben auch die Vegetarier. Hier ist es gleich:

Pudding sind und nicht im Spinat. Kindergebet

Fasten & Zunehmen Der Jo-Jo-Effekt ist bekannt, schnelles Abnehmen ist absolut kontraproduktiv. Da gehen die Leute für 3 Wochen in eine teure Klinik, damit sie nichts zu essen bekommen, was sie ja auch zu Hause, und erst noch billiger, haben könnten. Anschliessend gehen sie, wenn sie immer noch Geld haben, direkt vom Chez A zum Chez B usw. und haben in kurzer Zeit nicht nur die 5 Kilo wieder drauf, die sie teuer abgenommen hatten, sondern gleich 6 oder 7 Kilo. Und so steigern sich die Leute im Laufe der Jahre bis zum Fass-Format. Die bekannte Atkins-Diät ist zwar sehr angenehm, aber aus genanntem Grund nutzlos, wenn man anschliessend die Essgewohnheiten nicht wirklich ändert. Ausserdem sind solche Diäten, die auf einseitiger Ernährung beruhen, leider auch noch absolut ungesund, da der Verdauungstrakt ja schon genug an der Verarbeitung des eigenen Fettes zu arbeiten hat. Mr. Atkins starb übrigens jung und völlig überfettet! Die einzig sinnvolle Möglichkeit, gesund und anhaltend abzunehmen, ist die Veränderung der Ess- und Trinkgewohnheiten. Vor allem soll man auch mit Alkohol sehr Mass halten und alles «Weisse» weglassen, also Mehl (Brot, Teigwaren), Zucker, Butter, Fett; sowie alles Süsse. Wenn ich nicht zusätzlich den Alkohol reduziere, findet bei mir absolut keine Gewichtsreduktion statt. Ein Kilo minus pro Monat wäre doch toll, man rechne, ein Jahr hat deren 12!

«Wienerschnitzel» oder «Kinderwiener» Keine Angst, ich will mein Elaborat über Wienerschnitzel nicht noch ausdehnen, die Grundbasis haben Sie ja im Griff. Ich will Ihnen aber von fleischlosen Wienerschnitzeln erzählen, die uns ganz gut schmecken. Nehmen Sie frischen Kohlrabi und/oder Knollensellerie. Schälen diese grosszügig und schneiden sie dann mit einem grossen Messer in einigermassen dünne Scheiben. Sie setzen ein Salzwasser auf, besser noch eine Gemüse- oder Hühnerbouillon, und geben zwei Lorbeerblätter und eine Nelke dazu. Dann legen Sie die Gemüsescheiben in die kochende Bouillon und lassen Sie diese ungefähr fünf Minuten köcheln. Die Scheiben nehmen Sie dann heraus, wenn sie noch einen guten Biss haben, also noch sehr «al dente» sind, denn sie ziehen erstens noch nach und zweitens folgt ja nochmals ein Bratvorgang. Die Bouillon werfen sie ja wohl nicht weg, das gibt doch eine gute Gemüsesuppe mit den Resten vom Kohlrabi und vom Sellerie, welche nicht als Schnitzel taugten. Sind die Gemüsescheiben etwas ausgekühlt, drehen Sie diese kurz im Mehl, dann im Eiquirl und schliesslich in möglichst grobem Paniermehl. Zu den so gebackenen «Wienerschnitzeln» passt eine hausgemachte Mayonnaise wunderbar, und einige Zitronenschnitze (nicht Scheiben) gehören auch auf den Tisch, damit ein jeder sich davon bedienen kann. Wetten, dass Sie damit nicht nur Vegetarier aller Arten begeistern, sondern vor allem auch Kinder, die «kein Gemüse essen». Wetten, dass sie so ein Gemüse lieben werden und den Onkel Hadi lobpreisen, weil er Euch ein Rezept verriet, das Gemüse zum Festessen macht.

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Kinder & Küche Wenn Kinder in der Küche hantieren, wird früher oder später etwas passieren. Wenn Sie Kinder nie in die Küche lassen, auch. Ich will Ihnen dazu eine Geschichte aus meiner Kindheit erzählen. Ich wuchs im Haushalt meines Vaters und meines Grossvaters gleichzeitig auf. Beide waren begnadete Handwerker, der eine Kunstschlosser, der andere Werkzeugmacher. Und logisch hatten wir in unserem Haus darum auch eine ganz prima eingerichtete Werkstatt, in welcher beide regelmässig werkten und wirkten. Logisch will auch ein Bub einmal «handwerkern», und sei es nur, um ein Holzkreuz für den toten Hamster zu basteln, den er im Garten beerdigen will. Ich befand mich nie länger als drei Minuten in dieser «heiligen Halle», ohne dass mir nicht einer der Grossen das Werkzeug aus der Hand nahm und mich mit dem Versprechen tröstete, mir entweder das schönste Holzkreuz oder eine Metallschachtel zum Sammeln von Heuschrecken zu fertigen. Aber dann war ich auch schon wieder draussen, denn sie hatten schiere Angst, dass ich Ihnen das eine oder andere Werkzeug kaputt mache. Was ich logisch auch getan hätte. So bleibt ein ebenso beklagenswertes Resultat: Ich habe handwerklich dermassen zwei linke Hände, dass selbst bei minimalstem Schaden im Haus unser Haushandwerker immer Heidi heisst; und wenn auch sie nicht helfen kann, müssen wir wegen jeder Kleinigkeit den Fachmann kommen lassen, was in Irland, wo wir auf einer Insel wohnen, schon sehr umständlich ist. Aus mir hätte es aus diesem Grund, obwohl ich ein wirklich versierter Outdoormensch bin, niemals ein Trapper werden können; und hätte ich die Laufbahn eines Handwerkers einschlagen müssen, um mein täglich Brot zu verdienen, hätte ich wohl mein Leben lang Probleme gehabt, die Rechnung für das kalte Wasser zu bezahlen. So werden denn auch Ihre Kinder einmal nie in einer Küche heimisch, wenn die Mutter oder der Hauskoch alles selber machen wollen, vor lauter Angst, ein Kind könnte sich verbrennen. Ich habe mich aus diesem Grund als Kind auch nie verbrannt. Dafür war ich dann in meinem Leben als Erwachsener zweimal wegen massiver Verbrennungen beim Kochen an den Händen in Spitalbehandlung. Wissen Sie, einmal im Leben muss man ja alles lernen, und vom Buchlesen allein geht das nicht. Kinder können Sie, wie schon erwähnt, gut einbeziehen, wenn es um die Zubereitung von Sösschen für das festtägliche Fondue Chinoise geht, denn all die Vorbereitungen, das

Damit die Panade am Wienerschnitzel sicher hält, gibt es einen Trick: Sie mehlen das Schnitzel und stechen das Fleisch dann beidseitig einige Male mit der Gabel ein, bevor Sie es im Ei und den Semmelbröseln wenden. Ei und Mehl dringen in die Löcher ein und verankern so die Panade.

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RUNDHERUM

Gute Küche mit kleinem Budget Es mag sein, dass der eine oder andere Leser sich bei der einen oder anderen Formulierung deshalb störte, weil er sie als elitär empfand. So war es in jedem Falle nicht gemeint. Hingegen akzeptiere ich, dass ein Leser sich sagt, ist ja gut und recht, nur leisten sollte man es sich können. Auch einverstanden, aber so ist es halt in unserem Leben, uns allen sind irgendwo Grenzen gesetzt, und das auch der vermögenderen Gesellschaft, zumindest wenn diese ehrlich verdientes Geld ausgibt. Am besten ist es, wenn wir solche Grenzen klaglos akzeptieren. Mein Buch würde mir keine Freude machen, wenn ich nicht auch Rezepte und Ideen für Leser liefern könnte, die nun wirklich ein kleineres, kleines oder ganz kleines Budget haben. Darf ich aber vorher noch etwas sagen, Stichwort: Prioritäten setzen. Wer überteure Autos fährt und womöglich noch pro Jahr einige Tausender (die sind schnell einmal zusammen, bitte nachrechnen) in die Luft bläst und in die Lungen zieht, könnte das Haushaltsbudget mit einer Umverteilung massiv aufwerten und sich sogar Kalbfleisch leisten. Aber es geht auch ohne, darf ich Ihnen ein paar Ratschläge geben? Als Erstes, Zweites und Drittes: Kaufe nie, aber auch gar nie, und auch nicht für einen einzigen Franken oder Euro irgendetwas im Shop an der Tankstelle, denn dort ist nicht nur alles hoffnungslos überteuert, sondern es wird ja auch vorwiegend Junkfood mit toller Werbung «Es musste sein» angeboten. Alles hinausgeworfenes Geld für Futter, das erst noch elend dick macht. Und für den gleichen Preis, welchen dort ein kleines Fläschchen Coke oder was immer kostet, kaufen Sie anderswo locker das Zwei-, Drei- oder gar Vierfache. Und falls Sie zu denen gehören, die nicht mehr ohne ein Fläschchen in der Hand rumlaufen können, weil Sie Angst vor dem Verdursten haben, haben Sie das Wort Umfüllen schon einmal gehört? Ich weiss, das steht in diesem Buch auch noch andernorts, aber es ist mir halt besonders wichtig. Brot ist heute ein teures Nahrungsmittel und noch viel teurer sind Brötchen. Brot besteht aus Mehl, Salz, etwas Hefe und Wasser. Erstes kostet sehr wenig, Zweites und Drittes noch weniger und Viertes ist es sogar gratis. Einen Brotteig zu machen geht sehr schnell und mit einiger Übung noch schneller. Den Backofen auf Vollhitze stellen und nach Rezept frisches Brot backen. Es ist nicht nur besser als die heutigen täglich mehrmals frisch gebackenen Brote mit schnell treibender Hefe, welche umgehend völlig ausgetrocknet sind. Wer eine Schar Kinder am Tisch hat, spart mit hausgemach-

Ist die Mayonnaise geronnen? Oft hilft die Beigabe von wenig warmem Wasser – und dann enorm kräftig mit dem Schwingbesen oder dem Mixstab arbeiten.

tem Brot täglich einiges an Geld, das so für andere Speisen übrig ist, zum Beispiel für Butter statt Margarine. Früher hat die Bauernfrau ein- oder höchstens zweimal die Woche grosse Brote gebacken und die blieben auch viele Tage frisch, saftig und wohlriechend. Heute wird dreimal am Tag gebacken, dafür ist eine angebrochene Semmel schon zwei Stunden später furztrocken, und riechen tut sie auch nach nichts. Probieren Sie das doch einmal, wenn Sie es mir nicht glauben wollen. Da halten Sie sich als Schweizer am besten an die Produkte des berühmtesten Schweizer Bäckers: Fredy Hiestand. Der «Gipfeli-König» hat nach dem Verkauf seiner Riesenbude eine neue, feine Firma aufgebaut, welche mit dem Zusatz von gesunden Weizenkeimen Brote, Brötchen und Kuchen der höchsten Qualitätskategorie bäckt und diese auch versendet. [email protected] & www.fredys.ch

Junkfood Widerstehen Sie beim Einkauf bei Ihrem Grossverteiler grundsätzlich jeglichem Junkfood. Das sind vom Salzigen bis zum Süssen alle diese Dinge, die in Kübelchen und farbigen Tüten angeboten werden. Sie sind nutzlos, nicht nährend und zudem hoffnungslos überteuert. Von der Umwelt, der jedes kleinste Tütchen und jede Dose eine Last ist, wollen wir gar nicht reden. Da habe ich doch schon Frauen beobachtet, welche sechs Becher Griesbrei einkauften. Für das gleiche Geld hätten sie sechs Pfund oder gar Kilo Gries gekauft; und ist es denn ein Aufwand, diesen Gries in der Milch zu kochen? Da bleibt doch wieder genug Geld für gute Konfitüre, Eingemachtes oder gar frische, gebräunte Butter drüber. Und was sollen denn die angeblichen Energy-Drinks? Da ist Wasser, Chemie, Salz und Zucker drin, Ende. Warum glauben Sie denn, können sich gewisse Hersteller sogar einen Formel-1Rennstall leisten? Dreimal dürfen sie raten. Einmal sah ich vor mir in der Migros eine ärmlich gekleidete Frau mit sehr verschafften Händen, die 60 (sechzig!) solche Drinks für den Sparpreis von sechzig Franken kaufte! Mir brach fast das Herz, und ich konnte es mir nicht verkneifen, die Frau zu fragen, was sie damit mache. Ihr Sohn, sagte sie, will täglich so eine Dose haben. Wär’s meiner gewesen, hätte er auch darauf bestehen dürfen, nur hätte er sich das Geld dafür am Mittwochoder Samstagnachmittag selber verdienen müssen. Und noch etwas, er hätte sie auch grad noch selber heimtragen können. Wenn man so kutschiert mit dem Geld, muss man sich nicht wundern, wenn vorwiegend Ebbe in der Kasse ist, oder wie man es vornehmer, dezenter ausdrücken kann: «Der heilige Antonius in der Geldbörse sitzt». Noch mehr Spartipps Ich habe noch mehr Tipps auf Lager. Ich weiss, der folgende ist schon anderswo angetönt, aber wertvoll für eine Wiederholung genug. Nicht nur in Zürich, sicher in jeder Grossstadt, gibt es einen Engros-Gemüsemarkt, auf dem auch die Marktleute und Restaurateure einkaufen. Alles, was am Samstag

