Tore und Einbruchhemmung

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Author: Silvia Falk
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Publikation – ift Rosenheim Dipl.-Ing. (FH) Christian Kehrer Tore und Einbruchhemmung Fiktion oder Wirklichkeit? Seite 1 von 8

Dipl.-Ing. (FH) Christian Kehrer ift Rosenheim Prüfstellenleiter ift Zentrum Türen, Tore, Sicherheit

Tore und Einbruchhemmung Fiktion oder Wirklichkeit? Das Thema Einbruchhemmung bei Toren wurde in letzter Zeit in der Fachpresse sehr kontrovers diskutiert. Ist bei Türen und Fenstern die Einbruchhemmung hinlänglich bekannt und die Anwendung von technischen Regeln steht außer Frage, werden beim Thema „Einbruchhemmende Tore“ oft Fragen aufgeworfen. Hierzu muss festgestellt werden, dass die Anwendung von DIN V ENV 1627 in Bezug auf Garagentore nicht neu ist; bereits vor Jahren wurde sie im deutschen Spiegelausschuss Einbruchschutz diskutiert, und es wurden Festlegungen getroffen wurden. Das oberste Gremium bezüglich Einbruchhemmung in Deutschland hat die Anwendung von ENV 1627 auf Garagentore bestätigt und ein von DIN CERTCO, der Zertifizierungsstelle des DIN, erarbeitetes Zertifizierungsprogramm verabschiedet. Die Frage der Anwendbarkeit von DIN V ENV 1627 ist in Deutschland somit seit 2004 eindeutig geregelt. In den folgenden Ausführungen sollen technische Aspekte hinsichtlich einbruchhemmender Tore erläutert und Konstruktionsmerkmale aufgezeigt werden.

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Stand der technischen Regelsetzung

Mit Erscheinen der Normenreihe DIN V ENV 1627 ff. (Ausgabedatum April 1999) Fenster, Türen, Abschlüsse – Einbruchhemmung – Anforderung und Klassifizierung, wurden die bis dahin gültigen Normen zum Thema Einbruchhemmung – DIN V 18054 (für Fenster) und DIN V 18103 (für Türen) – in Deutschland abgelöst. Jedoch berücksichtigen speziell die zurückgezogenen Normen, aber auch DIN V ENV 1627 die besonderen Verhältnisse bei Toren nicht vollständig. Hier sei erwähnt, dass DIN V ENV 1627 generell nahezu keine konstruktiven Anforderungen an die Bauteile stellt. Im Rahmen der

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Überarbeitung von DIN V ENV 1627 auf europäischer Ebene wurde festgelegt, dass in der künftigen EN 1627 Tore im Anwendungsbereich von EN 13241-1 herausgenommen werden sollen, und eine eigenständige Norm für einbruchhemmende Tore erarbeitet werden soll.

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Das Prüfverfahren

Das Prüfverfahren zur Einbruchhemmung teilt sich in 3 Einzelprüfungen, welche in der Normenreihe zur Einbruchhemmung ausführlich beschrieben sind (Tabelle 1).

Tabelle 1

DIN V ENV 1627 ff. – Darstellung der Normenreihe zur Einbruchhemmung

DIN V ENV 1627

Fenster, Türen, Abschlüsse – Einbruchhemmung – Anforderungen und Klassifizierung

DIN V ENV 1628

Fenster, Türen, Abschlüsse – Einbruchhemmung – Prüfverfahren für die Ermittlung der Widerstandsfähigkeit unter statischer Belastung

DIN V ENV 1629

Fenster, Türen, Abschlüsse – Einbruchhemmung – Prüfverfahren für die Ermittlung der Widerstandsfähigkeit unter dynamischer Belastung

DIN V ENV 1630

Fenster, Türen, Abschlüsse – Einbruchhemmung – Prüfverfahren für die Ermittlung der Widerstandsfähigkeit gegen manuelle Einbruchversuche

Während für die Widerstandsklasse 1 ein Probekörper erforderlich ist, werden für die Widerstandsklassen 2 bis 6 jeweils zwei Probekörper benötigt. Dies bedeutet keinen unerheblichen Aufwand für den Hersteller. Es empfiehlt sich daher, im Gespräch mit der Prüfstelle eine sinnvolle Probekörperauswahl zu treffen. Auch hinsichtlich des Erfolges, eine bestimmte Widerstandsklasse zu erreichen, ist oftmals im Vorfeld eine genaue Durchleuchtung der Konstruktion sinnvoll, um eventuell bereits in der Planungsphase mögliche Schwachstellen zu ermitteln. Der Probekörper, an dem die statischen und dynamischen Prüfungen durchgeführt werden, kann für die Vorprüfung verwendet werden, sofern die Beschädigungen dieser Prüfungen das Resultat der Vorprüfung nicht beeinflussen.

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Für die Widerstandsklassen 2 bis 6 muss für die Hauptprüfung ein neuer Probekörper verwendet werden. In Bild 1 ist der prinzipielle Ablauf des Prüfverfahrens skizziert.

