Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft Zur Integration von Lernfeldern in eine handlungsorientierte Wirtschaftsdidaktik 1 ...
Author: Kristian Holst
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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft Zur Integration von Lernfeldern in eine handlungsorientierte Wirtschaftsdidaktik

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Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Björn Paape

Inhaltsverzeichnis (I)

I. Kapitel Erkenntnisleitende Fragestellung und Aufbau II. Kapitel Zur Genese von Lernfeldern im handlungsorientierten Wirtschaftslehreunterricht 1. Ursprünge wirtschaftskundlicher Bildung 2. Entwicklung der kaufmännischen Bildung im 17. und 18. Jahrhundert 2.1 Kaufmännischer Unterricht in den Schreib- und Rechenschulen 2.2 Ansätze zur Verwirklichung des Handelsschulgedankens

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Inhaltsverzeichnis (II) 3. Entwicklung von berufs- und wirtschaftskundlicher Bildung im 19. Jahrhundert 3.1 Zum Gegensatz zwischen Berufs- und Allgemeinbildung 3.2 Auswirkungen des neuhumanistischen Bildungsideals auf die allgemeine Berufsausbildung 3.3 Konsequenzen für die Kaufmannsbildung 4. Ausweitung des kaufmännischen Bildungswesens im 20. Jahrhundert III. Kapitel Lehr- und lerntheoretische Fundierung der Integration von Lernfeldern in eine handlungsorientierte Wirtschaftsdidaktik 1. Allgemeine Didaktik und die Abgrenzung zur Fachdidaktik 1.1 Historische Grundlegung des Begriffs der Didaktik 1.2. Zum neueren Verständnis des Begriffs der Didaktik

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Inhaltsverzeichnis (III) 1.2.1 Der Terminus der Didaktik nach Klafki 1.2.2 Der lerntheoretische Ansatz in der Didaktik 1.2.3 Der kybernetische Ansatz in der Didaktik 1.3 Zur Abgrenzung der Begriffe ‘allgemeine Didaktik’ und ‘Fachdidaktik’ 1.3.1 Die Abgrenzung zwischen allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik nach Klafki 1.3.2 Die Unterscheidung zwischen allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik nach Kopp 2. Traditionelle und neuere Ansätze der Wirtschaftsdidaktik 2.1 Die traditionelle Konzeption der Wirtschaftsdidaktik 2.1.1 Kulturpädagogisch orientierte Konzeptionen der Berufserziehung 2.1.1.1 Kerschensteiners Idee der Berufsbildung und Arbeitsschule 2.1.1.2 Schliepers Konzeption des wirtschaftsberuflichen Unterrichts 2.1.2 Die Schwächen der traditionellen Konzeption

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Inhaltsverzeichnis (IV) 2.2 Neuere Ansätze und Konzeptionen der Wirtschaftsdidaktik 2.2.1 Das Modell einer antizipierenden Didaktik der Berufsausbildung nach Zabeck 2.2.2 Der polit-ökonomische Ansatz nach Brakemeier 2.2.3 Der emanzipatorische Ansatz nach Castner 2.3 Die Schwächen der neueren Ansätze der Wirtschaftsdidaktik 3. Der handlungsorientierte Ansatz in der Wirtschaftsdidaktik 3.1 Handlungsorientierung als Lehr- und Lernkonzept 3.1.1 Problematik der Begriffsbestimmung 3.1.2 Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts 3.1.2.1 Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts im Rahmen seiner Vorteilsbegründungen 3.1.2.2 Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts unter dem Blickwinkel seiner Problematisierung 3.2 Handlungsorientierung aus Sicht der Diskussion um Qualifikationen Kompetenzen - Lernziele

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Inhaltsverzeichnis (V) 4. Das Lernfeldkonzept im Rahmen einer handlungsorientierten Wirtschaftsdidaktik 4.1 Zur Entwicklung des Lernfeldkonzeptes auf der Basis der Handlungsorientierung 4.2 Zur Umsetzung des Lernfeldkonzeptes 4.2.1 Die Gestaltung des Lernfeldkonzeptes 4.2.2 Zur exemplarischen Umsetzung von Lernfeldern und Lernsituationen in Ausbildungsberufen 4.2.3 Zur Umsetzung des Lernfeldkonzeptes in der Bildungsgangkonferenz 4.3 Lerntheoretische Fundierung 4.4 Reduktionstheoretische Betrachtung der lernfeldorientierten Wirtschaftsdidaktik 4.4.1 Begriffsdefinitionen 4.4.2 Alternative theoretische Ansätze zur didaktischen Vereinfachung 4.4.2.1 Dietrich Herings Theorie der didaktischen Vereinfachung und deren Kritik 4.4.2.2 Grüners Theorie des didaktischen Reduktionsfelds und deren Kritik 4.4.2.3 Die didaktische Reduktion nach Gerhard Hauptmeier 4.4.3 Vergleich und Ergänzung der dargestellten Ansätze 4.4.4 Die Reduktionsansätze und ihre Anwendung auf eine handlungs- und lernfeldorientierte Wirtschaftsdidaktik

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Inhaltsverzeichnis (VI) IV.Kapitel Zur Umsetzung der handlungs- und lernfeldorientierten Wirtschaftsdidaktik: Aktionsund Sozialformen als Methodik wirtschaftskundlichen Unterrichts 1. Begriffsbestimmung 2. Planerische Überlegungen zur Unterrichtsgestaltung als Implikationszusammenhang 2.1 Analyse der Bedingungen, unter denen sich Unterricht vollzieht 2.2 Zur Formulierung des Themas einer Unterrichtsstunde 3. Unterrichtsformen im Wirtschaftsunterricht 3.1 Aktionsformen des Lehrens 3.1.1 Die darstellende Unterrichtsform 3.1.2 Die erarbeitende Unterrichtsform 3.1.3 Die entdecken-lassende Unterrichtsform

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Inhaltsverzeichnis (VII) 3.2 Sozialformen des Unterrichts 3.2.1 Frontalunterricht 3.2.2 Gruppenarbeit 3.2.3 Partnerarbeit 3.2.4 Alleinarbeit (Einzelunterricht) 3.3 Aktive Lernmethoden als methodische Grossformen 3.3.1 Fallstudie 3.3.1.1 Die Entstehung der Fallstudienmethode 3.3.1.2 Wesen und Zielsetzungen der Fallstudienmethode 3.3.1.3 Varianten der Fallstudie 3.3.1.4 Kriterien für die Erstellung bzw. Auswahl von Fallstudien 3.3.1.5 Verlauf des Lernprozesses bei Fallstudien 3.3.1.6 Didaktische Vorzüge und Grenzen des Einsatzes von Fallstudien 3.3.2 Rollenspiel 3.3.3 Planspiel 3.3.4 Projekt 3.3.5 Lernbüro und Juniorfirmen

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Inhaltsverzeichnis (VIII) 4. Exkurs: Medieneinsatz 4.1 Kreidetafel 4.2 Overheadprojektor und Folien 4.3 Arbeitsblatt 4.4 Vergleich von selbst- und fremderstellten Medien V. Kapitel Kritische Würdigung einer lernfeldorientierten Didaktik

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I. Kapitel: Erkenntnisleitende Fragestellung und Aufbau der Untersuchung

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I. Kapitel:

Erkenntnisleitende Fragestellung und Aufbau der Untersuchung

• Die derzeitige gesellschaftliche Entwicklung verändert auch das duale System der kaufmännischen Berufsausbildung. • Handreichungen für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz (KMK) für den berufsbezogenen Unterricht: Lernfelder als didaktisch reflektierte berufliche Handlungsfelder zur entscheidenden Gestaltungsgrundlage für die Erstellung von Rahmenlehrplänen. • Das klassische System der fachwissenschaftlichen Gliederung in Unterrichtsfächer wird damit weitgehend aufgegeben. • Paradigmenwechsel hin zu einem eher prozessorientierten Lernen in vernetzten Strukturen in den berufsbildenden Schulen. • Im Folgenden soll nun gezeigt werden, welche Einflüsse sich bei der Entwicklung der aktuellen Lernfelddidaktik bemerkbar machen.

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II. Kapitel: Zur Genese von Lernfeldern im handlungsorientierten Wirtschaftslehreunterricht

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II. Kapitel:

Zur Genese von Lernfeldern im handlungsorientierten Wirtschaftslehreunterricht

1. Ursprünge wirtschaftskundlicher Bildung Erste Ansätze zur Realisierung einer ökonomischen Bildung: Antike: • Platon (427-347 v.Chr.): Postulat der Erziehung für den Erwerbsstand; Erwerb von Kenntnissen in der Hausverwaltung. • Aristoteles (384-322 v.Chr.): Entwicklung einer Lehre vom Hauswesen sowie vom Erwerb und der Erwerbstätigkeit: • Einbeziehung dieser Lehre in allgemeine Erziehungslehre; • zentrale Themen seiner Abhandlungen sind: Eigentum, Arbeit, Sold und Geld.

• Variierung der antiken Ansätze durch christliche Motive: christliche Hausführungsgedanken.

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• Jahrtausendwende: Einbeziehung innerhalb der Ethik auch der Politik und der Ökonomik in den Lehrplan. • 17. Jahrhundert: Einbeziehung der Wirtschaftslehre im Rahmen der Realien in die gelehrte Bildung. • „Didactica magna“(1632) von Comenius: Forderung nach einer wirtschaftskundlichen Einführung für die Lateinschüler und nach einem Unterricht in Haus- und Wirtschaftslehre für die vorausgehenden Schulen.

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2. Entwicklung der wirtschaftskundlichen Bildung im 17. und 18. Jahrhundert 2.1 Kaufmännischer Unterricht in den Schreib- und Rechenschulen •



Mittelalter: Möglichkeiten der Aneignung des notwendigen Wissens der Kaufleute unter anderem durch den Elementarunterricht, den Unterricht durch Geistliche, die Lateinschule und die gelehrte Bildung als Bildungsweg für den Kaufmann. Ausbildungsstätten:  für den hanseatischen Kaufmann - Bergen, Brügge, London oder Nowgorod  für die süddeutschen Kaufleute - vorwiegend Italien.

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Ende des 15. Jahrhunderts: • Ausweitung des Handels und der Städte; dadurch Aufwertung des kaufmännischen Berufs. • Entstehung von Schreib- und Rechenschulen:  Es wird Schriftverkehr, kaufmännischem Rechnen und ab dem 16. Jahrhundert auch Buchhaltung unterrichtet;  Die Schulen stehen - bedingt durch den direktem Berufsbezug - in der Tradition der heutigen handlungs- und lernfeldorientierten Berufsschulausbildung.  Beispiele von Schulgründungen, die hieran anknüpfen:  die mathematisch-mechanisch-ökonomische Realschule von Semler (1739) sowie  die Hof-Polizei-Handlungs- und Wirtschaftsschule von Gros (1739).  Die Lehrer dieser Schulen verfassten die ersten deutschen Bücher für den Kaufmann, welche die Gebiete Schriftverkehr, kaufmännisches Rechnen und Buchhaltung umfassten.

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• 1715: Vorschlag von Paul Jacob Marperger der Errichtung einer „Kauffmannsacademie“:  kann als Ausgangspunkt der kaufmännischen Schulbewegung in Deutschland angesehen werden;  Marperger fordert eine ausreichende theoretische Grundbildung für die Kaufmannsjugend durch Unterricht im Rechnen, Schreiben, Buchhaltung, lateinischer Sprache, Geometrie, Geschichte und Sittenlehre. • Gründung von Hecker einer ökonomisch-mathematischen Realschule in Berlin:  Einrichtung neben Schreib- und Rechenklassen einer „Manufactur-, Commercien- und Handlungsclasse“.

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Merkantilismus (ca. 16.-17.Jhd): Förderung von Industrie und Handel; dadurch  • Intensivierung der Ausbildung der Kaufleute und Heranbildung eines neuen Unternehmertums, • Forderung seitens der Unternehmer zur Bereitstellung gut geschulter Arbeitskräfte, um Industrie und Handel zu intensivieren und die Produktivität zu steigern. Es wird als eine Analogie zum heutigen Vorgehen angesehen, da durch den Einsatz von Lernfeldern beabsichtigt ist, den Betrieben direkt qualifizierte Absolventen der kaufmännischen Berufsausbildung zur Verfügung zu stellen.

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2.2 Ansätze zur Verwirklichung des Handelsschulgedankens • Grundlagen für die Entwicklung des Handelsschulgedankens durch die Kameralwissenschaften und den Merkantilismus:  Entwicklung von Bildungsprogrammen,  Ausbau der ökonomischen Wissenschaften an den Hochschulen,  Förderung der gewerblichen Bildung durch die Einrichtung von Manufakturhäusern. Allerdings: Verwirklichung dieser Schulpläne erst zum Ende des 18. Jahrhunderts. • Letztes Drittel des 18. Jahrhunderts: Entwicklung des ersten selbständigen kaufmännischen Unterrichts. Die bekannteste Handelslehranstalten:  Berliner Handelsschule des J.F.M. Schulz (1791);  Kurfürstliche Akademie in Düsseldorf (1776);  Handelsakademie von Büsch in Hamburg (1768);  Nürnberger Handelsschule von Leuchs (1795).

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• Die Bildungsprogramme dieser Handelsschulen beinhalteten fachliche Grundbildung sowie die umfassende, angestrebte Menschenformung (Vorläufer der heutigen Kompetenzdiskussion im Rahmen der Handlungsorientierung). • Zentrale Aufgaben sind die formale geistige Schulung und die Pflege sozialer Tugenden. • Diese Aspekte sind besonders deutlich bei der Schulgründung im Jahr 1768 durch Büsch in Hamburg  Institut zur Erziehung und Vorübung des jungen Kaufmanns. • primäres Ziel: Menschenbildung - im Sinne der heute beschriebenen Sozial- und Humankompetenzen, • ein weiteres Ziel: “Vorübung“ des jungen Kaufmanns, d.h. Vermittlung einer kaufmännischen Grundbildung.  Insgesamt betrachtet ist gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein beachtlicher Auftrieb im Bereich der kaufmännischen Schulbildung zu verzeichnen.

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3. Entwicklung von berufs- und wirtschaftskundlicher Bildung im 19. Jahrhundert 3.1 Zum Gegensatz zwischen Berufs- und Allgemeinbildung Beginn des 19. Jahrhunderts: Rückgang von Gründungen der Handelsschulen  Ursache: Das herrschende neuhumanistische Bildungsideal der allgemeinen Menschenbildung: • Zentrale Forderung: nicht die Gesellschaft und deren Erfordernisse sondern das Individuum in den Mittelpunkt der Erziehung zu stellen. • Zielte darauf ab, in bewusster Distanz zu den Anforderungen der ständischen Berufswelt die allgemeine Entwicklung der natürlichen Anlagen des Menschen durch die Beschäftigung mit zeitlos gültigen Bildungsgegenständen zu ermöglichen.

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Die zentrale Konsequenz: • Grundstein für die charakteristische Unterscheidung von Berufsbildung und Allgemeinbildung; • Forderung nach der Trennung der allgemeinen Menschenbildung von einer berufs- und standesbezogenen Spezialbildung. • Laut Humboldt: Berufsbildung wird als eine notwendige Ergänzung der allgemeinen Bildung angesehen. Allerdings habe diese der beruflichen Bildung zeitlich voranzugehen.

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3.2 Auswirkungen des neuhumanistischen Bildungsideals auf die allgemeine Berufsausbildung Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erfolgte • Trennung von Berufsbildung und Allgemeinbildung: • die Berufsausbildung wurde den Jugendlichen aus den Unterschichten gewidmet; • die allgemeinbildenden Schulen, besonders die neu entstandenen humanistischen Gymnasien entfalteten, in rigider Abschottung von den Erfordernissen und Erscheinungen des beruflichen und gesellschaftlichen Lebens, ein zunehmend elitäres Bildungsverständnis. • Die sich entwickelnden Formen des beruflichen Schul- und Ausbildungswesens erhielten keinen Anschluss an das allgemeine Berechtigungssystem. • Der Zugang zu Staatsämtern und die Chance zu gesellschaftlichem Aufstieg blieb denjenigen vorbehalten, die Abschlüsse der höheren, allgemeinbildenden Schulen erworben hatten. Ignoranz des beruflichen Schul- und Ausbildungswesens sowohl seitens der Kultusverwaltung als auch der pädagogischen Wissenschaft.

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3.3 Konsequenzen für die Kaufmannsbildung Der humanistische Einfluss bedingte eine Veränderung der Idee der Kaufmannsbildung: • im 18. Jahrhundert wurde die Kaufmannsbildung überwiegend als Fachbildung mit einer, an der gesellschaftlich-beruflichen Brauchbarkeit orientierten, pragmatischen Zielbestimmung verstanden; • im 19. Jahrhundert wurde sie vermehrt als Menschenbildung ausgelegt.  Der gebildete Kaufmann sollte nicht ein kaufmännisch qualifizierter und ausgerichteter Spezialist sein, sondern grundsätzlich eine Persönlichkeit mit allgemeinem Einsichts- und Urteilsvermögen, sittlichen Qualitäten und beruflicher Tüchtigkeit.

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Trotz dieser Entwicklungstendenzen bestand seit Ende des 18. Jahrhunderts die Möglichkeit der Vorbereitung auf die kaufmännische Lehre in den Vollzeitschulen:  angegliedert als Handelsklassen an nicht-kaufmännischen Unterrichtsanstalten;  Schwerpunkt des Lehrkanons: kaufmännische Unterrichtsstoffe (z.B. kaufmännisches Rechnen, Buchführung, Warenkunde, Handelsgeschichte) und neue Sprachen. • Gleichzeitige entstehen in Städten mit reger Handels- und Gewerbetätigkeit organisatorisch selbständige kaufmännische Vollzeitschulen als Vorläufer der heutigen Handelsschulen. • Berufsbegleitende Schulen, die nicht ausschließlich den Lehrlingen einer bestimmten Unternehmung vorbehalten waren, sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu verzeichnen.

• 1818 - Gründung in Gotha einer Unterrichtsanstalt für Handlungslehrlinge, als erste schulische Ausbildungsstätte, die die Ausbildung im Betrieb ergänzte (erste berufsbegleitende Teilzeitschule) und somit den dualen Charakter beruflicher Erstausbildung im kaufmännischen Bereich begründete.

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z.B. in Sachsen sind im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts ca. 20 neue Handelsschulen entstanden: • Grundsätzlich wurden die Schulen vom Kaufmannsstand und nicht von staatlichen Instanzen getragen; • geführt wurden sie unter den verschiedensten Bezeichnungen (z.B. kaufmännische Fortbildungsschule, Handelslehranstalt, kaufmännische Lehrlingsschule). • Das Lehrprogramm: klassische kaufmännische Grundfächer Rechnen, Buchhaltung, Handelskunde und Schriftverkehr. Darüber hinaus gab es zwischen den Schulen vielfältige Unterschiede. 1831 - in Leipzig Errichtung einer Öffentlichen Handelslehranstalt von der Kramerinnung:

• organisatorische Verbindung der Gothaer Form der berufsbegleitenden Teilzeitschule für Lehrlinge mit der Hamburger Form der berufsvorbereitenden Vollzeitschule; • Schwerpunkte in den Lehrplänen der Lehrlingsabteilung sind dabei Fremdsprachen, Deutsch, kaufmännische Arithmetik und Handelswissenschaft.

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Generell ist für das 19. Jahrhundert charakteristisch: • Ausbau der kaufmännischen Lehrlingsschulen und Handelsschulen als Bildungsanstalten für den wachsenden Bedarf an männlichen kaufmännischen Angestellten und weiblichem Verkaufs- und Büropersonal; • Entstehung eines vielfältigen kaufmännischen Bildungswesens, mit erheblichen Unterschieden von Bundesstaat zu Bundesstaat als Folge der Kulturhoheit der deutschen Bundesstaaten und der anfänglichen Zurückhaltung der Gemeinden und Länder. An den Schulen in Gotha und Leipzig, an der Handelschule in Lüneburg sowie der kaufmännischen Fortbildungsschule in Stuttgart: • Bemühungen, den Unterrichtsstoff nicht nur fachlich, sondern auch nach dem Schwierigkeitsgrad zu untergliedern. • Versuche aufeinander bezogene, aufbauende Kurse zu bilden, innerhalb derer eine weitere Klassenaufteilung herrschte.

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• Der Unterricht war nicht primär auf Festigung und Vertiefung des Volksschulstoffes, sondern auf Fortbildung in Sprachen und kaufmännischen Fächern abgestellt. • Zuweisung der Schüler zu den einzelnen Unterrichtsverbänden nach ihrer Vorbildung - bei hinreichenden Schülerzahlen. • Unterricht wurde hauptsächlich durch qualifizierte Wirtschaftspraktiker oder Lehrkräfte anderer Schularten durchgeführt. • Eine generelle eigenständige Berufsvorbereitung für kaufmännische Lehrer bestand nicht. Vor dem Jahr 1898 existierte nur in Bayern eine seminaristisch geordnete Handelslehrerausbildung. Allerdings besaß sie eher einen untergeordneten Stellenwert in der didaktisch-methodischen Ausbildung.

