Trauer

Drüben Antilochos auch wehklagete, Tränen vergießend, / Haltend Achilleus' Händ', als beklemmt sein mutiges Herz rang: / Daß er nicht die Kehle sich selbst mit dem Eisen durchschnitte./ Fürchterlich weint er empor. Homer, Ilias The times they are a-changin. / Und die Trauer schläft in der Gitarre. / Weck sie nicht mit deinem Schrei. / Pack die Sachen, die dir wert sind, / sag Adieu zu deinen Leuten. / Diese himbeerrote Reise ist jetzt auch vorbei. Franz-Josef Degenhardt

Überblick: I. Theorie der Trauer. – 1. Definition. – 2. Trauer und Melancholie. – 3. Das Barock. – 4. Zeittheoretische Überlegungen. – II. Exemplarische Analysen. – 1. Homer, Ilias. – 2. Ovid, Orpheus. – 3. Lucius Annaeus Seneca, Oedipus. – 4. Pedro Calderón de la Barca, Das Leben ein Traum. – 5. William Shakespeare, Richard III. – 6. Andreas Gryphius, Leo Armenius. – 7. Bob Dylan, Ballad of Hollis Brown. – 8. Heiner Müller, Die Hamletmaschine

I. Theorie der Trauer 1. Definition Eine Definition, auf die man immer wieder stößt, ist die von Sigmund Freud: Trauer ist, so heißt es in dem Aufsatz »Trauer und Melancholie«, »regelmäßig die Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person oder einer an ihre Stelle gerückten Abstraktion wie Vaterland, Freiheit, ein Ideal usw.« (Freud 1917, 428 f.). Den affektiven Gehalt dieser Reaktion charakterisiert Freud dann wie folgt: »Die schwere Trauer (…) enthält die (…) schmerzliche Stimmung, den Verlust des Interesses für die Außenwelt – soweit sie nicht an den Verstorbenen mahnt, – den Verlust der Fähigkeit, irgend ein neues Liebesobjekt zu wählen – was den Betrauerten ersetzen hieße, – die Abwendung von jeder Leistung, die nicht mit dem Andenken des Verstorbenen in Beziehung steht« (ebd., 429). Das Leitmotiv dieser Beschreibung ist die Bindung des Überlebenden an den Toten über den Tod hinaus. Dieser widersprüchlichen Situation verdankt sich die Dynamik der Trauer. Sie ist der Prozess der Ablösung von dem Verlorenen. Der Schmerz der Trauer ist der Konflikt zwischen dem 1

wahnhaften Wunsch, dass der Verstorbene noch am Leben sein möge und der realistischen Anerkennung des Verlustes. Aus dieser Dynamik resultiert der Freudsche Begriff der Trauerarbeit als langsame und graduelle Abschwächung dieses Konflikts: »Worin besteht nun die Arbeit, welche die Trauer leistet? (…) Die Realitätsprüfung hat gezeigt, daß das geliebte Objekt nicht mehr besteht, und erläßt nun die Aufforderung, alle Libido aus ihren Verknüpfungen mit diesem Objekt abzuziehen. Dagegen erhebt sich ein begreifliches Sträuben (…). Dies Sträuben kann so intensiv sein, daß eine Abwendung von der Realität und und ein Festhalten des Objekts durch eine halluzinatorische Wunschpsychose (…) zu stande kommt. Das Normale ist, daß der Respekt vor der Realität den Sieg behält« (ebd., 430). Dieser dynamischen Auffassung der Trauer entspricht der Grundzug aller Trauergebräuche. Die rituellen Klagen, die das Geschehen objektivieren (vgl. De Martino 1958), die vorgeschriebene Trauerzeit, die räumliche Trennung von Friedhof und Wohnort und der kalendarische Rhythmus des Gedenkens, die den meisten Trauerbräuchen gemeinsam sind, laufen auf die Anerkennung des Verlustes und die Integration des Todes in das fortgehende Leben hinaus. (Thomas Mann hat in »Joseph und seine Brüder eine halb-ironische, aber fast schulmäßige Darstellung dieses Prozesses geliefert: Mann 1934, 460481.) In der älteren Religionswissenschaft findet sich überdies der Gedanke, dass die Bräuche das Gedenken regeln, indem sie die Wiederkehr des Toten blockieren, Vergegenwärtigung und Distanzierung in ein ausgeglichenes Verhältnis zueinander bringen. Sie schützen die Lebenden vor den Toten, weil diese sie geisterhaft heimzusuchen drohen: ein mythologischer und – wenn man an die Gattung der Gespenstergeschichte denkt – literarischer Ausdruck für den Sachverhalt, dass die Ablösung der Lebenden von den Toten nicht gelungen ist. Der Inbegriff einer gelungenen Ablösung ist demgegenüber das Grabmal als Zeichen – das griechische Wort sema bedeutet beides – des Toten, das an ihn erinnert und ihn gleichzeitig unten hält (Zum Zusammenhang von Gräberkult und Literatur vgl. Assmann 1983). 2. Trauer und Melancholie Der wichtigste Grund für die Störung der Trauerarbeit sind Schuldgefühle gegenüber den Toten. Ihre Geister kommen nicht von selbst, sondern werden vom Schuldgefühl beschworen. Es kann in feindseligen Regungen gegenüber dem Toten seine Ursache haben, die die Überlebenden mit dem unbewussten Vorwurf zurücklassen, seinen Tod verschuldet zu haben. Es kann aber auch kontingente Gründe haben. In Freuds Sicht ist das Schuldgefühl verantwortlich für die melancholische Blockade der Trauerarbeit (Freud 1916, 434). Man muss aber diesen klinischen Melancholiebegriff von der Vorstellung einer quasi-konstitutionellen Stimmung trennen, die die europäische Geistesgeschichte seit der späten Antike begleitet (vgl. den Beitrag von Eckart Goebel in diesem Band). Freuds Bestimmung lässt sich allerdings entnehmen, worin sich Trauer

und Melancholie phänomenologisch unterscheiden: [1] Die Melancholie ist statisch; sie hört nicht auf; sie ist kein teleologisch auf ihr Ende bezogener Prozess. Sie wird allenfalls von den genialischen Aufschwüngen unterbrochen, die in der frühneuzeitlichen Melancholietheorie Konjunktur haben und die in Freuds nüchterner klinischer Perspektive als manische Zwischenphase erscheinen (ebd., 440 ff.). [2] Die Melancholie hat keinen fest umrissenen Gegenstand. Ihr intentionales Korrelat ist eine sinnlose Welt und ein wertloses Selbst. In Freuds Perspektive hat diese intentionale Entleerung ihren Grund eben in einer übermäßigen, durch das Gefühl der Schuld fixierten Bindung an das Objekt. Es verliert seine konkrete Physiognomie dadurch, dass der Überlebende sich mit ihm identifiziert, es also zum Bestandteil seiner psychischen Organisation macht. Dadurch wird es anonym und das Fremdverhältnis zum Selbstverhältnis. Durch die Identifikation wird der Tote ins Über-Ich integriert, die Klage des Überlebenden wird deutbar als Anklage durch das Über-Ich. Daher rührt die Selbstentwertung des Melancholikers. Die europäische Literatur kennt wenigstens einen großen Melancholiker, auf den diese Analyse zutrifft: Hamlet. Die psychoanalytische These (vgl. Jones 1911; 1949), dass der ödipale Hass auf seinen Vater nach seinem Tod einen Konflikt zwischen Genugtuung und Schuldgefühl heraufbeschwört, der sein Handeln blockiert und für seine Melancholie als Welt- und Selbstverachtung verantwortlich ist, hat hohe Plausibilität. Dennoch ist Hamlets Fall zu speziell, als dass man ihn zur verbindlichen Grundlage für literarische Melancholie machen könnte. Diese umfasst einen weiteren Phänomenbereich und kann von der Trauer letztlich nur graduell getrennt werden. Gerade was Freud die »Reaktion auf den Verlust einer (…) Abstraktion, wie Vaterland, Freiheit, ein Ideal« nennt, ist für die historischen Konjunkturen eines melancholischen Weltverhältnisses verantwortlich, das alles als trist und leer empfindet. Sie überlappt sich mit der Vorstellung einer unstillbaren Trauer (vgl. Liebsch 2006, 59-76). Das Verhältnis von klinischer und weltanschaulicher Melancholie lässt sich so bestimmen, dass für jene das Schuldgefühl der Überlebenden, für diese ein durch Veranlagung oder Überforderung zustande gekommener Akt der Abstraktion verantwortlich ist, der vom einzelnen Trauerfall (wenn er überhaupt vorhanden ist) absieht. In dieser Form ist sie für die Literatur von erheblicher Bedeutung. Das heißt, es würde die Frage nach dem Verhältnis von Trauer und Literatur unzulässig einengen, wenn man die Erscheinungsformen der Melancholie kategorisch aus ihr ausschlösse. Man muss die begriffliche Abgrenzung von Trauer und Melancholie im Kopf haben, darf sie aber nicht mechanisch handhaben. 3. Das Barock Das lässt sich exemplarisch an einer literarischen Epoche zeigen, in der die Phänomene fast ununterscheidbar werden: am deutschen Barock. Die Trauerreden und »Leich-Abdanckungen« (Gryphius 1665), die in ihm proliferieren, sind von einer Melancholie grundiert, 3