StatischePrüfung Prüfung nach nach DIN Statische DIN V V ENV 1628 Dynamische Prüfung nach DIN V ENV 1629 Manuelle nachDIN DINVVENV ENV1630 1630 ManuelleVorprüfung Prüfung nach Manuelle Schwachstellenanalyse

Manuelle Hauptprüfung

Verwendung der Erkenntnisse aus der Schwachstellenanalyse

Bild 1 Ablauf einer Einbruchprüfung

3

Statische Prüfung

Zunächst wird der Probekörper 1 mit statischen Lasten an den kritischen Stellen – Verriegelungen, Band- und Lagerpunkte, Füllungsecken, usw. – belastet (Bild 2). Die Auslenkung, verursacht durch die Last, wird auf der Gegenseite ermittelt. Die Höhe der Last ist von der angestrebten Widerstandsklasse abhängig und in DIN V ENV 1627 festgelegt. Die gemessene Auslenkung darf den in der Norm beschriebenen Grenzwert nicht überschreiten. Bisher hat sich gezeigt, dass bestimmte Torkonstruktionen aufgrund der Ausführung oft größeres Verriegelungsspiel benötigen, was unter Umständen zu Problemen bei der Einhaltung der Grenzwerte führen kann.

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F2 F2

F1 F1

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F1 F1

F1 F1

F1 F1

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F1 F1

F1 F1 F1 F1

F1 F1

F3

F3

F3

F1 Füllungsecken F2 Zwischenräume/Herausziehen des Panzers F3 Verriegelungspunkte/Hochschieben des Panzers

Bild 2 Druckpunkte zur statischen Prüfung am Beispiel eines Rolltores

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Dynamische Prüfung

Im zweiten Schritt wird derselbe Probekörper dynamischen Belastungen ausgesetzt. Dabei schwingt ein 30 kg schwerer Sandsack, pendelnd gelagert, an die entsprechenden Prüfpunkte. Hierbei dürfen sich keine Teile von der Konstruktion lösen. Dynamische Prüfungen finden nur in den Widerstandsklassen 1 bis 3 statt. Versuche haben gezeigt, dass die statischen Belastungen in den Widerstandsklassen 4 bis 6 die während der dynamischen Prüfung erreichten Lasten deutlich überschreiten. Daher wird ab der Widerstandsklasse 4 auf dynamische Prüfungen verzichtet. Durchgeführte Prüfungen haben bisher gezeigt, dass das dynamische Prüfverfahren bei Toren wenig wirkungsvoll ist und anstelle dessen eine Prüfung des Ramm- oder Durchfahrschutzes durchgeführt werden sollte.

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Manuelle Prüfung

Nach statischer und gegebenenfalls dynamischer Prüfung folgt die manuelle Schwachstellenanalyse. Hierbei wird an Probekörper 1 mit den je nach Widerstandsklasse zur Verfügung stehenden Werkzeugen versucht, Schwachstellen an der Konstruktion aufzudecken. Oftmals geben die Ergebnisse aus der statischen Prüfung einen Hinweis auf derartige Schwachstellen: Dort, wo größere Auslenkungen möglich sind, können sich auch beim manuellen Angriff Schwachstellen zeigen. In Bild 3 sind mögliche Schwachstellen skizziert.

Glasanbindung/Paneelanbindung Stoßstellen zwischen den Lamellen

Bänder

Führungsschiene evtl. integrierte öffenbare Elemente

Bild 3 Mögliche Schwachstellen im Rahmen der manuellen Werkzeugprüfung am Beispiel eines Rolltores

Werden im Rahmen der Vorprüfung Schwachstellen ermittelt, so hat der Hersteller die Möglichkeit, Verbesserungen am bestehenden Element durchzuführen. Während der Vorprüfung spielt der zeitliche Rahmen eine untergeordnete Rolle, da die Norm hierfür keine zeitliche Beschränkung vorsieht. Anders gestaltet sich jedoch die Situation bei der manuellen Hauptprüfung an Probekörper 2. Hierbei ist die Zeit entscheidend: Gelingt es dem Prüfer nicht innerhalb der sogenannten Werkzeugkontaktzeit (das ist die reine Arbeitszeit, in welcher mit dem Werkzeug das Element angegriffen wird) eine durchgangsfähige Öffnung zu schaffen, so hat das Bauteil bestanden. Werkzeuge und Widerstandszeiten sind in Tabelle 2 aufgeführt.

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Tabelle 2

Manueller Werkzeugangriff – Prüfzeiten und verwendete Werkzeugsätze in Abhängigkeit der Widerstandsklasse

Widerstandsklasse

Werkzeugsatz

1

Widerstandszeit in Minuten

Max. Gesamtprüfzeit in Minuten

keine manuelle Einbruchprüfung

2

A

3

15

3

B

5

20

4

C

10

30

5

D

15

40

6

E

20

50

Kriterium bei der manuellen Prüfung ist die sogenannte „durchgangsfähige Öffnung“. Es gibt dabei drei verschiedene Schablonen (Größenfestlegung), welche eine rechteckige, kreisförmige oder elliptische Öffnung beschreiben.

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Wo liegen die Schwachstellen?