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4. Ausweitung des kaufmännischen Bildungswesens im 20. Jahrhundert Berufsschulunterricht des 20. Jahrhunderts: • In zunehmendem Maße wurde Rücksicht auf die Anforderungen der einzelnen Wirtschaftszweige genommen: • zunächst Berücksichtigung der Sonderaufgaben des Einzelhandels; • später Einrichtung in den Berufsschulen von besonderen Abteilungen für Auszubildende aus Industrie- und Großhandel, des Bank- und Versicherungsgewerbes. • Gliederung der dazugehörigen kaufmännischen Vorschulen in zwei- oder dreijährige Handelsschulen. • Gründungon höheren Handelsschulen für Absolventen der höheren Schulen und der Realschulen. Rehabilitierung der durch den Humanismus diskreditierten beruflichen Bildung, u.a. durch die Arbeiten von Spranger, Kerschensteiner und Schlieper zur Berufsbildungstheorie: • Die Theorie erklärte auf kulturphilosophischer Grundlage den Bereich der Wirtschaft als bildungsrelevanten Kulturbereich und damit den Beruf als legitimes Bildungsgut.

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• Sie interpretierte die Berufsbildung als Ausgangspunkt, Zentrum oder Endstadium des Bildungsprozesses - unter Beibehaltung der humanistischen Idee der Menschenbildung als Ziel der Erziehung. Konsequenz dieser Entwicklungstendenzen:  eine ausdifferenzierte Entwicklung allgemeiner, aber auch die Wirtschaftswissenschaften betreffender fachdidaktischer Modelle.  Die berufsbildenden Schulen (Berufskollegs) und die didaktischen Modelle, die ihre Vorgehensweise zu prägen versuchen, sind - im Zuge der sich im letzten Jahrzehnt immer schneller ändernden Arbeitswelt - gefordert, sich der Geschwindigkeit dieses Veränderungsprozesses anzupassen.  Damit wird auch eine Anpassung hinsichtlich der Akzentuierung von Lernzielen im Bereich von Schlüsselqualifikationen und beruflicher Handlungskompetenz erforderlich.  Den berufsbildenden Schulen fällt dabei eine wichtige Rolle für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben zu.  Die Integration von Lernfeldern – auf der Basis beruflicher Handlungsfelder - stellt hierbei ein Kernelement der Veränderung wirtschaftsdidaktischer Konzeptionen dar. 30

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III. Kapitel: Lehr- und lerntheoretische Fundierung der Integration von Lernfeldern in eine handlungsorientierte Wirtschaftsdidaktik

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III. Kapitel:

Lehr- und lerntheoretische Fundierung der Lernfeldintegration in eine handlungsorientierte Wirtschaftsdidaktik

1. Allgemeine

Didaktik und die Abgrenzung zur Fachdidaktik

1.1 Historische Grundlegung des Begriffs der Didaktik Begriff der Didaktik: Johann Amos Comenius (geb. 1592) - „Didaktica Magna“ (erschienen - 1657): Die Kunst einer großen Didaktik besteht darin, allen Menschen alles zu lehren.

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Ziel der Didaktik (analog zu Überlegungen der heutigen handlungs- und lernfeldorientierten Didaktik): • „Erstes und letztes Ziel unserer Didaktik soll es sein, die Unterrichtsweise aufzuspüren und zu erkunden, bei welcher die Lehrer weniger zu lehren brauchen, die Schüler dennoch mehr lernen, in den Schulen weniger Lärm, Überdruß und unnütze Mühe herrsche, dafür mehr Freiheit, Vergnügen und wahrhafter Fortschritt; in der Christenheit weniger Finsternis, Verwirrung und Streit; dafür mehr Licht, Ordnung, Friede und Ruhe.“ • Entwicklung durch Comenius: breite Vorstellungen über die Jugenderziehung, eine pädagogische Ziellehre, Unterrichtslehre und eine Schultheorie, dabei Verbindung religiös fundierten Zielsetzungen mit einem didaktischen Ansatz. • Arbeiten von Comenius gelten als entscheidender Impuls in Richtung einer allgemeinen Schulpflicht, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts zunehmend realisiert wurde. • Die Zielvorstellung einer veränderten, d.h. abnehmenden Lehreraktivität kann in diesem Zusammenhang als Grundsteinlegung für die wissenschaftliche Weiterentwicklung einer Lehre der Didaktik verstanden werden. 33

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Weitere zentrale Denkanstöße auf dem Weg zur heutigen Handlungs- und Lernfeldorientierung: Ungefähr 100 Jahre später: • durch die volkstümlichen Erziehungsbücher und Schriften; • durch die stärker pädagogisch und methodisch orientierten Abhandlungen von Johann Heinrich Pestalozzi: Sie beinhalteten die Behandlung der Möglichkeiten einer systematischen Geistesbildung der Kinder. • Pestalozzis Handlungsziel: „(...) die Vereinfachung aller Lehrmittel so weit zu treiben, dass jeder gemeine Mensch leicht dahin zu bringen seyn könnte, seine Kinder zu lehren und allmählich die Schulen nach und nach für die ersten Elemente beynahe überflüssig zu machen.“ • Seine pädagogische Arbeit beruht auf den Prinzipien:  Prinzip der Nähe;  Prinzip der Anschauung;  Prinzip der Individuallage;  Prinzip des Real-Handgreiflich-Lebenspraktischen. Die Verknüpfung dieser verschiedenen Prinzipien dient als die Basis für die Entwicklung der sogenannten Elementarmethode, die eine gleichberechtigte Ausbildung von „Kopf, Herz und Hand“ anstrebt. 34

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• Laut Klafki sei Fernziel seiner Bemühungen: die Vereinfachung aller Lehrmittel, so dass die Eltern, besonders die Mütter, in den Stand gesetzt werden, ihre Kinder in die Anfangsgründe des Schreibens, Lesens und Rechnens sowie des Anschauungsunterrichts selbst einzuführen. • Ansatz Pestalozzis: Der Versuch, das Prinzip des Elementaren, d.h. die Konzentration auf das Grundlegende und Aufschließende, das er für die sittliche Erziehung zuvor entwickelt hatte, nun auch im Bereich der intellektuellen Bildung zu verwirklichen. Johann Friedrich Herbart: einerseits - stand unter dem intellektuellen Einfluss Pestalozzis; anderseits - fungiert als Kritiker Pestalozzis. • Rede von 1804: demnach fehlt es Pestalozzi zu sehr an wissenschaftlichen Hilfsmitteln und darüber hinaus an der nötigen „Kaltblütigkeit“, um das wissenschaftliche Handwerkszeug zu gebrauchen. • „Kaltblütigkeit“ wird verstanden als systematischer Gebrauch wissenschaftlichen Handwerkszeugs.  Folge: bedeutend größere Wissenschaftlichkeit der Didaktik. 35

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• Das, was Herbart unter Charakterbildung versteht, ist nur durch den Unterricht zu erreichen. Verschiedene Interessen werden durch das ästhetische Begreifen sittlicher Ideen geweckt. • Auf diese Weise können die Lernenden:  Werturteile aufbauen,  sie mit Emotionen besetzen,  und so die Stufe der logischen Kultur der Maximen erreichen. • Unterricht ist daher nur denkbar als erziehender Unterricht  Hierzu ist entsprechende Ausrichtung des Unterrichts notwendig. • Dies impliziert Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung:  Herbart entwickelt eine Unterrichtsstufung, die auf dem Prinzip des Wechsels von Spannung und Entspannung, von Vertiefung und Besinnung (Respirationsprinzip) basiert.  Er sieht in dieser Stufung die Gewährleistung subjektiver Charakterbildung.

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• In der pädagogisch didaktischen Literatur hat sich Herbarts Stufung von Unterricht nach den Begriffen ‘Klarheit’, ‘Assoziation’, ‘System’ und ‘Methode’ als sogenannte Formaltheorie manifestiert. • Herbart hebt die Affinität bestimmter Lehrfächer zu bestimmten Lehrarten hervor und versteht das Lehren von Völkerkunde und Geschichte als darstellenden, die Lehrfächer Mathematik, Logik und Grammatik als synthetischen Unterricht. Gemäß den Ausführungen Willmanns: Definition der Didaktik: sowohl als Lehre vom Bildungswesen, sowie auch als Lehre vom Bildungserwerb.

• Diese beiden Definitionskomponenten sind miteinander verknüpfbar. • Beide Komponenten können im Vermittlungsvorgang keine autonomen Entscheidungen über Ziele und Stoffinhalte treffen.

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• Das individuelle Streben und Schaffen des Bildungserwerbs ist dabei die konkrete Ausprägung von Mustern, die im Bildungswesen beschrieben werden.  Diese Muster wurden dem Bildungswesen durch die Lehrwirklichkeit vermittelt. • Das Vorgehen für die erste Definition wird von Willmann als synthetisch und für die zweite als analytisch bezeichnet.

• Eine Synthese der beiden Definitionen der Didaktik wird von Willmann wie folgt formuliert: Die Didaktik ist die Lehre vom Bildungserwerb, wie er auf Grund und als Grund des Bildungswesens von Individuen vollzogen und vermittelt wird.

Abgrenzung der Didaktik von der allgemeinen Pädagogik nach Willmann: Pädagogik ist die Lehre von der fürsorgenden, auf die sittliche Angleichung der Jugend gerichteten Tätigkeit, wie sie auf Grund und als Grund des Erziehungswesens von und auf Individuen ausgeübt wird. 38

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Esterhues: • sieht in der Didaktik die grundlegende Theorie aller Unterrichtsformen; • bezieht sich dabei speziell auf Didaktik als eine Theorie des ergehenden Unterrichts, d.h. also einerseits als ein Durchschauen der Vorgänge und andererseits als eine Darstellung der Grundsätze, auf die sich ein Unterricht aufbaut, der nicht nur die Aufgabe hat, Wissen zu übermitteln, sondern auch zu erziehen; • unterscheidet Didaktik als allgemeine Unterrichtslehre von Methodik als spezieller Unterrichtslehre. Methoden (griech. meta=nach, hodos=Weg) weisen Interdependenzen zu den Fachdidaktiken auf, wobei nach Esterhues durchgängig von der Methodik des erdkundlichen, naturkundlichen etc. Unterrichts gesprochen wird.

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Zum neueren Verständnis des Begriffs der Didaktik

Heutiges Verständnis des Begriffs der Didaktik: • Didaktik - allgemeine Wissenschaft und Lehre vom Lehren und Lernen. • Im engeren Sinne: umfasst die Didaktik die Theorie der Lehr- und Bildungsinhalte, ihre Struktur, Auswahl und Zusammensetzung. Um zu diesem Definitionsansatz zu gelangen: • einerseits - wurden seit 1945 die Lehr- und Bildungsinhalte problematisiert und zu begründen versucht, • andererseits - wurde versucht, das Lehr- und Lerngeschehen, den Unterricht selbst, zum Gegenstand der Reflexion zu machen und damit auch zu operationalisieren.

Ihre wesentliche Entwicklung haben die Zweifel an einer Wissenschaftlichkeit und der theoretischen Rechtfertigung der verschiedenen didaktischen Ansätze - selbst an Hochschulen - geprägt.

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Der gängige Vorwurf an „die“ Didaktik umfasst: • ihre geringe Eigenständigkeit; • den Bedarf nach Kontakt zu den Verhaltenswissenschaften und den ergänzenden Wissenschaften; • die Abgrenzungsproblematik zu den Fachdidaktiken, die mehr oder weniger eng mit den Fachwissenschaften verknüpft sind. Nachdem die o.a. frühen Ansätze der Didaktik darauf aufbauend begutachtet und der allgemeinen und bildungstheoretischen Kritik unterworfen waren, bildete sich unter letzterem Ansatz: • die Göttinger Schule um Erich Weniger; • und in der Nachfolge der Ansatz nach Klafki heraus.

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Eine andere Ausrichtung der „neueren“ Didaktik ist lerntheoretisch orientiert: • beruht auf empirischer Forschung; • wurde von der Lernpsychologie, der Soziologie und der modernen Kommunikationswissenschaft beeinflusst;

• der Begründer dieser Theorie, Paul Heimann hat diese sogenannte „Berliner Didaktik“ oder „Berliner Schule“ wesentlich geprägt.

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1.2.1 Der Terminus der Didaktik nach Klafki Im Sinne Klafkis sind für Didaktik vier verschiedene Deutungen maßgeblich: 1. Didaktik als Wissenschaft und Lehre vom Lehren und Lernen allgemein; 2. Didaktik als Bildungslehre im umfassenden Sinn; 3. Didaktik als Wissenschaft vom Unterricht; 4. Didaktik als Theorie der Bildungsinhalte, ihrer Struktur und Auswahl.

Als Schüler Wenigers bezieht sich Klafki insbesondere auf die vierte Variante: er sieht das Problem der Bildungsinhalte als einen besonderen Fragenkreis an, der für sich behandelt werden muss, auch wenn die Bezüge zwischen den unterschied-lichen Auffassungen von Didaktik deutlich sind. Die dritte Interpretation umfasst demgegenüber unter anderem die Theorie der Bildungsinhalte, der Unterrichtsmethode, der Unterrichtsorganisation etc.  Somit kann von Didaktik im engeren bzw. weiteren Sinn gesprochen werden.

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Bildungsauffassung nach Klafki: Bildung als Erschließung einer dinglichen und geistigen Wirklichkeit für einen Menschen und zugleich Erschlossensein dieses Menschen für diese seine Wirklichkeit.  Diese so präzisierte Bildungsauffassung versieht Klafki mit dem Begriff der kategorialen Bildung. Kategorial bezeichnet dabei den Kern des Wesens der Bildung.

Klafki vertritt dabei eine primär inhaltlich akzentuierte Konzeption der Didaktik und betont das Primat der Didaktik vor der Methodik: • d.h. Methoden existieren nur auf dem Weg zu einem bestimmten Ziel. Allerdings ist aus diesem Satz ist keineswegs eine Abwertung der Methodik herauszulesen. • Gerade unter Berücksichtigung des heutigen Kompetenzbegriffs, mit dem Ziel der Berufskollegs, Sozial- und Methodenkompetenz der Schüler zu fördern, wäre dies auch nicht zulässig. • Im Verlauf der wissenschaftlichen Diskussion hat Klafki seine Auffassung dahingehend revidiert, dass er aktuell vom Primat der Zielentscheidungen spricht.

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Didaktik im engeren Sinn - die vierte Begriffserläuterung: • Klafkis vierte Erläuterung setzt ein gewisses Vorwissen voraus. • Das Wesen des Bildungsinhalts ist dabei abhängig von der Individualität, der Ausprägung der Schüler, ihrer speziellen Vergangenheit und Zukunft, d.h. einer bestimmten geschichtlichen Situation:  Somit sind didaktische Entscheidungen geschichtliche Entscheidungen, deren Gültigkeit sich letztlich nur in der Wirklichkeit der Bildungsarbeit erweisen kann  Die Vermittlung erfolgreichen Unterrichts verlangt von der didaktischen Forschung daher konkrete Fragen nach den Voraussetzungen und Bedingungen des Bildungsvorgangs zu stellen. • Im Hinblick auf die Entwicklung zur Mündigkeit junger Menschen müssen didaktische Entscheidungen unter Berücksichtigung von Gesellschaft, Staat, Wissenschaft, Kirche etc. gefällt werden. • Der Staat, einer dieser Mächte, kann der Pädagogik diese (Entscheidungs)-Freiheit einräumen, beansprucht jedoch gleichzeitig, in der Bildung angemessen vertreten zu sein.

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• Dies manifestiert sich derzeit in den staatlichen Vorgaben der geänderten lernfeldorientierten Rahmenlehrpläne. Den Wünschen der „Wirtschaft“ wird hier Rechnung getragen, indem direkt einsetzbare, weil durch berufliche Handlungsfelder und daraus abgeleiteten Lernfeldern ausgebildete Personen zur Verfügung gestellt werden und damit auch eigene Ausbildungskosten reduziert werden. • Die besondere Struktur der Didaktik wird häufig durch das verbreitete Modell der Übersetzung dargestellt, d.h. der didaktisch Denkende fragt im Wissen um die Ansprüche des Berufslebens, der Wirtschaft, der Wissenschaft, der Politik usw. vom jungen Menschen aus schrittweise auf jene Inhalte zu. • In dieser Formel ist das Problem des Elementaren exportiert.

• Nach Klafki konkretisiert sich in diesem Problem die gesamte Problematik der Didaktik.

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• Desweiteren wird hier vorausgesetzt, dass die Bildungsarbeit des Mutes zur Vorwegnahme bedarf, falls der Mensch für die verantwortliche Gestaltung seiner Zukunft, und damit auch für die Zukunft seiner Mitmenschen, frei werden soll. • Bringt man an dieser Stelle den Rousseauschen Grundsatz an, dass jede Entwicklungsstufe ihren Wert in sich selbst trägt und zugleich notwendige Bedingung für die jeweils folgende Stufe ist, dann gilt grundsätzlich Schleiermachers Prinzip, dass die Gegenwart des jungen Menschen und die Ansprüche der Zukunft stets zugleich befriedigt werden müssen. • Da Menschen, die immer mehr oder weniger in ihren Möglichkeiten beschränkt sind, in ihrer geistigen Entwicklung nur dann Inhalte zu Bildung werden lassen, wenn diese zum integrierenden Moment der geistigen Einheit werden, gilt für alle didaktischen Entwürfe und Entscheidungen das Prinzip der Konzentration.

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Das Prinzip der Konzentration: • meint inhaltliche Schwerpunktbildung, die immer auf Vollständigkeit verzichten muss und sich auf das subjektiv Wesentliche beschränkt. • Auch hier lässt sich ein Element auf dem Weg der Lernfeldorientierung hinsichtlich der Auswahl der Lernfelder und Lernsituationen erkennen. • Bildungstheoretisch aufbauend auf diese Überlegungen erarbeitet Klafki dabei die Unterscheidung zwischen formaler und materialer Bildung. Diese Überlegungen führt er zu seinem Bildungsbegriff zusammen, welchen er durch den Begriff der „kategorialen Bildung“ erfasst.

Diese Vorgehensweise verdeutlicht die nachstehende Abbildung:

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Bildungstheorie nach Klafki (Jank/Meyer)

Materiale Bildungstheorie

Formale Bildungstheorie

(Bezugspunkt: Objekt)

(Bezugspunkt: Subjekt)

bildungstheoretischer Objektivismus

Gebildet ist, wer möglichst viel Wissen enzyklopädisch angehäuft hat.

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Bildungstheorie des Klassischen

Gebildet ist, wer Goethe und Schiller gelesen und Beethovens IX. Symphonie gehört hat und an ihnen sittlich gereift ist.

Theorie der funktionalen Bildung

Gebildet ist, wer die in ihm schlummernden körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte tatsächlich entfaltet hat.

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Theorie der methodischen Bildung

Gebildet ist, wer das Lernen gelernt hat, Methoden beherrscht und instrumentelle Fähigkeiten aufgebaut hat.

Bezugspunkte der Kategorialen Bildung

„Bildung ist kategoriale Bildung in dem Doppelsinn, dass sich dem Menschen eine Wirklichkeit >kategorial< erschlossen hat und dass eben damit er selbst – dank der selbstvollzogenen >kategorialen< Einsichten, Erfahrungen, Erlebnisse – für diese Wirklichkeit erschlossen worden ist.“

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Klafkis Forderungen an die zu vermittelnden Inhalte, die im praktischen Bezug der Bildungstheorie auf den Unterricht deutlich werden und in enger Analogie zu den neu strukturierten Lernfeldern stehen, sind nachstehend aufgelistet: • Repräsentanz für die grundlegenden Sachverhalte und Probleme; • Bedeutung für die Zukunft des Schülers; • Bezogenheit auf die Wirklichkeit des Schülers; • Eröffnung der fundamentalen Zusammenhänge des Lebens.

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Die fünf Grundfragen Klafkis - Übersicht

Exemplarizität

adäquate Fälle

Gegenwartsbedeutung

Zukunftsbedeutung

Struktur

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Die fünf Grundfragen Klafkis 1. Exemplarizität Welches Allgemeine lässt sich an diesem Besonderen erschließen? 2. Gegenwartsbedeutung Welche Bedeutung hat dieser Inhalt bereits im Leben der Schüler, bzw. sollte er haben? 3. Zukunftsbedeutung Worin liegt die Bedeutung für die Zukunft der Schüler? 4. Struktur Welches ist die Struktur des Inhaltes? (Momente, Beziehungen, Schichtung, übergreifender Zusammenhang, Zugänglichkeit)

5. adäquate Fälle Welche konkreten Fälle machen die Struktur des Inhalts interessant, begreiflich, anschaulich?

