Und wie ist es heute?

1 Heute stelle ich mich nicht hinter die Kanzel - jedenfalls nicht die ganze Zeit. Heute setz ich mich in den Sessel, habe mir was zum Trinken bereitg...
Author: Heike Gerhardt
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1 Heute stelle ich mich nicht hinter die Kanzel - jedenfalls nicht die ganze Zeit. Heute setz ich mich in den Sessel, habe mir was zum Trinken bereitgestellt, ein schönes Buch dazu gelegt. Weil - ja weil ich Euch Lust machen möchte auf den Sonntag. Auf eine schöne Zeit daheim. Oder - wem das lieber ist - und gesünder ist es allemal: Ich will euch Lust machen zu einem Spaziergang in unserer herrlichen Landschaft. Und zu einem Besuch bei jemand. Ja, schaut euch nur mal um in der Gemeinde. Bei wem ihr schon lange nicht mehr gewesen seid. Wäre heut nicht eine gute Gelegenheit, mal wieder anzuklopfen und Hallo zu sagen? Ja zu so was soll am Sonntag Zeit sein. Das wird uns nicht nur geraten, sondern geboten. Denn so sagt es das Sabbatgebot im Alten Testament, das Luther in die Worte gefasst hat: „Du sollst den Feiertag heiligen!“ Ich lese 2. Mose 20, 8 - 11 Ihr Lieben, ist es nicht toll, dass uns eines der Gebote gar nichts abverlangt, sondern uns im Gegenteil nur Schönes bietet: Ruhe - Unterbrechung des Arbeitsflusses - Feiern zusammen mit anderen - Entspannung und Zeit für das Leben mit anderen? Aber was machen wir mit diesem Angebot? Nützen wir es? Manchmal ja, manchmal auch nein. Dabei haben wir so gute Voraussetzungen. Die meisten haben ein Wochenende, wo am Freitagabend schon Schluss ist mit der beruflichen Arbeit. Am Samstag kann man dann erledigen was nötig ist und am Sonntag entspannen, feiern und aufatmen. Unsere Eltern und Großeltern hatten nur den Sonntag und haben sich oft mehr daran gehalten als wir. Meine Familie kommt vom Land. Und als Kind habe ich noch mitbekommen, wie das war, wenn Regen angesagt war, wenn man das Heu hätte holen sollen, aber das war am Sonntag tabu, auch wenn die Nachbarn noch sei eifrig fuhren. Und wie ist es heute?

2 Der Gottesdienst ist ein wichtiges Element des Sonntag, ich glaube, da stimmt ihr mir zu. Aber auch da nimmt die Zahl derer zu, die auch gerne mal zuhause bleibt und alles fünfe grad sein lässt. Das gute Sonntagsessen am Mittag und die ausgedehnte Vorarbeit dazu ist vielleicht nicht mehr ganz so angesagt, wie früher. Dann bleibt wohl Zeit für ein Nickerchen, bevor Kaffee und Kuchen locken. Oder ist das zu idyllisch? Kommt nicht schnell auch das Gefühl auf: Ich sollte noch was tun! Wir hören, wie Schüler eingespannt sind durch das G8 und oft am Sonntag lernen müssen, weil in der Woche Arbeiten anstehen. Die berufstätige Mutter scheut den Blick ins Bügelzimmer, weil noch Wäsche versorgt werden muss. Oder es gibt das und jenes, von dem man denkt: Wenn ich es heute mache, ist es weg und die neue Woche nicht so gefüllt. Und natürlich akzeptieren wir, dass viele am Sonntag Dienst tun. Nicht nur Pfarrer, Ärzte und Menschen in der Pflege, sondern auch die Angestellten in den Gaststätten in den Verkehrsbetrieben oder in der Energieversorgung. Es gibt Sonderschichten in der Industrie und trotz dem Einspruch der Kirchen immer wieder verkaufsoffene Sonntage. Und - das muss man auch mal selbstkritisch sagen und bedenken: Auch die Kirchen und Gemeinden besetzen oft den Sonntag mit ihren Terminen und handeln selbst gegen das Gebot. Kurz gesagt: Ich behaupte: Wir kennen das Gvebot, nehmen es aber nicht wirklich wichtig! Gäbe es eine Prioritätenliste bei den Geboten stünden andere vorne: „Du sollst nicht ehebrechen“ zum Beispiel, oder „ Du sollst nicht stehlen“. Das Sabbatgebot käme wohl ganz am Schluss. Wozu also das Sabbatgebot? Mir sind drei Aspekte wichtig: 1.) Der Sonntag ist wichtig für uns selbst. 2.) Der Sonntag ist wichtig für den Glauben 3.) Der Sonntag ist wichtig für die Welt um uns herum.