der die rasende Vergängnis der gefallenen Welt und die Nichtigkeit der menschliche Existenz vor Augen steht. Das Trauma des Dreißigjährigen Krieges ist der Hintergrund einer epochalen Erfahrung, die sich krampfhaft an den sich unaufhaltsam verweltlichenden christlichen Ordnungsrahmen klammerte, von dessen Brüchigkeit sie insgeheim wusste. Das barocke Jenseits ist leer (Benjamin 1928, 246). Was bleibt, ist der Überschwang einer Welt, in der alles zum Tod prozessiert, in der die Verheißungen erloschen sind und sich nichts zum Besseren wendet. Benjamin hat den Gehalt des deutschen Trauerspieles auf die Formel gebracht, dass es »vor Traurigen« stattfinde (ebd., 298). Die in ihm dargestellte wie die von ihm ausgelöste Trauer sind die austauschbaren Requisiten einer melancholischen Grundverfassung, die den unabänderlichen Lauf der Welt in stets aufs neue bestätigt findet: »Der Stand des kreatürlichen Menschen selber ist der Grund des Untergangs. Diesen typischen Untergang, der so verschieden von dem außerordentlichen des tragischen Helden ist, haben die Dichter im Auge gehabt, wenn sie (…) ein Werk als ›Trauerspiel‹ bezeichnet haben« (ebd., 268). Das barocke Drama kreist um die Idee einer »Darstellung der Geschichte als eines Trauerspiels« (ebd, 321). Auch in der barocken Lyrik lassen sich Trauer und Melancholie nicht trennen. Alles ist von der Gewalt der transzendenzlosen Zeit erfasst und der Schmerz der Trauer lässt sich allenfalls durch seine melancholische Verallgemeinerung abmildern. 4. Zeittheoretische Überlegungen Vielleicht waren die säkularen Verheißungen der aufgeklärten Menschheit nur ein Surrogat der religiösen, deren einschneidende Erosion das deutsche Barock dokumentiert. Ihre immer wiederkehrende Enttäuschung bildet jedenfalls den tristen Unterton der Neuzeit (vgl. Lepenies 1969). Die Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts verurteilen, Adorno zufolge, die Philosophie zu einer »traurigen Wissenschaft« (Adorno 1951, 7). Um so mehr gilt dies von der Literatur, soweit dargestellte Kritik an der rationalistischen Aufklä rung mit ihrem Fortschrittsglauben ihr Thema ist. Trakls Weltkriegsgedichte, Brechts »Buckower Elegien«, Celans Lyrik, Becketts und Heiner Müllers Stücke haben ein jeweils unverwechselbares emotionales Gepräge. Dennoch ist ihnen eine zum Verstummen neigende Trauer über den Kollaps aller Vorstellungen zivilisatorischer Verheißungen gemeinsam. Unbekümmert um die Sozialgeschichte setzt Karl Heinz Bohrer den Beginn dieser spezifisch modernen Melancholie in das Werk Baudelaires (Bohrer 1996, 45 ff.). In der Tat gibt dieses Werk den vielleicht tiefsten Einblick in die temporale Struktur, die ihr zugrundeliegt. Das den Abschluss der ersten Teils (»Spleen et Idéal«) bildende Gedicht »L'Horloge« (Baudelaire 1861) dokumentiert ein spezifisches Leiden an der Zeit; es ist das Fundament des Baudelaireschen Spleens. Die zentrale Metapher dieses Textes ist der Sekundenzeiger. An ihn erscheint das Leben der Menschen gebannt, fraktioniert in identische, nicht

miteinander zusammhängende Einzelaugenblicke. Es stellt den Verlust zeitlicher Synthesis dar, den Wegfall von Erinnerung und Erwartung, die die menschliche Zeit gliedern, die Regression des Zusammenhangs von Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit auf die leere Folge ununterschiedener Jetztpunkte (vgl. Benjamin 1940, 635 f.). Das Leiden daran bezeichnet die Melancholie der Moderne, für die Tradition und Fortschritt zu Phrasen geworden sind. In einem nachdrücklichen Sinne leidet der Melancholiker nicht an etwas, sondern am Mangel an etwas. Er leidet an der Zeit, und leidet an der Welt eben insofern sie von der leeren Zeit beherrscht ist (vgl. Theunissen 1991; 1996). In »Warten auf Godot« heißt es in diesem Sinn: »Hören Sie endlich auf, mich mit ihrer verdammten Zeit verrückt zu machen? Es ist unerhört! Wann! Wann! Eines Tages, genügt Ihnen das nicht? Irgendeines Tages ist er stumm geworden, eines Tages bin ich blind geworden, eines Tages werden wir taub, eines Tages wurden wir geboren, eines Tages sterben wir, am selben Tag, im selben Augenblick, genügt Ihnen das nicht? (...) Sie gebären rittlings über dem Grabe, der Tag erglänzt für einen Augenblick und dann von neuem die Nacht« (Beckett 1953, 94). Diese Verkümmerung der menschlichen Zeiterfahrung ist nicht neu, sie hat sich bei Baudelaire unterm kapitalistischen Zeitregiment bloß formalisiert. Von den Klagelieder des Alten Testaments über die Tränen des Xerxes, der über sein Heer weint, weil in hundert Jahren kein Krieger mehr am Leben sein wird (Herodot, Hist. VII, 46); von Shakespeares resignierter Einsicht in den »Großen Mechanismus« der Geschichte (Kott 1980, 21), die blutige Marionetten tauscht, zu Gryphius’ Sonetten über die Eitelkeit der Welt; von Schillers »Nänie« bis zum hoffnungslosen Elend von Büchners »Woyzeck« –: im Hintergrund steht regelmäßig die »Herrschaft der Zeit« (Theunissen), die in melancholische Phasen der Geschichte totalitäre Züge annimmt und das Subjekt mit Hoffnungslosigkeit schlägt. Immer liegt ihr die Schwächung dessen zugrunde, was in der Zeit die Zeit transzendiert. Das kann der religiöse oder metaphysische Bezug auf ein Jenseits der Zeit sein, der sich zur Vorstellung außerzeitlicher Ewigkeit steigern kann. Es kann aber auch in der aktiven Gestaltung der Zeit durch den Menschen beschlossen liegen, der sein zeitliches Dasein aus der Vergangenheit herleitet und/oder aus der Zukunft entwirft. Das philosophische Werk, in dem das Ende der klassischen Metaphysik und die Verwerfung ihres geschichtsphilosophischen Surrogats sich am vehementesten bekundet, ist dasjenige Schopenhauers. Jenseits der Erscheinungen liegt keine Welt zeitlosen Seins, sondern das reine Werden, die reine Zeit als Fundament des anthropomorphen Hilfsbegriffs des »Willens« (vgl. Schopenhauer 1859, 150-158). Bar der Grundlage heidnischen Naturvertrauens steht Schopenhauers Werk im Zeichen einer unauflöslischen Melancholie. die Vorstellung einer besseren Welt im Jenseits, in Vergangenheit oder Zukunft »ist die philosophische Überzeugung und zugleich die Funktion der Philosophie, mit der Schopenhauer gebrochen hat« (Horkheimer 1961, 131).

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II. Exemplarische Analysen Die folgenden Analysen heben aus dem Feld, das von Trauer und Melancholie aufgespannt wird, einige Punkte heraus. Sie beschränken sich auf das Theater als der Form, in der gesellschaftliche Affekte öffentlich verhandelt wurden. Sie sind nicht repräsentativ, sondern versuchen Schlaglichter in ein Gebiet zu werfen, das sich nur schwer systematisieren lässt.

1. Homer, Ilias Die »Ilias« ist in erster Linie ein Gedicht über den Zorn (vgl. Koppenfels 2007, 27 ff.). Es verfolgt den gewundenen Lauf seiner Beschwichtigung. Innerhalb dieser Erzählung vom Zorn spielt die Trauer jedoch eine entscheidende Rolle. Es ist die rasende Trauer um seinen Freund Patroklos, die Achilleus dazu bestimmt, vom Zorn gegen Agamemnon abzulassen und sich wieder am Krieg gegen Troja zu beteiligen (Ilias 18, 1-147; dazu Schadewaldt 1936). Die konvertiert den Zorn des autonomen Heerführers über seine Zurücksetzung in ein politisch nützliches Rachebedürfnis, das auch vor der Aussicht auf den eigenen Untergang nicht zurückschreckt. Gleichzeitig ist der in der Rache sich austobende Zorn auf die Trojaner das Mittel, die unmäßige Trauer zu beschwichtigen und auf ein normales Maß zurückzuführen. Es reicht nicht, den toten Patroklos ordungsgemäß zu bestatten. Ihm werden Hekatomben von Opfern gebracht: der unbegrabene Hektor, zwölf troische Jünglinge, die mit Patroklos' Leiche lebendig verbrannt werden und eine Unzahl von Tieren (Ilias 23, 161 ff.). Für den von der Moderne gerne heruntergespielten Zusammenhang von Trauer und Aggression ist der Verlauf der Achilleischen Trauer aufschlussreich. Sie wird durch die Rache nicht beendet, aber befriedet. Der den Kampfspielen, die zu Ehren des Patroklos veranstaltet werden, Vorsitzende erscheint abgeklärt, der den Bitten Priamos um Herausgabe seines Sohnes Nachgebende empathisch. Die Trauer um den Freund macht der Trauer um den Vater Platz, in der sich der Schmerz des Priamos affektiv spiegelt (Ilias 24, 507 ff.). Mit der Bestattung des Hektor endet das Epos vom Zorn des Achilleus, in das die Trauer als treibende Kraft des Affektprozesses eingelegt ist. Achilleus' Trauer steht im Zentrum des letzten Drittels von Homers Gedicht. Sie wird aber umgeben von anderen, für eine literarische Phänomenologie der Trauer nicht weniger wichtige Gestalten. Unlösbar mit ihr verschränkt ist die Trauer der Thetis (Ilias 18, 35 ff.). Sie trauert, wenn man so will, über die Trauer ihres Sohnes, weil die von ihr ausgelöste Ereignisse seinen baldigen Tod herbeiführen werden. Ihre Trauer ist die eines antizipierten Verlustes. Die Klagen von Priamos, Hekuba und Andromache um Hektor (Ilias 22, 405 ff.) bilden das Gegengewicht zum Vernichtungsrausch, in den Achill seine Trauer

