Trainingstunden. Stunde 1

Trainingstunden So geschehen: Ein Student namens Hans betritt den Klub in der Meinung, dass man hier Pool – Billard spielt. Er schaut zwei Dreibandspi...
Author: Alexa Böhmer
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Trainingstunden So geschehen: Ein Student namens Hans betritt den Klub in der Meinung, dass man hier Pool – Billard spielt. Er schaut zwei Dreibandspielern zu, die ihm auch die Regeln erklären. Der junge Mann findet sofort Gefallen an dem Spiel und kommt am nächsten Tag wieder. Er fragt nach einem Queue, so wie man es sich normalerweise in einem Lokal ausborgen kann. Daraufhin borge ich ihm einen meiner Queues. Da ich aber mit einem anderen Billardspieler eine Partie ausgemacht habe, spielt Hans alleine. Problemstellung: • Hans spielt prinzipiell mit einem offenen Bock, hat aber keine Führung – nützt die Vertiefung zwischen Daumen und Zeigefinger nicht. • Er springt nach dem Abstoß fast immer auf. • Beinstellung: Sein linkes Bein ist voll belastet, das rechte Bein streckt er gerade nach hinten (ist Rechtshänder). • Der junge Mann kennt nur volles Tempo beim Abstoß. • Er will immer mit Effet spielen. Positives: • Hans hat einen ziemlich geraden Abstoß, was man so sieht. • Er ist absolut lernwillig. • Der junge Mann stellt sich alleine hin, trainiert und spielt mit sich selbst. • Er hat als Student wenig Geld, spielt aber trotzdem immer zwei Stunden. • Hans ist zwar ein „Karambol - Neuling“, aber kein „Billard – Neuling“.

Stunde 1 Ziel: Richtige Körperstellung, Bockhand Ich erkläre, wie grundsätzlich die Körperhaltung aussehen soll. • Das Gewicht sollte auf beide Beine gleichmäßig verteilt sein. • Die Beine sollten nicht gestreckt, sondern leicht gebeugt sein. • Der Winkel zwischen den Beinen und dem Queue sollte ca. 45° betragen.

Ca. 45°

© by Helga Mitterböck

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• Ober- und Unterarm bilden ca. einen 90° Winkel. • Der Queue wird locker in der Schwunghand gehalten, nicht umklammert. • Die Schwunghand bildet mit dem Unterarm eine gerade Linie (Stelle dir vor, du hältst ein Einkaufssackerl – genau so hältst du den Queue!) • Die Bockhand sollte fest am Tisch aufliegen. Das Körpergewicht darf sich aber nicht auf die Hand stützen. Es muss jederzeit möglich sein, wenn man bereits beim Einschwingen ist, dass man die Bockhand hebt – ohne deshalb das Gleichgewicht zu verlieren. • Nach dem Abstoß soll man noch kurz in der eingenommenen Haltung verweilen, wenn dies möglich ist. • Die Schnabellänge hängt von der Art des Abstoßes ab. • Das Kinn berührt nicht wie bei anderen Billardsportarten den Queue. • Der Kopf sollte genau über dem Queue sein. Während ich jeden Punkt erkläre, zeige ich das Gesagte vor. Hans macht mir alles nach. Die Beinstellung bereitet ihm ziemliche Schwierigkeiten, da er ziemlich groß und kräftig ist. Nachdem wir alles besprochen und gemacht haben, komme ich auf die Bockhand zu sprechen. Da er ja bisher nur mit offenem Bock gespielt hat, zeige ich ihm, dass es eine Führungslinie zwischen Daumen und Zeigefinger gibt, und dass man diese nützen soll, damit man gerade anschwingen kann. Hans erkennt aber bald, dass alle Dreibandspieler fast immer mit geschlossenem Bock spielen. Somit üben wir die Handhaltung. Auch dies ist schwierig für ihn, da er ziemlich dicke und ungelenke Finger hat. Nach so viel Info wollen wir natürlich auch noch ein bisschen spielen. Wir beginnen mit Tempoübungen. Dazu lege ich ein Blatt Papier auf den Tisch, und Hans versucht seinen Spielball auf dem Papier zum Stehen zu bringen. Das geht anfangs sehr daneben, da er vom Poolspiel gewohnt ist, stark abzustoßen. Es wird nach einigen Versuchen besser, aber es fehlt ihm natürlich das Tempogefühl. Die Stunde ist um, und Hans experimentiert noch alleine weiter. Vor allem die Vorbänder findet er spannend.

Stunde 2 Ziel: Richtige Körperstellung, Bockhand, Verharren in der Stellung nach dem Abstoß Auch diese Stunde beginnen wir mit Tempoübungen. Ich lege abermals ein Blatt Papier in verschiedenen Entfernungen auf. Hans versucht wieder seinen Ball mit dem richtigen Tempo auf dem Papier zum Stehen zu bringen. Gelingt ihm allerdings fast nie, wenn das Blatt mehr als einen halben Meter entfernt ist. Immer wieder weise ich ihn darauf hin, dass er nach dem Abstoß in der eingenommenen Haltung verweilen soll. Er bemüht sich sehr, nicht aufzuspringen, doch „es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“.