3 Für uns selbst. - Wir leben in einer Zeit, wo wir nicht nur am Arbeitsplatz, sondern auch zuhause und sogar in der Freizeit ständig umgeben sind von nimmermüden, unglaublich leistungsfähigen Apparaten und Maschinen. Einschalten und es läuft. Und das übertragen wir das auf uns selbst und meinen: So müsste es bei uns auch sein. Aber wir sind Menschen und keine Maschinen. Wir haben Höhen und Tiefen. Manchmal läuft es toll und manchmal eben nicht. Unser Leben unterliegt einem Rhythmus. Wer das vergisst, schadet sich selbst und überfordert andere. Mit unserer Lebenskraft ist es wie mit einem Brunnen. Er hat nur einen ganz bestimmten Wasserzufluss. Wird zuviel abgeschöpft, trocknet der Brunnenboden aus und die kleinen Kanälchen durch die das Wasser zufließt, fallen in sich zusammen und verstopfen. Lässt man ihn in Ruhe, kann sein, dass das Wasser wieder durchkommt und er sich erholt. Schöpft man weiter ab, kann es sein, dass er ganz versiegt. Ja, der erkennbare Rhythmus in der Schöpfung mit dem Wechsel von Tag und Nacht und dem Unterschied der Jahrszeiten sind gute Bilder für das, was wir brauchen: Einen spürbaren Lebensrhythmus. Und zwar für den Ablauf am Tag, im Blick auf die Woche und auch auf längere Sicht. Auf Zeiten der Anspannung muss auch wieder Ruhe folgen. Wir sind eben keine Maschinen. Nicht sie sollen Vorbild für uns sein, sondern Gott. Auch er schafft nicht durch, sondern „ruhte am 7. Tag“. Und nebenbei: Ich erinnere mich an den bitteren Kommentar eines Ende Fünfzig Jährigen, der sagte: „Als es darauf ankam, hat mein jahrelanger Einsatz für die Firma und alle Überstunden keine Rolle gespielt. Ich war nur noch ein Kostenfaktor, den man loshaben wollte.“

2.) Der Sonntag ist wichtig für den Glauben.

4 An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass mit der Wahl Arbeit oder Ruhe oft viel mehr auf dem Spiel steht, als wir ahnen. Die Sonntagsruhe ist keine lässige Sünde. Hier zeigt sich, ob wir überhaupt Glauben haben oder nicht. Ob unser Glaube Kraft hat oder keine. Besser als ein Pfarrer bringt das der bekannte Psychologe HorstEberhard Richter auf den Punkt, indem er vom so genannten „Gotteskomplex“ spricht. Gemeint ist, dass Menschen, die keinen Gott mehr über sich wissen, anfangen die Lücke selbst zu füllen und nun zwanghaft mit viel Arbeit und Sorge ihr Lebensglück erringen wollen. Und der Sonntag ist die Erinnerung daran, dass der Himmel eben nicht leer ist, sondern erfüllt von einem gütigen Gott, der für uns sorgt. Der Sonntag will diesem Komplex entgegen wirken und ein Bekenntniszeichen sein. Natürlich weiß ich auch, dass Arbeit zum Leben gehört und Faulheit oder Trägheit nicht belohnt wird. Aber aus eigener Erfahrung kann ich auch sagen: Oft hätte weniger auch gereicht. Oft habe ich Dinge, die in langer Nacht entstanden sind doch nicht brauchen können. Und viel Arbeit war einfach für die Katz, weil kein Segen darauf lag. Darum will ich Mut machen, das Sonntagsgebot ernst zu nehmen. Lasst bewusst auch Lücken. Weil Gott mit uns ist, wird es reichen. Zum Sonntag gehört der Gottesdienst. Und dabei sind mir heute zwei Gedanken wichtig: Gottesdienst ist Zeit des Hörens und Zeit der Gemeinschaft. Mit dem Zuhören ist es gar nicht so einfach. Viele geben es offen zu, dass sie schlechte Zuhörer sind, und bei Männern ist es vielleicht noch verstärkt. So schnell gehen die Gedanken auf Reisen und sind wo ganz anders. Aber Neues kommt in unser Leben nur hinein, wenn wir lernen zuzuhören. Der Apostel Paulus schreibt darum in Römer 10: „Der Glaube kommt aus dem Hören!“ Und