transformiert. Es ist nicht verwunderlich, dass in einem Epos, das vom Krieg handelt, Trauer eine zentrale Rolle spielt. Bedeutend ist die »Ilias« deswegen, weil sie sich mit ihr nicht episo disch, sondern in großem narrativen Bogen auseinandersetzt. Es ist letztlich die Trauer, die Achill sozialisiert. Er unterwirft sich dem Oberbefehl Agamemnons, fügt sich dem Schicksal seiner Sterblichkeit und respektiert das Leid der Feinde. Der Weg der Trauer führt durch Exzesse der (Selbst-)Zerstörung. aber ihr Telos ist die Einsicht in die Grenzen, die der menschlichen Existenz gesetzt sind. 2. Ovids Orpheus Ovids Geschichte von Orpheus und und Eurydike ist auf der einen Seite die psychologische Analyse eines Trauerfalls. Auf der anderen Seite liegt in ihr zumindest partiell Ovids Poetologie beschlossen: die Begründung der Dichtung aus dem Geist der Trauer – einer Trauer, die nicht endet, sondern sich in den Gesängen des Orpheus fortsetzt. In einem nicht-orthodoxen Sinn könnte man in diesem Zusammenhang von Sublimation reden (zur folgenden Interpretation vg. Döring 1996). Orpheus' Reise in die Unterwelt drückt aus, dass die Trauerarbeit zunächst misslingt. Der Gesang, den er dort anstimmt, um Eurydice von den Toten zurückzubitten, setzt die Strafgesetze der Unterwelt außer Kraft und zwingt die Schatten zum Mitleid (Metamorphosen 10, 40 ff.). Der Grund dafür dürfte weniger in den kasuistischen Argumenten liegen, die Orpheus anführt (10, 24 ff.), als sein Ausdruck: der Ton, der Klang, die »Spannung zwischen Sprechen und Musik« (Döring 1996, 15). Eurydices Freilassung wird jedoch an die Bedingung geknüpft, dass Orpheus sie auf dem Weg zurück nicht sehen dürfe. Er aber blickt sich »aus Furcht, sie verschwinde« (10, 56) dennoch um und verliert sie damit für immer. Ovid hat hiermit eine Paradoxie im Blick, die für die Theorie der Trauer aufschluss reich ist. Das Verbot, sich umzublicken, soll die Ablösung des Überlebenden von der Toten ratifizieren, zu der er aus eigenem Entschluss nicht in der Lage ist. Blickt er sich dennoch um, wird die Ablösung mit Gewalt durchgesetzt und die Geliebte stirbt einen zweiten Tod. Die Hinnahme ihres Todes ist das Resultat des Verbotes, gleichgültig ob Orpheus es befolgt oder übertritt. Kaum hat er sich umgedreht, ist Eurydice bereits »zurückgefallen« (10, 57: relapsa est). Ovid legt dadurch nahe, »dass vielleicht gar niemand hinter ihm war, den Orpheus hätte erblicken können« (Döring 1996, 31). Für die Kunst – den Unterweltsgesang – bedeutet das, dass sie, so überwältigend ihre Wirkungen sein mögen, zur Welt des Scheins gehört. Nur für Augenblicke und illusionär kann sie den Tod überwinden. Als Schein, dem die Rückkehr zur Realität folgt, steht sie grundsätzlich im Zeichen der Trauer – auch dann, wenn diese nicht ihren Gegenstand bildet. Der zweite und endgültige Verlust lässt Orpheus erstarren. Sieben Tage verweigert er 7

die Nahrung, drei Jahre flieht er die Frauen (10, 64 ff.). Er durchläuft also den kulturell strukturierten Prozess der Trauerarbeit. Danach beginnt er zum zweiten Mal zu singen. Die Gesänge des Orpheus, die in vertrackt verschachtelten Bögen für ein ganzes Buch den Ovidischen Erzähler substituieren, stehen zu seinem Bitt- und Klagegesang in der Unterwelt in einem komplizierten Verhältnis. Auf der einen Seite sind sie das Ergebnis gelungener Trauerarbeit – es sind oberweltliche Gesänge. Auf der anderen Seite beschwören sie die Unterwelt als belebende Macht herauf: »Als der götterentstammte Sänger / dort sich niedergesetzt und die tönenden Saiten gerührt, da / kam der Schatten (umbra) dem Ort« (10, 88-90). Das meint auf der einen Seite den Schatten der sich um Orpheus versammelnden Bäume. Auf der anderen Seite ist der Schatten ist der Inbegriff all der Gestorbenen, von denen die Unterwelt bevölkert ist. Er bildet das Zentrum des Naturtheaters, er ist die Macht, die durch den Gesang die abgelebten und erstarrten Affektschicksale belebt, die den Erscheinungen der Natur vergessen zugrundeliegen. Ovids Orpheus erinnert an sie, er setzt die Schatten, die sich auf ihn zu bewegen, selbst in Bewegung, er, der seine Erstarrung durch Kunst überwindet, belebt das Erstarrte. Aber er kann es nicht im Leben halten. Jede Metamorphose, von der Orpheus/Ovid erzählen, ist eine Figur Eurydices. Ovids Kunst ist eine Kunst der Erinnerung, nicht der Vergegenwärtigung. 3. Lucius Annæus Seneca, Oedipus Senecas Werk artikuliert sich angesichts einer übermächtigen und unberechenbaren politischen Welt, die dem Einzelnen keinerlei Gestaltungsmöglichkeit lässt. Dieser »Absolutismus der Wirklichkeit« (Blumenberg 1979, 10) gibt der jüngeren Stoa, deren wichtigster Vertreter Seneca ist, die Fragen vor, um die sie sich – monoton in der theoretischen Architektur, faszinierend einfallsreich im lebenspraktischen Detail – bewegt. Wie ist Freiheit in einer Welt, die empirisch zur Unfreiheit verdammt, möglich? Wie können wir glücklich und ohne Angst leben? Dass Seneca sich obsessiv auf dies Wenige konzentriert und keine davon unabhängigen theoretischen Interessen verfolgt – seine Theologie und Kosmologie sind bloß Hilfsmittel zu diesem Zweck –, hat seiner Philosophie ihre fortdauernde Popularität beschert. Denn der Absolutismus der Wirklichkeit ist die historische Normalerfahrung; der Optimismus aufgeklärter Lebensgestaltung erscheint als inspirierende, aber seltene Ausnahme. Seneca hat die Geschichte auf seiner Seite. So hat wohl kein anderer antiker Autor eine so kontinuierliche Breitenwirkung in der Kunst, der praktischen Lebenslehre und der Politik entfaltet. Noch Sartre, dessen intellektuelle Physiognomie derjenigen Senecas in einigen Zügen verblüffend ähnlich ist, liegt auf der Linie eines neuzeitlichen Stoizismus senecanischer Prägung. Die Antwort, die Seneca auf die Fragen nach Freiheit und Glück in einer Welt gibt, die es schon schwer macht, sie überhaupt zu stellen, ist nicht originell. Die strikte Trennung von Seele und Körper durch eine asketische Selbstpraxis geht mindestens auf Sokrates zu-

