Update Arbeitsrecht: Arbeitsrechtliche Neuerungen 2016 und aktuelle Judikatur

Update – Arbeitsrecht: Arbeitsrechtliche Neuerungen 2016 und aktuelle Judikatur Dr. Caroline Graf-Schimek, LL.M. Abteilung Sozialpolitik, Wirtschaftsk...
Author: Hansl Wolf
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Update – Arbeitsrecht: Arbeitsrechtliche Neuerungen 2016 und aktuelle Judikatur Dr. Caroline Graf-Schimek, LL.M. Abteilung Sozialpolitik, Wirtschaftskammer Wien

Arbeitsrechtliche Neuerungen 2016 • • • • • • •

Angabe des Grundlohns Schriftliche Lohnabrechnung All-In-Klauseln Konkurrenzklauseln Ausbildungskostenrückersatz Neuerungen im Mutterschutzgesetz Neuerungen bei der Arbeitszeit

Betragsmäßige Angabe des Grundlohns im Dienstzettel (§ 2 Abs 2 Z 9 AVRAG) • Pflicht zur Ausstellung eines Dienstzettels nach § 2 AVRAG. • NEU seit 29.12.2015: Im Dienstzettel ist die Höhe des Grundgehalts/-lohns betragsmäßig anzugeben. • Verweisung auf den KollV nicht mehr ausreichend! • Jede Änderung ist dem AN unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrer Wirksamkeit, schriftlich mitzuteilen (zB bei einer Gehaltserhöhung). • Ausnahme: KollV-Erhöhung oder dienstzeitabhängige Vorrückung in der selben Verwendungsgruppe.

Verpflichtung zur schriftlichen Lohnabrechnung (neu: § 2f AVRAG) • Neu seit 1.1.2016: • Dem AN ist bei Fälligkeit des Entgelts eine schriftliche, übersichtliche, nachvollziehbare und vollständige Abrechnung von Entgelt und Aufwandsentschädigungen zu übermitteln. • Die Abrechnung kann dem AN auch auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. • Der AG hat dem AN eine Kopie der Anmeldung zur Sozialversicherung unverzüglich auszuhändigen.

All-In-Klauseln - Voraussetzungen • Durch Überzahlung auf den KV-Mindestbezug werden die geleisteten ÜSt/Mehrstunden inkl Zuschlägen abgegolten. • Bei Sonderzahlungen als unselbständiger Gehaltsbestandteil zu berücksichtigen. • Überzahlung ist auch dann in voller Höhe zu leisten, wenn keine oder weniger ÜSt geleistet werden. • Ein einseitiges Abgehen bzw die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts ist nicht möglich. • Deckungsprüfung der Überzahlung: Achtung! Korrekte Mehr/ÜSt-Teiler und ÜSt-Zuschläge

All-In-Klauseln (neu: § 2g AVRAG) • Gilt für ab 1.1.2016 abgeschlossene All-In-Klauseln. • Neu: Betragsmäßige Anführung des Grundgehalts ist verpflichtend. • Verweis auf KollV-Einstufung nicht ausreichend! • Aufsplittung in KollV-Gehalt und Überzahlung. • Fehlt die betragsmäßige Angabe des Grundgehalts:  AN hat Anspruch auf den Grundgehalt einschließlich der branchen- und ortsüblichen Überzahlungen (= IstGrundgehalt). Höhe??  Ist-Grundgehalt ist bei der Berechnung der abzugeltenden Entgeltbestandteile heranzuziehen.

Konkurrenzklausel – Voraussetzungen (§ 2c AVRAG, § 36 AngG) • Beschränkung der künftigen unselbständigen oder selbständigen Tätigkeiten des AN nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, • im Geschäftszweig des AG, • max. Dauer: 1 Jahr, • AN muss im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung volljährig sein, • Beschränkung darf keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des AN enthalten.