5 zwar nicht aus dem Hören auf irgendwas, sondern im Hören auf das Wort Gottes selbst und im Hören auf die Predigt. Dass es gelingt, braucht auch ein wenig Übung auf unserer Seite. Aber noch wichtiger ist, dass das von Gott gesegnete Wort selbst Kraft hat, uns zu konzentrieren, dass es selbst Kraft hat, uns zu konfrontieren und zu verändern. Bleibt nicht resigniert zuhause und denkt: Ich bin ja doch nicht bei der Sache. Nein, das Wort hat seine eigene Kraft, rechnet damit. Und Gemeinschaft ist mir wichtig. Nicht nur als Angebot für uns, sondern auch in dem Sinn, dass ihr euch anderen entzieht, wenn ihr nicht da sind. Die anderen zu sehen, ist schon eine Ermutigung an sich. Und vielleicht wäre es für jemand ganz wichtig, dass er oder sie euch sieht, dass ein Gespräch möglich wird. Und vielleicht ist es für den einen oder die andere ganz wichtig, dass ihr den Glauben hochhaltet, weil sie es selbst derzeit nicht kann. Damit zum letzten Gedanken: 3.) Der Sonntag ist wichtig für unsere Welt. Was wir alle beobachten können, ist dass die Arbeitswelt immer individueller wird und die Arbeitszeiten immer flexibler. Die Läden haben bald bis 22 Uhr geöffnet, was ich völlig unnötig finde. Die flexiblen, auch weit in den Abend und in das Wochenende hineinreichenden Arbeitszeiten haben eine verheerende Wirkung auf die Familien. Es gibt immer weniger Zeiten, wo man mal miteinander um einen Tisch sitzen und reden kann. Stattdessen muss man sich über Zettel verständigen und weiß immer weniger, was im anderen vorgeht. Das Wochenende, vor allem der Sonntag, soll ein Ausgleich dazu sein. In der Bibel ist er als „Sozialtag“ gedacht. Das ganze Haus soll Ruhe haben, sogar die Knechte und Mägde“ und alle gleichzeitig, damit man auch zusammenkommen kann. Aber das gibt mir auch einen Stich: Oft möchte ich einfach nichts tun, auch keinen Besuch machen, einfach die Flügel hängen lassen. Und ich spüre die Spannung zum biblischen Sinn. Nur um

6 sich selbst kreisen ist auch Sünde genauso wie zuviel Arbeit. Der Sonntag ist auch Sozialtag, oder Besuchstag, um es noch mal zu sagen. Und der Sonntag hat einen Schöpfungsaspekt. ch habe es schon bei anderen Gelegenheiten gesagt, aber ich wiederhole es gerne: Am 6. Tag schuf Gott den Menschen. Also war sein erster Lebenstag der Sabbat, ein freier Tag und damit die beste Gelegenheit die herrliche Schöpfung zu erkunden, in die er hineingestellt worden ist. Ein Tag zur Freude an der Natur und zum Staunen über den Schöpfer. Und wenn es heute darum geht, die Schöpfung zu bewahren, muss vorher ein Gefühl da sein für das, was es zu bewahren gilt: Für das Rauschen des Waldes, den Gesang der Vögel, für das aufkeimende Grün der Wiesen und den Geruch reifer Felder... So halte ich zum Schluss noch einmal fest: Der Sonntag ist wichtig - für uns, für den Glauben und für die Welt. Lasst uns doch ernst machen damit und Gott auch im Aufhören mit der Arbeit ehren, oder mit einem Besuch bei anderen und nicht zu vergessen, dem Spaziergang ins Freie! Amen.