rück; der Strom, der von dieser philosophischen Hauptquelle ausgeht, verbreiterte sich durch die Zuflüsse des Epikureismus und der diversen Mysterienreligionen, die nach dem Zerfall der Polisgesellschaft der klassischen Zeit einen enormen Aufschwung erfuhren. Dass die Seele ein empirisch unzerstörbares, die Wirklichkeit transzendierendes Gut sei, war unabhängig von der Frage der Metempsychose die gemeinsame Überzeugung dieser nachklassischen Strömungen, die in Seneca zusammenlaufen. Trennung von Seele und Körper als Selbstpraxis – das bedeutet konkret: das, was im Tod geschieht, aktiv vollziehen; den Tod ins Leben hineinnehmen – »Sein zum Tode«, wie Heidegger (1984, 260 ff.) es genannt hat. Denn: Wenn man innerlich schon tot ist, hat der Tod keine Macht mehr; wenn es gelingt, alle voluntativen, affektiven und intellektuellen Verbindungen zur Wirklichkeit durchzuschneiden, hat die Todesfurcht ein Ende. »Darin nämlich täuschen wird uns, daß wir den Tod vor uns sehen: ein großer Teil davon ist bereits vorbei. Was immer an Lebenszeit in der Vergangenheit liegt – der Tod besitzt es« (Seneca 1999, 3 [Ep. Luc. I/2]) Die Vorstellung, dass das Leben mit graduell zunehmenden Anteilen der Tod schon ist, so dass am Ende in unmerklichem Übergang ratifiziert würde, was mit der Geburt begann, ist suggestiv; sie unterschlägt aber planvoll, das das Leben eine im Vollzug durch Erinnerung und Erwartung zusammengehaltene Ganzheit ist. Dass die temporale Synthesis, der Zusammenhang von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, von Seneca unter den Tisch gekehrt wird, macht die Figur der Selbstbehauptung deutlich, der sich sein Werk verschrieben hat. Es ist die Identfikation mit dem Gegner. Die einzig mögliche Reaktion auf eine Realität, die das Dasein unerbittlich in unzusammenhängende Einzelaugenblicke fraktioniert, besteht darin, dieses Vorgang mitzumachen, aktiv an sich zu vollziehen; das – vorgeblich – aus Freiheit zu tun, was einem von der Notwendigkeit diktiert wird. Für dieses ethische Ideal – es ist das des Stoikers – macht Seneca in seinen Tragödien Werbung. Diese, die bis zum 19. Jahrhundert als ein vom philosophischen Werk streng gtrenntes Corpus angesehen wurde, sind drastische Exemplifikationen, in denen wieder und wieder die Lebenslehre der stoischen Freiheit vorgeführt wird. Es gibt »einen Grad von Unterdrückung (...), der als Freiheit empfunden wird« (Müller 1991, 59). Dieser Umwendung liefern Senecas Tragödien heroische und in vieler Hinsicht ideologische Anschauungsmodelle. Warum sollten sie also im Zusammenhang mit literarischen Formen, die mit dem Affekt der Trauer verbunden sind, überhaupt Erwähnung finden? Weil die Bewunderung, die sie eregen sollen, von einer tief-resignativen Grundströmung unterhöhlt wird, einer fatalistischen Trauer über eine Verfassung der Wirklichkeit, die Freiheit und Glück nur als Resultat einer Selbstpraxis zulässt, die die Welt aus der Welt schafft. »Wir sind schicksalsgelenkt ... / Alles geht auf genau vorgezeichnetem Pfad, / und der erste Tag legt den letzten auch fest« (Seneca 1974, Vers 980, 987 f.). Die totalitäre Schick salsvorstellung, die im fünften Chorlied des Oedipus ausgesprochen wird, wird gemeinhin als die Botschaft aufgefasst, die Sophokles im König Ödipus seinem Publikum habe mittei9

len wollen. Dass nichts irriger wäre als diese Deutung des berühmten Vorgängerstücks, lehrt schon der Umstand, dass Seneca es tiefgreifend verändert hat – das wäre ja nicht nötig gewesen, wenn Sophokles' Drama für sich selbst schon darauf aus gewesen wäre. In der Hauptsache betreffen diese Veränderungen das Verhältnis von Natur und Kultur. Denn Schicksal wird erst dann zur absoluten Macht, wenn es – in einer Weise, die die Aristotelische Poetik (vgl Ette 2005), keineswegs aber König Ödipus vorgebildet hat –, mit der natürlichen Ordnung identifiziert wird. Das tragische Handeln erscheint als Bruch mit dieser Ordnung, korrigierbar einzig durch eine Tat der Restitution, die sie im Selbstopfer des stoischen Heros vollständig wiederherstellt. Wie immer gefährdet, entfaltet die griechische Tragödie sich im Raum eines geschichtlichen Empfindens, das Raum für Handlungsalternativen lässt. Wie hätte der tragische Ausgang vermieden werden können? So fragen, ihrem sich selbst missverstehenden Antagonisten Brecht gar nicht unähnlich, die dramatischen Handlungsanalysen, die aus der klassischen Zeit überliefert sind (vgl. Ette 2012). Dieses Empfinden ist dem stoischen Drama verlorengegangen. Was hier verhandelt wird, ist nicht die Frage, ob es zu dem, was auf der Bühne sich zuträgt, eine bessere Alternative gegeben hätte; sondern, ob nicht Handeln überhaupt, durch das Kultur und Geschichte sich als von der Natur unterschiedene Bereiche des Menschenlebens konstituieren, den zu tilgenden Urfrevel darstellt. Damit bereitet Senecas Drama dem europäischen Trauerspiel der Neuzeit den Boden. »Natur / hat sich verdreht« (natura versa est – Seneca 1974, Vers 371): Der Schlüsselsatz des Dramas fällt während der Eingeweideschau, die an die Stelle der Auseinandersetzung zwischen Ödipus und Teiresias getreten ist. Das heißt: an die Stelle des deutenden und der Deutung offenstehenden Worts, das bei Sophokles zweideutig zwischen den Vertreter des Religion und des Staates steht, setzt sich das eindeutige Zeichen der Natur. Und auch dort, wo sie tatsächlich redet – im Orakel von Delphi (ebd., 233 ff.) und während der Totenbeschwörung des Laios, die Seneca hinzuerfunden hat (ebd., 626 ff.)–, redet sie eindeutig. Mit den Göttern, bzw. mit der hinter ihnen stehenden Naturmacht (der Götterglaube der Stoa ist im Kern keiner, das heißt bloß ein Zugeständnis an die religiösen Kon ventionen des römischen Staates) ist nicht zu verhandeln, was für das griechische Orakelwesen durchaus üblich war (vgl. Herodot, Hist. VII 141). Damit ändert sich die psychologische Erscheinung der Hauptperson. Die des Sophokles war getrieben vom schlechten Gewissen eines Aufklärers, der vor dem, gegen das er rebelliert, Angst hat; Verdrängung und Flucht sind die Markzeichen seines Lebenswegs. Senecas Oedipus hat zwar Angst, aber kein Unbewusstes; die Figur des tragischen Rebellen weicht der des schuldlos Verstrickten, der in jedem Augenblick die Strafe für eine Tat antizipiert, die er wissentlich noch gar nicht begangen hat. Bereits die Pest in Theben erscheint in diesem Licht: »Schon setzt das Schicksal etwas gegen mich in Gang! / Was sonst denn soll ich denken, da doch diese Pest / … / nur mich verschont! … / Im Sturz der Stadt … / da steh ich unversehrt – ganz klar Apolls Beklager. / Ja konntest du erwar -

ten, dass für solche Frevel / noch ein gesundes Reich verliehen würde?« (Seneca 1974, Vers 28-36) Wenn sich Oedipus hier vorauseilend für eine Tat bestraft fühlt, die seines Wissens in der Zukunft liegt, dann hat der Unterschied von Vergangenheit und Zukunft insgesamt, dann hat Zeit selbst keine Bedeutung. Der Fluss fließt zur Quelle und in dieser Bewegung wird Geschichte in den Raum einer sich ewig gleichbleibenden Natur zurückgestellt. Auf sie als tragenden Grund des Geschehens verweist der Schluss des zweiten Chorlieds an Bacchus, der in einer eigentümlichen Umdeutung seines griechischen Vorläufers als Gott der Naturordnung angerufen wird (ebd., 503-508). Darauf, dass der Natur grundsätzlich Recht zu geben ist und dass das spezifische Handeln des Ödipus bloß ein Anwendungsfall der allgemeinen Maxime ist, derzufolge Kultur selbst der Urfrevel ist, deutet schließlich das dritte Chorlied. Der Chor sagt zu Ödipus: »Nicht du bist der Grund, dass wird so in Gefahr, / nicht von dort hat des Labdakos / Stamm sein Los, sondern ältrer Zorn / des Gotts verfolgt uns« (ebd., 709-712). Es ist die Gründung der Stadt Theben (ebd., 712 ff.), mit der das Unheil seinen Anfang nahm und jener ›Perversion‹ der Natur der Weg bereitet wurde, die im Vergehen des Ödipus bloß sichtbar wird. Die Politik, ist der Irrtum, der jedem Trauerspiel des Seneca vorausgeht und von jedem einzelnen aktualisiert wird. In der Beantwortung der Frage, wie der Natur zu ihrem Recht verholfen werden kann, entscheidet sich die Wirkung dieses Dramas. Auf der einen Seite steht die Figur des Ödipus, der zum stoischen Helden avanciert und in der mit splatterhafter Eindrücklichkeit geschilderten Selbstblendung (ebd., 971 ff.) seine Angst verliert. Er zeichnet die blutige Figur einer Selbstbehauptung in die Luft, die das was das Schicksal ihm zugefügt hat, nicht bloß willentlich akzeptiert, sondern sogar noch übertrifft: »O Phöbus, du Betrüger, übertrumpft hab ich die frevelhaften Schicksalssprüche« (ebd., 1046 f.) Dass seine Selbstbestrafung drastischer ist als vom Orakel vorgesehen, ist ihm die letzte Genugtuung angesichts einer Welt, die ihm von Anfang an keine Handlungsspielräume, und also keine Freiheit, gelassen hat. Seine Freiheit ist die des Borderliners, der sich selbst verletzt, weil sein Körper das Einzige ist, über das er noch verfügen kann. Das kann man bewundern. Aber man kann sich auch der hoffnungslosen Traurigkeit öffnen, die darunter arbeitet. Auf der anderen Seite finden wir den Chor, der dazu aufruft, wenn irgend möglich den Naturraum des Handelns nicht zu verlassen. »Dürft nach Wunsch ich gestalten mir / mein Geschick: leichten Südwind nur / setzte ich meine Segel aus, / … / sicher leite das Leben mich, / laufe auf mittlerer Bahn nur ab. / … / Alles, was übersteigt das Maß, / steht auf schwankendem Fundament« (ebd., 882-890) Die »mittlere Bahn«, das »Maß« – es sind die altüberlieferten Begriffe für ein Handeln, das keines sein will, weil es von der Nichtigkeit des Versuchs, etwas zu verändern, überzeugt ist. »Ich stellte mich unter, ich machte mich klein«, schrieb Wolfgang Koeppen (1961, 252) über seine Zeit der inneren Emigration. Diese traurige Botschaft will der innere Emigrant Seneca zu einer Zeit, in der die frohe des Christentums sich zu verbreiten begann, den Lesern des Oedipus mitteilen. 11