RUNDHERUM

morgen um 08.00 Uhr noch da ist, wird auf die Rampen gestellt und das Publikum, also auch Sie, kann dann Gitter um Gitter, mit je fünf bis zehn Kilo, für zehn Franken kaufen. Rechne nun: Für hundert Franken gibt es rund 80 Kilo Früchte und Gemüse aller Art. Dies geteilt durch vier Familien, ergibt pro Familie für 25 Franken runde 20 Kilo feines Gemüse und Früchte. Da lebt es sich doch auch mit kleinstem Budget hervorragend. 25 Franken habe ich schon Leute im Tankstellen-Shop hinlegen sehen für nutzloses Junkfood plus Zigaretten. Suchen Sie sich doch drei Gleichgestellte für eine private Grossmarkt-Einkaufsgenossenschaft. Wenn der, der am nächsten Samstag dran ist, früh aufzusteht und zum Markt fährt, am Freitagabend zeitiger ins Bett geht, statt bis um drei Uhr früh vor dem Fernseher zu sitzen, dann spart er zudem noch das Geld für zwei oder mehr Flaschen Bier und einige Tüten Chips. Suchen Sie sich einen Job bei einem Grossverteiler, oder lassen Sie allenfalls Ihre Frau oder eines Ihrer Kinder dort aushelfen. Die Mitarbeiter bekommen dort Waren, deren Haltbarkeitsdatum abläuft, sehr billig und am Wochenende vor allem das Gemüse und die Früchte fast umsonst. Ist irgendein Markt oder Grossmarkt in Ihrer Nähe, bin ich sicher, dass dort auch immer Aushilfen gesucht werden. Setzen Sie Ihren Fuss so rein und Sie verdienen nicht nur in der Freizeit etwas Geld, sondern profitieren noch von güns-

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Sind Sie Angler? Fischen Sie, oder etwa nicht? Und, warum nicht? In der Schweiz herrscht das Freiangelrecht an allen grossen Seen, da können Sie Fische fangen und essen, soviel Sie erbeuten. Frischer Fisch ist nicht nur gesund, sondern auch eine hervorragende Nahrung. Und auch die einfachen Fischsorten wie Weissfische aller Arten, Barben etwa, kann man, halt mit etwas Mehraufwand, in der Küche zu hervorragenden Mahlzeiten verarbeiten. Spart man das Geld für den Fisch, langt es auch für die Sahne zu den Fischklösschen und noch für einen Weissen. Fischklösschen in einer Wein-Rahmsauce, Reis oder Kartoffeln dazu, sind doch einfach herrlich. Und ebenfalls «Hamburger» aus Weissfisch. Entweder durch den Wolf oder ganz kurz durch den Cutter lassen oder allenfalls ganz fein von Hand geschnitten, dann gehackte Zwiebel, etwas in Milch eingeweichtes Weissbrot ohne Rinde, gehackte Petersilie und ein ganzes Ei dazu, gut durchmischen, kleine Klösse formen und dann im heissen Öl ausbacken. Das schmeckt besser als die teure Seezunge, die der Koch auf beiden Seiten je eine Minute zu lange in der Pfanne gebraten hat – und das tun leider (zu) viele Köche.

Kurz gesagt Auf einen Nenner gebracht, es lässt sich auch mit kleinem Budget, halt mit etwas Aufwand und Liebe zur Küche, gutes und gut nährendes Essen auf den Tisch bringen. Unsere Grossmütter haben es uns doch bewiesen, man denke doch nur an die Budgets vor, während und nach den Kriegsjahren. Auch wenn es da nur wenig Fleisch gab, wie herrlich war doch ein «Vogelheu», «Gummi mit EingeViele Leute sind viel zu gut erzogen machtem» (ein zerhacktes Omelett mit viel Mehl, einem um mit offenem Mund zu reden. Kaiserschmarren ähnlich, nur eben wenig Ei, viel Mehl), Dampfnudeln oder Saucenkartoffeln (Kartoffelscheiben Sie tun es aber hemmungslos mit leerem Kopf. in Bouillon köcheln und viel gehackte Petersilie dazugeben) mit Arbeiter-Voressen, also Cervelat statt Fleisch. Orson Welles Und dann gab es bei uns regelmässig feine Fische, die der Vater von der Limmat heimbrachte. Forellen, Äschen, Barben, eben auch die Weissfische, setzte er nicht zurück. tigen Einkäufen. Wenn es noch einen Metzger oder gar eine Und als kleiner Bub durfte ich vorne auf der Vespa stehen, Grossmetzgerei, eine Schlachterei in Ihrem Umkreis gibt, bin wenn es ans Fischwasser ging und wir mit Fischen wieder ich sicher, dass auch dort immer zwei schaffige Hände gesucht zurückkamen. Wenn wir zusammen bei den Bauern den werden. Man darf halt nie vergessen: für einen Wohlstand Hühnerhof umstachen, um nach Schwarzköpfen zu suchen, muss man auch etwas tun – und nicht wie die meisten, einfach brachten wir nicht nur Würmer mit, die meine Eltern vervor sich hin jammern, dass das Geld heutzutage zu gar nichts kaufen konnten, sondern es gab vom Bauern noch einige Eier, mehr reiche. Wohnen Sie auf dem Lande? Schauen Sie sich einmal um, wie viele Gemüsefelder es gibt. Die heutigen, modernen ErnteWenn Sie einen Risotto in viel Butter anziehen, methoden lassen einige Prozente der Feldfrucht zurück. Wenn sollten Sie mit dem Ablöschen so lange warten, Sie sich zu fein sind, diese gratis einzusammeln, kann ich bis der Reis die Butter stösst und diese leicht Ihnen auch nicht helfen. Und zudem, auch Gemüse- und aufschäumt. Obstproduzenten brauchen zur Erntezeit Hilfen. Packen Sie es Wenn Sie den Risotto mit Wein ablöschen, sollten halt an und leben Sie besser; besser lebt man alleweil, wenn Sie mit dem Zugeben der Bouillon so lange warten, etwas Anständiges und gut Gekochtes in genügender Menge bis der Wein vom Reis aufgesogen ist. auf den Tisch kommt.

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FISCH, FLEISCH & GEFLÜGEL

Der

Mensch

lebt nicht vom

Brot

allein

Dies ist kein Buch für Vegetarier, obwohl ich nichts gegen Vegetarier habe. Mir ist ein Stück Fleisch auf dem Teller wichtig, gern auch vom Fisch oder von einem Vogel. Und ich beanspruche dennoch, ein Mensch zu sein, welcher der Kreatur mit Respekt begegnet – auch als passionierter Fischer und Jäger und als Mensch, der seine Natur nicht leugnet. Und der sich die Ehrfurcht erhalten hat, die Fleisch als Festtagsessen zu schätzen weiss – und nicht zu Fastfood degradiert.

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Genüsse aus Bach & Meer Wir reden immer von unserer Erde, dabei ist die Oberfläche unseres Planeten zu siebzig Prozent mit Wasser bedeckt, vornehmlich mit Salzwasser. Entsprechend gross ist das Vorkommen der Fische und entsprechend gross deren Bedeutung für die Ernährung der Menschen. Ohne Fische müssten noch weit mehr Menschen hungern. Die Folgen werden also fatal sein, wenn dem Raubbau auf den Weltmeeren nicht endlich Einhalt geboten wird.

Nebst einer Unzahl von Fischarten leben in den Meeren auch Schalen- und Krustentiere in grosser Zahl, welche der kulinarischen Oberschicht zugeordnet werden. Dafür umso besser schmecken. Vom Nahrungswert gehört der Fisch zu den gesündesten Lebensmitteln. Er liefert viel Eiweiss, Vitamine und Mineralstoffe, aber praktisch kein Fett. Wer guten Zugang zu frischen Fischen hat, dem sei geraten, wöchentlich zweimal Fisch auf den Speiseplan zu setzen und als Beilage leicht verdaulichen Trockenreis und gedämpfte Gemüse zu wählen.

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Für die Toten Wein, für die Lebenden Wasser:

werden weltweit weiter munter Lachsforellen verkauft, und dieser Fantasie-Fisch kommt mittlerweile sogar in der Fachliteratur vor. Dabei sind Lachsforellen nichts anderes als billigst produzierte Regenbogen-Zuchtforellen. Das rötliche Fleisch stammt nur von der Chemie, «Karotin» heisst das Zauberwort. Grauslich hingegen das dazugehörige Fischfleisch, das Sie nie kaufen sollten. Aber nun das Wichtigste zum Thema guter Fisch auf einen Nenner gebracht. Es gibt keinen schlechten Fisch, sondern nur schlechte Gewässer, schelmische Händler und schlechte Fischköche. Jeder frische Fisch, der aus einem sauberen Gewässer stammt, kann von einem versierten Koch auf eine bestimmte Art hervorragend zubereitet werden. «Schau mir in die Augen, Kleines», sprach Humph, und ich sag Ihnen, schauen Sie beim Kauf dem Fisch in die Augen. Und kaufen sie ihn nur, wenn diese noch glasklar sind. Dann prüfen Sie die Kiemen und lassen die Finger davon, wenn diese nicht frischrot sind. Kaufen Sie immer lieber den frischen, ganzen Fisch. Wenn ein Fisch nämlich einmal wirklich alt aussieht, ja dann wird er filetiert. Die Frische ist das absolute A und O der guten Fischküche, ich kenne niemanden, der stinkenden Fisch mag. So darf denn, egal bei welchem Rezept, der Fisch auch nach jenem Fisch schmecken, der er ist. Verdreckte Gewässer, die den Fischgeschmack verändern, gibt es heute ja kaum noch, in dieser Beziehung ist die Welt besser geworden. Am allerbesten schmeckt frischer Fisch, der nach dem Fang 24 Stunden offen auf Eis lag. Dann ist das Eiweiss gebunden und beim Kochen zerreisst die Haut nicht mehr. Das ist gerade bei «Forelle blau» sehr wichtig; besonders, wenn auch noch Essig für den Sud verwendet wird. Wichtig ist zudem, dass der Koch weiss, um welchen Fisch es sich handelt. Nur so kann er ihn entsprechend seiner Art perfekt zubereiten.

Das ist eine Vorschrift für Fische. Martin Luther

Frischer Fisch oder «Schau mir in die Augen, Kleines» Sicher erwarten Sie, dass in einem Kochbuch, welches von einem Fischer, einem Fliegenfischer, geschrieben wurde, die Fischküche im Vordergrund steht. Dazu kommt es aber nicht, weil ich dieses Thema so gut beherrsche, dass ich Ihnen das Wesentliche auf einen Nenner gebracht mitteilen kann, also nur das sage, was es zu sagen gibt. Dass es keine «Lachsforellen» gibt, wissen Sie, wenn Sie schon seit einiger Zeit mein Fischerblatt PETRI NEWS lesen. Darüber habe ich mich schon längst und ausführlich ausgelassen und auch von der «Migros» die Bestätigung erhalten, dass es eine Lachsforelle tatsächlich nicht gibt. Trotzdem

Wenn Sie eine Fischsuppe oder einen Fischfond zubereiten, dürfen Sie niemals einen Fischkopf verwenden, sondern nur die Gräten. Die allerbesten sind die vom Turbotin, also dem Steinbutt.

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FISCH, FLEISCH & GEFLÜGEL

Süsswasserfische Wir müssen, auch aus kochtechnischer Sicht, zwischen drei Arten Süsswasserfischen unterscheiden.

Die Weissfische und Cypriniden Wer Döbel, Brachsen, Rotaugen, Barben und andere Arten der Weissfische verschmäht, spart sich zwar einiges an Arbeit, aber kommt auch nicht in den Genuss herrlicher Fischspeisen. Karpfen aus der Familie der Cypriniden habe ich schon gebacken und gedünstet in erster Güte gegessen. Mein Freund aus Wien, der Eipeltauer Norbert, wusste ein Gasthaus, wo wir damit erstklassig bedient wurden. Eine Winterbarbe, tranchiert und gebacken, schmeckt mindestens so gut wie ein Hecht. Weissfische, filetiert und mariniert und in kleine Streifen geschnitten, ergeben herrliche «Knusperli», wenn man sie in frischem Öl ausbäckt, mit oder ohne Bierteig. Und ganz erstklassig schmecken Fischklösschen vom Döbel oder anderen Weissfischen: Einfach den ganzen Fisch in einem kräftigen Sud ziehen lassen und nach dem Erkalten die Gräten von Hand heraus pflücken, dann durch einen Wolf lassen oder in einem Haushaltscutter pürieren. Das ergibt, gut gewürzt und mit einer feinen Wein-/Rahmsauce, herrliche Fischbällchen. Die Raubfische Sie sind eine Delikatesse, zumindest können sie eine Delikatesse sein. Gerade kleine Hechte und Zander kann man gut im Ganzen, entweder in einer Alufolie oder in einem Gussreindl, im Backofen sautieren oder in einer Salzkruste backen. Auch kleine Barsche mag ich lieber im Ganzen knusprig gebraten denn als Mini-Filet, man darf halt die Arbeit des Schuppens nicht scheuen. Egli, das ist eben der Barsch gebacken, ist ja wohl wie Hecht und Zander etwas vom Feinsten, was die Fischküche zu bieten hat. Nur Achtung, bei den Gräten des Hechts scheiden sich die Fachgeister und auch ich musste mich erst von einem «First Nation Man» (früher Indianer genannt) belehren lassen, weil der den Hecht so tranchierte, dass für uns nur das absolut grätenlose Bauchstück blieb – und der ganze Rücken für seinen Hund. Ich habe keinen Hund, aber dafür eine bessere Verwendung für den Hechtrücken. In einem Fischsud ziehen lassen bis er lind ist und darin abkalten lassen. Gräten von Hand pflücken –

Legen Sie einmal ein Fischfilet einige Zeit in Verjus oder reinen Zitronensaft; der Fisch ist gegart! Vielseitig verwendbar und mit feinem Geschmack. Zu einem Salätchen serviert, ist das eine feine Kalt-Mahlzeit.