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Gegenwartsmodell der (krit.-konstr.) allgemeinen Didaktik Mitbestimmungsfähigkeit

allgemeine Zielbestimmung

Ziele

Inhalte

Methoden

Diese Postulate sind deutlich auf das Individuum des Schülers und seine momentane Situation zugeschnitten, wobei die Methoden der Bildungstheoretiker abwechselnd hermeneutisch-analytisch, historisch-systematisch oder dialektisch-phänomenologisch ausgerichtet sind. 54

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1.2.2 Der lerntheoretische Ansatz in der Didaktik Der lerntheoretische Ansatz - als didaktische Konzeption - nach Heimann: • stellt eine Strukturtheorie dar, welche die Handlungsgefüge, durch die das Lernen und Lehren bewirkt wird, phänomenologisch erfasst und hermeneutisch interpretiert • Kritik des bildungstheoretischen Ansatzes in der Didaktik nach Heimann:  Dessen Bildungsbegriff ist ungeeignet, eine praktikable Didaktik aufzubauen.  Infragestellung der Überlegungen zum Primat der Didaktik vor der Methodik. Begründung: Hierdurch würde dem Implikationszusammenhang von inhaltlichen und methodischen Überlegungen - vor dem Hintergrund von Medien und Lernzielen sowie anthropologischen und soziokulturellen Elementen - nicht hinreichend Rechnung getragen.

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• Die Lerntheorie von Heimann profitiert dabei von der Lernforschung, die durch Erkenntnisse der Lernpsychologie geprägt ist. • Der Verantwortung zur Bildung wird Rechnung getragen, da sich die Lerntheorie auch mit der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt, für welche die Theorie des Lernens und die Theorie des Persönlichkeitsaufbaus fast identische Probleme sind. • Der lerntheoretische Ansatz enthält somit keine vollentwickelte Didaktik, sondern dient vielmehr als Modell, wie unter Aufbietung erfahrungswissenschaftlicher Methoden auch andere Aspekte des didaktischen Handelns unter eine wissenschaftliche Kontrolle zu bringen seien. • Die systematische Analyse didaktischer Vorgänge vollzieht sich dabei auf den Reflexionsstufen der Strukturanalyse des Unterrichts sowie der Faktorenanalyse.  Die Strukturanalyse des Unterrichts beinhaltet dabei Intentionen, Inhalte, Methoden und Medien als Entscheidungsfelder des Unterrichts sowie anthropologische und sozio-kulturelle Determinanten als Bedingungsfelder des Unterrichts.

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Weiterführung des Ansatzes von Heimann durch Schulz Dabei: • Neuformulierung bzw. nähere Spezifizierung von bestimmten Kategorien durch Schulz; • Verwendung des Begriffs „Thema“ anstatt „Inhalt“ durch Schulz; • verstärkte Beachtung der anthropologischen und sozio-kulturellen Voraussetzungen bei den didaktischen Entscheidungen, welche seitens des Lehrenden getroffen werden. • Diese konkretisierten Überlegungen zur Themenformulierung (anstelle der Festlegung von Inhalten) stehen somit in der Tradition auf dem Weg der Ermittlung von Lernfeldern.

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1.2.3 Der kybernetische Ansatz in der Didaktik Erweiterung der verschiedenen Auffassungen von Didaktik, d.h. der phänomenologischen, hermeneutischen, bildungstheoretisch oder lerntheoretisch fundierten Didaktik um einen weiteren, kybernetischen Ansatz. Kybernetik im engeren Sinne - die Wissenschaft und Technik von den informationsverarbeitenden Maschinen wie programmgesteuerten Rechenautomaten, Übersetzungsmaschinen, Lehrmaschinen usw. Kybernetik im weiteren Sinne - die mathematische und konstruktive Behandlung allgemeiner, strukturierter Beziehungen, Funktionen und Systeme, denen verschiedene Wirklichkeitsbereiche gemeinsam sind. Vertreter des kybernetischen Ansatzes - von Cube: • wichtigste Bereiche der kybernetischen Didaktik sind kybernetische Lehrmaschinen, die Redundanztheorie des Lernens und der Didaktik.

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• Von Cube verweist auf die Tatsache, dass die Kybernetik über die Automation und deren soziale Folgen unsere gesamtgesellschaftlichen und pädagogischen Konzeptionen verändert. • Im kybernetischen Sinn ist Information dabei eine räumliche oder zeitliche Folge physikalischer Signale. Die übermittelte Nachricht ist durch die Problematik der rationellen Codierung und Übertragung der jeweiligen Folge von Signalen von besonderem Interesse.

Von Cubes Didaktik-Begriff umfasst folgende Gegenstandsbereiche: Lernziele, Lernorganisation, Lernsystem und Lernkontrolle. Lernziele: • sind nicht mit wissenschaftlichen Methoden ableitbar und ausdrückbar, sondern gesellschaftliche oder subjektive Forderungen. • Gegebene Lernziele können dabei wissenschaftlich untersucht werden, z.B. auf Widersprüchlichkeit, Zweideutigkeit etc.

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Lernorganisation • Ist nach von Cube durchaus wissenschaftlich zu untersuchen und zu entwickeln. • Aus beobachtbaren Sachverhalten werden Hypothesen formuliert, die zu Theorien und zu konkreten Verfahren führen. • Wie gut die jeweiligen Verfahren im Endeffekt sind, lässt sich im Soll-Ist-Vergleich, der Lernkontrolle, bestimmen. • Hier wird deutlich, dass die Lernziele durch die Normenkritik eingeschränkt werden, weil die Zielformulierungen so erfolgen müssen, dass der Erfolg oder Nichterfolg feststellbar ist. • Für die Lernorganisation und deren Verfahren ist die Verfahrensoptimierung die zentrale Problematik:  Die Zielerreichung soll nicht „irgendwie“ erfolgen, sondern so schnell wie möglich und in dieser Maxime liegt dann die Optimierungsrichtung.

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Verfahren zur Zielerreichung zu entwickeln und die Ziele zu untersuchen, werden bei von Cube unterschiedlich eingestuft, wodurch es nicht zweckmäßig erscheint, beide Aspekte unter einem einzigen wissenschaftlichen Begriff zusammenzufassen. Von Cube folgert daraus: • Didaktik als Wissenschaft untersucht, wie die Lernprozesse eines Lernsystems zu initiieren und zu steuern sind, um die vorgegebenen Lernziele in optimaler Weise zu erreichen. • Da die wissenschaftlich-didaktische Arbeit nicht an spezielle Zielvorstellungen gebunden ist, können generell alle Beeinflussungsmöglichkeiten eines Lern-systems untersucht werden.

 Daraus folgt für die Didaktik eine sehr allgemein formulierte Definition: „Unter Didaktik verstehen wir die Wissenschaft von den prinzipiellen Eingriffsmöglichkeiten und Konstruktionsmöglichkeiten im Bereich menschlichen Lernens.“

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 Diese Definition ist im Hinblick auf die Lernziele eng gefasst, da die Aufstellung derartiger Postulate nicht mit einbezogen wird.  Hinsichtlich der Lernorganisation ist sie tendenziell weit gefasst, da sie jede Form der Beeinflussung von Lernprozessen berücksichtigt. •

Der o.a. Soll-Wert ist dabei das Lernziel; es steht außerhalb des Regelungsvorganges selbst, muss aber im Leistungsbereich des Regelkreises liegen.



Der Regler ist der wissenschaftliche Didaktiker; er vergleicht den Ist-Wert des Lernenden mit dem Soll-Wert und entwirft ein Programm zu dessen Steuerung.



Das Stellglied ist die Lernsteuerung, welche vom Lehrer vorgenommen werden soll.



Lernplanung und Lernsteuerung lassen sich unter dem Oberbegriff Lernorganisation zusammenfassen.



Nach der Veränderung des Lernenden wird durch die Lernkontrolle der neue Zustand festgestellt, usw.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

• Das vorgegebene Lernziel ist Voraussetzung für die Übertragung eines didaktischen Prozesses auf den Regelkreis.  Solche Prozesse nennt von Cube rein didaktisch. • Er verweist darauf, dass solche rein didaktische Vorgänge in der Unterrichtspraxis primär beim programmierten Unterricht oder anderen algorithmischen Verfahren auftreten. • Von Cube verdeutlicht dies am Beispiel des Lehrers, der meist nicht nur Regler und Steuermann, sondern auch Kapitän ist.

Der kybernetische Ansatz der Didaktik steht - im Gegensatz zur bildungs-theoretischen (Klafki) und Lehr- und lerntheoretischen Didaktik (Heimann, Otto, Schulz) - nicht in direkter Tradition zur Lernfeldorientierung; dennoch sind die lernzielorientierten Elemente in der Theorie gemäß von Cube auch im Sinne einer beruflichen Handlungsfähigkeit aufzufassen.

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1.3 Zur Abgrenzung der Begriffe ‘Allgemeine Didaktik’ und ‘Fachdidaktik’ 1.3.1 Die Abgrenzung zwischen allg. Didaktik und Fachdidaktik nach Klafki Allgemeine Didaktik stellt nach Klafki bestimmte Schulen, Schulformen, Unterrichtsarten und gegebenenfalls auch jedes besondere Fach erst einmal als Ganzes in Frage. • Klafki bezeichnet dies als den für didaktisches Denken konstitutiven Schritt. • Dieser Schritt wird von den Fachdidaktiken nicht vollzogen. • Somit übergehen die Fachdidaktiken oft die zentralen didaktischen Fragen. Das Verhältnis von allgemeiner und besonderer Didaktik zur Fachdidaktik ist, nach Klafki, nicht das der gegenseitigen Anwendung, sondern der Partnerschaft. Gegenseitige Befruchtung und sogar Abhängigkeit in Form starker lnterdependenzen können hier beobachtet werden.

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• Die Vorgaben der allgemeinen Didaktik für die Fachdidaktik sind allgemein-didaktische Kategorien (z.B. Bildungsgehalt) und Prinzipien (Stufengemäßheit), die sich durch ihre Allgemeingültigkeit auszeichnen. • Jede Fachdidaktik nutzt in ihrem speziell begrenzten Bereich die oben genannten Aspekte und kann die so gewonnenen Erfahrungen als Feedback zurückgeben bzw. für sich weiter ausbauen und systematisieren. • Der Sinn und das Gefüge allgemein-didaktischer Kategorien und Prinzipien wird so rückwirkend modifiziert und bereichert. • Eine der wichtigsten Aufgaben der allgemeinen Didaktik bzw. der speziellen Didaktik einer Schulart ist dann die Gestaltung von Richtlinien für Lehrpläne (hier: lernfeldorientierte Rahmenlehrpläne) sowie die Koordination der Fachdidaktiken und die Schaffung eines Gesamtunterrichtskonzeptes als Beispiel für fächerübergreifende Aktionen.

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1.3.2 Die Unterscheidung zwischen allgemeiner Didaktik und Fachdidaktik nach Kopp Laut Kopp: • „Der Unterricht als eine Kunstform des Lehrens ist heute in einer hochindustrialisierten, arbeitsteiligen Gesellschaft zu einer gewaltigen Macht geworden, der im Wettstreit besondere Bedeutung zukommt.“ • Die Erziehung zu einem sozial kompetenten Menschen hat somit erheblich an Bedeutung gewonnen.

• Die Stofffülle ist durch die sich überproportional vermehrenden Erkenntnisse jedoch so komplex geworden, dass eine Auswahl lernwürdiger Inhalte notwendig ist. 

Die Fülle an Erkenntnissen beschränkt sich dabei nicht nur auf die Naturwissenschaften, sondern bezieht sich auch auf die Geistes- und Sozialwissenschaften.



Eine Auswahl an Stoffinhalten hinsichtlich ihrer Wesentlichkeit wird immer schwieriger, die Auswahlkriterien sind fragwürdig.

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Für Kopp ist es die zentrale Aufgabe der Didaktik, nach dem Lehrwürdigen zu fragen, wie dies derzeit bei der Lernfeldfestlegung in den Rahmenlehrplänen erfolgt. • Das betrifft den Lehrstoff und wird somit fachspezifisch, da Unterricht in verschiedene Fächer untergliedert ist. • Die Auswahl muss hierbei von Fachwissenden getroffen werden, da nur dieser Personenkreis über Wert und Unwert urteilen kann.  Daraus lässt sich die Frage ableiten, inwieweit es nur noch Fachdidaktiken gibt, bzw. welche Aufgabe eine allgemeine Didaktik haben kann. Nach Kopp hat sich die allgemeine Didaktik teils aus bildungstheoretischen Ansätzen, teils aus unterrichtstechnischen Anweisungen herausgebildet. • Sie hat den Anspruch, allgemeingültige Gesetze des Unterrichts aufstellen zu können und eine Methode zu ergründen, welche die Schüler mit Sicherheit zu Wissen und Können, zur Bildung führen kann.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

• Hierdurch werden feste Regeln und Formen der Unterrichtspraxis bestimmt und die Lehrerbildung erhält einen theoretischen Rahmen. • Die geforderte einheitliche Methode stößt dabei jedoch immer wieder an ihre Grenzen. • Dennoch ist eine gewisse Normierung des Unterrichtsvollzugs im Allgemeinen sicherzustellen. • In der Schulpraxis tendiert die allgemeine Unterrichtslehre häufig zur fachdidaktischen Richtung. • Mit der Verfeinerung der Methodik gibt es dann Differenzierungen, die vom Lehrgegenstand ausgehen. Die grobe Unterrichtsplanung kann nach Kopp in Phasen der Stofferarbeitung und Stoffverarbeitung unterteilt werden. In der Feinplanung, der Einzelerörterung, wenn sachlich detailliert gearbeitet wird, werden primär fachdidaktische Überlegungen vorgenommen.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Die Analyse des jeweiligen Fachgebietes wurde notwendiger Richtpunkt der methodischen Anweisung. Wenn die Entfaltung der allgemeinen Didaktik wie von selbst die Fachdidaktik herausbildet, so zeigt sich dennoch auch ein anderer Weg zur Differenzierung didaktischer Fragen. Neben der allgemeinen Unterrichtslehre hat sich von Beginn an eine andere didaktische Ausrichtung gebildet, die von vornherein fachbezogener ist. „Didaktik ist ja schließlich nicht die Lehre davon, wie man etwas lehrt, wovon man nichts weiß.“ [Kopp] Insofern ist die Fachwissenschaft sogar Ausgangspunkt für didaktische Überlegungen.

Kopp weist darauf hin, dass, wenn die Fachwissenschaft versagt, wenn ihr Selbstverständnis ungeklärt ist, auch die Didaktik vor offenen Fragen steht, gerade im Bereich der Sozialwissenschaften, die sich an Hochschulen um ein klares Profil bemüht und durchaus in ihrem Selbstverständnis und der Art sich selber darzustellen Schwierigkeiten hat.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Fachdidaktik ist praxisnäher, wenn von Anfang an pädagogische und fachliche Bestrebungen Hand in Hand gehen. Hier rückt die Fachwissenschaft unmittelbar in die Sichtart der Didaktik. Kopp fragt nach den Gesichtspunkten der Auswahl des Wesentlichen und wirft die Frage auf, ob die Fachdidaktik von sich aus alle notwendigen Auswahl- und Ordnungskriterien entwickeln kann. Mögliche Hilfestellungen kann hier die allgemeine Didaktik leisten. Auch wenn Fachlehrpläne angelegt sind, ist eine Koordination dieser Einzellehrpläne innerhalb des Lehrplans einer Schule erforderlich. Dabei soll die anwachsende Lehrstoffmenge in einem bestimmten Rahmen gehalten werden und eine innere Abstimmung, ein bestimmter genereller Konsens, erhalten bleiben, wie dies derzeit bei der Gestaltung der schulischen Umsetzung der lernfeldorientierten Rahmenlehrpläne erfolgt.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Es erscheint als Aufgabe der allgemeinen Didaktik, das Gesamtbild des Bildungsinhalts zu zeichnen, wozu auch die Lehrplangestaltung gehört. Daraus folgert Kopp drei Merkmale bzw. Aufgaben der allgemeinen Didaktik: a. Die allgemeine Didaktik hilft, das einzelne Unterrichtsfach aus der geschichtlichen Entwicklung des ganzen Lehrplans zu verstehen.

b. Die allgemeine Didaktik muss helfen, das einzelne Unterrichtsfach aus der Eigenart einer Schule zu verstehen und zu gestalten. c. Die allgemeine Didaktik hilft, das einzelne Unterrichtsfach aus der Stufung des Bildungsvorgangs zu verstehen.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Stellung der Fachdidaktik in der Lehrerbildung Philosophie Psychologie Soziologie Fachwissenschaft

Erziehungswissenschaft

Fachdidaktik Studienseminar

Lehrerfort- und Weiterbildung

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Schule

2.Traditionelle und neuere Ansätze der Wirtschaftsdidaktik 2.1 Die traditionelle Konzeption der Wirtschaftsdidaktik • Der Begriff der traditionellen Wirtschaftsdidaktik ist aus heutiger Sicht durch den kulturpädagogischen Ansatz Schliepers und Kerschensteiners geprägt: • Hier wurde die Berufsbildung nicht, wie im 19. Jahrhundert, unter dem Einfluss der Neuhumanisten von der Allgemeinbildung getrennt, sondern die bisherige pädagogische Diskriminierung wird dadurch überwunden, dass sich die Wirtschaft in kulturphilosophischer Sicht als ein besonderes Kulturgut erwies. • Bedingt durch die Aufwertung der beruflichen, wirtschaftskundlichen Bildung können diese Konzeptionen als direkte Vorläufer einer lernfeldintegrierten, handlungsorientierten Wirtschaftsdidaktik angesehen werden. • Der kulturpädagogische Ansatz war bei der zu Beginn des 20. Jahrhunderts einsetzenden wirtschaftsdidaktischen Reflexion von besonderer Bedeutung und ist noch bis Ende der 60er Jahre maßgeblich für die Wirtschaftsdidaktik gewesen.

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2.1.1 Kulturpädagogisch orientierte Konzeptionen der Berufserziehung • Die kulturpädagogisch geprägte Berufsbildungstheorie geht primär auf Arbeiten Kerschensteiners, einem der bedeutendsten Vertreter der deutschen Reformpädagogik, zurück: • Die Bedeutung seines Schaffens liegt primär in der Begründung der Arbeitsschule, durch die Kerschensteiner in direkter Tradition zu den Ansprüchen der beruflichen Handlungskompetenz durch Lernfelder steht. • In seiner Theorie der Bildung und dem pädagogischen Begriff der Arbeit verband Kerschensteiner die geisteswissenschaftliche Pädagogik mit eben einer praktischökonomischen Arbeitslehre.

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2.1.1.1 Kerschensteiners Idee der Berufsbildung und Arbeitsschule Ausgangsüberlegungen von Kerschensteiners Idee der Berufsbildung: • Kerschensteiners Anliegen besteht darin, auch den unteren Volksschichten die Möglichkeit zum Bildungserwerb zu geben; • die - vor allem im gewerblich-handwerklichen Bereich - bestehende Problematik, dass die betrieblichen Ausbilder im Handwerk und in der Industrie einer pädagogischen Betreuung der Lehrlinge in der Regel kaum gewachsen waren. Dabei verstand Kerschensteiner Bildung als Formgebung des ganzen Menschen von innen heraus. Nach Kerschensteiner: • Betriebe könnten dies nicht leisten, es seien vielmehr Schulen besonderer Art notwendig, die nicht einfach das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen der Volksschule fortsetzen, sondern das Interesse an der künftigen beruflichen Tätigkeit in den Motivationsbestand integrieren sollten.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

• Diese spezifisch der Weiterbildung der Lehrlinge dienenden Schulen sollten dergestalt angelegt sein, dass die berufliche Orientierung der Allgemeinbildung nicht im Wege steht, sondern die Idee des Berufes zur Grundlage der Bildung wird. • Die Allgemeinbildung stellt keinen Gegensatz zur Berufsbildung dar. • Berufsbildung bezeichnet er als die Pforte zur Menschenbildung (...) „und um diejenigen von vertiefter Allgemeinbildung nicht auszuschließen, deren Ausbildungsweg über eine sich an die Volksschule anschließende Pflichtschule führt, müssten die Fortbildungsschulen, bei denen bisher die Spezialbildung im Vordergrund stand, mit dem Serum der Allgemeinbildung geimpft werden.“ • Der Lehrplan sollte im Sinne eines universellen Weltverständnisses durch allgemeinbildende Fächer ergänzt werden: Kerschensteiner hat zu der üblichen Waren- und Werkzeugkunde und zur Buchführung die Bedeutung des Unterrichtsfachs Deutsch betont und darüber hinaus einen staatsbürgerlichen Unterricht hinzugefügt.  Letzterer sollte von der Geschichte des Berufes ausgehen und wirkungsvolle Momente der vaterländischen Geschichte oder charaktervolle sittliche Gestalten hervorheben. 76

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Von besonderem Interesse bei dem Nachweis, dass sich die Ideen von Kerschensteiner in einer direkten Linie auf dem Weg zur heutigen Lernfeldintegration in die Handlungsorientierung befinden, sind die Überlegungen, dass Lernprozesse nach Kerschensteiner um so wirkungsvoller sind, je mehr sie es dem Lernenden möglich machen, die eigene Leistung hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit zu überprüfen. Kerschensteiner vertraute in diesem Zusammenhang auf die Kraft der praktischen Interessen. Er führte zunächst nur in den Berufsschulen, dann aber auch in der allgemeinen Volksschule Werkbänke, Laboratorien, Schulgärten und Versuchsküchen ein.