4. William Shakespeare, Richard III. Shakespeares frühes Stück wirkt in der Auseinandersetzung mit dem 100 Jahre alten historischen Stoff drei Geschichtsaufassungen ineinander; er hat es dabei nicht auf einen Entscheid, sondern auf ihre produktive Interferenz abgesehen (vgl Iser 1988). 1. Zunächst kommt man nicht an der Tatsache vorbei, dass in diesem Stück der heilsgeschichtlich imprägnierte Tudormythos bedient wird; Richmond, der Richard besiegt und durch die Heirat mit Prinzessin Elizabeth die Häuser York und Lancaster zusammenführt, tritt als Agent eines göttlichen Plans auf; das letzte Wort des Stücks lautet signalhaft »Amen«. Diese geschichtsphilosophische Dominante wird von Shakespeare jedoch vielfach gestört und skeptisch unterwandert, und zwar 2. durch die archaische Vorstellung eines ewigen Kreislaufs der Geschichte, nach dessen Gesetz fallen muss, was einmal stieg - ganz unabhängig von seinem Verdienst und den konkreten Gründen für seinen Auf- und Abstieg. Im Stück ist es das Bild der reifen Frucht, die auf dem Höhepunkt ihrer .Entwicklung in die Fäulnis übergeht (IV/4, 1-4). Angelagert ist ihm das Vanitas-Motiv aus Clarences Traum (I/4, 2433): "Wedges of gold, great anchors, heaps of pearl, / Inestimable stones, unvalued jewels, / All scatter'd in the bottom of the sea: / Some lay in dead men's skulls" (I/4, 26-29; vgl. Clemen 1969, ad. loc.). Wenn dieses Gesetz universelle Geltung besitzt, muss auch das Haus der Tudors irgendwann fallen; der Endzustand ermäßigt sich zum historischen Interim. 3. Dieses Naturgesetz von Aufstieg und Fall, das in Richards Niedergang nach der Krönung immer deutlicher zutage tritt (Kott 1980, 21 f., 45, 68), wird überlagert von der Idee, dass Machtgier und Rache die Substanz der Geschichte bilden. Die Täter von heute sind die Opfer von morgen, weil ihre Opfer sich an ihnen rächen werden; dies gilt für Ri chards Opfer ebenso wie für ihn selbst. Die Sprecherin dieses Mechanismus ist Queen Margaret, der Hass der greisen Witwe Heinrich VI., die in den Wirren seiner Nachfolge ihre gesamte Familie verlor, befähigt sie zu einem einseitigen, aber prophetischen Durchblick auf den Grund des Geschichtsgangs (I/3 passim). Sie ist Richard als einzige gewach sen, nicht intellektuell, sondern in der Größe ihres Hasses. Die Interferenz dieser Geschichtsvorstellungen schwächt den Finalismus der TudorIdeologie. Regelrecht blass erscheint sie aber angesichts der maßlosen Faszination, die von der Hauptfigur des Stücks ausgeht. Shakespeare macht uns (nicht zuletzt durch Richards zahlreiche Monologe) zum Komplizen des Bösen, mit dem er bis an die Grenze des Glaubhaften und des Erträglichen experimentiert. Der skrupellose Aufsteiger, der dem Leben Rache geschworen hat und in der wachsenden Macht über Andere sich für die Ohnmacht eines verkrüppelten Lebens entschädigt (I/1, 18-31), fasziniert, weil wir das Ressentiment und den Hass auf die Umstände, die uns nicht zu dem haben werden lassen, was uns zustünde, mit ihm gemeinsam haben; auch wenn wir seine Konsequenzen zu ziehen nicht wagen. Richard ist nicht bloß das außerhalb der Menschheit stehende Scheusal, als welches ihn Lessing (1769, 405) von allen Bühnen verbannt wissen wollte; er ist ein

Wunschbild aller zu kurz Gekommenen, weil er sich nimmt, was ihm versagt wurde, weil er alle moralischen Bedenken über Bord wirft, die ihm nur hinderlich wären, und weil er mit dem Einsatz seines ohnehin verlorenen Lebens für das Einzige spielt, wofür es sich zu leben lohnt: für die Rache, die in der Erniedrigung des Anderen besteht (vgl. I/2; III/4 passim). Er ist der große Verbrecher, dem Schiller (1992, 450 f.) widerwillige Anerkennung zollt; idealistisch in dem Sinn, das er sich einer einzigen Idee verschrieben hat, der er alles zum Opfer bringt. Richard ist ein Extrem, aber keine Ausnahme. Zu der moralischen Indifferenz, mit der Shakespeare die Geschichte vorüberziehen lässt, steht die etwas aufgesetzt wirkende Bestrafung des Verbrechers in einer gewissen Spannung. Die forcierte poetische Gerechtigkeit bringt die Welt nicht mehr in Ordnung. Denn Shakespeares Drama handelt zuletzt von der Ungerechtigkeit der Natur. Sie stattet den einen mit allen Vorzügen aus, über die sie verfügt; den anderen aber stempelt sie zum Auswurf, hässlich und widerwärtig. Das Böse ist das Ergebnis solcher natürlichen Ungleichkeit unter den Menschen; kontingent und sinnlos, und doch so tief wie nur denkbar in den Lauf der Welt eingesenkt. Wer durch seine äußerliche Erscheinung den Ekel der Menschheit auf sich zieht, wird an ihr sich rächen wollen; und wehe allen, wenn ihm die Mittel dazu in die Hand gegeben sind. Die Norm der Schönheit produziert das Gegenbild des Hässlichen, ja sie ist darauf angewiesen; und sie würde von ihm hinweggefegt werden, wenn es könnte, wie es wollte. Aber so ist es nicht; und auch über diese Wahrheit belehrt Shakespeares Drama. Am Ende verliert der Behinderte, ein sabbernder, psychisch dissoziierender Hanswurst, der verlacht, ein schlechter Verlierer, der vom schönen und vernünftigen Gewinner vom Platz gestellt wird, in dessen Welt Kreaturen wie er ausgemerzt werden. Das Gute siegt, aber man mag die rechte Genugtuung darüber nicht empfinden. Shakespeare hat allen nur möglichen Reaktionen auf den Tod des Unholds den Weg verlegt; moralische Befriedigung, Mitleid und Gelächter blockieren sich gegenseitig. Was bleibt, ist ein eigenartig stumpfes Empfinden, vergleichbar demjenigen, mit dem man Schreckensnachrichten aufnimmt, die das subjektive Fassungsvermögen übersteigen. Die Trauer, die Richard III. hinterlässt, ist anästhetisch. 5. Pedro Calderón de la Barca, La vida es sueño (Das Leben ein Traum) Blickt man von dem deprimierenden Schauspiel, das die Geschichte im englischen Trauerspiel bietet, auf das Werk des Calderón, so erglänzt es in dem letzten Licht, das das spanische siglo de oro auf das ausgehende Mittelalter warf. Dennoch erscheint es bereits von den Fissuren durchzogen, die sich im späteren Trauerspiel zu den unschließbaren Riss erweitert haben, der Himmel und Erde voneinander trennt. Das Leben ein Traum (1636) schildert die Genese der Einsicht, die dem Drama seinen Titel verliehen hat, als brutalen pädagogischen Prozess. Der polnische Königssohn Sigismund wird in einem Versteck weitab von den Menschen gefangen gehalten, weil sein Ge13