Prinzipiell ist jede Konstruktion unterschiedlich zu bewerten, und auch die angestrebte Widerstandsklasse entscheidet, welche konstruktive Lösung an welcher Stelle sinnvoll ist. Doch gibt es gewisse Details, denen besonderes Augenmerk geschenkt werden sollte, so dass bereits in der Planung Schwachstellen erkannt und ausgemerzt werden können. Einen Überblick über mögliche Schwachstellen wurden bereits in Bild 3 dargestellt. Es sei hier besonders die Ausstattung mit transparenten Füllungen genannt, welche den Torhersteller vor andere Schwierigkeiten stellt als den Fensteroder Türhersteller. Gerade Rolltore haben ja mit jedem „Gramm“ zu kämpfen, und es erscheint nicht nur hinsichtlich der Laufeigenschaften sinnvoll, die Gesamtmasse so gering wie möglich zu halten. Gemäß Norm werden durchwurf- oder durchbruchhemmende Eigenschaften nach DIN EN 356 gefordert. Wie aber soll nun das Bauteil transparent gestaltet und trotzdem die Einbruchhemmung realisiert werden? Hier bieten sich Polycarbonat-Gläser an, welche bei vergleichsweise geringer Dicke und damit geringem Gewicht eine bemerkenswerte Schlagzähigkeit aufweisen. Des Weiteren muss darauf geachtet werden, dass die Glasanbindung, also der Einbau

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des Glases in das umgebende Bauteil, so erfolgt, dass ein Angriff auf die Anbindung selbst wirksam gehemmt wird. Eine praktikable Lösung ist das Einkleben der Scheibe, da hierfür zum einen ein geringer Platzbedarf im Falz erforderlich ist und zweitens auf Verstärkungen im Bereich des Überschlages oder der Glashalteleisten meist verzichtet werden kann. Auf integrierte Schlupftüren gilt es besonders zu achten. Diese sind quasi als „Bauteil im Bauteil“ zu betrachten und müssen für sich genommen alle Kriterien einer einbruchhemmenden Tür erfüllen. Die Schwierigkeiten lassen sich bereits erahnen: Da derartige Türen auch oftmals als Notausgangstüren nach außen, also zur Angriffsseite hin zu öffnen sind, sitzen die Bänder auf der dem Einbrecher zugewandten Seite. Die möglichen Schwachpunkte sind Bänder, Schloss bzw. Schlossbereich, Türblattfläche und Anbindung an die umgebende Torkonstruktion. Die einzusetzenden Schlösser in diesen Schlupftüren sind gewissen Mindestanforderungen unterworfen. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass DIN V ENV 1627 in ihrem normativen Anhang in Tabelle C1 zu bestimmten Kriterien bezüglich der Beschläge konkrete Anforderungen stellt. Als europäisches Normenwerk bezieht sich diese Tabelle auf EN-Normen. Vergleichbare DIN-Normen, welche Schlösser, Profilzylinder und Schutzbeschläge betreffen, sind im deutschen nationalen Vorwort (Tabelle NA.1) zur DIN V ENV 1627 enthalten. Ein weiterer Aspekt, der auf den ersten Blick eine eher untergeordnete Rolle spielen mag, sind generell die elektrischen Antriebe bzw. die Bewegungseinrichtungen. Es stellt sich die Frage „Was passiert im spannungslosen Zustand?“. Betrachtet man nur die Anforderungen der Einbruchhemmung, so müssen die Antriebe in jeder Situation, also auch im spannungslosen Zustand, die Zuhaltung der gesamten Toranlage sicherstellen. Selbstverständlich muss darauf geachtet werden, dass Bedienungseinrichtungen – auch auf der dem Angriff abgewandten Seite – so angebracht werden, dass eine Manipulation von außen oder durch geschaffene Öffnungen in der Torfläche nicht möglich ist. Als weitere Schwachstellen und Konstruktionskriterien seien noch erwähnt: − die Torfläche, welche als Angriffsziel den Attacken des Einbrechers standhalten muss (Materialdicke und Festigkeit), − bei Rolltoren die Lamellenanbindung und die Lamellen, − Führungsschienen: die Steifigkeit und eventuelle Verbauung hinter der Wand, um den möglichen Angriff zu erschweren,

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− Sicherung von der Angriffsseite zugänglicher Befestigungsmittel gegen Manipulation, − Begrenzung von Spalten und Durchgriffsmöglichkeiten.

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Resümee

Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass sich Einbruchhemmung an Toren durchaus realisieren lässt. Für 1- und 2-flügelige Drehflügeltore, Garagentore, Schiebe- und Rolltore liegen bereits Prüferfahrungen teilweise auch in sehr hohen Widerstandsklassen vor. Auch im europäischen Ausland wie in Holland liegen bereits umfangreiche Erfahrungen bei der Prüfung und Zertifizierung von einbruchhemmenden Toren vor. In Deutschland werden nach DIN V ENV 1627 geprüfte und zertifizierte einbruchhemmende Tore auf den Herstellerverzeichnissen der Landeskriminalämter (KPK Herstellerverzeichnisse) gelistet.

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