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Kerschensteiners Berufsbildungsidee und der, insbesondere auf Spranger zurückgehende, kulturphilosophische Deutungsversuch der Wirtschaft und deren Anerkennung als ein mit pädagogischer Schöpferkraft ausgestattetes eigenwertiges Kulturgebiet bestimmen zum großen Teil die Definition der Wirtschaftspädagogik/-didaktik bis in die jüngere Zeit hinein. Spranger gelang dabei, die bis dahin bestehende „Diskriminierung des Wirtschaftlichen“ zu überwinden und den Wirtschaftsbereich als festes Element der Kultur zu integrieren. Zusammenfassend betrachtet, schuf die o.a. Berufsbildungstheorie die ideologische Grundlage für die aus den Fortbildungsschulen entstehenden Berufsschulen und die Berufsund Wirtschaftspädagogik. Aus den Fortbildungsschulen, die den Lernstoff der Volksschule ergänzten, wurden berufsbezogene, fachliche Berufsschulen. Zugleich wurde jedoch damit die inhaltliche und organisatorische Abkoppelung des berufsbildenden Bereichs festgeschrieben. Kritik an der Berufsbildungstheorie richtete sich insbesondere gegen deren Bildungstyp des Wirtschaftsmenschen. 78

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Kritik der Idee der wirtschaftlichen Bildung • Der Idee der wirtschaftlichen Bildung wird entgegengehalten, dass Erziehung bzw. Bildung nicht parzellierbar sei, sondern dass nur ein einheitlicher Aspekt der Erziehungswissenschaft besteht. • Diese Konzeption ignoriert eine Beschäftigung mit dem Wesen der Erziehung, Bildung, Beruf und Wirtschaft, d.h. deren reale Erscheinungsformen und Probleme und immunisiert sich gegen Erfahrung. • Kerschensteiners System vernachlässigt die außerschulische Lernerfahrung, die sich nicht mit den Mitteln der Schule steuern oder optimieren lässt. • Diese Theorie geht noch zu wenig auf didaktisch-methodische Fragestellungen der Planung und Gestaltung konkreten Unterrichts ein.

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2.1.1.2 Schliepers Konzeption des wirtschaftsberuflichen Unterrichts Eine der ersten umfassenderen wirtschaftsdidaktischen Konzeptionen ist die „Allgemeine Unterrichtslehre für Wirtschaftsschulen“ von Schliepers (veröffent. 1955). • Schlieper liefert eine Begriffsbestimmung des Wesens des wirtschaftsberuflichen Unterrichts, welche stark von der Berufsbildungstheorie geprägt ist. • Er bezieht seine didaktische Fragestellung auf allgemeine wirtschaftsschuldidaktische, wirtschaftsbetriebsdidaktische, stufendidaktische, fachdidaktische und fachmethodische Fragen.  Er geht dabei von der Prämisse aus, das „alles Seiende einen Sinn hat.“ • Schlieper versteht Unterricht als Form intentionaler Erziehung.  Er sieht seinen Zweck darin, das funktionale Erziehungsgeschehen mit bestimmter Erziehungsabsicht zu lenken und zu ergänzen, um so bei der Selbsterziehung die notwendigen Hilfen zu leisten.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Die Frage nach der Vermittlung erzieherischer Intentionen in Lehr- und Lernprozessen charakterisiert im wesentlichen Schliepers Abhandlung. Diese Frage richtet sich besonders auf:  fachdidaktische und methodische Überlegungen im Hinblick auf die Berufsschulfächer Verkaufskunde, Werbekunde und Warenkunde des Einzelhandels;  Arbeiten zu einer allgemeinen Wirtschaftsschuldidaktik;  Überlegungen zur Didaktik von Schulwerkstätten, Lehrwerkstätten und Übungskontoren;  Elemente zu einer Lehrplantheorie;  Mikrodidaktische Überlegungen zur Fallmethode oder zum programmierten Unterricht. Als wesentliches Merkmal des wirtschaftsberuflichen Unterrichts nach Schlieper steht die didaktische Aufbereitung und methodische Bereitstellung derjenigen Bildungsgüter, die in der beruflichen, wirtschaftlichen, sozialen und allgemein menschlichen Lebenssituation des Schülers notwendig erscheinen.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Schlieper fordert eine Beachtung der sachlichen Struktur dieser Bildungsgüter, von der die Methodik des Unterrichts abhängig sei. Desweiteren soll wirtschaftsberuflicher Unterricht die notwendigen Bildungsvoraussetzungen berücksichtigen oder schaffen. Schlieper betont die Notwendigkeit, bei der Entwicklung einer Unterrichtslehre und Didaktik von der Lerntheorie auszugehen.

Neben der Stoffvermittlung steht nach Schlieper ein Wecken, Anregen, Weiterentwickeln und Fördern der körperlichen, geistigen und sittlichen Kräfte des Menschen im Mittelpunkt. Für den Unterricht an kaufmännischen Berufsvorschulen betont Schlieper die Notwendigkeit eines systematischen, stoffplanmäßigen Aufbaus in Übungsstätten.

Diese dienen der Konzentration der verschiedenen Unterrichtsfächer und der Anwendung des erworbenen Wissens auf praktische Fälle, wie dies auch in den derzeitigen Lernfeldern erfolgt.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Schlieper bezieht sich auf die Geschichte des Übungskontors: „dass die Konzentration der einzelnen kaufmännischen Unterrichtsfächer in übender Anwendung eine in der Natur des Stoffes liegende Notwendigkeit ist, geht bereits daraus hervor, dass man solche Übungen schon ebenso lange in irgendeiner Form anwendet, wie man überhaupt von einem kaufmännischen Unterricht spricht.“ Schlieper bemüht sich um eine unterschiedliche Begründung des Übungskontors und verweist u.a. auf den Wert der zusammenfassenden Wiederholung der Unterrichtsstoffe, da diese hierdurch in neue Verbindungen zueinander gebracht, also vielseitig verknüpft, leichter reproduzierbar und besser verwendbar werden. Schlieper unterscheidet zwischen der funktionalen (unbeabsichtigten) und intentionalen (beabsichtigten) Fremderziehung. Maßgeblich ist für ihn die ganzheitliche Erziehung, die aus der Ganzheit der Person resultiert und durch die Individual- und Sozialerziehung gestützt werden soll.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Berufserziehung ist also nicht eine Erziehung, die einen besonderen Zweck verfolgt, sondern Erziehung des ganzen Menschen.  Somit stellt die Allgemeinbildung keinen Gegensatz zur Berufsbildung dar. Der Bildungsbegriff wird jedoch dem Erziehungsbegriff untergeordnet. Der Unterricht an wirtschaftsberuflichen Schulen wird durch drei Prinzipien bestimmt, die aus den Wesenszügen des Unterrichts abgeleitet werden:  das Prinzip der Stoffbeherrschung (materiales Element des Unterrichts);  das Prinzip der Kraftentfaltung (formales Element des Unterrichts);

 das Prinzip der Persönlichkeitsformung (ethisch-sittliches Element des Unterrichts).

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2.1.2 Die Schwächen der traditionellen Konzeption Die grundlegende Infragestellung und Kritik der traditionellen Konzeption der Wirtschaftsdidaktik setzte Ende der 60er Jahre ein  einer der ersten Kritiker - Zabeck: Die Hauptschwächen/Vorwürfe nach Zabeck: • Die Aussagen Schliepers entziehen sich weitgehend einer empirischen Prüfung. Ursache hierfür ist u.a. sein Erziehungsbegriff, d.h. Erziehung liegt nach Schlieper nur dann vor, wenn sie - rückblickend beurteilt - tatsächlich einen persönlichkeitsfördernden Akt bewirkt hat. • Unter Bezugnahme auf die traditionelle Kulturpädagogik wird die Harmonie von Wirtschaft und Erziehung sowie von subjektiven Bedürfnissen und objektiven Berufsanforderungen unterstellt, was in der Realität nicht notwendigerweise gegeben ist, wenn auch derzeit zu unterstellen ist, dass mit der Lernfeldorientierung den Wünschen der „Wirtschaft“ Rechnung getragen wird.

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• Die Orientierung der Lehrgutauswahl am Kulturgut behindert den Blick auf die tatsächlichen Arbeitsverrichtungen und Arbeitsaufgaben. • Statt an den tatsächlich zu leistenden Arbeitsanforderungen im kaufmännischen Bereich orientiert sich die kulturpädagogische Konzeption an einer idealistischen Berufsidee, einer prästabilisierten Harmonie von Mensch und Umwelt sowie an einer als Bildungsgut fungierenden, elementarisierten Wissenschaft. • Die Kulturpädagogik ignoriert die anthropogenen Voraussetzungen der Schüler und unterstellt, dass der im Sinne der überkommenen didaktischen Konzeption gestaltete Unterricht die erwarteten erzieherischen Wirkungen zwangsläufig eintreten lässt.

Aufbauend auf diese Kritik wurden neuere Ansätze der Wirtschaftsdidaktik entwickelt.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

2.2 Neuere Ansätze und Konzeptionen der Wirtschaftsdidaktik 2.2.1 Das Modell einer antizipierenden Didaktik der Berufsausbildung nach Zabeck Zabeck weicht von der kulturpädagogisch begründeten Bevorzugung des Universalprinzips, gemäß dem alle Funktionen im kaufmännischen Betrieb behandelt werden müssen, ab und stellt diesem das Funktionalprinzip gegenüber.

Die Bildungstheorie nach Spranger bezeichnet Zabeck als eine Leerformel, d.h. als einen Komplex nicht falsifizierbarer Aussagen. Das Modell der antizipierenden Didaktik nach Zabeck ist eng mit dem didaktischen Verständnis Klafkis verbunden, der unter Bezugnahme auf Flittner und Weniger die Zukunftsbezogenheit und pädagogische Vorwegnahme des didaktischen Denkens betont.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

• Von Bedeutung ist für Zabeck die adäquate Einstellung zu den oft engen Verrichtungen und zum Arbeitsplatzwechsel, die Fähigkeit zur Umstellung auf neue Anforderungen und die für die Aneignung eines Orientierungswissens erforderliche Motivation. • Als Voraussetzung ist dabei eine anthropologische Wendung in der Berufserziehung als notwendig anzusehen.  Zabeck wendet sich somit gegen die Auffassung der Kulturpädagogik, wonach das einmal Gelernte auf künftige Anforderungen übertragen werden kann und setzt den Schwerpunkt in der Befähigung des Menschen, zukünftige Aufgaben zu übernehmen, wie dies auch in der auf Schlüsselqualifikationen ausgerichteten handlungs- und lernfeldorientierten Wirtschaftsdidaktik angestrebt wird. • Im Unterricht müssen daher die tatsächlichen bzw. die in Zukunft zu erwartenden Anforderungen des Arbeitsplatzes antizipiert werden, womit auf die Schlüsselqualifikationsdiskussion im Rahmen der Handlungsorientierung abgezielt wird.  Ziel im Lernprozess ist es somit, die Konfrontation mit jenen Situationen vorwegzunehmen, denen der Einzelne in seinem künftigen Berufsleben begegnen wird.

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Als Konsequenz seiner Konzeption entwickelt Zabeck die drei Prinzipien:

• Berufsbindung: Der Jugendliche soll mit seiner speziellen Arbeit den Sinn der Bindung an seine Tätigkeit erfahren. Für Zabeck ist es dabei von Bedeutung, dass die Auszubildenden nur für eine begrenzte Anzahl von Arbeitsplätzen ausgebildet werden. • Umstellungsfähigkeit: Zabeck hält den Arbeitsplatzwechsel während der Berufserziehung für bedeutsam. Ziel ist es, dem Auszubildenden ein Instrumentarium zu geben, mit dessen Hilfe die Umstellung auf die Anforderungen neuer Arbeitsplätze schneller und besser gelingt. • Orientierungswissen: Dem Auszubildenden soll ein Basiswissen vermittelt werden, das ihm die Bedeutung eines Arbeitsplatzwechsels oder die Spezialisierung auf ein bestimmtes Aufgabenfeld verdeutlicht. Zabeck bezieht sich hier auf das System der Stufenlehre, in dem das zu vermittelnde Wissen in verschiedenen Ausbildungsstufen gelehrt werden soll.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Die Problematik des antizipatorischen Ansatzes von Zabeck • Eine empirische Feststellung der zukünftigen beruflichen Anforderungen ist kaum möglich, und somit kann eine der Grundlagen des antizipatorischen Ansatzes - die Zukunftsorientierung des Unterrichts - nicht eingehalten werden. • Die begriffliche Präzisierung bei Terminologien wie bspw. typische Ausführungsfunktionen und Grunderfahrungen unterbleibt.

• Laut Nibbrig stellt Zabecks wirtschaftsdidaktische Beschränkung auf Ausführungsfunktionen die Gefahr dar, die didaktische Anpassung des Lernenden an die gegebenen Verhältnisse zu verabsolutieren, ohne auf gesellschaftlich-ökonomische Bedingungen und die Möglichkeiten zu ihrer evolutionären Weiterentwicklung und Verbesserung zu verweisen.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

2.2.2 Der polit-ökonomische Ansatz nach Brakemeier Der polit-ökonomische Ansatz nach Brakemeier gehört zu den stärker fachwissenschaftlich geprägten Ansätzen der Wirtschaftsdidaktik.  Diese Ansätze sehen „das Wesen des Unterrichts in der Vermittlung fachwissenschaftlicher Inhalte oder Aussagen.“

 Es können zwei Ansätze innerhalb dieses Bereichs unterschieden werden: • Zum einen der der didaktischen Reduktion, der den Schülern vorgegebene fachwissenschaftliche Inhalte in einer verständlichen Form vermitteln soll • und zum anderen der polit-ökonomische Ansatz.

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Lösung dieser Probleme nach Brakemeier • Brakemeiers Lösungsansatz besteht darin, die Trennung der abstrakten Analyse der allgemeinen (mathematischen) ökonomischen Theorie von der Wirtschaftspolitik aufzuheben, wobei beide als Theorie der politischen Ökonomie wiedervereinigt werden sollen. 

Dazu sollen die bisherigen Kernfächer (Betriebswirtschaftslehre, kaufmännisches Rechnen, Buchführung, Schriftverkehr) abgeschafft werden.

• Im Unterfangen, den Bogen wirtschaftsdiaktischer Konzeptionen auf dem Weg zur Handlungs- und Lernfeldorientierung nachzuzeichnen, lässt sich hier ein wesentliches Element des fächerübergreifenden Modellansatzes erkennen. • Nur bestimmte Inhalte sollen in einem gesamtwirtschaftlich orientierten Fach allgemeine Sozialwirtschaftslehre oder allgemeine politische Ökonomie-Lehre übernommen werden.

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Dabei soll zunächst eine grundlegende Einführung in das Fach erfolgen, die aus drei Abschnitten besteht: • Der erste Teil besteht aus einer sozialgeschichtlichen Einleitung, die gleichzeitig Anknüpfungspunkte für die Kunst-, Geistes- und Religionsgeschichte enthält und somit verschiedene Fächer miteinander verbindet. • Der zweite Teil beinhaltet die Darstellung gesamtwirtschaftlicher Kreisläufe. Brakemeier führt dabei die für diesen Teil wesentlichen Unterrichtsinhalte in den verschiedenen Kernfächern genauer aus. • Im dritten Teil soll eine Einführung in die heutige Wirtschaftspolitik mit ihren kritischen Problemen im Hinblick auf Geschichte, Mechanik und Entwicklungstendenzen der sozialwirtschaftlichen Ordnung gegeben werden. • Dieser Grundkurs stellt dabei das didaktische Zentrum des gesamten Unterrichts dar. • Zusätzlich soll ein System fakultativer Spezialisierungskurse oder/und allgemeinbildender Kurse angeboten werden. Dabei schätzt Brakemeier die sozial-historische und makroökonomische Orientierung des Unterrichts als emanzipationsfördernd ein. • Zur Umsetzung seines Ansatzes wird vorausgesetzt, dass Lehrer aus allgemeinbildenden Schulen die Lehrer an kaufmännischen Schulen unterstützen, eine intensive Lehrerfortbildung erfolgt und die veralteten Lehr- und Lernmittel durch neue ersetzt werden. 93

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Wichtigste Kritikpunkte des Ansatzes Brakemeiers • Seine primär historische Orientierung, die ein zu hohes Maß an theoretischem Interesse, Abstraktions- und Reflexionsfähigkeit bei den Schülern voraussetzt; • die Gefahr, dass die gesamtwirtschaftliche Orientierung zu einer Ausblendung von Lehrinhalten führt, die eine Grundvoraussetzung für eine umfassende berufliche Qualifikation sind.

• Die Abstraktheit der Lerninhalte und die fehlende Berücksichtigung relevanter Ausbildungsaufgaben kann sogar motivationshemmende und emanzipationsfeindliche Auswirkungen haben, so dass den ursprünglichen Zielen Brakemeiers - Motivations- und Emanzipationsförderung - entgegengewirkt werden würde. • Insofern sind zwar die Ansätze einer Fächeraufgliederung als Elemente auf dem Weg zur Handlungs- und Lernfeldorientierung zu werten; dennoch wird, wie o.a., das Ziel der beruflichen Handlungsfähigkeit eher zurückgedrängt.

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2.2.3 Der emanzipatorische Ansatz nach Castner Ziel der emanzipatorischen Didaktik nach Castner: Die Befreiung der Schüler von den Machtansprüchen der Lehrer, womit die volle Entwicklung der Anlagen und Bedürfnisse der Schüler gesichert und zugleich die demokratische Gesellschaftsordnung gestützt werden soll. Dabei unterscheidet Castner zwei Ebenen des Emanzipationsprozesses: • Einerseits soll gelernt werden, Distanz zu sich selbst zu finden und somit eigene Handlungen und Entscheidungen selbständig kritisch zu reflektieren. • Andererseits muss eine rationale Sichtweise und kritische Analyse der Vorgänge in der Umwelt erlernt werden, um auf diese Weise zu verhindern, dass nicht nachahmenswerte Verhaltensweisen übernommen werden. Daher primäre Aufgabe des Unterrichts nach Castner: die „Interessenanalyse“.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Castner geht noch weiter, wenn er fordert: “Darüber hinaus wäre es Aufgabe einer kritischen Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, die Fragwürdigkeit der Inhalte anderer Fächer aufzudecken, indem dargelegt wird, warum die Erlernung bestimmter Kulturtechniken und Fähigkeiten, z.B. Übersetzung lateinischer Texte, Auswendiglernen von Jahreszahlen sowie Verinnerlichung von Sekundärtugenden (Fleiß, Gehorsam, Höflichkeit, Ordnung) erfolgt und welches gesellschaftliche Partikularinteresse dahintersteht.“ Daher seine Forderungen: • In der Schule sollen vielmehr deshalb Fähigkeiten wie „Zivilcourage, Selbstkritik, Solidarität, kollektives Bewusstsein oder Widerstand eingeübt werden.“ • Der lehrerzentrierte Unterricht soll durch eine Kooperation zwischen Lehrern und Schülern abgelöst werden und somit werden aktivere Unterrichtsformen, wie z.B. Diskussion oder kreatives Arbeiten, möglich.

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Negativwirkungen eines lehrerzentrierten, nicht auf Emanzipation gerichteten Unterrichts nach Castner: Die Jugendlichen sind unfähig, ihre eigenen Probleme zu lösen und Verantwortung zu übernehmen:  durch ständiges Vortragen erlöschen Spontanität, Kreativität, Initiative und Selbständigkeit;

 das ständige Stillsitzen und Zuhören führt zu physischen Spannungen, die Konzentrationsmangel, Nervosität, Motivations- und Leistungsabfall bewirken;  die Unterrichtsstörungen in Form von Schwätzen, Dazwischenrufen, etc. nehmen zu;  die Jugendlichen zeigen aufgrund des einseitigen Unterrichts einen Hang zum Opportunismus und Konformismus.

