Tierwelt  

Tigermädchens letzte Reise  

Tigermädchen als junge Katze

Das dicke Kissen an der Heizung ist fort. In den letzten beiden Monaten hatte meine Katze Tigermädchen dort gelegen. Mitte Dezember hatte Tigermädchen entschieden zu sterben, aber es sollte noch etwas dauern, bis es wirklich soweit war. Ich musste mir überlegen, ob ich sie zum Tierarzt bringe und einschläfern lasse oder ob sie zu Hause stirbt. Sie hatte immer furchtbare Angst vor dem Tierarztbesuch. Schon der Transport in der Box und im Auto war mit Höllengeschrei verbunden. Ich entschied also, die Katze zu Hause sterben zu lassen und nur dann, wenn es ihr schlecht ginge oder sie Schmerzen angezeigt hätte, zum Tierarzt zu fahren. Für den Notfall hatte ich ein Bachblütenpräparat im Haus. Diese Zeit war sehr ruhig, gelassen und liebevoll. Wir haben auch noch viel geschmust.

 Am Ende konnte ich an einer Kopfbewegung von ihr sehen, ob sie aufs Katzenklo musste, Wasser trinken wollte oder ihren Dosenöffner als Sofakissen brauchte. In ihrer letzten Lebenswoche konnte sie diese Dinge nicht mehr selber tun und brauchte meine Hilfe. Sie war sehr schwach geworden. Trotzdem hat sie alles mit viel Ruhe, Gelassenheit und Vertrauen hingenommen. Gestern ist sie gestorben und es war der einzige Tag, an dem ich die Bachblüten eingesetzt habe, weil ich merkte, dass sie krampfte. Zehn Minuten nach der Einnahme war Tigermädchen wieder ganz entspannt und so ist sie elf Stunden später dann auch gestorben.

Liebes Tigermädchen, ich erinnere mich an den Tag, an dem du mich erwähltest. Einem strahlend schönen Sommersonntag vor 15 Jahren. Kurz zuvor waren meine beiden Norweger-Kater auf der Landstraße überfahren worden. Die Kinder auf unserer Straße wussten das und wollten mich trösten. Sie pflückten mir Blumen und waren auch sonst ganz lieb. An diesem besagten Sonntag klingelte es vormittags an meiner Haustür. Ein Pulk von sechs Kindern, die alle aufgeregt durcheinander sprachen, stand vor mir. Nina hatte ein Weidenkörbchen im Arm. Darin saßen zwei kleine Tigerkatzen, vielleicht zehn, zwölf Wochen alt. Ein Kater und eine Katze. Die Kinder hatten auf dem Spielplatz gespielt und beobachtet, wie eine Frau dort im Gebüsch das Körbchen ablud. Die Sommerferien hatten gerade begonnen. Die Kätzchen waren wunderschön. Du sahst mich mit deinen großen, grünen Augen an, Tigermädchen, hast gemaunzt und als ich dich aus dem Korb nahm, da bist du sofort bis in meine Halsbeuge geklettert und hast wie ein kleiner Rasenmäher gebrummt. Unser Bund fürs Leben war beschlossene Sache. Und es war ein gutes Leben. Du warst eine ruhige und sehr würdevolle Katze. Nie hast du gekratzt oder gebissen. Arglist oder Falschheit kanntest du nicht. Genauso wenig wie deine Gefährtin Lilli.

Lilli passt auf Tigermädchen auf  Du hast immer nur soviel gefressen, dass es dir die Taille nicht ruinierte. Maßhalten war eine deiner Stärken. Außer beim Schmusen, da konntest du gar nicht genug bekommen. 15 Jahre, das ist nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht alt. Es war halt die Zeit, die dir auf dieser Erde gegeben war und in der ich dich als Leihgabe halten durfte. 

Am letzten Tag ihres Lebens bei mir Auf deine stille und feine Art hast du mir noch eine letzte Lehre erteilt. In der Natur ist das Sterben ein Prozess, der sein eigenes Tempo hat. Da gibt es keine Tricks zum Hinauszögern oder Beschleunigen. Es

dauert so lange wie es nun mal dauert und es ist wie es ist. Weder gut noch schlecht, sondern schlicht eine hinzunehmende Realität. Du bist so gestorben wie du gelebt hast - leise, sanft und sehr schön. Es war mir eine Ehre, dein Sofakissen und Dosenöffner gewesen zu sein. Danke und gute Reise, Tigermädchen! AS

 

 

Einen Kommentar schreiben   Kommentar von Monika Egbringhoff | 06.02.2011   Liebe Frau Scheik, danke für diese beeindruckende Geschichte, für die Antwort auf die Frage: Wie geht das:' Der Tod gehört zum Leben'? Viele Grüße Monika Egbringhoff

    Kommentar von Redaktion AS | 07.02.2011   Liebe Frau Egbringhoff, gerne. Es hat auch mir selbst geholfen, mir das klar zu machen. Liebe Grüße, Anja Scheik

   

Kommentar von Claudia Hereth | 15.06.2012   Liebe Frau Scheik, eine beeindruckende Geschichte die mich an meine erste Hündin erinnert. Als ich sie bekam war meine Anni bereits 5 Jahre alt. Leider starb sie im Alter von 7 einhalb Jahren an Leberkrebs. Keine sehr lange Zeit die wir gemeinsam hatten. Aber ich bin stolz und glücklich das ich sie kennenlernen durfte u. mit ihr ein Stück des Lebens gehen durfte. Sie starb 2010. Ich vermisse sie jeden Tag und werde sie nie vergessen. Ich glaube egal wie lang auch unsere tierischen Freunde leben... für uns ist diese Zeit immer zu kurz. "Ein Hund ist ein Herz auf vier Beinen." ( irländisches Sprichwort) Anni war genau das. Liebe Grüße Claudia Hereth

     

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