Konkurrenzklauseln – (neu: § 2c AVRAG, § 36 Abs. 2, § 37 Abs. 3 AngG) • Gilt für ab 29.12.2015 abgeschlossene Konkurrenzklauseln. • Neu: Entgelt im letzten Monats des Arbeitsverhältnisses muss das 20-fache der täglichen Höchstbeitragsgrundlage (ohne Sonderzahlungsanteile) übersteigen  2016: € 3.240,-- brutto monatlich. • Konventionalstrafe auf maximal 6 Nettomonatsentgelte (ohne Sonderzahlungen) begrenzt.

Ausbildungskostenersatz (§ 2d AVRAG) • Rückforderung der tatsächlichen Kosten der Ausbildung • Schriftliche Vereinbarung in Bezug auf konkrete Ausbildungsmaßnahme • Ausbildung, die dem AN Spezialkenntnisse theoretischer und praktischer Art vermittelt, die dieser auch bei anderem AG verwerten kann (keine Einschulungskosten).

Ausbildungskostenersatz (neu: § 2d Abs 3 AVRAG) • Gilt für ab 29.12.2015 abgeschlossene Vereinbarungen. • Neu: Bindungsdauer nach dem Ende der Ausbildung: nunmehr 4 Jahre, in besonderen Fällen 8 Jahre. • Monatliche Aliquotierung gesetzlich vorgeschrieben (bei 4jähriger Bindung: 1/48 pro Monat). • Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung bei jährlicher oder quartalsweiser Aliquotierung!

Teilpension (neu:§ 27a AlVG) • Erweiterte Altersteilzeit, keine „neue Pensionsart“ • Zweck: Männer mit Anspruch auf Korridorpension (62 Jahre) sollen nicht vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. • kontinuierliche Reduktion der Arbeitszeit um 40-60 %, dafür Erwerbstätigkeit bis zum 65. Lebensjahr. • Ersatzrate: 100% der Mehraufwendungen des AG • Teilpension kann nahtlos an eine kontinuierliche Altersteilzeitvereinbarung anschließen, Umstellung laufender kontinuierlicher Altersteilzeiten möglich. • Gemeinsame Höchstdauer für Altersteilzeit und Teilpension: 5 Jahre

Neuerungen im Mutterschutzgesetz • • • •

Fehlgeburten Freie Dienstnehmer Elternkarenz Elternteilzeit

Fehlgeburten (§ 10 Abs. 1a, § 12 Abs. 1 und 3 MSchG) • Kündigungs- und Entlassungsschutz bis zum Ablauf von 4 Wochen nach einer Fehlgeburt, • beginnt mit Fehlgeburt unabhängig von Meldung zu laufen.  Kündigung ist unwirksam, Entlassung nur nach Zustimmung des Gerichts • Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nach Verlangen des AG.

Freie Dienstnehmer • Teilweise Einbeziehung von freien DN iSd § 4 Abs. 4 ASVG in das MSchG: • Beschäftigungsverbote nach §§ 3, 5 MSchG (8 Wochen vor und nach der Entbindung, individuell aufgrund eines Zeugnisses des Arbeitsinspektions- oder eines Amtsarztes). • Pflicht des AG zur schriftlichen Mitteilung an das Arbeitsinspektorat nach Kenntnis von der Schwangerschaft. • Motivkündigungsschutz bis 4 Monate nach Geburt (Kündigung wegen Schwangerschaft oder eines Beschäftigungsverbots), bei Nichtanfechtung Kündigungsentschädigung.

Lockerung der Meldefristen für Elternkarenz (§ 15 MSchG) • Regelfall: Karenzanspruch des AN bis 2. Geburtstag im Anschluss an Beschäftigungsverbot nach der Geburt. • Neu: Hat der andere Elternteil keinen Anspruch auf Karenz (zB Selbstständige, Studenten), kann AN Karenz auch zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch nehmen. • Bekanntgabe von Beginn und Dauer der Karenz spätestens 3 Monate vor dem Antritt. • Kündigungs- und Entlassungsschutz beginnt mit der Bekanntgabe, frühestens jedoch 4 Monate vor Antritt der Karenz.