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Die wichtigsten Merkmale der emanzipatorischen Unterrichtskonzeption nach Castner: • kollektive Solidarität und kooperative Gruppenarbeit; • gemeinsame Beurteilung und gegenseitige Kritik der erreichten Leistungen und Verhaltensweisen, z.B. bei der Notengebung; • freie Diskussion und gemeinsame Entscheidung über Lernziele und Unterrichtsinhalte sowie in die Gesellschaft wirkende Schüleraktionen. • Die Angabe von Lernzielen zur Orientierung von Lehrern und Schülern sind auch bei Castner als zentral anzusehen. Diese werden, je nach ihrer Komplexität, in allgemeine Ziele, Grob- und Feinziele unterschieden, wobei erst die Feinziele operationalisiert sind.

• Zudem sollen die Lernziele unter kognitiven, affektiven und pragmatischen Gesichtspunkten betrachtet werden.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

• Lernziele benötigen dabei zu ihrer Umsetzung materielle Lerninhalte, wobei die Lernziele und Lerninhalte nach Castner in Form einer Lernmatrix kombiniert werden können und so jeweils aufgezeigt wird, wie sich die Stoffinhalte in dem gewünschten Verhalten niederschlagen sollen.  Auch hier verweist Castner erneut auf die Erfordernis, kontroverse Standpunkte und alternative Sichtweisen vorzustellen und Inhalte neben marktwirtschaftlich kapitalistischen Modellen auch vor dem Hintergrund sozialistischer Überlegungen zu erarbeiten. • Im Mittelpunkt der Erreichung dieser Unterrichtsziele stehen bei Castner im Umfeld der Unterrichtsverfahren, z.B. Gruppendiskussionen, Rollenspiele, u.a. als Aktivitäten der Schüler.  Damit steht dieser Ansatz dem handlungs- und lernfeldorientierten Ansatz relativ nahe. Kritik des emanzipatorischen Ansatzes: • Die Emanzipation im Sinne der Frankfurter Schule kann nicht lehrplanmäßig verordnet werden. • Die Operationalisierung einer solchen „Schülerschule“ erscheint als problematisch. 99

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2.3 Die Schwächen der neueren Ansätze der Wirtschaftsdidaktik Kritik der neueren Ansätze der Wirtschaftsdidaktik (im zunehmenden Maße in den letzten Jahren): • Sachlich nicht gerechtfertigte Trennung von Theorie und Praxis, die sich im dualen System manifestiert und die auch durch die neueren Ansätze nicht gelöst werden konnte. Unter dem Aspekt der sinnvollen Verzahnung von Theorie und Praxis wird heute diskutiert, inwiefern das traditionelle schulische Lernen in der Zukunft überhaupt noch als sinnvoll anzusehen ist: • Der Schule wird mangelnder Realitätsbezug, Modernitätsrückstand gegenüber den Wirtschaftswissenschaften sowie fehlender Bezug zur betrieblichen Praxis vorgeworfen; • die bestehende Form des Unterrichts drängt den Schüler in eine Konsumentenrolle, welche den zunehmenden Mangel an praktischen und sozialen Erfahrungen im Betrieb verstärkt.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Gleichzeitig wird aber auch die Eignung vieler Betriebe als Lernort fachlicher Ausbildung zunehmend fraglicher: • Aufgrund neuer Technologien und den sich ableitenden Folgen für den Arbeitsablauf werden viele Arbeitsvorgänge zunehmend abstrakter, wodurch auch das Lernen und Nachvollziehen von Zusammenhängen am Arbeitsplatz erschwert wird. Zugleich gewinnen extrafunktionale Qualifikationen wie Kooperationsbereitschaft, Flexibilität, abstraktes und logisches Denken sowie vor allem Kenntnisse der betrieblichen Organisation und Zusammenhänge von Arbeitsabläufen an Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird vom verblassenden Wert des Berufes für das berufliche Lernen gesprochen.  Lipsmeier Auf der Basis der genannten Kritikpunkte wurde der handlungsorientierte Ansatz in stringenter Folge entwickelt und die Lernfeldorientierung beinhaltet eine konsequente Fortschreibung der Handlungsorientierung.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Kritik der kaufmännischen Berufsschule nach Brakemeier • Eine außerordentliche Stabilität der Ausbildungsziele, der Lehrpläne und Unterrichtsmethoden. Die Ursachen für diese Stabilität:  die kleinbürgerlichen Herkunft der Lehrer;  ihre anhaltende Identifikation mit mittelständischen Ideologien;  die vom Handelslehrer erwartete Anpassung und Disziplinierung der Büroarbeiter;  das Festhalten am Berufsbild des Kaufmanns in der Schulpraxis.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3. Der handlungsorientierte Ansatz in der Wirtschaftsdidaktik 3.1 Handlungsorientierung als Lehr- und Lernkonzept

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Behaltensquote •

20%



30%

• Auge und Ohr

50%

• Auge und Ohr und

70%

• Auge und Ohr und Mund und

90%

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Handlungskompetenz Fachkompetenz

BERUFLICHE H A N D L U NG S – KOMPETENZ Methodenkompetenz

Sozialkompetenz

Im Sinne des selbständigen Planens, Durchführens und Kontrollierens. 105

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3.1.2: Merkmale HOU im Rahmen seiner Vorteilsbegründung Dimensionen einer Handlungskompetenz (nach Lenzen) Fachkompetenz Die Fähigkeit und Bereitschaft, Aufgabenstellungen selbständig, fachlich richtig und methodengeleitet zu bearbeiten und das Ergebnis zu beurteilen. Humankompetenz Die Fähigkeit und Bereitschaft, als Individuum die Entwicklungschancen und Einschränkungen in Beruf, Familie und öffentlichem Leben zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln. Sozialkompetenz Die Fähigkeit und Bereitschaft, soziale Beziehungen und Interessenslagen, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit anderen rational und verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu verständigen. Methodenkompetenz Die Fähigkeit und Bereitschaft zu zielgerichtetem, planmäßigem Vorgehen bei der Bearbeitung beruflicher Aufgaben und Probleme. Lernkompetenz Die Fähigkeit und Bereitschaft, Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge selbständig und gemeinsam mit anderen zu verstehen, auszuwerten und in gedankliche Strukturen einzuordnen. Sprachkompetenz Die Fähigkeit und Bereitschaft, kommunikative Situationen zu erfassen sowie hierauf im beruflichen und privaten Bereich angemessen kommunikativ zu reagieren. 106

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Das Modell der vollständigen Handlung (nach Halfpap)

Aufgabe

Analyse der

(Ziel)

•Aufgabe •Lösungsmöglichkeit •Handlungsbedingungen

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Entwerfen eines

Beurteilen und

Handlungsplans mit Teilzielen und Arbeitsschritten

Kontrollieren Ausführen und

Entscheiden über den Handlungsplan

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

des Handlungsplans

Bewerten des Ergebnisses

Merkmale handlungsorientierten Unterrichts nach H. Beck Merkmal Ganzheitlichkeit

Schüleraktivität

Schülerorientierung

Reflexion

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Erläuterung Geprägt durch • Mehrdimensionalität (neben der kognitiven Dimension sind die affektive und psychomotorische Dimension einzubeziehen), • Denken und Handeln in vollständigen bzw. komplexen Handlungsvollzügen (eigenständige Planung, Durchführung und Kontrolle bzw. Bewertung), • einen engen Praxisbezug, • eine fächerübergreifende Betrachtung (die Fallsituationen stellen quasi die „neuen“ Fächer dar). Die Lerngegenstände sollen weitestgehend selbständig angeeignet werden, durch • Ermöglichung eines problemlösenden, relativ selbständigen – also gelenkt-entdeckenden – Lernens, • Ermöglichung auch äußerlich schüleraktiver Aktions- und Sozialformen, • eine interaktionsbetonte Unterrichtsgestaltung.

Subjektorientierung durch Individualisierung bzw. Binnendifferenzierung des Unterrichts, u. a. durch • Anknüpfung an / Integration von vorhandenen Erfahrungen, • Selbstorganisation der individuellen Lernprozesse durch Partizipation der Schüler an der Unterrichtsgestaltung, z. B. auch durch die – von Schülern vorzunehmende – Wahl von Aktions- und Sozialformen mit einem hohen Grad an Selbstbestimmungsmöglichkeiten. Arbeitsrückschau auf die • Bewältigung der Bezugshandlung (Lernaufgabe), • Bewältigung des Lernprozesses.

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Merkmale des HOU unter dem Blickwinkel seiner Problematisierung Fragen zur Handlungsorientierung (I) • Inwiefern sieht der Unterricht ein Lernen in vollständigen Handlungen vor? • Sind die Aufgabenstellungen komplex, praxis- und problemorientiert? Ermöglichen sie das Handeln-Lernen? Ermöglichen die Lernsituationen einen ganzheitlichen Unterricht? • In welchem Umfang und auf welche Art können die Schüler ihr Lernen selbst steuern? • Wird im Unterricht anhand der Handlungen Theorie integrativ erlernt? Wird im Unterricht handlungssystematisch vorgegangen? (Werden die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Durchführung der Aufgabe erforderlich sind, aufgeschlüsselt und integrativ erlernbar gemacht?) • Wird das Konzept der Handlungsregulation (oder ein anderes Konzept) verwirklicht? Ist die Handlungsregulation realistisch und praxisnah? Überprüfen Sie die Handlungsregulation!

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Fragen zur Handlungsorientierung (II) • Inwiefern eignet sich der handlungsorientierte Unterricht besonders zur Erlernung des Themas bzw. der Aufgabe? (Kriterien: Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz, fächerübergreifender Unterricht, Selbstorganisation des Lernprozesses, Förderung von Schlüsselqualifikationen, ganzheitliches Lernen, Ermöglichen verschiedener Lösungswege, Hebung des Leistungsniveaus der Schüler, Beachtung unterschiedlicher Lerngeschwindigkeiten bzw. –fortschritte, Förderung lernschwacher Schüler, Förderung leistungsstarker Schüler, Vermittlung neuer Technologien, Aneignung neuer Kenntnisse, Learning by doing, Flow-Erlebnis) • Welche Methoden werden angewandt bzw. welche Wege werden beschritten, um handlungsorientierten Unterricht durchzuführen? (Projektunterricht, anwendungsorientiertes experimentelles Lernen, Planspiel usw.) • Haben Sie die Schüler die Frustration eigener Fehlplanung erleben lassen? (Setzen Sie hier „Lernen aus Fehlern“ nicht mit „Versuch und Irrtum“ gleich!) • Gibt es Teamarbeit? (Wie organisiert, in welchem Umfang?) • Reflektieren Sie die Lehrerrolle! • Sind die Leistungskontrollen handlungsorientiert gestaltet? • Sind die verwendeten Materialien geeignet? (Gibt es geeignete Materialien?) 110

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Integration von Theorie und Praxis • Inwiefern ist der Bezug zur Wirklichkeit, zur Praxis hergestellt? (komplexe Aufgabenstellung, Übungsfirmen, Probleme usw.) • Wie zeigt sich im Ablauf bzw. in der Unterrichtsführung der Bezug zur Praxis? (Tätigkeiten, Kontrolle, Learning by doing) • Welche Lernziele (z.B. aus praktischer Fachkunde oder Fachtheorie) werden wie verknüpft? • Mit welcher Methode wird die Integration von Theorie und Praxis angestrebt? (z.B. mit anwendungsorientiertem, experimentellem Lernen) • Welche Rahmenbedingungen ermöglichen die Integration von Theorie und Praxis? (integrierter Fachraum, Software, eingesetzte Medien, Geräte, Team Teaching) • Liegt eine realistische Simulation vor? • Wird Praxis-Software bzw. Praxis-Material eingesetzt? • Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit den Ausbildungsbetrieben?

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Voraussetzungen für berufliche Handlungskompetenz (nach Mathes)

personale und soziale Kompetenz

Fachkompetenz

Methodenkompetenz

= materiale Kenntnisse und Fertigkeiten

= formale Fähigkeiten

= personale Verhaltensweisen

= „grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten, die über den Einzelberuf hinausgehen und auch auf inhaltlich und funktional verwandte Gebiete übertragen werden können“

= „selbständige Denk- und Lernfähigkeit im kognitiven Umfeld“ und „allgemeine berufsmotorische (psychomotorische) Befähigung“

= „Tugenden“ und „gruppenorientiertes Verhalten im Arbeitsleben“

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Beispiele für die Voraussetzungen beruflicher Handlungskompetenz (nach Mathes) Fachkompetenz

Methodenkompetenz

• berufsübergreifende Kenntnisse und Fertigkeiten (z. B. wirtschaftliches und umweltbewusstes Denken); • neuaufkommende Kenntnisse und Fertigkeiten (z. B. Umgang mit PC, Standartsoftware, Multimedia; Internet); • Fremdsprachen

• Lernwilligkeit und Lernfähigkeit; • Beherrschung von Lerntechniken; • Planungsfähigkeit; • Sammeln und Auswerten von Informationen; • selbständiges Auffinden von Informationsquellen und Erarbeiten von Informationen; • Zusammenfassung und Präsentation von Ergebnissen

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personale und soziale Kompetenz • • • • • • • • • • • • • • • •

Kooperationsfähigkeit; kollegiales Verhalten; Offenheit / Toleranz; Konfliktregelungsfähigkeit; Hilfsbereitschaft; mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen; arbeitsteiliges Verhalten; Teamfähigkeit; Eigeninitiative; Selbständigkeit; Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein; Kreativität; Flexibilität; Zuverlässigkeit und Ausdauer; Zielstrebigkeit; Entscheidungsfähigkeit

3.2 Handlungsorientierung aus Sicht der Diskussion um

Qualifikation – Kompetenzen - Lernziele

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Lernzielebenen und Art der Denkleistung (nach Becker; siehe Bloom)

6 Bewertung

Das zu bewertende Ereignis oder den Sachverhalt sichten, nach Bewertungskriterien suchen und diese mit dem Ereignis oder Sachverhalt in Beziehung setzen.

5 Synthese

Ereignisse oder Sachverhalte miteinander verknüpfen.

4 Analyse

Strukturen durchschauen, die Elemente identifizieren und die Beziehungen zwischen den Elementen erkennen.

3 Anwendung

Kenntnisse oder Einsichten auf andere Ereignisse oder Sachverhalte übertragen.

2 Verstehen

Kenntnisse oder Sachverhalte durchschauen, Erklärungen nachvollziehen.

1 Kenntnisse

Sich an Ereignisse oder Sachverhalte erinnern, diese erkennen.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Lernziele auf verschiedenen kognitiven Ebenen (nach Becker)

Beispiel: Lebenslauf 6 Bewertung

Die Schüler sollen überprüfen, ob ein ihnen vorgelegter Lebenslauf inhaltlich und formal korrekt abgefasst ist.

5 Synthese

Die Schüler sollen ihren eigenen Lebenslauf schreiben.

4 Analyse

Die Schüler sollen aus einem Lebenslauf überflüssige Angaben heraussuchen.

3 Anwendung

Die Schüler sollen jene Angaben zusammenstellen, die für ihren eigenen Lebenslauf wichtig sind.

2 Verstehen

Die Schüler sollen erklären, warum bestimmte Angaben im Lebenslauf enthalten sein müssen.

1 Kenntnisse

Die Schüler sollen jene Angaben nennen, die ein Lebenslauf enthalten sollte.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

4. Das Lernfeldkonzept im Rahmen einer handlungsorientierten Wirtschaftsdidaktik 4.1 Zur Entwicklung des Lernfeldkonzeptes auf der Basis der Handlungsorientierung

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Reflexionsstufen zur didaktischen Analyse (nach Pukas) Handlungsfelder sind zusammengehörige Aufgabenkomplexe mit beruflichen sowie lebens- und gesellschaftsbedeutsamen Handlungssituationen, zu deren Bewältigung befähigt werden soll. Handlungsfelder sind immer mehrdimensional, indem sie stets berufliche, gesellschaftliche und individuelle Problemstellungen miteinander verknüpfen. Die Gewichtung der einzelnen Dimensionen kann dabei variieren. Eine Trennung der drei Dimensionen hat nur analytischen Charakter.

Lernfelder sind didaktisch begründete, schulisch aufbereitete Handlungsfelder. Sie fassen komplexe Aufgabenstellungen zusammen, deren unterrichtliche Bearbeitung in handlungsorientierten Lernsituationen erfolgt. Lernfelder sind durch Zielformulierungen im Sinne von Kompetenzbeschreibungen und durch Inhaltsangaben ausgelegt.

Lernsituationen konkretisieren die Lernfelder. Dies geschieht in Bildungsgangkonferenzen durch eine didaktische Reflexion der beruflichen sowie lebens- und gesellschaftbedeutsamen Handlungssituationen. 118

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Umsetzung der Lernfeldorientierung am Bsp. NRW (nach Pukas)

KMK-Rahmenplan alt

KMK-Rahmenplan neu

Lerngebiet

Lernfeld

Thematische Einheit, die unter fachlichen und didaktischen Gesichtspunkten gebildet wird.

Lernziele z.B. • Kenntnisse, • Fertigkeiten.

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Lerninhalte Fachliche Inhalte, durch deren Behandlung Lernziele erreicht werden.

Thematische Einheit, an konkreten beruflichen Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen orientiert.

Zielformulierug Elemente beruflicher Handlungskompetenz

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Inhaltsangaben Angaben zu Unterrichtsinhalten, die Zielformulierungen zugeordnet sind

Vom Lerngebiet zum Lernfeld (nach Pukas) KMK – RAHMENLEHRPLAN bisher neu

LERNGEBIET

LERNFELD

Thematische Einheit, unter fachlichen und didaktischen Aspekten konstruiert

Thematische Einheit, an konkreten beruflichen Aufgabenstellungen und Handlungsabläufen orientiert

einzelne Lernziele

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detaillierte Lerninhalte

Lernzielbeschreibungen als Elemente beruflicher Handlungskompetenz

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

exemplarisch übergreifende Inhaltsangabe zu den Lernzielformulierungen

4.2 Zur Umsetzung des Lernfeldkonzeptes 4.2.1 Die Gestaltung des Lernfeldkonzeptes

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Aufträge bei nicht vorrätiger Ware bearbeiten (nach Hahn) - Beiträge der traditionellen Fächer Allgemeine Wirtschaft • Vertragliche Grundlagen • Zahlungsverkehr

Handelsbetriebslehre • Regelungen zur Auftragsbearbeitung • Ökologisches Denken, etc

Rechnungswesen • Wareneinkauf und Buchführung • Prozent- & Zinsrechnung

Lernsituation • Auftrag eines Altkunden • Waren nur teilweise vorrätig • Beschaffung über bekannte Lieferer

Politik/Religion • Ökologie, bspw. Verpackung, Transport, Bestellmenge, Lager • Verhalten/Beziehungen

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Datenverarbeitung Informationsverarbeitung • Kunden-, Artikel-, Auftrags-, Lieferdatei • Datenbank • Auswertung, WWS

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Deutsch • Schriftverkehr • Telefongespräch • Kommunikation in Rollenspielen

Didaktische Reflexion der Lernsituationen in Bezug auf das korrespondierende Handlungsfeld (nach Bader/Schäfer) H A N D L U N G S F E L D E R

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In welcher Weise tragen die Lernsituationen dazu bei, berufliche sowie lebens- und gesellschaftsbedeutsame Problemstellungen zu bewältigen? Didaktische Analyse: Methodische Gestaltung und Überprüfbarkeit Entscheidungsfelder des Unterrichts: Reflexion der möglichen Kompetenzentwicklung als Einheit von Fach-, Sozial- und Humankompetenz (unterrichtsorganisatorische Ebene)

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

L E R N S I T U A T I O N E N

Didaktische Reflexion des Lernfelds in Bezug auf das korrespondierende Handlungsfeld (nach Bader/Schäfer) H A N D L U N G S F E L D E R

In welcher Weise befähigen Lernfelder zur Bewältigung komplexer Problemstellungen? In welcher Weise lassen sich die Zielformulierungen konkretisieren? Entscheidungsfelder: Reflexion der möglichen Kompetenzentwicklung als Einheit von Fach-, Sozial- und Humankompetenz (curriculare Ebene)

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

L E R N F E L D E R

Didaktische Reflexion vom Lernfeld zur Lernsituation (nach Bader/Schäfer)

L E R N F E L D E R

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In welcher Weise können Lernfelder durch Lernsituationen konkretisiert werden? Didaktische Analyse: Zugänglichkeit bzw. Lehr-Lern-Prozessstruktur Bedingungsfelder des Unterrichts: anthropologisch-psychologische, sozial-kulturelle

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

L E R N S I T U A T I O N E N

Didaktische Reflexion vom Handlungsfeld zum Lernfeld (nach Bader/Schäfer)

H A N D L U N G S F E L D E R

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In welcher Weise können Handlungsfelder in didaktisch begründete Lernfelder transformiert werden? Didaktische Analyse: Gegenwartsbedeutung, Zukunftsbedeutung, exemplarische Bedeutung, thematische Struktur.