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Nach dieser Tempoübung mit dem Papier wechseln wir zu einer anderen Übung – diesmal mit zwei Bällen. Wir spielen mit offenem Bock. Mit möglichst vielen Karambolagen spielen wir von einer langen Bande zur anderen langen Bande.

Während Hans auf der einen Seite spielt, übe ich auf der gegenüber liegenden Seite, damit er immer wieder das richtige Tempo sieht. Jeder zählt die Anzahl der Karambolagen mit. Zwischendurch korrigiere ich immer wieder auftretende „Fehler“ wie die Beinstellung, Aufspringen nach dem Abstoß, zu schnelles Anschwingen für den kleinen Stoß, zu langer Schnabel,… Damit er die verschiedenen Stoßarten kennen lernt, spielen wir dann einen Rückläufer. Ziel ist es, dass Ball 1 möglichst nahe bei Ball 3 liegen bleibt, und Ball 2 soll möglichst nahe bei den anderen beiden Bällen liegen bleiben.

Die Stellung zeichne ich ein und variiere sie, z. B. vergrößere ich den Abstand zwischen B 1 und B 2. Vor dem Abstoß kommt die Analyse, was denn jetzt am Abstoß zu ändern sei. Ebenso erfolgt der Hinweis, dass diese Lösung dann zu spielen ist, wenn die gedachte Linie durch B1 und B2 auf die lange Bande zeigt. Zur Abwechslung spielen wir dann auch über die kurzen Banden. Auch hierbei sollen die Bälle vereinigt werden. Beide Rückzieher spielen wir ohne Effet.

Bei diesen Lösungen springt Hans wieder häufig auf. Es ist jedoch nicht nötig, seinen Oberkörper mit der Hand „nieder zu drücken“. Es reicht, wenn man ihn immer wieder darauf hinweist.

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Nach diesen ersten Rückläufern zeige ich andere Stoßarten, wie den Nachläufer oder den Druckstoß, vor. Diese üben wir dann allerdings in den nächsten Stunden. Zum Abschluss spielen wir eine Freie Partie, da er unbedingt spielen möchte. Dabei wird ihm sehr stark sein Übertempo bewusst.

Stunde 3 Ziel: Richtige Körperstellung, Bockhand, gerader Abstoß Wir wiederholen die Übungen der ersten und zweiten Stunde. Auch hierbei korrigiere ich immer wieder auftretende „Mängel“. Man merkt eine Verbesserung des Tempos, da er sich alleine hingestellt und geübt hat. Nach den Tempoübungen und den Rückläufern überprüfe ich, ob Hans einen geraden Abstoß hat. Ich stelle einen Ball in die Mitte der drei Aufsetzmarken und lasse Ball 1 auf die kurze Bande spielen. Der Queue muss nach dem Abstoß liegen bleiben. Ball 1 sollte nun auf die Queuespitze auflaufen. Erfreulicherweise ist sein Stoß ziemlich gerade.

Nun üben wir einen anderen Tempostoß – und zwar den Bandenentscheid. So wie bei der vorhergegangenen Übung wird der Ball auf die kurze Bande gespielt und soll dann möglichst nahe bei der Abstoßbande liegen bleiben. Auch hierbei hat er ziemliche Tempoprobleme. Nachdem er einige Versuche alleine getätigt hat, machen wir beide den Bandenentscheid, wobei ich gleich die Regeln hierfür erkläre. In dieser Stunde üben wir analog zur vorigen Stunde Zieher über die Bande. Ziel ist abermals die Vereinigung der Bälle. Zu dieser Position kommt die Erklärung, dass im Unterschied zur bereits geübten Stellung die gedachte Linie durch B1 und B2 auf die kurze Bande zeigt. Vorsicht mit Effet – B1 bekommt es durch die Berührung mit B2 und der Bande. Diese Position wird eingezeichnet und variiert. So vergrößert bzw. verkleinert sich der Abstand zwischen B1 und B2. Jedes Mal soll mir Hans erklären, was es am Abstoß ändern muss. Diese Stellung üben wir auch entlang der langen Bande mit dem Ziel der Vereinigung.

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Zum Abschluss spielen wir wieder eine Freie Partie. Bevor er abstößt, sagt er mir seine Gedanken und Ideen und wie er sie zu verwirklichen gedenkt. Üben gewisser Stellungen ist unabdingbar für Erfolg. Doch ich kann mich an meine Anfänge erinnern, da keiner mit mir spielen wollte, weil ich ja nichts konnte. Das war für mich ziemlich frustrierend. Diesen Frust lasse ich Hans nicht zukommen, denn er freut sich wie ein kleines Kind, wenn jemand mit ihm spielt. Auch wenn es für mich mühsam ist, so soll er nicht die Freude am Spiel verlieren.

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