burtshoroskop darauf wies, dass er seinen Vater gewaltsam entthronen und das Land in Aufruhr und Zerrüttung stürzen werde. Um ihn zu prüfen, wird ihm ein Schlafmittel gegeben; bewusstlos wird er an den Königshof verbracht, um dort die Herrschaft anzutreten. Sigismund besteht diese Probe jedoch nicht. Wut und erotisches Begehren, die sich in ihm durch die jahrelange Einkerkerung angestaut haben (ob sie sie allererst schuf oder zumindest vestärkte, wird im Drama nahegelegt), entladen sich am Hof in Akten blinder Aggression gegen jeden, der ihm im Weg steht. Darauf wird er erneut eingeschläfert und in sein Gefängnis zurückgeschafft. Um diese abrupten Wendungen seines Geschicks verkraftbar zu machen, redet man ihm ein, all das, was er am Hof erlebt habe, sei nur ein Traum gewesen. Das führt ihn zu der Erkenntnis, das nicht bloß das vermeintlich Geträumte, sondern auch das für wirklich Gehaltene nichts als ein Traum sei: »in den Räu men / dieser Wunderwelt ist eben / nur ein Traum das ganze Leben; / und der Mensch (das seh' ich nun) / träumt sein ganzes Sein und Tun, / bis zuletzt die Träum' entschweben« (Calderón 1636, 118). [»Y sí haremos, pues estamos / en mundo tan singular, / que el vivir sólo es soñar; / y la experiencia me enseña, / que el hombre que vive, sueña / lo que es, hasta despertar« (Calderón [1636] 1965, 164).] Die metaphysische These einer Entwirklichung der Wirklichkeit führt freilich das systematische Problem mit sich, dass sich das "rechte" Handeln nicht aus iht ableiten lässt; sie vergleichgültigt ja auch die Unterscheidung von Gut und Böse. Ist es nicht egal was man tut, ja ob man überhaupt etwas tut? Die Verhinderung dieser Implikationen gestaltet La vida es sueño zu einem philosophischen Drama ganz eigener Art. Calderón geht dazu in mehreren Schritten vor. Zunächst wird Sigismund durch die erkenntnistheoretische Distanz zur Wirklichkeit zur Affektkontrolle ermächtigt: »darum zäumen / wollen wir den rauhen Mut, / diesen Ehrgeiz, diese Wut, wenn wir wieder einmal träumen« (Calderón 1636, 118; vgl. 127 f., 141) [»pues reprimamos / esta fiera condición, / esta furia, esta ambición / por si alguna vez soñamos.« (Calderón [1636] 1965, 164)]. Daran schließt sich die Setzung einer zweiten, wahrhaften Wirklichkeit, in die der Mensch durch seinen Tod gelangt: »Und der Mensch (das seh' ich nun) / träumt sein ganzes Sein und Tun, / Bis zuletzt die Träum entschweben« (Calderón 161, 118) Der Schein des Realen hängt nicht in der Luft, sondern wird durch die Scheinlosigkeit der Transzendenz balanciert. Und schließlich wird die transzendente Überwirklichkeit im christlichen Geiste mit Gerichtsvorstellungen augeladen: »Ist es Traum, ist's eitle Glorie: / Wer, für Glorien der Erde, / Möchte Himmelsglorien opfern?« (Calderón 1636, 141) All dies befähigt Sigismund dazu, selbst zum Richter seines Handelns zu werden und die »zweite Probe«, die ihm nicht mehr von den Menschen, sondern von Gott auferlegt wird (vgl. Kommerell 1946, 218 ff.), zu bestehen. Er wird von Aufständischen befreit, die ihn als legitimen Herrscher einsetzen wollen, und setzt sich nach einigem Zögern an ihre Spitze. Aber der Kampf zwischen Vater und Sohn verläuft anders als es die astrologische Prophezeihung zu besagen schien. Zwar liegt am Ende der alte König vor dem jungen im

Staub, aber es ist keine Demütigung, sondern ein freiwilliger Verzicht auf die Herrschaft. Daraufhin fällt auch Sigismund vor seinem Vater auf die Knie und wird zum rechtmäßigen Herrscher ernannt. Diese (ikonisch ungemein wirkungsvolle) Symmetrie des Verhaltens ermöglicht die Versöhnung. Das Schicksal wird transzendiert, indem es sich in einem Geiste erfüllt, der ihm wesensfremd ist. Durch das ganze Stück ziehen sich Erwägungen darüber, ob der Mensch den Sternen unterworfen sei; ob sein Leben bloß das von ihnen im Voraus Bestimmte ratifiziere; oder ob es möglich sei, einen anderen Weg einzuschlagen – »weil die sprödesten Geschicke, / die unbändigsten Gelüste, / die feindseligsten Gestirne, / immer nur den Willen lenken, / aber zwingen nicht den Willen« (Calderón 1636, 78) [»porque el hado más esquivo, / la inclinación más violenta / el planeta más impío, / sólo el albedrío inclinan, / no fuerzan el albedrío« (Caldéron [1636] 1965, 112)]. Die philosophischen und theologischen Debatten über die Willensfreiheit bestimmten Calderóns Studienzeit in Salamanca; das schwer übersetzbare Wort »inclinar« – Kommerell (1946, 204) schlägt »disponieren« vor – dürfte als eine mögliche Kompromissformel aus diesen Diskussionen hervorgegangen sein (vgl. auch Gerstinger 1967, 34 ff.). Holzschnitthaft formuliert, kennt das antike Schicksal nur die starre Alternative von Rebellion und Unterwerfung; die tragische Dialektik speist sich wesentlich aus dem Umschlag dieser Extreme ineinander. Calderón reagiert darauf mit der These, dass jeder Versuch, dem Schicksal direkt die Stirn zu bieten, es herausfordert und erst recht in Tätigkeit setzt. »Meinem Vater«, sagt Sigismund, »erging es / so wie dem, der aus dem Schlafe / weckt das Untier, das ihm drohet« (Calderón 1636, 148) [»Lo mismo le ha sucedido / que a quien, porque le amenaza / una fiera, la despierta« (Caldéron [1636] 1965, 203).] Das figuriert den Import der antiken Schicksalsvorstellung ins christliche Trauerspiel. Aber Calderón geht über sie durch einen dritten Weg hinaus der zwischen Rebellion und Unterwerfung hindurchführt. Der Schauplatz nämlich, auf dem sich der menschliche freie Wille entfaltet und den Lauf der Sterne zu »beugen« (vencer) vermag, ist die der raschen, geistesgegenwärtigen Reaktion. Nicht summarisch kann dem Verhängten entgegengetreten werden, aber sein Sinn kann sich wenden, indem dem jetzt und hier Gegebenen frei und unvorhergesehen entsprochen wird: »wer zub beugen trachtet / Sein Geschick (…), so geschieht's / Doch nur dann, wenn er im Falle / Der Gefahr ist, denn kein Mittel / Gibt's, um diese fernzuhalten« (Calderon 1636, 148). Das Gewebe des Schicksals ist zu grob; der freie Wille zerreißt es nicht, sondern wird von ihm gar nicht erfasst, Diese Einsicht strahlt von der Sigismund-Handlung auf die parallel laufende RosauraAstolf-Handlung (in der es um Liebe und gekränkte Ehre geht) mit ihren an der Person Clarins hängenden burlesken Seitenstücken aus. Dabei verdient vor allem Clarin Beachtung. Er ist Narr und Hanswurst, der nur ans Essen denkt; die einzige ganz volkstümliche Gestalt des Dramas. Gleichzeitig hat ihn Calderón zu der neben Sigismund zentralen Weisheitsgestalt des Dramas aufgebaut. Clarin stirbt in der Schlacht um die Herrschaft 15

gerade in dem Moment in dem er sich vor ihr versteckt,durch einen Irrläufer. Dem Sterbenden wird die Weisheit des Stücks, dass man den Lauf des Schicksals nur ändern kann, wenn man ihm folgt, in einer populären Form in den Mund gelegt. Auch er verkörpert auf seine Weise die Eine Handlung des Dramas. Mit der Erkenntnis, dass die Zeit nur »Vortäuschung der Wirklichkeit« sei (Gerstinger 1967, 64), nimmt sich das Drama am Ende als Handlung selbst zurück, und dies geschieht in Das Leben ein Traum auf eine so unvergleichlich brutale Weise, dass spätestens an dieser Stelle die restaurative Schwäche des Calderónschen Weltbilds erkennbar wird. Die Versöhnung hat nämlich ein Nachspiel. Einer aus Sigismunds Gefolge wendet sich an den neuen König: »Ehrst du so, wer nicht dir diente: / Was werd’ ich denn, der des Landes / Aufstand wirkt’ und dich erlöste / aus dem Turme, wo du saßest, / was werd’ ich zum Lohn empfahn?« [»Si así a quien not e ha servido / honras, a mí que fui causa / del alboroto del reino/ y de la torre en que estabas / te saqué, ¿qué me darás?« (Caldéron [1636] 1965, 206).] Sigismund antwortet: »Jenen Turm; und daß von dannen / nie du bis zum Tod entweichst, / geb’ ich dir gnugsame Wache. / Des Verräters nicht bedarf’s / nach vollendetem Verrate« (Calderón 1636, 150). [»La torre; y porque no salgas / della nunca hasta morir, / has de estar allí con guardas; / que el traidor no es menester / siendo la traición pasada.« (Caldéron [1636] 1965, 206).] In einem Trauerspiel englischer oder deutscher Provenienz hätte dies bedeutet, dass von Sigismund ebenso wenig Gutes zu erwarten sein wird wie von seinem Vorgänger. Es wäre ein Signal dafür gewesen, dass das Rad der Geschichte einen Umlauf beendet habe und nun von vorn beginne. Hier aber revoziert es auf paradoxe Weise die Handlung des Dramas. Sigismund hält die Macht in Händen, als ob er nie zu ihr gekommen wäre. Er versteinert zur starren Maske des Herrschers, der durch die Zeiten immer derselbe bleibt. Was noch an Geschichte erinnert, daran, dass etwas wurde, dass die Zeit mehr ist als die Bühne der Idee, wird ausradiert. Aber dennoch: Von der Art und Weise, mit der ein Diktator alle einstigen Weggefährten beseitigt, um die Erinnerung daran auszulöschen, dass er selbst wurde, dass er eine Geschichte hat und einmal ein anderer war als der allmächtige Potentat und womöglich Fehler gemacht hat (vgl. Rybakow 1987, 314 f., 553 f.), ist das nicht weit entfernt. Darin bedingt sich die spezifische Trauer, die dieses Stück auslöst. Letztlich ist Calderóns Lösung unglaubwürdig und das Urteil, das über die empirische Welt gesprochen wird, macht es sich zu leicht. Benjamin (1928, 260) hat betont, dass Spiel und Reflexion die Dramen des Spaniers zu einer Konfliktlösung befähige, die den deutschen Trauerspielen des 17. Jahrhundert fremd sei. Aber es ist letztlich Stukkatur. Die Rückstellung des dramatischen Verlaufs in die zeitlose Welt Gottes ist ein Gewaltakt; und es gehört zur Größe Calderóns, dass er auf seine Darstellung nicht verzichtet. Es qualifiziert sein Stück zu einem Trauerspiel, dass vielleicht weniger Trauer erzeugt als die Trauer seines Zeitalters, die in Europa um sich gegriffen hatte, bestätigt.