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

L E R N F E L D E R

4.2.2 Zur exemplarischen Umsetzung von Lernfeldern und Lernsituationen in Ausbildungsberufen

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Beispiel für den Aufbau eines Lernfeldes in einem Lehrplan Lernfeld Verträge abschließen und erfüllen (40 Stunden)

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Zielbeschreibung Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, die Rechtsstrukturen beim Abschluss und bei der Erfüllung eines Kaufvertrages zu verstehen, die wirtschaftlichen und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im privaten und beruflichen Bereich wahrzunehmen und die Strukturen des Kaufvertragsrechts bei der Erschließung anderer Rechtsgeschäfte zu nutzen. Die Schülerinnen und Schüler entwickeln die Fähigkeit und Bereitschaft, Zahlungen vertragsgemäß und kostengünstig abzuwickeln und auf Störungen in der Erfüllung von Kaufverträgen sachgerecht zu reagieren.

Inhalte 1. Kaufvertrag Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft, Vertragsfreiheit, Allgemeine Geschäftsbedingungen,Verbraucherschutz 2. Zahlungsverkehr Barzahlung, halbbare Zahlung, bargeldlose Zahlung, Prozentrechnung; Zinsrechnung 3. Störungen bei der Erfüllung des Kaufvertrages 4. Andere Rechtsgeschäfte einseitige Rechtsgeschäfte, mehrseitige Rechtsgeschäfte: - Dienstvertrag,Werkvertrag, - Mietvertrag, - Darlehensvertrag, - Versicherungsvertrag.

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Beispiel für Stoffstrukturen zum Thema: „Wichtige Vertragsarten“ (I) Willenserklärung Bestandteile Äußerungsformen

Rechtlicher Vorteil

Geschäftsfähigkeit Rechtsgeschäfte

einseitige

Kaufvertrag

Formvorschriften mehrseitige mehrseitig einseitig verpflichtende Verträge andere Vertragsarten Schenkung

Reisevertrag Mietvertrag – Pachtvertrag Werkvertrag – Werklieferungsvertrag Dienstvertrag Leihvertrag - Darlehensvertrag

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Beispiel für Stoffstrukturen zum Thema: „Wichtige Vertragsarten“ (II)

Zustandekommen des Kaufvertrages Verpflichtungsgeschäft

und Erfüllungsgeschäft

AGB-Gesetz

Störungen

Unmöglichkeit

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Verzug

Mangelhafte Lieferung

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Werklieferungsvertrag vertretbare Sache

4.2.3 Zur Umsetzung des Lernfeldkonzeptes in der Bildungsgangkonferenz (nach Friedrich/Schaub) gemeinsame Visionen für Bildungsgangarbeit entwickeln didaktische Jahresplanung erstellen

exemplarisch Lernsituationen selbst entwickeln und erproben fächerverbindende Lernsituationen zusammentragen und reflektieren curriculare Vorgaben analysieren / Fächerabstimmungen vornehmen Bildungsgangkonferenz institutionalisieren 131

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Evaluation

gezielt Lernfelder bearbeiten / Lernsituationen entwickeln

4.3 Lerntheoretische Fundierung (nach Ott)

Behavioristische Konzeptionen

Kognitions- und handlungspsychologische Konzeptionen

Klassische Konditionierung

konstruktivistischer und handlungstheoretischer Ansatz

Instrumentelle Konditionierung

Theorie des bedeutungsvollen rezeptiven Lernens

Operante Konditionierung

Theorie des Entdeckungs-, Problemlösungslernens

Lernen am Modell 132

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Modell der klassischen Konditionierung Beispiel: „Tafelangst“ Ein Schüler, der bei der Arbeit an der Tafel mehrfach Misserfolge erlebt hat, wird bereits bei der nächsten Aufforderung zur Tafel zu gehen Angst entwickeln. neutraler Reiz („Tafel“)

unbedingter Reiz („Misserfolg“) neutraler Reiz („Tafel“) unbedingter Reiz („Misserfolg“) bedingter Reiz („Tafel“) 133

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

keine Reaktion

unbedingte Reaktion („Angst“)

unbedingte Reaktion („Angst“)

bedingte Reaktion („Angst“)

Handlungsstruktur des rezeptiven Lernens nach AUSUBEL

vorstrukturierende Organisationshilfen

MOTIVIEREN Ankerideen zur inneren Logik des neuen Lehrstoffs

STRUKTURIEREN Alle Schüler - nehmen Wissen auf (Prinzip der sequentiellen Lernorganisation) - arbeiten das aufgenommene Wissen durch (practice) - wenden das Wissen an (Prinzip des integrierenden Unterrichts)

Exposition (Lehrsequenz)

Übungsaufgaben Fortschreitende Differenzierung

Übung

OPERIEREN u.s.w.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

IV. Kapitel Zur Umsetzung der handlungs- und lernfeldorientierten Wirtschaftsdidaktik: Aktions- und Sozialformen als Methodik wirtschaftskundlichen Unterricht

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

4.4 Reduktionstheoretische Betrachtung der lernfeldorientierten Wirtschaftsdidaktik 4.4.1 Begriffsdefinitionen

• Jongebloed verweist auf die Überführung fachwissenschaftlicher Aussagen bzw. Aussagensysteme in pädagogisch angemessene, didaktisch begründbare Aussagen bzw. Aussagensysteme als weit gefasstes Kriterium für die Begriffe Reduktion und Transformation.

• Präzisiert versteht Jongebloed unter Reduktion und Transformation die didaktische Vereinfachung wissenschaftlicher Aussagen zur Erreichung von Fasslichkeit.

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

4.4.2 Alternative theoretische Ansätze zur didaktischen Vereinfachung 4.4.2.1 Dietrich Herings Theorie der didaktischen Vereinfachung und deren Kritik a.

Vereinfachung der Ausgangsaussage durch Tilgung von differenzierten Merkmalen von untergeordneten Teilaussagen:



Enthalten alle Teilaussagen der Ausgangsaussage das Allgemeine, so erfolgt die didaktische Transformation durch den Übergang von der differenzierten Ausgangsaussage, die das Allgemeine und damit das Differenzierte der Ausgangsaussage enthält und den gleichen Gültigkeitsumfang wie diese hat. Das Beibehalten der allgemeinen Merkmale der Teilaussagen der Ausgangsaussage garantierten gleichen Gültigkeitsumfang der vereinfachten Aussage. Unter dem Allgemeinen des Gegenstandes sind in diesem Zusammenhang die notwendigen Merkmale, die ihn gerade hinreichend kennzeichnen und von anderen Gegenständen unterscheiden, zu verstehen (Satz 1 ).



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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

b.

Indizierte Vereinfachung der Ausgangsaussage durch Tilgung von (weniger wichtigen ) Teilaussagen:

• Beinhalten die aus der differenzierten Ausgangsaussage gewonnenen Teilaussagen keine übereinstimmenden (allgemeinen) Elemente, bzw. werden diese bei der Vereinfachung nicht verwendet, so wird bei der transformierten Aussage eine besonders wichtige Teilaussage in den Vordergrund gestellt und auf bestimmte, weiterhin vorhandene Teilaussagen der differenzierten Aussage verwiesen. Der Hinweis auf das Vorhandensein weiterer, nicht beinhaltbarer Teilaussagen ist notwendig, um der Forderung nach gleichem Gültigkeitsumfang gerecht zu werden (Satz 2). • Hering liefert dazu u.a. folgendes Beispiel aus dem Bereich Hochofenausbau/ Hochofenprozess. • Ausgangsaussage: Als Zuschläge kommen in Betracht: Quarz, Feldspat, Schiefer, Kalkstein, Dolomit. • Vereinfachung gemäß Satz 2: Zuschlag ist meist Kalk (d.h. bestimmte andere Stoffe kommen außerdem in Betracht).

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Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

c.

Vereinfachung der Ausgangsaussage durch indizierte Verallgemeinerung:



Die Transformation erfolgt hier durch den Übergang von der differenzierten Ausgangsaussage, deren Teilaussagen übereinstimmende Bestandteile enthalten oder auch nicht enthalten, zu einer allgemeineren Aussage. Dabei ist die transformierte Aussage mit einem einschränkenden Vermerk (Hinweis auf das Vorhandensein bestimmter einschränkender Merkmale) auf den Gültigkeitsumfang der Ausgangsaussage zu begrenzen.



(Satz 3; Satz 2 als Spezialfall von Satz 3):



Für das von Hering angewandte Beispiel ergibt sich folgende Vereinfachung: Als Zuschläge kommen bestimmte Zuschläge in Betracht, z.B. meist Kalk.

139

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Abschließend soll anhand einer betriebswirtschaftlichen Aussage die didaktische Transformation verdeutlicht werden: • Dem kalkulatorischen Rechnungswesen stehen zur Erfüllung seiner Aufgaben die nachstehenden Rechnungsarten zur Verfügung: • Satz 1:  Dem kalkulatorischen Rechnungswesen stehen zur Erfüllung seiner Aufgaben Planungsrechnung (Planungskostenrechnung, Vorkalkulation) und Kontrollrechnung (Betriebsbuchhaltung, Nachkalkulation) zur Verfügung.  Die Unterscheidung in objekt- und periodenbezogene Rechnungsarten wurde aufgehoben. Als allgemeines Kriterium wurden Planungs- und Kontrollrechung herangezogen. • Satz 2:  Dem kalkulatorischen Rechnungswesen stehen zur Erfüllung seiner Aufgaben u.a. Planungsrechnungen (Plankostenrechnung, Vorkalkulation) zur Verfügung.  Eine Teilaussage wurde in den Vordergrund gestellt, nämlich Planungsrechnung, während auf die noch vorhandenen Kontrollrechnungen mit dem Zusatz, „u.a.“ hingewiesen wird. • Satz 3:  Dem kalkulatorischen Rechnungswesen stehen zur Erfüllung seiner Aufgaben gewisse Rechnungsarten zur Verfügung.  Die Unterscheidung in Planungs- und Kontrollrechnungen wurde endgültig aufgegeben. Durch den Zusatz ‚gewisse‘ wurde der Gültigkeitsumfang wieder eingeschränkt. 140

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

4.4.2.2 Grüners Theorie des didaktischen Reduktionsfelds und deren Kritik • Grüners Theorie baut im wesentlichen auf Herings Ansatz auf. Er verändert diesen jedoch durch die Unterscheidung zwischen horizontaler und vertikaler Reduktion in einem didaktischen Reduktionsfeld. • Der Gültigkeitsumfang der Ausgangsaussage bleibt bei der horizontalen Reduktion erhalten. Die Reduktion (es handelt sich um eine Transformation im o.a. definierten Sinne) besteht darin, dass die abstrakte wissenschaftliche Ausgangsaussage durch Analogien, Metaphern und Beispiele konkreter und damit leichter fasslich dargestellt wird. Beispiele sind Verbalisierung einer Ausgangsformel, graphische Schematisierung, Modellbildung oder sogar praktische Anwendung eines Gesetzes. Zweifelhaft ist dabei jedoch, ob bei Metaphern und Analogien der ursprüngliche Informationsgehalt unverändert bleibt.

Die vertikale Reduktion verringert, nach Grüner, den Gültigkeitsumfang einer Aussage durch fortschreitende Ausschnittbildung aus der jeweils vorhergehenden Aussage.

141

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

4.4.2.3 Die didaktische Reduktion bei Gerhard Hauptmeier • Hauptmeier hat erstmals versucht, das Konzept der didaktischen Vereinfachung auf wirtschaftswissenschaftliche Tatbestände anzuwenden • • • • • •

Oberste Aussage Ausgangsaussage: Milton Friedmann Y = v (....) *M AI: 1. Reduktionsstufe: Irving Fischer: G*U + `G*Ù = P*Q = P*H AII: 2. Reduktionsstufe: Irving Fisher/Georg N. Halm: G*U = H*P AIII: (...) AIV: Weitere Reduktionsstufen: Erich Sternel: G = H*P

• • • • • • •

Erklärung: Y: Volkseinkommen, abhängig von, z.B. Zinssatz, G: Geldmenge P: Preisniveau M: (nachgefragte) Geldmenge U: Umlaufgeschwindigkeit H: Handelsvolumen

142

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

• Beim Übergang zur Aussage AI wird eine differenzierte Betrachtung dieser Elemente durch Ausschnittsbildung aufgegeben. Aus einer allgemeinen Theorie über die Nachfrage des Geldes wird ein Teilaspekt, die Tauschgleichung des Geldes, weiter betrachtet. • Der Übergang von der reduzierten Aussage AI zur Reduktionsstufe AII erfolgt dadurch, dass die Unterscheidung zwischen Geld und Depositen aufgegeben wird. Auf der letzten Reduktionsstufe AVI werden nur noch Geldmenge und Gütermenge einander gegenübergestellt. Die Umlaufgeschwindigkeit wird gleich eins gesetzt. • Neben der verbalen Darstellung ist auch die symbolische Darstellung in der Form einer sich im Gleichgewicht befindlichen Waage möglich, deren linker Arm die Geldseite und deren rechter Arm die Güterseite versinnbildlichen soll. Eine Geldbörse symbolisiert das im Umlauf befindliche Geld, ein Bankbuch die Menge der Bankdepositen. Die Entfernung dieser Gewichte zum Drehpunkt der Waage soll die Umlaufgeschwindigkeit dieser Geldarten veranschaulichen.

143

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

4.4.3

Vergleich und Ergänzung der dargestellten Ansätze

• Die o.a. Ansätze zur didaktischen Vereinfachung von Hering, Grüner und Hauptmeier betonen die Frage der wissenschaftlichen Zulässigkeit von Vereinfachung hinsichtlich Reduktion bzw. Transformation von objektiven Inhalten, erwähnen die Problematik der subjektiven Lernervoraussetzungen jedoch nicht oder nur als allgemeine Zielsetzung. • Die Leistung der vorgestellten Ansätze liegt in der Auflistung von Kriterien und Anleitungen für widerspruchsfrei aufeinander aufbauende Vereinfachungsstufen, so dass der Schüler das auf einer Vereinfachungsstufe gelernte Wissen auf einer höheren Vereinfachungsstufe verwerten kann (Prinzip der Spiralcurricula). • Wesentlich ist auch die bei Grüner erstmals angesprochene Problematik des Sprachniveaus. Wissenschaftssprache kann dabei nur selten Unterrichtssprache sein. Bei weitgehender Reduktion bzw. Transformation muss auch die Sprache vereinfacht werden, um nicht die Vermittlung von verwertbarem Wissen an zusätzlichen sprachlichen Hürden scheitern zu lassen. In diesem Sinne hat Grüners Forderung nach Vereinfachung durch Konkretisierung, weg von abstrakter Begrifflichkeit, zweifelsfrei Eingang in die Unterrichtsdidaktik gefunden.

144

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

4.4.4 Die Reduktionsansätze und ihre Anwendung auf eine lernfeld- und handlungsorientierte Wirtschaftsdidaktik • Beide Formen der didaktischen Reduktion, d.h. die spezialisierende Reduktion Grüners und die generalisierende Form bei Hering, können nach Michelsen zu formulierten Problemen verdichtet werden, aus denen dann Probleme geschöpft werden können. • Laut Aebli entsteht dann eine neues Theoriefeld, welches erneut mit der Lebenspraxis verglichen wird. Hier setzt nun das didaktische Jahrgangsstufenprofil an, welches eine gegliederte und durchdachte Sammlung von Problemfeldern als Grundlage der Planung von handlungsorientiertem Unterricht ermöglicht. Diese Problembereiche stellen dann das Kernstück der neuen lernfeldorientierten Lehrpläne dar, welche sich in das o.a. Gefüge von beruflichen Handlungsfeldern über Lernfelder zu Lernsituationen entwickeln. Hier kann sich handlungsorientierter Unterricht als Prinzip – jedoch nicht als Methode verwirklichen. Somit ist auch hier bereits auf die Notwendigkeit der Erarbeitung von Theoriefeldern zu verweisen, wie dies auch Michelsen fordert, indem er darauf verweist, dass noch zu bestimmen sein wird, welche Lerngebiete (hier: Lernfelder) handlungssystematisch und welche im Wechsel von Handlungssystematik und Fachsystematik zu vermitteln sind.

145

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Das Strukturmodell der Didaktik nach Schulz Anthropogene (Individuelle)

Sozialkulturelle

Voraussetzungen

Voraussetzungen

SCHULE Intentionen

Bedingungsfelder ---------------

Themen

Entscheidungsfelder Verfahren

146

Medien

Anthropogene (Individuelle)

Soziale

Folgen

Folgen

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

2. Planerische Überlegungen zur Unterrichtsgestaltung als

Implikationszusammenhang 2.1 Analyse der Bedingungen, unter denen sich Unterricht vollzieht

147

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Anthropologisch–psychologische Voraussetzungen (I)

der Schüler

Lernfähigkeit

Lernstand

- Wissen - Können - Haltung

148

des Lehrers

Lernbereitschaft

Lernstil

Lerntempo

- durch physischpsychische Konstitution bedingt - durch Unterricht erworben

Lehrfähigkeit

Lehrstand

- Wissen - Können - Haltung

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Lehrbereitschaft

Lehrstil

- durch physischpsychische Konstitution bedingt - durch Ausbildung erworben

Anthropologisch–psychologische Voraussetzungen (II) Vereinfachte systematische Darstellung von anthropologischpsychologischen Voraussetzungen des Unterrichts: Personeller Rahmen Voraussetzungen

Schüler

Lehrer

Organisatorischer Rahmen Schule Klasse

sozioökonomische sozioökologische soziokulturelle i.e.S. ideologischnormbildende Raster zur Erfassung sozio-kultureller Voraussetzungen des Unterrichts 149

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Bestimmungsfaktoren des Lernens (nach Schaube) Leistungsfähigkeit  Kenntnisse (z.B. schulische Vorbildung)  Alter / Geschlecht  Erfolgswille  Fertigkeiten (z.B. handwerkliches Geschick)  Fertigkeiten (geistige, soziale, sprachliche)

150

Leistungsbereitschaft  Art und Komplexität der Lernaufgaben  Arbeitsmethodik / Lernmethodik  Identifikation mit dem Fach  Lehrer (Lehrstil / Lehrform)  Lerneinstellung (Wertesystem)  Verwertbarkeit des Faches  familiäre Unterstützung und finanzielle Sicherheit

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Einflussfaktoren unterrichtspraktischen Handelns (nach Becker) verbale und körpersprachliche Ausdrucksfähigkeit politische und gesellschaftliche Orientierung, erworben im Sozialisierungsprozeß Berufs- und Fachsozialisation aufgrund des Studiums, des Referendariats und der Prägung durch die Institution Schule

Persönlichkeitsstruktur des Lehrers

eingeschliffene Handlungsmuster, Methodenrepertoire

Einflussfaktoren unterrichtspraktischen Handelns

fachwissenschaftliche Ansprüche an das eigene Methodenkonzept zur Verfügung stehende Materialien und Medien

151

pysische Konstitution

eigene Unterrichtserfahrungen als Lehrer Nachwirkende Unterrichtserfahrungen als Schüler Didaktisches Theoriewissen Rezeptwissen

institutionelle Rahmenbedingungen und behördliche Vorgaben des Lehrers

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

empirisches Wissen über Lehr-/Lerngesetzmäßigkeiten

Bedingungsspektrum, vor dem Unterricht sich vollzieht (nach Becker): Schulart: Allgemeine Zielsetzungen und inhaltliche Vorgaben Lernort: Art des Gebäudes, Raumprogramm, Größe des Raumes, Sitzordnung, akustische, klimatische und optische Verhältnisse

Lernzeit: Im Leistungsoptimum oder im Leistungstiefpunkt, Stundenplan und Fächerfolge

Größe der Institution: Anzahl der Schüler, Anzahl der Kollegen

Einfluss auf Unterrichtskonzeption und Lehr-LernErfolge

Lerngruppe: Größe und Zusammensetzung, Art und Dauer der Sozialbeziehungen, Fach- oder Klassenlehrersystem 152

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Lage der Schule: Einzugsgebiet und Schulwege, Schulgelände und Schulhof, Spiel und Sportplätze

2.2 Zur Formulierung des Themas einer Unterrichtstunde (nach Langmaak/Braune-Krickau) (I)  Das Thema muss persönliches Erleben ermöglichen oder an solches anknüpfen und es besprechbar und verständlich machen.  Auch bei „trockenen“ Sachthemen möglichst den persönlichen Bezug herstellen, damit der Teilnehmer sich mit seinen Erfahrungen einbringen kann und nicht nur bestenfalls mit intellektuellem Interesse.  Jedes Thema sollte etwas Bekanntes enthalten, an dem der Teilnehmer seinen eigenen Anknüpfungspunkt findet und dem er sich relativ angstfrei nähern kann. Jedes Thema muss gleichzeitig auch etwas Neues, Herausforderndes ansprechen, was Neugier weckt.  Das Thema ist deshalb so persönlich wie möglich und so generell wie nötig zu formulieren.  Persönliche Formulierungen sind ICH-bezogene Formulierungen, mit denen der einzelne angeregt wird, Aussagen über sich selbst zu machen und seine eigenen Gedanken einzubringen.