Elternteilzeit - Voraussetzungen (§ 15h MSchG) • Anspruch auf Elternteilzeit längstens bis zum 7. Geburtstag oder einem allfälligen späteren Schuleintritt des Kindes, • wenn im Betrieb regelmäßig mehr als 20 AN beschäftigt sind, • das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung mindestens 3 Jahre gedauert hat, und

Elternteilzeit (neu: Arbeitszeitbandbreite) • NEU für Geburten ab 1.1.2016: • Reduktion der wöchentlichen Normalarbeitszeit um mindestens 20% und keine Unterschreitung der Mindestarbeitszeit von 12 Stunden (Bandbreite). • Bandbreite gilt auch für die vereinbarte Elternteilzeit. • Vereinbarung eines Teilzeitmodells außerhalb der Bandbreite  = Elternteilzeit mit Kündigungsschutz! • Aber: Änderung der Lage der Arbeitszeit nach wie vor kündigungsgeschützt.

Neuerungen bei der Arbeitszeit • Reisezeiten • Informationspflicht für Teilzeitbeschäftigte

Reisezeiten (neu: § 20b Abs 6 AZG) • Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit bei Vorliegen aktiver Reisezeit auf bis zu 12 Stunden (vorher 10 Stunden). • Wochenhöchstgrenze von 50 Stunden (§ 9 Abs 1 AZG) unverändert. • Wenn der AN während einer Dienstreise das Fahrzeug auf Anordnung selbst lenkt. • Das gilt nicht für AN, deren Haupttätigkeit das Lenken eines Fahrzeugs ist (Berufskraftfahrer, Taxifahrer, etc). • Für jugendliche Lehrlinge ab 16 kann durch passive Reisezeit die tägliche Höchstarbeitszeit auf bis zu 10h ausgedehnt werden (§ 11 Abs 3a KJBG).

Informationspflicht für Teilzeitbeschäftigte (neu: § 19d Abs. 2a AZG) • AG hat teilzeitbeschäftigte AN zu informieren: • bei einer Ausschreibung von im Betrieb freiwerdenden Arbeitsplätzen, die zu einem höheren Arbeitszeitausmaß führen können, • kann erfolgen durch • Aushang an geeigneter, leicht zugänglicher Stelle, • geeignete elektronische Datenverarbeitung oder • geeignete Telekommunikationsmittel.

• Bei Nichteinhaltung droht Verwaltungsstrafe bis 436 €.

Lohn- und Sozialdumping (§ 7i Abs 5 AVRAG) • „Wer als AG einen AN beschäftigt, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, VO oder KV zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien (...) zu leisten, ...“ • Entgelt: • Grundgehalt/-lohn, Sonderzahlungen, entgelthafte Zulagen und Zuschläge, ausgenommen sozialversicherungsfreie Entgeltteile (§ 49 Abs. 3 ASVG) • Achtung: korrekte Einstufung in KollV • Achtung: Vordienstzeiten, Zeitvorrückung, (zeitlich) richtige Tabelle,.. • Weitere Fallen: Ferialpraktikanten, Werkverträge, .. • Aliquotierungsfehler bei Sonderzahlungen • Achtung: Mehr-/Überstundenteiler und –zuschläge!

Aktuelle Judikatur • Kündigung wegen langer Krankenstände sozialwidrig? • Können Sachbezüge auf das KollV-Mindestentgelt angerechnet werden? • Schweigen des AN als Zustimmung zum Urlaubsverbrauch? • Überstundenpauschale während der Elternteilzeit? • Elternteilzeit: Beginn des Rechtsanspruchs und des Kündigungsschutzes • Aliquotierung einer Kinderzulage nach KollV bei Teilzeitbeschäftigten? • Entlassung eines Mitglieds des Betriebsrats

Kündigung wegen langer Krankenstände sozialwidrig? • OGH 26.11.2015, 9 ObA 116/05x • Lange Krankenstände können personenbezogene Kündigungsgründe sein. • Es kommt auf Dauer und zukünftige Entwicklung an. • Keine starre Grenze für überhöhte Krankenstandstage. • Konnte die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden, rechtfertigen hohe Krankenstände in der Vergangenheit die Kündigung nicht. • Achtung: Soweit Krankenstände auf Behinderungen beruhen, sind Diskriminierungsanfechtungen denkbar.