6. Andreas Gryphius, Leo Armenius Die Melancholie, von der das deutsche Barock zumindest in seiner protestantischen Ausprägung befallen ist, erscheint auf der einen Seite als verallgemeinerte Trauer. Die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges hatten bewiesen, dass die Welt ein Jammertal war, aus dem kein Entkommen möglich schien. Der über sie sinnierende Melancholiker flüchtet vor der Trauer über den Einzelnen in die Einsicht, dass alles eitel und zum Untergang verurteilt sei. Gryphius’ Lyrik fasst diese Einsicht in Worte: »Nichts ist, das auf der Welt, / So schön es immer sei, Bestand und Farbe hält. / Wir sind vom Mutterleib zum Untergang erkoren« (Gryphius 1637, 9-11). Zu dieser Einsicht steht das dramatische Werk im Verhältnis eines Exempels, das immer wieder aufs Neue statuiert werden muss. Auf der anderen Seite ist die barocke Melancholie von Glaubenszweifeln grundiert. Diese artikulieren sich selten direkt. Aber letztlich resultieren die Verlautbarungen dieser Epoche aus der Brüchigkeit der christliche Gewissheiten. Die Frage nach einem Gott, der sich anscheinend von der verwüsteten Welt zurückgezogen hatte, kann durch die radikale Gnadentheologie Luthers nicht zur Ruhe gebracht werden (zu Gryphius vgl. Gundolf 1927, 9). In einem Reyen des »Leo Armenius« heißt es: »Fragt nicht / warumb es in dem Stall einzih'! / Es sucht uns / die mehr Vihisch als ein Vih« (Gryphius 1650, 93) Ob das Christkind findet, was es sucht und ob es in ihm den Menschen zu erkennen bereit ist, bleibt offen. Der Leo Armenius ist Gryphius’ Erstling und vielleicht sein drastischstes Stück (zum folgenden vgl. South 1975). Es spielt am Heiligabend und in der Weihnachtsnacht des Jahres 820 in Konstantinopel. Was dieses Stück – es handelt von der Ermordung des Kaisers Leo Armenius durch Michael Balbus und eine Gruppe von Mitverschwörern – zum Trauerspiel (im Gegensatz zur Tragödie) qualifiziert, ist die Ausweglosigkeit eines geschichtlichen Mechanismus, der bloß Statisten gegeneinander auswechselt. Gegen ihn können die Protagonisten nichts ausrichten. Alles, was sie unternehmen, führt bloß seine Bestätigung herbei. Der gewaltsame Herrschaftswechsel bedeutet weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung der Verhältnisse. In ihm manifestiert sich bloß die Wiederholung des Immergleichen. Danach ist der Charakter der Protagonisten gemodelt. Ein glaubwürdiger Wille zum Guten und abgrundtiefe Bosheit finden sich in ihm weniger vereint als hart nebeneinandergesetzt und unvermittelt schlägt eines ins andere um. Was Benjamin von den Gestalten Lohensteins schreibt, gilt auch von den Dramatis Personae des Leo Armenius: in ihnen bekunde sich »die jähe Willkür eines jederzeit umschlagenden Affektsturms«, in dem sie »wie zerrißne, flatternde Fahnen sich bäumen« (Benjamin 1928, 251). Letztlich aber erweisen sich Angst und Machtstreben als Prinzip aller Beziehungen. Ein Tyrann wird durch den nächsten ersetzt, dem es nicht anders ergehen wird: »Streich / rase / toedt’ und stoß / biß deine stunde schlag! // Erheb die neben dich / so unser blut gefärbet, // Die 17

größer ehr und glück durch unsern fall geerbet! // Erheb’ / was Meyneyd mehr als Redlikeit gelibt! // Was sich in Fürsten-Mord so meisterlich geübt! // Was mächtig Kirch und Hoff und Kercker zu erbrechen! // Vnd wetz’ ein Schwerdt / das dir noch wird die Brust durchstechen!« (Gryphius 1650, 109) Die vor Trauer um Leo Armenius wahnsinnig gewordene Theodosia glaubt in Michael Balbus ihren vom Tod wiedergekehrten Mann zu erkennen (ebd., 111; vgl. Szondi 1961, 83). Damit spricht sie die Wahrheit des Trauerspiels aus. »Mit der alten Formel: Le roi est mort, vive le roi! werden irdische und himmlische Könige zugleich auf das endlos rotierende Rad geflochten« (South 1975, 180 f.). Das Verhältnis zum Christentum ist im Leo Armenius von aggressiver Ambivalenz. Vor allem zeigt dies das Schlussbild des Dramas. Der Kaiser wird in der Heiligen Nacht zu Füßen desselben Kreuzes ermordet, an dem Christus starb. Ob er, der sich durch beispiellose Gräueltaten den Weg zur Herrschaft bahnte, damit zum Märtyrer in der Nachfolge Christi wird, ist trotz der Verbreitung des Imitatio-Christi-Modells im Barock (Tschopp 1991) zweifelhaft. Eher dürfte es sich um einen Akt äußerster Blasphemie handeln, in dem der theologische Raum, der von den Eckpfeilern der christlichen Verheißung gebildet wird, implodiert. Was bleibt, ist die heillose Welt des im ewigen Wechsel Immergleichen und der allmächtigen Vergängnis. »Ach! der Zeit ist nichts zu feste! // Was ich bau / bricht jener ein. // Nichts! Nichts ist das nicht noch heute // Könt in eil zu drümmern gehn; / Vnd wir! ach! wir blinden leute // Hoffen für und für zu stehn.« (Gryphius 1650, 61 f.) 7. Bob Dylan, Ballad of Hollis Brown Was die Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts angeht, so liegt es nahe, sich an den großen politischen Katastrophen zu orientieren, die es geprägt haben. Autoren wie Karl Kraus, Robert Musil, Paul Celan, Peter Weiss und Imre Kertesz, bei denen das Verhältnis von Trauer und traumatischen Reaktionsformen in verschiedenen Spielarten auszuleuchten wäre, hätten hier eine Rolle zu spielen. Stattdessen habe ich mich für ein Beispiel entschieden, das vom menschlichen Leid in einer alltäglichen Form handelt: Bob Dylans »Ballad of Hollis Brown«. Dylan hat viele Gesichter. Eines ist das des steinernen Propheten, der den Fortschrittsoptimismus der US-Bürgerrechtsbewegung zu einem Zeitpunkt unterhöhlt, zu dem sie glaubte, in ihm ein Sprachrohr gefunden zu haben. In »Hollis Brown«, das sich eng an die Tradition der amerikanischen Folk-Balladen anschließt (vgl. Shelton 1986, 213), entdeckt Dylan eine naturhafte, im Grunde unveränderliche Schicht menschlichen Elends, vor dem die gut gemeinten Versuche, die Gesellschaft als Ganze zu verbessern, wie Sonntagsreden wirken müssen. In Wahrheit ändert sich nichts. Es gibt Arme und Reiche, die Reichen sterben reich und die Armen sterben arm. Die »Ballad of Hollis Brown« ist ein früher Song Dylans. Die erste dokumentierte Aufnahme ist von 1962, die Studioaufnahme datiert von 1964 (auf »The Times they are achangin'«). Das Stück handelt von dem Farmer Hollis Brown, dessen Familie wegen einer Getreideepidemie (»Your grass is turning black« [Dylan 1964, 228]: Dylan hat wahr-