FISCH, FLEISCH & GEFLÜGEL

teilen, darüber gibt es gut illustrierte Fachbücher, legen Sie sich eines zu. also alles wie beim Weissfisch – und dann das Hechtfleisch, unbedingt eiskalt, in kleinen Portionen mit wenig Rahm in den Cutter und wieder kalt stellen. Erst später salzen, das bindet. Quenelles de brochet oder Hechtklösschen sind Weltklasse und waren eine der Spezialitäten von Jules Jäger damals in der Fischerzunft in Schaffhausen. Ich verrate Ihnen gerne die perfekte Herstellung im Rezeptteil.

Die Edelfische Kommen wir nun zu den Edelfischen, das sind vornehmlich Forellen, Saiblinge und Äschen, aber auch die Felchen gehören dazu. Letztere sind für mich, und ich meine das nicht etwa despektierlich, wie ein nobler Weissfisch und eher auch nach Weissfischart in der Küche zuzubereiten. Forellen, Äschen, aber auch der Saibling, gehören für mich im Ganzen zubereitet. So wie Sie es halt gerne mögen, gedämpft, im Sud sautiert oder gebraten, «à la meunière» heisst ja nach Art der Müllerin; und die hat den Fisch im Mehl gewendet und nur in viel Butter knusprig gebraten. Wie immer Sie einen Edelfisch auch zubereiten. Tun Sie das schonendst. Nicht zu lange, nicht zu viel Hitze. Ein Fischsud gehört von der Flamme, wenn man die Forellen hinein gibt. Er darf also niemals, auch nicht minimal, kochen oder auch nur köcheln, sonst wird das Fleisch genauso trocken, wie wenn der Fisch zu lange im Rohr oder in der Bratbutter war. Das Fleisch der Äschen ist in dieser Beziehung besonders heikel, auch nur eine Minute zu lange in der Bratpfanne und die Äsche ist trocken, schade. Direkt hinter dem Genick mit einem Spitzmesser von oben bis zum Grat etwas einschneiden und prüfen: Dort muss das Fleisch noch ganz leicht glasig sein, sonst ist es schon zu spät. Noch nicht zu spät, aber höchste Zeit, den Fisch zu servieren, ist es auch, wenn sich die Rückenflosse leicht herausziehen lässt. Beim Braten vor allem nie mit der Butter sparen. Lieber zwei- statt nur einhundert Gramm Butter nehmen. Um eine knusprige Haut zu bekommen, braucht es eine gewisse Hitze, aber je weniger Butter in der Pfanne ist, desto schneller wird diese schwarz und verdirbt den Fisch. Das Gleiche gilt übrigens auch, wenn Sie Rebhühner oder einen Fasan braten. Kommen Sie mir nicht mit der blöden Gesundheitslehre – die hat in diesem Buch eh nichts zu suchen –, dass viel Butter in der Pfanne dicker macht als wenig. Logisch denken: Nur die Butter und das Fett, welches ich zu mir nehme, machen dick, und nicht das, was in der Pfanne bleibt, capito? Fischfleisch ist etwas dermassen Delikates, dass man es am besten einfach Fischfleisch sein lassen sollte. Sie können es ja jederzeit mit einem Sösschen oder etwas brauner Butter veredeln; ganz gut schmeckt auch eine Petersilienbutter. Aber von Fisch, überbacken mit Tomaten, Knoblauch oder gar Käse und dergleichen halte ich gar nichts. Darum ist auch ein langes Kapitel zum Thema Fisch nicht nötig. Wie sie ihn vor dem Kochen behandeln und allenfalls filetieren oder zer-

Forelle blau – besser ist hellblau! Die Forelle wird umso mehr blau, je mehr Essig in den Sud kommt. Doch wer will denn viel Essig in einem Fischsud? Höchstens derjenige, der wenig vom Forellenessen versteht. Ersetzen Sie den Essig mit einem Schluck Weisswein. Und lassen Sie die Forelle mindestens einen langen halben Tag auf Eis, bevor Sie sie in den Sud geben. Sonst ist das Resultat das, was man im «Spezialitätenrestaurant» dem Gast vorsetzt: Eine völlig aufgerissene, vom Essigsud durchtränkte Forelle, allein um dem Gast zu beweisen, dass die Forelle wirklich ganz frisch war. Danke – selber essen. Lassen Sie lieber den kräftigen Sud, in welchem Sie Wurzelwerk, auch ein Sträusschen Petersilie, sowie je zwei Nelken und Lorbeerblätter eine lange Stunde ziehen, bevor Sie die Fische hinein geben und ziehen Sie die Pfanne sofort vom Feuer. Nichts mehr mit Blubbern. Eine Bachforelle ist schon nach rund 15 Minuten lind.

Weisses oder rotes Forellenfleisch? Zu diesem Punkt habe ich schon einige Diskussionen hinter mir, und selten gelingt es mir, die Partner von meiner Theorie gänzlich zu überzeugen. Aber ich bin bei keinem anderen Punkt dermassen nicht nur überzeugt, sondern auch praktisch «ausgebildet» und sage es hier nochmals: Weiss schmeckt besser als Rot. Zuerst einmal die Frage geklärt: Warum gibt es aus ein und demselben kleinen Gumpen Bachforellen mit schneeweissem und andere mit rosarotem, orangenem oder gar wirklich rötlichem Fleisch? Das hat nicht mit der Forellenart und nichts mit dem Gewässer zu tun, sondern allein mit der Futteraufnahme. Die eine hat sich auf das Fressen von terrestrischer Nahrung, also auf Würmer, Schnecken, Ameisen und Heuschrecken spezialisiert, sowie auf Jungfische und Insekten der meisten Arten: Diese Forelle hat weisses Fleisch! Eine andere aber zieht die krebsartige Nahrung vor, Stichwort Gammarus, und ernährt sich nur oder vorwiegend davon. Ihr Fleisch wird eben «rot» in irgendeiner genannten Variation.

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Die rotfleischige Forelle ist schon von ihrer Konsistenz her grundsätzlich trockener und erinnert mich, vor allem wenn sie zu lange gebraten wurde oder im Sud zu heiss bekam, an Karton, und wie Karton schmeckt sie auch. Wie viel besser doch die weissfleischige Forelle, die korrekt zubereitet eine zarte, schmelzende Konsistenz aufweist und einfach feiner mundet. In diesem Falle ist es ganz klar: der Esser lässt sich von der schönen Farbe täuschen. Täuschen Sie sich nicht, seien Sie grosszügig, wenn beides auf der Platte ist und geben Sie dem Gast die schöne, rotfleischige Forelle, er freut sich. Und Sie sich auch, wenn Sie in diesem Punkt wirklich drauskommen! Wie die Schüler, die im April 2009 mit unserer Fliegenfischer-Schule in Garmisch-Partenkirchen waren. Fünf Forellen über fünfzig Zentimeter Länge lagen auf den Platten. Zwei davon waren weissfleischige. Eine schnappte ich mir für unseren Tisch. Hielt dann aber einen diesbezüglichen Vortrag und alle probierten. Das Urteil war klar!

Nimm den Lachs ja nicht aus Es ist für die kulinarische Qualität eines frisch gefangenen Lachses genauso wichtig wie für alle anderen Fische, dass er möglichst schnell kühl gelagert wird. Jegliches Fischfleisch verdirbt in der Wärme oder gar bei Sommerhitze äusserst schnell. Einen Fehler aber sollten Sie nicht machen, wenn der Lachs tot am Ufer liegt: Ausnehmen wäre ganz verkehrt. Der Lachs, den Sie aus einem Fluss fangen, hat schon seit langer oder jedenfalls längerer Zeit jegliche Nahrung verweigert, sein Magen ist absolut leer. Er enthält also keinerlei Stoffe, welche gären könnten. Bakterien geraten erst hinzu, wenn Sie den Lachs aufschlitzen und mit Ihren Händen in seinen Bauch greifen, um die Eingeweide zu entnehmen. Ganz schlimm wird es, wenn Sie den Fisch auch noch mit Wasser aus dem Fluss ausspülen. Auch in den Tiefkühler kommt der Lachs so wie er ist; erst direkt vor der Zubereitung werden die Innereien entfernt und die Bauchhöhle ausgewaschen. Bei anderen Fischarten ist es mit der Versorgung natürlich anders: Hier müssen Sie bedacht sein, Ihre Beute nach dem Ausnehmen sehr bald im Kühlschrank zu versorgen. Ein Lachs hingegen kann gut viele Stunden an einem Ast am Wasser abhängen, wenn es kühl ist – und dann schmeckt er auch am besten.

FISCH, FLEISCH & GEFLÜGEL

Eine sichere Methode, den Braten oder das Siedfleisch zu versauen, besteht darin, es kalt aufzusetzen (oder nach dem Anbraten mit kaltem Wein oder Wasser abzuschrecken), dann tritt in Bälde das Eiweiss aus, die Suppe oder Sauce schaut grauenvoll aus und das Fleisch ist am Schluss furztrocken. Auch kochende Bratensaucen sind der reinste Gräuel, vor allem, wenn die Pfanne davon noch bis oben voll ist. Das mag dann eine gute Bratensuppe ergeben, aber das zwei Stunden lang auf Volldampf gekochte Rindfleisch ist grad noch für den Fuchs gut. Nebst der Behutsamkeit, die das Fleisch beansprucht, gehört auch ein Grundwissen über die Fleischtypen zur guten Küche. Reden Sie mal darüber mit Ihrem Fleischer, die Stücke heissen ja leider von Land zu Land anders und werden bei uns in der Schweiz erst noch völlig anders, jedoch besser, sagen wir exakter, geschnitten, was das Fleisch auch teurer macht. Wir unterscheiden Fleisch grundsätzlich in folgende drei Kategorien:

1. Zart, zäh, zerfallen 2. Zäh, zäh, zart 3. Zart, zäh, zart 1. Die zartesten Stücke von Rind und Kalb gehören in diese Kategorie. Ein Rinderfilet (A: Lungenbraten) ist zart, wenn Sie es auf dem Punkt erwischen, dann aber wird es zäh und zäher und, wenn Sie es als Bratenstück brauchen würden, zerfällt es. Aber Zartheit und feiner Biss kehren auch nach Stunden im Ofen nie wieder zurück. 2. Nicht nur die billigsten Fleisch- und Muskelstücke aus der Schulter gehören zu den Bratenstücken, die eine längere Garzeit brauchen. Der Ochsenschwanz, die Kalbshaxe oder auch der am Stück zubereitete Rehschlegel gehören dazu, letztere freilich nicht preislich gesehen. Auch preisgünstiges Fleisch kann exzellent sein und eignet sich z.B. für ein Gulasch besser als jedes andere Stück. Fast alle traditionellen Rindsstücke für gekochtes Fleisch und auch für gute Braten fallen in diese zweite Kategorie. Sie alle sind nach kurzem Braten oder Garen, auch im Rosazustand, nicht zart, sondern zäh. Aber nach längerer Kochzeit ergeben sie sich und können butterzart werden. ABER: Glauben Sie bitte nicht, dass sich die Kochzeit solcher Stücke verkürzen lässt, wenn Sie die Hitze auf dem Herd oder im Ofen höher schalten. Haben Sie Geduld; meine Kalbshaxen Milanese schmoren lange zwei Stunden ruhig vor sich hin. Ein Tipp für den Rehschlegel: Ganzes Stück anbraten und bei genau 85 Grad für drei Stunden in den Ofen schieben, herausnehmen und 15 Minuten gehen lassen. 3. Wir kommen zum Gigot (Lamm- oder Gitzi-Schlegel), aber auch zum Kalbsrücken oder z.B. einem abgedeckten Hochrücken. Diese Art Fleisch ist bald einmal und dann zart, wenn Sie es auf dem Punkt erwischen, also, je nach Stück und Belieben, mehr oder weniger rosa. Arbeiten Sie nach dem Anbraten mit einer Backofentemperatur von 150 Grad. Wenn Sie diese Stücke (Gigot 55 Grad, Kalbsrücken 60 Grad, Hochrücken 45 Grad am innersten Punkt) aus dem Ofen nehmen