Können Sachbezüge auf das KollVMindestentgelt angerechnet werden? • OGH 27.8.2015, 9 ObA 92/15t • KV Handel, Außendienstmitarbeiter • Vereinbarung, dass der Sachbezug für ein Firmenfahrzeug mit Privatnutzung zur Ausübung der Reisetätigkeit auf das KV-Mindestentgelt angerechnet wird. • OGH folgt VwGH, dass eine Anrechnung des Sachbezugs nicht zulässig ist. • Die Festlegung von Mindestentgelten in Euro im KollV sind als Geldzahlungsgebot zu verstehen, wenn der KollV keine Durchbrechung des Anrechnungsverbots für vereinbarte Naturalleistungen vorsieht.

Schweigen des AN als Zustimmung zum Urlaubsverbrauch? • OGH 25.6.2015, 8 ObA 48/15i • Bei Dienstfreistellung ausdrückliche oder schlüssige Urlaubsvereinbarung möglich. • Der AG ließ dem AN beim Ausspruch der Kündigung und gleichzeitiger Dienstfreistellung keine Wahl, sondern erklärte, dass er den noch nicht konsumierten Urlaub verbrauchen müsse. •  Schweigen des AN und Rückgabe der Schlüssel hat nicht den Erklärungswert einer (schlüssigen) Zustimmung. •  Auch bei Dienstfreistellungen ausdrückliche schriftliche Urlaubsvereinbarungen empfohlen!

Überstundenpauschale während der Elternteilzeit? • • • •

OGH 24.6.2015, 9 ObA 30/15z Museumsmanagerin mit Überstundenpauschale Elternteilzeit mit 30 Stunden, leistet keine Überstunden § 19d Abs 8 AZG: Keine Verpflichtung zur Leistung von Mehrarbeit bei Elternteilzeit gem MSchG oder VKG. • Anspruch auf eine vereinbarte Überstundenpauschale ruht für die Zeit der Elternteilzeit. Leisten AN während der Elternteilzeit jedoch Mehr- und Überstunden, haben sie auch das entsprechende Entgelt zu erhalten.

Elternteilzeit: Beginn des Rechtsanspruchs und des Kündigungsschutzes • OGH 29.10.2015, 8 ObA 68/15f • Der besondere Kündigungsschutz nach § 8f VKG beginnt auch dann grundsätzlich mit der Bekanntgabe der Elternteilzeit, wenn das Dienstverhältnis des Vaters zwar noch nicht zu diesem Zeitpunkt, wohl aber zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen 3 Jahre gedauert hat und auch die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Elternteilzeit vorliegen.

Aliquotierung einer Kinderzulage nach KollV bei Teilzeitbeschäftigten? • OGH 29.1.2015, 9 ObA 147/14d (EuGH 5.11.2014, Rs C476/12) • Kinderzulage laut KollV ist Entgelt • Ist der AN teilzeitbeschäftigt, ist die aliquote Berechnung der Kinderzulage im Verhältnis zum Ausmaß der Arbeitszeit sachlich gerechtfertigt und angemessen. • Reduzierte Arbeitszeit ist ein objektives Kriterium, das eine proportionale Kürzung aller Entgeltansprüche erlaubt. •  Aliquotierung von Entgeltleistungen nach dem Ausmaß der Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten ist zulässig und stellt keine Diskriminierung dar.

Entlassung eines Mitglieds des BR? • OGH 27.5.2015, 8 ObA 17/15f • Weitergabe von Gehaltsdaten an AK durch BR • Entlassungsgrund: Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 122 Abs 1 Z 4 ArbVG)? • Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichts erforderlich • Einsichtsrecht des BR in Gehaltslisten (§ 89 Z 1 ArbVG). • Mandatsschutzklausel: keine Zustimmung, wenn Verhalten in Ausübung des Mandats gesetzt und entschuldbar. • OGH: Handlungsweise des BR entschuldbar, keine Zustimmung zur Entlassung trotz Geheimnisverrat, weil hier die Mandatsschutzklausel zum Tragen kommt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Kontakt: Dr. Caroline Graf-Schimek Wirtschaftskammer Wien, Abteilung Sozialpolitik, Stubenring 8-10, 1010 Wien, Tel. 01/51450 -1417 [email protected]

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