153

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Zur Formulierung des Themas einer Unterrichtstunde (II) • Das Thema soll nicht schon das Resultat vorwegnehmen. Wortwahl und Ausdrucksweise können unter der Hand Wertungen in das Thema schmuggeln, die die Arbeit in eine bestimmte Richtung drängen. • Zu schwergewichtig formulierte Themen beschwören Phantasien herauf, oft auch Abwehr, weil die Gruppe dann ihr eigenes Maß an Tiefe der Themenbearbeitung sozusagen gegen die Formulierung des Themas behaupten muss. • Eine kleine Provokation im Thema weckt die Neugier oder regt zu konstruktiver Auseinandersetzung damit an. Das Thema kann der Gruppe um einen Schritt voraus sein. • Das Thema soll zum Experimentieren anregen, zum Probehandeln oder Probedenken und damit auch ein wenig Mut vom Einzelnen verlangen. In jedem Fall: Das Thema muss so offen formuliert sein, dass es nicht Perfektionsdruck auslöst, der den Mund verschließt.

• Besonders bei Anfangsthemen ist es wichtig, dass diese niemanden unter Druck setzen, jetzt etwas sagen zu müssen, was er noch nicht sagen will. • Die Teilnehmer sollen mit dem Thema dort abgeholt werden, wo sie stehen. Es soll inhaltlich an Bekanntes anknüpfen. Zugleich soll es auch in der Sprache der Teilnehmer formuliert sein. 154

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3. Unterrichtsformen im Wirtschaftsunterricht 3.1 Aktionsformen des Lehrens

155

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.1 Aktionsformen des Lehrens (nach Speth)

darstellende Aktionsform

erarbeitende Aktionsform

fragend-entwickelnde Aktionsform

156

entdecken-lassende Aktionsform

Impuls-setzende Aktionsform

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.1.2 Schematisierter Verlauf des erarbeitenden Unterrichts

(nach Speth)

Lehreraktivität

gezielte Lehrerfrage

Schüleraktivität

Schülerrezeptivität

157

Lehrerbestätigung Lehrerablehnung

Schülerreaktivität

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Weiterführende Frage/rückkoppelnde Frage

Schülerrezeptivität

3.1.3 Ablauf der entdecken–lassenden Aktionsform (nach Speth) 1. Phase

2. Phase

3. Phase

4. Phase

5. Phase

Lehrer

Lehrer

Lehrer

Lehrer

Lehrer

Problemstellung in der darbietenden oder erarbeitenden Form.

Konkretisierung der Problemlage durch die Schüler. Lösungsbemühungen der Schüler. Evtl. Arbeitsanweisungen durch den Lehrer.

Lösungsfindung durch Selbsttätigkeit der Schüler, in Gruppen-, Partner- oder Alleinarbeit, als Projektierung, Experiment u.a. – Der Lehrer steht zu Lernhilfen zur Verfügung.

Schüler

Schüler

Schüler

lehrerzentrierter Unterricht

158

allmähliche Zurücknahme der Lehrerzentrierung.

schülerzentrierte/schülerkooperierende Unterrichtsmethoden

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Sichtung und Überprüfung der Arbeitsergebnisse. Evtl. nochmalige Schülerselbsttätigkeit.

Schüler kooperierendes Schüler – Schüler, Lehrer– Schülerverhältnis.

Erfolgssicherung und Erfolgskontrolle

Schüler lehrerzentrierter Unterricht

3.2 Sozialformen des Unterrichts (nach Meyer)

Frontalunterricht

Differenzierungsformen des Unterrichts

Alleinarbeit (Einzelarbeit)

Partnerarbeit i.w.S.

Partnerarbeit

159

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Gruppenarbeit

3.2.1 Frontalunterricht (nach Kretschmer/Stary)

Zur Steuerung des Unterrichtsverlaufs Impulse mit der Funktion ... • zu ermutigen, • zu beschleunigen, • zu bremsen, • zu akzentuieren, • zu disziplinieren, • zu wiederholen, • eine Spannung aufzubauen, • auf die Sache zu konzentrieren, • zu loben, • zu kritisieren, • zu kontrollieren, usw.

160

zur Anregung des Denkens und Handelns der Schüler Impulse mit der Funktion, die Schüler anzuregen … • zu analysieren, • zu vergleichen, • zu ergänzen, • zusammenzufassen, • zu folgern, • zu entscheiden, • zu werten, • zu präzisieren, • vorzuführen, • vorzutragen, • nachzudenken, • abzuwägen, usw.

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3.2.2 Gruppenarbeit Phasen der Gruppenbildung (nach Ott)

Phase

Gruppenstruktur

Aufgabenverhalten

1. Forming: Testphase oder Formierungsphase

Unsicherheit bis Angst; starke Gruppenmitglieder definieren Orientierung am Gruppenleiter; Aufgaben, Regeln und geeignete Ausprobieren, welches Verhalten Arbeitsmethoden in der Situation akzeptabel ist

2. Storming: Nahkampfphase oder Konfliktphase

Konflikte zwischen den Gruppenmitgliedern durch Polarisierung von Meinungen; Widerstand gegen den Gruppenleiter

emotionaler Widerstand gegen die Aufgabenanforderungen, evtl. Positionskämpfe; Ablehnung von Gruppendruck (Kontrolle)

3. Norming: Orientierungsphase oder Normierungsphase

Entwicklung von Gruppenkohäsion (WIR-Gefühl), Gruppennormen und Rollendifferenzierung

offener Meinungsaustausch; Kooperationen und gegenseitige Unterstützung bahnen sich an

4. Performing: Gruppe ist an der Verschmelzungsphase oder Aufgabenerfüllung orientiert; Arbeitsphase Rollenverhalten ist flexibel und funktional

161

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Problemlösungen tauchen auf und werden konstruktiv bearbeitet; Energie wird auf die Aufgabe konzentriert

Phasen der Gruppenbildung (Übersicht) Phase 4: Performing

Phase 1: Forming Verschmelzungsphase Ideenreich, flexibel, offen, leistungsfähig, solidarisch, und hilfsbereit. Orientierungsphase Entwicklung neuer Umgangsformen, Entwicklung neuer Verhaltensweisen, Feedback, Konfrontation der Standpunkte.

Testphase Höflich, unpersönlich, gespannt, vorsichtig.

Nahkampfpase Unterschwellige Konflikte, Konfrontation der Personen, Cliquenbildung, mühsames Vorwärtskommen, Gefühl der Ausweglosigkeit.

Phase 3: Norming 162

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Phase 2: Storming

Sachebene und psychosoziale Ebene (n. Langmaak/Braune-Krickau) ZEIT-HIERARCHIE-MEDIEN-THEORIENAUFGABEN-ARBEITSUND LERNINHALTE-MITTELSACHINFORMATIONENVORGABENARBEITSANLIEGEN-

1/8

Mut Angst Liebe Sympathie

163

Zuneigung Werte

Wünsche Sicherheit

Antipathie

7/8

SACHEBENE „SACHLOGIK“

Tabus

Akzeptanz Status

Vertrauen ungeschriebene Gesetze PSYCHOSOZIALE EBENE „PSYCHOLOGIK“

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Gruppengröße, etc. (nach Bauer) • Die Anzahl der Gruppenmitglieder beeinflusst das Leistungs- und Sozialverhalten der Kleingruppe. • Ein kleines Team gibt mehr Möglichkeiten zur aktiven Beteiligung der Gruppenmitglieder. Es bietet jedem die Gelegenheit, auf individuelle Weise zu lernen. Das verschafft Erfolgserlebnisse, erzeugt Zufriedenheit, baut Hemmungen ab und reduziert die Zahl der unmotivierten Außenseiter. • In größeren Gruppen werden mehr Meinungen eingebracht. Das führt zu einer fruchtbareren Diskussion. • Große Gruppen mir mehr als fünf Mitgliedern sind jedoch nicht optimal, weil sich leicht Untergruppen bilden und passive Mitglieder oft noch passiver werden. Ferner wird die Kommunikation lauter, da die Schüler weiter auseinander sitzen. • Gruppen mit ungerader Anzahl der Mitglieder einigen sich leichter als Gruppen mit gerader Anzahl (Möglichkeit der Pattsituation). • Eine Arbeitsgruppe sollte daher mindestens drei und höchstens fünf Mitglieder haben. Das gewährleistet am ehesten, dass sich alle Mitglieder engagieren und eine gute interne Diskussion zustande kommt. • Die Fünfergruppe bietet einerseits ein beträchtliches Anregungspotential und begünstigt andererseits Mehrheitsentscheidungen. Sie ist daher die ideale Diskussionsgruppe, während die Vierergruppe die optimale Arbeitsgruppe darstellt.

164

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Teamordnung • • • • • • • • • • • • • •

Im Team müssen alle den gleichen Rang haben. Die Verantwortung für die Arbeit in der Gruppe tragen alle gemeinsam. Der Gruppensprecher ist kein Chef. Der Gruppensprecher ist Organisator der Gruppenarbeit. Der Sprecher sorgt innerhalb der Gruppe für ein gutes Gruppenklima. Der Sprecher muss die Gruppe demokratisch führen. Der Sprecher steuert die Diskussion. Er achtet darauf, dass jeder Gelegenheit zum Sprechen erhält. Er achtet darauf, dass wir uns gegenseitig zuhören. Er hilft bei der Konsensfindung. Er hilft, Entscheidungen zu treffen. Der Sprecher stellt sicher, dass jeder weiß, was er zu tun hat. Er bestimmt, wer Notizen macht. Er teilt die Arbeit so auf, dass auch leistungsschwache und zurückhaltende Mitglieder gefördert werden. • Er kümmert sich um die Ergebnissicherung. • Er ist der erste Ansprechpartner des Lehrers.

165

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Sprecherwahl Mögliche Alternativen: • Der Sprecher wird sofort gewählt. • Er wird von Aufgabe zu Aufgabe neu gewählt. • Er wird erst nach der ersten Problemlösung bestimmt. • Im Rotationsverfahren wird einer nach dem anderen Sprecher. (Ein Wechsel in der Gruppenführung ist positiv, weil jedes Mitglied aktiv an der Führung beteiligt wird, jeder das Führen lernt und die Dominanz und die Selbstdarstellung einzelner Mitglieder dadurch weitgehend vermieden werden. Außerdem hat der jeweilige Sprecher, dem demokratischen Prinzip entsprechend, eine Führungsrolle auf Zeit.) • Die Gruppe will ohne Sprecher arbeiten. (Auch das kommt vor und muss akzeptiert werden.)

166

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Beobachtungspunkte • Gibt es Spannungen zwischen einzelnen? • Dominiert einer und macht die anderen Gruppenmitglieder zu seiner Hilfstruppe? • Wird ein einzelner von seiner Gruppe nicht akzeptiert? • Gibt es Rivalitäten, die das gesamte Lernen paralysieren? • Wer organisiert die Aktivitäten in der Gruppe? • Wer übt soziale Kontrolle in der Gruppe aus? • Wer ist nicht in der Lage oder nicht bereit, sich mit seiner Gruppe zu identifizieren? • Bekommen schwächere Gruppenmitglieder Hilfe von anderen? • Gibt es eine starre Rollenverteilung in der Gruppe? • Wie grenzen sich einzelne Kleingruppen von anderen ab?

167

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.2.3 Partnerarbeit • Bei der Partnerarbeit steht die Zusammenarbeit zweier Schüler im Mittelpunkt, d.h. es handelt sich um die zahlenmäßig kleinste Gruppenform. Dabei kann die Partnerarbeit zwar als Vorstufe der Gruppenarbeit gesehen werden, sie stellt aber zudem eine eigene Unterrichtsmethode dar. • Die Partnerarbeit verbindet zwei Schüler miteinander zu einer Arbeitsgemeinschaft, die Arbeitsanweisungen durch den Lehrer erhält, die in einer vorgegebenen Zeit zu lösen sind. Der Lehrer steht auch hier als Berater den einzelnen Gruppen zur Verfügung.

168

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.2.4 Alleinarbeit (Einzelunterricht) In dieser Unterrichtsform arbeitet jeder Schüler allein und unabhängig von den Mitschülern an einer ihm gestellten Aufgabe. Zumeist wird Alleinarbeit in Kombination mit Frontalunterricht angewandt. Dadurch ist der Individualisierungsgrad besonders hoch; jedoch werden nach der Einzelarbeit zumindest die Ergebnisse dem Klassenverband vorgetragen, verglichen und gegebenenfalls korrigiert, wodurch eine gewisse Kommunikationsfähigkeit geübt wird.

169

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Alleinarbeit • Im Wirtschaftslehreunterricht empfiehlt sich diese Unterrichtsform, wenn Informationsmaterial, z.B. ein Geschäftsbericht einer Aktiengesellschaft, zur Verfügung steht und durch Schüler ausgewertet werden kann. • Der Einzelarbeit wird in der Literatur eine große Effektivität unterstellt, wenn sie nicht ausschließlich, sondern als Kombination mit anderen Unterrichtsformen verwendet wird. • Die Förderung von individuellen Fähigkeiten, Interessen und Leistungen der Schüler kann bei dieser Unterrichtsmethode als gewährleistet angesehen werden, jedoch kann diese Unterrichtsform auch zu einer Vereinsamung des Schülers führen, wenn diese Unterrichtsform ausschließlich angewendet wird. Ebenso ist der Erwerb von Schlüsselqualifikationen, wie Kommunikations- und Teamfähigkeit im Sinne einer beruflichen Handlungsfähigkeit - wie sie die lernfeldorientierten Rahmenlehrpläne anstreben - nicht gegeben. 170

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.3 Aktive Lernmethoden als methodische Großform 3.3.1 Fallstudie 3.3.1.1

Die Entstehung der Fallstudienmethode

Der Ursprung der Fallstudie oder auch Fallmethode - als methodische Ausprägung in der o.a. Konzeption handlungsorientierten Unterrichts - wird auf die Graduate School of Business Administration der Harvard Universität in Boston zurückgeführt.

171

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.3.1.2 Wesen und Zielsetzung der Fallstudienmethode • Unter einer Fallstudie wird - allgemein formuliert - die „Beschreibung einer realen Situation“ verstanden. • Auf die Wirtschaftswissenschaften bezogen beinhaltet sie die „(...) Beschreibung konkreter geschehener oder bestehender wirtschaftlicher Gegebenheiten, für deren verschiedene Lösungsmöglichkeiten alle notwendigen Angaben, Unterlagen oder Übersichten beigefügt sind.“ (Vgl. Dahlke, G.: Das Wesen der Fallstudien, 1960, Frankfurt, S. 14)

172

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.3.1.3 Fallstudienarten (nach Mathes) Problem

Vorgegeben  case

Vorgegeben Information Nicht vorgegeben oder unvollständig 173

problem method  stated problem method

Nicht vorgegeben

 Case

incident method

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

 case

study method

---

3.3.1.4 Kriterien für die Erstellung bzw. Auswahl von Fallstudien (nach Mathes) Situationsbezug:

Realitätsbezug durch für die Praxis typische Situationen

Fasslichkeit:

Berücksichtigung der Rahmenbedingungen wie Lernvoraussetzungen, Vorwissen. Betriebliche Praxis soll zwar nachempfunden, aber auch auf das „geistige Potential“ der Schüler angepasst werden, damit es nicht zu Frustrationen kommt.

Wissenschaftsbezug: „Das Prinzip der wissenschaftlichen Repräsentation soll dadurch eingelöst werden,

dass für die Problemlösung wissenschaftliche Theorien und Modelle in vereinfachter Form zur Problemlösung herangezogen werden und im Zusammenhang mit der Fallbearbeitung verallgemeinerungsfähige Aussagen gewonnen werden können, mit denen auch ein Anschluss an die wissenschaftliche Systematik möglich ist.“ Bedeutsamkeit:

Die Problemstellung sollte für die Schüler subjektiv bedeutsam sein, wodurch sie für die Lösung der Fallstudie motiviert werden. Dies wird durch Anknüpfung an die Berufs- und Lebenswelt (gegenwärtige oder zukünftige) der Schüler möglich.

Handlungsbezug:

„Die Fallstudie sollte den Lernenden zu einem praxisnahen, selbständigen Handeln animieren. Eine entsprechende Handlungsorientierung wird erreicht, wenn der Bearbeiter zur Bewältigung des Fallstudienproblems Tätigkeiten durchführen muss, die auch für die berufliche ‚Ernstsituation‘ relevant sind. Hierzu zählen etwa das Beschaffen von Informationen, das Ausfüllen von Formularen, die Interpretation von Vertragstexten und Computerausdrucken, ...“ Es sollte aber nicht um einen überflüssigen „Formularaktionismus“, sondern um einen zielgerichteten Einsatz von Unterlagen gehen.

174

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.3.1.5 Unterrichtsphasen beim Fallstudieneinsatz Einstiegs- oder Problemkonfrontationsphase

Leitfrage: „Was ist passiert? anschließend Situationsanalyse

Informations- oder Sammlungsphase

Auswertung des in der Fallstudie vorgegebenen Informationsmaterials und/oder Sammlung weiteren Materials Unter der Fragestellung, welche Lösungen denkbar sind, sollen Alternativen zur Falllösung entwickelt werden. Lernziel: Die Schüler zu befähigen, in gegebener Situation stets nach mehreren Lösungen Ausschau zu halten und sich vom eindimensionalen Denken zu befreien. Kritische Überprüfung der gefundenen Lösungsalternativen

Explorations- oder Entscheidungsvorbereitungsphase

Resolutions- oder Entscheidungsphase

Phase der Entscheidungsverteidigung (Disputationsphase)

175

Konfrontation der eigenen Entscheidung mit den Entscheidungen der anderen Schüler bzw. anderen Gruppen.

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.3.1.6 Didaktische Vorzüge und Grenzen des Einsatzes von Fallstudien In der Literatur gilt es als unbestritten, dass die Anwendung von (geeigneten!) Fallstudien im Unterricht zur Erreichung des Zieles beiträgt, die Schüler zu mehr Handlungskompetenz zu befähigen. Durch die aktive Auseinandersetzung mit einem praktischen Fall gelingt es, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis herzustellen.

Die Schwächen der Fallmethode ergeben sich primär aus dem im Unterricht verwendeten, mangelhaften Fallmaterial. Oft sind die Entscheidungsprobleme in den behandelten Fällen zu stark simplifiziert, wodurch der Anspruch der realitätsnahen Darstellung von Begebenheiten aus der Wirtschaftswelt nicht erfüllt wird. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf den bei vielen Fallstudien fehlenden Prozess der Informationsgewinnung und -auswahl. Ebenfalls wird bei einigen Fallstudien die mangelnde Verallgemeinerungsfähigkeit und Übertragbarkeit kritisiert. Ferner wird die Gefahr der Überbetonung von positiven Entscheidungen, d.h. der Zwang, Entscheidungen selbst dann zu treffen, wenn die Situation keine sofortige Lösung zulässt, als Schwäche der Fallmethode erkannt. 176

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.3.2 Rollenspiel - Phasen eines Rollenspiels (I) Phase

Hinweise

Motivation, Information und Vorbereitung

177

• Darstellung der konkreten Spielsituation (Problem oder Konflikt), • eventuelle Klärung zentraler Begriffe, • Einteilung in Spieler und Beobachter, • Verteilung der Rollenkarten mit Rollenbeschreibungen an die Spieler. • Austeilen der Beobachtungsbögen an die Beobachter und kurze Besprechung der Beobachtungsaspekte. Hier kann es u.U. zweckmäßig sein, die Rollenspieler solange aus dem Raum zu schicken, damit sie nicht erfahren, auf welche Aspekte die Beobachter achten werden. Es empfiehlt sich, eine Zuordnung von Rollenspielern und Beobachtern vorzunehmen. • Festlegung der Spieldauer.

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Phasen eines Rollenspiels (II) Phase Spieldurchführung

Hinweise Die Spieldurchführung ist von der Art des Rollenspiels abhängig: Rollenspiele spontan

gebunden

Ausgangssituation ist gegeben. Das Rollenverhalten ist nicht festgelegt.