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und sie auf dem Holzbrett ca.15 Minuten stehen lassen (oder den Backofen abstellen und die Ofentüre öffnen), bewirkt der Nachgarprozess (durch die höhere Aussentemperatur des Fleischstückes!), dass die Innentemperatur noch einige Grade ansteigt, ohne dass eben die äusserste Schicht hart wird. Gleichzeitig zieht das Fleisch den Saft wieder auf, der sonst in Mengen aufs Tranchierbrett rinnt. So oder so, wenn die Zartphase vorbei ist, folgt die Zähphase. Genau die, in welcher Ihnen diese Fleischstücke viel zu oft serviert werden. Dabei wäre auch in dieser Phase noch nichts verloren. Es braucht dann nur Geduld und mindestens nochmals so viel Garzeit, dann sind diese Stücke, allerdings mit anderer Konsistenz, wieder butterzart (Merkmal: das Fleisch fällt vom Knochen) und viele mögen sie in dieser dritten Phase lieber als in der ersten, und jedenfalls lieber als in der zweiten Phase. Lernen Sie, die drei Arten Fleisch zu unterscheiden. Ihr Fachmann hilft Ihnen doch; auch er weiss, dass von gutem Fleisch mehr gegessen wird. Lernen Sie auch, ins Fleisch zu sehen, der Daumen ist dabei Ihr Auge. Drücken Sie aufs Fleisch und je nach Art des Widerstands können Sie mit wachsender Übung erkennen, was los ist. Gut, gerade für Roastbeef, Gigot usw., ist ein Fleisch-Temperaturmesser eine feine Sache. Er gibt Ihnen verlässlich Auskunft über die Innentemperatur – und übrigens auch über die Temperatur im Backofen: Ich musste bei meinem alten Herd nämlich auf 140 Grad stellen, um die 90 Grad zu erreichen, mit welchem ich meine Roastbeefs zubereitete. So, nun haben wir lange und genug von festem und von zartem Fleisch geredet. Ich geh nun – in die Küche natürlich – und schiebe für’s Heidi und für mich vier saftige Wachteln in den Ofen. Aber nur knappe 20 Minuten, denn Wachteln, Tauben und anderes Wildgeflügel gehören zur Kategorie

4. Zart, zäh, zäher Sie sehen, es ist alles ganz einfach, man muss es nur einordnen können. C HIMICHURRI IST SEHR RASSIG Das ist das argentinische Originalrezept für Chimichurri, ohne das kein Asado in Argentinien stattfindet. 10 Knoblauchzehen, 1 EL getrocknete Oreganoblätter, 4 Lorbeerblätter, 2 EL süsser Paprika, 1 EL Thymian, 1 EL Basilikum, 1 EL Petersilie, ½ EL Kümmel, 1 EL Salz, ½ EL Pfeffer, 1 Tasse Olivenöl, ½ Tasse Essig, plus evtl. nach Bedarf noch einige EL kochendes Wasser. Alles durch den Cutter oder Mixer lassen (oder händisch alles feinst hacken) und in ein Gefäss abfüllen. Sollte mindestens einen Tag vor dem Asado zubereitet werden. Kühl lagern, aber nicht kalt zum Fleisch servieren.

Fleisch muss zum Schluss ruhen Etwas vom Allerwichtigsten in Sachen Fleisch überhaupt: Lassen Sie alle gegrillten oder gebratenen Fleischstücke, Steaks, Koteletten, auch Keulen wie den Gigot am Ende der

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R O H M AT E R I A L I E N

R O H M AT E R I A L I E N

Paprika darf logisch in einem Gulasch und in einem Ungarischen Huhn nicht fehlen. Dieses Gewürz gibt mancher Sauce noch einen gewissen Pfiff. Auch Cardamom steht in meinem Gewürzgestell und wird recht häufig verwendet. Sie bekommen ihn im Kolonialwarenladen, auch im Globus. Die Samenschale ist recht hart, kann aber mit den Fingernägeln gut aufgebrochen werden, worauf feine Samenkörner herausspringen. Sie geben einer Sauce oder einer Gewürzmischung, aber auch einem Eintopf, das gewisse Etwas. Wenn ich Scampi im Olivenöl (ganz kurz!) brate – und ich wiederhole: ganz kurz – und diese dann separat im Ofen warm stelle, gebe ich einige Cardamom-Samen in die Pfanne und etwas Knoblauch. Diesen aber möglichst frisch als ganze Zehe mit angequetschter Schale. Schliesslich noch ausgekratzte Vanille mit hinein und auch den ganzen Stängel. Das alles wird noch wenige Minuten gebraten, dann kommen die Scampi wieder mit in die Pfanne. Nur noch kurz durchmischen und sofort servieren. Wacholderbeeren gehören auch zu den Gewürzen. Man braucht sie in erster Linie (immer gequetscht) in Verbindung mit Wild, vor allem für eine Marinade. Auch Meerrettich ist letztendlich ein Gewürz. Er hat übrigens einige Namen. Bei den Engländern heisst er Horseradish, also Pferderadi, bei den Franzosen «Moutard des Allemands», Senf der Deutschen; und in Österreich nennt man ihn den Kren. Aber dort nennt man ja auch die Tomaten Paradeiser und den Blumenkohl Karfiol. Als Apfelkren wird er gerne (und sehr passend) zum Tafelspitz gereicht. Mit geschlagener Sahne vermischt passt er gut zum geräucherten Lachs. Unsere Lieblingsbeilage zum gebratenen Kalbshirn ist ein Nüssli-(Feld)Salat, mit einem Sösseli aus Rahm, Aceto Balsamico Traditionale und frisch geriebenen Meerrettich. Wegen des gross in Mode gekommenen Sushi ist auch Wasabi bekannt geworden. Die grüne, weiche, grausam scharfe Paste (welche mit Soya vermischt wird) ist übrigens japanischer Meerrettich. Oft las ich auch schon Rezepte, die etwas Senfpulver verlangen, das gibt es von Colman’s im Globus. Königskräuter gibt es im Metzgerzentrum Zürich, leider nur im Kilosack. Sie sind aber ein Geheimtipp. Sie sollten in einer sehr viel benutzten Küche immer vorhanden sein. Nicht nur für Salate, auch für alle Eintöpfe, ja selbst für die Herstellung von Würsten ist diese Kräutermischung exzellent.

Pilze dürfen Sie nie, gar nie waschen. Einfach sauber abpinseln oder mit einem Spitzmesser abschaben. Diese Kleinarbeit müssen Sie sehr sorgfältig machen und gerne auf sich nehmen, das Resultat wird besser.

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Pilze in Kürze Einige Pilze sollte der Fischer und Naturbeobachter schon kennen: Vorab die Röhrlinge, unter denen ja allein der Gallenröhrling verwechselt werden kann. Aber das ist in Wahrheit kein Problem, weil schon ein einzelner Gallenröhrling im Ragout dermassen bitter schmeckt, dass Sie den ganzen Topf in den Abfall werfen müssen. Weiter wichtig für die Küche und die Köche sind die Eierschwämme (Pfifferlinge), der Parasol, die Herbst-Trompeten, auch TotenTrompeten genannt, und logisch die Morcheln. Bei denen unterscheidet man zwischen der kleineren, schwarzen Speisemorchel, die etwas geschmacksintensiver ist, und der etwas helleren, jedoch um einiges grösseren Maimorchel. Konsultieren Sie ein Fachbuch und hängen sich noch besser einem Pilzkenner an. Finden werden Sie den feinsten der Speisepilze kaum im Wald, aber vielleicht auf dem Markt im September und Oktober. Kaiserling wird er auf Deutsch genannt, Ovoli in Italien, wo er vornehmlich herkommt. Er ist für mich der beste Ess-Pilz überhaupt. Er kostet nicht wenig, ist aber seinen Preis wert. Kaufen Sie die noch geschlossenen, aussen meist

weissen Exemplare. Nur den Staub oder Dreck entfernen und dann den Ovoli in feine Scheiben schneiden. Etwas Salz und feinstes Olivenöl auf den rohen Pilz geben und diese Köstlichkeit zu einem Pata Negra oder Jamon Serrano als Antipasti essen. Sie werden einen inneren Vorbeimarsch erleben! Für den Kaiserling und alle anderen Pilze gilt: Niemals waschen, nur abbürsten oder mit dem Messer Verunreinigungen abschaben.

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Die Freude an den Früchten Frische Früchte aller Art, halt einfach nach Saison zusammengestellt, sind sicher die gesündeste Nachspeise überhaupt. Und die bekömmlichste obendrein. Auch in dieser Beziehung lohnt es sich, den Italienern nachzueifern. Nicht umsonst ist die «Dolce-Kultur» unserer südlichen Nachbarn nicht sehr gross. Es ist die frische Frucht, die nach dem Secondi, dem Hauptgang, dominiert.

Der Apfel der Liebe Er ist im Iran heimisch und für mich die allerschönste Frucht überhaupt, besonders wenn er in der Mitte aufgeschnitten ist. Nicht umsonst sieht man ihn fast auf jedem der alten Stillleben zu unserem Thema. Nur, wie isst man ihn? Ich will Ihnen verraten wie.

Blanchieren Sie Früchte nicht vor dem Einfrieren, sie verlieren an Aroma und Festigkeit. Mit Hilfe von etwas Zucker, Alkohol oder mit der Ascorbinsäure der Zitronen lässt sich das Braunwerden verhindern.

Die Granatäpfel sorgfältig entkernen, die Kerne mit einem süsslichen Moscatel- oder Schaumwein übergiessen und eine gute Stunde lang stehen lassen. Dann pro Person einen Kelch oder eine Schale bereithalten, darin entweder eine Kugel Vanilleeis oder zum Beispiel ein Mangosorbet in die Mitte geben und dann die Granatapfelkerne samt dem Muskatwein dazugeben. Ich habe das in Irland mit dem französischen «Baumes de Venise» gemacht, weil keine Moscato aufzutreiben war; geht auch gut. Und dazu trinkt man ganz klar den Rest der Flasche, schön gekühlt. Ein edler Abschluss für ein schönes Essen. Mit Granatapfel-Kernen können Sie auch ein Linsengericht verfeinern. Aber bitte nicht mit den Linsen kochen, sondern erst kurz vor dem Servieren dazu geben.

Tomaten enthalten eine immense Menge an Säure, die Sie mit wenig Zugabe von Zucker kompensieren können und sollten, so kommt auch das Tomatenaroma noch mehr zur Geltung.

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MEINE REZEPTE

MEINE REZEPTE

rahm dazugeben und weitere 10 Minuten bei niederer Temperatur köcheln. Hühnerbrust, Gänseleber und die 50 g verbliebene Butter mit dem Mixer (Cutter) fein pürieren und dann mit dem kalten Pilzragout vermischen und vorsichtig den 1/8 Liter geschlagenen Rahm drunter ziehen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und glattrühren. In eine Terrinenform geben und mindestens 2 Stunden im Kühlschrank ruhen lassen. Nicht nur als Dekoration eignet sich eine fein gewürfelte Portwein-Sülze. G ÄNSELEBER NACH R OSA T SCHUDI Man braucht: 1 Spitzmesser, 1 Terrinenform, 1 Schale oder Bräter für das Bain Marie, 1 Backofen, 1 Gänseleber, Salz, Zucker, Portwein, sowie Cognac oder Armagnac. Bereithalten: Schüssel, sowie Papierservietten, um Messer und Hände laufend zu putzen. Eine Gänseleber wiegt in der Regel gegen 750 Gramm und reicht für eine Terrine; für die grössten, langen Terrinenformen braucht es der Stücke zwei. Mit Entenleber geht das gleiche Rezept, eine solche wiegt rund 500 Gramm und reicht für eine mittelgrosse Terrine aus. Die Vorbereitung: Die Gänseleber aus dem Kühlschrank nehmen (besser noch, sie lag eine halbe Stunde im Gefrierfach!), ein Drittel abbrechen und Rest sofort wieder zurück in den Kühler, da man nur mit der eiskalten Leber vernünftig arbeiten kann. Darum ist auch zügiges Arbeiten nach allersorgfältigstem Händewaschen angesagt. Von diesem Drittel nun kleinere Stücke abbrechen (nie abschneiden!) und mit dem Spitzmesser alle feinen Äderchen herausnehmen, das Messer ständig am Haushaltpapier abputzen. Die sauberen Stücke in die Schüssel legen. Dann kommt das nächste und dann das letzte Drittel in Etappen dran. Zum Schluss die Stücke nochmals mit den Händen in der Schüssel drehen und kontrollieren, ob auch wirklich möglichst keine Äderchen mehr drinnen sind. Pro Gänseleber nun 5 Esslöffel weissen Port und einen guten Esslöffel Cognac oder Armagnac darüber giessen, sowie einen Teelöffel Salz und einen gestrichenen Esslöffel Zucker dazugeben! Das Ganze nun rund eine Minute mit den Händen einmassieren, ohne die Stücke stark zu quetschen. Zum Schluss alles leicht andrücken, damit Port und Cognac etwas hochsteigen, und mit einer Klarsichtfolie direkt über der Masse abdecken. Mindestens eine Nacht so ziehen lassen, eventuell noch einmal die Masse etwas drehen. Die Zubereitung: Backofen auf nur 120 Grad Ober/Unterhitze vorheizen und eine Schale mit sehr warmem Wasser eine halbe Stunde vorher hineinstellen. Die Höhe des Wassers zuvor mit der Terrinenform darin so justieren, dass die Form nur noch rund zu einem Drittel aus dem Wasser herausschaut. Die ideale Wassertemperatur ist 65–68 °C, jedenfalls unter 70 °C! Terrine hineinstellen und schon nach 20–25 Minuten herausnehmen.