scheinlich einen Schwarzrost-Befall im Sinn, die 1953 den Mittleren Westen verheerte) in Not gerät. Er kann sie nicht mehr ernähren, findet keine Arbeit, und der Hunger zerstört die Familie: »You looked for work and money / And you walked a rugged mile / Your children are so hungry / That they don't know how to smile. // Your baby's eyes look crazy / They're a-tuggin' at your sleeve / You walk the floor and wonder why / With every breath you breathe« (ebd., 226). Von seinem letzten Geld kauft sich der Farmer sieben Patronen und erschießt die gesamte Familie. Was diesen Song zu einem herausragenden Werk lyrischer Trauer im zwanzigsten Jahrhundert macht, ist der resignativ-distanzierte Ton, in dem es gehalten ist. Auch wenn es immer wieder so verstanden worden ist (zuletzt in der von Amnesty International vertriebenen Cover-Version der Band Rise Against), fordert »Hollis Brown« nicht zum Protest gegen die Verhältnisse auf (vgl. Corcoran 2003, 152). Im Gegenteil: Die letzte Strophe lautet: »There's seven people dead / On a south Dakota farm / Somewhere in the distance / There's seven new people born« (ebd., 228). Es ist, als würde der Sänger sich von der Geschichte, die er erzählt, langsam entfernen. Hollis Brown, das lyrische Du des Gedichts, wird immer kleiner und verliert alle individuelle Kontur. So entsetzlich das Schicksal dieser einen Familie ist: es ist doch nur eine Episode im großen Gang der Natur, die Leben hervorbringt und sterben lässt und sich um Einzelschicksale nicht schert. Wie in Dylans berühmtesten Song der frühen 1960er Jahre – »Blowin' in the Wind« – erscheint die Geschichte der Menschen als ephemere Oberfläche des Naturprozesses. Es ist mithin eine Trauer zweiten Grades, die hier artikuliert wird, eine Trauer darüber, dass jede Trauer irgendwann vergeht, eine Trauer über das Vergessen, dem alles Einzelne anheimfällt, eine Trauer über die Trauerlosigkeit der Natur. Die Melancholie, in die die Trauer um Hollis Brown am Ende übergeht, ist eine, die ihren eigenen Weltverlust registriert. Dem entspricht das unbeteiligte, epische Timbre der frühen Aufnahmen und die »reduktionistische Kargheit der Musik« (Klein 2006, 15). Die Musik vertritt durchgehend die Perspektive des sinnfernen Wechsels im Gleichen, in der die vom Wort aufgerufenen individuellen Schicksale bedeutungslos werden. In dieser Spannung artikuliert sich die »versteinerte Trauer« (ebd.) dieses Werkes als Reflexionsgestalt ihres affektiven Selbstentzugs. An dieser ästhetischen Konstruktion hält Dylan (was nicht selbstverständlich ist) in allen späteren Aufführungen des Songs fest.

8. Heiner Müller, Die Hamletmaschine Dass die Idee der Geschichte nur eine Illusion gewesen sein könnte; dass die kommunistische Verheißung nach dem, was die sozialistischen Staaten über sie aussagen, nicht einmal ein schöner, sondern ein falscher Traum war: dass die Welt, was immer man politisch unternimmt, um sie zu ändern, sich dreht »im Gleichschritt der Verwesung« (Müller 1978, 412) –: all diese Figuren qualifizieren Heiner Müllers Hamletmaschine zu einem 19

(post-)modernen Trauerspiel (vgl. Weber 1978, 88). Müllers Hamlet ist der kritische Intellektuelle, der gelernt hat, dass alles Handeln sinnlos ist und am Lauf der Welt nichts ändert. Die einzige noch mögliche Form des Protestes ist zur Schau gestelltes désengagement. Die einzige Rolle, die er noch spielen kann, ist die des Zuschauers im Welttheater. Darüber wird er zum Zyniker. Das Aufbegehren des Sohnes gegen den Vater (Müller legt auf diesen von der Psychoanalyse hervorgehobenen Aspekt großen Wert) sinkt in sich zusammen. Der, dem alles, einschließlich seiner eigenen Person egal geworden ist, kriecht am Ende in die Rüstung seines Vaters, wird sein Vater, assoziiert sich mit der Macht und macht das, was alle machen: »HAMLET DER DÄNE PRINZ UND WURMFRASS STOLPERND / VON LOCH ZU LOCH AUFS LETZTE LOCH ZU LUSTLOS / IM RÜCKEN DAS GESPENST DAS IHN GEMACHT HAT / GRÜN WIE OPHELIAS FLEISCH IM WOCHENBETT / UND KNAPP VORM DRITTEN HAHNENSCHREI ZERREISST / EIN NARR DAS SCHELLENKLEID DES PHILOSOPHEN / KRIECHT EIN BELEIBTER BLUTHUND IN DEN PANZER« (ebd., 418 f.). Diesen trostlosen Zustand durchbricht das spätsozialistische Trauerspiel an drei Stellen. Aber alle drei sind im Irrealis gehalten und weisen bloß im Modus eines utopischen Zeichens über das Bestehende hinaus. Das ist zunächst die Rolle, die Ophelia spielt. Im fünften Bild erscheint sie im Rollstuhl gefesselt in der Tiefsee und wütet gegen die Welt. »Ich stoße allen Samen aus, den ich empfangen habe. Ich verwandle die Milch meiner Brüste in tödliches Gift. Ich nehme die Welt zurück, die ich geboren habe. Ich ersticke die Welt, die ich geboren habe, zwischen meinen Schenkeln. Ich begrabe sie in meiner Scham. Nieder mit dem Glück der Unterwerfung. Es lebe der Hass, die Verachtung, der Aufstand der Tod. Wenn sie mit Fleischermessern durch eure Schlafzimmer geht, werdet ihr die Wahrheit wissen.« (ebd., 419). Angeschrieben ist ihre Situation durch die von Hölderlin geborgte Überschrift »WILDHARREND / IN DER FURCHTBAREN RÜSTUNG / JAHRTAUSENDE« (ebd., 419). Es ist also der Aeon Hamlets, an den sie auf unabsehbare Zeit gefesselt ist. Ihre submarinen Proklamationen verhallten und finden allenfalls ein schwaches Echo im sinnlosen Terrorismus der Manson Family, den ihr letzter Satz zitiert (vgl. Fehervary 1982, 140). Die zweite Figur utopischer Transzendenz ist der Aufstand, den Hamlet im vierten Bild imaginiert. Von der Revolution unterscheidet der Aufstand sich dadurch, dass er als Akt reinen Widerstands um seiner selbst willen stattfindet. Weder faktisch noch seinem Selbstverständnis nach verändert er etwas Grundsätzliches an der gesellschaftlichen Verfassung. Aber selbst diese eingeschränkte Ansicht wird von Hamlet in Klammern gesetzt: »Mein Drama, wenn es stattfinden würde, fände in der Zeit des Aufstands statt. (…) Mein Platz, wenn mein Drama noch stattfinden würde, wäre auf beiden Seiten der Front, zwischen den Fronten, darüber. (…) Mein Drama hat nicht stattgefunden« (ebd., 416 f.) – oder eben nur in der Phantasie. Das aber ist nicht gering zu schätzen. Es ist die Phantasie, die wie ohnmächtig auch

immer gegen das Bestehende revoltiert und sich mit dem melancholischen Bewusstsein, dass alles so bleibt, wie es schon immer war, nicht abfinden kann. Phantasie ist aber ein Ursprung der Kunst. In einer Situation, in der alle politischen Wege verbaut sind, bleibt nur die Kunst, um das auszumalen, was anders wäre und nicht sein kann. Das wird im dritten Bild dargestellt: eine halluzinative Bilderfolge, die an die Grenzen des Vorstellbaren stößt – etwa in dieser Form: Hamlet, in eine Frau verwandelt, stellt sich »in Hurenpose. Ein Engel, das Gesicht im Nacken: Horatio. Tanzt mit Hamlet. (...) Der Tanz wird schneller und wilder. Gelächter aus dem Sarg. Auf einer Schaukel die Madonna mit dem Brustkrebs. Horatio spannt einen Regenschirm auf, umarmt Hamlet. Erstarren in der Umarmung unter dem Regenschirm. Der Brustkrebs strahlt wie eine Sonne« (ebd., 415). Es ist die Utopie des Neuen Menschen, an der Müller festhält, nachdem sich die Figur ihrer sozialistischen Propaganda erledigt hatte. Aber sein Bild des Neuen Menschen entspricht nicht dem aus Gewalt und Arbeit gehämmerten totalgesellschaftlichen Wesen. »Ein Mensch ist etwas, in das man hineinschießt, / Bis der Mensch aufsteht aus den Trümmern des Menschen« heißt es resigniert in Mauser (Müller 1970, 254). Sein Bild in Die Hamletmaschine unterläuft demgegenüber den zivilisatorischen Antagonismus von Mann und Frau, Krankheit und Gesundheit, Kunst und Wirklichkeit. Der rasende Stillstand des Tanzes figuriert einen im Wortsinn surrealen Augenblick reiner Gegenwart, der aus der vom Elend der Wiederkehr des Gleichen beherrschten geschichtlichen Welt herausspringt. Diese ästhetische Transzendenz der im öden Gleichlauf erstarrten Wirklichkeit ist aber nur ein illusionäres Interim. Das dritte Bild der Hamletmaschine entspricht dem Spiel im Spiel im dritten Akt von Shakespeares Hamlet. Auf der Bühne von 1978 ff. verkörpert es die Kunst, das »Theater der Auferstehung« (Müller 1986, 62) als »Lusthaus und Schreckenskammer der Verwandlung« (Müller 1983, 261). Wenn die politischen Optionen erschöpft sind und die historischen Utopien unglaubwürdig geworden sind, bleibt nur noch die Kunst, um ohne jede Aussicht auf wirkliche Veränderung zu zeigen, was anders sein könnte (vgl. Ette 2011, 546 ff.). »Der Kommunismus existiert in der Traumzeit« (Müller 1991, 26). Die melancholische Ansicht der Geschichte hat zur Folge, dass die Kunst als trotziges Wahrzeichen eines Nichtseienden errichtet wird. Wolfram Ette

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