Situation und Verlauf des Spiels sind geplant. Das Interesse richtet sich mehr auf das „Wie“ als auf das „Was“.

strukturiert genaue Festlegung der Rollen und z.T. auch der Rollentexte 178

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

halbstrukturiert Spielraum zur Verwirklichung eigener Kreativität bleibt erhalten

Auswahl möglicher Probleme bei der Durchführung von Rollenspielen (nach Mathes) Mögliche Schwierigkeiten/Probleme beim Einsatz eines Rollenspiels

Mögliche Lösungsansätze

Schüler haben Hemmungen, sich vor anderen spielerisch darzustellen.

Schrittweises Heranführen an aktive Methoden, Partner- und Gruppenarbeit mit Präsentation der Ergebnisse

Schüler haben Angst sich zu blamieren.

-

-

Verdeutlichung, dass nicht der Schüler als Mensch zu beurteilen ist Rollenspiele müssen „geübt“ werden Reflexion über den Sinn und Zweck von Rollenspielen im Unterricht (Methodenreflexion)

Sprachschwierigkeiten, Ausdrucksdefizite

Kooperation mit dem Deutschlehrer, evtl. TeamTeaching

Erkenntnisprozess geht durch Spielbegeisterung verloren.

Intensive Aufarbeitung in der Auswertungsphase und Fixierung von Folgerungen für künftige Rollenspiele

Schüler empfinden Spielen als „kindisch“.

Gründliche Methodenreflexion unter Einbeziehung der Bedeutung von Schlüssel-qualifikationen für das (spätere) Berufsleben.

Lehrer greift permanent in das Spielgeschehen kommentierend ein. 179

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

3.3.3 Planspiel und 3.3.4 Projekt

180

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Grundmuster der Projektmethode n. Speth (dargestellt anhand eines idealisierten Projektablaufes) Projektinitiative

1

Auseinandersetzung mit der Projektinitiative in einem vorher vereinbarten Rahmen (direkt Beteiligte, evtl. indirekt Beteiligte); (Ergebnis = Projektskizze) möglicher Abschluss

Gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes (u. U. auch mit indirekt Beteiligten); (Ergebnis = Projektplan)

möglicher Abschluss Im Verlauf des Projektes eingeschobene Fixpunkte und Metainteraktionen, Zwischengespräch

(Verstärkte) Aktivitäten im Betätigungsgebiet / Projektdurchführung (einzeln, in Untergruppen, in Gesamtgruppe)

6 7

Entweder (1) bewusster Abschluss

3

4

Beendigung durch bewussten Abschluss (1) oder durch Rückkoppeln zur Projektinitiative (2) oder durch Auslaufenlassen (3) (direkt oder indirekt Beteiligte, evtl. neue Adressaten)

oder (2) Rückkoppelung zur Projektinitiative 181

2

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

5

oder (3) Auslaufen lassen

Merkmale des Projektunterrichts (Teil 1) Merkmale

Beispiele

selbstbestimmtes Lernen: • Selbstorganisation und • Selbstverantwortung • • •

Selbstverantwortliche Übernahme von Planungsschritten Gemeinsame Fixierung der Ziele des Lernens und des methodischen Vorgehens Jeder Einzelne trägt Verantwortung für das Gelingen des Projekts Entscheidung über die Art und Weise der Ergebnispräsentation Lehrer fungieren nicht als Wissensvermittler, sondern als Moderator und Lernberater



Vorbereitung und Durchführung der Präsentation (z.B. in Form eines Videofilms, einer Wandzeitung, einer Broschüre) Erstellung eines Fragebogens oder Formulierung eines Textes für die Ergebnispräsentation (Fach „Deutsch“) Erstellung und Auswertung eines Fragebogens am PC (Fächer „Textverarbeitung“ und „EDV“) Arbeitsteiligkeit Zusammenarbeit im Team Abstimmung von (Teil-)Ergebnissen Konfliktregelung im Team Einbringung von Interessen (berufliche oder private) bei der Festlegung des Projektthemas

ganzheitliches (mehrdimensionales) Lernen fächerübergreifend bzw. fächerverbindend (nicht zwingend)

soziales Lernen Orientierung an der Lebenswelt und den Interessen der Lernenden 182

• • • • • • •

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Merkmale des Projektunterrichts (Teil 2) Merkmale

Beispiele

Vorbereitung der Ergebnispräsentation



Hier sollte im Plenum eine Phase vorgeschaltet werden, in der die Schüler über Präsentationstechniken (Medien/ Hilfsmittel; Methoden und Regeln) informiert werden.

Ergebnispräsentation



Wichtig ist, interessierte Dritte (z.B. Besucher, falls die Prä-sentation in Form einer Ausstellung erfolgt oder Zuschauer, falls ein Videofilm gezeigt wird) mit einem Fragebogen zu interviewen, um von „Neutralen“ eine Rückkoppelung über die Qualität der Ergebnispräsentation zu erhalten

Reflexion



Reflexion über Projektarbeit (z.B. Zusammenarbeit in den Gruppen; Probleme bei der Informationsbeschaffung und Informationsauswertung) Reflexion über Ergebnispräsentation (nach Auswertung der Fragebogen) Reflexion über Zielerreichung (Rückkopplung zu Projektinitiative, Projektskizze und Projektplan) Gemeinsame Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen für die Durchführung zukünftiger Projekte

• • •

183

Theoretische Grundlagen der Fachdidaktik Wirtschaftswissenschaft

Chancen und Grenzen des Projektunterrichts Chancen • Motivationssteigerung • Förderung des vernetzten Denkens • Förderung von Schlüsselqualifikationen in besonderer Weise möglich, z.B.: • • • • • • • • •

Eigeninitiative, Teamfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft, systematisches Denken und Arbeiten, Kreativität, Konfliktregelungsfähigkeit, Selbständigkeit, Planungsfähigkeit, Informationsbeschaffung und Informationsauswertung, • Zusammenfassung und Präsentation von Ergebnissen.

Grenzen / Gefahren / Probleme • hoher Zeitaufwand • häufig hoher Materialaufwand • ungeeignet bei stark vorstrukturierten, intellektuell einfachen Lernprozessen • „Sie ist kein ökonomisches Verfahren, Feinziele zu erfüllen.“ • Überforderung der Schüler • gefährdet sind Schüler, die gehemmt sind • Erfolg hängt u.a. auch davon ab, dass der Lehrer die Moderatorenrolle beherrscht und nicht in „kritischen Phasen“ in die traditionelle Lehrerrolle zurückfällt

• Förderung von Schülerneigungen und Schülerinteressen 184

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Pädagogische Vorteile der Projektarbeit (nach Speth) • • • • • • • • •

Führt zu mehr Selbständigkeit und Eigeninitiative der Lernenden, fördert bislang nicht bekannte Schülerneigungen und –interessen, spricht kognitive, motorische und affektive Bereich an, fördert kooperatives Verhalten und Rücksichtnahme, versucht, persönliche Bedürfnisse der Beteiligten zu berücksichtigen, erhöht die Motivation durch Festlegung gemeinsamer Ziele, kann die Zusammenhänge zwischen Lernbereichen aufdecken, erhöht die Bindung zwischen schulischen und außerschulischen Lernbereichen, fördert die persönlichen Kompetenzen zur Bewältigung komplexer Praxisprobleme.

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Mögliche Schwierigkeiten bei der Projektarbeit •

• •





Die Projektmethode wird um so schwieriger, je stärker durch Stoffvorgabe, Lernschrittanordnung oder vorab genau festgelegten Fertigkeitserwerb stark vorstrukturierte Lernprozesse ablaufen sollen; die Projektmethode ist kein optimales Lernverfahren, um einen Wissensstoff rasch zu lernen, denn bei ihr entwickeln die Schüler ihre Lernschritte; die Projektmethode ist darüber hinaus nicht geeignet, eng gefasste Lernaufgaben, die genau überprüft werden, zu vermitteln; die Überprüfung der Lernergebnisse in Form der üblichen Klassenarbeiten bzw. Schulprüfungen ist schwierig, insbesondere deshalb, weil die angestrebten Ziele bzw. Schlüsselqualifikationen nicht genau determiniert werden können; der gehemmte, schwache Schüler ist bei dem Vorgehen nach der Projektmethode benachteiligt. Er bedarf besonderer Fürsorge und Betreuung durch den Lehrer.

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3.3.5 Lernbüro und Juniorfirma (nach Mathes) (Begriffsabgrenzung: Übungsfirma, Lernbüro und Juniorenfirma) Übungsfirma

Lernbüro

Juniorenfirma

Volkswirtschaft

simuliert

simuliert

real

Warenverkehr

simuliert / fiktiv

simuliert / fiktiv

echte Produkte; reales Kleinunternehmen

Kapital

simuliert / fiktiv

simuliert / fiktiv

echtes Kapital

Außenkontakte (zu Banken, Lieferanten, Finanzamt etc.)

tatsächliche (zu anderen Übungsfirmen; über Übungsfirmenring)

schulisch umgesetzt z.B. in:

Österreich Deutschland: insbesondere im Bereich von Umschulung und Rehabilitation

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simuliert je nach Modell: • simuliert d. Lehrer • simuliert d. Schüler (rotationsweise Übernahme der Außenstellen)

tatsächlich zu realen Banken, Lieferanten, dem örtlichen Finanzamt, etc.

Deutschland:

Deutschland:

Nordrhein-Westfalen; Brandenburg; Hessen; Bayern; SchleswigHolstein

Baden-Württemberg

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Schlüsselqualifikationen (nach Speth) (I) Schlüsselqualifikationen

Aufgaben in der Juniorenfirma

TEAMARBEIT

• gemeinsame Definition von Unternehmenszielen, • Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen, Einkauf, Verkauf, Rechnungswesen u. a., • gemeinsame Durchführung von Sonderprojekten, • Einarbeitung von Nachfolgern.

KREATIVITÄT

• Produktfindung, • Gestaltung von Prospekten, Produktdesign, Geschäftsberichten, • Einarbeitung von Absatzstrategien.

ENTSCHEIDUNGSFÄHIGKEIT

• • • •

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Lieferantenauswahl, Sortimentszusammenstellung, Preisbestimmung, Anlage liquider Mittel.

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Schlüsselqualifikationen (II) Schlüsselqualifikationen

Aufgaben in der Juniorenfirma

SPRACHKOMPETENZ

• • • •

DENKEN IN

• Auswirkung von Arbeitsabläufen der eigenen Abteilung auf andere Abteilungen, • Erstellung von Arbeitsabläufen, • Auswirkungen von Beschaffungs- bzw. Absatzentscheidungen auf betriebswirtschaftliche Kennziffern, • Auswirkungen produktpolitischer Entscheidungen auf die Umwelt.

ZUSAMMENHÄNGEN

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Vorträge auf Messen, Präsentationen, Rechenschaftsbericht an Aufsichtsrat, Verhandlungen mit Kunden und Lieferanten, • Korrespondenz.

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4. Exkurs: Medieneinsatz 4.1 Kreidetafel

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Checkliste „Kreide“(nach Kretschmer/Stary) Inhalt: Skizzen, Ergebnisse, kurze Texte, (mathematische) Ableitungen, Versuchspläne, schematische Darstellungen, Definitionen, Merksätze, Schlüsselbegriffe

Vorbereitung:

Tafelbild:

• Kreide bereithalten, • Wasser und Schwamm bereithalten, • Tafelbild: Aufteilung und Platzbedarf vorher überlegen.

Kommunikation:      

 

 

groß und deutlich schreiben, das Tafelbild sollte klar und übersichtlich sein, Wichtiges farbig hervorheben.

Umgang mit den Utensilien:

Erklärungen zum Anschrieb nur zu den Schülern gewandt abgeben, nach dem Anschrieb neben die Tafel treten und nur von der Seite auf die Tafel zeigen, der Zeigestab muss einige Sekunden auf dem Bezeichneten ruhen, nicht mit dem Zeigestock spielen, genügend Zeit zum Abschreiben lassen, den nicht mehr benötigten Anschrieb abdecken oder abwischen, für die Reinigung der Tafel eine Pause einlegen, nicht gleichzeitig sprechen und schreiben. 191



 

 

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Wischrichtung beim Reinigen der Tafel: von oben nach unten, zum Schreiben: neue Kreidestücke in der Mitte durchbrechen (damit verhindert man das Abbrechen der Kreide) oder aber die Kreide sehr kurz anfassen, nicht auf die nasse Tafel schreiben, dunkelfarbige Kreide vermeiden.

Die Kreidetafel (nach Kretschmer/Stary) eignet sich für: • schrittweises Entwickeln von Sachverhalten (z. B. mathematische Ableitungen) • Erklärungen und Erläuterungen (z. B. neue Fachtermini, Fremdwörter, Namen, Beispiele, Zahlen) • Sammeln (z. B. Themen, Vorschläge)

eignet sich nicht für: • Darstellungen, die länger erhalten bleiben sollen • zeitaufwendige Schreib- und Zeichenarbeiten während des Unterrichts (zeitaufwendige Arbeiten müssen vor dem Unterrichtsbeginn erledigt werden)

Vorteile • einfache Handhabung • große Schreibfläche (bei Klapptafeln) • Löschung, Korrektur ist jederzeit möglich

Nachteile • kein Augenkontakt zu den Schülern beim Anschreiben • das Abschreiben bzw. Abzeichnen ist zeitaufwendig • Gefahr hoher Fehlerhaftigkeit beim Abschreiben oder Abzeichnen der Tafelanschrift bzw. des Tafelbildes

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4.2 Overheadprojektor und Folien

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Checkliste „Folie“(nach Kretschmer/Stary) • Informationsmenge bedenken (Weniger ist meist mehr!) • Schrift (mindestens 5 mm!) • Farbe (funktional statt bunt!) • Typographie (als Mittel der Strukturierung verwenden!) • Überschrift, Titel angeben! • 2 cm Rand an allen Seiten lassen! • Querformat vor Hochformat (wenn möglich)!

Folien-Typ beachten! • Grundsätzlich sind zu unterscheiden: Schreib- und Kopierfolien. Schreibfolien niemals in ein Fotokopiergerät oder einen PC-Drucker legen! Für PC-LaserDrucker und Tintenstrahldrucker sollten dafür vorgesehene Spezialfolien verwendet werden!

Für Folien, die primär informieren wollen, gilt:  Reduzierung auf das Wesentliche,  das Wesentliche in den Bildmittelpunkt,  flächenmäßig am größten,  verständliche Bildsprache,  Sehgewohnheiten berücksichtigen (von links nach rechts, von oben nach unten)!

Während des Unterrichts 

    

Aufbewahrung (vor allem von Laserdrucker-Folien) in Spezialhüllen für OH-Folien

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 

Optimal: Projektionsfläche ist 45° geneigt. Nicht im Projektionsstrahl stehen! Demonstrationen nur auf der Projektionsfläche des Overhead-Projektors! Nicht zur Projektionswand sprechen! Keine Demonstration (mit dem Finger oder einem Zeigestab) an der Projektionsfläche! Projektor nur solange angeschaltet lassen, solange über die Folie gesprochen wird! Folien nicht zu schnell wechseln! „Folienschleuder“ vermeiden (also nicht eine Folie nach der anderen auflegen)!

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4.3 Arbeitsblatt

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Checkliste „Arbeitsbogen/Arbeitsblatt“(nach Kretschmer/Stary) •

Die Arbeitsbögen/Arbeitsblätter sollten datiert und nummeriert werden, so dass sie fächermäßig zugeordnet und auch zu späteren Zeitpunkten verwendet werden können!  Fach  Arbeitsbereich  Überschrift  Titel angeben! 2 cm Rand an allen Seiten lassen! (In besonderen Fällen für Randnotizen rechts 7 cm) • Vorlochen! • Hochformat vor Querformat (wenn möglich)! • Möglichst nicht die Rückseite, sondern neues Blatt benutzen! • Informationsmenge bedenken! Weniger ist meist mehr! • Motivierende Gestaltung und persönliche Ansprache:  handschriftlich gefertigt,  mit ermutigenden Worten und  Karikaturen (für jüngere Schüler)! • Klare, übersichtliche Gliederung! • Größe der Schrift 12 bis 14 Punkt! • Trennung von Informations-/Stoff- und Arbeitsteil! • Genügend Platz für Schülereinträge vorsehen! • Auf Verständlichkeit und Prägnanz der Anleitungstexte und Arbeitsaufträge achten! • Keine ungeordnete Collage verschiedener Textauszüge! • Fundstellen und Quellenangaben vermerken!

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4.4 Vergleich von selbst- und fremderstellten Medien

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Vergleich von selbst- und fremderstellten Medien (nach Becker) (I) Gesichtspunkt zum Vergleich von SELBST-

und

FREMD-

ERSTELLTEN MEDIEN Unterrichts-VORBEREITUNG relativ groß

Zeitaufwand

meist nicht perfekt

relativ gering (nur für Auswahl, Bestellung, Abstimmung)

Gestaltung (grafisch/technisch)

meist perfekt

Unterrichts-DURCHFÜHRUNG frei (nur durch Medienspezifität begrenzt)

Themenwahl

abhängig (vom Fremdangebot)

eigene realisierbar (in den Grenzen der Medien)

Intention (didaktische Absicht)

Fremde ist zu übernehmen (kann mit eigener übereinstimmen, leichter bei stummen Medien)

präzise möglich (bei Ersterstellung genau für eine Klasse)

Schülerorientierung

meist nur ungefähre Abstimmung auf Vorkenntnisse der Klasse

von Anfang an günstiger (da eigene Planung und Erstellung)

Schülerzuwendung und Arbeit im Medienverbund

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erst bei Wiederholung günstiger (zunächst noch Kennenlernen des Mediums)

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Vergleich von selbst- und fremderstellten Medien (II)

Gesichtspunkt zum Vergleich von SELBST-

und

FREMD-

ERSTELLTEN MEDIEN . . . INNOVATION stärker inhaltsorientiert (eher in der Planungsphase)

Zusammenarbeit (Vorbereitungsphase)

stärker organisationsorientiert (Auswahl, Bestellung)

psychische Hemmung größer, organisatorisch gleich

Weitergabe, Austausch

keine psychische Hemmung, allenfalls organisatorische

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V. Kapitel Kritische Würdigung einer lernfeldorientierten Didaktik • Hauptargumente für die entsprechende Struktur der KMK-Rahmenlehrpläne. Diese sind:  die Ausrichtung der Ziele und Inhalte an den arbeitsprozessorientierten Gegebenheiten des zukünftigen Berufsbildes der Auszubildenden (bei gleichzeitiger Reduktion der Fachsystematik zugunsten einer Handlungssystematik);  die Förderung der Lernortkooperation zwischen Berufsschule und Ausbildungsbetrieb;  die Verlängerung der „Lebensdauer“ der Lehrpläne durch die Reduktion des Detaillierungsgrades;  der Versuch, auch den geforderten Modulationen der Prüfungsanforderungen im Sinne eines vollständigen Handlungsbezuges gerecht zu werden.

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…und die Kritik …??? hier nur einige Gedanken… Stommel verweist denn auch pointiert auf die Lernzieltaxonomie nach Möller[1] und nennt die in den Lernfeldern enthaltenen Zielangaben „Lernziele der allergröbsten Art“. [1]Möller, C.: Technik der Lernplanung, 4. Aufl. Weinheim, 1973.

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• Gieseke geht in dieser Überlegung einen Schritt weiter, wenn er anmerkt: • “Die kulturelle Erfindung Unterricht ermöglicht uns, was sonst nicht möglich wäre, nämlich die an und für sich diffus bleibende Realität in geordnete Vorstellungen zu bringen und diese für zukünftige (...) Verwendungssituationen zur Verfügung zu halten. Alle im Leben sowieso ablaufenden Lernprozesse bleiben dagegen an dessen Aktualität gebunden und dienen seiner unmittelbaren Bewältigung. (...) Handlungsorientierung als didaktisches Prinzip würde insofern am spezifischen Sinn der Schule vorbeigehen, gleichsam in vorschulische Zeiten zurückfallen.“[1] [1]Gieseke, H.: Wozu ist Schule da? Die neue Rolle von Eltern und Lehrern, Stuttgart, 1996, S.199 u. S.254.

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Becker[1] unterstützt diese Position und verweist auf die Problematik der Lernfeldstrukturen, die nicht zu der fachwissenschaftlichen Struktur der Lehrerausbildung, dem Fächerbezug der Prüfungen, dem Fachbezug der Lehr- und Lernmittel, dem Fachbezug der Schulorganisation und der begrenzten Fachkompetenz der Lehrer passen, wobei nicht alle Fächer (AWL, SWL, DV mit Branchenkenntnissen, Rechnungswesen und Textverarbeitung) auf gleichem Niveau unterrichtet werden können. [1]Becker, R.: Der neue Ausbildungsberuf „Automobilkaufmann /-kauffrau, in: Wirtschaft und Erziehung, H.3/1998, S.81; Zöllner, A.: Lernfelder in den Rahmenlehrplänen des Bundes und in den bayrischen Lehrplänen der Berufsschulen, in: Die berufsbildende Schule, H.4/1999, S.155.

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