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Abkühlen lassen, eventuell ausgeschiedenes Fett (was eben nicht oder nur in kleinstem Mass vorkommen sollte) mit dem Löffel wegkratzen. Dann einige Stunden oder über Nacht in den Kühlschrank stellen. Aus 5 dl reinem weissem Portwein (etwas Salz nicht vergessen!) eine Sülze machen und 10 (und nicht weniger) Gelatineblätter (z.B. Migros) verwenden. Port in einer Pfanne erhitzen, die 3 Minuten im Wasser aufgeweichten Gelatineblätter mit einer Holzkelle zart unterziehen, kühl stellen und wenn kühl, aber eben noch nicht geliert, auf die eiskalte Terrine giessen. Gibt man die Sülze zu warm drauf, verflüssigt sich das Fett auf der Terrine und es gibt «Ölaugen». Die übrige Sülze in ein Förmchen giessen, damit man später kleine Gelatine-Würfel zur Dekoration der Teller schneiden kann. Ansonsten wird diese Gänseleber-Terrine ohne jeglichen Dekorations-Schnickschnack auf einem grossen, weissen Teller serviert. Beides, Terrine und Teller, sind sehr kalt. Das grobe Fleur de Sel und frisch gemahlener, schwarzer Pfeffer kommen drüber und rundherum einige Würfeli von der Sülze. Das schlichte Daherkommen adelt diese feine Speise. Ideal ist dazu ein echtes Brioche, notfalls nur Toastbrot, allenfalls auch ein ungesüsstes Milchbrot. Wer die Terrine nun stückweise auf den Toast legt, hat nicht den vollen Genuss. Wer sie gar aufs Brot streicht und dann abbeisst, der ist der guten Esssitten in diesem Bezug unkundig. Gänseleber isst man pur und nur pur und auch nicht in Ministücklein! Ist sie im Mund zersaugt und weg, folgt ein Schluck Sauternes, Süsswein, Champagner oder ein (sehr) fruchtiger Weisswein und dann erst wird mit dem Brioche wieder neutralisiert. Merke: Eine Gänseleber-Terrine ist keine Leberwurst. E NTENMOUSSE Auf dieses echte Superrezept kam ich dieser Tage in Irland. Ich hatte noch die Brüste von 3 Wildenten, aber der Speiseplan war voll. Also was tun; eine Terrine ist doch immer prima. Ich röstete die Entenbrüste kurz, liess sie innen also noch rosa, gab sie in eine Schüssel und marinierte sie mit einem kleinen Schluck Port und einem grossen Schluck Cognac. Und dann gingen die Tage dahin und ich hatte einfach keine Lust, die Terrine zu machen. Nach rund einer Woche erwarteten wir anderntags grossen Besuch und ich wagte etwas Neues, Einfaches mit diesen Wildentenbrüsten. Ich gab das Fleisch in kleinen Stücken in den Cutter (Moulinex «La Moulinette») und einen grossen Schluck Sie sollen das Eiweiss nicht steif, sondern nur gut cremig schlagen, las ich im «Winkler». Alle Massen wie Soufflés, Terrinen, aber auch manche Kuchen werden so feinporiger und samtiger in der Konsistenz. Ausserdem gehen Sie weniger Risiko ein, dass ein Soufflé aufgeht und beim Servieren zusammenfällt, was bei Verwendung von sehr steif geschlagenem Eiweiss eher passieren kann.

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GETRÄNKE

Kaffees jeden Morgen schmecken einfach nicht gut, und privat kann ich ja nicht jeden Tag erst mal zwei Kaffees wegschütten, um dann einen zu trinken. Seit einigen Jahren bin ich sehr glücklicher Besitzer einer «Lavazza Espresso Point», einer Kaffeemaschine von Cechetto. Ich bekam sie von meiner Tochter Iréne geschenkt, sie hatte sie zusammen mit ihrem Mann Markus Gräff beim Polo-Spiel gewonnen und Markus trinkt zum Glück nur verlängerten Milchkaffee. Auch wenn wir wieder von Irland zurückkommen und die Maschine lange nicht gebraucht wurde: der erste Kaffee oder Espresso ist schon absolut Top. Als ich noch eine Espresso-Maschine ohne Kapseln hatte, da hat mir der Mokka Efti von Globus als Espresso immer ganz gut geschmeckt, er ist wirklich absolute Spitze. Cecchetto Import AG, www.lavazza.ch

Wasser Hat man Gäste, gehört unbedingt Wasser auf den Tisch. Nicht um sich den Magen voll zu schütten, aber ein grosser Schluck zwischendurch bei der Mahlzeit tut gut und neutralisiert. Schlimm finde ich diese grobperligen Mineralwasser; ein Glas davon und der Bauch ist voll, der Appetit weg. Wenn schon Perlen, dann nur die allerfeinsten, und da ist für mich ganz klar das San Pellegrino die Nr. 1 – und nicht die blauen Designerflaschen, die noch übers Meer geflogen werden. Auch da sollten wir doch ein wenig an unsere Umwelt denken. Hahnenwasser hat nicht nur den Vorteil, dass es nichts kostet, es muss auch nicht herumgeschleppt werden und hat oft bessere Werte als manches Mineralwasser. Aber wenn mir ein Wirt zum Wein, den ich ja nirgends billig und auch nicht nur in kleinen Schlücklein konsumiere, auch noch Geld fürs Hahnenwasser abknöpfen will, dann werde ich staubig und gehe nicht mehr hin. Apfelwasser Im Dialekt heisst bei uns der Kanton Thurgau darum «Mostindien», weil in dieser Gegend um den Bodensee herum nicht nur die meisten Apfelbäume stehen, sondern von dort her auch der beste Most kommt, so nennen wir den Apfelsaft. Wir müssen klar unterscheiden zwischen vergorenem und unvergorenem Apfelsaft, also einem Süssmost ohne Alkohol und dem Apfelwein, der auch einfach Most genannt wird. Ich mag beide gerne, noch lieber gespritzt, das ist wahrlich ein guter und ein echter Durstlöscher. Apfelwein mit Kohlensäure wurde nicht nur einmal, sondern zu Testzwecken mehrmals, illustren Gästen in Sektflaschen gereicht; keiner merkte etwas. Da ist mir, nicht nur aus preislichen Gründen, eine ehrliche Flasche Apfelsaft oder Apfelwein lieber, auch wenn er gar als saurer Most bezeichnet wird. Wussten Sie, dass es sich beim Apfel um ein Rosengewächs handelt? Malus, wie sein botanischer Name lautet, stammt aus der Familie der Rosaceae. Vergleichen Sie nur eine Apfelblüte mit der einer einpetaligen weissen Wildrose; die Ähnlichkeit ist frappant.

Bier Eigentlich wollte ich darüber kaum ein Wort verlieren, aber mit Nichtachtung sollten wir den Gerstensaft nicht strafen. Wenn ich in München bin, trinke ich mit grossem Vergnügen im Weissen Brauhaus zwei Schneiderweisse, so heisst das berühmte Weizenbier, das ich lieber mag als andere Biere, weil es so «leicht» daher kommt. Auch das Kölsch ist mir am Rhein genehm; ich trank zum «Hämchen» und im weiteren Verlauf einer Kölner-Nacht ein Dutzend mit Alice Kolb, der wunderbaren Fliegenfischer-Freundin. Sie trank dreizehn. Bier ist für mich auch dann Begleiter, wenn ich in Zürich zum Beispiel im Kropf oder im Bierfalken sitze und mir ein Gnagi oder ähnlich rustikale Genüsse einverleibe. Ein leichtes Bier lasse ich mir zudem gerne zu einem scharfen, fernöstlichen Gericht gefallen. Nicht einmal im schönsten Pub in Irland will mir hingegen das schwarze Guinness schmecken. Und nicht einmal dann, wenn ich einen Saudurst habe. Apéro Hat man Gäste, gehört es sich, diese mit einem Apéro zu empfangen. Aber Achtung vor Hochprozentigem. Kommt ein Gast mit leerem Magen, was wir ja wohl hoffen, vielleicht sogar noch müde, kann er nach einem oder zwei gut eingeschenkten Drinks bereits eine krumme Nase haben, was für den weiteren Verlauf des Abends ja auch nicht lustig ist. Für ihn und für Sie. Machen Sie also nicht den «grossen Barmann» und – vor allem – es stehen immer etwas Gebäck, einige Stücklein Käse, Nüsse, rohes Gemüse mit einem Dip oder sogar einige Brotstückchen bereit. Nobel ist Schaumwein nur dann, wenn Champagner drauf steht, und sonst gar nicht. Wenn der Sekt, Prosecco oder wie das Gesöff sonst noch heissen mag (am Ende gar noch Rotkäppchen), zu allem Elend noch gross-, also hartperlig daherkommt, gibt das bei mir nebst Schweissaustrieb im Gesicht zusätzlich noch Kopf- und Magenweh. Es mag elitär klingen, aber ich meine es nicht elitär. Zeigen Sie doch nicht als Allererstes Ihren Gästen auf, dass Champagner nun mal nicht in Ihrem Budget liegt, das haben weder diese und schon gar nicht Sie verdient. Es gibt doch wunderbare Weissweine, und da meine ich nicht einen edlen Sancerre aus Frankreich, und schon gar keinen Chardonnay, der heute so in Mode ist, aber nicht als Apéro passt. Dafür diverse, weisse Rebsorten aus unseren drei deutschsprachigen Landen. Stichwort Gutedel (Chasselas), RieslingxSilvaner (Müller-Thurgau) und Grüner Veltliner. Manche mögen einen Pastis oder Pernod, andere einen Vermouth. Ein Noilly Prat ist nicht nur ein edler Apéro (er muss für Saucen sowieso in der gehobenen Küche stehen), ebenso gut passt ein halb- bis ganz trockener Sherry. Für mich der allerbeste Apéro überhaupt ist ein steif gemixter Dry Martini, aber mit Olive am Zahnstocher dazu. Ohne diese ist ein Dry Martini wie ein Soldat ohne Gewehr. Zum Schluss ein ehrlicher Rat zu diesem Thema: Trinken Sie wirklich nur einen Martini, der zweite hängt an.

GETRÄNKE

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Im Wein liegt die Wahrheit So sprach schon Horaz und das ist doch einige Zeit her. Aber wahr sprach er, und seine bedeutsamen Worte wurden später noch von Friedrich Hegel ergänzt im Bezug auf die Wahrheit: «Mit der stösst man überall an». Allein schon dieses Anstossen ist oft ein Stein des Anstosses, jedenfalls aus meiner Sicht. Vor allem wenn das an der grösseren Tafel geschieht und jeder meint, er müsse mit jedem anstossen. Oder gar am Ende noch, wenn der eine seinen Bierkübel oder sein Mineralwasserglas dazwischen hebt. Das ist einfach nur scheusslich. Die Franzosen und Italiener tun nichts dergleichen. Santé oder Prosit kann man auch sagen, wenn man das Weinglas (und nur ein Weinglas) gemeinsam erhebt, und sich freundlich zunickt, ohne jeglichen Zusammenstoss. Nichts dagegen habe ich, wenn man in kleinstem Kreise mit einem edlen Wein im edlen Glas dezent miteinander anstösst, sich dabei das Beste wünschend. Aber einfach nur Gläserklirren, um des Gläserklirrens willen, finde ich nicht passend. Aber Sie sehen, Hegel hat mit seinem Zusatz halt schon Recht gehabt. Habe ich doch mit meinen Worten schon bewirkt, dass ich bei all denen, die nicht meiner Meinung sind, womöglich doch schon Anstoss erregte. Aber selbst dies wäre immerhin weniger schlimm, als wenn einer zu viel Wein trinkt und am Ende gar betrunken wäre. Das gäbe Anstoss, selbst ganz ohne Gläserklirren.

Wein zum Essen oder Essen zum Wein? Die Fragestellung ist berechtigt, denn es macht einen Unterschied, ob ich einen bestimmten Wein bei einer bestimmten Gelegenheit trinken will und mir darum überlege, was ich dazu kochen möchte; oder aber, ob ich nun eine Mahlzeit vorgesehen habe und mir überlege, welchen Wein ich dazu aus dem Keller hole. Selbst zu einem Schluck einfachen, kühlen Weissen mag ich gerne etwas Knabbergebäck, ja eigentlich trinke ich gar keinen Wein, ohne nicht irgendetwas dazu zu essen. Bin ich fertig mit speisen und in meinem Glas hat es noch Wein, schiebe ich dieses Heidi rüber. Nach dem Essen habe ich nur noch in seltensten Fällen weiter Lust auf Wein. In aller Regel sucht man sich zum Essen den passenden Wein aus dem Keller. Aber gibt es dort die eine oder andere rare, schöne Flasche, ist auch weitere Überlegung angenehm: Nicht nur wann der teure Tropfen getrunken wird, sondern auch mit wem – und was dazu serviert wird. Sicher kein Menü «Grande Complication», denn im vorliegenden Fall muss ja der Wein im Vordergrund sein. Ein alter Barolo vielleicht, schon am Abend zuvor dekantiert. Der schmeckt zu Viert sehr gut, also mit einem guten Freund, etwas Brot und einem alten Hartkäse. Zu einem ehrwürdigen Burgunder ein doppeltes Kalbskotelett vom Metzger aus den Voralpen ist ebenfalls ein Volltreffer. Der reifeste Barbera oder Amarone, ein Teller voll

frische, hausgemachte Pasta, nur al burro dazu, da senkt sich doch der Himmel auf die Erde. Auch den alten grossen Bordeaux im Keller sollten Sie nicht so lange lagern, bis er hinüber ist. Gewisse Jahrgänge, zum Beispiel 72, `73, `74, `77, `79 und `80, sind das leider schon längst. Aber der 70er, 75er (wann wird der endlich reif?), 78er, auch der 82er, 85er, 86er und vor allem der 90er, die leben, gut gelagert heute noch. Und dazu darf es schon ein Châteaubriand oder ein zart gebratener Fasan sein.

Einiges Weinwissen Es ist manchmal fast unglaublich, was angebliche Weinkenner beim Degustieren für Blödsinn von sich geben. Meistens sind es solche, die hundert Château-Namen auswendig kennen und vor allem mehr über Wein gelesen als ihn getrunken haben. Lassen Sie sich nie auf Äste hinaus, der Weintrinker beschränkt sich auf den Stamm, das Wesentliche also. Komplizierte Formulierungen überlässt er dem Profi – oder auch den Ahnungslosen. Hier das meines Erachtens notwendige Grundwissen, das ein ernsthafter Weintrinker beherrschen sollte. Kleine Weinkunde Wein soll in erster Linie dem persönlichen Geschmack und dem Rahmen entsprechen, in dem er getrunken wird. Und er muss natürlich auf das Essen abgestimmt sein, das er begleitet. Weniger vom Guten ist nicht teurer und erst noch bekömmlicher als viel vom Schlechten. Bei diesem Thema muss ich sehr aufpassen, um mich wirklich nur auf das Wesentliche zu beschränken. Weinbücher von Profis gibt es schliesslich genug, auch gute. Heute nehmen wir es mit der Frage «Rot oder Weiss?» locker. Auch ein Roter geht zu Fisch, aber bitte kein schwerer, schon gar kein Cabernet Sauvignon aus heissem Klima. Sondern ein leichter, frischer (14 °C) Landwein. Lieber also rede ich vom Wesentlichen, nämlich den Weintemperaturen, denn da wird am meisten gesündigt. Merke: Wein, auch der grösste, ist über 20 °C schlecht trinkbar und unter 8 °C schmeckt auch ein Weisswein eher «hart», ausgenommen der Champagner. Eiskalt ist allenfalls von Vorteil, wenn Sie dem Gast einen Billigstweissen unterjubeln wollen: Man spürt dann weniger, wie er schmeckt. Herbere Rotweine etwas wärmer als leichte, geschmeidige servieren. Die einfache Temperaturregel lautet: 7 – 9 °C Champagner und leichte Weissweine 9 – 11 °C gehaltvolle Weissweine und Roséweine 13 – 15 °C Beaujolais und leichte Rot-, also Landweine 16 – 17 °C Burgunder, Merlot 17 – 19 °C Gehaltvoller, tanninreicher Rotwein wie z.B. Barolo und Bordeaux

Die Adstringenz Sie vermittelt einen Eindruck von Trockenheit und Rauheit im Mund. Es kann aber trotzdem ein tadelloser Wein sein, auch wenn er auf einer Weindegustation darum abgelehnt wird, weil er adstringierend ist. Es zieht einem den Mund zusammen, im harmloseren Fall kann man auch «pelzig» dazu sagen. Das kommt daher, dass in diesem Wein sehr viel Tannin (Gerbstoff) enthalten ist. Wie herb ein Wein ist, hängt von der Traubensorte, aber auch von der Weinbereitung ab. Cabernet-Sauvignon beispielsweise hat dicke Traubenschalen, die Weine sind deshalb farbintensiver und besitzen deutlich mehr Gerbstoff als der dünnhäutige Pinot Noir. Wichtig ist, dass der Gerbstoff in einer guten Relation zum Wein steht. Ein leichter Alltagswein sollte wenig Gerbstoff enthalten, schliesslich wird er auch jung konsumiert. Ein Lagerwein benötigt mehr, allerdings besitzt er auch deutlich mehr

Aussehen Geruch Geschmack Harmonie Abgang

Mit der Nase nehmen wir den Geruch, das Bouquet des Weines wahr. Der Geruch ist fast das Wichtigste bei der Weinverkostung, weil sämtliche Aromastoffe über die Nase (nicht über die Zunge!) wahrgenommen werden. Im Mund entsteht die Geschmackswahrnehmung. Diese vermittelt Temperatur, Konsistenz, Adstringenz, Kohlensäure, Leere, Dichte, Süsse und Schärfe. Doch ganz zuvorderst nimmt sogar das Ohr den Ton wahr, den es beim Einschenken ins Glas gibt, ja geben soll. Fliesst ein Wein wie Öl ins Glas und gibt keinen Ton von sich, ist er verdorben.

Ausgeschieden

Degustations-Details Ich gehe nun noch einen kleinen Schritt weiter. Vertrauen Sie zwar auf Ihr Auge, aber gehorchen sie ihm nicht blind. Degustationen bewiesen, dass andere Resultate zutage traten, nachdem man die gleichen Weine so verkosten liess, dass die Degustatoren die Farbe nicht mehr erkennen konnten! Dass der gleiche Wein in diversen Gläsern serviert anders daherkommen kann, sagte ich Ihnen schon, selbst unterschiedliche Füllmengen lassen ihn anders erscheinen. Der Bordelaiser Önologe Émile Peynaud empfiehlt, dass Sie sich Ihr eigenes, einfaches Degustationsblatt schreiben.

Ausreichend

Auge – Nase – Mund Mit dem Auge erkennen wir die Farbe des Weines: wie weit ist der Wein entwickelt, besitzt er bereits bräunliche Töne oder ist er noch jung? Ist der Wein klar oder trüb? Besitzt er Kohlensäure?

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Gut

Auf einen Nenner gebracht Der zu degustierende Wein soll in der richtigen Temperatur serviert werden. In einem hellen Raum mit weisser Tischdecke. Das Weinglas soll ein grösseres, dünnes Kristallglas sein, in welchem Sie den Wein schwenken können. Das Auge erfährt viel. Ist der Wein klar, welche Farbe hat er? Riecht er ungut in der Nase, dann degustieren Sie ihn gar nicht erst, wozu auch? Zwischenfrage: halten Sie das Glas wirklich unten am Stiel oder am Fuss und riechen Ihre Hände sauber? Stimmen Auge und Nase, dann degustieren Sie. Nicht mit einem Minischluck, sondern so viel, dass der Mund und vor allem die Zunge überall etwas abbekommen. Wichtig ist auch, im Mund Luftwirbel zu erzeugen. Die Zunge allein kann lediglich unterscheiden zwischen süss, sauer, salzig und bitter. Die verschiedenen Aromen werden mit der Nase wahrgenommen, auch wenn Sie glauben, sie auf der Zunge zu schmecken. Deshalb schmeckt ein Wein auch nach nichts, wenn Sie erkältet sind. In diesem Moment spuckt der Profi bereits aus. Aber, wenn Sie schon schlucken, achten Sie dabei auf den Abgang, der ist oft entscheidend. Hat der Wein einen kurzen oder gar keinen Abgang, dann nicht kaufen. Und schon gar nicht, wenn der Abgang bitter oder unsauber ist. Ein wirklich tadelloser Wein ist im ganzen Munde, auf der ganzen Zunge spürbar und hat einen langen Abgang.

Körper. Mehr Gerbstoff ist nicht per se besser, es hängt davon ab, wie der Gehalt im Verhältnis zur Frucht ist. Es gibt zahlreiche Weine, die enthalten zu viel Gerbstoff und werden auch nach langen Jahren der Lagerung nicht harmonisch ausreifen. Wichtig ist auch, ob die Gerbstoffe reif genug sind. Oder schmecken sie gar grün und hart? Dann lieber Hände weg von diesem Wein.

GETRÄNKE

Sehr gut

riechen will. Seien Sie, vor allem als Amateur, sehr vorsichtig mit solchen Worthülsen. Profilneurotiker gibt es auf jedem Fachgebiet, wir wollen nicht dazu gehören. Werden Sie lieber ein seriöser Weintrinker. Denken Sie daran, dass auch von diesem köstlichen und wahrlich gesunden Rebensaft zu viel genossen ungesund ist. Lernen Sie harte Arbeit der Winzer zu schätzen, die hinter jedem Tropfen steht. Also lieber kleinere Mengen mit Genuss konsumieren, als grosse Mengen in sich hineinzuschütten! Weit besser ist es, den Blick, die Nase und den Gaumen für diese wunderbare Empfindung zu öffnen.

GETRÄNKE

Hervorragend

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                                    lang  kurz  nicht vorhanden  bitter Farbe Klarheit Intensität Qualität Intensität Qualität

Beim Ausfüllen müssen Sie streng und ehrlich sein, sonst können Sie es doch gleich sein lassen. Ich habe einmal liebe Freunde zu einer Blinddegustation eingeladen und nur bei jedem der 6 Weine die Frage gestellt, würdest Du den kaufen und wie viel würdest Du dafür bezahlen, und wie viel maximal? Keiner wollte sich blamieren oder unhöflich sein; alle schrieben in etwa ganz brav: Ja, kaufen und Preise zwischen zwölf und zwanzig Franken. Im Test waren sowohl ein sehr schäbiger Billigwein sowie auch eine edle Flasche Château Margaux 1970. Kompensieren Sie mangelndes Fachwissen nicht mit herbei gezauberten Ausdrücken, wir Amateure verstehen doch alle kaum ein Prozent vom möglichen Fachwissen. Tröstlich sind die Worte des grossen Peynaud: «Meine bisherigen Erfahrungen haben es mir immer wieder bestätigt, dass bei Blinddegustationen nur dann eine Chance besteht, einen Wein zu erkennen, wenn man die zu verkostenden Weine von früher her kennt, wenn man sie persönlich schon einmal probiert hat, wenn sie insgesamt gute Bekannte sind. Hat man nichts weiter als ihre Kurzbeschreibung und muss man sie sich vorstellen, ohne sie jemals gekostet zu haben, hat man kaum Aussicht, sie zu identifizieren, selbst wenn Geburtsdatum und -ort bekannt gegeben wurde.»

Öffnen und Dekantieren Peynaud widmet diesen beiden Themen jeweils mehrere Seiten, hier auf einen Nenner gebracht: Ich verwende nur den zweistufigen normalen Flaschenöffner mit einem langen, breiten Korkenzieher und dem kleinen Messerchen zum Einschneiden der Kappe: Nie oben am Flaschenhals schneiden, sondern unter dem Wulst. Sonst läuft der Wein über die Kapsel. Einerseits dekantiert man, um den Wein von Sedimenten zu befreien, die im Laufe der Reifung entstehen. Bei diesen Trubstoffen handelt es sich meist um ausgefällte Farb- und Gerbstoffe, die bitter schmecken und deshalb nicht mit dem Wein vermischt werden sollten. Andererseits dekantiert man, um dem Wein Sauerstoff zuzuführen. Dies kann (muss aber nicht!) insbesondere bei zu jungen Weinen zu einer Verbesserung führen. Leider gibt es keine einheitliche Regelung. Meistens mag ganz besonders der grosse Barolo die Luft. Den von Scarpa dekantiere ich sogar bereits am Abend zuvor, den von Gaja aber nicht. Modernste Filtrationsmethoden in der heutigen Vinifikation sondern leider nicht nur alle Trubstoffe aus, sondern auch viele Aromen, welche im Traubengut ursprünglich enthalten sind. Ältere Weine, die Sie dekantieren, sollten Sie sicherheitshalber nicht zu lange vorher öffnen. Der Sauerstoff könnte bewirken, dass sie schlecht werden. Es kann aber sein, dass Sie eine gute Flasche irgendwelcher Provenienz aufmachen und der Wein erscheint Ihnen im ersten Augenblick «streng». Dann schenken Sie die Gläser ein, trinken und irgendwann gegen Ende des letzten Schluckes finden Sie diesen Wein auf einmal weicher, fruchtiger, harmonischer. Das muss nicht unbedingt nur vom begleiteten

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Wenn Gott nicht wollte, dass wir ihn trinken, warum hat er dann den Wein so gut gemacht? Kardinal Richelieu

Essen kommen, es kann auch gut sein, dass sich der Wein im Laufe einer Stunde durch die Luftzufuhr positiv entwickelt hat. Machen Sie eine Notiz und bei der nächsten Flasche dekantieren Sie diesen Wein vor dem Essen. Damit er von Beginn weg freundlich daherkommt. Alte Weine dekantiert man ganz vorsichtig. Man hat sie vorher schon einen oder zwei Tage gestellt, damit sich das Depot am Flaschenboden ansammelt. Beim Dekantieren hält man den Flaschenhals über eine Kerze, damit man den beginnenden Trub erkennen kann. Auch das Einschenken in den Dekanter erfolgt so ruhig, dass der alte Wein möglichst nicht

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GETRÄNKE

drinks. Bei diesen steht die Zahl 1 für «volle Ladung», also 40 cl oder 40 Gramm. Ich nehme immer mindestens die Hälfte mehr, das macht sich besser und schmeckt länger. Golden Fizz: 1 Gin, 1 Eigelb, etwas Zucker, wenig Zitronensaft, Sodawasser oder Tonic und (aber nicht nötig) etwas Grenadine. Silver Fizz: 1 Gin, 1 verquirltes Eiweiss, etwas Zucker, wenig Zitronensaft, Sodawasser oder Tonic und (aber nicht nötig) etwas Rahm. Mit einem ganzen Ei im Glas, heisst der Drink Royal Fizz. Aber egal welche Variante, shaken oder rühren Sie den Drink in viel Eis. Das Sodawasser oder das Tonic wird erst in das Glas gefüllt. Die folgenden Drinks sollten Sie auch drauf haben: Highball: 1 Whisky (klassisch Bourbon oder Canadien) im Glastumbler mit viel Eis und einer Zitronenspirale servieren und mit Ginger Ale auffüllen. Tomatensaft schmeckt noch besser, wenn sie ihn zur Bloody Mary machen: 3 : 1 Tomatensaft mit Wodka (wenn Sie dieses Verhältnis aus Versehen umdrehen, dann «gute Nacht»), dazu der Saft einer Viertel Zitrone und noch je 3 Spritzer Worcestershire und Tabasco, sowie Salz und Pfeffer.

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Nicht jeder, der säuft wird mit Trunkenheit belohnt. Manch einer ist einfach nur besoffen.

ganzen Martini-Teil weg und ersetzen ihn mit einem zusätzlichen Teil Gin. Vergessen Sie keinesfalls über den fertigen Drink ein Stück Zeste einer frischen Limone oder allenfalls einer Zitrone auszudrücken. Das hält den Drink frisch. Eine Olive am Zahnstocher muss auch dabei sein, aber ja nicht eine solche, die im Öl lag, sonst können Sie den Cocktail wegschütten. Dazu servieren Sie noch einige weitere Oliven und frisch geröstete Salzmandeln. Ich muss aber zu diesem wirklich hervorragenden Cocktail sagen, dass Sie sich die Portion schon gut einschenken können, aber keinesfalls einen zweiten kippen sollten! Der zweite fährt nämlich so ein, dass das Wohlbefinden für den weiteren Abend gefährdet ist. Nicht nur kürzlich in der Bar des «K»-Club in der Nähe Dublins wurde ich nach meiner Bestellung eines Dry Martini gefragt: «Gin or Wodka Martini». Offenbar ein neuer Furz. Forget Wodka Martini.

Mein privater Italoapéro Vor einem italienischen Essen schätze ich meinen ganz privaten Apéro, der sich wie folgt zusammensetzt: 2 Teile Campari, 1 Teil Punt e Mes, 1 Teil Amaro. Ideal ist, wenn Sie die einfache Mixtur dieser drei Teile in einem Dekanter fertig bereithalten. Dann nur noch ein Apéroglas gut mit Eis anfüllen, so viel von diesem Mix rein geben wie Sie mögen, aber immerhin so viel, dass Sie nur noch einen guten Schluck kaltes Hahnenwasser dazugeben müssen, um das Glas zu füllen. Keinesfalls fehlen darf nun ein grosses Stück Orangenschale. Schmeckt sehr gut und frisch; füllt auch den Magen nicht.

Wolf Wondratschek

Seien Sie sich einfach im Klaren darüber, dass alle diese Drinks, inklusive der heute so beliebten Whisky/Cola und Gin/Tonic den Magen füllen. Vor einem wirklich schönen Essen würde ich immer darauf verzichten. Ein Gläschen Weisswein oder Champagner passt als Apéro viel besser. Der für mich ganz klar allerbeste Apéro ist kein Drink, sondern ein Cocktail. Der klassische Dry Martini. Den kann man von «Dry» über «Extra dry» bis «Extremly Dry» nach eigenem Geschmack mixen. Die Basis ist immer ein Mixbecher gefüllt mit Eis. Ein weisser Martini (dry oder extra dry) und guter Gin, «Gordons» und «Bombay» sind gut, «Tanqueray» besser und «Hendricks» ist für mich der beste. Für einen Standard Dry Martini geben Sie 2 Teile Gin und 1 Teil Martini (ich habe den Dry lieber als den Extra Dry) in den Tumbler, gut shaken und sofort servieren in ein eiskaltes Martini-Glas. Mein Favorit ist die mittlere Version extra Dry: Ich gebe den Martini Dry zuerst ins Eis, schüttle zügig durch, leere etwas ab und fülle dann das Fehlende mit einem zusätzlichen halben Teil Gin auf, shake erneut und serviere schnell. Die Extremly Dry Version geht gleich, nur schütten Sie den

Paul Nüesch Die Barmann-Legende aus der Kronenhalle-Bar. Er ist nicht allein wegen seiner liebenswerten Persönlichkeit berühmt geworden, der Mann hat auch sein Handwerk so perfekt beherrscht wie kaum ein zweiter. Ich war dort selten anzutreffen, durfte ihn aber noch persönlich kennen lernen, als er zum Ende seiner Karriere einem Mann half, in ZürichÖrlikon einen Laden für Weine und Schnäpse aufzubauen. Das von Suzanne Speich so liebenswert geschriebene Büchlein «Zu Gast bei Paul Nüesch» (ISBN 3 444 10287 9, Hallwag) bringt einige wesentliche Tipps. So mixte Paul Nüesch den Dry Martini nicht mit Martini, sondern mit Noilly Prat. Wichtig sind ausserdem erstens ein eiskaltes Glas und kalter Gin. Dann nicht schütteln und auch nicht rühren, sondern nur mit dem Barlöffel rauf und runter, bis der Gin sein Parfüm loslässt, und dann sofort servieren. Die Zitronenschale über dem Glasrand auszudrücken hat eine wichtige Funktion: «So bleibt das ätherische Öl der Zitronenschale haften, und der Drink bleibt frisch». Auch in Sachen Bloody Mary hat der Meister mehr zu bieten, passen Sie gut auf: Statt Salz verwendete er eine Mischung von 2/3 Selleriesalz und 1/3 Paprika. Selbst der

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Schah und Onassis nahmen von dieser Mischung etwas nach Hause mit. Ein guter Barmann hat auch einen feinen Longdrink ohne Alkohol drauf. Hier das Rezept des berühmten «D REIERLEI » VON M ONSIEUR PAUL 10 g frischer Zitronensaft, 20 g Ananassaft aus der Dose, 50 g frisch gepresster Orangensaft, 50 g Grapefruitsaft aus der Dose, 20 g Zucker. Nüesch rät, die Proportionen genau einzuhalten, wobei 10 g einem cl entsprechen und 50 g einem halben Deziliter. Alles zusammen in einen Barmixer geben und auf Eis gut kühlen. Auch eine Sangria macht im Sommer Freude, die von Paul Nüesch ist die allerbeste. Wichtig ist, dass es wirklich ein Rioja sein muss. Das Rezept für bis zu 6 Personen:

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S ANGRIA 2 ½ lt. Rioja tinto, 6 Dessertlöffel Zucker, 3 Orangen, 3 Zitronen, 2 kleine Perrier (Mineralwasser), ½ TL Zimt. Wein in den Bowlenkrug geben. Zucker und Zimt mit heissem Wasser auflösen und dem Wein beifügen. Sechs Fruchtscheiben (je drei der Zitrone und der Orange) dazugeben. Schale von jeweils einer Zitrone und Orange spiralförmig abschneiden und unter leichtem Auspressen dem Wein beifügen. Das Ganze rund eine Stunde kalt stellen und vor dem Servieren das leichtperlige Mineralwasser beifügen, also San Pellegrino oder Perrier. Sangria muss kalt serviert werden. In jedes Glas kommt je eine kleine Orangen- und eine Zitronenscheibe, dazu Eisstücke nach Belieben. Ab nun, meine Damen und Herren, geht es noch härter zu, bleiben Sie trotzdem oder vor allem darum dran.

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Kleine Schnapskunde Schnaps ist, im Masse (nicht in Massen) getrunken, sehr gut. In Mengen getrunken ist das Feuerwasser äusserst schädlich für die Gesundheit. Jeder muss selbst wissen, wie er (oder sie) damit umgeht. Zum Apéro verzichte ich seit langer Zeit schon weitgehend auf Schnaps, gönne mir nur hie und da sehr gerne einen Dry Martini, die anderen Longdrinks habe ich schon längst vergessen. Umso mehr schätze ich ein Digestif, das ist das Schnäpschen nach dem Essen. Aber wenn schon, denn schon, dann nur der Allerbeste, denn meine Leber ist mir viel zu schade, um ihr irgendeinen Fusel zuzumuten. Um etwas wirklich geniessen zu können, müssen wir auch ein wenig davon verstehen. Zuallererst gilt es, gut gebrannten Schnaps vom Fusel zu unterscheiden. Das geht schon beim Preis los. Wenn Sie eine Flasche Calvados mit einem Preisschild von zehn Euro oder keinen zwanzig Franken antreffen, müssen Sie einfach schon im Voraus wissen, dass darin kein guter oder überhaupt kein Apfel steckt, sondern nur destilliertes Wasser, Sprit, Lebensmittelfarbe und Chemie von «Givaudan», das ist eine der bekannten Chemiefirmen in der Schweiz. Degustatif können Sie Qualität (und Minderwertiges) wie folgt erkennen: Sie geben von einem Schnaps einige Tropfen auf Ihren Handrücken und verreiben diese. Vergessen Sie die Hand eine Minute und riechen Sie dann daran. Wenn Sie keine Frucht, sondern nur Restalkohol riechen, hat es auch keine Frucht drin. Ist es ein echt gebrannter Schnaps, dann riecht die Handrücken-Probe genau wie die Maische, aus der ein Schnaps gebrannt wurde. Zum Beispiel fein nach Quitte, Zwetschge, Birne – oder was auch immer. Oder halt nach nichts oder gar nach fauler Ware. Die Wahrheit kommt bei diesem Test ganz klar zu Tage. Genauso, wie wenn Sie später an leeren Schnapsgläsern riechen. Zum Thema gibt es von Gölles ein gutes Fachbuch; «Edelbrände» ISBN 3-7020-0820-9, und für den, der sich für das Schnapsbrennen wirklich interessiert, ein noch besseres, das von Herbert Herbst. Er versteht es, auf nur 80 Seiten in seinem Büchlein «Schnaps brennen» alles Wesentliche zum Thema so zu sagen, dass es ein jeder versteht. Mit vielen guten Rezepturen für Liköre und Geiste! ISBN 3-7787-5173-5 in D. nur Euro 6.95.

Wie wird denn Schnaps gebrannt? Nun wird endlich der Brennkessel eingeheizt und die Maische gekocht. Weil Alkohol schon bei einer Temperatur von 78 Grad verdampft, Wasser aber erst bei 100 Grad, steigen die Alkoholdämpfe über die Glockenböden der Verstärkerkolonne. Über das Geistrohr und den Kondensationskühler fliesst dann der reine, immer glasklare Schnaps in den Brennkessel. Der heisst auch Destille, dieses Wort kommt von «Dis = Trennung» und «stillo = tropfenweise». Ein Destillat ist im

vorliegenden Fall logischerweise ein Schnaps, weil destilliertes Wasser eher was für die Autobatterie und fürs Bügeleisen ist. Heraus tropft aus der Destille also der gebrannte Schnaps. Und zwar – egal von was immer gebrannt, auch von schwarzen Kirschen – ein glasklares Destillat. Das bedeutet, sämtliche Farben, mit welchen man Schnäpse präsentiert, sind anschliessend dazu gegeben worden. Die wenigsten Schnäpse, und wirklich nur die Exklusiven, sind von echter Holzlagerung gefärbt; gelbgolden in den ersten Jahren, später goldenbräunlich. Der ganze Rest der braunen Schnäpse verdankt die Färbung hauptsächlich der Zuckercouleur, also gebranntem Zucker. Verwendet wird zum Einfärben und Schönen auch Honig. Das ist allemal weniger schlimm als die Holzschnitzel, die nicht nur in so manchem Weintank, sondern auch in Schnapsbottichen schwimmen.

Und schon kommen wir wieder zum Stichwort «Givaudan»; Lebensmittelfarbe. Ich weiss, und Sie wissen es jetzt auch gleich: Der berühmte Cognac Remy Martin wird weltweit in 25 diversen Farben angeboten, davon fast die Hälfte «exklusiv» für die Amerikaner. Je nach Staat gibt´s dort den Remy von hell bis dunkel, von grünlich bis bräunlich. Die Ansprüche sind halt unterschiedlich, und getreu nach dem amerikanischen Motto «if they want look, giv’m look» ist der Kunde König. Woher ich es weiss? Von Remy Martin; ich war 1975 glücklicher Gast, als diese Weltfirma ihr hundertjähriges Jubiläum feierte und ich den Platz meines lieben Freundes Albert Schär einnehmen «musste», weil der

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beeren und liess das ganze Lot für seine Kundschaft als Weihnachtsgeschenk brennen. Den Brennlohn zahlte er Kurt mit weiteren dieser feinen Beeren. Und seit damals gibt es dank dieser Verbindung auch heute noch bei Hans Erismann Waldhimbeeren-Schnaps von allererster Güte. Aber sein edles Aroma entfaltet er erst nach etwa fünf Jahren, vorher dominiert der Alkohol die feine Duftnote. Gute Obstbrände brauchen halt Zeit, um zu reifen.

Brand oder Geist? Die Deklarationen von Schnäpsen sind oft undurchsichtig. Da wird von «Wässerchen» geredet, Brände werden als Edelbrände angepriesen. Eaux de vie, also Lebenswasser ist im Elsass gebräuchlich. Aber was heisst schon Qualitätsbrand? Eines aber ist ganz klar: Ein Geist ist kein Brand. Dass die Herstellung technisch anders verläuft interessiert uns Konsumenten ja nicht, aber das Resultat und der Preis. Ein Geist hat letztendlich eine Ausbeute von 100 Prozent bei einem Kostenfaktor 1, ein Edelbrand hat eine Ausbeute von 2 Prozent bei einem Kostenfaktor 50 für Himbeere. Heisst ganz konkret; in einem Liter Himbeer-Brand sind 50-mal mehr Himbeeren drin als im Himbeergeist. Ein Edelbrenner bringt aus 100 Kilo Himbeeren gerade mal 4 Liter Himbeerbrand mit 41 Alkoholgraden heraus. Der Geist-Hersteller macht aus dieser Beerenmenge und 100 Litern Industrie-Sprit ganze 200 Liter auf 45 Prozent heruntergesetzten Himbeergeist. Dreimal dürfen Sie raten, womit das fehlende Aroma von den Himbeeren ersetzt wird: «Givaudan» lässt erneut grüssen. Die richtige Temperatur Die Serviertemperatur ist auch ein ständiger Diskussionspunkt, meine persönliche Meinung dazu ist ganz klar, muss aber nicht mit Ihrer übereinstimmen. Schnäpse, die man aus dem Tiefkühler trinken soll, trinkt der HRH nicht, dafür ist mir (nochmals) meine Leber zu schade. Reden wir also nur von den guten. Die Klaren, und zwar sämtliche Klare, trinke ich gerne «frisch», was ich eben darunter verstehe, näher bei kalt als bei warm. Die Braunen können «Zimmertemperatur» haben, für mich aber sind zwanzig Grad die oberste Grenze, wie beim Wein. Seichwarme Schnäpse trinke ich nicht; zu sehr ersetzen die Alkoholdämpfe das Aroma. Wenn ich da nur an die einst grosse Mode denke, den Cognac zu flambieren, tränen mir die Augen und mich brennt es in der Nase. Das passende Schnapsglas Auch das richtige Glas ist ein Thema, und zwar ein wichtiges. Vergessen Sie die riesigen Cognac-Schwenker, selbst Remy Martin schenkt seinen XO in bescheidenen Gläsern aus. Für die Klaren habe ich gerne ein schmales Glas, das GrappaGlas von Riedel gefällt mir gut. Für alle Obstschnäpse sind elegante Stielgläser in Tulpenform weit idealer als die oft gereichten dicken Mini-Zahnputzgläser. Keramik und Porzellan kann man eh vergessen. Eine andere Sache ist es, wenn unter Jägern und Fischern die Becher kreisen. Da kann man

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Zinn oder Edelstahl durchgehen lassen, rein degustatorisch gesehen, sind sie zwar abzulehnen, aber wer nimmt denn schon Edelkristall mit ans Wasser oder in den Wald? Ein Wirtshaus, wo man mir den Schnaps knapp einschenkt, mache ich, zur Unfreude der Heidi, darauf aufmerksam, dass ich das überhaupt nicht schätze. Und wenn meine gut gemeinten Worte nicht ankommen, besuche ich das Etablissement kein zweites Mal. Denn ich will nicht auf den Digestif verzichten, aber mich auch nicht ärgern. Das widerfährt mir, wenn der Kellner sich noch bückt, um ja den Eichstrich am Glas nicht zu verpassen. Ich sag dann immer, er soll aufpassen, dass er sich kein Auge abbricht.

Das Füllmass Früher war das Mass noch 25 cl, heute sind es ja nur noch lausige 20 cl. Mit diesem Mass ist ja nun wirklich «nichts» im Glas. Meine Bemerkung, dass ich einen hohlen Zahn habe, in dem diese paar Tröpfchen verschwinden, verhallt oft ungehört. Allenfalls fragen die Eichstrich-Wächter in KellnerUniform, ob es ein Doppelter sein darf, logo zum doppelten Preis. Ebenfalls eine Ungerechtigkeit, denn im satten Preis für einen Schnaps sind ja auch die Service-Arbeit und der SpülerLohn schon inbegriffen. Beides beanspruche ich doch wohl nicht doppelt, wenn ich mir einen Doppelten genehmige? Da erinnere ich mich gerne noch an die wahrlich guten, alten Zeiten in der «Burg» in Meilen, wo die Wirtsleute anständig einschenkten und dann die Flasche stehen liessen und sagten, man solle selber allenfalls nachschenken. Umsatzmaximierung Eine ungezogene Umsatz-Maximierung findet immer auch dann statt, wenn man z.B. einen Grappa bestellt und dann wird ein «Grappa di Barolo» oder sonst ein sauteurer offeriert. Beisst der Gast an, ohne nach dem Preis zu fragen, hat er am Schluss eine so gewaltige «Gasrechnung», dass der Abend grad keine Freude mehr gewesen ist. Nur ein Beispiel: In einem guten Restaurant, Luftlinie keine 5 Kilometer vom Erismann entfernt, versuchte man das auch mit mir. Ich wies alle die Luxusbrände zurück und verlangte nach einem Pflümli. Doppelt. 39 Franken standen dann auf der Rechnung für 2 Mirabelle d’Alsace. Für den gleichen Preis hätte der Wirt beim Erismann einen ganzen Liter gekauft und erst noch einen mindestens gleich guten. Davon gibt es 25 doppelte, mal die 39 gibt im Kopf ausgerechnet 975 Stutz. Das entspricht dem Kalkulationsfaktor 25. Mich sieht man in 25er-Restaurants nie mehr wieder. Wenn die Wirte schon ständig klönen, die Umsätze blieben zurück, weil die Leute «nichts» mehr trinken, dann sollten sie doch nicht noch die letzten Gäste verärgern, die noch etwas trinken. «Ich muss noch Auto fahren», ist heute längst auch eine Abwehr-Parole gegen räuberische Getränkepreise. Wenn der Schnaps-Preis stimmt, zahlt der Gast das Taxi weit gelassener – oder eine Runde spricht sich vorher ab, wer als Chauffeur nüchtern bleibt.

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Zu billiges Essen Eine Lanze möchte ich aber für die Schweizer Wirte brechen mit einer Feststellung, die einige erstaunen wird: Die Preise für das Essen in den Restaurants sind in der Schweiz zu billig, sogar billiger als in Italien, wo Rohmaterial, Mieten und Löhne weit günstiger sind. Mittagsmenüs für Fr. 16.50, die Fleisch, Gemüse, Kartoffeln und erst noch Salat und Suppe enthalten: was will denn der Wirt daran noch verdienen? Nichts! Dafür bestraft er den Weintrinker und bietet einen halben Liter Italiener, den er für zwei Franken einkauft, für das Zwölffache an. Mir stinkt es aber gewaltig, wenn ich als Weintrinker das Essen der Wasser- und Biertrinker subventionieren soll. Und von denen gibt es immer mehr – hauptsächlich wegen der Getränkepreise. Genauso, wie viele «Vegetarier» nur darum solche sind, weil sie sich die exorbitanten Fleischpreise in unserer Schweiz nicht mehr leisten können.

mit Eiweiss, statt mit ganzen Eiern zu machen, das ist eine Variante, also Nudelteig, der ohne das Eigelb nur heller aussieht, aber deswegen nicht unbedingt schlechter, dafür sogar geschmeidiger ist. Ich werde das demnächst ausprobieren. Aber ich habe noch ein Rezept, nämlich für Nussstängeli: Sie zerquirlen zuerst die Eiweisse und geben dann gemahlene Haselnüsse und Zucker dazu, vermischen das alles sorgfältig mit dem Mixer. Der Backofen ist auf 200 Grad gut vorgewärmt und das Backblech mit einer Folie ausgelegt. Mit einem kleinen Esslöffel nehmen Sie nun aus der Masse eine kleine Portion nach der anderen und verteilen diese auf die Backfolie. Dann für einige Minuten in den Ofen damit und Sie haben feine «Chrömli», oder wie sagt man bei Ihnen so für kleine Gutzeli zum Kaffee? Noch eine Variante habe ich Ihnen anzubieten: Salzburger Nockerl! Sie finden das beste Rezept dafür im Band II meiner Kochbuch-Serie, im Reisekapitel «Österreich».

Wie die Birne in die Flasche kommt Im empfohlenen Buch von Herbert Herbst «Schnaps brennen» wird es auch im Bild gezeigt. Sie stülpen nach der Blütezeit einfach über den ersten Fruchtansatz eine weisse Flasche und befestigen sie so, dass sie nicht abfallen kann. Ist die Birne reif, aber nicht überreif, werden Frucht und Flasche abgenommen. Doch warum dann mit billigem Kornschnaps füllen wie vorgeschlagen? Nehmen Sie doch einen anständigen Birnenbrand und füllen die Flasche immer wieder dann auf, wenn die Birne nicht mehr bedeckt ist. So hält sie für Jahre. Vom Verzehr der Birne selbst ist abzuraten: Sie hat sich derart mit reinem Alkohol voll gesogen, dass sie ungeniessbar wurde. Ich habe das einmal probiert.

VS oder VSOP? Die bekannten Cognacs werden alle speziell bezeichnet. Sie als Konsument sollten Bescheid wissen. VS (very super) kann auch mit VO bezeichnet werden und bedeutet very old. Jeder Buchstabe steht für entsprechende Jahre Lagerung. Ein VSOP ist also doppelt so alt; die Buchstaben bedeuten very super old pal. Achten Sie vor allem beim Kauf im Taxfree Shop auf diese Differenz. Der Extra Courvoisier vieille ist 60 Jahre alt, der Extra Martell Cordon Bleu 35 Jahre, der Martel Médaillon 27 Jahre und der X.O von Henessy ist auch über 30 Jahre alt.

E IERLIKÖR Er ist nicht nur bei den Damen beliebt und in perfekter Qualität einfach herzustellen. Sie brauchen 15 Eigelb – 300 g Zucker – 330 ml Wasser – 1 Eiweiss – 230 ml Weingeist (96%iger Alkohol). Alle Zutaten vor der Verarbeitung auf Zimmertemperatur bringen. Die Eigelbe in eine Schüssel geben, gründlich verrühren und durch ein Haarsieb in eine andere Schüssel passieren. Dann 220 ml, also 2/3 der Wassermenge erwärmen und den Zucker darin auflösen. Diese Lösung auf Zimmertemperatur abkühlen, dann langsam bei ständigem Rühren unter die Eiercreme mischen und schliesslich das leicht aufgeschäumte Eiweiss drunter ziehen. Nun den Weingeist mit dem restlichen Drittel Wasser mischen und langsam einrühren. Den fertigen Likör in Flaschen füllen, kühl und dunkel lagern. Mein Grosi Rosa hat jeweils noch eine Spur Vanillezucker dazu gegeben.

14 Eiweisse sind übrig Es kommt immer wieder vor, dass man in der Küche Eiweiss übrig hat, aber 14 Stück sind doch immerhin etwas. Also was tun damit? Alfred Walterspiel empfiehlt, den Ravioliteig nur

Cognac, Armagnac, Weinbrand oder Brandy? Letztendlich sind alle vier genannten Schnäpse Weinbrände. 150 Kilo Trauben ergeben 100 Liter Wein und das ergibt rund 20 Liter Weinbrand. Warum also die diversen Bezeichnungen? Nur aus den Trauben in einem ganz bestimmten Gebiet in Frankreich, eben in Cognac, darf der Weinbrand als Cognac bezeichnet werden. So ist es auch mit dem anderen bekannten Gebiet, dem Armagnac. Sämtliche Weinbrände aus den Gebieten ausserhalb von Cognac und Armagnac werden weltweit als Brandy, in Deutschland als Weinbrand bezeichnet.

Setzen Sie einem Whisky einmal etwas Vanillin zu. Er wird runder und harmonischer. Alle im Holz gereiften Alkohole enthalten bestimmte Verbindungen, wie eben auch Vanillin. Diese Note spürt der Kenner oft auch an seriösen Barrique-Weinen heraus.